Etymologie, Etimología, Étymologie, Etimologia, Etymology, (griech.) etymología, (lat.) etymologia, (esper.) etimologio
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XADE_u - Adelung - Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart
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Adelung: Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart
- U
- Ü
- Übel
- Übel
- Übelkeit
- Übelklang
- Übellaut
- Übelstand
- Übelthat
- Übelthäter
- Üben
- Üben
- Über
- Überáckern
- Überáll
- Überantworten
- Überárbeiten
- Überaus
- ?berbau
- Überbáuen
- Überbehálten
- Überbein
- Überbíthen
- Überb?nden
- Überblattern
- ?berbleiben
- ?berbleibsel
- ?berblick
- Überbl?hen
- ?berbrand
- Überbrechen
- ?berbreiten
- Überbrénnen
- Überbringen
- Überbr?nger
- Überbr?cken
- Überdas
- ?berdêcke
- Überdécken
- Überdêm
- Überdênken
- Überdieß
- Überdréschen
- ?berdruß
- ?berdr?ssig
- Überd?ngen
- Überéck
- Überecks
- Übereígnen
- Übere?len
- Übere?lung
- Übere?n
- Übereinander
- Übere?nkunft
- Übereinst?mmig
- Übereinst?mmung
- Überéssen
- Überfahren
- Überfahrt
- Überfahrt
- ?berfall
- Überfállen
- Überf?rnissen
- Überfléchten
- Überfliegen
- ?berfließen
- Überflügeln
- ?berfluß
- Überflüssig
- ?berfracht
- Überfráchten
- Überfressen
- Überfr?eren
- ?berfuhre
- Überführen
- Überfüllen
- Überfüttern
- ?bergabe
- Übergähren
- ?bergang
- Übergáttern
- Übergáukeln
- Übergében
- Übergehen
- ?bergeher
- ?bergewicht
- Übergießen
- Übergólden
- ?bergroß
- ?berguß
- ?bergut
- Übergýpsen
- ?berhalb
- Überhánd
- ?berhang
- ?berhangen
- Überhängen
- Überhárschen
- Überhufen
- Überháupt
- Überhében
- ?berhelfen
- Überh?r
- Überhín
- Überhóbeln
- ?berhoch
- Überhóhlen
- ?berholz
- Überhren
- Überhüpfen
- Überh?then
- ?berjagdbar
- Überjágen
- Überjáhrt
- Über?rdisch
- Überkáufen
- ?berkehr
- Überk?hren
- Überkippen
- ?berkläfterig
- Überkle?ben
- ?berkleid
- Überkle?den
- Überkle?stern
- ?berklug
- ?berkochen
- Überkommen
- ?berkranz
- ?berkunft
- Überkútten
- Überláden
- ?berlage
- ?berlang
- ?berläng
- ?berlangen
- Überlassen
- Überlast
- Überlásten
- ?berlästig
- ?berlauf
- Überlaufen
- ?berläufer
- Überláuschen
- Überláut
- Überlêben
- ?berlegebaum
- Überlegen
- Überlègen
- Überlegenheit
- Überlégsam
- Überlégt
- Überlégung
- Überlèsen
- Überléy
- Überl?efern
- Überl?eferung
- Überl?sten
- Übermáchen
- ?bermacht
- ?bermächtig
- Übermáhlen
- Übermánnen
- ?bermaß
- ?bermaße
- Übermäßig
- Überme?stern
- Überménschlich
- Überméssen
- Übermétzen
- Übermgen
- ?bermorgen
- ?bermuth
- ?bermüthig
- Übernachten
- ?bernächtig
- ?bernahme
- Übernat?rlich
- Übernéhmen
- Überpféffern
- Überpólstern
- Überpúrzeln
- Überqu?r
- Überráppen
- Überráschen
- Überráspeln
- Überréchen
- Überréchnen
- ?berrecht
- Überréden
- Überreichen
- ?berreif
- Überreiten
- Überrénnen
- ?berrest
- ?berrinnen
- ?berrock
- ?berrück
- ?berrücks
- Überrúmpeln
- ?berrüsten
- ?bersen
- ?bersálzen
- ?bersatz
- Überschállen
- ?berschar
- ?berscharf
- Uberschátten
- Überschauen
- Überscheinen
- Übersch?cken
- Überschießen
- Überschiffen
- Überschlächtig
- ?berschlag
- Überschlagen
- Überschle?chen
- Überschleyern
- Überschl?chten
- Überschl?ngen
- Überschmieren
- ?berschnappen
- Überschnéllen
- Überschnéyen
- Überschn?ren
- Überschreiben
- Überschreiten
- Überschréyen
- ?berschrift
- ?berschúß
- ?berschutt
- Überschütten
- Überschwngern
- ?berschwang
- ?berschwanken
- ?berschwnklich
- Überschwátzen
- ?berschwelle
- Überschwémmen
- ?berschwer
- ?berschwimmen
- Übersegeln
- Übersehen
- Übersénden
- Übersetzen
- Übers?tzer
- Übersétzung
- ?bersicht
- ?bersichtig
- Übersieden
- Übers?lbern
- Übers?ngen
- Übers?nnen
- Übers?ntern
- Übersómmern
- Überspannen
- Übersp?nnen
- Überspringen
- ?bersprung
- ?berstamm
- ?berstamm
- ?berständig
- Überstéchen
- Überstéhen
- Übersteigen
- Übersteígern
- Überstéllen
- Überst?mmen
- ?berstolz
- Überstoßen
- Überstráhlen
- Überstreichen
- ?berstreifen
- Überstréuen
- Überstr?cken
- Überströmen
- Überstudíeren
- ?berstülpen
- Überstürzen
- ?bersüß
- Übertäfeln
- Übertuben
- ?bertheuer
- Übertheúern
- Übertlpeln
- Übertragen
- Übertréffen
- Übertreiben
- Übertreten
- Übertréter
- Übertrétung
- ?bertrifft
- Übertr?nken
- ?bertritt
- Übertrúmpfen
- Übert?nchen
- Übervoll
- Übervórtheilen
- Überwachsen
- Überw?gen
- Überwálken
- ?berwallen
- Überwltigen
- Überwrmen
- ?berwärts
- Überwében
- ?berweis
- ?berweise
- Überweisen
- Überwéißen
- Überwerfen
- ?berwichtig
- Überw?ckeln
- Überw?egen
- Überw?nden
- Überw?nder
- Überw?ndlich
- Überw?ntern
- ?berwitzig
- ?berwurf
- ?berzahl
- Überzhlen
- ?berzhlig
- ?berzahn
- Überzumen
- Überzéugen
- Überziehen
- Überz?nnen
- Überzúckern
- ?berzug
- Überzwérch
- Überzw?ngen
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- ?blichkeit
- ?brig
- Übrigen
- Übrigens
- Übung
- Uchse
- Ucht
- Uckeley
- Ufer
- Uferaas
- Uferbaukunst
- Uferkibitz
- Uferrêcht
- Uferschwalbe
- Uhr
- Úhrmacher
- Uhrsand
- Uhrwêrk
- Uhrzeiger
- Uhu
- Ukase
- Ukeley
- Ukerwêndisch
- Ukerwälsch
- Ulme
- Ulm
- Ulrich
- Ultramarin
- Um
- Úmackern
- Úmähren
- Úmändern
- Úmarbeiten
- Umármen
- Úmbehalten
- Umber
- Úmbiegen
- Úmbilden
- Umbinden
- Umblasen
- Umbra
- Úmbrechen
- Úmbringen
- Úmbrúch
- Úmdêcken
- Umdórnen
- Úmdrêhen
- Úmdrucken
- Umdúften
- Umfáhen
- Umfahren
- Úmfall
- Úmfallen
- Úmfalzen
- Úmfang
- Umfángen
- Umfärben
- Umfassen
- Umfláttern
- Umfléchten
- Umfl?egen
- Umfl?eßen
- Úmformen
- Úmfrage
- Úmfragen
- Úmführen
- Úmfüllen
- Úmfurkeln
- Úmgaffen
- Úmgang
- Úmgänger
- Umgänglich
- Umgêben
- Umgehen
- Umgêld
- Umgießen
- Umgraben
- Umgrnzen
- Umgreifen
- Úmgucken
- Umgürten
- Úmhaben
- Umhacken
- Umhálsen
- Úmhang
- Umhängen
- Úmhauen
- Umhér
- Umh?n
- Umhören
- Umh?llen
- Umh?pfen
- Úmkehr
- Umkehren
- Úmkippen
- Umkláftern
- Umklámmern
- Umkleiden
- Umkommen
- Úmkrämpen
- Umkrnzen
- Úmkreis
- Úmladen
- Umlagern
- Úmlauf
- Umlaufen
- Umlegen
- Úmleiten
- Umlenken
- Umleuchten
- Úmliegen
- Úmmachen
- Ummáuern
- Ummessen
- Ùmmünzen
- Umnhen
- Umnébeln
- Úmnehmen
- Úmniethen
- Umpacken
- Umpánzern
- Umpfhlen
- Umpflanzen
- Úmpflicht
- Úmpflügen
- Úmprägen
- Umrändern
- Umrändern
- Úmräumen
- Umre?sen
- Úmreißen
- Umreiten
- Úmrennen
- Umríngen
- Umriß
- Úmrühren
- Úmsacken
- Úmsagen
- Umsgen
- Úmsalzen
- Úmsatteln
- Úmsatz
- Úmschaffen
- Ùmschalen
- Umschánzen
- Úmscharren
- Umschátten
- Úmschattig
- Umschauen
- Umschaufeln
- Umscheeren
- Umsche?nen
- Úmschicken
- Umschiffen
- Úmschlag
- Úmschlagen
- Umschle?chen
- Umschleýern
- Úmschlichten
- Umschl?eßen
- Umschl?ngen
- Úmschmeißen
- Úmschmelzen
- Umschmieden
- Umschmieren
- Úmschnallen
- Umschne?den
- Umschnüren
- Umschrnken
- Umschreiben
- Umschrift
- Umschróten
- Umsch?rzen
- Úmschütteln
- Umschütten
- Úmschweif
- Úmschweifen
- Umsegeln
- Úmsehen
- Umsetzen
- Úmsinken
- Úmsinnen
- Úmsitzen
- Umsónst
- Umspannen
- Umsp?nnen
- Úmspringen
- Úmstand
- Úmständlich
- Úmständlichkeit
- Úmstechen
- Umstecken
- Úmstehen
- Umstellen
- Úmstimmen
- Úmstöhren
- Úmstoßen
- Umstráhlen
- Umstreichen
- Umstréuen
- Umstricken
- Umstrmen
- Úmsturz
- Úmstürzen
- Úmsuchen
- Úmtausch
- Úmtauschen
- Úmthun
- Umtnen
- Úmtragen
- Úmtreiben
- Úmtreten
- Úmtrieb
- Umtritt
- Umúfern
- Umwáchen
- Umwáchsen
- Úmwälzen
- Úmwechseln
- Úmweg
- Umwehen
- Úmwenden
- Úmwerfen
- Umwickeln
- Úmwindeln
- Umwinden
- Umwlken
- Úmwühlen
- Úmzählen
- Umzunen
- Úmzechig
- Umzeichnen
- Umziehen
- Umz?ngeln
- Umz?rken
- Úmzug
- Un
- Unabänderlich
- Unabbrüchig
- Unabhängig
- Unablässig
- Unablèglich
- Unabsehbar
- Unabsonderlich
- Unächt
- Unachtbar
- Unachtbarkeit
- Unachtsam
- Unadelig
- Unähnlich
- Unangenêhm
- Unangesehen
- Unannehmlich
- Unansässig
- Unansehnlich
- Unanständig
- Unanständigkeit
- Unanstößig
- Unart
- Unartig
- Unaufhörlich
- Unauflöslich
- Unausbleiblich
- Unausforschlich
- Unausführlich
- Unausgesêtzt
- Unauslöschlich
- Unaussprêchlich
- Unbändig
- Unbarmherzig
- Unbärtig
- Unbaß
- Unbau
- Unbeantwortlich
- Unbedacht
- Unbedacht
- Unbedächtig
- Unbedáchtsam
- Unbedeckt
- Unbedeutend
- Unbedingt
- Unbeêrbt
- Unbefangen
- Unbefleckt
- Unbefugniß
- Unbefugt
- Unbegreiflich
- Unbehaglich
- Unbehêrzt
- Unbehülflich
- Unbehutsam
- Unbekannt
- Unbekümmert
- Unbelêbt
- Unbelêsen
- Unbelieben
- Unbemêrkt
- Unbenannt
- Unbenommen
- Unbequêm
- Unbequemlichkeit
- Unberathen
- Unberedsamkeit
- Unberêdt
- Unberitten
- Unberufen
- Unberühmt
- Unbeschadet
- Unbescheid
- Unbescheiden
- Unbescheidenheit
- Unbescholten
- Unbeschreiblich
- Unbeschwêrlich
- Unbeschwêrt
- Unbesonnen
- Unbestand
- Unbeständig
- Unbeständigkeit
- Unbestêchlich
- Unbestehend
- Unbestimmt
- Unbetrübt
- Unbetrüglich
- Unbewêglich
- Unbeweislich
- Unbeweislich
- Unbewohnbar
- Unbewußt
- Unbezeugt
- Unbezwinglich
- Unbiegsam
- Unbild
- Unbilde
- Unbildlich
- Unbillig
- Unbilligkeit
- Unblutig
- Unboth
- Unbrauchbar
- Unbußfêrtig
- Uncatholisch
- Unchrist
- Unchristlich
- Uncke
- Und
- Undank
- Undankbar
- Undauung
- Undênkbar
- Undênklich
- Undeutlich
- Undeutsch
- Undienlich
- Undienst
- Undienstfêrtig
- Unding
- Undurchdringlich
- Undurchsichtig
- Unêben
- Unêbene
- Unêcht
- Unêdel
- Unehe
- Unehelich
- Unehrbar
- Unehre
- Unehrlich
- Unehse
- Uneigennützig
- Uneigentlich
- Uneingedênk
- Uneinig
- Uneinigkeit
- Uneins
- Unempfänglich
- Unempfindlich
- Unéndlich
- Unentbêhrlich
- Unentfallen
- Unentgeldlich
- Unenthaltsam
- Unentschieden
- Unentschlossen
- Unentsinnlich
- Unentwickelt
- Unerachtet
- Unerbittlich
- Unerfahren
- Unerfindlich
- Unerforschlich
- Unerfreulich
- Unergänzlich
- Unergründlich
- Unerhêblich
- Unerhört
- Unerinnerlich
- Unerkênntlich
- Unerklärbar
- Unerlaubt
- Unerleidlich
- Unermêßlich
- Unermüdet
- Unermüdlich
- Unersättlich
- Unerschöpflich
- Unerschrocken
- Unerschroten
- Unerschütterlich
- Unersetzlich
- Unersteiglich
- Unerträglich
- Unerwartet
- Unerwêcklich
- Unerweislich
- Unerwogen
- Unerzogen
- Unfähig
- Unfall
- Unfêhlbar
- Unfêrn
- Unfêrtig
- Unflath
- Unfläther
- Unflätherey
- Unfläthig
- Unfläthigkeit
- Unfleiß
- Unfleißig
- Unform
- Unförmlich
- Unförmlichkeit
- Unfreund
- Unfreundlich
- Unfreundlichkeit
- Unfreundschaft
- Unfreundschaftlich
- Unfrey
- Unfriede
- Unfriedlich
- Unfruchtbar
- Unfug
- Unfüglich
- Unfugsam
- Unfürdênklich
- Unfürsichtig
- -Ung
- Ungangbar
- Unganz
- Úngarn
- Ungeachtet
- Ungeahndet
- Ungebêrde
- Ungebêrdig
- Ungebräuchlich
- Ungebühr
- Ungebührend
- Ungebührlich
- Ungebunden
- Ungedrungen
- Ungeduld
- Ungeduldig
- Ungeehrt
- Ungefähr
- Ungefällig
- Ungefärbt
- Ungegêssen
- Ungegründet
- Ungehäb
- Ungehalten
- Ungeheißen
- Ungeheuchelt
- Ungeheuer
- Ungeheuer
- Ungehindert
- Ungehörig
- Ungehorsam
- Ungehorsam
- Ungeistlich
- Ungêld
- Ungelêgen
- Ungelêgenheit
- Ungelehrig
- Ungelehrt
- Ungelênk
- Ungelöscht
- Ungêlt
- Ungêlter
- Ûngemach
- Úngemach
- Úngemchlich
- Ungemäß
- Ungemein
- Ungeméssen
- Ungenannt
- Ungeneigt
- Ungenießbar
- Ungenóß
- Ungenossen
- Ungenügsam
- Ungerade
- Ungerathen
- Ungerêchnet
- Ungerêcht
- Ungerêchtigkeit
- Ungereimt
- Ungereimtheit
- Ungêrn
- Ungeróchen
- Ungesäumt
- Ungeschehen
- Ungescheid
- Ungescheut
- Ungeschicklich
- Ungeschickt
- Ungeschlacht
- Ungeschliffen
- Ungeschliffenheit
- Ungeschlossen
- Ungeschmack
- Ungeschmeidig
- Ungeschoren
- Ungeséllig
- Ungesittet
- Ungesprächig
- Ungestalt
- Ungestalt
- Ungestaltet
- Ungestüm
- Ungestüm
- Ungesund
- Ungethüm
- Ungetreu
- Ungewiß
- Ungewissenhaft
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- Ungewitter
- Ungewittervogel
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- Ungewöhnlich
- Ungewöhnlichkeit
- Ungewohnt
- Ungezähmt
- Ungeziefer
- Ungeziemend
- Ungezogen
- Ungezogenheit
- Ungezweifelt
- Ungezwungen
- Ungezwungenheit
- Unglaube
- Ungläubig
- Unglaublich
- Ungleich
- Ungleichartig
- Ungleichförmig
- Ungleichheit
- Unglimpf
- Unglimpflich
- Unglück
- Unglücklich
- Unglücksbaum
- Unglücksbothe
- Unglücksêlig
- Unglücksêligkeit
- Unglücksfall
- Unglückskind
- Unglücksstifter
- Unglücksvogel
- Ungnade
- Ungnädig
- Ungöttlich
- Ungöttlichkeit
- Ungrund
- Ungültig
- Ungültigkeit
- Ungunst
- Ungünstig
- Ungut
- Ungüte
- Ungütig
- Ungütigkeit
- Unhaltbar
- Unhaltbarkeit
- Unheil
- Unheilbar
- Unheilig
- Unheiligkeit
- 1. Unhöflich
- 2. Unhöflich
- Unhöflichkeit
- Unhold
- Unholde
- Unholdenkêrze
- Unholdenkraut
- Universitat
- Unjagdbar
- Unkatholisch
- Unke
- Unkênntlich
- Unkeusch
- Unkeuschheit
- Unklage
- Unklar
- Unklug
- Unkörperlich
- Unkosten
- Unkräftig
- Unkraut
- Unkunde
- Unkundig
- Unlängst
- Unläugbar
- Unlauter
- Unleidlich
- Unleidlichkeit
- Unleistbar
- Unlêserlich
- Unleugbar
- Unlieblich
- Unlöblich
- Unlöcherer
- Unlust
- Unlustig
- Unmannbar
- Unmaßgêblich
- Unmäßig
- Unmäßigkeit
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- Unmênschlich
- Unmênschlichkeit
- Unmerklich
- Unmêßlich
- Unmilde
- Unmittelbar
- Unmöglich
- Unmöglichkeit
- Unmündig
- Unmündigkeit
- Unmuth
- Unmuthig
- Unnachahmlich
- Unnachbarlich
- Unnachtheilig
- Unnatürlich
- Unnatürlichkeit
- Unnênnbar
- Unnöthig
- Unnütz
- Unnützlich
- Unordentlich
- Unordnung
- Unparteyisch
- Unparteylich
- Unparteylichkeit
- Únpáß
- Unpäßlich
- Unpäßlichkeit
- Unpersönlich
- Unpflicht
- Unpflichtig
- Unrath
- Unräthlich
- Unrêcht
- Unrêcht
- Unrêcht
- Unrechtmäßig
- Unrêdlich
- Unregelmäßig
- Unreif
- Unreife
- Unreimisch
- Unrein
- Unreinigkeit
- Unreinlich
- Unrichtig
- Unrichtigkeit
- Unruhe
- Unruhig
- Unrühmlich
- Uns
- Unsacht
- Unsäglich
- Unsanft
- Unsättig
- Unsauber
- Unsauberkeit
- Unschädlich
- Unschattig
- Unschätzbar
- Unscheinbar
- Unschicklich
- Unschiffbar
- Unschlachtig
- Unschlitt
- Unschlüssig
- Unschmackhaft
- Unschmêrzhaft
- Unschuld
- Unschuldig
- Unschwêr
- Unsêgen
- Unsêlig
- Unsêlig
- 1. Unser
- 2. Unser
- Unserige
- Unserthalben
- Unsertwegen
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- Unsicher
- Unsicherheit
- Unsichtbar
- Unsichtbarkeit
- Unsinn
- Unsinnig
- Unsinnigkeit
- Unsittig
- Unsorgsam
- Unsrig
- Unständig
- Unstät
- Unstäte
- Unstätig
- Unstätkraut
- Unstätkraut
- Unstatthaft
- Unstêrblich
- Unstêrblichkeit
- Unstêrn
- Unsträflich
- Unstreitig
- Unsündlich
- Untadelhaft
- Untadelig
- Untauglich
- Unte
- Unten
- Untenher
- Untenhin
- 1. Unter
- der, die, das Untere
- 2. Unter
- Únterabtheilung
- Unteracht
- Únterackern
- Únter-Admiral
- Únterámt
- Únterarbeiten
- Únterárche
- Únterartischocke
- Únterbalken
- Únterbank
- Únterbau
- Únterbauch
- Únterbauen
- Únterbere?ter
- Únterbérgmeister
- Únterbêtt
- Únterbeute
- Unterbinden
- Únterblatt
- Unterble?ben
- Únter-Bonnétte
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- Unterdêssen
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- Unterdrucker
- Unterdr?ckung
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- Untereinander
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- Untergestêll
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- Unterhalten
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- Unterhêrrschaft
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- Unterkiefer
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- Unterladung
- Unterlage
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- Unterlauf
- Unterlaufen
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- Unterlehensfall
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- Unterleib
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- Unter-Lieutenant
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- Unterobrigkeit
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- Unterordnung
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- Unterpfändlich
- Únterpflügen
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- Unterrêdung
- Únterricht
- Unterr?chten
- Únterrichter
- Unterr?chtung
- Unterrinde
- Unterrock
- Unterrocken
- Unterságen
- Untersáß
- Untersatz
- Unterschale
- Únterscharren
- Unterscheid
- Untersche?den
- Unterscheidung
- Unterschênk
- Unterschênkel
- Únterschieben
- Unterschied
- Unterschiedlich
- Unterschlächtig
- Unterschlag
- Unterschlagen
- Unterschlägig
- Unterschleif
- Unterschre?ben
- Unterschrift
- Únterschüren
- Unterschwêlle
- Untersêgel
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- Úntersênken
- Untersêtzen
- Untersichter
- Unters?egeln
- Úntersinken
- Untersippschaft
- Untersitz
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- Unterspreitzen
- Unterspr?ngen
- Unterstaller
- Unterstallmeister
- Únterstämmen
- Únterstecken
- Unterstehen
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- Unverfälscht
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- Unvergänglich
- Unvergêblich
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- Unvergêßlich
- Unvergleichlich
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- Unverlêtzlich
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- Unvermeidlich
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- Unwille
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- Urbar
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- Urtheilssprecher
- Urtheilsverfasser
- Urwèllen
- Urwêsen
- Urwort
- Urzeit
Erstellt: 2021-01
A
Adelung, Johann Christoph
Hochdeutsches Wörterbuch
Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart,
mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten,
besonders aber der Oberdeutschen [Adelung]
(E?)(L?) http://www.bastisoft.de/misc/adelung/
Zu den Daten
Hier finden Sie den vollständigen Text des "Grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen" von Johann Christoph Adelung. Er entspricht der Ausgabe von 1811, die vom Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek eingescannt und mit einem Texterkennungsprogramm in Textform überführt wurde. Text und Bilder hat die sogenannte Digitale Bibliothek auf Ihrem Web-Server verfügbar gemacht, jedoch nicht als fortlaufenden Text. Das ist die Lücke, die diese Datei füllen soll.
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Der Text unterliegt keinem urheberrechtlichen Schutz, da dieser nach deutschem Recht nur Werken gewährt wird, deren Urheber noch lebt oder höchstens seit 70 Jahren tot ist.
Sebastian Koppehel
Erstellt: 2010-02
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
U (W3) [Adelung]
U,
der ein und zwanzigste Buchstab des Deutschen Alphabetes, und der
fünfte oder vielmehr siebente unter den Selbstlauten, wenn nähmlich ä
und ö, wie billig, als eigene Selbstlauter mitgezählet werden. Er wird
aus der Kehle mit einer runden Öffnung des Mundes ausgesprochen, und
ist daher, so fern es eine unmittelbare Nachahmung der tönenden Natur
ist, ein Ausdruck des tiefsten und dumpfigsten Lautes, der noch in so
vielen Wörtern unläugbar ist; z. B. kurz, dumm, stumm, stumpf, Trumm
u. s. f. Seine Aussprache hat in den reinen Mundarten keine
Schwierigkeit, indem das Deutsche und Nordische u, dem heutigen
Lateinischen u, dem Französischen und Griechischen ou völlig
gleichlautend sind. Allein in den gemeinen Mundarten gehet es durch
eine Menge von Schattierungen. Besonders pflegt man ihm in einigen
Oberdeutschen Gegenden gern ein e nachschleichen zu lassen; Brueder,
Muetter, (dreysylbig,) guet, Huef, Tuech, (zweysylbig,) für Bruder,
Mutter, gut, Huf, Tuch. In andern dehnt man es wie uo; Buoch, thuot,
Muotter u. s. f. welches besonders in Oberschwaben und am Oberrheine
geschiehet. Das u ist, wie alle andere einfache Selbstleute, bald
gedehnt, bald geschärft; gedehnt in Buch, Fluch, Huhn, thun u. s. f.
geschärft in Lust, Mund, Hund u. s. f. Die Verdoppelung des n, wenn es
gedehnt ist, ist nicht eingeführet, wohl aber wird demselben in
manchen Fällen ein h angehänget. Das u und folgende ii gehen in der
Veränderung der Wörter häufig in einander über. Gut und Güter, Bruder
und Brüder, Fuß, Füßchen und Füße, Durst und dürsten, Brunst und
brünstig, Wunsch und wünschen, dumm, dümmer, dümmste, klug, klüger,
klügste, ich schlug, daß ich schlüge. Unsere Sprachlehrer drucken
dieses so aus, daß das u in der Veränderung der Wörter oft in üblich
verwandelt werde; welches in Ansehung der Flexion richtig ist, aber
nicht in Ansehung der Abstammung. Die Zeitwörter sind in den meisten
Fällen eher da gewesen, als die davon abstammenden Hauptwörter. Man
hat eher gedürstet, ehe man das Abstractum Durst gebildet, eher
gehüthet, als man davon die Huth gemacht u. s. f. Hier läßt sich nicht
sagen, daß u in ü verwandelt worden, aber auch nicht, daß ü in u
übergegangen. Es sind in diesen Fällen, so häufig sie auch sind,
vielmehr zwey Mundarten, durch die unaufhörliche Verm schung der
Nationen zusammen geflossen, eine rauhere und tiefere, und eine
zärtlichere und sanftere. Eben daher rührt es auch, daß ie und u in
Wörtern Eines Geschlechtes so oft in einander übergehen; fließen, Fluß
und flüssig; siechen, Sucht und süchtig; fliehen, Flucht und flüchtig;
triegen, Trug und trüglich. Manche rauhe Oberdeutschen Mundarten
lassen statt des Hochdeutschen ü noch jetzt ein tieferes u hören;
Rucken für Rücken, Kuche für Küche. Im Schreiben oder vielmehr in der
Currentschrift setzt man über das u einen gekrümmten Oberstrich oder
auch einen senkrecht stehenden Circumflex, um es von dem n zu
unterscheiden, welchem es sonst in der Figur gleich ist. Dieser
Gebrauch erstreckt sich bis über das dreyzehnte Jahrhundert hinaus,
und wurde in den Handschriften, auch in der so genannten
Mönchsschrift, beobachtet, indem auch hier das n dem u sehr gleich
sahe. Allein, das Zeichen, dessen man sich zum Unterschiede des
letztern bediente, war nicht zu allen Zeiten und bey allen
Abschreibern gleich, und es scheint, daß man dabey sehr willkührlich
verfahren. Sehr häufig setzte man über das u einen völlig runden
Zirkel, und daraus haben einigen den Schluß machen wollen, dieser
Zirkel sey aus dem o entstanden, welches manche gemeine Mundarten, wie
schon gedacht, dem u nachschleichen lassen, welches man denn darüber
geschrieben, anstatt daß die Griechen und Franzosen das tiefe u durch
ein vorgesetztes o ausdrucken; - hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - und ou. Allein dieser Gebrauch war nicht allgemein. In vielen
Handschriften stehet gar kein Zeichen über dem u; in andern
unterschied man es durch ein Paar schräge stehende Puncte von dem n,
wie solches Schöttchen in einem Programm von einer alten Übersetzung
der Sprüche Salomonis von ungefähr 1400 bemerkt. Noch häufiger schrieb
man nach Art der alten Lateiner statt des u ein v, und in den spätern
Zeiten oft gar ein w, welche beyde letzten Arten auch noch in den
gedruckten Büchern des sechzehenten Jahrhunderts häufig vorkommen;
doch scheint es, daß man das v am häufigsten zu Anfange eines Worte,
und das welche in Doppellauten gebraucht, vnd, Frawen, thewer. Unser
Ew. für Euer ist noch ein alter Überrest davon. Vermuthlich sprachen
die alten Lateiner ihr u eben so, wie wir aus. Bey den Griechen
lautete es wie bey den heutigen Franzosen, wie u; da sie nun doch das
tiefere u in ihrer Sprache hatten, aber kein eigenes Schriftzeichen
dafür kannten, so wählten sie ein zusammen gesetztes, und druckten den
tiefern Laut des u durch ein vorgesetztes tiefes o aus; - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - und ou. Wer nun um des zusammen
gesetzten Zeichens willen das u gleich für einen Doppellaut halten
wollte, würde eben so flach urtheilen, als wer unser ä, ö, ü das
Schwedische ä u. s. f. um dieser Zeichen willen in die Reihe der
Doppellaute setzen wollte. Das u und v sind schon dadurch wesentlich
von einander unterschieden, daß eines ein Selbstlaut, das andere aber
ein Mitlaut ist. Die älteste Römische Capital-Schrift hatte für beyde
nur ein einziges Zeichen, vielleicht, weil sie in der Aussprache
anfänglich nicht verschieden waren; daher schrieben sie auch
nachmahls, da beyde Laute bey ihnen hinlänglich unterschieden waren,
beyde in ihrer großen Schrift mit einem V. In den spätern Zeiten
führten sie in der kleinern Schrift das u ein, welches denn auch von
den Deutschen mit in ihr Alphabet aufgenommen wurde. Nichts desto
weniger ist in den neuern Zeiten von einigen Halblateinern, aus einer
slavischen Nachahmung, die übele Gewohnheit wieder aufgebracht worden,
in der alphabetischen Stellung der Wörter, die mit u und v anfangenden
unter einander zu werfen, und Vater, Übel, Üben, Ver, Ufer, Uhr, Un,
Vor u. s. f. als Wörter Eines Buchstabens auf einander folgen zu
lassen. Man sollte kaum glauben, daß ein so thörichter und
widersinniger Einfall Beyfall finden können, und doch findet man ihn
fast in allen Wörterbüchern und Registern angewandt. Ich habe es für
Pflicht gehalten, der Natur und Vernunft, die beyde Buchstaben
wesentlich getrennet haben, getreu zu bleiben, und sie in diesem
Wörterbuche gleichfalls von einander abzusondern.
Ü (W3) [Adelung]
Ü,
ein einfacher Selbstlaut, welcher die achte Stelle unter den Deutschen
Selbstlauten verdienet, ob es gleich, so wie seine Brüder ä und ö, von
den meisten Sprachlehrern davon, ausgeschlossen wor- den, die sie bald
Halb-Vocale, bald unreine Selbstlaute, bald gar Doppellaute nennen,
ohne mit einer von diesen Benennungen einen bestimmten und deutlichen
Begriff zu verbinden. Es ist, wie das Französische u, ein Mittellaut
zwischen dem i und u, wird aber in den Provinzen bald wie ein völliges
i ausgesprochen, wie das Minze, ibel, fir, Minch, hibsch der Schlesier
und Pfälzer; bald aber auch wie das tiefere u, in dem Schuler,
Zeugnuß, Rucken u. s. f. vieler Oberdeutschen, deren rauhere Mundarten
statt des Hochdeutschen ü gern ein tiefes u hören lassen. Daß er ein
einfacher Selbstlaut und kein Doppellaut ist, erhellet unter andern
auch daraus, weil er bald gedehnt, bald geschärft ist; ersteres in
Mühe, büßen, süß, trübe u. s. f. letzteres aber in müssen, Flüsse,
Güsse, kürzer, Küche u. s. f. Da das Deutsche von den Lateinern
erborgte Alphabet kein Schriftzeichen hatte, diesen Laut auszudrucken,
so mußte man seine Zuflucht zu einem zusammen gesetzten nehmen. Man
wählte das u und setzte das i darneben, oder auch wohl darüber,
anzudeuten, daß das ü ein Mittellaut zwischen beyden wäre; andere aber
bedienten sich statt des i, zu eben dem Ende des e, und daher schrieb
man das ü bald ui, iu, u, bald ue, bald u, und in der größern Schrift
bald Ui, bald Ue. Alle diese Schreibarten haben den großen Haufen der
Sprachlehrer, die über das Äußere hinweg zu sehen nicht im Stande
waren, verleitet, diesen Selbstlaut für einen Doppellaut auszugeben,
weil sein Zeichen aus zwey Zeichen zusammen gesetzt war. Sie haben
aber auch noch die Unbequemlichkeit, daß sie Ausländern und Unkundigen
die Aussprache ungewiß machen, weil Ui leicht wie der Schwäbische
Doppellaut ui, z. B. uich für euch, welchen doch die Hochdeutschen
nicht kennen, gelesen werden kann. Am schicklichsten wäre es daher,
wenn das ü mit zwey Puncten so wohl in der größern als kleinern
Schrift allgemeiner gemacht würde, welches durch die Schriftgießereyen
sehr leicht geschehen könnte. Schon in dem zu Ulm 1483 gedruckten
Buche Keltla und Dimma ist das ü mit zwey Strichlein über dem u
angedeutet. Siehe auch, was schon bey dem ä und ö von diesen
Selbstlauten gesagt worden.
Übel (W3) [Adelung]
Übel,
-er, -ste, adj. et adv. Überhaupt dem Willen eines vernünftigen
Geistes zuwider, und darin gegründet, da es denn bald dem wohl, bald
auch dem gut entgegen stehet. In engere Bedeutung. 1) Man sagt, es ist
mir übel, wenn man eine unangenehme Neigung zum Erbrechen empfindet,
wo es nur als ein Nebenwort gebraucht wird; im gemeinen Leben schlimm.
Es wird mir übel. ( S. Übelkeit.) In weiterer Bedeutung ist sich übel
befinden, übel auf seyn, dem wohl befinden, wohlauf seyn, entgegen
gesetzt. d. i. sich nicht völlig gesund fühlen. Warum siehest du so
übel, du bist ja nicht krank? Nehem. 2, 2. 2) Den Sinne, der
Empfindung unangenehm, wo es dem wohl, zuweilen auch dem gut entgegen
stehet, und auch durch schlecht ausgedruckt wird. Es riecht übel,
nicht gut. Es schmeckt sehr übel. Der Wein schmeckt nicht übel, ist
nicht übel, ist erträglich, leidlich. Es steht, kleidet ihm übel,
nicht übel, ( S. Übelstand.) Übel lauten, klingen, unangenehm. Das
wird ihm übel gefallen, wo es doch mit der Verneinung noch üblicher
ist, das gefällt mir nicht übel, gefällt mir so ziemlich. Übel
aussehen, so wohl ungesund, als auch nicht schön. Sie sieht nicht übel
aus, sie sieht erträglich, leidlich, gut, aus. Er schreibt sehr übel.
Jemanden übel halten, ihm übel begegnen. Auch hier ist es als ein
Nebenwort am häufigsten; doch wird es auch zuweilen als ein Beywort
gebraucht. Ein übler Geruch, ein übler Geschmack; ein schlechter. Eine
üble Gestalt. Er hat kein übles Gesicht. Eine üble Aussprache haben.
Ein übler Traum, ein unangenehmer. Eine üble Begegnung. 3) Mit
Beschwerlichkeit verknüpfet und darin gegründet, eine Fortsetzung der
vorigen Bedeutung, wo es dem gut entgegen stehet, und oft auch durch
schlecht ausgedruckt wird. Übel hören, nicht gut, schwer hören. Übel
zu Fuße seyn, nicht gut, mit Beschwerde gehen. Ich sitze hier sehr
übel, sehr schlecht, sehr unbequem. Ein übler Sitz, ein übler Weg, auf
welchen man nur schwer fortkommen kann. Ein übler Bezahler, ein böser,
schlechter Bezahler, der mühsam zur Bezahlung angehalten werden muß.
Eine üble Nacht haben, eine unangenehme, beschwerliche. 4) Der
Absicht, der Bestimmung nicht gemäß, ihr zuwider. Es ist mir nicht
übel gerathen. Etwas übel auslegen, eine widrige Absicht daraus
folgern. Das war sehr übel angebracht. Ihr Vertrauen könnte nicht
übler angebracht seyn. Etwas übel verstehen, wider die Absicht des
Redenden. Er hat vielleicht einen Scherz machen wollen, denn du übel
verstanden hast, Gell. Er hat nicht übel gewählet. In manchen Fällen
auch als ein Beywort. Eine üble Wahl treffen. 5) Den Regeln der
Klugheit nicht gemäß, im Gegensatze des gut. Übel in einer Sache
verfahren. Sein Geld, seine Zeit sehr übel anwenden. Eine üble
Gewohnheit. 6) Dem Willen zuwider, wider Willen; doch nur noch in der
R. A. er mag wohl oder übel wollen, d. i. er mag wollen oder nicht
wollen. Ich wollte wohl oder übel, so mußte ich u. s. f. 7) Dem
bürgerlichen Wohlstande zuwider, im gemeinen Leben auch schlecht,
schlimm; im Gegensatze des wohl und gut. Am häufigsten als ein
Nebenwort, aber doch auch zuweilen als ein Beywort. Es gehet ihm sehr
übel. Es wird dir übel kommen. Übel von jemanden sprechen. In einem
übeln Rufe seyn. Wo auch wohl das Beywort im ungewissen Geschlechte
und ohne Artikel als ein Hauptwort für Böses gebraucht wird. Übels von
jemanden reden. Jemanden Übels wünschen. Einem Übels gönnen, Ps. 40,
15. 8) Dem Gesetzt zuwider, eine größten Theils veraltete Bedeutung,
theils als ein Nebenwort. Übel handeln thun, in der Deutschen Bibel.
Theils auch als ein Hauptwort. Übels thun; auch nur in der Deutschen
Bibel. 9) Ehedem wurde es auch für unwillig gebraucht, in welcher
Bedeutung, die vielleicht eine der ersten ist, bey dem Altensteig,
übel auf jemanden seyn, so viel ist, als unwillig auf ihn seyn. Daher
rühret vermuthlich noch die R. A. etwas übel nehmen, oder übel
aufnehmen, unwillig darüber werden, etwas übel auslegen, so daß man
darüber unwillig werden könnte. Etwas für übel nehmen, oder halten,
für es übel nehmen, ist nur in den niedrigen Sprecharten gangbar. Welt
solchs nit also frübel han, Theuerd. Kap. 75 und 54. Dahin gehöret
auch das gemeine einem etwas für übel halten, es ihm übel nehmen, ihn
deßwegen tadeln, obgleich übel hier nicht eigentlich unwillig, sondern
der Absicht, dem Aufstande, der Billigkeit zuwider bedeutet. Wenn sie
an meiner Beständigkeit zweifeln, so halte ichs ihnen für übel, daß
sie noch nur mit mir umgehen, Gell. Warum halten sie mirs denn für
übel, daß ich die Freyheit hochschätze? eben ders. 10) * Ehedem wurde
auch das Nebenwort übel häufig, als eine Intension einer unangenehmen
Veränderung gebraucht, für sehr, im hohen Grade; so wie im gemeinen
Leben auf ähnliche Art häßlich üblich ist. Viel schelten mich übel,
Ps. 31, 14. Sie zerplagten den Mose übel, Ps. 156, 82. Welches sie gar
übel verdroß, Weish. 12, 27. In welcher Bedeutung es aber veraltet
ist.
Anm. Schon im Isidor, bey dem Kero u. s. f. ubil, bey dem
Ulphilas gleichfalls ubil, im Nieders. övel, im Angels. Ysel, im Engl.
evil. Es ist ein sehr altes Wort, dessen heutige Bedeutungen nur
Fragmente einer ältern allgemeinern sind, die sich aber wegen des
hohen Alters dieses Wortes nicht mit Gewißheit bestimmen lässet. Die
Endsylbe -el, ist die Ableitungssylbe, welche eine Art, Weise, Subject
u. s. f. bedeutet, es kommt also nur auf die
Sylbe ub oder üb an, welche zu ab, aber in der Bedeutung einer
unechten Beschaffenheit zu gehören, und hier etwas, das von dem, was
wir wollen, oder als gut erkennen, abweicht, zu bedeuten scheinet.
Dieß wird dadurch bestätigt, daß übel eigentlich einen gelindern
Begriff des unangenehmen und widrigen gewähret, als böse, schlecht,
schlimm, welche oft für dasselbe gebraucht werden. Übel bedeutet mehr
etwas, das von unserm Willen, unserer angenehmen Empfindung abweicht,
denselben nicht gemäß ist, als etwas, das selbige beleidigt, ihnen
zuwider ist. Sollte indessen eine mehr heftige Veränderung der
Stammbegriff seyn, so würde die erste und neunte Bedeutung als die
ursprünglichsten angesehen werden müssen, zumahl da es in andern
Sprachen mehrere ähnliche Wörter gibt, welche eine unangenehme
körperliche Empfindung bezeichnen, wie das alte Celtische Avel, Sturm,
Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Schwed. Aela,
die Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Klage,
Traurigkeit, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Eitelkeit,
- hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Schmerz, und - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image -, er hat zu Grunde gerichtet.
Bey den Malabaren ist Iblis, der Teufel. Das Engl. und Schwed. ill,
Isländ. iltur, Dän. ild, übel, scheinen nicht aus diesem Worte
zusammen gezogen, sondern von einem andern Stamme gebildet, und mit
dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image -, verderblich, - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image -, ich verderbe, verwandt zu
seyn.
Übel (W3) [Adelung]
Das Übel,
des -s, plur. ut nom. sing. das vorige Wort, als ein Hauptwort
gebraucht. 1) Ein Leibesschaden. Ein Übel an einem Fuße haben, einen
Schaden. In einigen Gegenden wird auch die Epilepsie, oder das böse
Wesen, das fallende Übel genannt. 2) In weiterer Bedeutung, alles, was
unsern oder anderer Zustand unvollkommener macht, im weitesten
Verstande. Also gereuete den Herrn das Übel, das er dräuete seinem
Volke zu thun, 2 Mos. 32, 14. Der ich Friede gebe und schaffe das
Übel, Es. 45, 7. Der Herr behüte dich vor allem Übel, Ps. 121, 7.
Einem Übel begegnen, steuern, abhelfen. Dem Übel ist leicht
abzuhelfen. Man muß Übel mit Übel vertreiben. Aus zwey Übeln muß man
daß kleinste erwählen. Die Übel, die du nicht wissentlich verschuldet
hast, entspringen aus einer göttlichen Anordnung, Gell. Das Strafübel,
die Strafe als ein Übel, oder das Übel als eine Strafe betrachtet, das
Sündenübel u. s. f.
Anm. Schon bey dem Kero, Ottfried u. s. f. thaz
Vbilo. Man muß dieses Wort nicht mit dem Neutro des vorigen
verwechseln, wenn dasselbe substantive gebraucht wird.
Übelkeit (W3) [Adelung]
Die Übelkeit,
plur. die -en, gleichfalls von dem Nebenworte Übel, aber nur in dessen
erster Bedeutung, die Empfindung einer Neigung zum Erbrechen. Ich bin
den ganzen Morgen mit gewaltigen Übelkeiten beschwert gewesen, Gell.
Im gemeinen Leben oft irrig Übligkeit.
Übelklang (W3) [Adelung]
Der Übelklang,
des -es, plur. die -klänge, von der R. A. Übel klingen. 1) Der üble,
d. i. unangenehme Klang eines Dinges, ohne Plural, und im Gegensatze
des Wohlklanges. 2) Ein übel klingender Ton, mit dem Plural.
Übellaut (W3) [Adelung]
Der Übellaut,
des -es, plur. inus. der Zustand, da ein Ding übel lautet, oder auch
der unangenehme Laut eines Dinges selbst; im Gegensatze des
Wohllautes.
Übelstand (W3) [Adelung]
Der Übelstand,
des -es, plur. die -stände, von der R. A. übel stehen, der guten
Gestalt eines Dinges nachtheilig seyn, dasjenige, was übel stehet, die
äußere Gestalt eines Dinges unvollkommener macht, der Mißstand; beydes
im Gegensatze des Wohlstandes. Etwas saueres in seinem Betragen
zeigen, ist ein Übelstand für ein Frauenzimmer. Dunkele Treppen sind
ein Übelstand in einem Hause. Im Plural wird es seltener gebraucht.
Übelthat (W3) [Adelung]
Die Übelthat,
plur. die -en, von übel in der engern Bedeutung, dem Gesetze zuwider,
eine vorsätzliche oder freventliche Über- tretung der bürgerlichen
oder göttlichen Gesetze, so daß übel hier und in dem folgenden einen
härtern Begriff gewähret, als ein in den meisten andern Fällen hat;
die Missethat, das Verbrechen. Es ist besser, daß ihr von Wohlthat
wegen leidet, denn von Übelthat wegen, 1 Petr. 3, 17; wo doch Wohlthat
als der Gegensatz von Übelthat veraltet ist. Keine Übelthat an
jemanden finden, Dan. 6, 4. Im Angels. Yfeldaed.
Übelthäter (W3) [Adelung]
Der Übelthäter,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Übelthäterinn, eine Person,
welche die bürgerlichen und göttlichen Gesetze, besonders, so fern die
ersten die öffentliche Ruhe betreffen, vorsätzlich und freventlich
übertritt; der Missethäter, Verbrecher. Im Tatian Vbilwurhto. Das Bey-
und Nebenwort übelthätig, schon bey dem Notker ubeltatig, wird wenig
mehr gebraucht.
Üben (W3) [Adelung]
Üben,
verb. reg. act. 1) * Plagen, eigentlich, durch heftige und gewaltsame
Bewegungen unangenehme Empfindungen erwecken; eine veraltete
Bedeutung. Meine Tochter wird vom Teufel gefatzet, er übet sie, sie
schümet u. s. f. heißt es noch bey den Kaisersberg. 2) In weiterm
Verstande, durch mehrmahlige Bewegungen Einer Art, und in noch weiterm
Verstande, durch mehrmahlige Handlungen Einer Art, Fertigkeit darin
verschaffen. Die Truppen in den Waffen üben. Geübte Soldaten. Sich in
etwas üben. Sich im Reiten, Fechten, Tanzen u. s. f. üben. Seinen
Verstand üben, durch mehrmahliges Nachdenken. In den Sprachen geübt
seyn. Im Unglück geübte Menschen sind gemeiniglich die brauchbarsten
und hülfreichsten, Gell. Es ist gut, daß sie sich bey mir in den
Liebeserklärungen gegeübt haben, ebend. 3) Oft verliert sich der
Begriff der Absicht, und da bleibt nur die Vorstellung der
mehrmahligen Wiederhohlung einer Handlung übrig. Eine Kunst, eine
Wissenschaft, ein Handwerk üben, im gemeinen Leben treiben. Mit andern
Hauptwörtern wird es in diesem Verstande seltener gebraucht; denn die
biblischen Hochmuth üben, allerley Bosheit üben u. s. f. sind
veraltet. 4) Ehedem verlor sich auch der Begriff der mehrmahligen
Wiederhohlung, und da sagte üben weiter nichts, als thun, merklich
machen. Noch jetzt sagt man zuweilen, Rache an jemanden üben, sich an
ihm rächen; allein in den meisten übrigen Fällen ist es auch hier
veraltet. Ther sinan uuillon uabit, Ottfried. Wohin auch folgende
biblische Stellen gehören. Der Herr hatte an ihren Göttern Gericht
geübt, 4 Mos. 33, 4. Wo er sich hinwandte, da übte er Strafe, 1 Sam.
14, 47. Seine Macht, die er geübt (gezeigt) hat, 1 Kön. 16, 27. Du
hast Gewalt im Lande geübt, Hiob. 22, 8. Wenn ihr fastet, so übt ihr
euren Willen, Es. 58. 3. Ihr fahret fort mit Morden und übet Greuel,
Ezech. 33, 26. Und so in andern Stellen mehr. Er übet großen Fleiß,
Opitz. Der gerechtes Urtheil übt, ebend. Die zusammen gesetzten
ausüben und verüben haben noch etwas von dieser weitesten Bedeutung.
Daher die Übung, S. solches an seinem Orte besonders, ingleichen
üblich.
Anm. Schon bey dem Ottfried, Notker und andern uoben, uaben,
im Angels. ywan, im Nieders. öven, im Schwed. ofva, im Dän. öve. Die
Bedeutung der heftigen Bewegung scheinet hier der Stammbegriff zu sey,
und in so fern kann es auch mit übel verwandt seyn, wenn diese
Bedeutung gleichfalls als die herrschende, in demselben angenommen
wird. Das Lat. Opus, operari, und unser oft sind unstreitig damit
verwandt. ( S. Oft.) Bey dem Notker kommt auch das Iterativum uoberen,
oft üben (operari,) vor, welches aber längst veraltet ist.
Üben (W3) [Adelung]
Üben,
ein Nebenwort des Ortes, für auf der andern Seite. Es ist nur mit den
relativen Nebenwörtern hin hier und dar üblich: hinüben, auf jene
Seite hin, hierüben, im gemeinen Leben hüben, auf dieser Seite,
darüben, zusammen gezogen drüben, auf jener Seite. Hinüben, hierüben
und hüben kommen im Hochdeutschen seltener vor, dagegen drüben in der
gesellschaftlichen und vertraulichen Sprechart völlig gangbar ist. (
S. diese Wörter.) Es ist das Nebenwort von dem folgenden Vorworte, wie
oben, unten, außen u. s. f. von ober, unter, außer.
Über (W3) [Adelung]
Über,
eine der ältesten Partikeln in der Sprache, welche überhaupt den
Umstand der Höhe, in Beziehung auf ein darunter befindliches Ding
ausdruckt. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Nebenwort,
wo es doch in den meisten Fällen eine Ellipse des folgenden Vorwortes
ist. 1. Auf der Oberfläche eines Dinges hin und jenseit derselben, wo
es für sich allein nur in einigen sprichwörtlichen R. A. üblich ist.
Es gehet alles bunt über, es gehet alles verworren, unordentlich zu;
wo es nicht als die Präposition zu gehen gehöret, sondern für sich
allein adverbisch steht. In andern Fällen hingegen, z. B. das Glas
läuft über, ist es nicht das Adverbium, sondern die trennbare
Präposition von überlaufen. Hierher gehöret auch das im gemeinen Leben
übliche über und über, eine Intension des einfachen über zu
bezeichnen, selbst wenn es zu dem Zeitworte gehöret. Das Glas läuft
über und über, läuft gar sehr über. Es ist über und über voll, völlig
voll, auf der ganzen Oberfläche voll. Über und über naß, über den
ganzen Leib, über die ganze Oberfläche. 2. Ehedem wurde es auch nicht
selten für das zusammen gesetzte vorüber, vorbey, gebraucht, auf
welche Art schon Willeram uvre gebraucht. Ja, wär der Thränen erster
Ausbruch über, Schleg. Wo es doch um des Sylbenmaßes willen gebraucht
zu seyn scheinet, indem es sonst für die anständige Schreib- und
Sprechart zu niedrig seyn würde. im gemeinen Leben sagt man nur noch,
es ist über, für vorüber, vorbey. II. Als ein Vorwort, welches
wiederum entweder für sich allein mit seinem Nennworte, oder auch in
der Zusammensetzung mit andern Wörtern vorkommt. 1. Für sich allein
mit seinem Nennworte, wo es bald die dritte, bald aber auch die vierte
Endung erfordert. Es ist in der Deutschen Sprache nicht leicht ein
Vorwort, welches in Ansehung der Endung, die es erfordert, so
unbestimmt wäre, oder vielmehr, wo in der Anwendung so häufig gefehlet
würde, als eben dieses. Die Sprachlehren, deren Pflicht es eigentlich
ist, diejenigen Fällen genau zu bestimmen, wo über diese und keine
andere Endung erfordert, gehen, wie in den meisten schweren Fällen,
sehr leicht über die Sache weg, und fertigen uns mit der kurzen nichts
bedeutenden, nichts sagenden und oft so trüglichen Regel ab, über
nehme auf die Frage wohin, den Accusativ, und auf die Frage worin, den
Dativ zu sich. Man urtheile aus dem folgenden, ob diese aus den
Lateinischen Grammatiken erborgte Regel verdiene, ferner noch einen
Augenblick in einer vernünftigen Sprachlehre zu stehen. Ich werde mich
bemühen, die Fälle, in welchen es die dritte oder vierte Endung
erfordert, so genau als möglich zu bestimmen, will aber nur noch
überhaupt bemerken, daß dieses Vorwort eigentlich und ursprünglich den
Zustand eines in der Höhe befindlichen Dinges, in Beziehung auf ein
darunter befindliches, andeute, von welcher eigentlichen Bedeutung
alle übrige Figuren sind. Es erfordert aber dieses Vorwort, 1) die
dritte Endung oder den Dativ. Es bezeichnet alsdann (a) Einen Stand
der Ruhe in der Höhe, in Beziehung auf ein darunter befindliches Ding,
im Gegensatze des unter. wodurch es sich von auf unterscheidet,
welches, so weit es hierher gehöret, den Stand der Ruhe auf der
Oberfläche eines Dinges ausdruckt. Es liegt über der Thür. So weit der
Himmel über der Erde erhaben ist. Wasser stehet über den Bergen, Ps.
104, 6. Der Zorn Gottes bleibt über ihm, Joh. 3, 36. Das Licht scheint
nicht mehr oben über ihnen, Es. 5, 30. Er wohnt über mir. Es stehet
ein Gewitter über der Stadt. Indessen gibt es auch einige Fälle, wo
über in dieser Bedeutung mit der vierten Endung gebraucht wird; z. B.
er steckt in Schulden bis über die Ohren, wo der Accusativ schon so
allgemein ist, daß man diese, und vielleicht noch einige andere
ähnliche Redensarten, mehr für Ausnahmen von der Regel, als für
Sprachfehler, halten muß. Wenn es aber Marc. 15, 26 und Luc. 23, 38
heißt, oben über ihn war geschrieben, so ist solches ein Fehler für
über ihm. Eben so, Esra ragete über alles Volk, Nehem. 8, 5; für,
ragete über allem Volke hervor. Wenn aber in ragen oder hervor ragen
die Bewegung zur Erhöhung hervor sticht, so läßt sich auch der
Accusativ rechtfertigen, ( S. im Folgenden.) Wenn aber über in dieser
Bedeutung figürlich einen Vorzug bezeichnet, so wird es durchgängig
mit der vierten Endung gebraucht, S. im Folgenden. (b) Eine Bewegung
oder Handlung im Stande der Ruhe, in Beziehung auf ein darunter
befindliches Ding; im Gegensatze des unter. Jacob richtete ein Mahl
auf über ihrem Grabe, 1 Mos. 35, 20. Der Himmel that sich auf über
ihm, Matth. 3, 16. Der Herr wird über ihnen erscheinen, Zach. 9, 14.
Das Wasser schlagt ihm über dem Kopfe zusammen, Ps. 69, 17. Es schwebt
ein Unglück über deinem Haupte, über der Stadt. Das Öhl schwimmt über
dem Wasser. Das Haus brannte ihm über dem Kopfe weg. Die Schafe
empfingen über den Stäben, 1 Mos. 30, 39. Die ihr euch über mir wölbt,
schlanke Äste, Geßn. Über setzt in dieser Bedeutung voraus, daß das in
der Bewegung oder Handlung begriffene Ding, die Grenzen des darunter
befindliches nicht überschreite. Da dieser Umstand zuweilen unbestimmt
ist, oder doch nicht so genau bestimmt werden soll, oder auch der
Begriff der Bewegung des Zeitwortes am meisten hervor sticht, so gibt
es Fälle, wo das Vorwort so wohl mit der dritten, als mit der vierten
Endung verbunden wird. Daher fahren, wie Flammen über den Stoppeln,
Weish. 3, 7; wo auch der Accusativ stehen könnte, wenn die Flamme
entweder über die Stoppeln hinaus fahren, oder auf sei zu fahren, in
welchen Fällen über zu zwey der folgenden Bedeutungen gehören würde.
So auch: über welchen du sehen wirst den Geist herab fahren, Joh. 1,
33. Die Hände über dem Kopfe zusammen schlagen, Ier. 2, 37; und, sie
über den Kopf zusammen schlagen. Die Sonne soll über den Propheten
untergehen, Mich. 3, 6. Über dir gehet auf der Herr, Es. 60, 2.3. Ich
fühle zu sehr, daß die Sonne nie wieder über mir aufgehen wird, Dusch.
Mehr als einzelne Tage werden über mein Grab und deinen Kummer
aufgehen, ebend. Wo die Veränderung des Casus eine Folge des
veränderten Nebenbegriffes ist. (c) Den Gegenstand einer
Beschäftigung, doch nur im Stande der Ruhe, denn, so bald das Zeitwort
einige thätige Bewegung oder Handlung bezeichnet, so wird die vierte
Endung erfordert; eine Figur der ersten Bedeutung. Fleißig über der
Arbeit seyn. Über der Arbeit begriffen seyn, in der Arbeit. Ich war
eben über dem Schreiben, als er kam, war eben im Schreiben begriffen.
Immer über den Büchern sitzen, liegen. Lange Zeit über etwas
zubringen. Du bist über wenigem getreu gewesen, Matth. 25, 21; welche
R. A. elliptisch ist. Wenn aber das Zeitwort ursprünglich eine
Bewegung bedeutet, so steht die vierte Endung; z. B. über viele
gesetzt seyn. In der Deutschen Bibel kommen mehrere hierher gehörige
R. A. vor, welche aber theils ungewöhnliche und harte Ellipsen
enthalten, theils an sich ungewöhnlich sind, und daher nicht
nachgeahmet werden dürfen. Der Herr hat seinen Engeln befohlen über
dir, Ps. 91, 4.
Über eine Sache Gedanken haben, Dan. 4, 2; wo richtiger der Accusativ
stehet, weil Gedanken haben doch so viel ist, als das thätige denken.
Über ihnen wird die Weißagung erfüllet, Matth. 13, 14. (d) Die Zeit
der Beschäftigung mit einer Sache, doch nur so fern angedeutet werden
soll, daß etwas geschehen, indem man mit einer gewissen Sache
beschäftiget gewesen; wofür auch während, bey und unter üblich sind.
Wenn aber über die volle Zeitdauer eines Dinges bezeichnet, so
erfordert es die vierte Endung. Es kam sie hart an über der Geburt,
Mos. 35, 17. Lasset die Sonne nicht über euren Zorn untergehen, Eph.
4, 26; während eueres Zornes. Mit einem andern Nebenbegriffe findet
auch die vierte Endung Statt, ( S. die vorige zweyte Bedeutung.) Über
der Mahlzeit trinken. Über dem Lesen, dem Gebeth, der Arbeit
einschlafen. Der Faule stirbt über seinen Wünschen, Sprichw. 21, 25.
Über dem Bethen gab er seinen Geist auf. Über der Tafel ging nichts
merkwürdiges vor, Gell. Über Tische. Ungewöhnlich hingegen auch: Du
sollt dich nicht schlafen legen über seinem Pfande, 5 Mos. 24, 12; so
lange du sein Pfand bey dir hast. Ihr habt noch nicht bis aufs Blut
widerstanden über dem Kämpfen, Hebr. 12, 4; in dem Kämpfen. Gott
beschert es wohl über Nacht, in der Nacht. (e) Besonders, wenn der
Gegenstand der Beschäftigung so wohl die Zeit einer Veränderung, als
auch die Veranlassung, die wirkende Ursache derselben ist. Sie
vergessen meines Nahmens über ihren Träumen, Ier. 23, 27; während der
Beschäftigung mit ihren Träumen und um derselben willen. Sich über dem
Heben etwas verrenken. Über einer langen Rede (von langen Reden)
heiser werden. Unsere Kleider sind alt geworden über dieser langen
Reise, Jos. 9, 13. Sich über einer Sache aufhalten, bey derselben und
um derselben willen, so ganz etwas anders ist, als sich über eine
Sache aufhalten. Über einem Lärm erwachen. Über dem Lesen Essen und
Trinken vergessen. Es wird mir sehr leicht seyn, über ihrem Herzen das
Glück zu vergessen, Gell. So lächerlich sie über dieser Bemühung wird,
ebend. Es läßt sich daher diese Wortfügung, dem heutigen
Sprachgebrauche nach, nicht anwenden, wenn nicht die wirkende oder
veranlassende Ursache zugleich der Gegenstand der Beschäftigung ist.
Ehedem gebrauchte man es sehr häufig mit der dritten Endung, so wohl
eine Ursache zu bezeichnen, warum etwas geschiehet, als auch einen
bloßen Gegenstand; in welchen Fällen doch entweder oder über mit der
vierten Endung stehen muß. So kommst du nicht in Angst und Noth über
(wegen) seiner Thorheit, Sir. 22, 16. Über solchen Reden entstund ein
Lärm, wegen solche Reden, oder über solche Reden. Moses flohe über
dieser Rede, wegen, Apost. 7, 29. Über einer Wohlthat gerichtet
werden, Kap. 4, 9; wegen. Willst du dich über diesem (über dieses,
hierüber,) von mir richten lassen? Apost. 25, 9. Wenn ihr über
zeitlichen Gütern (über zeitliche Güter) Sachen (Prozesse) habt, 1
Cor. 6, 4. Und tausend andere Beyspiele mehr, wovon noch im folgenden
einige vorkommen werden. (f) Jenseit, einen Zustand oder eine Handlung
zu bezeichnen, auf jener Seite ist und geschiehet. Über dem Flusse
wohnen, jenseit desselben. Die Stadt liegt über dem Strome. Über der
Gränze wächst kein Wein. Er ist schon über der Gränze. Dahin gehöret
auch das gegen über, wo der Dativ von diesem Vorworte herrühret. Er
stand gegen mir über. Die Stadt liegt gegen den Berge über. ( S.
Gegen.) So bald aber die geringste Bewegung längs der Oberfläche mit
eintritt, ist die vierte Endung nöthig. Ich bin noch nicht über den
Fluß, wir sind noch nicht über alle Berge; wo wirklich eine noch
dauernde Bewegung voraus gesetzt wird.
2) Wenn dieses Vorwort aber die vierte Endung oder den Accusativ
erfordert, so hat es folgende Bedeutung. (a) Eine Bewegung zur
Erhöhung, in Rücksicht eines darunter befindlichen Dinges; im
Gegensatze des unter. Etwas über die Thür legen. Das Untere über sich
kehren. Die Hände über den Kopf zusammen schlagen. Er setzte seinen
Stuhl über die Stühle der Könige, 2 Kön. 25, 28. Er erhöhet mein Haupt
über meine Feinde, Ps. 27, 6. Meine Sünden gehen über Haupt, Ps. 38,
5. Funfzehn Ellen doch ging das Wasser über die höchsten Berge, 1 Mos.
7, 2. Er läßt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten,
Matth. 5, 45. ( S. die zweyte Bedeutung des Dativ.) Über einander
herfallen. Über Hals und Kopf. Über den Haufen werfe, fallen, stoßen.
Sich über andere wegsetzen. Er glaubt, daß sein Adel über diese
Pflicht wegsetzt. Bis daß der hohe Sinn dich über Berge trägt, Opitz.
Unrichtig ist es daher alle Mahl, wenn in dieser Bedeutung die dritte
Endung gebraucht wird. Sich über den Völkern erheben, Weish. 6, 3. (b)
Eine Bewegung oder Handlung in der Höhe, in Rücksicht auf ein darunter
befindliches Ding, so daß sich die Handlung längs der Oberfläche
dieses Dinges erstrecket, und das handelnde Ding nicht im Stande der
Ruhe angesehen werden kann. Du sollst eine Decke machen über die
Wohnung, 2 Mos. 26, 7. Jesus hub seine Augen auf über seine Jünger,
Luc. 6, 20. Über das Haus David will ich ausgießen meinen Geist, Zach.
12, 10. Die Hand über jemanden ausstrecken, Sir. 50, 22. Der Wind
bläset über die Erde, über das Meer. Sich über etwas ausbreiten. Eine
Finsterniß über das ganze Land, Luc. 23, 44. Streue Kohlen über die
Stadt, Ezech. 10, 2. Jemanden über die Achseln ansehen. Einen Schleyer
über den Kopf hängen. Über die Berge klettern, laufen. Über alle Berge
seyn. Wir sind noch nicht über den Berg; wo ein Zeitwort der Bewegung
darunter verstanden wird. Den Segen über etwas sprechen. Achtzig Jahre waren schon über sein Haupt hingeflogen, Geßn. Über Stock und Stein
springen. Den Stab über jemanden brechen. Eine Stürze über einen Topf.
Der Herr streuete die Wachteln über das Lager, 4 Mos. 11, 31. Noch ein
wenig zweifelhaft sind die Fälle, wenn über jemanden sitzen oder gehen
so viel bedeutet, als ihm zur rechten Hand; indem der Gebrauch hier
getheilt ist, obgleich die Regel die dritte Endung erforderte, weil
hier ein Stand der Ruhe ist. Er saß über mir. Ich empfinde fast ein
Grauen, Daß ich, Plato, für und für, Bin gesessen über dir, Opitz.
Indessen ist im Hochdeutschen der Accusativ am gewöhnlichsten;
vielleicht weil es eigentlich ein Bestreben zur Höhe bedeutet, daher
über, wenn es einen Vorzug bedeutet, alle Mahl die vierte Endung
erfordert, ( S. die folgende Bedeutung.) Nicht, daß ein Bauer sollte
über einen Fürsten sitzen, Luth. Der Meinige geht als ein
Rechnungsführer, doch allezeit über den ihrigen. Gell. (c) Oft tritt
noch der Nebenbegriff mit ein, daß sich die Bewegung oder Handlung bis
jenseit der Gränzen des darunter befindlichen Dinges erstrecke, da
denn der Begriff der Höhe oft verschwindet, und über nur andeutet, daß
sich die Bewegung nicht nur längs der obern Fläche eines Körpers hin,
sondern auch bis auf die andere Seite desselben erstrecke. Über den
Fluß gehen, fahren, schiffen, über denselben der Breite nach, bis auf
das andere Ufer. Laß dein Brot über das Wasser fahren, Pred. 11, 1.
Über den Markt gehen, reiten, fahren. Es lief ein Hase über
den Weg. Über das Ziel schreiten. Über die Schnur hauen. Über einen
Graben setzen. Über die Gasse laufen. Über einen Stock, einen Graben,
einen Stein springen. Über die Klinge springen lassen. Über einen
Stein fallen. Über eine Brücke gehen, reiten, fahren. Über die
Schwelle treten. Über Land gehen, reisen, reiten, fahren, und über
Feld gehen, reiten, fahren, wo der Artikel nicht gewöhnlich ist. Siehe
Land und Feld. Die Künste nehmen Dädals Federn Und kommen über Meer
und Land Mit Hebezeug und Rädern In ihrer harten Hand, Raml. Über die
Gränze entweichen. Etwas nicht über das Herz bringen können. Wo der
Accusativ bleibt, wenn gleich das Zeitwort einen Stand der Ruhe zu
bezeichnen scheinet, weil entweder eine wirklich noch fortdauernde
Bestrebung Statt findet, oder solche doch als eben jetzt erst
vergangen gedacht wird. Wir sind noch nicht über den Fluß. Über diese
Pedanterey ist er lange hinaus oder hinweg. Sie sind über ihre funfzig
Jahre hinaus. Bey den eigenthümlichen Nahmen der Städte, Flecken,
Dörfer, und Inseln, wenn angedeutet werden soll, daß sich die Bewegung
durch einen Ort erstrecke, wird lieber über als durch gebraucht. Über
Cassel nach Amsterdam, über Hamburg nach Kopenhagen, über Rom nach
Sicilien reisen. Die Reise gehet über Hispaniola. Die Nahmen der
Länder aber bekommen durch. Durch Frankreich nach Spanien, durch die
Schweiz nach Italien reisen. (d) In der vorigen Bedeutung bezeichnet
über eine Bewegung längst der horizontalen Oberfläche, besonders der
Breite nach; allein, oft verliert sich auch dieser Begriff, und es
bedeutet alsdann überhaupt, daß sich die Bewegung, die Handlung oder
auch der Zustand längs der äußern Fläche eines Dinges, und oft bis
jenseit derselben erstrecke. Dadurch unterscheidet es sich hinlänglich
von auf. Die Haare hangen ihm über die Ohren, flattern über die
Schultern. Einen Schleyer über das Gesicht ziehen. Einen Schuh über
einen Leisten schlagen. Der Schweiß lief ihm über das Gesicht. Einem
das Fell über die Ohren ziehen. Einen Mantel über sich werfen. Helle
Thränen flossen über ihre Wangen herab. Etwas über sich nehmen, im
figürlichen Verstande, es auf sich nehmen, sich zu dessen Bewerkstelligung anheischig machen. Wo der Accusativ bleibt, wenn
gleich das Zeitwort einen Stand der Ruhe zu bezeichnen scheinet, indem
der thätige Begriff der Erstreckung, der hier nicht ausgeschlossen
werden kann, die vierte Endung fordert. Über den ganzen Leib wund
seyn. Über den ganzen Leib naß, bekleidet seyn. Daher über und über,
über die ganze äußere Fläche. (e) Oft verliert sich auch der Begriff
der Erstreckung über die äußere Fläche, und da bezeichnet über
figürlich bloß eine Annäherung und Berührung, doch mit einem
merklichen Grade des Nachdrucks, als wenn sich das nähernde gleichsam
über die ganze Fläche des andern erstreckte, daher auch hier der
Accusativ nothwendig bleibt. Es gehet über mich. Etwas über sich
ergehen lassen. Der Segen kam über mich, Hiob 29, 13. Der heilige
Geist wird über dich kommen, Luc. 1, 35. Indessen hat über jemanden
kommen jetzt den harten Begriff des Ungestümes bey sich. Wenn ich über
dich kommen werde! Laß mich über dich kommen! dich zu züchtigen u. s.
f. Über etwas herfallen. Wie bist du darüber gerathen? Er kann über
alles, er kann zu allem kommen. Er kann über das Geld. Er darf nicht
über das geringste. Es geht so sehr über das Geld, über den Beutel, es
wird viel Geld erfordert. Es gehet über uns her, es wird nachtheilig
von uns gesprochen. In welchen
und ähnlichen R. A. sich doch immer etwas von dem folgenden Begriffe
der Gewalt mit einschleicht. (f) Häufig bezeichnet es auch einen
Vorzug, so fern derselbe als eine höhere Stellung in Beziehung auf ein
niedriges darunter befindliches Ding angesehen wird; im Gegensatze des
unter. Das Vergnügen geht über den Reichthum. Das geht bey ihm über
alles. Die Furcht Gottes gehet über alles, Sir. 24, 15. Wo auch der
Accusativ bleibt, wenn gleich das Zeitwort einen Stand der Ruhe
bezeichnen scheinet, indem wirklich eine Bestrebung zur Höhe darunter
verborgen liegt. Der Jünger ist nicht über seinen Meister, Luc. 6, 40.
Er ist noch weit über ihn. Gott ist über alles. In vielen Fällen, wo
man es in dieser Bedeutung ehedem gebrauchte, wählt man jetzt lieber
andere Ausdrücke dafür. Er war herrlicher gehalten über alle, 1 Mos.
34, 19; als alle. Der Herr hat mich erwählt über alle Völker, 5 Mos.
10, 15; vor allen Völkern; wenn es aber Kap. 7, 14 heißt, gesegnet
wirst du seyn über allen Völkern, so ist der Dativ hier unrichtig. Ich
liebe dein Geboth über Gold und über fein Gold, Ps. 119, 227; mehr
als. Wir sollen Gott über alle Dinge lieben, mehr als. Dein Gott hat
dich gesalbet über deine Genossen, Hebr. 1, 9; mehr als. Ein geplagter
Mensch über alls Menschen auf Erden, 4 Mos. 12, 3; und so in andern
Stellen mehr. (g) Noch häufiger bezeichnet es einen Gegenstand der
Gewalt, Herrschaft, Aufsicht, Aufmerksamkeit und Beobachtung; als eine
Figur der vorigen zweyten Bedeutung. Sey ein Herr über deine Brüder, 1
Mos. 27, 29. Ein Herr über alles. über jemanden herrschen, regieren,
tyrannisieren. Den Sieg über seine Feinde erhalten. Über seine Feinde
siegen, triumphieren. Die Oberhand über jemanden behalten. Über andere
zu gebiethen, zu befehlen haben. Ein Oberster über hundert, ein
Aufseher über andere. Die Sorge über etwas auf sich nehmen. Ich will
über sie wachen, Ier. 44, 27. Jemanden zum Aufseher, Fürsten, Richter
u. s. f. über andere setzen. Und wenn in dieser Macht Gott über mich
gebeuth, Gell. (h) Ferner, den Gegenstand einer Gemüthsbewegung und
deren Äußerung, so daß der erste zugleich die Veranlassung oder
wirkende Ursache der letztern ist. Sich über eine Sache ärgern,
freuen, erzürnen, aufhalten, beklagen, beschweren, erbarmen,
entsetzen, entrüsten, verwundern, bekümmern, betrüben, kränken, grämen
u. s. f. Über eine Sache erschrecken, bestürzt, froh, lustig, böse,
mürrisch, traurig, unwillig, ungeduldig u. s. f. seyn oder werden.
Über eine Sache murren, klagen, fluchen, zürnen, zanken, seufzen,
spotten, scherzen, weinen u. s. f. Machen sie mir keine Vorwürfe
darüber. Ich werde noch den Tod über dich kriegen, Gell. In der
Deutschen Bibel und bey andern Schriftstellern findet man es in dieser
Bedeutung häufig mit der dritten Endung; vermuthlich aus Verwechselung
derselben mit der vorigen fünften Bedeutung des Dativs, obgleich beyde
merklich genug von einander verschieden sind. Wie der Löwe brüllet
über seinem Raube, Es. 31, 4. Sie werden fröhlich seyn über dem, das
ich schaffe, Kap. 65, 10. Und werden sich verwundern und sich
entsetzen über alle dem Gute, und über alle dem Friede, Ier. 33, 9.
Und so in hundert Stellen mehr, worunter sich auch viele befinden, in
welchen der Gebrauch des Vorwortes über überhaupt ungewöhnlich und
veraltet ist; z. B. Unsere Seele ekelt über dieser losen Speise, 4
Mos. 21, 5; besser vor. Es reuete den Herrn über dem Übel, 2 Sam. 24,
16; es reuete den Herrn das Übel u. s. f. Daß in allen solchen Fällen,
wo über in dieser Bedeutung gebraucht werden kann, die vierte Endung
erfordert wird, erhellet unter
andern auch daraus, weil diese Bedeutung, so wie die vorige und
folgende, eine Figur der vorigen zweyten ist. (i) In noch weiterer
Bedeutung, einen Gegenstand einer Beschäftigung oder Handlung des
Geistes und deren Äußerung, so daß dieser Gegenstand dabey gleichsam
zum Grunde liegt, und seinen Theilen nach entwickelt wird; welcher
Begriff doch wieder mancherley Stufen hat, die, um nicht zu weitläufig
zu werden, hier nicht entwickelt werden können. Über einen Spruch,
über eine Wahrheit predigen, welches mit dem Predigen auf etwas und
von etwas nicht verwechselt werden darf. Über das Evangelium, die
Epistel predigen. Eine Auslegung über ein Buch machen. Sich über etwas
besinnen, über etwas nachdenken, seine Gedanken über etwas haben. Ein
Urtheil über etwas fällen. Seine Meinung über eine Sache sagen.
Jemanden über etwas um Rath fragen. Sich über eine Sache unterreden,
berathschlagen, vergleichen. Über den Punct habe ich eigentlich noch
nichts beschlossen. Über etwas nachdenken. Ein Buch über eine Materie
schreiben. Ich will mich noch über diese Sache bedenken. Über den
Vorzug streiten, besser um. Anmerkungen über ein Buch machen. Auch
hier wird es häufig mit der dritten Endung verbunden, welches aber um
deßwillen nicht minder unrichtig ist, als bey der vorigen Bedeutung.
Über einer Sache Gedanken haben, Dan. 4, 2. Es erhub sich eine Frage
über der Reinigung, Joh. 3, 25. Über dem Evangelio kämpfen, Phil. 4,
3; besser wegen des, oder für das. Indem aber Petrus sich besinnet
über dem Gesichte, Apost. 10, 19. Ich besprach mich mit ihnen über dem
Evangelio, Gal. 2, 2. Sich ein Gewissen machen über bestimmten
Feyertagen, Col. 2, 16. Und so in vielen andern Stellen mehr. (k) Eine
größere Ausdehnung des Raumes in Beziehung auf einen andern kleinern
Raum, und nach noch weiterer Figur, auch eine größere Zahl, ein
größeres Maß, Gewicht, eine Übertreffung an Kraft, Vermögen, Fähigkeit
u. s. f. als eine Figur der vorigen ersten so wohl als dritten
Bedeutung, woraus zugleich die Nothwendigkeit des Accusativs erhellet.
Wo du andere Weiber dazu nimmst über meine Töchter, 1 Mos. 26, 1;
außer meinen Töchtern. Über Vermögen versucht werden, 1 Cor. 10, 13.
Über sein Vermögen, über Macht essen, über den Durst trinken. Sie
liefen über Macht nach dem Gebüsche zu, Lessing. Das ist über mein
Vermögen. Über die gewöhnliche Zeit ausbleiben. Über die Gebühr, über
die Billigkeit fordern. Er hat uns über die Maße viel Gutes gethan,
Tob. 12, 3. Über alle Maße schön. Er ist über vierzig Jahr alt. Es ist
ein Viertel über zehn. Es ist schon über vierzehn Tage, daß ich ihn
nicht gesehen habe. Sie haben sich schon über eine Stunde gezankt.
Über drey Finger breit. Über sechs Ellen lang, über zehn Pfund schwer.
Es sind ihrer über funfzig. Das macht über tausend Thaler. Das ist
über Menschen Gedenken. Über die Hälfte. Über ein Jahr bleibt der Wein
nicht gut. Das gehet über meinen Verstand, über meinen Begriff. Es
geschahe über Verhoffen, über Vermuthen, ohne daß man es hoffte. Über
die gewöhnlichen Kosten mußten noch zehn Thaler bezahlt werden. Das
ist über die Natur, über die Vernunft, was aus den bekannten
Naturkräften nicht erkläret, aus den bekannten natürlichen Wahrheiten
nicht erwiesen werden kann. Was über die gewöhnliche Speise gereicht
wird. Noch über die geforderte Zahl liefern. Über seine Schuldigkeit
thun. Gott, der über alles gütig ist, mehr als alles. Gott über alles
lieben.
Dahin gehören auch noch die folgenden Arten des Gebrauches. Ein Mahl
über das andere, mehrere Mahle schnell hinter einander. Hiob brachte
eine traurige Bothschaft über die andere. Eine Sünde über die andere
häufen, Es. 30, 1; Sünde auf Sünde häufen. Er hält mich einen Tag über
den andern auf, mehrere Tage hinter einander. Eine Schuld über die
andere machen. Sie bekommt Eine Ohnmacht über die andere. Ingleichen,
in eben diesem Verstande mit Wiederhohlung des Hauptwortes im Plural,
außer wenn es ein Collectivum ist. Sie bekommt Ohnmachten über
Ohnmachten, mehrere, schnell hinter einander. Mir ist ser ubar ser,
ich empfinde Schmerzen über Schmerzen, Ottfried. Jemanden Briefe über
Briefe, Bothen über Bothen schicken. Schulden über Schulden machen.
Geld über Geld biethen. Ferner, das so gewöhnliche über dieß, über
dieses, über das, praeterea, wo das Vorwort sehr häufig, obgleich eben
so irrig, mit der dritten Endung verbunden wird. Über das alles ist
heute der dritte Tag, Luc. 24, 21. Über dieses that er noch hinzu. Es
ist schon an und für sich billig; über dieß wirst du mich dadurch sehr
verbinden. Der Feind war uns überlegen; über dieß wurden wir auch von
unsern Bundesgenossen verlassen. Wenn es Joh. 4, 27 heißt: und über
dem kamen seine Jünger, so steht hier der Dativ ganz richtig, weil es
so viel bedeutet, als sie kamen darüber zu, über seinem Gespräche mit
der Samariterinn. Gemeiniglich schreibt man über das und über dieß als
ein Wort, überdieß, überdas, aber eben so unrichtig, als wenn man
außer dem, nach diesem, es ist an dem u. s. f. zusammen ziehen wollte.
Wir haben der Zusammensetzungen ohnehin schon so viel, daß man sie
eher zu vermindern, als so ganz ohne Noth und Grund zu vermehren
suchen sollte. Eine Fortsetzung dieser Bedeutung ist, wenn über mit
Beywörtern verbunden wird, ein Übermaß derselben zu bezeichnen, da
denn die Zusammenziehung eher zu vertheidigen ist; übergroß, überreif,
übermächtig, übermüthig, überreich, überhoch, übertheuer, wo es oft
nur ungewöhnlich groß, mächtig, theuer, u. s. f. bedeutet. (l) Wenn
dieses Vorwort in der vorigen Bedeutung von einer Zeit gebraucht wird,
so bezeichnet es allemahl einen unbestimmten Überschuß, ein
unbestimmtes Übermaß der Zeit; es sind schon über drey Wochen, daß er
hier war, mehr als drey Wochen. Allein es wird mit der vierten Endung
auch noch in einem doppelten Falle von einer etwas bestimmtern Zeit
gebraucht. (1) Für das Vorwort nach, auf die Frage wenn? eine Zeit zu
bezeichnen, welche inzwischen verfließen wird. Heut über acht, morgen
über vierzehn Tage. Heut über drey Wochen. Über drey Tage werdet ihr
über diesen Jordan gehen, Jos. 1, 11. Über vier Wochen bin ich ein
glücklicher Mann. Allemahl über den andern Tag, je den dritten Tag;
allemahl über den dritten, vierten Tag u. s. f. Am häufigsten
gebraucht man es hier, wenn der Zeitpunct, von welchem man an rechnet,
bestimmt, oder doch als bekannt voraus gesetzt wird; über vierzehn
Tage, d. i. heut über vierzehn Tage. Übers Jahr komme ich wieder,
heute übers Jahr. Wenn ich übers Jahr noch lebe. Übermorgen, den
dritten Tag von heute an, den nächsten Tag nach dem morgenden. Doch
sagt man auch im gemeinen Leben, über eine Weile, nach einer kurzen
Zeit; über lang oder kurz, nach einer unbestimmten längern oder
kürzern Zeit. Gesetzt es sollte ihnen über lang oder kurz einkommen,
ihr diese Sache vorzuhalten, Gell. künftig einmahl. Im Theuerdanke
heißt es: nicht uber lang darnach es geschah, Kap. 72, nicht lange
her-
nach. Opitz gebraucht es noch ungewöhnlicher von einer vergangenen
langen Zeit: Und daß nun überlang Der angeborne Lauf behält den langen
Gang, seit langer Zeit. Wenn der Zeitpunct a quo nicht so bestimmt
oder deutlich ist, gebraucht man lieber andere Vorwörter. Über acht
Tage waren abermahl seine Jünger drinnen, Joh. 20, 26; acht Tage
darauf, nach acht Tagen. Es begab sich über drey Jahren, 1 Kön. 2, 39;
drey Jahren darnach. Darnach über drey Jahr kam ich gen Jerusalem,
Gal. 1, 18; drey Jahr darauf, darnach. Über ein Kleines, Joh. 16, 16
für ein kurzen, ist ganz veraltet. (2) Eine ganze oder völlige
Zeitdauer zu bezeichnen, auf die Frage wie lange? Über Nacht auf die
Gasse bleiben, 1 Mos. 19, 2; die ganze Nacht hindurch. Außer dieser
Redensart stehet es in dieser Bedeutung fast alle Mahl hinter dem
Hauptworte. Es wird kein Mann bey dir bleiben diese Nacht über, 2 Sau.
19, 7. Den Sabbath über waren sie stille, Luc. 23, 56. Die ganze
Predigt über schlafen. Was hast du die ganze Zeit über gethan? Ich
werde den Sommer über hier bleiben. Die Mahlzeit über, die ganze
Mahlzeit hindurch, welches von dem über der Mahlzeit, während
derselben, sehr verschieden ist. Das Jahr über. Den Tag über. Im
gemeinen Leben gebraucht man es so wohl vor als nach dem Hauptworte in
einigen Fällen gern mit der zweyten Endung. Des Tages über, den Tag
über. Der Landmann wird über Winters oder Winters über seinem Vieh
wenig zu Gute thun können. Sommers über, über Sommers. Aber nicht
Jahrs über, der Mahlzeit über u. s. f. (m) Endlich gehören hierher
auch die Fälle, da dieses Vorwort in Ausrufungen vor Verwunderung,
Unwillen und Abscheu mit der vierten Endung gebraucht wird. Über den
niederträchtigen Menschen! Über den klugen Mann! Weiße. Über den
infamen Kalender, daß ein solcher Tag darin steht! ebend. Wo es
eigentlich eine Fortsetzung der vorigen achten Bedeutung ist, einen
Gegenstand der Verwunderung, des Unwillens, des Abscheues zu
bezeichnen. 2. In der Zusammensetzung mit andern Vorwörtern. Diese
Wörter sind, 1) Partikeln, wo das Vorwort bald voran steht, wie in
überaus, überall, überein, überhin, bald nachfolgt, besonders mit den
relativen Partikeln, darüber, hierüber, hinüber, herüber, vorüber,
worüber. Überdas, überdieß, übereinanander, gegenüber, gleichüber,
querüber, werden richtiger getheilt geschrieben. Überley aber,
überseits, überwärts u. a. m. sind im Hochdeutschen unbekannt. Ein
Fehler ist es, wenn man das mit den relativen Partikeln zusammen
gesetzte Vorwort auslösen will. Ich bekam über dieses einen Streit,
für darüber. Über was können sich zwey Schwestern auch sonst zanken?
Less. für worüber. S. Da II. 2) Mit den Nennwörtern, wo es so wohl mit
Bey- als Hauptwörtern verbunden wird. Mit Beywörtern bezeichnet es
theils ein Übertreffen, wie in übermenschlich, übernatürlich,
überwichtig, übermäßig, überzählig u. s. f. theils einen
ungewöhnlichen hohen Grad des folgenden Beywortes, wie überreif,
übergroß, übertheuer, übervoll, übermüthig, überlaut u. s. f. In
übersichtig aber sticht noch die mehr eigentliche Bedeutung des
Vorwortes hervor. Mit Hauptwörtern, das Überbein, der Überfluß,
Übermuth, Übergewicht, Überrest, Überschrift u. s. f. In manchen
Hauptwörtern ist dafür aber üblicher, wie Oberbett, die Oberhand, wo
doch das Nebenwort Überhand noch gangbar ist; andere werden mit Ober-
und Über zugleich gemacht, wie
Oberrock und Überrock, Oberstrümpfe und Überstrümpfe, wo doch zwischen
beyden noch ein Unterschied Statt findet. 3) Mit Zeitwörtern, da sich
denn unter den mit diesem Vorworte zusammen gesetzten Zeitwörtern ein
merklicher Unterschied äußert. Einige sind Neutra, entweder von Natur,
oder doch nach der Zusammensetzung, dem Gebrauch und der Bedeutung
nach, wenigstens können sie nicht mit der vierten Endung des Sache
verbunden werden, und in diesen liegt der Ton auf dem Vorworte:
überbleiben, besser übrig bleiben, überfließen, überlaufen,
überhangen, überschnappen, überkippen u. s. f. Diese haben das
gewöhnliche Augment ge, und im Infinitiv tritt das zu zwischen dem
Vor- und dem Zeitwort. Es hat oder ist übergeschnappet,
überzuschnappen; das Wasser ist übergelaufen. Das Vorwort ist hier
zugleich eine trennbare Partikel, welche in der Conjugation hinter das
Zeitwort tritt. Es läuft über, nicht es überläuft, es hangt über.
Andere, und zwar die meisten, sind Activa, oder sie haben doch die
vierte Endung der Sache bey sich, und in diesen liegt der Ton auf dem
Zeitworte: überantworten, überdenken, sich übereilen, jemanden
überfallen, ihn überlaufen, sich über heben u. s. f. In diesen ist das
Vorwort untrennbar, d. i. es verläßt sein Zeitwort die ganze
Conjugation hindurch nicht; er übereilet sich, ich überlaufe jemanden.
Diese Zeitwörter bekommen in den vergangenen Zeiten das Augment ge
nicht, und im Infinitiv nimmt das zu seine Stelle vor der ganzen
Zusammensetzung: ich habe es schon überlegt, er ist überrascht worden,
nicht übergelegt, übergerascht. Es ist noch zu überstehen, zu
übersehen, nicht überzustehen. Einige wenige Ausnahmen gibt es auch
hier. Übernachten und überwintern haben den Ton auf dem Zeitworte, da
es doch der Regel nach auf dem Vorworte liegen sollte. Einem
überhelfen gehöret nicht zu den Ausnahmen, weil hier der Dativ, nicht
aber der Accusativ, steht. Überein stimmen und überein kommen, gehören
gar nicht hierher. Ein Fehler aber ist es, wenn man das Vorwort in
denjenigen Fällen, wo es untrennbar seyn sollte, als ein trennbares
behandelt. Laß, Theuer, dich nicht deiner Schwachheit über! Schleg.
für überlaß dich nicht. Denk' alles, was du glaubst, noch zehnmahl
ernsthaft über, Dusch. für überdenke alles u. s. f. So wie es ein
Fehler ist, das trennbare Vorwort in ein untrennbares zu verwandeln.
Alles, alles glänzt in reifer Schönheit, alles überströmet in vollem
Segen, Geßn für, es strömt in vollem Segen über. Oder gar ein zusammen
gesetztes Zeitwort zu gebrauchen, wo doch nur das einfache Zeitwort
mit dem Vorworte Statt finden kann. Das Vergnügen zu sammeln übergeht
alles andere Vergnügen, Gottsch. für, geht über alles andere
Vergnügen. Von den Bedeutungen der mit diesem Vorworte zusammen
gesetzten Zeitwörtern will ich hier nichts sagen, um diesen Artikel
nicht zu weitläufig zu machen; sie lassen sich indessen alle Mahl auf
eine der vorigen zurück führen, von welchen sie mehr oder weniger
Figuren sind.
Anm. 1. Man wende nun die in unsern Sprachlehre gegebene
und schon oben gedachte Regel, daß über auf die Frage wohin? die
vierte, und auf die Frage worin? die dritte Endung erfordert, auf die
oben angeführten Bedeutungen an, und sehe, wie weit man damit komme.
Diese Regel ist ganz aus den gemeinen Lateinischen Sprachlehren
entlehnet, wo man super und supra auf diese Art unterscheiden lehret.
Allein das Deutsche Vorwort hat mehr Bedeutungen als diese beyden
Lateinischen; es bedeutet auch trans, vlira, inter, plus, praeter,
per, post, de, ad, ex,
amplius, nimium u. s. f. und auf die meisten dieser Bedeutungen läßt
sich diese Regel nicht anwenden. Wollte man ja eine kurze Regel haben,
so würde sie so lauten. Wenn sich bey über eine Thätigkeit, oder auch
nur ein Bestreben zur Thätigkeit, gedenken lässet, so erfordert es die
vierte, außer dem aber die dritte Endung. Es gilt auch von diesem
Vorworte, was man bey allen Vorwörtern, so wohl in der Deutschen als
andern Sprachen, nie aus den Augen verlieren muß, daß zwar ihre
verschiedenen Bedeutungen angezeiget, und deren Gränzen bestimmt
werden können, daß aber deßwegen ein Vorwort nicht in allen den Fällen
gebraucht werden könne, welche sich unter eine oder die andere
Bedeutung ziehen lassen. Der Gebrauch hat seine Tyranney vornehmlich
an den Partikeln, und unter diesen am stärksten an den Vorwörtern
ausgeübt, und viele Bedeutungen eines Vorwortes nur auf eine bestimmte
Anzahl von Ausdrücken eingeschränkt, dagegen in andern vollkommen
ähnlichen Fällen ein anderes Vorwort üblicher ist. So ist über in der
zehnten Bedeutung des Accusativs im Hochdeutschen sehr eingeschränkt.
Für, Esau nahm über die Weiber, die er zuvor hatte, Mahalat, wird man
lieber sagen, außer den Weibern. Über die gedachten zwey Güter
besitzet er noch u. s. f. außer den. Über wird, wie andere ähnliche
Vorwörter, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart in
einigen Fällen gern mit dem Artikel zusammen gezogen; übers, übern,
überm, für über das, über den, über dem. Laß dein Brot übers Wasser
fahren. Übern Haufen werfen. Die Wolke steht überm Hause. Die beyden
ersten sind noch am erträglichsten; überm aber beleidigt das Ohr zu
sehr, als daß sich entschuldigen ließe.
Anm. 2. Dieses alte Vorwort
lautet schon bey dem Ulphilas afar, ufar, im Isidor ubar, im Nieders.
over, över, äwer im Angels. over, im Schwed. yfver, ofar, öfver, ivir,
ivi, im Pers. aber, mit vorgesetztem j bey dem Kero juber, mit dem
Hauchlaute im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -,
und mit dem Zischer im Lat. super und supra, im Franz. sur. Das hohe
Alter erhellet schon aus dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text,
siehe Image -, trans, über. Die Endsylbe ist die Ableitungssylbe
einen Umstand zu bezeichnen, vielleicht ein Ding, Subject. Daher war
es ehedem auch ohne diese Endsylbe üblich. Froide ob aller froide,
einer der Schwäbischen Dichter, für, Freude über Freude. Auch die
Niedersachsen gebrauchen up, und die Oberdeutschen ob, so wie die
Schweden of, a, noch oft für über. Das Lat. ob, wegen, gehöret
gleichfalls hierher. ( S. Auf und Oben, welche sehr genau mit diesem
Worte verwandt sind.) Das Beywort von über heißt ober und in einigen
Fällen übrig. Es scheint, daß in unserm heutigen über zwey
verschiedene Bedeutungen zusammen geflossen sind, die Bedeutung der
Höhe, da es denn zunächst zu auf gehöret, und die Bedeutung der
horizontalen Bewegung, da es mit über verwandt seyn würde. Beyde
Bedeutungen lassen sich indessen auf die allgemeinere Stammbedeutung
der Bewegung überhaupt zurück führen. Im Schwed. ist of sehr, ( S.
unser Oft) und obar, vortrefflich.
Überackern (W3) [Adelung]
Überackern,
verb. reg. act. in der Landwirthschaft. Ein Feld nochmahls überackern,
das ganze Feld noch Ein Mahl pflügen. Mittelw. überackert.
Überall (W3) [Adelung]
Überall,
adv. an allen Orten, allenthalben, wo über die figürliche Bedeutung
der Intension hat. Es ist überall bekannt. Gott ist überall. Überall
herrschet nichts als die bitterste Armuth. Ich bin überall naß, an
allen Theilen des Leibes, im gemeinen Leben über und über. Schon bey
dem Ottfried und Notker ubaral, uberal.
Überantworten (W3) [Adelung]
Überantworten,
verb. reg. act. mit der vierten Endung der Sache und der dritte der
Person, eines andern Besitz oder Gewahrsam anvertrauen, übergeben.
Einem das Geschenk überantworten, Richt. 3, 18. Der Herr wird dich in
meine Hand überantworten, 1 Sam. 17, 46. Des Menschen Sohn wird
überantwortet (nicht übergeantwortet) werden, Matth. 20, 18. Daher die
Überantwortung, die Übergabe. Ehedem war dafür nur das einfache
antuurten üblich; thaz si inan gote giantiuurtiten, daß sie ihn Gott
übergeben, im Tatian. Es ist das alte antworten, darstellen. ( S.
Antwort.) Es fängt an, im Hochdeutschen zu veralten, indem übergeben
dafür üblicher ist.
Überarbeiten (W3) [Adelung]
Überarbeiten,
verb. reg. act. Mittelw. überarbeitet. 1. Etwas, es noch Ein Mahl
bearbeiten und verbessern. 2. Sich überarbeiten, über seine Kräfte
arbeiten und sich dadurch Schaden zufügen. Einen Hund überarbeiten,
bey den Jägern, ihn bey der Arbeit zu stark angreifen. 3. Jemanden
überarbeiten, ihn in der Arbeit übertreffen, ist ungewöhnlich, ob es
gleich in vielen Wörterbüchern angetroffen wird.
Überaus (W3) [Adelung]
Überaus,
adv. einen hohen Grad zu bezeichnen. Überaus sündigen, Röm. 7, 13.
Jetzt ist es im Hochdeutschen vor den Zeitwörtern nicht mehr
gewöhnlich, wohl aber vor den Bey- und Nebenwörtern, einen
ungewöhnlich hohen Grad derselben zu bezeichnen. Überaus schön,
überaus häßlich. Es ist überaus kalt. Ein überaus böser Mensch. Eine
überaus große Hitze. Es ist überaus viel. Schon aus war ehedem eine
verstärkenden Partikel, daher äußerst noch jetzt in diesem Verstande
gebraucht wird. Mit der verstärkenden Partikel ist überaus so viel als
der Superlativ äußerst. Im Nieders. ist dafür avergeven üblich.
Überbau (W3) [Adelung]
Der Überbau,
des -es, plur. der aber ungewöhnlich ist, -baue, 1. Der obere Theil
eines Gebäudes, so fern es über den untern hervor raget; dergleichen
in manchen Städten an alten Häusern noch angetroffen wird. 2. Ein
Gebäude über ein anderes Ding; auch nur selten. Überbau (der Imperat.)
eine Eiche und sieh, wie durch die Zweige ihr starkes Vermögen empor
strebt; dein Überbau stürzt zu ihrer Wurzel.
Überbauen (W3) [Adelung]
Überbauen,
verb. reg. act. Mittelw. überbauet, zu überbauen, 1. Ein Gebäude über
ein anderes Ding aufführen. Einen Keller, ein Grab überbauen. 2. So
bauen, daß ein Stockwerk über das andere hervor rage; Nieders.
averschelken, von Schalk, ein Träger, Balkenkopf. Überbauete Häuser,
welche einen Überbau haben. 3. Sich überbauen, sich arm bauen, mehr
bauen, als jemandes Vermögen ertragen kann.
Überbehalten (W3) [Adelung]
Überbehalten,
verb. irreg. act. ( S. Behalten,) welches nur im gemeinen Leben üblich
ist, für übrig behalten. Er behielt noch etwas über, Sir. 47, 25.
Überbein (W3) [Adelung]
Das Überbein,
des -es, plur. die -e, eine fehlerhafte Erhabenheit an den Händen und
Füßen bey Menschen und Thieren, welche in Auswüchsen oder Verhärtungen
an der Sehnen, oft aber auch an den Knochen bestehet. Im gemeinen
Leben glaubt man, daß alsdann eine Sehne übergesprungen sey. Das
Beingewächs, im Oberd. Grutkneten, Knirzel, im Nieders. Wehne, Angels.
und Engl. wenn.
Überbiethen (W3) [Adelung]
Überbiethen,
verb. irreg. act. ( S. Biethen,) überbothen, zu überbiethen. 1.
Jemanden überbiethen, mehr biethen, als er. 2. Sich überbiethen, mehr
biethen, als man wollte, oder als man ohne Schaden geben kann.
Überbinden (W3) [Adelung]
Überbinden,
verb. irreg. act. ( S. Binden,) überbunden, zu überbinden. Etwas ein
Bund über dasselbe legen oder winden, doch nur selten. Daher die
Überbindung.
Überblättern (W3) [Adelung]
Überblättern,
verb. reg. act. überblättert, zu überblättern. 1. Eine Stelle
überblättern, sie im Durchblättern übersehen 2. Ein Buch überblättern,
wofür doch durchblättern besser ist.
Überbleiben (W3) [Adelung]
Überbleiben,
verb. irreg. neutr. mit seyn, ( S. Bleiben,) übergeblieben,
überzubleiben. Es ist nur im gemeinen Leben für übrig bleiben üblich.
In der Deutschen Bibel kommt es häufig vor. Da es ein Neutrum ist, und
den Ton auf dem Vorworte hat, so sollte es im Mittelworte das Augment
nicht verlieren. Allein, man findet es häufig ohne dasselbe.
Überbliebene nach der Wahl der Gnaden, Röm. 11, 5. Er ist allein
überblieben, 1 Mos. 42, 38. Die Überbliebenen, die Hinterlassenen
eines Verstorbenen.
Überbleibsel (W3) [Adelung]
Das Überbleibsel,
des -s, plur. ut nom. sing. dasjenige, was von einem andern Dinge
übrig geblieben ist, der Rest, Überrest. Die Überbleibsel von den
Speisen. Die Überbleibsel einer Stadt, nicht füglich für Trümmer,
Ruinen. Pascal nennt den Trieb nach Ruhe ein Überbleibsel der
ursprünglichen Erhabenheit des Menschen, Zimmermann. Ehedem war dafür
Überlaß üblich.
Überblick (W3) [Adelung]
Der Überblick,
des -es, plur. inus. Ein von einigen neuern Schriftstellern für
Übersicht eingeführtes Wort. Da neue Wörter nicht ohne Noth,
wenigstens nicht ohne einen fruchtbaren Nebenbegriff eingeführet
werden dürfen; Überblick aber nichts mehr und nichts weniger sagt, als
Übersicht; so läßt sich diese Neuerung nicht billigen.
Überblühen (W3) [Adelung]
Überblühen,
verb. reg. reciproc. überblühet, zu überblühen. Der Baum überblühet
sich, wenn er stärker blühet, als er unbeschadet seiner Kräfte thun
sollte.
Überbrand (W3) [Adelung]
Der Überbrand,
des -es, plur. inus. im Hüttenbaue, diejenige Feinheit des Silbers, da
es über den gewöhnlichen Grad, d. i. über 15 Loth 3 Quentchen fein
gebrennet wird.
Überbrechen (W3) [Adelung]
Überbrechen,
verb. irreg. act. ( S. Brechen,) überbrochen, zu überbrechen, im
Bergbaue, das Feld überbrechen; es ganz bis an die Marktscheide
abhauen, und gleichsam durchbrechen. Ein überbrochenes Feld.
Überbreiten (W3) [Adelung]
Überbreiten,
verb. reg. act. übergebreitet, überzubreiten. Eine Decke überbreiten,
sie über etwas breiten. Überbreiten, (der Ton auf dem Zeitworte,) z.
B. einen Tisch, eine Decke darüber breiten, ist nicht gewöhnlich.
Überbrennen (W3) [Adelung]
Überbrennen,
verb. reg. et irreg. act. ( S. Brennen,) überbrannt und überbrennet,
zu überbrennen, im Hüttenbaue. Das Silber, es über den gewöhnlichen
Grad fein brennen. Siehe Überbrand.
Überbringen (W3) [Adelung]
Überbringen,
verb. irreg. act. ( S. Bringen.) 1. Überbringen, überbracht, zu
überbringen, an einen andern bringen. Seinem Freunde einen Brief
überbringen. Eine Nachricht überbringen. Daher die Überbringung. 2.
Überbringen, übergebracht, überzubringen, über etwas bringen. Ich kann
es nicht überbringen.
Überbringer (W3) [Adelung]
Der Überbringer,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Überbringerinn, eine Person,
welche etwas überbringt. Der Überbringer eines Briefes.
Überbrücken (W3) [Adelung]
Überbrücken,
verb. reg. act. überbrückt, zu überbrücken. Den Fluß, eine Brücke über
denselben schlagen. Es wird nur selten gebraucht. Daher die
Überbrückung.
Überdas (W3) [Adelung]
Überdas,
S. Über II. 1. (2) (k).
Überdecke (W3) [Adelung]
Die Überdecke,
plur. die -n, eine Decke, welche über etwas gedeckt wird. Die
Oberdecke hingegen ist eine obere Decke zum Unterschiede von der
Unterdecke.
Überdecken (W3) [Adelung]
Überdecken,
verb. reg. act. überdeckt, zu überdecken. Etwas mit Etwas, es ganz
darüber decken.
Überdem (W3) [Adelung]
Überdem,
S. Über II. 1. (2) (k).
Überdenken (W3) [Adelung]
Überdenken,
verb. irreg. act. ( S. Denken.) überdacht, zu überdenken. Eine Sache
überdenken, sich das Mannigfaltige an derselben in Gedanken
vorstellen, das Verhältniß mehrerer ver- schiedener Theile an
derselben erwägen. Lassen sie mich mein Glück erst recht überdenken,
Gell. Ein reiflich überdachter Entschluß. Ein Fehler ist es, wenn das
Vorwort hier als trennbar behandelt wird: Denk' alles, was du glaubst,
noch zehnmahl ernsthaft über, Dusch. für überdenk alles. Daher die
Überdenkung.
Überdieß (W3) [Adelung]
Überdieß,
S. Über II. 1. (2) (k).
Überdreschen (W3) [Adelung]
Überdreschen,
verb. irreg. act. ( S. Dreschen,) überdroschen, zu überdreschen. Das
Getreide oder die Garben, Ein Mahl über dieselben hindreschen, so daß
nur die reifsten Körner ausspringen. Sich überdreschen hingegen würde
bedeuten, über seine Kräfte dreschen.
Überdruß (W3) [Adelung]
Der Überdruß,
des -sses, plur. car. diejenige Unlust, welche aus der lange
anhaltenden Empfindung Einer Art entstehet. Man möchte vor Überdruß
vergehen. Überfluß macht Überdruß. Im Willeram, vermuthlich zusammen
gezogen, Urdrieze.
Überdrüssig (W3) [Adelung]
Überdrüssig,
-er, -ste, adj. et adv. Überdruß empfindend, mit der zweyten Endung
der Sache. Einer Sache überdrüssig seyn, werden. Entzeuch deinen Fuß
vom Hause deines Nächsten, er möchte sonst deiner überdrüssig werden,
Sprichw. 25, 17. Ich bin des Gewinsels überdrüssig, Weiße. Unrichtig
ist es, wenn dieses Wort von einigen mit der vierten Endung verbunden
wird. Sie wurden mich überdrüssig, Rab. richtiger, meiner, Für
unwillig, verdrießlich, mit dem Vorworte über ist es veraltet: Der
Herr fing an überdrüssig zu werden über Israel, 2 Kön. 10, 32. Das
Hauptwort die Überdrüssigkeit wird auch noch zuweilen gebraucht;
alsdann bezeichnet es eigentlich den Zustand, Überdruß aber die
Empfindung.
Anm. Im Oberdeutschen ehedem urdrütz, und noch jetzt in
einigen Gegenden urdrüssig. Ir yeder ward ir bal vrdrütz, Hans Sachs.
Zu Handt der jung ward vderütz der weldt, eben ders. S. Verdruß und
Verdrießen.
Überdüngen (W3) [Adelung]
Überdüngen,
verb. reg. act. überdüngt, zu überdüngen. Einen Acker, 1. den Dünger
über denselben verbreiten. 2. Ihn zu viel, zu stark düngen. So auch
die Überdüngung.
Übereck,Überecks (W3) [Adelung]
Übereck, oder
Überecks, adv. von einer Ecke zu der schief gegen über stehenden
andern, nach der Diagonal-Linie, diagonaliter.
Übereignen (W3) [Adelung]
Übereignen,
verb. reg. act. übereignet, zu übereignen, zum Eigenthum übergeben, in
der Rechten. So auch die Übereignung.
Übereilen (W3) [Adelung]
Übereilen,
verb. reg. act. übereilt, zu übereilen. 1. Durch angewandte größere
Eilfertigkeit einhohlen, so wohl eigentlich als figürlich. Eilet, daß
uns Absalon nicht übereile, 2 Sam. 15, 14. Eure Verfolger werden euch
übereilen, Es. 30, 16. Von dem Tode übereilet werden. Die schnelle
Flügel der Zeit übereilen den Sturmwind, Dusch. Du hast mich oft an
Wasser und an Büschen Sanft übereilt, Haged. an den Schlaf. Von einem
Fehl übereilet werden, Gal. 6, 1; einen Fehler begehen, ehe man Zeit
gehabt, denselben als Fehler zu erkennen. 2. Etwas übereilen,
ungebührlich eilen, sagt man daß die Sache dadurch verdorben wird. Wir
wollen die Sache nicht übereilen. Ein übereiltes Verfahren. Sich
übereilen, zu sehr eilen. übereile dich nicht. Sich in oder mit etwas
übereilen, etwas thun, ehe man die Zeit genommen, er gehörig zu
überdenken. Sich im Reden, mit einer Antwort übereilen. Im Nieders.
averhasten, verhasten.
Übereilung (W3) [Adelung]
Die Übereilung,
plur. die -en. 1. Der Zustand, da man sich, andere oder eine Sache
übereilet; ohne Plural. 2. Eine fehlerhafte Handlung, welche aus allzu
großer Eilfertigkeit vorher nicht gehörig überdacht worden. Sich
vieler Übereilungen schuldig machen. Übereilungssünden,
Übereilungsfehler, welche aus Kürze der Zeit, aus Mangel der gehörigen
Überlegung begangen werden.
Überein (W3) [Adelung]
Überein,
adv. einförmig, einerley Bestimmungen habend. Überein kommen,
einförmig, einstimmig seyn. Das kommt damit nicht überein. Überein
stimmen, einerley Ton, einerley Inhalt haben. Ihre Aussagen stimmen
nicht überein. Menschen, die in ihren Meinungen, Neigungen und guten
Absichten mit einander überein stimmen und überein zu stimmen suchen,
Gell. Es ist mit diesen beyden Zeitwörtern am üblichsten. Allenfalls
sagt man noch überein lauten, überein klingen, sich überein kleiden,
auf einerley Art, gleichförmig; allein mit andern Zeitwörtern ist es
nicht gewöhnlich, wie z. B. folgenden Stelle im Opitz: Also werden sie
Gott preisen Und auf Sion Her erweisen Ihn erheben überein, Ps. 102.
Anm. Ein stehet in dieser Zusammensetzung für einförmig, einig, welche
Bedeutung durch das Vorwort über hier noch erhöhet wird. Da überein
nichts weiter als ein Nebenwort ist, so ist es wider de Analogie, es
ist mit dem Zeitworte als Ein Wort zu schreiben; übereinstimmen,
richtiger überein stimmen. Die davon gebildeten Nennwörter aber sind
wahre und regelmäßige Zusammensetzungen: Übereinkunft, übereinstimmig
u. s. f. Auf ähnliche Art werden mehrere Nennwörter aus ganzen R. A.
gebildet; Dazwischenkunft, von dazwischen kommen. Gottesvergessenheit,
von Gottes vergessen seyn u. s. f. S. die Orthographie.
Übereinander (W3) [Adelung]
Übereinander,
richtiger getheilt, über einander, S. über II. 2.
Übereinkunft (W3) [Adelung]
Die Übereinkunft,
plur. car. der Zustand, da zwey oder mehr Dinge mit einander überein
kommen.
Übereinstimmig (W3) [Adelung]
Übereinstimmig,
-er, -ste, adj. et adv. von der Redensart überein stimmen, mit einem
andern Dinge überein stimmend, und darin gegründet; einstimmig. Man
erwartet von der Natur zu viel, wenn man glaubt, daß sie die
Gemüthsarten der Verwandten gleichsam durch das Blut übereinstimmig
machen soll, Gell. Übereinstimmig mit jemanden denken, eben so wie er.
Für Übereinstimmigkeit ist entweder Einstimmigkeit oder auch
Übereinstimmung üblicher.
Übereinstimmung (W3) [Adelung]
Die Übereinstimmung,
plur. inus. Der Zustand, da zwey oder mehr Dinge mit einander überein
stimmen. Die Übereinstimmung der Gemüther.
Überessen (W3) [Adelung]
Überessen,
verb. irreg. recipr. ( S. Essen,) überessen, (öfter Übergessen,) zu
überessen. Sich überessen, über sein Vermögen essen, mehr essen, als
man verdauen kann, in den niedrigen Sprecharten überfressen. Schon im
achten Jahrhunderte uberazan, für fressen. Bey dem Kero ist
Uberazzalii und Uberazalii, der Rausch.
Überfahrt (W3) [Adelung]
Die Überfahrt,
plur. die -en. 1. Die Handlung des Überfahrens, oder da man über etwas
fähret; ohne Plural. Jemanden die Überfahrt verbiethen, so wohl über
eine Fluß oder Wasser, als auch nit einem Wagen über einen Acker. 2.
Der Ort, wo man überfährt, wo man über einen Fluß oder über ein Wasser
fährt. Zuweilen auch der Ort, wo man außer dem ordentlichen Wege über
den Acker fährt.
Überfall (W3) [Adelung]
Der Überfall,
des -es, plur. die -fälle, diejenige Handlung, da man einen andern
wider dessen Vermuthen überfällt, oder von ihm überfallen wird.
Jemanden etwas durch einen Überfall nehmen. Eine Stadt durch einen
Überfall einnehmen. In einigen Gegenden heißt das Zäpfchen im Halse
der Überfall.
Überfallen (W3) [Adelung]
Überfallen,
verb. irreg. act. ( S. Fallen,) überfallen, zu überfallen, wider eines
Dinges Vermuthen über dasselbe herfallen, oder plötzlich auf dasselbe
zukommen. Jemanden im Schlafe überfallen. Den Feind in der Nacht
überfallen. Abraham überfiel des Nachts die Feinde, 1 Mos. 14, 15. Im
Scherze wird man auch von einem Besuche überfallen, wenn die
Besuchenden unvermuthet kommen. Schrecken überfiel ihn, 1 Mos. 15, 12.
Mich hat überfallen die elende Zeit, Hiob 30, 27. Oft gebraucht man es
auch für befallen, ohne daß der Begriff der Geschwindigkeit so
merklich hervor steche. Von einer Krankheit überfallen werden. Mich
überfiel ein heftiger Frost. Von dem Schlafe überfallen werden.
Überfirnissen (W3) [Adelung]
Überfirnissen,
verb. reg. act. überfirnißt, zu überfirnissen, mit Firniß überfahren
oder überstreichen.
Überflechten (W3) [Adelung]
Überflechten,
verb. irreg. act. ( S. Flechten,) überflochten, zu überflechten, mit
einem Flechtwerke überziehen. Eine Flasche überflechten. Daher das
Überflechten und die Überflechtung.
Überfliegen (W3) [Adelung]
Überfliegen,
verb. irreg. ( S. Fliegen.) 1. Überfliegen, als ein Neutrum mit seyn,
übergeflogen, über zu fliegen, über etwas fliegen. Die Mauer ist zu
hoch, die Hühner können nicht überfliegen, über die Mauer. 2.
Überfliegen, als ein Activum, für über etwas fliegen, mit der vierten
Endung dieses Etwas, wo es doch seltener, und hier nur in der
dichterischen Schreibart gebraucht wird. Weit die Vernunft des Greises
überfliegend, Schleg. dieselbe übertreffend. Schon Notker gebraucht
uberfliegan für das einfache fliegen mit dem Vorworte über.
Überfließen (W3) [Adelung]
Überfließen,
verb. irreg. neutr. ( S. Fließen,) mit dem Hülfsworte seyn, über das
gesetzte Ziel fließen; überlaufen. Im Frühlinge, wenn die Ströme
überfließen. Der Wein fließt über, über den Rand des Gefäßes hinaus.
Der Brunnen fließt über, das Wasser fließet über den Rand des
Brunnens. Auch figürlich in der dichterischen Schreibart. Mein Herz
fließt von Dankbarkeit und Freude über, nicht überfließet von u. s. f.
Schon in dem Tatian ubarfluizan. S. auch Überfluß.
Überflügeln (W3) [Adelung]
Überflügeln,
verb. reg. act. überflügelt, zu überflügeln, in der Kriegskunst, die
Flügel seines Heeres über die Flügel des Gegentheiles hinaus dehnen.
Den Feind überflügeln. Daher die Überflügelung.
Überfluß (W3) [Adelung]
Der Überfluß,
des -sses, plur. der doch seltener gebraucht wird, die -flüsse, von
dem Zeitworte überfließen, in figürlichem Verstande, ein weit größeres
Maß, ein weit größerer Vorrath von einer Sache, als man zu einer
Absicht gebraucht. Einen Über- fluß an Wein, an Getreide, an Holz u.
s. f. haben. Hier gibt es Wein, Getreide, Wildbret u. s. f. im
Überfluß. An allem einen Überfluß haben. In engere Bedeutung ist der
Überfluß, ein größerer Vorrath an zeitlichen Gütern, als man zur
Nothdurft und Bequemlichkeit bedarf. Im Überflusse leben. Die
Anschläge eines Endelichen (Hurtigen) bringen Überfluß, Sprichw. 21,
5. Euer Überfluß diene ihrem Mangel, 2 Cor. 8, 14. Zuweilen auch für
Pracht, Luxus. Mit Betten Überfluß treiben, Amos 6, 4. Zum Überfluß
aber, adverbialiter, bezeichnet etwas, das nicht eigentlich nothwendig
ist. Ich ermahne euch aber zum Überfluß, solches zu thun, Ebr. 13, 19.
Schon bey dem Kero Vbarfluat, im Nieders. Overflood.
Überflüssig (W3) [Adelung]
Überflüssig,
-er, -ste, adj. et adv. 1. Im eigentlichen Verstande für überfließend;
eine veraltete Bedeutung. Ein überflüssiges Maß, Luc. 6, 38. 2. Im
Überflüsse, sehr reichlich; am häufigsten als ein Nebenwort. Es ist
Wein überflüssig da. Ich habe überflüssig, überflüssig genug. 3.
Unnöthig, was nicht gebraucht wird, oder nicht gebraucht werden kann.
Alles das ist überflüssig. Das sind überflüssige Worte. Seine
überflüssigen Gedanken an den Tag geben.
Anm. Schon bey dem Kero
ubarfleozzida. Es ist nach dem Lat. superfluus gebildet.
Überfracht (W3) [Adelung]
Die Überfracht,
plur. die -en, dasjenige, was über die bestimmte Fracht ist. Z. B.
wenn ein Reisender auf den Posten für sein Gepäck 50 Pfund frey hat,
und dasselbe wieget 80 Pfund, so bezahlet er 30 Pfund Überfracht.
Überfrachten (W3) [Adelung]
Überfrachten,
verb. reg. act. überfrachtet, zu überfrachten. Ein Schiff, einen
Wagen, sie stärker befrachten, als gewöhnlich oder rathsam ist,
stärker als das Fahrzeug oder Fuhrwerk tragen kann.
Überfressen (W3) [Adelung]
Überfressen,
verb. irreg. act. ( S. Fressen,) überfressen, zu überfressen, S.
Überessen.
Überfrieren (W3) [Adelung]
Überfrieren,
verb. irreg. ( S. Frieren,) überfroren, zu überfrieren, welches nur in
der passiven Bedeutung üblich ist, auf der Oberfläche mit Eis
überzogen werden. Der Fluß überfrieret, ist überfroren. Da es ein
wahres Neutrum ist, so sollte es den Ton auf der ersten Sylbe haben,
und im Mittelwort übergefroren lauten. Allein, es geht überall nach
der Regel der Activorum.
Überfuhre (W3) [Adelung]
Die Überfuhre,
plur. die -n, die Handlung, da man etwas über einen Fluß oder Wasser
führet, doch nur selten; die Überfahrt.
Überführen (W3) [Adelung]
Überführen,
verb. reg. act. 1. Überführen, übergeführt, über zu führen, über etwas
führen, es geschehe nun durch Leiten oder vermittelst eines
Fuhrwerkes. Reisende für das Geld überführen, über einen Fluß. Ich
mußte mich überführen lassen, über den Steg leiten lassen. Im gemeinen
Leben auch mit ausdrücklicher Beyfügung der vierten Endung. Getreide
nach Sicilien überführen, wofür man doch lieber sagt, hinüber führen.
2. Überführen, überführt, zu überführen, mit unläugbaren Beweisgründen
zum Geständnisse oder zum Beyfalle bewegen, wodurch es sich von
überweisen und überzeugen unterscheidet. Jemanden überführen, daß er
geirret habe. Ich bin vollkommen ihrer Meinung, denn sie haben mich
hinlänglich überführet. Jemanden mit einem Briefe, mit einem
Beweisgrunde überführen. Mit der zweyten Endung der Sache, jemanden
des Geitzes überführen, ihn überführen, daß er geitzig sey, ist es im
Oberdeutschen am häufigsten, im Hochdeutschen aber seltener. Daher die
Überführung.
Anm. In dieser figürlichen Bedeutung im Schwed. fullföra,
woraus zu erhellen scheinet, daß über hier eine verstärkende Bedeutung
hat, führen aber schon etwas ähnliches mit beweisen bezeichnen müsse.
Überfüllen (W3) [Adelung]
Überfüllen,
verb. reg. act. überfüllt, zu überfüllen, über das gehörige Maß
anfüllen. Ein Gefäß überfüllen. Überfülle dich nicht mit aller
niedlichen Speise, Sir. 37, 32. Kleanth wird mit der Zeit so gierig,
daß er nicht mehr mit dem ordentlichen Maße von Leckereyen zufrieden
ist; er muß sich überfüllen, um sich aus seiner Unempfindlichkeit zu
reißen, Gell. So auch die Überfüllung.
Überfüttern (W3) [Adelung]
Überfüttern,
verb. reg. act. überfüttert, zu überfüttern, über das gehörige Maß
füttern. Das Vieh überfüttern. Daher die Überfütterung.
Übergabe (W3) [Adelung]
Die Übergabe,
plur. doch nur selten, die -n, von dem Zeitworte übergeben, diejenige
Handlung, wodurch der Besitz einer Sache förmlich und völlig in die
Gewalt eines andern gebracht wird. Die Übergabe eines Gutes, wodurch
es völlig in den Besitz des andern kommt. Die Übergabe einer Festung,
der Gefangenen. Mit dem Feinde wegen der Übergabe einer Stadt
unterhandeln. Die Übergabe an Gott, in der Theologie, die thätige
Genehmhaltung des göttlichen Eigenthumes über uns, die Aufopferung
seiner selbst an Gott. Von sich übergeben, sich erbrechen, ist es
nicht üblich.
Übergähren (W3) [Adelung]
Übergähren,
verb. irreg. recipr. ( S. Gähren,) übergohren, zu übergähren, über das
gehörige Maß gähren, zu viel gähren. Der Teig, das Bier hat sich
übergohren.
Übergang (W3) [Adelung]
Der Übergang,
des -es, plur. die -gänge, von dem Zeitworte übergehen. 1. Die
Handlung des Übergehens, ohne Plural. (1) Die Handlung, da man über
einen Fluß, über ein Wasser, über eine Brücke gehet. Der Übergang über
den Fluß. Dem Feinde den Übergang streitig machen. (2) Die Begebung
von einem Gegenstande zum andern. Der Übergang zu einer andern Partey,
zu einer andern Kirche oder Religion. Der schnelle Übergang aus der
Wärme in die Kälte ist schädlich. Der willkürliche Übergang an andern
Grundsätzen. 2. Dasjenige, vermittelst dessen man von einem
Gegenstande zu dem andern übergehet, in den Wissenschaften und schönen
Künsten; im Gegensatze des Sprunges. In einer Rede ist der Übergang
derjenige Vortrag, vermittelst dessen man von einem Satze zu dem
andern übergehet. Die meisten Stellen sind mehr Sprünge als
leidenschaftliche Übergänge oder Steigerungen der Einbildungskraft. In
der Mahlerey heißen die verschiedenen Tinten der Farben, vermittelst
deren man von dem Schatten zu den Lichtern übergehet, Übergänge,
Franz. Passages. Die Übergänge müssen unmerklich seyn. 3. Eine bald
vorübergehenden Veränderung. Es ist nur ein Übergang, sagt man von
einem Regen, der nicht lange anhält. Besonders eine bald vorüber
gehende Empfindung, Entschließung. Bey ihm ist alles nur ein Übergang,
Less. Ich weiß nicht, warum es mit meiner Heiterkeit immer nur ein
Übergang ist.
Übergattern (W3) [Adelung]
Übergattern,
verb. reg. act. übergattert, zu übergattern, in der Zeichnungskunst,
ein Stück, welches man copiren will, mit einem Gatter oder Sitter
überziehen, d. i. es in kleine Vierecke theilen, um die in jedem
Vierecke befindlichen Theile der Figur in andere Vierecke von
ähnlichem Verhältnisse zu übertragen.
Übergaukeln (W3) [Adelung]
Übergaukeln,
verb. reg. act. übergaukelt, zu übergaukeln. Jemanden, ihn durch
Gaukeley überraschen, hintergehen. Viele, die ihre Sachen zu klug
anfangen wollen, werden von ihrem Witze übergaukelt.
Übergeben (W3) [Adelung]
Übergeben,
verb. irreg. act. ( S. Geben,) übergeben, zu übergeben. 1. Ein Ding
körperlich und förmlich in die Gewalt eines andern geben. Jemanden
einen Brief, die Schlüssel, ein anvertrautes Gut, ein Pfand übergeben.
Die Gefangenen übergeben. Sich Gott übergeben, ( S. Übergabe.)
Besonders von liegenden Gründen. Dem Feinde die Stadt übergeben. Ein
Gut übergeben, dem Käufer, oder neuen Besitzer. Alle Dinge sind mir
übergeben, Matth. 11, 27. Daher die Übergebung und Übergabe. 2. Sich
übergeben, ein höflicher Ausdruck für das niedrige sich speyen, in
einigen Gegenden sich brechen, ein Erbrechen haben. Daher die
Übergeben.
Übergehen (W3) [Adelung]
Übergehen,
verb. irreg. ( S. Gehen.) 1. Übergehen, ich gehe über, übergegangen,
über zu gehen; als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. (1) Über die
Höhe eines andern Dinges gehen, besonders von flüssigen Körpern, wofür
doch überlaufen, überfließen üblicher ist. Wie das Wasser Tigris, wenn
es übergehet im Lenzen, Sir. 24, 35. Die Kelter werden mit Most
übergehen, Sprichw. 3, 10; welche Wortfügung mit mit noch
ungewöhnlicher ist, besser, der Most in der Kelter wird übergehen.
Eben so fremd ist im Hochdeutschen die Wortfügung mit der zweyten
Endung: weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über, Matth. 12, 34.
Am üblichsten ist das Zeitwort in dieser Bedeutung im Hochdeutschen,
in der R. A. die Augen gehen ihm über, die Thränen treten ihm in die
Augen, eigentlich die Augen laufen ihm von Thränen über. Eine so
traurige Geschichte, daß allen Zuhörern die Augen übergingen. Der
Rauch macht, daß einem die Augen übergehen. Uns allen sind die Augen
übergegangen. (2) In die Gewalt, in die Herrschaft, in den Besitz
eines andern gehen. Zum Feinde übergehen, wo dieses Zeitwort die
Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des Überganges unentschieden
lässet. Zu einer andern Partey, zu einer andern Religion übergehen.
Die Stadt ist übergegangen, ist an den Feind übergeben worden. Sie
wird bald an den Feind übergehen, wo das Vorwort zu nicht Statt
findet. Nach einer noch weitern Figur, in einen Zustand gerathen, doch
nur in einigen Fällen, und mit dem Vorworte in. In die Fäulniß
übergehen. (3) Vor etwas vorbey gehen, wo es doch vielmehr das
Zeitwort vorüber gehen ist. Daß, wenn ich das Blut sehe, ich vor euch
übergehe, (besser, über gehe, getheilt,) 2 Mos. 12, 13. Im gemeinen
Leben sagt man indessen noch, es wird bald übergehen, d. i. vorüber,
vorbey gehen. 2. Übergehen, ich übergehe, übergangen, zu übergehen,
mit der vierten Endung der Sache. (1) Auf der ganzen Oberfläche hin
gehen. a) Eigentlich. Ein Feld übergehen, es begehen, über der ganzen
Oberfläche hin gehen, besonders es zu besichtigen, Acht darauf zu
haben u. s. f. eine nur im Oberdeutschen übliche Bedeutung, von
welcher der Übergeher daselbst so viel als ein Aufseher geringer Art
ist, welcher den Gegenstand seiner Aufsicht begehen muß. Wenn er
denselben bereitet, so heißt er im Oberdeutschen ein Überreiter, im
Hochdeutschen aber ein Bereiter. Im Österreichischen hat man
Wegeübergeher, Pflas=terübergeher, Holz- Wald- und Forstübergeher,
Lehnwägenübergeher, Bauübergeher u. s. f. b) Figürlich. 1. Die
Oberfläche eines Dinges bearbeiten, in vielen Fällen bey den Künstlern
und Handwerkern. Wenn der Mahler auf Holz mahlen will, so übergehet
(überziehet) er zuförderst das Holz mit heißem Leim, reibt, wenn es
trocken, die zu bearbeitenden Seite nachdrücklich ab, und übergehet
sie hernach mit Kreidengrund, der wieder mit Öhlfarbe übergangen wird.
Die drey Operationen in der schwarzen Kunst, wodurch die Kupferplatte
zubereitet wird, nennet man gleichfalls übergehen, und mit einem
Hauptworte den Übergang. Soll eine Platte recht schwarz und einförmig
seyn, so muß man sie wohl zwanzig Mahl übergehen, d. i. die ersten
drey Operationen wohl zwanzig Mahl wiederhohlen, Und so in andern
Fällen mehr. 2. Übersehen, durchsehen. Eine Rechnung übergehen, sie
durchsehen, ob sie richtig ist. (2) * Über etwas her gehen, d. i.
anfallen, befallen, überfallen; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche
Bedeutung. Der Zorn übergehet mich, übereilet mich, im Oberdeutschen.
Ein Mensch, der öfters wird mit Prügeln übergangen, Wird endlich
schlägefaul, Opitz. Was meinst du, was mich hier für Unmuth
übergangen? Günth. (3) Über etwas hinaus gehen, eine Bedeutung, welche
im Hochdeutschen gleichfalls veraltet ist. Du hast ein Ziel gesetzt,
das wird er nicht übergehen, Hiob 14, 15; wofür man jetzt
überschreiten sagt. Daher folgende figürliche Bedeutungen. a) * Einen
Befehl, ein Gesetz übergehen, eine alte, aber im Hochdeutschen auch
veraltete Bedeutung, wofür man jetzt übertreten sagt. Schon in dem
alten Gedichte auf den heil. Anno ubirgehen. Warum übergehet ihr also
das Wort des Herren? 4 Mos. 14, 41. So konnte ich doch nicht übergehen
das Wort des Herren, Kap. 22, 18. Du schiltest ob der stolzen Leute
Schar, Die dein Geboth so irrig übergangen, Opitz, Ps. 119. b) Eine
Sache übergehen, die gewöhnliche Zeit derselben vorbey gehen lassen,
ohne die Sache zu üben. Das Aderlassen übergehen; das Essen, den
Schlaf übergehen. Nach noch weiterer Figur übergehet man eine
Formalität, eine Umstand, wenn man sie nicht beobachtet. Etwas im
Lesen übergehen, es nicht mit lesen. In der Erzählung einen Umstand
übergehen, verschweigen. Etwas mit Stillschweigen übergehen, nichts
davon melden, sagen, erwähnen. c) In engerer Bedeutung übergehet man
etwas, wenn man über etwas weggehet, ohne es zu bemerken. So übergehet
der Leithund die Fährte, wenn er aus großer Hitze oder Nachläßigkeit
darüber hin schießet. (4) Sich übergehen, ist zuweilen so viel, als
über seine Kräfte, über sein Vermögen gehen, mehr oder stärker gehen,
als unbeschadet der Kräfte geschehen kann. So auch das Übergehen, und
in einigen Fällen die Übergehung. S. auch Übergang.
Anm. Da dieses
Zeitwort, wenn es den Ton auf dem Hauptworte hat, allemahl ein wahres
Activum ist, so ist es ein Fehler, wenn es von manchen mit dem
Hülfsworte seyn verbunden wird. Daß er die Freundschaft in diesem
Verstande übergangen ist, Less. für hat. Wie können sie es ihm
verdenken, daß er dieses übergangen ist? eben ders. Dagegen derselbe
an einem andern Orte richtig sagt: sie haben nur eine kleine
Formalität übergangen. Eben so fehlerhaft ist es, wenn andere das
Vorwort in diesem Falle als trennbar ansehen. Ich gehe mit
Stillschweigen über, für, ich übergehe mit Stillschweigen.
Übergeher (W3) [Adelung]
Der Übergeher,
des -s, plur. ut nom. sing. S. das vorige.
Übergewicht (W3) [Adelung]
Das Übergewicht,
des -es, plur. inus. 1. Dasjenige, was über ein bestimmtes Gewicht
ist. Es hat zwey Pfund Übergewicht, über den Zentner. Noch häufiger
ist. 2. das Übergewicht haben, das Übergewicht über etwas haben, ein
größeres Gewicht, und figürlich größere Macht, größern Nachdruck
haben, als ein anderes Ding. Deine Beweisgründe bekommen das
Übergewicht. Dort erliegen Gesetze und Ordnung unter dem Übergewicht
der Laster, Gell. Viele Übel erhalten ihr niederschlagendes
Übergewicht von der Gewalt der Einbildung, eben ders.
Übergießen (W3) [Adelung]
Übergießen,
verb. irreg. act. ( S. Gießen.) 1. Übergießen, ich übergieße,
übergossen, zu übergießen, auf der ganzen Oberfläche begießen, Früchte
mit Zucker übergießen. Übergossene Früchte. Daher der Überguß, womit
auf solche Art ein anderes Ding übergossen wird. 2. Übergießen, ich
gieße über, übergegossen, überzugießen. 1. So gießen, daß etwas
überlaufe. 2. Die Pflanzen übergießen, sie zu sehr begießen.
Übergolden (W3) [Adelung]
Übergolden,
verb. reg. act. übergoldet, zu übergolden, mit dünn geschlagenem Golde
überziehen, wofür doch vergolden üblicher ist. Übergüldete
(übergoldete) Götzen, Bar. 6, 56. Der Meister geußt (gießt) wohl ein
Bild, und der Goldschmid übergüldet (übergoldet) es, Es. 40, 19. So
auch die Übergoldung. Schon bey dem Notker ubergultun.
Übergroß (W3) [Adelung]
Übergroß,
adj. et adv. außerordentlich groß, im gemeinen Leben. Ein übergroße
Kälte, Theuerung u. s. f.
Überguß (W3) [Adelung]
Der Überguß,
des -sses, plur. die güsse, S. Übergießen. 1.
Übergut (W3) [Adelung]
Übergut,
adj. et adv. außerordentlich gut, im Hochdeutschen nur im gemeinen
Leben. Ganz übergut ist deine Güte, Opitz Ps. 109.
Übergypsen (W3) [Adelung]
Übergypsen,
ver. reg. act. übergypset, zu übergypsen, mit Gyps überziehen; etwas.
Überhalb (W3) [Adelung]
Überhalb,
S. Oberhalb.
Überhand (W3) [Adelung]
Überhand,
adverb. so stark, mächtig oder viel, daß man demselben nicht mehr
Einhalt thun kann. Wenn die Gerechten überhand haben, so gehts sehr
fein zu, Sprichw. 28, 12; wenn sie der herrschende, größte oder
mächtigste Theil sind. Unsere Zunge soll überhand haben, Ps. 12, 5.
Daß Menschen nicht überhand kriegen, Ps. 9, 20. Der Feind hat überhand
gekriegt, Klag. 3, 16. Geh, sag' ich, eh mein Schmerz noch überhand
gewinnt, Gottsch. Mit allen diesen Zeitwörtern ist es im Hochdeutschen
veraltet, wo man es nur noch mit dem Zeitworte nehmen verbindet;
überhand nehmen, an Zahl, Menge oder Stärke auf eine überlegene Art
zunehmen. Das Unkraut nimmt in dem Garten überhand. Das Gewässer nahm
überhand, 1 Mos. 7, 18, 19. Das Hunger nimmt überhand, Ier. 52, 6. Das
Feuer, die Krankheit, die Laster, der schlechte Geschmack, die Hitze,
die Kälte u. s. f. nehmen überhand. Am häufigsten von Dingen, welche
man als ein Übel betrachtet. Seltener im entgegen gesetzten Falle. Des
Herren Wort nimmt überhand, Apost. 19, 20.
Anm. Die fehlerhafte
Aussprache des großen Haufens mancher Gegenden, der Hang für Hand, und
überhang für überhand spricht, verleitete Frischen, dieses Nebenwort
von dem folgenden Überhang abzuleiten. Das Hauptwort die Oberhand, in
den R. A. die Oberhand haben, bekommen, gewinnen, und dieses überhand,
gehören genau zusammen, und das letzte ist ohne Zweifel aus dem ersten
gebildet. Beyde bedeuten entweder überlegene Macht, indem Hand
zuweilen auch figürlich für Macht gebraucht wird, oder überhand
bedeutet so wie die Oberhand hier eigentlich die Stelle zur rechten
Hand, und figürlich überlegene Macht und Anzahl. Die letzte Erklärung
hat das Schwedische vor sich, wo höger hand, so wohl die rechte Hand,
als auch überhand, bedeutet.
Überhang (W3) [Adelung]
Der Überhang,
des -es, plur. die -hänge, von dem Zeitworte überhangen und
überhängen. 1. Der Zustand, da ein Ding überhängt, ohne Plural. 2.
Dasjenige, was überhängt. (1) Äste und Früchte eines Baumes, welche
über eine Befriedigung auf des andern Bezirk hangen, heißen collective
und ohne Plural der Überhang. Der Überhang gehöret dem, in dessen
Eigenthum er überhängt. (2) Der überhangende Theil eines Gebäudes oder
andern Dinges. So wird ein Äcker, in einem obern Stocke, welcher über
den untern hervor raget, in einigen Gegenden der Überhang genannt. (3)
Eine Decke, Stück Zeuges, so über etwas hanget oder gehänget wird,
wofür in einigen Fällen auch Vorhang üblich ist.
Überhangen (W3) [Adelung]
Überhangen,
verb. irreg. neutr. ( S. Hangen,) welches das Hülfsworte haben
erfordert, es hängt über, übergehangen, überzuhangen, über etwas
hangen, über seine oder eines andern Dinges Grundfläche heraus hangen.
Die Hälfte an den Teppichen sollt du lassen überhangen an der Hütte, 2
Mos. 26, 12. Das Haus hängt über, wenn es oben über der Grundfläche
hervor ragt.
Überhängen (W3) [Adelung]
Überhängen,
verb. reg. act. 1. Überhängen, ich hänge über, übergehänget,
überzuhängen, über etwas hängen. Ein Tuch überhängen, über sich, über
den Kopf. 2. Überhängen, ich überhänge, überhängt, zu überhängen, auf
der ganzen Oberfläche behängen, doch nur selten. Die Bäume standen mit
reifen Früchten überhangen (überhänget) im schönsten Gemische, Geßn.
Überharschen (W3) [Adelung]
Überharschen,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn; überharscht, zu
überharschen, auf der Oberfläche mit einer festen Rinde überzogen
werden. Die Wunde ist schon überharscht. Das Wasser fängt an zu
überharschen, auf der Oberfläche zu frieren. Als ein Neutrum sollte es
den Ton auf dem Vorwort haben; allein, es gehöret so, wie mehrere, wo
über eine Veränderung auf der ganzen Oberfläche begleitet, zu den
Ausnahmen.
Überhäufen (W3) [Adelung]
Überhäufen,
verb. reg. act. überhäuft, zu überhäufen, im Überflüsse mit etwas
versehen. Sich mit Waaren überhäufen. Sie überhäufen mich mit
Wohlthaten. Er überhäufte mich mit Vorwürfen. Mit Geschäften überhäuft
seyn. Wo das Mittelwort üherhäuft auch wohl als ein Beywort für sehr
viel gebraucht wird. Überhäufte Geschäfte haben mich bisher
abgehalten. Wenn Opitz sagt: er (Christus) üherhäufet ein Wunderwerk
mit dem andern, für, thut ein Wunderwerk über das andere, so ist das
ganz wider den Hochdeutschen Sprachgebrauch. Daher die Überhäufung.
Überheben (W3) [Adelung]
Überheben,
verb. irreg. act. ( S. Heben,) überheben, zu überheben. 1. Sich
überheben, als ein Reciprocum, sich über die Gebühr erheben, eine
höhere Meinung von sich thätig erweisen, als sich gebühret. Antiochus
überhub (überhob) sich sehr, 2 Macc. 5, 17. Die Sache, worauf man
diese hohe Meinung gründet, bekommt im gemeinen Leben das Vorwort
wegen, im Oberdeutschen und der höhern Schreibart aber die zweyte
Endung. Auf daß ich mich nicht der hohen Offenbarung überhebe, ist mir
gegeben ein Pfahl ins Fleisch, 2 Cor. 12, 7. Deß überhebet sich dein
Herz, 2 Kön. 14, 10. Überhebe dich deiner Gewalt nicht, 2 Macc. 7, 34.
Wie könnt' ich mich, o Gott, des Guten überheben, Und meines schwachen
Lichts? Gell, Lieder. 2. Jemanden einer Sache überheben, auch mit der
zweyten Endung der Sache; ihn mit einer unangenehmen Sache verschonen,
machen, daß er sich ihr nicht unterziehen dürfe. Damit der König der
Mühe überhaben (überhoben) wäre, Dan. 6, 2. Man sollte uns dieses
Leidens und Schadens überhebet (überhoben) haben, Apost. 27, 21.
Überhebe mich dieses Kelches, Marc. 14, 36. Wie vieler Unruhen und
Martern überhobet uns nicht die Demuth, Gell. So auch die Überhebung.
Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Notker sih uberheben; in
der zweyten im Oberdeutschen einen von etwas entheben, im Nieders.
verhefen.
Überhelfen (W3) [Adelung]
Überhelfen,
verb. irreg. neutr. ( S. Helfen,) mit dem Hülfsworte haben, ich helfe
über, übergeholfen, überzuhelfen, 1. Über etwas helfen, mit
Verschweigung dieses Etwas. Ich kann nicht über den Bach, helfen sie
mir über. Ich habe ihm übergeholfen. 2. Figürlich hilft man einem
über, wenn man ihn entschuldigt oder mit Worten vertheidiget, seine
Partey mit Worten nimmt, am häufigsten in einer unrechten Sache. Wenn
ein Reicher nicht recht gethan hat, so sind viele, die ihm überhelfen,
Sir. 13, 26. Die Mütter pflegen den Söhnen gern überzuhelfen. Einer
hilft dem andern über.
Anm. Irrig verbindet man dieses Wort oft mit
der vierten Endung. Wenn es diese litte, so wäre es ein Activum und
müßte den Ton nicht auf dem Vor- sondern auf dem Zeitwort haben. Eben
so fehlerhaft ist es, wenn es Apost. 7, 24 heißt: Moses sahe einen
unrecht leiden, da überhalf er, für, da half er ihm über; zu
geschweigen, daß dieses Wort von der Vertheidigung in einer guten und
gerechten Sache nicht üblich ist.
Überher (W3) [Adelung]
Überher,
adv. welches im Hochdeutschen unbekannt ist. Mit der Hand überher
fahren, darüber, darüber her. Du gabest ihr (der Erde) das bodenlose
Meer Zum Mantel um; sein Schaum ging überher, Opitz Ps. 104; über die
Erde.
Überhin (W3) [Adelung]
Überhin,
adv. 1. Vorüber, vorbey; in welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen
wenig gebraucht wird. Ein Wetter, das überhin gehet, Sprichw. 10, 25.
Schnee und Eis sind überhin, Sturm und Regen sind vergangen, Opitz.
Ihr Trug geht überhin, eben ders. Laß es überhin, eben ders. laß es
seyn, berühre es nicht, bekümmere dich nicht darum. 2. Über dieß, eine
im Hochdeutschen fremde, und nur im Oberdeutschen übliche Bedeutung.
3. Über etwas hin, auf der Oberfläche desselben hin, auch nur im
Oberdeutschen. Bücke dich, daß wir überhin gehen, und lege deinen
Rücken zur Erde, daß man überhin laufe, Es. 51, 23; für darüber hin.
Er härtet die Wellen und geht mit trocknen Füßen überhin, Opitz,
hinüber, darüber hin. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch
zuweilen, 4. figürlich für obenhin. Etwas nur überhin thun, obenhin,
nicht mit der gehörigen Anstrengung, dem gehörigen Fleiße. Ein Buch
nur überhin lesen.
Überhobeln (W3) [Adelung]
Überhobeln,
verb. reg. act. überhobelt, zu überhobeln, aus der ganzen Oberfläche
behobeln. Ein Bret überhobeln.
Überhoch (W3) [Adelung]
Überhoch,
adj. et adv. im gemeinen Leben, über die Maße hoch, ingleichen höher
als nöthig ist.
Überhohlen (W3) [Adelung]
Überhohlen,
verb. reg. act. überhohlt, zu überhohlen. 1. Einhohlen, an
Geschwindigkeit übertreffen; eine im Hochdeutschen seltene Bedeutung.
Die Augenblicke überhohlen Gedanken in ihrem Fluge, Dusch. 2. *
Übertreffen, eine im Hochdeutschen völlig fremde Bedeutung. Damit
sollst du den Ruhm und Lohn Der tapfern Ahnen überhohlen, Günth.
Verdiente Männer, Die so, wie er Die Mißgunst überhohlen können, eben
ders. So auch die Überhohlung. Das Nieders. averhalen, bedeutet theils
noch überreden, auf seine Seite ziehen, theils auch einen Verweis
geben, mit Worten strafen.
Überholz (W3) [Adelung]
Das Überholz,
besser Oberholz, S. dasselbe.
Überhören (W3) [Adelung]
Überhören,
verb. reg. act. überhört, zu überhören. 1. Aus Mangel der
Aufmerksamkeit nicht hören; verhören. Ich habe es überhört. In einer
andern Einschränkung, thun, als wenn man es nicht höre, wie man in
ähnlichem Verstande übersehen gebraucht. Das mir von Gedanken ist als
unmassen we. Des uiberhoere ich vil und duon als ob ich das nicht
verste, Reimar der Alte. Wer geduldig ist, der ist ein kluger Mensch,
und ist ihm ehrlich, daß er Untugenden überhören kann, Sprichw. 19,
11. Figürlich wurde es ehedem auch für ungehorsam seyn, und überhörig
für ungehorsam gebraucht, welche veraltete Bedeutung sich auch im
Angelsächsischen und Schwedischen findet. 2. Einen überhören, einem
etwas überhören, ihn etwas hersagen lassen, um zu hören, ob er es
auswendig könne, sich etwas überhören, es hersagen, um zu erfahren, ob
man es auswendig könne. Sie sind aus ihrem Concepte gekommen; ich
dächte, sie thäten wohl, wenn sie sich noch Ein Mahl überhören,
Hermes. Einem seine Lection überhören. Daher die Überhörung.
Überhüpfen (W3) [Adelung]
Überhüpfen,
verb. reg. 1. Überhüpfen, ich hüpfe über, übergehüpft, über zu hüpfen,
als ein Neutrum mit seyn, über etwas hüpfen, für darüber, hinüber oder
herüber hüpfen. 2. Überhüpfen, ich überhüpfe, überhüpft, zu
überhüpfen, als ein Activum und mit der vierten Endung im figürlichen
Verstande. Etwas überhüpfen, es im Lesen, Erzählen, Hersagen u. s. f.
vorbey lassen, es nicht mit ausdrucken, es geschehe nun mit Fleiß oder
aus einem Versehen, wie übergehen. Eine Stelle im Lesen, einen Unstand
im Erzählen, eine Note im Singen überhüpfen.
Überhüthen (W3) [Adelung]
Überhüthen,
verb. reg. act. überhüthet, zu überhüthen, in der Landwirthschaft. Die
Saat überhüthen, wenn die Saat zu fett stehet, die Schafe stüchtig
darüber treiben, damit sie einen Theil davon wegfressen.
Überjagbar (W3) [Adelung]
Überjagbar,
adj. et adv. bey den Jägern, ein Überjagdbarer Hirsch, welcher über
acht Jahr alt ist und auch altjagdbar, ingleichen ein Haupt- oder
Capital-Hirsch heißt.
Überjagen (W3) [Adelung]
Überjagen,
verb. reg. act. überjagt, zu überjagen. 1. Ungebührlich heftig jagen.
Die Pferde überjagen, schneller reiten oder fahren, als die Pferde
ausstehen können. 2. * Durch Geschwindigkeit einhohlen, eine im
Hochdeutschen fremde Bedeutung. Obwohl ein Lahmer hier den schnellen
überjäget, (überjaget,) Opitz.
Überjahrt (W3) [Adelung]
* Überjahrt,
adj. et adv. mehr als die gewöhnliche Anzahl Jahre alt; ein im
Hochdeutschen unbekanntes Wort. Was überjahret ist, das ist nahe bey
seinem Ende, Ebr. 8, 13.
Überirdisch (W3) [Adelung]
Überirdisch,
adj. et adv. über der Erde befindlich, im Gegensatze des irdisch und
unterirdisch. In der Geisterlehre des großen Haufens sind die
Überirdischen, eine Art Luftgeister. In einem etwas andern Verstande
ist überirdisch zuweilen über das Irdische erhaben, d. i. himmlisch.
Überkaufen (W3) [Adelung]
Überkaufen,
verb. reg. recipr. überkauft, zu überkaufen, im gemeinen Leben, sich
überkaufen, so wohl zu theuer kaufen, als auch mehr kaufen, als man
bequem bezahlen kann.
Überkehr (W3) [Adelung]
Die Überkehr,
plur. car. in der Landwirthschaft, die zerschlagenen Ähren, Stürzeln
u. s. f. welche von dem gedroschenen und abgerechten Getreide mit
einem an einem Stade gebundenen Flederwische abgekehret werden; in
einigen Gegenden das Überkehrig, im Nieders. Reß, Kort, (das kurze,)
Riesing.
Überkehren (W3) [Adelung]
Überkehren,
verb. reg. act. überkehrt, zu überkehren, eben daselbst, das Getreide,
es auf der Oberfläche mit einem solchen Flederwische reinigen.
Überkippen (W3) [Adelung]
Überkippen,
verb. reg. 1. Überkippen, als ein Neutrum mit seyn, ich kippe über,
übergekippt, über zu kippen, so kippen, daß es vorn über schlägt. Der
Tisch, der Schrank kippt über. 2. Überkippen, als ein Activum, ich
überkippe, überkippt, zu überkippen, so kippen, (thätig,) daß es vorn
über falle. Einen Stein überkippen. Im gemeinen Leben überkippeln,
überköpeln.
Überkleiben (W3) [Adelung]
Überkleiben,
verb. reg. act. überkleibt, zu überkleiben, mit Kleiben überziehen.
Eine Wand überkleiben, sie ganz mit Lehm bekleiben. Zuweilen auch
vermittelst eines klebenden Dinges überziehen, wie überkleistern.
Überkleid (W3) [Adelung]
Das Überkleid,
des -es, plur. die -er, und noch häufiger der Überrock, ein Rock,
welchen man um der Kälte oder üdeln Witterung willen über die
gewöhnliche Kleidung ziehet; wodurch derselben von dem Oberkleid oder
Oberrocke noch verschieden ist.
Überkleiden (W3) [Adelung]
Überkleiden,
verb. reg. act. überkleidet, zu überkleiden, mit Kleidungsstücken auf
der Oberfläche versehen; wofür doch bekleiden üblicher ist. Uns
verlanget, daß wir damit überkleidet werden - sintemal wir wollen
lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, 2 Cor. 5, 2 f. So
auch die Überkleidung.
Überkleistern (W3) [Adelung]
Überkleistern,
verb. reg. act. überkleistert, zu überkleistern, mit einem Kleister,
oder auch vermittelst desselben überziehen.
Überklug (W3) [Adelung]
Überklug,
adj. et adv. die Klugheit zu weit treibend, mehr Klugheit an den Tag
legend, als dem gesellschaftlichen Anstande oder der Vernunft gemäß
ist, und darin gegründet. Ein überkluger Rath. Mein überkluger Herr
Bruder, Weiße.
Überkochen (W3) [Adelung]
Überkochen,
verb. reg. neutr. mit haben; es kocht über, überkocht, über zu kochen,
im Kochen überlaufen. Das Wasser kocht über.
Überkommen (W3) [Adelung]
Überkommen,
verb. irreg. 1. Überkommen, als ein Neutrum mit seyn. Ich komme über,
überkommen, über zu kommen. (1) Über etwas kommen, d. i. hinüber oder
herüber. Der Fluß ist zu breit, ich kann nicht überkommen, hinüber. (
S. Überkunft.) (2) * Mit jemanden überkommen, sich mit ihm
vergleichen, einig mit ihm werden; eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung, wofür man jetzt überein kommen gebraucht. Daher ist noch im
Oberdeutschen Überkommniß so viel als Vergleich, Vertrag,
Übereinkunft. In Aachen hingegen ist Überkommst, ein Schluß der Raths,
ein Rathsschluß. 2. Überkommen, als ein Activum mit der vierten
Endung; ich überkomme, überkommen, zu überkommen. (1) Für bekommen,
eine Bedeutung, welche im Hochdeutschen niedrig zu werden und zu
veralten anfängt. Du habest so große Macht überkommen, Ezech. 28, 4.
Ich überkam noch größere Herrlichkeit, Dan. 4, 33. Er hatte dieß Amt
mit uns überkommen, Apost. 1, 17. Er überkam, nach unsrer Stutzer Art,
Ein schönes leeres Haupt, Haged. (2) * Jemanden überkommen, ihn
überführen, überweisen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung.
Überkranz (W3) [Adelung]
Der Überkranz,
des -es, plur. die -kränze, im Deichbaue der Niederdeutschen, der
obere Kranz oder Rand eines Deiches oder Dammes, nach dem Wasser zu,
welcher etwas erhabener ist.
Überkunft (W3) [Adelung]
Die Überkunft,
plur. car. die Ankunft über ein Wasser oder einen Zwischenraum; vor
seiner Überkunft. Siehe Überkommen 1. (1).
Überkutten (W3) [Adelung]
Überkutten,
verb. reg. act. überkuttet, zu überkutten, im Bergbaue, S. Kutten.
Überladen (W3) [Adelung]
Überladen,
verb. irreg. act. ( S. Laden,) überladen, zu überladen, mehr Last
auflegen, als ein Ding oder eine Person bequem tragen kann. Einen
Wagen überladen. Das Packpferd ist überladet. Ingleichen figürlich.
Sich mit Geschäften, den Magen mit Speisen überladen. Ein Herz,
welches mit Bosheit überladen ist. So auch die Überladung, von der
Handlung und dem Zustande. Der Ekel ist der gewisse Gefährte
geschmackloser Überladungen.
Überlage (W3) [Adelung]
Die Überlage,
plur. die -n, dasjenige, was über ein anderes Ding gelegt wird, doch
nur in einigen Fällen. So sind in den Salzkothen die Überlagen,
geschmiedete Eisen, welche über die Thüren und andere Öffnungen gelegt
werden, die Mauersteine zu unterstützen.
Überlang (W3) [Adelung]
Überlang,
adj. et adv. übrig lang, länger als nöthig ist, nur im gemeinen Leben
einiger Gegenden. Es ist mit über lang, d. i. in langer Zeit, nicht zu
verwechseln. S. Über.
Überläng (W3) [Adelung]
* Überläng,
adj. et adv. und die Überlänge, plur. die -n, zwey im Hochdeutschen
unbekannte Wörter, übrig, ingleichen das was übrig ist, den Überschuß,
den Überrest, zu bezeichnen. Geld, das überläng ist, über ihre Zahl, 4
Mos. 3, 48. Lösegeld, das überläng war über der Leviten Zahl, V. 49.
Das Überlänge an den Teppichen der Hütte des Stifts, 2 Mos. 26, 12.
Die Überlängen der Erstgeburt der Kinder Israel über der Leviten Zahl,
4 Mos. 3, 46. Es ist entweder von dem vorigen, oder auch durch eine
verderbte Aussprache aus dem folgenden überley entstanden.
Überlangen (W3) [Adelung]
Überlangen,
verb. regul. 1. Überlangen, als ein Neutrum mit haben; ich lange über,
übergelangt, über zu langen, über etwas langen, d. i. reichen. Es ist
zu breit, ich kann nicht überlangen, hinüber, darüber langen. Es langt
über, reicht herüber. 2. * Überlangen, mit der vierten Endung, ich
überlange, überlangt, zu überlangen, figürlich für übergehen,
überreichen, eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Er hat das
Reich empfangen Von Gott, und wird das Reich Gott wieder überlangen,
Opitz.
Überlassen (W3) [Adelung]
Überlassen,
verb. irreg. act. ( S. Lassen.) 1. Überlassen, ich lasse über,
übergelassen, über zu lassen. (1) Für übrig lassen, eine im
Hochdeutschen in der edlen Schreibart veraltete Bedeutung. Und sollt
nichts davon überlassen, 2 Mos. 12, 10. Es soll nichts übergelassen
werden, bis an den Morgen, 3 Mos. 7, 15. Und in andern Stellen mehr.
Da es hier ein wahres Nebenwort ist, so schreibt man es auch, so wie
in den übrigen Fällen, wo es für übrig stehet, richtiger getheilt,
über lassen. Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist der Überlaß,
dasjenige, was man übrig läßt, was übrig bleibt. (2) Für hinüber oder
herüber lassen. Man wollte uns nicht überlassen, über den Fluß. Auch
hier wird es als ein Nebenwort besser getheilt geschrieben, und
alsdann machen auch die Wörter, wo über für übrig, oder auch für
hinüber und herüber stehet, keine Ausnahme von der Regel, daß, wenn
die mit über zusammen gesetzte Zeitwörter Activa sind, der Ton auf dem
Zeitworte lieget. 2. Überlassen, ich überlasse, überlassen, zu
überlassen, mit der vierten Endung der Sache und der dritten der
Person. 1) Durch einen Kauf oder Tausch in den Besitz eines andern
kommen lassen. Überlassen sie mir ihren Garten, verkaufen sie ihn mir.
Er hat mir sein Pferd überlassen, verkauft oder vertauscht. 2) In
weiterer Bedeutung, den Besitz, den Willen, die Leitung eines andern
in Rücksicht auf ein anderes Ding nicht hindern. Eine Armee überläßt
ein Land, eine Stadt dem Feinde, wenn sie sich zurück ziehet, und ihn
selbige ohne Hinderniß in Besitz nehmen lässet. Sich einer
Leidenschaft, sich dem Grame, der Freude u. s. f. überlassen, sich
ohne Widerstand von ihr beherrschen lassen. Überlassen sie sich nicht
dem Ungestüm ihres Herzes. Überlaß mich meinem Schicksale. Ich
überlasse mich ihnen ganz, ihrer Leitung, ihrem Rathe. Ich will mich
jedem Vergnügen überlassen, womit die wohlthätige Natur die dornigen
Pfade des Lebens bestreuet. Überlassen sie das mir, zu thun, zu
verrichten, dafür zu sorgen. Daher die Überlassung, besonders für
Verkauf oder Abtritt des Besitzes. Die Überlassung eines Gutes. Anm.
Das Sylbenmaß führet unsere Dichter oft in Versuchung, das Vorwort in
dem letzten Zeitworte als trennbar zu behandeln. Laß diese Kleinigkeit
den witzgen Köpfen über, Gieseke. Doch ihm zu sagen, - das laß mir
über, Schleg. Ich ließ zu lange Die Theuerste einsamen Thränen über,
ebend. Alle sehr fehlerhaft für überlaß, ich überließ.
Überlast (W3) [Adelung]
Die Überlast,
plur. inus. 1) Dasjenige, was über die bestimmte oder gehörige Last
ist; doch nur selten. 2) Figürlich ist Überlast, doch nur im gemeinen
Leben, unbillige Beschwerde, Beschwerlichkeit, Bedrückung, Nieders.
Averlast. Einem Überlast thun, ihn ungebührlich beschweren, drücken.
Sie schmachteten unter der Phönicischen Überlast, Dapper. (Gott)
Pflegt über den die treue Hand zu halten, Dem Überlast und Unrecht
wird gethan, Opitz Ps. 103. S. Überlästig.
Überlasten (W3) [Adelung]
Überlasten,
verb. reg. act. überlastet, zu überlasten, mehr Last auflegen, stärker
beladen, als ein Ding tragen kann. Ein Schiff überlasten.
Überlästig (W3) [Adelung]
Überlästig,
-er, -ste, adj. et adv. 1) Zu sehr belasten oder beladen. Ein Schiff
ist überlästig, bey einigen nicht so richtig oberlästig, wenn es
entweder zu sehr beladen oder zu stark von Holz ist, so daß es zu tief
in dem Wasser geht. 2) Überlast, d. i. Beschwerde verursachend,
beschwerlich; doch nur im gemeinen Leben. Jemanden überlästig seyn,
beschwerlich. Ein überlästiger Besuch, ein beschwerlicher. Daher die
Überlästigkeit, die Eigenschaft eines Dinges, da es überlästig oder
beschwerlich ist.
Überlauf (W3) [Adelung]
Der Überlauf,
des -es, plur. die -läufe. 1) Auf den Schiffen wird das oberste
Verdeck der Überlauf, bey einigen auch der Oberlauf genannt; entweder,
weil er sich längst der Oberfläche des Schiffes erstrecket, oder auch,
weil man auf demselben über das ganze Schiff gehen kann. 2) Von der R.
A. jemanden überlaufen, ist der Überlauf ohne Plural, der Zustand, da
man von andern überlaufen, d. i. auf eine beschwerliche Art von vielen
besucht oder verlangt wird.
Überlaufen (W3) [Adelung]
Überlaufen,
verb. irreg. ( S. Laufen.) 1. Überlaufen, ich laufe über,
übergelaufen, über zu laufen, als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn.
1) Über das gesetzte Ziel der Höhe laufen, von flüssigen Körpern. Der
Strom läuft über. Die Brunnen liefen über. Das Glas ist zu voll, es
wird überlaufen. Die Galle läuft ihm über, tritt ihm zu häufig in den
Magen, d. i. er wird zornig. Die Augen laufen mir über, sie gehen
über, sie werden mit Thränen angefüllet. Der Diamant blendet mich
ganz, und macht. daß mir die Augen überlaufen, Gell. 2) Zum Feinde, zu
einer andern Partey, zu einer andern Religion überlaufen, böslich zu
einem andern übergehen, wo der gehässige Nebenbegriff durch das Laufen
ausgedruckt wird. Es liefen täglich viele Soldaten zu dem Feinde über.
Von einem überlaufen, ist ungewöhnlich. Wie schwerer wird von dem dann
seine Pflicht verkauft, Der von dem guten Gott muthwillig überlauft,
Opitz. S. Überläufer. 2. Überlaufen, ich überlaufe, überlaufen, zu
überlaufen, als ein Activum mit der vierten Endung. 1) Von flüssigen
Körpern für überschwemmen; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche
Bedeutung. Das Land soll ganz, wie mit einem Wasser überlaufen werden,
Amos. 8, 8. 2) Im Laufen über den Haufen rennen. Ein Kind überlaufen.
3) Ungestüm auf etwas zu laufen. (a) Eigentlich. Jemanden mit dem
Degen überlaufen. mit dem Degen in der Hand auf ihn zulaufen, um ihn
anzufallen. (b) Figürlich überläuft man jemanden, wenn man ihm durch
oft und vieles, oder auch durch ungestümes Kommen beschwerlich wird.
Man wird an den Landstraßen immer von Bettlern überlaufen. Jemanden
mit Bitten, mit vielen Fragen überlaufen. Der Arzt wird von Patienten
überlaufen. Unzählig ist der Schmeichler Haufen, Die jeden Großen
überlaufen, Haged. 4) Auf der ganzen Oberfläche hin laufen, doch nur
in den figürlichen Redensarten. Es überläuft mich ein Schauer, ein
Angstschweiß. In einem andern Verstande sagt man auch wohl im gemeinen
Leben, eine Rechnung überlaufen, sie schnell und flüchtig durchsehen,
sie durchlaufen, übergehen. 5) Im Laufen an Geschwindigkeit
übertreffen. Der Hund überlief den Hasen.
Überläufer (W3) [Adelung]
Der Überläufer,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Überläuferinn, derjenige, der
jemandes Partey böslich verlässet, und zu dessen Gegentheile
überläuft, besonders im Kriege. Der Ausreißer oder Deserteur ist
derjenige, der seine Fahne böslich verlässet; gehet er zum Feinde
über, so wird er ein Überläufer. Auch diejenigen, welche böslich oder
aus Leichtsinn von einer Religion zur andern übergehen, pflegt man
Überläufer zu nennen.
Überlauschen (W3) [Adelung]
Überlauschen,
verb. reg. act. überlauscht, zu überlauschen, ein seltenes Wort für
belauschen und überfallen. Damit ja nicht ein gefährlicher Gedanke
meine Neigung überlauschen möchte, Weiße.
Überlaut (W3) [Adelung]
Überlaut,
adj. et adv. sehr laut, so daß es von jedermann gehöret werden kann.
Überlaut rufen, schreyen, lachen. Seltener kommt es als ein Beywort
vor. Ein überlautes Gelächter. Schon bey dem Ottfr. ubarlut, im
Schwed. öfverljudt. Über hat hier die in hohem Grade verstärkende
Bedeutung, gehet aber darin von der Analogie ab, daß es den Ton auf
dem Beyworte hat, dagegen derselbe in den übrigen ähnlichen Fällen auf
dem Vorworte liegt; übergroß, überhoch, überreif, überreich u. s. f.
Das Zeitwort überlauten, stärker lauten als ein anderes Ding,
vorlaute, ist ungewöhnlich.
Überleben (W3) [Adelung]
Überleben,
verb. reg. act. überlebt, zu überleben, über die Dauer eines andern
Dinges hinaus leben, länger leben als ein anderes Ding dauert.
Jemanden überleben, länger leben als er. Alle die Seinigen überleben.
Ich werde ihn nicht lange überleben. Den Schmerz werde ich gewiß nicht
überleben. Ich begreife nicht, wie ich solchen Schrecken habe
überleben können. Viele Jahre überleben, Pred. 6, 3; zurück legen. Der
Kranke wird kaum diesen Tag überleben. Ich muß das Los haben, oder ich
überlebe die Nacht nicht, Gell.
Überlegebaum (W3) [Adelung]
Der Überlegebaum,
des -es, plur. die - bäume, bey den Webern, derjenige Baum, welcher
über den Stuhl gelegt wird, und woran die Kolben hangen, worin die
Räderchen gehen.
Überlegen (W3) [Adelung]
Überlegen,
verb. reg. act. 1. Überlegen, ich lege über, übergelegt, über zu
legen, über ein anderes Ding legen, ohne Nennung dieses andern Dinges.
Ein Pflas=ter überlegen, über die Wunde. Ein strafbares Kind überlegen,
über den Stuhl, um es zu züchtigen. 2. Überlegen, ich überlege,
überlegt, zu überlegen. 1) Zu stark belegen, mehr ein- oder auflegen,
als ein Ding tragen oder ertragen kann. Ein Haus mit Einquartierung
überlegen. Die Unterthanen sind mit Abgaben überlegt. 2) Von einer
jetzt veralteten Bedeutung des einfachen Zeitworte legen, wovon sich
aber doch einige Spuren finden, ( S. dasselbe,) ist eine Sache
überlegen, figürlich, sie sich in ihrem ganzen Zusammenhange
vorstellen, um sein Verhalten dadurch zu bestimmen, durch welche
letzte Einschränkung es sich von überdenken, nachdenken, betrachten u.
s. f. unterscheidet, aber mit erwägen, so ziemlich gleich bedeutend
ist. Ich habe die Sache reiflich überlegt. Man muß es besser
überlegen. Überlegen sie meine Umstände. Nieders. averleggen. Siehe
Überlegsam, Überlegt und Überlegung.
Überlegen (W3) [Adelung]
Überlegen,
-er, -ste, adj. et adv. mehr Kräfte, Macht, Fähigkeiten habend, als
ein anderer, mit der dritten Endung der Person und den Vorwörtern an
und in. Ein Volk wird dem andern überlegen seyn, 1 Mos. 25, 23. Sie
werden mir und dir überlegen seyn, 2 Sam. 10, 11. Jemanden an
Tapferkeit, an Macht, an Stärke, an Anzahl überlegen seyn; ihm im
Singen, im Tanzen, im Reiten überlegen seyn.
Anm. Im Schwed.
öfverlägse. Es ist eigentlich das Mittelwort des veralteten Zeitwortes
überliegen, auf oder über einen andern liegen, und scheinet eine von
dem Kämpfen oder Ringen entlehnte Figur zu seyn, da der Stärkere oder
Geschicktere über den Überwundenen zu liegen kommt.
Überlegenheit (W3) [Adelung]
Die Überlegenheit,
plur. inus. von dem vorigen Worte, der Zustand, da men einem andern
überlegen ist. Die Überlegenheit des Feindes, welche noch von dessen
Übermacht unterschieden ist, indem man dem andern, dessen Übermacht
ungeachtet, an Klugheit, List, Erfahrung, Tapferkeit u. s. f.
überlegen seyn kann.
Überlegsam (W3) [Adelung]
Überlegsam,
-er, -ste, adj. et adv. von überlegen 2) Fertigkeit besitzend, jede
Sache im Zusammenhange zu überdenken, um sein Verhalten darnach zu
bestimmen. Ein fleißiger überlegsamer Mann. Daher die Überlegsamkeit,
plur. car. diese Fertigkeit.
Überlegt (W3) [Adelung]
Überlegt,
adj. et adv. von eben dieser Bedeutung des Zeitwortes, dessen
Mittelworte es eigentlich ist, seinem ganzen Zusammenhange nach
überdacht; im Gegensatze des unüberlegt. Ein überlegter Entschluß.
Sehr überlegt handeln, wo das Mittelwort der vergangenen Zeit für die
gegenwärtige Zeit überlegend stehet.
Überlegung (W3) [Adelung]
Die Überlegung,
plur. inus. von überlegen 2), das Überdenken einer Sache in ihrem
ganzen Zusammenhange, sein Verhalten darnach zu bestimmen. Ohne
Überlegung handeln. Sich erst nach reiflicher Überlegung entschließen.
Im Nieders. Averleg.
Überlesen (W3) [Adelung]
Überlesen,
verb. irreg. act. ( S. Lesen,) überlesen, zu überlesen. Etwas
überlesen, es flüchtig durchlesen. Nachdem ich wieder überlese, was
ich geschrieben habe, finde ich, daß ich eine Thörinn bin.
Überley (W3) [Adelung]
Überley,
adv. welches nur in den gemeinen und niedrigen Sprecharten für das
Nebenwort übrig üblich ist. Es ist etwas überley geblieben. Du hast
Recht überley, Gell. S. -Ley.
Überliefern (W3) [Adelung]
Überliefern,
verb. reg. act. überliefert, zu überliefern, körperlich in den Besitz
eines andern liefern, übergeben. Seinem Freunde einen Brief, den
Gefangenen der Wache, jemanden ein anvertrautes Gut überliefern.
Überlieferung (W3) [Adelung]
Die Überlieferung,
plur. die -en. 1) Die Handlung des Überlieferns. 2) Eine von ältern
Zeiten von dem Vater auf den Sohn u. s. f. fortgepflanzte Nachricht
von einer geschehen Sache, im Gegensatze einer schriftlich
aufbehaltenen Begebenheit; mit einem Lateinischen Kunstworte die
Tradition. Durch die Fortpflanzung ältern Zeiten her, unterscheidet
sich die Überlieferung von der Sage, welche unter zugleich lebenden
Personen mündlich fortgepflanzet wird.
Überlisten (W3) [Adelung]
Überlisten,
verb. reg. act. überlistet, zu überlisten. Jemanden, einen Listigen
durch List hintergehen, so daß man ihn an List übertreffe; ingleichen
in weiterm Verstande, jemanden durch List überraschen, berücken. Daher
die Überlistung.
Übermachen (W3) [Adelung]
* Übermachen,
verb. reg. act. übermacht, zu übermachen. 1) Auf und über der ganzen
Oberfläche bearbeiten, doch nur im gemeinen Leben, wo es auch zuweilen
für überkleiden, übertünchen, u. s. f. gebraucht wird. 2) Einem etwas
übermachen, es ihm übersenden, überschicken. Ihm Waaren auf der Post
übermachen. Geld an jemanden übermachen. Es wird am häufigsten von
Dingen von einiger Größe gebraucht. Einen Brief wird man nicht leicht
übermachen, sondern überschicken. 3) Ein übermachtes Zwingen, ist bey
den Jägern diejenige Art der Fährte, wenn der Hirsch mit dem hintern
Fuß genau in den vordern eintritt. 4) * Übertreiben; eine im
Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Sie habens übermacht, darum müssen
sie zu Boden gehen, Ier. 48, 36. Und verderbte das ganze Land ohne
Barmherzigkeit, die es mit Sünden übermacht hatten, Sir. 16, 10. So
auch die Übermachung.
Übermacht (W3) [Adelung]
Die Übermacht,
plur. car. die überlegene Macht. Sich vor jemandes Übermacht fürchten.
Zuweilen auch ein allzu großer, schädlich großer Grad der Macht. Im
Oberdeutschen die Obermacht, welches doch, wenn es im Hochdeutschen
gangbar wäre, von Übermacht noch unterschieden werden könnte.
Übermächtig (W3) [Adelung]
Übermächtig,
-er, -ste, adj. et adv. die Übermacht habend, überlegen mächtig,
ingleichen allzu mächtig.
Übermahlen (W3) [Adelung]
Übermahlen,
verb. reg. act. übermahlt, zu übermahlen. Ein Gemählde, es von neuen
mahlen, oder die schadhaften Stellen mit frischen Farben ausbessern.
Daher das Übermahlen.
Übermannen (W3) [Adelung]
Übermannen,
verb. reg. act. übermannt, zu übermannen, durch überlegene Kraft oder
Macht überwinden. Jemanden übermannen. Sich von einer Leidenschaft
übermannen lassen. Daher die Übermannung. Schwed. öfvermanna, von
Mann, ein starker, tapferer Mann, oder vielleicht von einem veralteten
Zeitworte mannen, stark, mächtig seyn.
Übermaß (W3) [Adelung]
Das Übermaß,
des -es, plur. inus. 1) Dasjenige, was über das bestimmte Maß ist.
Wenn eine Ohm 62 Kannen halten sollte, und sie hält deren 70, so sich
acht Kannen Übermaß. 2) Figürlich, ein mehr als gewöhnliches Maß, ein
ungewöhnlich hoher Grad einer Sache. Das Übermaß ihrer Güte gegen
mich. Ich glaube dadurch alles im Übermaß erfüllet zu haben, im
Oberdeutschen für im Überfluß, überflüßig. Das Übermaß ihrer
Schmerzen, hat ihren Geist überwältiget.
Übermaße (W3) [Adelung]
Die Übermaße,
plur. inus. das Abstractum des vorigen Wortes, dasjenige Verhältniß,
da der gehörige oder gewöhnliche Grad der innern Stärke gegen die
Natur der Sache sehr weit überschritten wird; so wohl im guten als
nachtheiligen Verstande. In solcher Übermaß (Übermaße) wird die Liebe
zum Leben Leidenschaft, Gell. Das Übermaß und die Übermaße sind eben
so unterschie- den, als das Maß und die Maße, ( S. diese Wörter,)
obgleich beyde Wörter häufig mit einander verwechselt werden.
Übermäßig (W3) [Adelung]
Übermäßig,
-er, -ste, adj. et adv. Übermaß enthaltend, d. i. daß gehörige oder
gewöhnliche Maß weit überschreitend, und darin gegründet. Eine
übermäßige Größe. Übermäßig reich seyn, ungewöhnlich reich. Am
häufigsten im nachtheiligen Verstande. Übermäßig essen und trinken.
Eine übermäßige Freude. Sich übermäßig freuen. Unmäßig zeiget einen
noch höhern Grad an, wo gar kein Verhältniß Statt findet.
Übermeistern (W3) [Adelung]
Übermeistern,
verb. reg. act. übermeistert, zu übermeistern, durch überlegene Macht,
ingleichen überlegene Fähigkeit überwinden. Jemanden übermeistern,
sein Meister in einer Sache seyn, ihm darin überlegen seyn.
Übermenschlich (W3) [Adelung]
Übermenschlich,
adj. et adv. was aus den bekannten menschlichen Kräften nicht erkläret
werden kann, dieselben übersteiget. Im gemeinen Leben auch von einem
sehr hohen Grade. Übermenschlich laufen können, unglaublich
geschwinde. Unmenschlich ist ganz etwas anderes.
Übermessen (W3) [Adelung]
Übermessen,
verb. irreg. act. ( S. Messen,) übermessen, zu übermessen, das Maß
eines Dinges ungefähr, nur obenhin zu erforschen suchen. Einen Haufen
Getreide übermessen. Ein Feld, ein Haus u. s. f. übermessen. So auch
die Übermessung.
Übermetzen (W3) [Adelung]
Übermetzen,
verb. reg. act. übermetzt, zu übermetzen. Der Müller übermetzt die
Mahlgäste wenn er mehr metzet, als ihm erlaubt ist, mehr von dem
Getreide nimmt, als seine bestimmte Metze ausmacht.
Übermögen (W3) [Adelung]
Übermögen,
verb. irreg. act. ( S. Mögen,) übermocht, zu übermögen, durch
überlegenes Vermögen überwinden, ein im Hochdeutschen seltenes
Zeitwort. Der Mann sahe, daß er den Jacob nicht übermogte, 1 Mos. 32,
5. Siehe zu, womit wir ihn (den Simson) übermögen, Richt. 16, 5. Sie
haben mich nicht übermocht, Ps. 129, 2. Sprichw. Wer den andern
übermag, der steckt ihn in den Sack. Doch bald von Amorn übermocht,
Wiel.
Übermorgen (W3) [Adelung]
Übermorgen,
adv. der Zeit, den Tag, der zunächst auf den morgenden folgt, zu
bezeichnen, den dritten Tag von heute an. Übermorgen sollst du es
erfahren. Schwed. öfvermorgon.
Übermuth (W3) [Adelung]
Der Übermuth,
plur. car. welches, nach den verschiedenen Bedeutungen des Wortes
Muth, auch in verschiedenen Fällen vorkommt. 1) * Ein übertriebener
oder an dem unrechten Orte angebrachter Grad des Muthes; eine
veraltete Bedeutung, welche noch bey den Oberdeutschen Schriftstellern vorkommt, wo Übermuth Hartnäckigkeit, Widerspänstigkeit bedeutet. Im Isidor ist schon ubarmuodic, hartnäckig. 2) Der Mißbrauch der
übertriebenen Vorstellung von seinen Vorzügen zum Nachtheil seiner
oder anderer; zum Nachtheil anderer angewandter Hochmuth. Dein
Übermuth ist vor meine Ohren herauf gekommen, 2 Kön. 19, 28. Jemandes
Übermuth demüthigen. Die biblische R. A. Übermuth treiben, Ps. 10, 2,
für übermüthig seyn, ist im Hochdeutschen veraltet. 3) So fern Muth
auch Munterkeit des Gemüthes, Lustigkeit bedeutet, ist Übermuth,
übertriebene Lustigkeit, so fern sie zum Schaden seiner oder anderer
angewandt wird, besonders, so fern sie aus dem Genusse des Überflusses
herrühret, da es mit Muthwille und Frevel ziemlich gleich bedeutend
ist. Nieders. Averdaad. Sprichw. Gut macht Muth, Muth macht Übermuth,
Übermuth macht selten gut.
Anm. Kero gebraucht es im weiblichen
Geschlechte, die Ubermuat, für Hochmuth, in welcher Bedeutung es bey
den ältern Schriftstellern nicht selten ist.
Übermüthig (W3) [Adelung]
Übermüthig,
-er, -ste, adj. et adv. Übermuth habend, verrathend und darin
gegründet, in den beyden letzten Bedeutungen des Hauptwortes. Ein
übermüthiger Mensch. Übermüthig seyn. Ein übermüthiges Betragen. Eine
übermüthige Antwort. Bey dem Kero ist ubarmuoti, stolz, hochmüthig.
Übernachten (W3) [Adelung]
Übernachten,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, die Nacht an einem Orte
zubringen, über Nacht an einem Orte bleiben. Auf freyem Felde, in
einem Wirtshause übernachten. Bey der Winsbeckinn benahten, im
mittlern Lateine nocturnare.
Übernächtig (W3) [Adelung]
Übernächtig,
adj. et adv. 1) * Was nur eine Nacht währet; eine veraltete Bedeutung,
in welcher ubernehtig bey den Schwäbischen Dichtern vorkommt. 2) Was
die Nacht über stehen bleibet. So oft das Pfand übernächtig wird, über
Nacht stehen bleibt. Übernächtiges Bier, was die Nacht über außer dem
Keller gestanden hat, und also nicht mehr trinkbar ist.
Übernahme (W3) [Adelung]
Die Übernahme,
plur. die -n, die Handlung. da man etwas übernimmt. Die Übernahme
eines Gutes, eines Capitales.
Übernatürlich (W3) [Adelung]
Übernatürlich,
-er, -ste, adj. et adv. was aus den bekannten Naturkräften nicht
begreiflich oder erweislich ist, und mit unnatürlich und
widernatürlich nicht verwechseln werden darf.
Übernehmen (W3) [Adelung]
Übernehmen,
verb. irreg. act. ( S. Nehmen,) übernommen, zu übernehmen. 1) In
Empfang nehmen, es sey nun für sich oder für einen andern. Man
gebraucht es am häufigsten von einem aus mehrern Stücken bestehenden
Ganzes. So übernimmt man ein Gut, wenn man dasselbe nebst allen dazu
gehörigen einzelnen Stücken in seinen Besitz oder seine Gewahrsame
nimmt. Ein Capital übernehmen. Die Waaren für einen andern übernehmen. 2) Auf oder über sich nehmen, sich zu etwas freywillig anheischig
machen. Eine Lieferung, eine Arbeit, ein Amt übernehmen. Die Regierung
übernehmen. Das Leiden, ein Übel freywillig übernehmen. 3) Sich
übernehmen, zu viel auf oder zu sich nehmen. Sich mit Essen und
Trinken übernehmen, zu viel davon zu sich nehmen. Sich mit Arbeit
übernehmen, zu viel übernehmen. 4) Jemanden übernehmen, zu viel von
ihm nehmen oder fordern. Die Unterthanen mit Abgaben übernehmen. Der
Verkäufer übernimmt seine Kunden, wenn er sie übertheuert, zu viel für
seine Waaren von ihnen fordert oder nimmt. 5) * Jemanden eines Dinges
übernehmen, ihn dessen überzeugen, eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung. 6) * Sich einer Sache übernehmen, sich derselben überheben,
zu stolz darauf seyn, auch nur im Oberdeutschen. 7) Überwältigen,
übermannen. Sich den Zorn, oder von dem Zorne übernehmen lassen. Der
Trunk hat ihn übernommen. Drum laß dich ferner nicht den Argwohn
übernehmen, Gottsch. Auch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen selten.
So auch die Übernehmung, und in der ersten und zweyten Bedeutung die
Übernahme.
Überpfeffern (W3) [Adelung]
Überpfeffern,
verb. reg. act. überpfeffert, zu überpfeffern, zu sehr pfeffern. Die
Brühe überpfeffern.
Überpolstern (W3) [Adelung]
Überpolstern,
verb. reg. act. überpolstert, zu überpolstern, mit Polstern
überdecken, überziehen.
Überpurzeln (W3) [Adelung]
Überpurzeln,
verb. reg. recipr. Sich überpurzeln, so purzeln, daß der untere Theil
über den obern wegfällt.
Überquer (W3) [Adelung]
Überquer,
S. Überzwerch.
Überrappen (W3) [Adelung]
Überrappen,
verb. reg. act. überrappt, zu überrappen, bey den Maurern, eine Wand,
ihre ganze Oberfläche berappen.
Überraschen (W3) [Adelung]
Überraschen,
verb. reg. act. überrascht, zu überraschen, durch Raschheit oder
Geschwindigkeit auf etwas zu- oder über jemanden kommen; für das
niedrigere überrumpeln. Seinen Freund im Bette überraschen. Den Feind
überraschen, da er sich es am wenigsten vermuthen war. Einen Dieb
überraschen. Sich von dem Zorne, von einer Leidenschaft überraschen
lassen. Man wird überrascht, auch wenn man übereilt zu einem Ent-
schlusse bewogen wird, ehe man Zeit gehabt, denselben gehörig zu
überlegen. So auch die Überraschung. Das Intensivum überrascheln, ist
nur im gemeinen Leben üblich.
Überraspeln (W3) [Adelung]
Überraspeln,
verb. reg. act. überraspelt, zu überraspeln, auf der ganzen Oberfläche
beraspeln. Ein Stück Holz noch ein Mahl überraspeln.
Überrechen (W3) [Adelung]
Überrechen,
verb. reg. act. überrechet, zu überrechen. Ein Stück Land im Garten,
es auf der ganzen Oberfläche mit dem Rechen ebenen.
Überrechnen (W3) [Adelung]
Überrechnen,
verb. reg. act. überrechnet, zu überrechnen, eine Zahl nach allen
ihren Theilen durchrechnen. Überrechne, was eine Sache werth ist,
Apostg. 19, 19. Die Kosten einer Unternehmung überrechnen. Seine
Einnahmen, seine Schulden überrechnen.
Überrecht (W3) [Adelung]
Überrecht,
adv. überflüssig recht, welches nur im gemeinen Leben üblich ist. Er
glaubt, er habe überrecht, er habe noch Recht übrig. Drey heißt sonst
überrecht, Günth.
Überreden (W3) [Adelung]
Überreden,
verb. reg. act. überredet, zu überreden, eigentlich durch Worte oder
Reden überwinden, durch wörtlichen Vorstellung zum Beyfalle oder zu
etwas bewegen, zu etwas bereden. Überrede deinen Mann, daß er uns sage
das Räthsel, Richt. 14, 13. Sie überredete ihn mit vielen Worten und
gewann ihn mit ihrem glatten Munde, Sprichw. 7, 21. Es fehlet nicht
viel, du überredest mich, daß ich ein Christ würde, Apostg. 26, 18. Er
ist nicht zu überreden. Auch mit der zweyten Endung der Sache.
Jemanden einer Sache überreden, ihn durch Worte bewegen, sie zu
glauben. Ich kann mich dessen nicht überreden. Was man gern will,
dessen überredet man sich leicht. Im Hochdeutschen zuweilen auch mit
der vierten Endung der Sache: ich konnte ihn das nicht überreden,
welche Wortfügung aber freylich nicht die beste ist. In engerer
Bedeutung überredet man jemanden, wenn man ihn durch bloßen
wahrscheinliche Gründe zum Beyfalle, oder auch zu einer Handlung
beweget, wodurch es sich von überführen, überweisen und überzeugen
unterscheidet, ob es gleich ursprünglich und eigentlich eine Bewegung,
Überwindung durch Worte im weitesten Verstande bedeutet; daher es
ehedem auch für überführen, überzeugen gebraucht wurde. Wird er des
mit Recht überredet, rechtlich überführet, in einer Urkunde von 1280.
So auch die Überredung.
Überreichen (W3) [Adelung]
Überreichen,
verb. reg. 1) Überreichen, als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben,
ich reiche über, übergereicht, über zu reichen; über etwas reichen,
mit Verschweigung dieses Etwas, im gemeinen Leben überlangen. Die
Stange ist zu kurz, sie reicht nicht über, über den Graben. 2.
Überreichen, als ein Activum, ich überreiche, überreicht, zu
überreichen, in jemandes Hände reichen, wo es mehr Feyerlichkeit
voraus setzt als übergeben, aber nicht allemahl den eigenthümlichen
Besitz mit einschließt. Jemanden ein Gedicht überreichen, welches man
auf ihn verfertigt hat, ein Buch, welches man ihm zugeschrieben hat.
Dem Landesherren eine Bittschrift überreichen. Jemanden einen Teller
bey Tische, ein Glas Wein überreichen, wenn es auf eine feyerlich oder
doch der Wohlanständigkeit gemäße Art geschiehet. So auch die
Überreichung.
Überreif (W3) [Adelung]
Überreif,
adj. et adv. allzu reif, reifer als nöthig und dienlich ist.
Überreifes Obst. Von Feldfrüchten ist in einigen Gegenden auch
überständig üblich. Das Hauptwort die Überreife, plur. car. ist auch
nicht ganz fremd.
Überreiten (W3) [Adelung]
Überreiten,
verb. irreg. ( S. Reiten.) 1. Überreiten, als ein Neutrum mit seyn,
ich reite über, übergeritten, über zu reiten, über etwas reiten, mit
dessen Verschweigung. Die Brücke ist zu schmahl, ich kann nicht
überreiten. 2. Überreiten, als ein Activum mit der vierten Endung, ich
überreite, überritten, zu überreiten. 1) Ein Kind, ein Thier, einen
Menschen überreiten, sie über en Haufen reiten. Von dem Feinde
überritten werden. 2) Jemanden überreiten, ihm im Reiten zuvor kommen.
Er überreitet den besten Reiter. 3) Ein Pferd überreiten, es im Reiten
zu sehr angreifen. 4) Im Oberdeutschen sagt man auch, die Wege, einen
Wald, ein Feld u. s. f. überreiten, zu Pferde die Aufsicht darüber
führen, sie zu Pferde besichtigen, wofür im Hochdeutschen bereiten
üblich ist. Daher sind daselbst die Überreiter, solche vereidigte
berittene Personen, welche über gewisse Gegenstände die Aufsicht
führen, und im Hochdeutschen Bereiter heißen. Dienen sie nur zu Fuße,
so heißen sie daselbst Übergeher. So hat man im Österreichischen
Salzübergeher und Salzüberreiter, Wegeüberreiter, Wegebereiter, Wald-
und Forstüberreiter u. s. f. In Wien hießen gewisse Rumorwächter zu
Pferde gleichfalls Überreiter. S. auch Landreiter.
Überrennen (W3) [Adelung]
Überrennen,
verb. irreg. act. ( S. Rennen,) überrannt, zu überrennen. 1) Über den
Haufen rennen. Ein Kind, ein Thier überrennen. 2) Jemanden überrennen,
es ihm im Rennen zuvor thun.
Überrest (W3) [Adelung]
Der Überrest,
des -es, plur. die -e, dasjenige, was von einem Dinge übrig bleibt,
und welches man auch den Rest zu nennen pflegt. Der Überrest der
Speisen bey der Mahlzeit, von dem Zeuge u. s. f. Zwar schien von Scham
ein kleiner Überrest - Ihn noch zu röthen, Schleg.
Überrinnen (W3) [Adelung]
Überrinnen,
verb. irreg. neutr. ( S. Rinnen,) mit dem Hülfsworte seyn, ich rinne
über, übergeronnen, über zu rinnen, über das gesetzte Ziel der Höhe
rinne, wie überfließen und überlaufen.
Überrock (W3) [Adelung]
Der Überrock,
des -es, plur. die -röcke, ein Rock geringerer Art, welchen man über
die ordentliche Kleidung ziehet, sie dadurch vor der Witterung, oder
sich vor der Kälte zu verwahren, der also von dem Oberrocke noch
unterschieden ist. Der Regenrock, Surtout, Caputt u. s. f. sind solche
Überröcke.
Überrück (W3) [Adelung]
Das Überrück,
des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, das gedrechselte Holz an
der Spindel, worum der Flachs gewickelt wird. Beydes zusammen gibt den
Rocken.
Überrücks (W3) [Adelung]
Überrücks,
adv. welches so wie hinterrücks, nur im gemeinen Leben üblich ist,
über den Rücken. Jemanden überrücks ansehen, über die Achsel. Den Hals
überrücks biegen, rückwärts. Überrücks liegen, auf dem Rücken.
Überrumpeln (W3) [Adelung]
Überrumpeln,
verb. reg. act. überrumpelt, zu überrumpeln, welches mit überraschen
und überfallen der Sache nach gleich bedeutend ist, nur daß
überrumpeln ein größeres Gepolter oder Getöse mit einschließt, und um
dieser Onomatopöie willen im gemeinen Leben häufiger ist, als in der
edlern und anständigern Schreibart. Den Feind, eine feindliche Stadt
überrumpeln, sie unvermuthet und durch Geschwindigkeit überfallen.
Jemanden überrumpeln, ihm unvermuthet über den Hals kommen, auch wenn
es in freundschaftlicher Absicht geschiehet. Wir werden überrumpelt,
wenn man uns zu etwas bewegt, ohne uns Zeit zu lassen, die Sache zu
überlegen, in welchem Verstande übertölpeln noch niedriger ist. So
auch die Überrumpelung.
Überrüsten (W3) [Adelung]
Überrüsten,
verb. reg. neutr. mit haben. Im Bergbaue rüstet man über, wenn man das
Gerüst zu dem Haspel über einen Schacht aufrichtet. Der Müller rüstet
über, wenn er den Rumpf mit seinem Zubehör aufsetzt, im Gegensatze des
Abrüstens.
Übersäen (W3) [Adelung]
Übersäen,
verb. reg. act. übersäet, zu übersäen. 1) Wie besäen, über den ganzen
Oberfläche mit Samen bestreuen, so wohl eigentlich, als figürlich. Den
Acker übersäen, besäen. Mit Blattergruben übersäet. 2) Den Acker
übersäen, zu vielen Samen in denselben säen. So auch die Übersäung.
Übersalzen (W3) [Adelung]
Übersalzen,
verb. irreg. act. ( S. Salzen.) Übersalzen, zu übersalzen, zu sehr, zu
viel salzen, versalzen. Die Speisen übersalzen.
Übersatz (W3) [Adelung]
Der Übersatz,
des -es, plur. die -sätze, von dem Zeitworte übersetzen. 1. Dasjenige,
was über ein anderes Ding gesetzet wird, doch nur in einigen Fällen,
weil in den meisten übrigen Aufsatz üblicher ist. In der Schifffahrt,
werden diejenigen Theile oder Stücke, welche über einander gesetzet
werden, und alsdann den Mastbaum ausmachen, mit einem allgemeinen
Nahmen Aufsätze, noch häufiger aber Übersätze genannt. Indessen hat
jeder derselben wieder seinen besondern Nahmen; der erste Übersatz des
Mittelmastes heißt die große Stenge, der zweyte die große Bramstenge;
der erste Übersatz des Fockmastes heißt die Vorstenge oder Fockstenge,
und der zweyte die Vorbramstenge; der Übersatz des Besanmastes die
Kreuzstenge, und des Bugspriets die Bugstenge oder Blindstenge, blinde
Stenge. In der Baukunst ist der Übersatz ein niedriges Geschoß zu
oberst unter dem Dache, Franz. l'Attique. 2. Von Übersetzen, zu viel
auf- oder ansetzen ist Übersatz, ohne Plural. 1) * Was zu viel
aufgesetzet wird; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung. Mein
Tisch, der darf mich nicht um Übersatz verklagen. Der Gurgel eß ich
nicht, ich esse nur dem Magen, Logau. Wo es den Überfluß aufgesetzter
oder aufgetragener Speisen bedeutet. 2) Von der R. A. jemanden
übersetzen, ihn im Preise übertheuern, zu viel Gewinn von ihm nehmen,
ist der Übersatz unbilliger, übermäßiger Gewinn. Du sollst nicht
Wucher von deinem Bruder nehmen, oder Übersatz, 3 Mos. 25, 36. Du
sollst ihm dein Geld nicht auf Wucher thun, noch deine Speise auf
Übersatz austhun, V. 37. Wer sein Gut mehret mit Wucher und Übersatz,
Sprichw. 28, 8. Wucher und Übersatz nehmen, Ezech. 18, 17.
Überschallen (W3) [Adelung]
Überschallen,
verb. reg. act. überschallt, zu überschallen, an lautem Schalle
übertreffen, mit der vierten Endung der Sache.
Überschar (W3) [Adelung]
Die Überschar,
im Bergbaue, ( S. Oberschar.) Wenn ober oder über hier etwas bedeutet,
das übrig bleibt, so ist Überschar die richtigste Sprech- und
Schreibart.
Überscharf (W3) [Adelung]
Überscharf,
adj. et adv. übermäßig scharf, allzu scharf. Das Messer ist
überscharf.
Überschatten (W3) [Adelung]
Überschatten,
verb. reg. act. überschattet, zu überschatten, ganz mit seinem
Schatten bedecken, welches mehr ist, als beschatten. Eine Wolke
überschattete sie, Matth. 17, 5. Sein Schatten überschattete ihrer
etliche, Apost. 5, 15. Die Cherubim überschatteten den Gnadenstuhl,
Ebr. 9, 5. Figürlich heißt es Luc. 1, 35, von der Empfängniß Christi:
die Kraft des Höchsten wird dich überschatten, ihre Gegenwart in dir
auf eine merkliche Weise offenbaren. So auch die Überschattung.
Überschauen (W3) [Adelung]
Überschauen,
verb. reg. 1) Überschauen, ich schaue über, übergeschauet, über zu
schauen, als ein Neutrum mit haben, über etwas schauen oder sehen, im
Oberdeutschen, zuweilen auch in der höhern Schreibart der
Hochdeutschen. Die Mauer ist zu hoch, ich kann nicht überschauen. 2.
Überschauen, als ein Activum mit der vierten Endung, ich überschaue,
überschaut, zu überschauen, wie übersehen 1. im Oberdeutschen und der
höhern Schreibart der Hochdeutschen. Die weite Ebene ist nicht zu
überschauen. Jeder, der sein Leben bedachtsam überschauen will, Gell.
Daher die Überschauung.
Überscheinen (W3) [Adelung]
Überscheinen,
verb. irreg. ( S. Scheinen.) 1) Überscheinen, es scheinet über,
übergeschienen, über zu scheinen, als ein Neu- trum mit haben, über
etwas scheinen, den Schein über etwas, der Höhe nach, werfen; obgleich
nur selten. 2. Überscheinen, überscheint, überschienen, zu
überscheinen, als ein Activum mit der vierten Endung, mit seinem
Scheine bedecken, auf der ganzen Oberfläche erleuchten; gleichfalls
nur selten.
Überschicken (W3) [Adelung]
Überschicken,
verb. reg. act. ich überschicke, überschickt, zu überschicken, an
einem andern schicken, in der edlern Schreibart übersenden. Einem
einen Brief, Waaren, Geld u. s. f. überschicken. So auch die
Überschickung.
Überschießen (W3) [Adelung]
Überschießen,
verb. irreg. 1. Überschießen, ich schieße über, übergeschossen, über
zu schießen, als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. 1) Über etwas
schießen, mit dessen Verschweigung. Die Wand ist zu hoch, man kann
nicht überschießen, besser darüber. 2) Der Leithund schießt über, wenn
er aus Hitze über die Fährte hin schießt oder eilt, ohne solche zu
bemerken. Wird aber die Fährte ausgedruckt, so fällt der Ton auf das
Zeitwort, und alsdann überschießt der Hund die Fährte. 3) Außer der
bestimmten Anzahl hinzu schießen oder thun. Der Buchdrucker schießt
über, wenn er mehr Bogen abdrucken lässet, als bestimmt worden; wo der
Ton auf dem Vorworte bleibt, wenn gleich die Zahl in der vierten
Endung ausgedruckt wird. Funfzig Exemplare überschießen. S. auch
Überschuß. 2. Überschießen, als ein Activum, ich überschieße,
überschossen, zu überschießen. 1) Über etwas hin schießen, mit dessen
Meldung, doch nur bey den Jägern. Man überschießet ein Wild, wenn man
darüber hin schießet, ohne es zu treffen. 2) Sich überschießen, mit
dem Leibe über den Kopf hin schießen oder fallen; im gemeinen Leben
sich überpurzeln.
Überschiffen (W3) [Adelung]
Überschiffen,
verb. reg. 1. Überschiffen, ich schiffe über, übergeschifft, über zu
schiffen. 1) Über ein Wasser schiffen, mit dessen Verschweigung, als
ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. Auf einem Jagdschiffe nach
England überschiffen. 2) Zu Wasser über einen Fluß oder Wasser
schaffen, als ein Activum mit der vierten Endung der Sache. Waaren
überschiffen, über den Fluß. Personen nach England überschiffen, über
den Canal. 2. Überschiffen, ich überschiffe, überschifft, zu
überschiffen, über ein Wasser schiffen, mit dessen ausdrücklichen
Meldung. Eine Meerenge, einen Fluß überschiffen.
Überschlächtig (W3) [Adelung]
Überschlächtig,
S. Oberschlächtig.
Überschlag (W3) [Adelung]
Der Überschlag,
des -es, plur. die -schläge, von dem Zeitworte überschlagen. 1. Der
Zustand, da ein Ding überschlägt, doch nur in einigen wenigen Fällen
und ohne Plural. So pflegt man zuweilen die Neigung der Zunge in der
Wage nach einer Seite hin den Überschlag zu nennen. Noch häufiger 2.
dasjenige, was überschlagen wird. 1) Gewisse umgeschlagene Theile an
den Kleidungsstücken werden häufig Überschläge genannt. Ein Überschlag
am Kragen. Die Überschläge auf den Ärmeln, welche noch häufiger
Aufschläge heißen. 2) Ein feuchtes Arzeneymittel, welches über einen
kranken Theil geschlagen oder gelegt wird, heißt ein Überschlag. Warme
Überschläge über ein Glied machen. 3) In der Baukunst ist der
Überschlag ein gerades Glied, welches etwas größer als ein Riemen, und
ein oben weiter hervor springendes Stück oben schließet.
Überschlagen (W3) [Adelung]
Überschlagen,
verb. irreg. ( S. Schlagen.) 1. Überschlagen, ich schlage über,
überschlagen, über zu schlagen. 1) Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte
seyn. (a) Sich mit dem obern Theile schnell nach einer Seite neigen.
Die Wage schlägt über, wenn sich die Zunge nach einer Seite neigt. (b)
Mit dem obern Theile plötzlich hinten über fallen. Ein stehendes Stück
Bauholz schlägt über, wenn es mit dem obern Theile fällt. Das Kind
schlägt über, wenn es der Amme rücklings von dem Arme fällt. Das Pferd
ist mit dem Reiter übergeschlagen, wenn es sich bäumt und hinten über
fällt. So bald es hier aber ein Reciprocum wird, sich überschlagen,
gehöret es zu dem folgenden Zeitworte. 2) Als ein Activum, doch so,
daß dasjenige, worauf sich das über eigentlich beziehet, verschwiegen
werde. (a) Mit einem Theile des Endes oder Äußersten den andern Theil
bedecken. Das Betttuch überschlagen. Die Ärmel am Kleide überschlagen,
auch aufschlagen. (b) Über etwas schlagen, d. i. legen. Warmen Wein
überschlagen, über ein krankes Glied. 2. Überschlagen, ich
überschlage, überschlagen, zu überschlagen. 1) Als ein Neutrum mit dem
Hülfsworte seyn. (a) Mit Schimmel überschlagen, überzogen werden, wo
doch beschlagen üblicher ist. Am häufigsten gebraucht man es, (b) von
kalten Körpern, besonders flüssiger. Art, wenn sie die empfindliche
Kälte verlieren. Das kalte Wasser ein wenig überschlagen lassen, ehe
man es trinkt. Der Wein überschlägt schon, ist schon überschlagen,
wenn er die empfindliche Kälte verlieret. Überschlagenes Bier. In
vielen Gegenden ist dafür auch verschlagen üblich, Nieders. verslaen.
2) Als ein Activum, wo es nach Maßgebung des einfachen Zeitwortes
wieder verschiedene Bedeutungen hat. (a) Zu sehr, zu viel schlagen.
Einen Hund überschlagen, bey den Jägern, ihn durch allzu viele Schläge
scheu und furchtsam machen, wofür auch verschlagen üblich ist. Ein
überschlagener Hund. (b) Sich überschlagen, rücklings über fallen. Das
Pferd hat sich überschlagen, überschlug sich mit dem Reiter. ( S. das
vorige Überschlagen.) (c) Im Nachschlagen übergehen. Eine Stelle in
einem Buche überschlagen, so wohl sie im Nachschlagen oder Aufsuchen
wider Willen übersehen, als auch sie mit Fleiß vorbey lassen. Ein Paar
Blatter überschlagen. Das wollen wir überschlagen, nicht mit lesen.
Überblättern kommt in ähnlichem Verstande vor. (d) Die Größe, Schwere,
Anzahl u. s. f. ungefähr bestimmen. Ein Feld mit der Meßkette
überschlagen, es nur ungefähr ausmessen. Etwas auf der Wagschale
überschlagen, es ungefähr wägen. Ferner ungefähr berechnen. Die Kosten
zu einer Unternehmung überschlagen. Wer ist unter euch, der einen
Thurm bauen will, und sitzt nicht zuvor, und überschlägt die Kost,
(die Kosten) ob ers habe hinaus zu führen? Luc. 14, 28. Den Gewinn
überschlagen. ( S. Überschlag.) In noch weiterer Bedeutung für
erwägen, überlegen, bedenken, ist es im Hochdeutschen veraltet. Da
liegt die arme Seel in Pein und überschlägt Ganz traurig, daß sie
schon ihr Urtheil mit sich trägt, Opitz. Das Hauptwort, die
Überschlagung, ist nur in einigen Fällen des Activi üblich, besonders,
wenn der Ton auf dem Zeitworte liegt; in andern gebraucht man das
Überschlagen, und in einem der Überschlag.
Überschleichen (W3) [Adelung]
Überschleichen,
verb. irreg. ( S. Schleichen,) überschlichen, zu überschleichen,
schleichend übereilen, überraschen, beschleichen. Ich ließ mich oft
von ihm nachlässig überschleichen, Gell.
Überschleyern (W3) [Adelung]
Überschleyern,
verb. reg. act. überschleyert, zu überschleyern, mit einem Schleyer
überdecken, am häufigsten in der dichterischen Schreibart. Durch
Ansehn überschleyert der Irrthum den Betrug, Dusch.
Überschlichten (W3) [Adelung]
Überschlichten,
verb. reg. act. überschlichtet, zu überschlichten, bey den Klempenern,
auf der ganzen Oberfläche schlichten, d. i. mit dem Schlichthammer
glatt schlagen.
Überschlingen (W3) [Adelung]
Überschlingen,
verb. irreg. act. ( S. Schlingen,) überschlungen, zu überschlingen,
bey den Nähterinnen, eine Art zu nähen.
Überschmieren (W3) [Adelung]
Überschmieren,
verb. reg. act. 1) Überschmieren, ich schmiere über, übergeschmiert,
über zu schmieren, über etwas schmieren, mit dessen Verschweigung. Öhl
überschmieren, über eine Wunde, u. s. f. 2) Überschmieren, ich
überschmiere, überschmiert, zu überschmieren, auf der obern Fläche
beschmieren mit Meldung der Fläche. Einen Ofen mit Lehm überschmieren.
Überschnappen (W3) [Adelung]
Überschnappen,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, er schnappt über,
übergeschnappt, über zu schnappen, schnappend oder mit einem
schnappenden Laute über etwas fahren oder springen. Ein Schloß
schnappt über, wenn der Riegel über den Kamm des Schlüssels fähret,
ohne zu schließen. Figürlich sagt man im gemeinen Leben, es schnappe
jemand über, wenn er des gehörigen Gebrauches seines Verstandes
beraubt wird.
Überschnellen (W3) [Adelung]
Überschnellen,
verb. reg. act. überschnellt, zu überschnellen. Jemanden
überschnellen, ihm durch Geschwindigkeit zu seinem Nachtheil zuvor
kommen, ihn überlisten, berücken; Nieders. versnellen, im
Hochdeutschen auch wohl beschnellen oder schnellen schlechthin. Ehedem
bedeutete es auch übereilen, nicht die gehörige Zeit zu etwas lassen;
in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.
Überschneyen (W3) [Adelung]
Überschneyen,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, so doch nur in den zusammen
gesetzten Zeiten üblich ist, überschneyet, zu überschneyen, mit Schnee
bedecket, überzogen werden. Die Felder sind ganz überschneyet.
Überschnüren (W3) [Adelung]
Überschnüren,
verb. reg. act. überschnürt, zu überschnüren. 1) Mir Schnüren oder
einem Schnurwerke überziehen. Etwas überschnüren. 2) Mit der Schnur
nur ungefähr messen; überschlagen. Ein Faß überschnüren. So auch die
Überschnürung.
Überschreiben (W3) [Adelung]
Überschreiben,
verb. irreg. act. ( S. Schreiben.) 1. Überschreiben, ich schreibe
über, übergeschrieben, überzuschreiben, über etwas schreiben, mit
Verschweigung dieses Etwas; besser, darüber schreiben. 2.
Überschreiben, ich überschreibe, überschrieben, zu überschreiben. 1)
Mit einer Auf- oder Überschrift versehen. Einen Brief überschreiben,
die Aufschrift darauf setzen. Die Brandstiber überschreiben, im
Hüttenbaue, darauf schreiben, aus welcher Hütte sie sind. Das Buch ist
überschrieben: der goldne Spiegel; besser die Aufschrift, der Titel
des Buches heißt: u. s. f. ( S. Überschrift.) 2) Jemanden etwas
überschreiben, es ihm schriftlich bekannt machen. Seinem Freunde alle
Neuigkeiten überschreiben. So auch die Überschreibung.
Überschreiten (W3) [Adelung]
Überschreiten,
verb. irreg. ( S. Schreiten.) 1) Überschreiten, als ein Neutrum mit
dem Hülfsworte seyn, ich schreite über, übergeschritten, zu
überschreiten, über etwas schreiten, mit dessen Verschweigung. Der
Bach ist zu breit, man kann nicht überschreiten, besser darüber
schreiten. 2) Überschreiten, als ein Activum, ich überschreite,
überschritten, zu überschreiten, über etwas schreiten, mit dessen
Meldung. Das gesetzte Ziel überschreiten. Am häufigsten figürlich. (a)
Ziel und Maß überschreiten, nicht das gehörige Maß beobachten. Die
Gränzen der Mäßigung, der Selbstvertheidigung überschreiten. Die
Schranken der Ehrbarkeit überschreiten. Die Billigkeit überschreiten.
(b) Jemandes Befehl, ein Gesetz überschreiten, dawider handeln, es
übertreten, ehedem übergehen. So auch die Überschreitung.
Überschreyen (W3) [Adelung]
Überschreyen,
verb. irreg. act. ( S. Schreyen,) ich überschreye, überschrien, zu
überschreyen. 1) An Geschrey übertreffen, stärker schreyen als ein
anderes Ding. Jemanden überschreyen. Die Schalkmeyen überschreyen die
Violinen. 2) Zu stark schreyen. Eine überschriene Stimme, welche durch
vieles Schreyen verderbt worden.
Überschrift (W3) [Adelung]
Die Überschrift,
plur. die -en, eine kurze Schrift, welche über ein anderes Ding
gesetzt wird, wodurch sie sich von der Aufschrift, Inschrift,
Beyschrift und Unterschrift unterscheidet. Die Überschrift einer
Münze, welche über dem Bilde stehet. Weß ist das Bild und die
Überschrift? Matth. 22, 20. Die Überschrift am Kreuze Christi, einer
Säule, eines Grabmahles u. s. f. so fern sie über der Hauptfigur
stehet. Die Überschrift eines Briefes, besser, die Aufschrift. Die
Überschrift eines Capitels, einer Abtheilung in einem Buche; allein,
von dem Titel des Buches selbst, ist Aufschrift üblicher. Bey dem
Notker Obescrift. Auch ein kurzes Sinngedicht über einen Gegenstand,
ein Epigramm, pflegen einige im Deutschen eine Überschrift zu nennen.
Überschuß (W3) [Adelung]
Der Überschuß,
des -sses, plur. die -schüsse, von dem Zeitworte überschießen. 1)
Dasjenige, was über die bestimmte Zahl, über das bestimmte Maß oder
Gewicht ist. Auf tausend Thaler zehn Thaler Überschuß haben. Den
Überschuß berechnen. 2) In einigen Gegenden pflegt man auch ein über
das untere Stockwerk hervor ragendes oberes Stockwerk, den Überschuß
zu nennen, welcher sonst der Überbau heißt. 3) Im Bergbaue ist der
Überschuß, ein Flötz von verhärtetem Thone, vermuthlich, so fern es
sich über einem nutzbareren Flötz befindet.
Überschutt (W3) [Adelung]
Der Überschutt,
des -es, plur. inus. von dem folgenden Zeitworte in der Baukunst, die
Übergießung eines Gewölbebogens mit flüssigem Kalke, und dieser Kalk,
womit er übergossen wird, selbst.
Überschütten (W3) [Adelung]
Überschütten,
verb. reg. 1. Überschütten, ich schütte über, übergeschüttet, über zu
schütten, so schütten, daß etwas überlaufe, mit Verschweigung der
Gränze, worüber es läuft. Das Bier überschütten, übergießen. 2.
Überschütten, ich überschütte, überschüttet, zu überschütten, über
etwas schütten, mit dessen Meldung in der vierten Endung. 1)
Eigentlich. Etwas mit Sand, mit Erde überschütten. Sie haben mein
Haupt mit Wasser überschüttet, Klagel. 3, 54. 2) In überaus reichem
Maße mit etwas versehen, eine harte und großen Theils veraltete Figur;
überhäufen. Sie werden mit Furcht überschüttet seyn, Ezech. 7, 18. Mit
Schande und Hohn müssen sie überschüttet werden, Ps. 71, 13. Wie hat
der Herr die Tochter Zion mit seinem Zorn überschüttet! Klagel. 2, 1.
Du überschüttest ihn mit Segen, Ps. 21, 4. Jemanden mir Wohlthaten
überschütten, überhäufen. So auch die Überschüttung.
Überschwängern (W3) [Adelung]
Überschwängern,
verb. reg. act. überschwängert, zu überschwängern, stärker, in
reicherm Maße schwängern oder beschwängern, als dem Laufe der Natur
gemäß ist. Eine Person, welche mit drey Kindern niederkommt, heißt
überschwängert. So auch die Überschwängerung.
Überschwang (W3) [Adelung]
* Der Überschwang,
(richtiger Überschwank,) des -es, plur. car. ein im Hochdeutschen
unbekanntes Wort für Überfluß. Ihr Überschwang diene eurem Mangel, 2
Cor. 8, 14. S. Überschwänklich.
Überschwanken (W3) [Adelung]
Überschwanken,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, es schwankt über,
übergeschwankt, über zu schwanken. 1) Sich schwankend über etwas
bewegen, besonders von flüssigen Körpern. Ein allzu volles Glas
schwankt über, läuft über. 2) Sich mit dem obern Theile schwankend
herüber neigen.
Überschwänklich (W3) [Adelung]
Überschwänklich,
adj. et adv. von dem vorigen Zeitworte überschwanken, eigentlich so,
daß es überschwanket, in reichem Maße überfließet. Es wird indessen
nur in figürlichem Verstande fast so wie überflüssig gebraucht, in
überaus reichem Maße, ob es gleich auch hier im Hochdeutschen wenig
mehr gebraucht wird. Die Gerechtigkeit kommt überschwänglich, Es. 10,
22. Überschwängliche Klarheit, 2 Cor. 3, 9, 10. Die überschwängliche
Größe der Kraft, Ephes. 1, 19. Der überschwängliche Reichthum der
Gnade Gottes, Kap. 2, 4. Und so in andern Stellen mehr, wo es ein
ungewöhnlich reichliches Maß bedeutet. Da dieses Wort von
überschwanken herkommt, so siehet man bald, daß die Schreibarten
überschwänglich und überschwenglich unrichtig sind. Notker gebraucht
dafür ubersueifig, von schweifen, schwanken.
Überschwatzen (W3) [Adelung]
Überschwatzen,
verb. reg. act. überschwatzt, zu überschwatzen, ein im Hochdeutschen
ungewöhnliches Zeitwort für beschwatzen, überreden. Die hast du
überschwätzt, (überschwatzt,) Opitz.
Überschwelle (W3) [Adelung]
Die Überschwelle,
besser Oberschwelle, ( S. dieses Wort.) Das erste kommt einige Mahl in
der Deutschen Bibel vor.
Überschwemmen (W3) [Adelung]
Überschwemmen,
verb. reg. act. ich überschwemme, überschwemmt, zu überschwemmen, mit
stark anfließendem Wasser bedecken, unter Wasser setzen. Der
ausgetretene Fluß hat das ganze Land überschwemmet. Die Fluth brach
durch die Dämme, und überschwemmete die ganze Gegend. Daher die
Überschwemmung, plur. die -en, der Zustand, da ein Ort oder eine
Gegend von dem Wasser überschwemmet wird.
Überschwer (W3) [Adelung]
Überschwer,
adj. et adv. überflüssig schwer, schwerer, als nöthig und gewöhnlich
ist.
Überschwimmen (W3) [Adelung]
Überschwimmen,
verb. irreg. neutr. ( S. Schwimmen,) mit dem Hülfsworte seyn, ich
schwimme über, bin übergeschwommen, über zu schwimmen, über ein Wasser
schwimmen, mit dessen Verschweigung. Der Fluß ist zu breit, man wird
nicht leicht überschwimmen können, besser, hinüberschwimmen, und in
andern Fällen darüber, herüber.
Übersegeln (W3) [Adelung]
Übersegeln,
verb. reg. act. 1. Übersegeln, ich segele über, übergesegelt, über zu
segeln, welches doch selten gebraucht wird, über ein Wasser segeln,
mit dessen Verschweigung. Aus Holland nach England übersegeln. 2.
Übersegeln, ich übersegele, übersegelt, zu übersegeln. 1) Über etwas
segeln mit der vierten Endung des Gewässers, allenfalls in der höhern
Schreibart. Ganze Weltmeere übersegeln, durchsegeln. 2) Über den
Haufen segeln. Ein Schiff übersegeln. Daher die Übersegelung. 3) Im
Segeln zuvor kommen, schneller segeln. Die Jagdschiffe übersegeln die
meisten andern Schiffe.
Übersehen (W3) [Adelung]
Übersehen,
verb. irreg. ( S. Sehen.) 1. Übersehen, ich sehe über, übergesehen,
über zu sehen, als ein Neutrum mit haben, über etwas höheres sehen,
mit dessen Verschweigung, wofür doch darüber, hinüber, herüber sehen,
richtiger und anständiger sind. 2. Übersehen, ich übersehe, übersehen,
zu übersehen, mit ausdrücklicher Meldung dessen, worauf sich das
Vorwort beziehet, in der vierten Endung. 1) Über etwas wegsehen, weil
man höher gestellet ist, als dieses Etwas, wo es doch nur in
figürlichem Verstande üblich ist. Der Größere übersiehet den Kleinern,
der Reichere den Armen, der Größere hat mehr Macht als der Kleine, der
Reiche mehr Vermögen. Wenn jemand mehr Gelehrsamkeit besitzet, als ein
anderer, so sagt man, er übersehe ihn sehr weit. Dergleichen
Kleinigkeiten sind leicht zu übersehen, ohne beschwerliche Empfindung
zu ertragen. Eine solche Summe kann ich nicht übersehen, nicht ohne
Beschwerde entbehren. 2) Über die ganze Oberfläche eines Dinges
hinsehen. (a) Eigentlich, besonders auch, so fern man höher gestellt
ist. Von diesem Berge kann man die ganze Gegend, von diesem Thurme die
ganze Stadt, übersehen. Eine Ebene, welche nicht zu übersehen ist. O
wie reißt das Entzücken mich hin, wenn ich vom hohen Hügel die weit
ausgebreitete Gegend übersehe! Geßn. Auch in weiterer Bedeutung. Du
wirst dein Unglück nicht übersehen können. (b) Figürlich. Etwas
übersehen, es flüchtig durchsehen. In den Küchen übersiehet man den
Salat, das Gemüse, wenn man es durchsiehet, um das untaugliche
auszulesen. Eine Rechnung, eine Arbeit übersehen, sie durchgehen,
durchsehen, ob sie richtig sey. Die Probebogen der Druckerey
übersehen, ob sie richtig sind. Eine Schrift übersehen, so wohl sie
flüchtig durchlesen, als auch sie durchlesen, um sie zu verbessern; in
welchem Verstande auch einige das Hauptwort Übersicht gebrauchen, ( S.
dasselbe.) Seine Lection übersehen, sie durchlesen, um sie zu lernen.
Nach einer noch weitern Figur bedeutete es ehedem auch die Aufsicht
über etwas haben, wie noch das Engl. oversee, in welchem Verstande es
aber im Hochdeutschen veraltet ist. 3) Über etwas wegsehen, ohne es
gewahr zu werden, etwas nicht sehen, was man doch sehen konnte oder
wollte. (a) Eigentlich, so fern es aus Übereilung oder Mangel der
Aufmerksamkeit geschiehet. Das habe ich übersehen, bin ich nicht
gewahr geworden. Im Lesen zwey Zeilen übersehen. In der Zählung
mehrerer Dinge drey Stücke übersehen. (b) Figürlich. (1) Arme Personen
werden immer übersehen, nicht geachtet, man bezeiget seine
Aufmerksamkeit nicht für sie. Darum, daß ihre Witwen übersehen wurden
in der täglichen Handreichung, Apost. 6, 1; übergangen wurden. (2)
Etwas übersehen, thun, als wenn man es nicht sähe, es nicht merken
lassen, daß man es wahrgenommen habe, besonders Fehler und Vergehen,
sie ungeahndet lassen. Gott hat die Zeit der Unwissenheit übersehen,
Apostelg. 17, 30. Ich habe ihm viel übersehen, werde ihm aber künftig
nichts mehr übersehen. Wenn sie nur ein gutes Herz hat, so will ich
ihr die Unrichtigkeit in ihren Meinungen gern übersehen, Gell. Ein
Fehler des äußerlichen Wohlstandes wird an dem Kinde oft hart
bestraft, und eine feine Unwahrheit übersieht man ihm, ebend. Mit der
dritten Endung der Person und der Verschweigung der vierten Endung der
Sache ist es veraltet. Ich will meinem Volk Israel nicht mehr
übersehen, Amos 6, 8. Kap. 8, 2; wofür nachsehen üblicher ist. (3)
Ehedem sagte man auch, jemanden übersehen, ihn verschonen, seiner
schonen, welche Bedeutung aber im Hochdeutschen veraltet ist. Das
Hauptwort die Übersehung ist nur in einigen Fällen üblich, S. auch
Übersicht.
Übersenden (W3) [Adelung]
Übersenden,
verb. reg. et irreg. act. ( S. Senden,) übersendet oder übersandt, zu
übersenden, welches in der edlern Schreibart für das gemeinere
überschicken gebraucht wird. Jemanden einen Brief, Waaren, Geld
übersenden. Pilatus übersandte Jesum zu Herodes, Luc. 23, 7. So auch
die Übersendung.
Übersetzen (W3) [Adelung]
Übersetzen,
verb. reg. 1. Übersetzen, ich setze über, übergesetzt, überzusetzen,
mit Verschweigung des zu dem Vorworte gehörigen Hauptwortes. 1) Als
ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, über etwas setzen, d. i.
springen. Der Graben ist so breit, daß kein Reiter übersetzen kann,
besser darüber setzen. Bey den Jagden müssen die Tücher von solcher
Höhe seyn, damit die Hirsche nicht übersetzen können; in welchem Falle
die Jäger auch die Zeitwörter überfallen und überfliehen gebrauchen.
Wir wollen übersetzen, über den Fluß setzen, d. i. fahren. Figürlich
setzt im Bergbaue ein Gang über, wenn er einen andern Gang
durchschneidet. 2) Als ein Activum. (a) Über etwas setzen, (thätig,)
d. i. über der Oberfläche hin bis jenseit derselben. Truppen über-
setzen; sie auf einem Fahrzeuge über einen Strom; über eine Meerenge,
über einen Arm des Meeres führen. Sich nach England übersetzen lassen,
überschiffen, überfahren. (b) Einen Topf, einen Kessel übersetzen,
über das Feuer. 2. Übersetzen, ich übersetze, übersetzt, zu
übersetzen. 1) Die ganze Oberfläche besetzen, eine wenig gangbare
Bedeutung, wofür besetzen üblicher ist. 2) Über einen Raum auf die
andere Seite setzen, wo es nur im figürlichen Verstande üblich ist.
Ein Buch, eine Schrift übersetzen, sie aus einer Sprache in die andere
übertragen, so daß alle in der einen Sprache befindlichen Haupt- und
Nebenbegriffe, so viel möglich mit gleich bedeutenden Wörtern
ausgedruckt werden, zum Unterschiede von dem umschreiben, erklären u.
s. f. Aus dem Griechischen in das Lateinische, aus dem Französischen
in das Deutsche, aus dem Holländischen in das Englische übersetzen. Im
Nieders. umsetten. Übersetzen wird am häufigsten von der schriftlichen
Übersetzung gebraucht; von der mündlichen ist auch dolmetschen und
verdolmetschen üblich. ( S. die beyden folgenden.) 3) Zu viel setzen,
mehr setzen, als nöthig und dienlich ist. (a) Einen Berg mit
Weinstöcken übersetzen, mehr Weinstöcke darauf setzen, als Raum und
Nahrung haben können. Das Haus mit Leuten, einen Ort mit Truppen
übersetzen. Das Handwerk ist mit Meistern übersetzt, wenn es mit mehr
Meistern besetzt ist, als die Nahrung des Ortes erträget. (b) Jemanden
übersetzen, zu vielen Gewinn von ihm fordern und nehmen, mehr, als
üblich und billig ist. Der nicht wuchert, der niemand übersetzt,
Ezech. 18, 8. Sie wuchern und übersetzen einander, Kap. 22, 12. Der
Verkäufer übersetzet den Käufer, wenn er einen unbillig hohen Preis
nimmt oder fordert.
Übersetzer (W3) [Adelung]
Der Übersetzer,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Übersetzerinn, nur in der
zweyten Bedeutung des Zeitwortes übersetzen, eine Person, welche eine
Rede oder Schrift aus einer Sprache in die andere überträgt.
Übersetzung (W3) [Adelung]
Die Übersetzung,
plur. die -en. 1) Die Handlung des Übersetzens, ohne Plural; besonders
in der zweyten Bedeutung dieses Zeitwortes. 2) Eine aus einer Sprache
in eine andere übersetzte, oder übertragene Rede oder Schrift. Eine
Übersetzung aus dem Französischen.
Übersicht (W3) [Adelung]
Die Übersicht,
plur. car. diejenige Handlung, da man etwas übersiehet, die ganze
Oberfläche desselben betrachtet, auch in der Absicht, dasselbe zu
verbessern.
Übersichtig (W3) [Adelung]
Übersichtig,
adj. et adv. von über sich sehen, einen Fehler der Augen zu
bezeichnen, da sie keinen Gegenstand deutlich erkennen können, wenn
sie nicht über sich gelehrt sind; Nieders. averögd, averglöpsch, von
glupen, glopen. Übersichtig seyn. Ein übersichtiger Mensch. So auch
die Übersichtigkeit, plur. car. dieser Fehler.
Übersieden (W3) [Adelung]
Übersieden,
verb. irreg. act. ( S. Sieden.) 1) Übersieden, es siedet über,
übergesotten, über zu sieden, im Sieden überlaufen; doch nur selten.
2) Übersieden, ich übersiede, übersotten, zu übersieden, zu viel, zu
sehr sieden. Der Koch hat die Brühe übersotten.
Übersilbern (W3) [Adelung]
Übersilbern,
verb. reg. act. übersilbert, zu übersilbern, mit dünn geschlagenen
Silberblättchen überziehen, wofür doch versilbern üblicher ist.
Übersilberte Götzen, Es. 30, 22. So auch die Übersilberung. Schon bey
dem Notker ubersilberen.
Übersingen (W3) [Adelung]
Übersingen,
verb. irreg. act. ( S. Singen,) übersingen, zu übersingen. 1) Eine
Arie übersingen, sie singen, um zu erfahren, ob man sie treffe, oder
ohne Anstoß singen könne. 2) Sich übersingen, durch zu vieles oder
starkes Singen seiner Stimme schaden. 3) Jemanden übersingen, stärker,
ingleichen besser singen, als er.
Übersinnen (W3) [Adelung]
Übersinnen,
verb. irreg. ( S. Sinnen,) übersonnen, zu übersinnen, ein
ungebräuchliches Zeitwort für überdenken.
Übersintern (W3) [Adelung]
Übersintern,
verb. reg. act. übersintert, zu übersintern, mit Sinter überziehen.
Kalkartige Wasser übersintern die Gegenstände, worauf sie tröpfeln.
Daher die Übersinterung.
Übersommern (W3) [Adelung]
Übersommern,
verb. reg. act. übersommert, zu übersommern, den Sommer über erhalten,
wie überwintern, ob es gleich nicht so gewöhnlich ist. Die Schweizer
pflegen ihr Vieh auf den Alpen zu übersommern. Daher die
Übersommerung.
Überspannen (W3) [Adelung]
Überspannen,
verb. reg. 1. Überspannen, ich spanne über, übergespannt, über zu
spannen, über etwas spannen, mit Verschweigung dieses Etwas. Ein Tuch
überspannen, über den Nahmen. 2. Überspannen, ich überspanne,
überspannt, zu überspannen. 1) Mit der Spanne die ganze Oberfläche
bedecken. Es ist zu breit, ich kann es nicht überspannen. Figürlich,
über eine Oberfläche hin reichen. Hauptbalken, welche das ganze Dach
überspannen und tragen. 2) Zu sehr spannen. Ein Seil überspannen, es
zu stark spannen. Den Bogen überspannen. Figürlich, übertreiben, zu
hoch treiben. Seine Erwartungen überspannen, viel zu viel erwarten.
Thorheiten einer überspannten Fantasie. Überspannte Begriffe von der
geistlichen Vollkommenheit treiben Schwärmer in die Einsamkeit,
Zimmerm. So auch die Überspannung.
Überspinnen (W3) [Adelung]
Überspinnen,
verb. irreg. act. ( S. Spinnen,) übersponnen, zu überspinnen, mit
einem Gespinnste bedecken. Seidene Fäden mit Gold überspinnen. Übersponnene Fäden. Daher die Überspinnung.
Überspringen (W3) [Adelung]
Überspringen,
verb. irreg. ( S. Springen.) 1. Überspringen, ich springe über,
übersprungen, über zu springen, über etwas springen, mit dessen
Verschweigung. Die Mauer ist nicht hoch, man kann leicht überspringen,
darüber. Es ist eine Sehne übersprungen. 2. Überspringen, ich
überspringe, übersprungen, zu überspringen. 1) Über etwas hin
springen, mit dessen Meldung, doch nur im figürlichen Verstande, wo es
zuweilen für überhüpfen gebraucht wird. Im Lesen eine Zeile, im Singen
ein Paar Noten überspringen. 2) Sich überspringen, sich durch vieles
oder heftiges Springen Schaden thun. Schon bey dem Notker
uberspringen.
Übersprung (W3) [Adelung]
Der Übersprung,
des -es, plur. die -sprünge. 1) Die Handlung des Überspringens, da man
über etwas springt. Einen Übersprung wagen. 2) Etwas, das überspringt.
So werden bey den Jägern die Sprenkel zum Vogelfange auch Übersprünge
genannt. 3) Ein Ort, wo man überspringt, oder ein Ding, über welches
man springt. So werden im Jagdwesen die Stangen, welche quer durch den
Lauf gerichtet werden, damit das Wild über dieselben springen müsse,
Übersprünge genannt.
Überstamm (W3) [Adelung]
Der Überstamm,
des -es, plur. die -stämme, bey den Schustern, zwey Streifen Leder,
welche an dem Rande des Oberleders um den Fuß herum gleichsam als ein
Unterfutter gesetzt werden.
Überständig (W3) [Adelung]
Überständig,
adj. et adv. was über die gehörige oder bestimmte Zeit gestanden hat,
gemeiniglich nur als ein Kunstwort in einzelnen Fällen. Überreifes
Getreide, welches zu lange auf dem Halme stehet, wird in der
Landwirthschaft auch überständig genannt. Überständiges Erz ist im
Bergbaue gleichfalls überzeitiges, welches schon wieder zu verwittern
oder aufgelöset zu werden anfangt. Überständige Hölzer, im Forstwesen,
alte ausgewachsene Hölzer, welche mehr ab- als zunehmen. In einem
andern Verstande sind daselbst überständige Schläge, welche bereits
über die Schonzeit gestanden haben, und daher gehauen werden können.
Und so in andern Fällen mehr.
Überstechen (W3) [Adelung]
Überstechen,
verb. irreg. act. ( S. Stechen,) in den Kartenspielen; jemanden
überstechen, höher stechen als er, einen gestochenen Stich mit einem
höhern Trumpfe stechen, ihn abstechen.
Überstehen (W3) [Adelung]
Überstehen,
verb. irreg. ( S. Stehen,) ich überstehe, überstanden, zu überstehen.
1. * Länger, als nöthig oder gewöhnlich ist, stehen; eine im
Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung, von welcher indessen
überständig noch ein Überbleibsel ist. 2. Eine gewisse Zeit über oder
hindurch stehen. 1) * Eigentlich, in welcher Bedeutung es doch nur
noch im Niederdeutschen üblich ist. Die Predigt überstehen, wofür man
im Hochdeutschen getheilt sagt, die Predigt über stehen. 2) Figürlich
hat man ein Übel überstanden, wenn man dasselbe empfunden hat, und es
nunmehr vorüber ist. Viel Unglück überstanden haben. Der Kranke wird
die Krankheit schwerlich überstehen, er hat sie glücklich überstanden.
Eine Gefahr überstehen. Vieh, welches die Viehseuche überstanden hat.
Übersteigen (W3) [Adelung]
Übersteigen,
verb. irreg. ( S. Steigen.) 1. Übersteigen, ich steige über,
überstiegen, über zu steigen, über etwas steigen, mit dessen
Verschweigung. Die Mauer ist niedrig, man kann leicht übersteigen,
darüber. 2. Übersteigen, ich überstiegen, überstiegen, zu übersteigen,
über etwas steigen mit dessen Meldung. 1) Eigentlich. Einen Berg
übersteigen. Es sind noch nicht alle Berge überstiegen. Die Mauern
einer Festung, die Festungswerke übersteigen, ersteigen. Daher die
Übersteigung. 2) Figürlich. (a) Ein Hinderniß übersteigen, es
überwinden. Es sind noch nicht alle Schwierigkeiten überstiegen.
Unübersteigliche Hindernisse, Schwierigkeiten. So auch die
Übersteigung. (b) An Anzahl, Werth, Kraft und Intensität übertreffen.
Dieß übersteigt meine Kräfte, mein Vermögen, meine Einsicht. Die
Kosten übersteigen den Nutzen sehr weit. Seine Verdienste übersteigen
alles Lob. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch in noch weiterm
Verstande für übertreffen überhaupt. Wie hoch die Leipziger den
Nachbar übersteigen, Günth. Welcher Gebrauch aber im Hochdeutschen
fremd ist. Schon bey dem Ottfried ubarsteigan.
Übersteigern (W3) [Adelung]
Übersteigern,
verb. reg. act. übersteigert, zu übersteigern, zu sehr steigern, den
Preis einer Waare unbillig hoch treiben. Die Lebensmittel
übersteigern. Daher die Übersteigerung.
Überstellen (W3) [Adelung]
Überstellen,
verb. reg. act. überstellt, zu überstellen. Einen Fluß mit Netzen
überstellen, durch dessen ganze Breite Netze aufstellen. Daher die
Überstellung.
Überstimmen (W3) [Adelung]
Überstimmen,
verb. reg. act. überstimmt, zu überstimmen, 1. Durch überlegene Anzahl
der Stimmen über jemanden die Oberhand gewinnen. Jemanden überstimmen.
In der Schweiz übermehren, ( S. Mehr.) 2. Ein musikalisches Instrument
überstimmen, es zu sehr oder zu hoch stimmen, ist wohl eben nicht
gebräuchlich. So auch die Überstimmung.
Überstolz (W3) [Adelung]
Überstolz,
adj. et adv. übertrieben stolz. Die überstolzen Rotten, Opitz.
Überstoßen (W3) [Adelung]
Überstoßen,
verb. irreg. ( S. Stoßen.) 1. Überstoßen, ich stoße über,
übergestoßen, über zu stoßen, ein Ding über etwas stoßen, mit
Verschweigung dieses Etwas. 2. Überstoßen, ich überstoße, überstoßen,
zu überstoßen, auf der ganzen obern Fläche bestoßen. So überstoßen die
Gärber ein Fell, wenn sie es bestoßen, die Haare von demselben
wegzuschaffen.
Überstrahlen (W3) [Adelung]
Überstrahlen,
verb. reg. act. überstrahlt, zu überstrahlen. 1. Auf der ganzen
Oberfläche bestrahlen, in der dichterischen Schreibart. Die Sonne
überstrahlt die Fluren. 2. An strahlendem Glanze übertreffen; auch nur
in der höhern Schreibart. Der aller andern Glanz hochmüthig
überstrahlte, Zach.
Überstreichen (W3) [Adelung]
Überstreichen,
verb. irreg. ( S. Streichen.) 1. Überstreichen, ich streiche über,
übergestrichen, über zu streichen, ein Ding über etwas streichen, mit
Verschweigung dieses Etwas. 2. Überstreichen, ich überstreiche,
überstrichen, zu überstreichen, auf der ganzen obern Fläche
bestreichen; bestreichen. Die Leimruthen mit Leim überstreichen, ein
Bret mit Öhlfirniß.
Überstreifen (W3) [Adelung]
Überstreifen,
verb. reg. act. ich streife über, übergestreift, über zu streifen, ein
Ding über ein anderes streifen, mit Verschweigung dieses andern. Wenn
dasselbe ausdrücklich bestimmt wird, so gebraucht man streifen mit dem
Vorworte über getheilt.
Überstreuen (W3) [Adelung]
Überstreuen,
verb. reg. act. überstreut, zu überstreuen, auf der ganzen Oberfläche
bestreuen. Die Eintracht treuer Herzen, die jede Rauhigkeit Der
Pilgrimschaft des Lebens mit Blumen überstreut, Dusch.
Überstricken (W3) [Adelung]
Überstricken,
verb. reg. act. überstrickt, zu überstricken, mit einem Strickwerke,
gestrickten Netze überziehen. Einen Ball überstricken. Daher die
Überstrickung.
Überströmen (W3) [Adelung]
Überströmen,
verb. reg. act. 1. Überströmen, ich ströme über, übergeströmt, über zu
strömen, strömend überfließen, das Ziel der Höhe strömend
überschreiten mit Verschweigung dieses Zieles. Die Donau strömet über.
Wie strömten mein Herz und meine Augen vor Freude und Zärtlichkeit
über, Dusch. Und Schrecken strömen über, Gell. Lied. 2. Überströmen,
ich überströme, überströmt, zu überströmen, sich strömend über die
Oberfläche eines Dinges ergießen. Wenn der Fluß die Felder
überströmet. Auch über das gesetzte Ziel der Höhe strömen. Der Fluß
überströmet sein Ufer. So auch die Überströmung.
Überstudieren (W3) [Adelung]
Überstudieren,
verb. reg. act. überstudiert, zu überstudieren, welches nur im
gemeinen Leben üblich ist. 1. Etwas überstudieren, es überdenken,
allen Umständen nach erwägen. Auch es überlernen, es auswendig zu
lernen suchen. 2. Jemanden überstudieren, es ihm im fleißigen
Studieren zuvor thun. 2. Sich überstudieren, allzu viel studieren.
Überstülpen (W3) [Adelung]
Überstülpen,
verb. reg. act. ich stülpe über, über gestülpt, über zu stülpen, über
etwas stülpen, mit dessen Verschweigung, wofür in der anständigern
Sprechart überstürzen üblich ist. Den Deckel überstülpen, über den
Topf. Die Haube überstülpen, sie in der Eile über den Kopf stürzen.
Überstürzen (W3) [Adelung]
Überstürzen,
verb. reg. 1. Überstürzen, ich stürze über, übergestürzt, über zu
stürzen. (1) Wie das vorige, ( S. dasselbe.) (2) Ein Ding will
überstürzen, als ein Neutrum mit seyn, wenn es plötzlich oben über
fallen will. 2. Überstürzen, ich überstürze, überstürzt, zu
überstürzen. Sich überstürzen, so niederstürzen, daß der untere Theil
über den obern wegfällt. Auch ein Pferd überstürzt sich, wenn es sich
überschlägt.
Übersüß (W3) [Adelung]
Übersüß,
adj. et adv. allzu süß, süßer als nöthig oder angenehm ist.
Übertäfeln (W3) [Adelung]
Übertäfeln,
verb. reg. act. übertäfelt, zu übertäfeln, mit einem Täfelwerke
überziehen. Eine Wand übertäfeln. Daher die Übertäfelung.
Übertäuben (W3) [Adelung]
Übertäuben,
verb. reg. act. ich übertäube, übertäubt, zu übertäuben, durch vieles
und lautes Reden gleichsam taub machen, oder durch viele und laute
Worte, durch eine gleichsam tobende Beredtsamkeit zum Stillschweigen
bringen. Ich will diese Witwe retten, auf daß sie nicht zuletzt komme
und übertäube mich, Luc. 18, 5; mit ihren Klagen. Daher die
Übertäubung. Im Nieders. hat man davon das Intensivum overdüveln,
Schwed. öfverdyfla, welches mit dem Teufel, Nieders. Düvel nichts zu
schaffen hat, wie Ihre muthmaßete. Auch übertölpeln gehöret weder der
Bedeutung noch Abstammung nach hierher.
Übertheuer (W3) [Adelung]
Übertheuer,
adj. et adv. allzu theuer, unmäßig theuer.
Übertheuern (W3) [Adelung]
Übertheuern,
verb. reg. act. übertheuert, zu übertheuern. Jemanden übertheuern, ihm
eine Waare zu theuer biethen oder verkaufen; ihn mit dem Preise
übersetzen.
Übertölpeln (W3) [Adelung]
Übertölpeln,
verb. reg. act. übertölpelt, zu übertölpeln, welches nur in den
niedrigen Sprecharten üblich ist. Man übertölpelt jemanden, wenn man
ihn entweder durch grobe Überraschung, oder durch Gründe, welche auch
nicht einmahl einen merklichen Grad der Wahrscheinlichkeit haben,
hintergehet, oder zu etwas beweget; wenn man einen Dummen auf eine
dumme oder grobe Art hintergehet. Wer weiß, hätte ihn nicht Nelson mit
seiner Heucheley übertölpelt, Weiße. Daher die Übertölpelung.
Anm. Von
Tölpel, so fern es ehedem einen Kloß bedeutete, sagt man doch im
gemeinen Leben, jemanden über den Tölpel werfen, einen Dummen oder
Unvorsichtigen durch Überraschung hintergehen, und von dieser R. A.
ist ohne allen Zweifel das Zeitwort übertölpeln gebildet.
Übertragen (W3) [Adelung]
Übertragen,
verb. irreg. act. ( S. Tragen.) 1. Übertragen, ich trage über,
übertragen, über zu tragen, über einen Raum, über etwas tragen, mit
dessen Verschweigung, wofür doch hinüber, herüber oder darüber tragen
üblicher sind. Doch sagt man noch im Rechnungswesen figürlich, eine
Post, eine Summe, eine Rechnung aus einem Buche in ein anderes
übertragen. 2. Übertragen, ich übertrage, übertragen, zu übertragen,
welches nur im figürlichen Verstande üblich ist. (1) Man überträgt
jemanden, wenn man an seiner Statt die Kosten trägt, für ihn bezahlt.
Jemanden in den Steuern übertragen, die Steuern für ihn bezahlen. In
einem etwas andern Verstande sagt man auch wohl, eine Sache übertrage
nicht die Kosten, wenn sie nicht mehr einträgt, als die Kosten
betragen. (2) An einem andern dulden, wofür doch ertragen gewöhnlicher
ist. Wenn ich nicht aus Ehrfurcht ihre Schwachheiten übertrüge. Und
überträgt des Nächsten seine Schuld, Opitz. Der es auch für erdulden,
ertragen überhaupt gebraucht, in welchem Verstande es im Hochdeutschen
noch ungewöhnlicher ist. So auch die Übertragung.
Übertreffen (W3) [Adelung]
Übertreffen,
verb. irreg. ( S. Treffen,) ich übertreffe, übertraf, übertroffen, zu
übertreffen, welches nur im figürlichen Verstande gebraucht wird. 1.
Jemanden übertreffen, ihm in einem Stücke überlegen seyn, ein Prädicat
in einem höhern Grade besitzen, als derselbe, welches Prädicat, wenn
es nicht so deutlich ist, daß es keiner Anführung bedarf, das Vorwort
an, und wenn es der Infinitiv eines Zeitwortes ist, in bekommt. Die
Peterskirche zu Rom übertrifft die zu London an Größe sehr weit. Rom
übertrifft alle andere Städte in der Welt, an Alterthum, oder an Ruhm
u. s. f. Daniel aber übertraf die Fürsten alle, nähmlich an Weisheit
und Verstand, Dan. 6, 3. Italien übertrifft die nördlichen Länder an
Fruchtbarkeit. Jemanden an Ansehen, an Ehre, an Reichthum, an Lastern
u. s. f. übertreffen; ihn im Singen, im Tanzen, im Scherzen
übertreffen. 2. In engerer Bedeutung, für besser seyn, vorzuziehen
seyn. Ein tugendhaft Weib übertrifft sie alle, Sprichw. 31, 29. Die
Weisheit übertrifft die Thorheit, Pred. 2, 13. Doch diese Bedeutung
ist in der edlern Schreibart der Hochdeutschen unbekannt.
Anm. Die
biblischen Wortfügungen mit etwas übertreffen, 3 Marc. 5, 16, und nach
etwas übertreffen, 1 Cor. 15, 41, für an, sind völlig ungewöhnlich.
Das Hauptwort die Übertreffung und das Beywort übertrefflich, sind
gleichfalls nicht üblich. Dieses Zeitwort lautet schon bey dem
Willeram ubertreffen, und im Schwed. gleichfalls öfvertreffa. Unter
den vielen Bedeutungen des einfachen Zeitwortes treffen, scheinet
diejenige hierher zu gehören, da es ehedem gehen, traben, bedeutete,
ja daß übertreffen, eigentlich vor gehen, es im Gehen einem zuvor
thun, bedeutet, zumahl, da die Schweden für übertreffen auch öfverga
sagen. Die Lateinischen anteire, antestare, praestare, antevenire, und
das Franz. surpasser, gründen sich auf ähnliche Figuren. Siehe auch
Vortrefflich.
Übertreiben (W3) [Adelung]
Übertreiben,
verb. irreg. ( S. Treiben.) 1. Übertreiben, ich treibe über,
übertrieben, über zu treiben. (1) Über etwas treiben, der ganzen
Oberfläche nach, und mit Verschweigung derselben. Das Vieh
übertreiben, über das Feld, über die Saat. (2) Über ein gesetztes Ziel
der Höhe treiben, oder steigen machen. So treibt man in der Chemie
einen Körper über, wenn man ihn destilliret, indem man seine
flüchtigsten Theile nöthiget, in die Höhe des Helmes zu steigen und
abzufließen. 2. Übertreiben, ich übertreibe, übertrieben, zu
übertreiben, zu sehr treiben. (1) Eigentlich. Das Vieh übertreiben, es
stärker treiben, als dessen Kräfte verstatten. Wenn die säugende Ruhe einen Tag übertrieben würden, würde mir die ganze Herde sterben, 1
Mos. 33, 13. Einen Arbeiter, eine Arbeit übertreiben, zu sehr treiben.
(2) Figürlich übertreibt man etwas, wenn man in der Intensität die
Gränzen der Wahrheit, der Klugheit, der Billigkeit, des Üblichen u. s.
f. überschreitet. Man übertreibet in einer Erzählung etwas, wenn man
es größer, wichtiger, gefährlicher u. s. f. vorträgt, als es in der
That ist. Eine Strafe übertreiben, schärfer strafen, als es das
Verhältniß des Verbrechens erfordert. Man sagt, jemand übertreibe
alles, wenn er alles zu weit treibet, in keinem Stücke die Gränzen der
Wahrheit, Klugheit u. s. f. beobachtet. Man hat die Lobsprüche der
Freundschaft oft auf Kosten der allgemeinen Menschenliebe übertrieben,
Gell. Ein Mahler übertreibt das Colorit, wenn es an Farbe zu hoch ist.
Daher das Mittelwort übertrieben, als ein Bey- und Nebenwort. Das it
übertrieben. Übertriebene Lobeserhebungen. Damit seine (des
Menschenfreundes) allgemeine Güte und Gefälligkeit nicht übertrieben
werde, und selbst in einen Fehler des Herzens ausarte, Gell. Daher die
Übertreibung am häufigsten in dieser letzten figürlichen Bedeutung.
Übertreten (W3) [Adelung]
Übertreten,
verb. irreg. ( S. Treten.) 1. Übertreten, ich trete über,
übergetreten, über zu treten, als ein Neutrum, mit Verschweigung des
Hauptwortes, worauf sich über beziehet, und dem Hülfsworte seyn. (1)
Über etwas treten, im eigentlichen Verstande. Das Pferd ist
übergetreten, wenn es über den Strang getreten ist. In einem andern
Verstande sagt man auch, die Schuhe übertreten. (2) Der Fluß tritt
über; ist übergetreten, wenn sein Wasser über das Ufer tritt oder
schreitet. (3) Zu jemanden übertreten, zu ihm übergehen, seine Partey
ergreifen, ohne Bestimmung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit,
wie übergehen. Wer zu den Irrlehrern übertritt, 2 Joh. v. 9 S.
Übertritt. 2. Übertreten, ich übertrete, übertreten, zu übertreten,
welches nur im figürlichen Verstande üblich ist. Ein Gesetz, einen
Befehl, eine Vorschrift übertreten, dawider handeln: im Oberdeutschen
übergreifen, überfahren, übergehen. Ich habe deine Gebothe noch nie
übertreten Luc. 15, 29. Der biblische Gebrauch, da dieses Zeitwort
absolute und mit Verschweigung des Accusativs für sündigen gebraucht
wird: des Herrn Volk übertreten machen. 1 Sam. 2, 24. Traurigkeit und
Armuth übertritt, Sir. 38, 20, und in andern Stellen mehr, ist
ungewöhnlich, und wider die Analogie der mit über verbundenen
Zeitwörter, wo der Ton auf den letztern liegt. Noch ungewöhnlicher ist
die gleichfalls biblische Wortfügung wider jemanden übertreten, 1 Kön.
8, 50. Es. 59, 13. Daher die Übertretung, S. solches hernach.
Der Übertreter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Übertreterinn,
von der vorigen Bedeutung, eine Person, welche ein
Gesetz (W3) [Adelung]
Gesetz,
einen Befehl übertritt. Der Übertreter eines Gesetzes. In der
Deutschen Bibel wird es auch häufig absolute für Sünder gebraucht. Der
Übertreter, mit dem Tone auf dem Vorworte, eine Person, welche zu
jemanden übertritt, ist nicht sehr gewöhnlich, weil der Übergetretene
dafür üblicher ist.
Übertretung (W3) [Adelung]
Die Übertretung,
plur. die -en, diejenige Handlung, da man ein Gesetz übertritt. Die
Übertretung eines Gesetzes. Im Übertretungsfall. Absolute für Sünde,
unrechtmäßige oder gesetzwidrige Handlung ist es nur in der Bibel und
biblischen Schreibart üblich.
Übertrifft (W3) [Adelung]
Die Übertrifft,
plur. die -en, von dem Zeitworte übertreiben. 1. Die Handlung, da man
das Vieh über einen Acker treibt, und das Recht, sein Vieh über des
andern Acker zu treiben; ohne Plural, und in einigen Gegenden auch
übertrieb. 2 Die Trifft, d. i. der Viehweg über einen Acker, obgleich
seltener.
Übertrinken (W3) [Adelung]
Übertrinken,
verb. irreg. recipr. ( S. Trinken,) ich übertrinke, übertrunken, zu
übertrinken. Sich übertrinken, zu viel trinken, mehr trinken, als man
vertragen kann; sich betrinken. Schon im achten Jahrhunderte
ubardrinchan.
Übertritt (W3) [Adelung]
Der Übertritt,
des -es, plur. inus. von dem Zeitworte übertreten, die Handlung, da
man zu jemanden, zu einer Partey übertritt; der Übergang. Der
Übertritt von einer Kirche, von einer Religion zur andern.
Übertrumpfen (W3) [Adelung]
Übertrumpfen,
verb. reg. act. übertrumpft, zu übertrumpfen. Jemanden übertrumpfen,
im Kartenspiele, das von ihm mit einem Trumpfe gestochene Blatt mit
einem höhern Trumpfe stechen, ihn mit einem Trumpfe überstechen.
Übertünchen (W3) [Adelung]
Übertünchen,
verb. reg. act. übertüncht, zu übertünchen, mit Tünche überziehen.
Eine Wand übertünchen, sie tünchen. Übertünchte Gräber, Matth. 23, 27.
Auch im figürlichen Verstande. Du weißt nicht die Wahrheit, der Haß
meiner Verwandten hat sie übertüncht, Weiße.
Übervoll (W3) [Adelung]
Übervoll,
adj. et adv. allzu voll, übrig voll.
Übervortheilen (W3) [Adelung]
Übervortheilen,
verb. reg. act. übervortheilt, zu übervortheilen, eigentlich, in
Suchung seines Vortheiles jemanden überlegen seyn, seinen Vortheil zum
Nachtheil eines andern zu befördern suchen. Vom Satan übervortheilt
werden, 2 Cor. 2, 11. Hintergangen, überlistet. Hat euch auch Titus
übervortheilet? Kap. 12, 18. Am öftersten gebraucht man es noch im
Handel und Wandel, wofür aber doch auch bevortheilen gewöhnlicher ist.
Keiner soll übervortheilen seinen Bruder, 3 Mos. 25, 14, 17. So auch
die Übervortheilung.
Überwachsen (W3) [Adelung]
Überwachsen,
verb. irreg. ( S. Wachsen.) 1. Überwachsen, ich wachse über,
übergewachsen, über zu wachsen, ein Neutrum mit seyn, im Wachsen über
etwas hervor ragen, mit dessen Verschweigung. Ein Baum wächset über,
wenn er sich z. B. im Wachsen über und jenseit einer Mauer ausbreitet.
2. Überwachsen, ich überwachse, überwachsen, zu überwachsen, als ein
Activum mit der vierten Endung. (1) Jemanden oder ein Ding
überwachsen, größer oder schneller wachsen. Das Getreide überwächset
das Gras, ein Kind das andere. (2) Im Wachsen über etwas hervor ragen,
mit dem Accusativ dieses Etwas. Die Dornen überwachsen den Zaun. (3)
Auf der Oberfläche bewachsen. Das Gras überwächst die Erde. Als ein
Neutrum, die Erde überwächst mit Gras. Die Wiesen überwachsen mit
Kräutern, ist es ungewöhnlich. Doch sagt man, das Fleisch ist mit Fett
überwachsen. Die Wunde überwächst mit Fleisch.
Überwägen (W3) [Adelung]
Überwägen,
S. überwiegen.
Überwalken (W3) [Adelung]
Überwalken,
verb. reg. act. überwalkt, zu überwalken. 1. Über der ganzen
Oberfläche walken. Ein Tuch zwey Mahl überwalken. 2. Zu viel walken.
Den Zeug überwalken. So auch die Überwalkung.
Überwallen (W3) [Adelung]
Überwallen,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, wallend überlaufen, über
das gesetzte Ziel der Höhe wallen. 1. Eigentlich. Ein Topf wallt über,
wenn er überkocht. 2. Figürlich, bey den neuern Dichtern, wie
überströmen. Überwallend von Freuden und sanften Empfindungen,
Klopstock.
Überwältigen (W3) [Adelung]
Überwältigen,
verb. reg. act. überwältigt, zu überwältigen, unter seine Gewalt
bringen, durch Gewalt überwinden. Die Feinde sollen sie nicht
überwältigen, Ps. 89, 20. Die vom Teufel überwältiget waren, Apost.
10, 38. Seine Leidenschaften überwältigen. So auch die Überwältigung.
Anm. Bey dem Notker irualten, im Nieders. verweldigen, im Bergbaue
auch gewältigen.
Überwärmen (W3) [Adelung]
Überwärmen,
verb. reg. act. überwärmt, zu überwärmen. 1. Auf der ganzen Oberfläche
wärmen. 2. Zu sehr wärmen. Das Bett überwärmen.
Überwärts (W3) [Adelung]
* Überwärts,
adv. welches im Hochdeutschen wenig mehr gehöret wird. 1. Über sich.
Der Weg des Lebens geht überwärts, Sprichw. 15, 24; in welchem Falle
doch aufwärts üblicher ist. 2. Auf der obern Fläche, wofür oberwärts
gewöhnlicher und richtiger ist. Der Brandopferaltar soll überwärts
vier Hörner haben, Ezech. 43, 15.
Überweben (W3) [Adelung]
Überweben,
verb. reg. act. überwebt, zu überweben, mit einem Gewebe überziehen.
Überweis (W3) [Adelung]
Der Überweis,
des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen unbekanntes Wort für
Beweis. Wohin sie immer sehn, hoch, niedrig, nah und weit, Da ist
Überweis und Bild der Göttlichkeit, Opitz. S. Überweisen.
Überweise (W3) [Adelung]
Überweise,
adj. et adv. allzu weise, mehr Klugheit verrathend als der
Wohlanständigkeit gemäß ist, wie überklug.
Überweisen (W3) [Adelung]
Überweisen,
verb. irreg. act. ( S. Weisen.) 1. Überweisen, ich weise über,
überwiesen, über zu weisen, ein im Hochdeutschen wenig gangbares Wort
für assigniren, zum Empfange einer Zahlung schriftlich an einen andern
weisen. Jemanden an einen überweisen. So auch die Überweisung, die
Assignation. 2. Überweisen, ich überweise, überwiesen, zu überweisen,
durch den Augenschein, und in weiterer Bedeutung, durch einen jeden
Beweis zum Geständniß oder zum Beyfalle bewegen. Man überweiset, z. B.
einen Dieb, wenn man das Gestohlne bey ihm antrifft, und ihn dadurch
zum Geständniß der Wahrheit nöthiget. Wenn ein anderer das Daseyn
eines Dinges nicht glauben will, und man weiset oder zeiget ihm
solches, so überweiset man ihn. Durch diesen Umstand des Augenscheines
unterscheidet sich überweisen von überzeugen und überführen, obgleich
alle drey häufig für einander gebraucht werden. Indessen wird
überweisen unter allen diesen dreyen am wenigsten mehr gebraucht. Wenn
es zum Geständniß oder Bekenntniß bewegen bedeutet, so bekommt es die
zweyte Endung der Sache. Jemanden der Untreue überweisen. Des
Diebstahls überwiesen seyn. So auch die Überweisung.
Überweißen (W3) [Adelung]
Überweißen,
verb. reg. act. überweißt, zu überweißen. 1. Auf der ganzen Oberfläche
weißen, wofür doch das einfache weißen üblicher ist. Eine Wand
überweißen, im Oberd. übertünchen. 2. Über ein anderes Ding weißen.
Ein Gemälde überweißen, es mit Tünche bedecken. So auch die
Überweißung.
Überwerfen (W3) [Adelung]
Überwerfen,
verb. irreg. act. ( S. Werfen.) 1. Überwerfen, ich werfe über,
übergeworfen, über zu werfen. (1) Einen Man- tel überwerfen, über
sich, ihn in der Eil und nachläßig umnehmen. (2) Die Bäcker werfen den
Teig über, wenn sie denselben in Stücken an das andere Ende des Troges
werfen, um die darin befindliche Luft in Bewegung zu setzen. Einen
Stein überwerfen, über den Fluß, über die Mauer, besser hinüber oder
darüber werfen. S. auch Überwurf. 2. Überwerfen, überworfen, zu
überwerfen, welches nur in figürlichen Verstande üblich ist. Sich mit
jemanden überwerfen, sich mit ihm zanken, uneins mit ihm werden, und
solches durch Worte ausdrücken. Sie haben sich mit einander
überworfen. So auch die Überwerfung. Obgleich diesem Worte kein harter
Nebenbegriff anklebt, so scheint es doch eigentlich sich balgen
bedeutet zu haben, von welcher veralteten Bedeutung die noch übliche
eine Figur ist.
Überwichtig (W3) [Adelung]
Überwichtig,
-er, -ste, adj. et adv. mehr wiegend, als nöthig oder erforderlich
ist, das bestimmte Gewicht übersteigend. Ein überwichtiger Dukaten. So
auch die Überwichtigkeit.
Überwickeln (W3) [Adelung]
Überwickeln,
verb. reg. act. überwickelt, zu überwickeln, 1. Auf der Oberfläche
bewickeln. 2. Über etwas anderes wickeln. So auch die Überwickelung.
Überwiegen (W3) [Adelung]
Überwiegen,
verb. irreg. act. ( S. Wiegen,) ich überwiege, überwogen, zu
überwiegen, mehr wiegen, schwerer seyn, als ein anderes Ding. 1.
Eigentlich. Dieser Stein überwiegt jenen weit, ist weit schwerer. Noch
mehr, 2. figürlich. (1) Überwältigen, übermannen. Zanke nicht mit
einem Reichen, daß er dich nicht überwäge (überwiege), Sir. 8, 2. Vom
Schlafe überwogen werden, Apost. 20, 9. In dieser Bedeutung fängt es
an zu veralten. (2) Mehr figürliches Gewicht, d. i. mehr Kraft,
Vermögen, Fähigkeit u. s. f. haben; wie übertreffen. Beweisgründe,
welche die gegenseitigen weit überwiegen. Das Vergnügen überwiegt
diesen kleinen Schmerz sehr leicht. Ein überwiegendes Vertrauen,
welches die Gegengründe überwiegt, stärker ist, als sie. Eine
überwiegende Neigung zu etwas haben. Überwiegende Gründe zu etwas
haben. Cajus wird am Verstande von Sempronio überwogen. (3) *
Überdenken, eine veraltete Bedeutung, wofür jetzt erwägen üblich ist.
Denn wer es überwiegt, der sieht u. s. f. Opitz. Das Zeitwort
überwägen, welches noch in der Deutschen Bibel vorkommt, ist im
Hochdeutschen ungewöhnlich.
Überwinden (W3) [Adelung]
Überwinden,
verb. irreg. ( S. Winden,) ich überwinde, überwunden, zu überwinden.
1. Von winden, fila glomerare, auf der ganzen Oberfläche bewinden.
Eine Stange Rappeh mit Bindfaden überwinden. 2. Von winden, winnen,
seine Kräfte anstrengen, durch Anstrengung seiner Kräfte einen
Widerstand aus dem Wege räumen, die Oberhand über denselben gewinnen.
Seinen Feind in einem Treffen überwinden. Wenn ein Stärkerer ihn
überwindet, Luc. 11, 22. Ein Hinderniß überwinden. Laß dich nicht das
Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem! Röm. 12, 21.
Wenn er wüßte, was für Versuchungen ich überwinden müssen! Kurz, ich
will mich überwinden, und mich freundlich stellen, meine
Empfindlichkeit unterdrücken. Man hat überwunden, wenn man allen
Widerstand, alle Hindernisse aus dem Wege geräumet; alle Schmerzen
überstanden hat. So auch die Überwindung. Es wird mir viel Überwindung
kosten, ehe ich mich dazu werde entschließen können, viel Kampf gegen
meine Neigungen.
Anm. In der zweyten Bedeutung schon bey dem Kero,
Ottfried, Willeram u. s. f. ubaruuinden, uber uuinten, ubaruuinnan, im
Nieders. nur winnen, Angels. winnan, im Engl. to winn, im Schwed.
vinna, welches einfache Wort ehedem theils kämpfen, theils seine
Kräfte überhaupt anstrengen, theils auch siegen, überwinden,
bedeutete.
Überwinder (W3) [Adelung]
Der Überwinder,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Überwinderinn, eine Person,
welche überwindet, oder überwunden hat, in der zweyten Bedeutung.
Überwindlich (W3) [Adelung]
Überwindlich,
adj. et adv. was überwunden werden kann; ein Wort, welches seltener
gebraucht wird, als der Gegensatz unüberwindlich. So auch das
Hauptwort die Überwindlichkeit.
Überwintern (W3) [Adelung]
Überwintern,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. An einem Orte überwintern,
den Winter daselbst zubringen. Ein Hafen, wo Schiffe bequem
überwintern können. Als ein Neutrum sollte es den Ton billig auf dem
Vorworte haben; allein, es gehört, wir übernachten, zu den Ausnahmen.
In der thätigen Bedeutung, durch den Winter bringen, ein Gewächs
überwintern, ist auswintern üblicher. So auch die Überwinterung.
Überwitzig (W3) [Adelung]
Überwitzig,
-er, -ste, adj. et adv. allzu witzig, ingleichen allzu klug, so wie
überklug. S. dasselbe, ingleichen Aberwitz.
Überzahl (W3) [Adelung]
Die Überzahl,
plur. die -en, diejenige Zahl, welche über die gesetzte oder bestimmte
Anzahl ist.
Überzählen (W3) [Adelung]
Überzählen,
verb. reg. act. überzählt, zu überzählen, durchzählen, mehrere
einzelne Dinge zählen. Sein Geld überzählen. Eine Herde Vieh
überzählen, sie zählen. Daher die Überzählung.
Überzählig (W3) [Adelung]
Überzählig,
-er, -ste, adj. et adv. über der gewöhnlichen oder bestimmten Zahl da
seyend. Wenn jemand sechs Finger hat, so ist der sechste überzählig,
oder ein überzähliger Theil des Körpers. Ingleichen über die bestimmte
Anzahl einhaltend. Die Truppen sind überzählig, wenn sie nicht allein
vollzählig sind, sondern auch noch darüber enthalten. So auch die
Überzählichkeit.
Überzahn (W3) [Adelung]
Der Überzahn,
des -es, plur. die -zähne, ein fehlerhafter über einen andern
gewachsener Zahn.
Überzäumen (W3) [Adelung]
Überzäumen,
verb. reg. act. überzäumt, zu überzäumen. Ein Pferd, es zu sehr, zu
hoch zäumen. So auch die Überzäumung.
Überzeugen (W3) [Adelung]
Überzeugen,
verb. reg. act. überzeugt, zu überzeugen, eigentlich, durch das
Zeugniß anderer zum Geständnisse der Wahrheit oder auch zum Beyfalle
bewegen. Man überzeuget jemanden, wenn man ihm Zeugen darstellet, die
dasjenige, was er bekennen oder für wahr halten soll, gesehen oder
empfunden haben. Von seinem Gewissen überzeugt werden. Die Sache wird
zuweilen mit dem Vorworte von, in der edlern Schreibart aber mit der
zweyten Endung ausgedruckt. Jemanden des Diebstahles, einer Unwahrheit
überzeugen. In weiterer Bedeutung durch unmittelbare Empfindung
bewegen, etwas zu gestehen oder für wahr zu halten, wie überweisen.
Ich will mich dessen (davon) durch den Augenschein überzeugen.
Ingleichen durch deutliche Erkenntniß des Zusammenhanges einer Sache
oder der Beweisgründe etwas für wahr zu halten bewegen, wie
überführen. Ein überzeugender Beweis. Ich bin nunmehr völlig
überzeugt. Daher die Überzeugung, so wohl die Handlung des
Überzeugens, als auch, und zwar noch häufiger, die klare und bestimmte
Empfindung, daß es uns unmöglich ist, ein Ding anders zu begreifen,
als wir es begreifen; welche Empfindung, nach Ver- schiedenheit der
empfindenden Person, entweder durch das Zeugniß anderer, oder durch
eigene unmittelbare Empfindung, oder auch durch deutliche Erkenntniß
des Zusammenhanges, bewirket werden kann.
Anm. Im Schwabenspiegel in
der ersten eigentlichen Bedeutung uberziugen, im Niederdeutschen
ävertügen, vertügen. Ehedem gebrauchte man dafür auch übersagen,
ingleichen bezeugen.
Überziehen (W3) [Adelung]
Überziehen, verb. irreg. ( S. Ziehen.)
1. Überziehen, ich ziehe über, übergezogen, über zu ziehen.
(1) Von ziehen, "trahere", ist überziehen, über etwas ziehen, mit dessen Verschweigung, wofür doch in manchen Fällen herüber und darüber ziehen richtiger sind.
(2) Von ziehen, reisen, wandern, als ein Neutrum mit seyn.
(a) Über einen Ort ziehen, mit dessen Verschweigung. In diesem Verstande sagt man, der Hirsch ist übergezogen, oder ist hier übergezogen, wenn er an diesem Orte über einen Weg gezogen ist.
(b) Vorbey ziehen. Die Töchter werden vor Moab Arnon überziehen, Es. 16, 2; wo doch das Zeitwort nicht überziehen, sondern genannt vorüber ziehen lautet.
2. Überziehen, ich überziehe, überzogen, zu überziehen.
1) Von ziehen, tahere, ist überziehen, auf der Oberfläche ziehend mit etwas bedecken, welches denn wiederum auf mancherley Art, so wohl im eigentlichen als figürlichen Verstande, geschehen kann. Man überziehet ein Bett, wenn man einen Überzug über dasselbe ziehet. Ein Kleidungsstück neu überziehen, neues Oberzeug auf dasselbe setzen. Der Himmel überziehet sich mit Wolken. Der Himmel ist ganz überzogen. Mit Gold, mit Silber überziehen, wo die Decke von Gold oder Silber stärker ist, als bey dem bloßen Vergolden oder Versilbern. Mit Zucker überziehen. Überzogene Mandeln. Eine Wand mit Gyps, die Degenscheide mit Leder überziehen. Aber mit Edelsteinen überziehen, wie 2 Chron. 3, 6, für besetzen, ist ganz wider den Sprachgebrauch. (S. Überzug.)
(2) Von ziehen, reisen, wandern.
(a) Auf diese Art bedecken, besonders mit ziehenden Truppen bedecken. In diesem Verstande überziehet man ein Land mit Truppen, mit einem Kriegsheere, wenn man mit einem feindlichen Kriegsheere in dasselbe einrücket. Ein Land mit Krieg überziehen, dasselbe bekriegen. Niemand durfte Israel überziehen, Judith 16, 30.
(b) In dem Jagdwesen überziehet man eine Fährte, wenn man aus Mangel der Aufmerksamkeit über dieselbe weg ziehet, ohne sie gewahr zu werden; welches auch übergehen und überschießen genannt wird. Statt des Hauptwortes die Überziehung ist in den meisten Fällen das Überziehen üblich.
Überzinnen (W3) [Adelung]
Überzinnen,
verb. reg. act. überzinnt, zu überzinnen, auf der obern Fläche mit
Zinn überziehen, wofür in manchen Fällen auch verzinnen üblich ist.
Daher die Überzinnung.
Überzuckern (W3) [Adelung]
Überzuckern,
verb. reg. act. überzuckert, zu überzuckern, mit Zucker überziehen.
Daher die Überzuckerung.
Überzug (W3) [Adelung]
Der Überzug,
des -es, plur. die -züge, dasjenige, womit ein anderes Ding überzogen
wird, gemeiniglich nur in einigen bereits eingeführten Fällen. Der
Überzug eines Bettes, Küssens, Polsters, diejenige reinliche
Verkleidung, welche über das Inlied gezogen wird; im gemeinen Leben
die Züge, im Nieders. die Bühre. Bey den Hutmachern ist der Überzug
eine dünne Lage des ausgesuchtesten Haares, womit der größere Filz
bedeckt oder überzogen wird. Ein Kittel, welchen gemeine Leute über
die ordentlich Kleidung zu ziehen pflegen, heißt in manchen Gegenden
gleichfalls der Überzug. Auch das Oberzeug eines Kleidungsstückes, im
Gegensatze des Futters, heißt bey manchen der Überzug, bey andern
Überzeug, besser Oberzeug. Und so in andern Fällen mehr.
Überzwerch (W3) [Adelung]
Überzwerch,
besser über zwerch. ( S. Über,) ein Nebenwort, nach derjenigen
Richtung, welche die Länge nach einem schiefen Winkel durchschneidet.
Die Wege gehen überzwerch, durchschneiden einander, gehen übers Kreuz.
Liäus steigt vom Wagen ab, Und strauchelt überzwerch und lachet,
Haged. Bey einigen, obgleich nur wenigen, überquer, besser über quer,
(welches von quer über noch unterschieden ist) weil hier keine
Nothwendigkeit der Zusammenziehung Statt findet. Im Oberdeutschen sagt
man dafür entzwerch mit der zweyten Endung. Entzwerch des Berges; im
Nieders. dwaß, äver dwaß, S. Zwerch.
Überzwingen (W3) [Adelung]
Überzwingen,
verb. irreg. act. überzwungen, zu überzwingen, ein im Hochdeutschen
ungewöhnliches Zeitwort für bezwingen, überwinden, welches indessen
bey dem Opitz und andern Oberdeutschen mehrmahls vorkommt.
Üblich (W3) [Adelung]
Üblich,
-er, -ste, adj. et adv. von dem Zeitworte üben, was geübet, das ist
von den meisten oder doch von vielen wiederhohlet wird. Eine Bedeutung
eines Wortes ist in einem Lande oder zu einer Zeit üblich, wenn das
Wort von den meisten oder doch von vielen in dieser Bedeutung
gebraucht wird; gewöhnlich, gebräuchlich. Diese Kleidung ist bey uns,
zu unsern Zeiten, nicht mehr üblich. Ein sehr üblicher Gebrauch. In
engerer Bedeutung ist das Übliche in den Künsten, Ital. Custume, die
Übereinstimmung einer Vorstellung mit den Sitten, der Denkart, den
Gebräuchen u. s. f. des Landes und der Zeit, in welcher die
vorgestellte Handlung vorgefallen ist. Daher die Üblichkeit, plur.
car. die Eigenschaft eines Dinges, da es üblich ist.
Üblichkeit (W3) [Adelung]
Die Üblichkeit,
mit sehr gelinder Aussprache des b, besser Übelkeit, S. dasselbe.
Übrig (W3) [Adelung]
Übrig,
adj. et adv. was außer der gemeldeten oder bestimmten Quantität eines
Dinges eben derselben Art noch da oder vorhanden ist. 1. Eigentlich.
Es ist alles aufgegangen, ich habe nichts mehr davon übrig. Das übrige
Geld, was von einer bestimmten Summe übrig ist. Die übrigen Tage
meines Lebens, außer den bereits gelebten. Drey seiner Söhne sind gut
versorgt worden, die übrigen sind gestorben. Ich allein bin noch von
der Familie übrig. Ist nicht noch einige Hoffnung für uns übrig? Nun
bleibt mir nichts weiter übrig, als zu gehen. Noch wenig Tage sind mir
übrig. Übrig haben, mehr als man zur Nothdurft und Bequemlichkeit
bedarf. Im übrigen, oder übrigens, was noch zu sagen oder zu thun
übrig ist. Er hat den Fehler der Schwatzhaftigkeit, im übrigen, oder
übrigens ist er ein rechtschaffener Mann, d. i. außer dem, außer
diesem Fehler. 2. In einigen theils engern, theils weitern
Bedeutungen. (1) Mit dem Nebenbegriff des unnöthigen, für überflüssig.
Das ist übrig, ist unnöthig, entbehrlich, überflüssig; im gemeinen
Leben. Ein übriges thun, etwas zum Überfluße. Ich will gegen ihn ein
Übriges thun, Less. (2) * Übermäßig; eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung. Übriger Zorn, unmäßiger, übermäßiger, in dem Buche der
Natur von 1483. (3) * Einer Sache übrig seyn oder werden, ihrer
überhoben seyn oder werden, welche Bedeutung im Hochdeutschen
gleichfalls veraltet ist. Er uuirt sin mit reht uuol überig, bleibt
dessen überhoben, im Schwabensp. Kap. 60. Sie heischen ferner Rath,
durch was sie doch für Sachen Die ungestüme See geneigter können machen, Und Sterbens übrig seyn, Opitz. (4) Im weitesten Verstande
wird es selbst im Hochdeutschen oft für das Wort ander gebraucht, das,
was außer einem bestimmten Dinge eben derselben Art ist, zu
bezeichnen. Sechs starben, die übrigen wurden gesund. Sagen sie der
übrigen Gesellschaft nichts von der Sache, Gell.
Anm. Im Nieders.
averig, in den niedrigen Sprecharten überley. Es ist vermittelst der
Ableitungssylbe -ig von der Partikel über gebildet, welche als ein
Nebenwort auch wohl selbst für übrig gebraucht wird; überlassen oder
über lassen, überbleiben oder über bleiben.
Übrigen (W3) [Adelung]
Übrigen,
verb. reg. act. von dem vorigen Bey- und Nebenworte. 1. Übrig
behalten, wo es doch nur in dem zusammen gesetzten erübrigen üblich
ist. 2. Überhoben seyn, mit der zweyten Endung. Auch diese Bedeutung
ist im Hochdeutschen fremd, wo man allenfalls entübrigen dafür
gebraucht. Welches Theil meines Lebens ist der Marter geübriget
worden? Opitz.
Übrigens (W3) [Adelung]
Übrigens,
ein Nebenwort für im übrigen, was noch davon zu sagen übrig ist;
ingleichen für außer dem. S. Übrig 1.
Übung (W3) [Adelung]
Die Übung,
plur. die -en, das Verbale des Zeitwortes üben, die mehrmahlige
Wiederhohlung einer und eben derselben Handlung. Etwas in Übung
bringen. Die öffentliche Übung einer Religion. Besonders, um darin
eine Fertigkeit zu erlangen; da es, wenn es einzelne Handlungen
bedeutet, auch den Plural leidet. Etwas in steter Übung haben, es
beständig üben oder thun. Sein Gedächtniß, die Truppen in beständiger
Übung erhalten. Bey der Kunst muß die Übung das Beste thun. Die Übung
des Gebeths, der Geduld, der Demuth. Übungen der Gottseligkeit,
Handlungen Einer Art, welche mehrmahls wiederhohlt werden, sich eine
Fertigkeit in der Gottseligkeit zu erwerben. Ritterliche Übungen.
Durch Übungen wird der Verstand stärker, Gell. Daher die Übungslehre,
eine practische Lehre; Übungssätze, practische Sätze, welche zeigen,
daß und wie etwas gethan werden soll.
Anm. Schon bey dem Notker
Uobunga, und mit einem andern Endlaute Geuobeda. S. Üben.
Uchse (W3) [Adelung]
* Die Uchse,
plur. die -n, ein im Hochdeutschen fremdes, nur im Oberdeutschen
gangbares Wort, die Höhle unter der Achsel zu bezeichnen, für welche
man im Hochdeutschen kein eigenes Wort hat. ( S. Achsel.) Es hat ohne
Zweifel den herrschenden Begriff der Tiefe, der Höhle, und in so fern
alle Wörter, welche eine Tiefe bedeuten, auch zugleich eine Höhe
bezeichnen, ist es auch mit Achsel verwandt, welches sich vornehmlich
durch die Sylbe -el davon unterscheidet.
Ucht (W3) [Adelung]
* Die Ucht,
plur. inus. ein sehr altes, aber im Hochdeutschen gleichfalls
veraltetes Wort, welches noch im Niederdeutschen am gangbarsten ist,
die Dämmerung zu bezeichnen. Bey dem Notker Uochto, bey dem Ulphilas
Uhtwo, im Angels. Uht, Uhttide, im Holländ. Uchtend, Ochtend, im
Isländ. Otta, wo es theils die Dämmerung überhaupt, theils die
Morgendämmerung ins besondere, bedeutet. Es scheint mit dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, frühe, verwandt zu seyn.
Ohne Zweifel wird daher die Wiesenzeitlose in einigen Gegenden die
Uchtblume genannt.
Uckeley (W3) [Adelung]
Uckeley,
S. Ukeley.
Ufer (W3) [Adelung]
Das Ufer,
des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Uferchen, Oberd. Uferlein,
der Erdrand eines Wassers auf der Erde, es sey von welcher Art es
wolle. Das Ufer des Meeres, 1 Mos. 22, 17; wofür doch Küste, Strand,
und in der höhern Schreibart Gestade üblicher sind. Das Ufer eines
Sees, Teiches, Flusses, Stromes, Grabens u. s. f. Ein hohes, flaches,
sandiges Ufer. An das Ufer fahren. Etwas aus dem Wasser an das Ufer
ziehen. Das andere Ufer eines Flusses, das gegen über liegende. Anm.
Im Nieders. Över, im Angels. Ofer, im Altfries. Owera, im Aabreb.
Frisch glaubt, es sey aus Überfahr zusammen gezogen, und bedeute
eigentlich denjenigen Ort eines Ufers, wo man über ein Wasser fährt.
Wicht im Ostfries. Landrechte hingegen, leitet es von dem alten Aa,
Au, Wasser, und Wehr, ein Damm, ab. Allein, obgleich im Oberdeutschen
noch Anfar und Urfar, das Ufer, wo man anfähret, die Schiffslände,
bedeuten, so ist es doch unnöthig, seine Zuflucht zu so künstlichen
Zusammenziehungen zu nehmen. Die Endsylbe -er ist die Ableitungssylbe,
welche hier ein Ding, Subject bedeutet, die Stammsylbe Uf aber,
gehöret zu auf, und ob in oben, einen erhobenen, hervor ragenden Theil
zu bezeichnen, indem das Ufer allemahl höher ist als die Wasserfläche.
Auf ähnliche Art stammet das Griechische - hier nichtlateinischer
Text, siehe Image -, ein luftiges Ufer, von Ak, hoch, erhaben, und
der Endsylbe - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, de, her.
Uferaas (W3) [Adelung]
Das Uferaas,
des -es, plur. die -äser, ein Insect mit netzförmigen Flügeln, welches
nur einige Stunden, und höchstens von Untergange der Sonne bis zu
ihrem Aufgange lebt, da es häufig am Wasser herum flattert, und andern
Insecten zur Nahrung dienet, wovon es auch Nahmen hat; Ephemeris Linn.
Haft, der Aust, weil es im August zum Vorschein kommt. Bey den
Fischern führet die Larve dieses Insectes, welche einige Jahre vor
ihrer Verwandlung in dem Wasser lebt, den Nahmen des Uferaases
vornehmlich, weil sie als Aas oder Lockspeise für andere Fische an die
Angel gesteckt wird, und alsdann bekommt das verwandelte Insect den
Nahmen der Uferaasfliege.
Uferbaukunst (W3) [Adelung]
Die Uferbaukunst,
plur. car. ein Theil der Wasserbaukunst, welche sich mit Befestigung
des Ufers wider die Gewalt des Wassers beschäftigt.
Uferrecht (W3) [Adelung]
Das Uferrecht,
S. Strandrecht.
Uferschwalbe (W3) [Adelung]
Die Uferschwalbe,
plur. die -n, eine Art Schwalben mit einem weißen Ringe, welche sich
an der Seite des steilen Ufers Löcher gräbt, in welchen sie
überwintert; Hirundo riparia Klein. Erdschwalbe, Sandschwalbe,
Rheinschwalbe, Wasserschwalbe.
Uhr (W3) [Adelung]
Die Uhr,
plur. die -en, Diminut. welches doch nur in der zweyten Bedeutung
üblich ist, das Ührchen, Oberd. Ührlein. 1. Eine Stunde, doch nur,
wenn von den Stunden einer Uhr in der folgenden Bedeutung mit einem
Zahlworte die Rede ist, da denn das Wort Uhr, nach dem Muster so
vieler anderer, welche eine Zeit, ein Maß oder Gewicht bedeuten,
unverändert bleibt. Es ist schon sechs Uhr. Um neun Uhr will ich
kommen. Es hat schon Ein Uhr, zwey Uhr u. s. f. geschlagen. Wie viel
Uhr ist es? die wie vielste Stunde des Tages ist es? Wo mit einem
Zahlworte auch das Hauptwort wegbleiben kann. Es ist schon sechs. Ich
komme um neun. Es hat schon neun geschlagen. Indessen, da man sich im
Niederdeutschen des Wortes Glocke auf ähnliche Art bedienet, es ist
schon Glock sechs, ich komme Glock neun; man auch nicht sagt, ich habe
schon zwey Uhren gewartet, sondern zwey Stunden, so kann es in dieser
ganzen Bedeutung auch eine elliptische Art zu reden seyn, und so viel
bedeuten, als, es ist schon sechs an der Uhr, um neun an der Uhr will
ich kommen, wie viel ist es an der Uhr u. s. f. welche R. A. auch
nicht ganz ungewöhnlich sind. Daß aber Uhr dessen ungeachtet ehedem
auch eine Stunde bedeutet habe, erhellet aus dem Niederdeutschen, wo
man ehedem sagte; wenig Huren sinder verloopen, für Stunden. 2. Ein
Werkzeug, welches die Stunden anzeiget, und von verschiedener Art ist.
Eine Sanduhr, Wasseruhr, welche bloß die Dauer Einer Stunde und ihrer
Theile, nicht aber die Zahl derselben anzeiget. Die Sonnenuhr, der
Sonnenzeiger, Sonnenweiser, welcher beydes vermittelst des Schattens
der Sonne zeiget. Eine Räderuhr, welche auch nur die Uhr schlechthin
genannt wird, zeiget beydes, vermittelst eines Räderwerkes, und hat
wieder vielerley Unterarten, wohin die Thurmuhr, Stubenuhr, Wanduhr,
Taschenuhr, Spieluhr, Pendul-Uhr u. s. f. gehören. Die Uhr geht
richtig, unrichtig. Die Uhr aufziehen. Nach der Uhr sehen. Die Uhr
schlägt u. s. f.
Anm. Im Niederdeutschen ehedem Hure, im Schwed. Ur,
im Engl. Hour, im Französ. Heure, im Wallis. Awr. Rudbeck leitete es
von dem alten Schwedischen yra, her, sich herum drehen, daher Yrsel,
der Schwindel, ( S. Irre, welches dahin gehöret.) Allein, es ist
wahrscheinlicher, daß wir dieses Wort aus dem Lat. Hora entlehnet
haben. Die Eintheilung des Tages in so kleine Theile, als eine Stunde
ist, ist eine Erfindung solcher Völker, welche es in den Künsten und
in der Feinheit der Sitten schon sehr weit gebracht haben, wofür man
unsere nördliche Spracherfinder nicht halten kann. Das Wort Hora
selbst ist nicht einmahl bey den Lateinern und Griechen einheimisch,
sondern morgenländischen Ursprunges, so wie fast alle unsere Künste
Wissenschaften.
Uhrmacher (W3) [Adelung]
Der Uhrmacher,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Uhrmacherinn, ein Handwerker,
ober vielmehr ein Künstler, welcher Räderuhren verfertiget, aus ihrer
Verfertigung sein Hauptgeschäft macht.
Uhrsand (W3) [Adelung]
Der Uhrsand,
des -es, plur. car. ein sehr feinkörniger Sand, dessen man sich zu den
Sanduhren bedienet.
Uhrwerk (W3) [Adelung]
Das Uhrwerk,
des -es, plur. die -e, ein Räderwerk, welches dem in einer Räderuhr
ähnlich ist, d. i. ein Räderwerk, welches entweder von Gewichten oder
von aufgewickelten Federn in Bewegung gesetzt wird.
Uhrzeiger (W3) [Adelung]
Der Uhrzeiger,
des -s, plur. ut nom. sing. der Zeiger an einer Uhr, besonders an
einer Räderuhr; der Zeiger, Weiser.
Uhu (W3) [Adelung]
Der Uhu,
des -es, oder des -s, plur. ut nom. sing. (nicht Uhus; wie Heynatz
lehret, welcher Plural ganz Niederdeutsch ist,) die größte Art
Nachteulen, mit großen Ohren und einem feuerrothen Körper; Ulula
Chalcis Klein. bey andern Bubo, Ohreule, Horneule. Den Uhu sollt ihr
nicht essen, 5 Mos. 14, 16.19; dagegen er 3 Mos. 11, 17 Huhu heißt. Da
es mehrere Arten großer oder Ohreulen gibt, so werden in engerer
Bedeutung, besonders die zwey größten Arten, welche oben gesprenkelt,
röthlich und schwarz, unten aber röthlich sind, Uhu genannt. Die
Adlereule gehöret gleichfalls dahin.
Anm. Bey dem Notker Huuue, in den
gemeinen Mundarten Huhu, Huw, Hu, Hau, Urhuh, Buhu, Buheule, Auf,
Gauf, im Nieders. Schubut, im Schwed. Uf, im Franz. Hibou, im Lat.
Bubo, auch bey den Kalmucken Uhu; alle, so wie Eule selbst, als eine
Nachahmung des eigenthümlichen Geschreyes dieses Vogels, welches bey
dem Uhu Uh-ho-hu lautet. S. auch Eule.
Ukase (W3) [Adelung]
Die Ukase,
plur. die -n, eine aus dem Russischen entlehntes Wort, einen Befehl,
eine Verordnung des Russischen Monarchen zu bezeichnen; ein Mandat.
Von dem Wend. und Russischen kasam, kasu, ich befehle, Wend. Kasani,
Russ. Ukasa, der Befehl, welches wieder mit unsern heißen und kiesen,
letzteres in weiterm Verstande genommen, verwandt ist.
Ukeley (W3) [Adelung]
Die Ukeley,
plur. die -en, ein besonders in der Mark Brandenburg üblicher Nahme
einer Art Weißfische, deren untere Kinnlade länger als die obere, die
Finne am Hintern aber mit 20 Strahlen versehen ist; Cyprinus Alburnus
Linn. In einigen Gegenden wird dieser Fisch Blüthe, Blicke,
Weidenblatt, alles dreyes vermuthlich wegen seiner weißlichen Farbe,
Breitling, Strömling, in Meißen aber Ochelbeze genannt. Dieser letzte
Nahme scheinet mit Ukeley. im gemeinen Leben einiger Gegenden Akeley,
verwandt zu seyn, beyde aber scheinen Wendischen Ursprunges zu seyn.
Ukerwendisch,Ukerwalsch (W3) [Adelung]
Ukerwendisch und Ukerwalsch, S. Kauderwälsch.
Ulme (W3) [Adelung]
Die Ulme,
plur. die -n, oder der Ulmbaum, des -es, plur. die -bäume, ein
hochstämmiger Baum, welcher in ganz Europa wild wächset; Ulmus Linn.
In einigen Gegenden lautet dieses Wort Ilme, Ilmbaum, im
Niederdeutschen und Obersachsen hingegen ist dieser Baum unter dem
Nahmen der Küster, am bekanntesten. Die gemeine Feldulme oder
breitblätterige Ulme, Ulmus campestris, heißt in der Pfalz Effer,
Effenbaum, in andern Gegenden Fliegenbaum, weil sich die Fliegen in
außerordentlicher Menge auf demselben aufhalten, Leimbaum; die
schmahlblätterige aber, Ulmus minor, Iper, Steinlinde; im Nieders.
Wieke, Steckwieke, Bastwieke, in andern Gegenden Wietzer. Die Bastilme
oder Lindbast, und die Rauchlinde sollen noch einige besondere Arten
seyn.
Anm. Im Angels. und Engl. Elm, im Schwed. Ulm, im Dän. Ulm, im
Isländ. Almur, im Lat. Ulmus, im Ital. Olmo, im Franz. Orme, Ormeau.
Da dieser Baum im ganzen Europa einheimisch ist, so ist nicht
glaublich, daß sein Nahme aus dem Lat. Ulmus unmittelbar sollte seyn
entlehnet worden, wohl aber, daß alle diese Wörter aus einer
gemeinschaftlichen ältern Quelle herstammen; welches diese aber ist,
läßt sich nur vermuthen. Wenn dieser Baum der Fäulniß vor andern
unterworfen wäre, so könnte man das Nieders. Ulm, Olm, Fäulniß,
besonders im Holze, ulmen, ins Holz faulen, modern, ulmig, faul, für
das Stammwort ansehen. Da dieser Umstand aber wegen des festen harten
Holzes dieses Baumes nicht wahrscheinlich ist, so scheinet der
schnelle ansehnliche Wuchs, der bey diesem Baume vorzüglich in die
Augen fällt, der Grund der Benennung zu seyn, und da würden des Lat.
Alnus, unser Eller, Erle, (Erle, für Elne, wie Franz. Orme, für Ulme,)
und Ulme, zu dem alten Stammworte al, el, hoch, groß, gehören, S. All,
Elle, Elephant und so ferner.
Ulm (W3) [Adelung]
Ulm,
eine freye Reichsstadt in Schwaben. Daher der Ulmer, Fämin. die
Ulmerinn, eine Person, welche aus Ulm gebürtig ist; ingleichen das
unabänderliche Beyworte Ulmer, daher gebürtig. Das Ulmer Brot, in den
Küchen, eine Art Gebackenes, welches aus feinem Mehl, Rahm,
Eyerdottern, Zucker u. s. f. in Gestalt kleiner Brote gebacken wird.
Die Ulmer Gerste, die feinste Art Perlen Graupen, weil sie besonders
in Ulm vorzüglich gut bereitet werden.
Ulrich (W3) [Adelung]
Ulrich,
ein alter Deutscher männlicher Nahme, welcher auch als ein Tauf- und
Vornahme gebraucht wird, und von Huld oder auch von Adel, abgeleitet
wird, Ulrich für huldreich, oder adelreich; im mittlern Lat.
Udalricus, Adalricus, Ulricus, Fämin. Ulrica. In den gemeinen
Mundarten wird dieser Nahme oft in Utz, in der Lotharingischen
Landessprache aber in Ouali, verkürzt.
Ultramarin (W3) [Adelung]
Das Ultramarin,
des -es, plur. car. der Nahme einer sehr kostbaren blauen Farbe,
welche aus dem Lasursteine verfertigt wird. Er ist aus dem
Italiänischen Oltramarino, im mittl. Lateine Ultramarinus, weil diese
Farbe ehedem aus Asien zu uns gebracht wurde.
Um (W3) [Adelung]
Um,
eine Partikel, welche in dreyfacher Gestalt üblich ist. I. Als ein
Vorwort, welches allemahl die vierte Endung, oder den Accusativ
erfordert, und in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. 1. Die
Richtung einer Bewegung oder eines Zustandes längs der ganzen äußern
Fläche eines als senkrecht angenommenen Dinges, längs dessen Umfanges,
zu bezeichnen; wo dieses Vorwort auch Statt findet, wenn sich die
Richtung auch nur längs des größten Theils dieses Umfanges erstreckt.
(1) Eigentlich. Um die Stadt gehen. Der Graben gehet ganz um das Haus.
Um den Tisch treten. Sich um die Stadt lagern. Eine Schürze um den
Leib binden. Einen Mantel um sich nehmen. Ich bin den ganzen Tag um
ihn, in seiner Gesellschaft, in seiner Nähe. Keinen Freund um sich
haben. Der Weinstock wölbt sich wie eine kühle Laube um die Fenster.
Dort, wo eine unverwelkliche Myrthe um unsre Häupter blühen soll,
Weiße. Mit Strahlen um sein Haupt. Den Nachdruck zu vermehren, wird
das Vorwort oft mit den Nebenwörtern herum und her verbunden, wovon
das erste mehr dem gemeinen Leben, das letzte aber vorzüglich der
höhern Schreibart, eigen ist. Um die Stadt herum gehen. Der Graben
gehet ganz um das Haus herum. Um mich her sehe ich nichts als Wildniß.
Sie standen alle um ihn her, um ihn herum. Deine Wahrheit ist um dich
her, Ps. 89, 9. Der Engel des Herren lagert sich um die her, die ihn
fürchten, Ps. 34, 8, 9. Dein Weib wird seyn, wie ein fruchtbarer
Weinstock um dem Haus herum, Ps. 128, 3. Und wenn der ganze Umfang
noch bestimmter ausgedruckt werden soll, so setzet man wohl noch die
Nebenwörter rund und rings hinzu. Der Graben gehet rings um die Stadt
herum. Rund um die Stadt herum reiten. Besondere Arten des Ausdruckes
sind. Jemanden um den Hals fallen, ihn umarmen. Er warf sich ihr mit
dringender Zärtlichkeit um den Hals. Du weißt nicht, wie mir um das
Herz oder ums Herz ist, du weißt nicht, was ich empfinde, wie mir zu
Muthe ist. Ich rede, wie es mir ums Herz ist, wie ich denke, wie ich
empfinde. (2) Figürlich, eine ungefähre Nähe des Ortes und der Zeit zu
bezeichnen. (a) Des Ortes. Er muß um diese Gegend wohnen, ungefähr in
dieser Gegend. Wohin auch hier herum, in dieser Gegend, da herum, in
der dortigen Gegend, gehören. (b) Der Zeit, eine ungefähre Nähe der
Zeit zu bezeichnen. Es ist um sechs Uhr, ungefähr sechs Uhr. Um Mittag
wollen wir kommen. Er kam erst um Mitternacht zu Hause. Um Ostern, um
Pfingsten, um Michael, um Michaelis, um Johannis; in welchen beyden
letztern Fällen der Genitiv nicht von dem Vorworte um, sondern von dem
ausgelassenen Hauptworte Fest herrühret. Um eben dieselbe Zeit
geschahe es. Wo sich der Begriff des ungefähren zuweilen verlieret, so
daß um sechs Uhr, so viel als gerade, wenn es sechs ist, und um
dieselbe Zeit, zu derselben Zeit bedeutet. 2. Für nach, wo es eine
Figur der vorigen Bedeutung zu seyn scheinet, aber nur in einigen
Fällen üblich ist. Allemahl um den andern Tag, wo auch über üblich
ist. Das Fieber kommt immer um den dritten Tag. Einer um den andern,
wechselsweise, einer nach dem andern. Eines um das andere. Da sang
Israel dieses Lied, und sungen um einander über dem Brunnen, 4 Mos.
21, 7; wo aber um einander, für einer um den andern, veraltet ist, wie
Es. 14, 10: daß dieselbigen alle um einander reden. 3. Einen
Gegenstand, doch in verschiedenen Einschränkungen. (1) Eine besondere
Art des Ausdruckes ist, wenn in einem ganz einfachen Satze, wo das
Zeitwort seyn die Copulam ausmacht, das Subject, anstatt in der ersten
Endung zu stehen, mit dem Vorworte um ausgedruckt wird. Es ist eine
schöne Blume um eine Rose, für: eine Rose ist eine schöne Blume. Es
ist eine wunderliche Sache um den Appetit. Es ist ein kitzliches Ding
um das Lob. Es ist ein mißliches Ding um unsere Reitze. Es ist doch
eine verzweifelte Sache um die liebe Tugend, Weiße. Es ist eine edle
Sache um den Hausfrieden. Welches doch freylich nur in solchen Fällen
angehet, wo das Prädicat die gute oder böse Eigenschaft eines Dinges
in Gestalt eines Hauptwortes ausdruckt.
(2) Mit einigen Zeitwörtern wird dieses Vorwort auch außer dem vorigen
Falle gebraucht, einen Gegenstand überhaupt auszudrucken. Besonders
mit dem Zeitworte stehen. Wie stehet es um euch? wie befindet ihr
euch? in was für Umständen befindet ihr euch? Wie stehet es um unsere
Sache? Es stehet schlecht um euren Bruder. Wie würde es alsdann um
mein Versprechen stehen? Gell. Sehen sie doch, wie es um mein künftig
Glück stehet, eben ders. Oft auch mit dem Zeitworte aussehen in eben
derselben Bedeutung. Es siehet sehr mißlich um ihn aus. Aber wie sieht
es um die Ehre aus? Beyde Zeitwörter leiden in eben demselben
Verstande auch das Vorwort mit. Wie stehet es mit euch? Es siehet mit
der Sache schlecht aus. (3) Einen Gegenstand des Verlustes; doch auch
nur mit einigen Zeitwörtern. Um etwas kommen, desselben verlustig
werden, ohne Bestimmung der Art und Weise. Ich bin um meine Uhr
gekommen, sie sey nun verloren oder gestohlen. Um ein Auge, um einen
Arm, um sein Vermögen, um seinen guten Nahmen kommen. Man kommt um
sein Geld, man weiß nicht wie, auch durch minder nothwendige Ausgaben.
Ich bin darum gekommen. Um das Leben kommen, es zufälliger Weise auf
eine gewaltsame Art verlieren, umkommen. Jemanden um das Leben
bringen, ihn seines Lebens berauben, ihn umbringen. Jemanden um sein
Geld bringen, Ursache seyn, daß er dessen verlustig gehe. Ich bin
darum, eine elliptische R. A. für, ich bin darum gekommen. Es ist um
ihn gethan oder geschehen, er ist verloren, unglücklich gestorben. Es
sey darum, oder, es mag darum seyn! eigentlich, es mag verloren seyn;
figürlich, es ist nichts daran gelegen. Nach dem Muster des Zeitwortes
bringen stehet es auch bey andern thätigen Zeitwörtern, eine Ursache
oder Veranlassung eines Verlustes zu bezeichnen. Ich bin darum
betrogen worden. Sie plaudert uns um die Zeit. Sie bethet uns oft um
das Mittagsessen, Gell. (4) Einen Gegenstand des Wissens, doch nur mit
dem Zeitworte wissen, für von. Wissen sie etwa auch um die Sache?
wissen sie etwas mit davon? Ich weiß nichts darum. Er weiß um alle
meine Geheimnisse. Khein Wort er vmb die bürger west, Theuerd. Kap.
94. (5) Einen Gegenstand einer Gemüthsbewegung; doch nur mit einigen
Zeitwörtern, besonders solchen, welche eine unangenehme Empfindung
wegen des erlittenen oder zu besorgenden Verlustes eines Dinges
bezeichnen; wodurch es sich von über in der ähnlichen Bedeutung
unterscheidet. Sich um etwas betrüben, bekümmern, tränken, härmen,
grämen. Um etwas weinen, böse werden, klagen, trauern, zürnen u. s. f.
Der Schmerz um ihn ist für mein Herz Selbst noch ein angenehmer
Schmerz, Gell. Fließet ihr Thränen um den redlichsten Freund. Kümmere
dich nicht um die verwelkten Blumen. Jemanden um etwas beneiden. Um
dieß Vergnügen muß mich ein Prinz beneiden, Gell. Es ist mir nicht
leid darum. Sehr um etwas thun, im gemeinen Leben, dessen Verlust sehr
betrauern. (6) Einen Gegenstand der Bemühung, des Bestrebens, der
Bewerbung; auch nur mit einigen Zeitwörtern. Um etwas spielen,
spielen, wer den Besitz einer Sache erlange. Sich um etwas bemühen,
bewerben. Jemanden um etwas bitten, flehen, anflehen. Um die Ehre
fechten, kämpfen. Um etwas hadern, sich um etwas zanken, streiten, um
den Besitz einer Sache. Um etwas losen, würfeln. Sich um die
Oberstelle zanken. Der Soldat tummelt sich um die Ehre. Ich will darum
schreiben. Sich Mühe um etwas geben. Ihr Herz, um das du selbst, Gell.
Von kaltem Schrecken blaß bath jeder um sein Leben, Weiße. Durch Drohn
und Schmeicheleyn warb er um meine Gunst, eben ders. Um ein Amt, um
eine Gnade, um eine Person (zur Gattinn) anhalten. Er kommt um Brot.
Es ist ihm nur darum zu thun. Es ist ihm nur ums Geld, um die Ehre zu
thun. Jemanden um etwas fragen, es von ihm zu erfahren. Jemanden um
Rath fragen. Um Rache rufen, schreyen. Keine Thräne seiner Unterthanen
ruft wider ihn um Rache. Er hat mich schon lange darum geplagt. Ich
werde sehr um eine Antwort geplagt. Daß es sich hier nicht in allen
Fällen gebrauchen lasse, ist schon erinnert worden. Im Oberdeutschen
sagt man, um jemanden schicken, um den Arzt, um den Beichtvater
schicken; wofür im Hochdeutschen nach üblich ist. Ingleichen, ich will
darum gehen, darnach. (7) Hierher gehören auch diejenigen Fälle, wo um
ehedem den Gegenstand eines Kaufes oder Tausches begleitete, anstatt
für. Ehedem sagte man: hundert Thaler um das Haus geben. Jetzt ist es
in dieser Bedeutung, im Ganzen genommen, veraltet, nur das relative
darum wird noch zuweilen in diesem Verstande gebraucht. Ich gäbe viel
darum, wenn ich es haben könnte, dafür. Er nähme nicht viel Geld
darum, dafür. (8) Desto häufiger wird es indessen noch gebraucht, den
Preis einer Erwerbung oder den Lohn einer Bemühung auszudrucken,
vermuthlich auch, so fern derselbe im Grunde der Gegenstand der
Bestrebung ist. (a) Eigentlich, den Lohn einer Bemühung. Um Lohn
arbeiten, dienen. Arbeiter um Lohn dingen. Ums Tagelohn arbeiten.
Jetzt hüthe ich um schlechten Lohn hier diese zwey Ziegen, Geßn. Ums
Brot arbeiten. Er ward mit den Arbeitern eins um einen Groschen,
Matth. 20, 2. Ums Geld arbeiten. Was thut man nicht ums liebe Geld. Um
viel Geld wollte ich das nicht thun. Um alles in der Welt beginge er
diese Niederträchtigkeit nicht. Um nichts und wieder nichts, im
gemeinen Leben, für gar nichts. Hierher scheinet auch die R. A. zu
gehören, um die Wette, so fern Wette hier das aufgesetzte Geld, den
Preis des Wetteifers bezeichnet. Um die Wette arbeiten, sehr eifrig,
andere in fleißigem Arbeiten zu übertreffen suchen. In Cuba war ein
Papagey, Den neckt ein jeder um die Wette, Haged. (b) Das
Bezahlungsmittel und den Preis, anstatt für. Um Geld, um bar Geld
kaufen. Noch häufiger von dem Preise. Ich habe es um zehn Thaler
gekauft. Um wie viel hast du das Gut gekauft? Im Hochdeutschen wird es
in dieser Bedeutung wenig mehr gebraucht, weil für in derselben am
üblichsten ist. In den Kanzelleyen pflegt man beyde Vorwörter um des
Nachdrucks willen zu verbinden: Cajus kauft das Haus um und für
tausend Thaler. Dahin gehöret auch der Gebrauch mit dem Zeitworte
strafen, doch nur, wenn von einer bestimmten Geldstrafe die Rede ist.
Jemanden um zehn Thaler strafen, ihm eine Strafe von zehn Thalern
auflegen. (9) Endlich gehören noch verschiedene einzelne Arten des
Ausdrucks hierher, wo um Gegenstände anderer Art bezeichnet. Ich lobe
dich darum, für deßwegen; ob man gleich nicht mehr sagt: ich lobe dich
um deinen Fleiß, um deine Tugend, sondern wegen. Sich um jemanden
verdient machen. Habe ich das um dich verdient? Verdiene ich das um
dich, meine Julie? Weiße. Sich um etwas bekümmern, darnach fragen,
Theil daran nehmen, welches doch eigentlich eine Figur des Zeitwortes
bekümmern in der vorigen fünften Bedeutung ist.
Alle jetzt angeführte Fälle, wo um einen Gegenstand begleitet, sind
Überbleibsel, einer ältern allgemeinen Bedeutung, wo um fast ein jedes
Object bezeichnete. Das Schwedische om hat noch jetzt diese
allgemeinere Bedeutung, indem es unter andern auch de, von, bedeutet;
von jemanden reden, om. Das Griech. mit am verwandte - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - wurde auf ähnliche Art
gebraucht. 4. Einen Bewegungsgrund, eine Ursache. Sie preiseten Gott
um alles, das sie gehöret und gesehen hatten; Luc. 2, 20; für, wegen.
Der Herr wird strafen alle Gottlosen um alle Werke ihres gottlosen
Wandels, Br. Jud. V. 15. Im ganzen ist auch die Bedeutung veraltet,
nur daß die relativen warum und darum noch im ganzen Umfange derselben
üblich sind. Auch gebraucht man es in diesem Verstande noch in
Verbindung mit dem Hauptworte Willen, einen Bewegungsgrund, eine
Ursache, zu bezeichnen, da denn die zweyte Endung der Sache von diesem
Hauptworte, nicht aber von dem Vorworte, herrühret. Ich thue es um
zweyer Ursachen Willen, um eben der Ursache Willen. Um Gottes Willen,
um unsrer Willen, um des Himmels Willen. Es geschiehet um Lebens und Sterbens Willen. Um der bösen Nachrede Willen. Um sein selbst Willen.
Um deiner, meiner Willen. Siehe von dieser R. A. besonders mit
Fürwörtern Dein I. Ehedem gebraucht man dafür von - Willen, durch -
Willen: von mehrerer Sicherheit Willen. Das Hauptwort Willen wird
zuweilen weggelassen. Ich will das Volk heimsuchen um ihrer Missethat,
Jer. 25, 12. Daß wir um dieser heutigen Empörung verklagt mochten
werden, Apost. 19, 40. Wo die zweyte Endung gleichfalls von dem
ausgelassene Hauptworte herrühret, welche Auslassung doch im
Hochdeutschen einige Härte hat. Noth mehr aber, wenn statt der zweyten
Endung die vierte gebraucht wird: ich beschwöre sie um unsre Liebe,
machen sie meine Ahndungen eitel. Sie will um Himmel und um Hölle
nicht weiter gehn, Michael. der Dichter. Am härtesten und
ungewöhnlichsten ist die Weglassung des Wortes um. Auch wo das Römer
Volk der schönen Bäder Willen In voller Üppigkeit die lange Zeit
vollbracht, Opitz. Die ähnlichen Wörter wegen und halben werden nicht
mit dem um verbunden, und wenn solches ja von einigen geschiehet, so
ist es ein unangenehmer Fehler. Um meiner Jahre wegen könnte ich in
der Kleidung noch sehr jung thun, Gell. Um daß für weil ist im
Hochdeutschen sehr veraltet, und wird nur noch in einigen gemeinen
Mundarten gebraucht. Was weint ihr Mütter viel, um daß euch durch den
Streit Die Söhne sind erlegt in ihrer jungen Zeit, Opitz. Ich muß mit
Danke Gott erheben, Um daß er seine Gütigkeit Euch mitgetheilt zu
dieser Zeit, ebend. Wenn um mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu
gebraucht wird, eine Absicht zu bezeichnen, so ist es eigentlich kein
Vorwort, sondern ein Bindewort, S. es im folgenden. 5. Einen
Unterschied der Zeit, Zahl, Größe und der Intension zu bezeichnen. Das
Fenster ist um zwey Fuß höher, als die Thür. Cajus ist um drey Zoll
kleiner als Titius. Das ist um ein gut Theil besser als jenes. Ich bin
um zehn Jahr älter als du. Etwas um eine Handbreit enger machen.
Dieses Haus ist um hundert Thaler theurer als jenes. Um die Hälfte
dicker. Sich um zwanzig Thaler verrechnet haben. In den meisten dieser
Fälle kann um auch verschwiegen werden. Er ist einen Kopf größer, für
um einen Kopf. Er ist hundert Thaler theurer. Nur sagt man nicht, sich
zwanzig Thaler verrechnet haben, wo um nicht wegbleiben kann. Hierher
schei-
nen auch folgende Arten des Ausdrucks zu gehören. Um ein Haar. Es ist
nicht um ein Haar größer, im geringsten nicht. Ingleichen, wenn es so
viel als bey nahe bedeutet. Um ein Haar wäre ich gefallen, es fehlte
kein Haar breit, so u. s. f. Es ist um zwey Tage zu thun, so ist der
Schmerz vorüber, es kommt nur auf zwey Tage an. Es ist um hundert
Thaler zu thun, so hast du es. Wo zu thun auch wohl verschwiegen wird.
Es ist um wenig Schritte, so hohl' ich dir dieß Band, Gell. Hierher
gehören auch die adverbischen R. A. da um so viel den Comparativis
vorgesetzt wird. Er wird es nicht gestehen, gestehet er es aber, so
ist es um so viel besser für ihn. Du wirst um so viel glücklicher
seyn, je mehr du deine Bedürfnisse einschränken wirst; oder, jemehr du
deine Bedürfnisse einschränken wirst, um so viel glücklicher wirst du
seyn. Es ist mir um so viel lieber, wenn er nicht kommt. In welchen
Fällen um so viel für desto steht. Nur vermeide man den Übellaut,
dieses um so viel statt des kürzern und üblichern je und desto zu
gebrauchen. Um so viel größere Ehre der Sohn hat dann der Diener, um
so viel größere Ehre hat Christus dann Moses; besser je - desto. Auch
ist es fehlerhaft, wenigstens ein in manchen Fällen sehr unangenehmer
Pleonasmus, dieses um dem desto vorzusetzen. Ich melde dieses um desto
lieber, da u. s. f. Gottsch. Dieses ist mir um desto gewisser, da u.
s. f. ebend. Das ist schön, daß er nicht schwört, um desto mehr kannst
du auf sein Wort bauen, Gell. Ich habe es nicht gewußt, daß sie
zugegen wären, um desto aufrichtiger ist mein Bekenntniß, ebend. Wo um
desto nichts mehr sagt, als desto allein. II. Ein Bindewort, da es
denn dem Infinitiv mit dem Wörtchen zu zugesellet wird, eine Absicht
zu bezeichnen. In keiner unserer Sprachlehren wird um mit unter den
Bindewörtern aufgeführet, vermuthlich, weil man sich nicht überreden
konnte, daß ein Vorwort zugleich ein Bindewort seyn könnte. Allein
fast alle unsere Partikeln werden auf mehrere Art gebraucht, und um
ist in dieser Verbindung so gut ein verursachendes Bindewort, als daß,
damit, weil u. s. f. Es ist hier eine Fortsetzung der vorigen vierten
Bedeutung. Ich habe nicht in die Lotterie gelegt, um reich zu werden,
sondern um andern Gutes zu thun, Gell. Und erblicket einen Schützen,
Der sein Rohr auf ihn gericht, Um ihn auf den Pelz zu blitzen, Lichtw.
Da der Infinitiv mit zu diese Absicht schon allein ausdruckt, so
stehet das um hier eigentlich überflüssig, und dieser Überfluß wird
oft ein Übellaut, besonders in solchen Fällen, wo die Verbindung der
Handlung und ihrer Absicht ohne hin schon deutlich ist. Sie thut sich
alle Gewalt an, um bewundert zu werden, Gell. Doch kann die Ründe und
Vollständigkeit der Rede oft das um nothwendig machen. Ich lebe nicht
um zu essen, sondern ich esse um zu leben, wo der Ründe etwas fehlen
würde, wenn man das um als überflüssig verschweigen wollte. Am
häufigsten und schicklichsten stehet das um, wenn die Absicht den Satz
anfängt, da es denn nicht leicht verschwiegen werden kann, wenn die
Rede nicht mangelhaft werden soll. Um die neue Welt zu erobern, mußte
man die Einwohner ausrotten, und um ihre Stelle wieder zu ersetzen,
mußte man Negern kaufen. Um diese Stärke zu zeigen, muß unsere Geduld
durch manche Fälle geübt seyn, Dusch. Um dich zu beruhigen, habe ich
diesen Entschluß gefaßt. Um nicht zu weitläufig zu werden, muß ich
abbrechen. Ein sehr unangenehmer Fehler ist es, wenn um in dieser
Bebindung gemißbraucht wird, noch andere Bedeutungen, als die Absicht
einer Handlung, zu bezeichnen, wozu sich viele durch das Fran-
zösische pour verleiten lassen. So vorsichtig ein anderer Richter ist,
um zu verbergen, daß er sich habe bestechen lassen, Raben. Wenn ich
innere Ruhe genug hätte, um mein Herz den Vergnügungen des Herzens zu
öffnen, Zimmerm. Doch große Herzen sind bestimmt, um hier zu leiden,
Cron. Wo um am unrechten Orte stehet, weil hier kein eigentliches
Verhältniß einer Handlung gegen ihre Absicht Statt findet. Fehler
dieser Art kommen überall sehr häufig vor. Noch widerwärtiger sind die
Oberdeutschen Arten des Gebrauchs, wo um für als daß gesetzet wird.
Die Sache redet zu klar, um von jemand mißkennet zu werden. Es ist
schon mit solchen triftigen Gründen bestärket worden, um es einer
fernern Ausführung nicht zu bedürfen, daß es - nicht bedarf. Er ist zu
tugendhaft, um nicht ein Christ zu seyn, Cron. III. Ein Nebenwort, wo
es wieder in verschiedenen Fällen vorkommt, welche insgesammt Figuren
der ersten eigentlichen Bedeutung des Vorwortes sind. 1. Im gemeinen
Leben wird um als ein Nebenwort häufig dem geradesten und kürzesten
Wege entgegen gesetzt. Der Weg ist um, führet um, wenn er uns nicht in
der geradesten und kürzesten Richtung nach dem verlangten Orte führet.
Von Leipzig nach Berlin über Dresden zu reisen, ist sehr oder viel um.
Daher die Zusammensetzungen umgehen, umfahren u. s. f. welche
vielleicht richtiger getheilet werden, indem um hier das Neben- und
nicht Vorwort ist. 2. Zu Ende, vorbey, das Ende einer bestimmten
Zeitdauer zu bezeichnen; am häufigsten auch nur im gemeinen Leben. Die
Stunde, die Woche, das Jahr ist um. Wenn meine Zeit um ist. Wenn ich
sie eher, als das Jahr um ist, fortjage, so muß ich ihr das ganze Lohn
bezahlen, Gell. 3. Um und um, für auf allen Seiten. Um und um mit
Wasser umflossen seyn. Die Stadt ist um und um mit Bergen umgeben.
Deine Hände haben mich gearbeitet, und gemacht alles, was ich um und
um bin, Hiob 10, 8. Wenn es um und um kommt, wenn sich die Sache
völlig entwickelt, wenn man sie genau, auf allen Seiten, betrachtet.
Weiser Damon, dessen Haupt Lorber um und um belaubt, Kleist. Das im
gemeinen Leben noch hin und wieder übliche um und an, ist in der
anständigen Schreibart veraltet, ob gleich Opitz es noch häufig als
eine Art einer intensiven Partikel gebraucht. Der Tod begehrt nichts
um und an; gar nichts, im geringsten nichts. Er wird die Völker um und
an, Wie recht um billig ist, entscheiden, Ps. 96, 7; in allen Stücken,
vollkommen. Ach so ist es um und an, Um die ganze Welt gethan, Gryph.
Anm. 1. Dieses Beywort kann nie anders als mit der vierten Endung
gebraucht werden, daher es ein Fehler ist, wenn man es zuweilen mit
der dritten findet. Die um Tyro und Sidon wohnen, Marc. 3, 8. Die wir
um Paulo waren, Apost. 21, 8. Wie dünkt euch um Christo, Matth. 22,
42; in welcher letztern Quelle um für von zugleich veraltet ist. Anm.
2. Dieses Wörtchen wird mit allerley Wörtern zusammengesetzt, und
bekommt alsdann auch mancherley Bedeutungen, welche sich doch
insgesammt auf eine der vorigen zurück führen lassen. Diese Wörter
sind, a) Partikeln, wo es theils voran, theils hinten steht: z. B.
umher, umsonst, ringsum, herum, rechtsum, linksum, kurzum; wohin auch
die relativen darum und warum gehören. In wiederum hat es die außer
dem veraltete
Bedeutung einer Wiederhohlung, welche noch in dem Schwed. om
angetroffen wird; lesa om, von neuen lesen. b) Nennwörter. Umkreis,
Umstand, Umweg, Umriß, Umgang, umgänglich u. s. f. c) Zeitwörter, da
denn die mit dieser Partikel verbundenen Zeitwörter, so wie die,
welche mit durch, über und unter zusammen gesetzt sind, den Ton bald
auf dem Zeitworte, bald auf dem Nennworte, haben. Auf dem Vorworte
liegt der Ton, wenn das Hauptwort, welches von dem um regieret werden
sollte, nicht ausdrücklich da stehet; welche Zeitwörter oft, obgleich
nicht allemahl, Neutro sind. In diesem Falle ist das Vorworte
trennbar, d. i. es wird in der Conjugation hinter dem Zeitworte
gesetzet. Es gehet in dem Hause um. Der Weg gehet weit um. Drehe es
um. Ich kehre um. Diese Zeitwörter haben das gewöhnliche Augmentum ge,
und im Infinitiv tritt das zu zwischen dem Vor- und Zeitworte:
umgedrehet, umzukehren. Man muß hier den Accusativ, der von dem
Zeitworte regieret wird, nicht mit dem verwechseln, welchen das
Vorwort haben sollte, welcher aber verschwiegen wird. In ein Ding
umkehren, umdrehen, umwenden, umstoßen, u. s. f. wird der Accusativ
von den Zeitwörtern kehren, drehen, wenden regieret; dagegen der zu um
gehörige Accusativ, um sich selbst, um seine Seite u. s. f.
verschwiegen wird. Wenn hingegen das zu um gehörige Hauptwort
ausdrücklich da stehet, so ruhet der Ton auf dem Zeitworte, und
alsdann ist das Vorwort untrennbar, das heißt, es bleibt durch die
ganze Conjugation vor seinem Zeitworte stehen. Wir umfahren die Welt.
Die ganze Gesellschaft umringte ihn. Das Augment bleibt in diesem
Falle weg, und im Infinitiv tritt das zu vor die ganze
Zusammensetzung. Mit Blumen umkränzt, nicht umgekränzt. Mit
Himmelsglanz zu umstrahlen. Einige Ausnahmen gibt es auch hier, welche
an den gehörigen Orten vorkommen werden. Die Bedeutungen der mit um
zusammen gesetzten Zeitwörter lassen sich insgesammt zu einer der
schon bey dem Vor- und Nebenworte angeführten Bedeutungen rechnen;
wohin denn auch die gehöret, wo es eine Wiederhohlung einer schon
gethanen Handlung, aber auf andere Art, bezeichnet, welche Bedeutung,
außer der Zusammensetzung, veraltet ist. Die Zeitwörter, in welchem
dieselbe Statt findet, haben den Ton insgesammt auf dem Vorworte, weil
der ganze Ausdruck figürlich und elliptisch ist, und der zu dem
Vorworte gehörige Accusativ eigentlich verschwiegen wird; umarbeiten,
etwas umschreiben, umschmelzen u. s. f. Die höhere Schreibart der
neuern hat viele neue Zeitwörter dieser Art, wo der Ton auf dem
Zeitworte liegt, eingeführt, und es können deren, wo es nöthig ist;
noch mehrere gewagt werden, wenn dabey nur der Wohllaut und die
Analogie nicht aus den Augen gesetzet werden. Umglänzen, umstrahlen,
umkränzen u. s. f. sind untadelhaft; aber umlorbern ist hart, weil wir
kein Zeitwort lorbern haben.
Anm. 3. Diese alte Partikel lautet schon
in dem Isidor, bey dem Kero und andern mit einer unnöthigen Endsylbe
umbi, umbe, welches sich nebst Blaselaute, als dem Begleiter des m,
auch in dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und
zum Theil auch in dem Lat. amb, welches doch nur in einigen
Zusammensetzungen vorkommt, befindet. Im Angelsächsischen lautet es
umb, ymb, im Schwed. om, im Isländ. um, im Wallisischen am, im
Dänischen omme, und selbst im Finnischen umbi. Der Begriff des
Umschweifes, im Gegensatze der kürzesten, geradesten Linie, ist ohne
Zweifel der Stammbegriff, welcher auch noch in allen übrigen
Bedeutungen zum Grunde liegen.
Umackern (W3) [Adelung]
Umackern,
verb. reg. act. ich ackere um, umgeackert, umzuackern, eigentlich, so
ackern, daß das unterste zu oberst komme; umpflügen, und da, wo man
für ackern ähren sagt, umähren. Ein Feld, ein Stück Landes umackern.
In einem ähnlichen Verstande ackert oder pflügt man eine Pflanze, eine
Staude um, wenn man sie im Ackern umreißet, umstößet. So auch die
Umackerung.
Umähren (W3) [Adelung]
Umähren,
verb. reg. act. S. das vorige.
Umändern (W3) [Adelung]
Umändern,
verb. reg. act. ich ändere um, umgeändert, umzuändern, völlig ändern,
völlig anders machen. So auch die Umänderung.
Umarbeiten (W3) [Adelung]
Umarbeiten,
verb. reg. act. ich arbeite um, umgearbeitet, umzuarbeiten. 1) So
bearbeiten, daß das unterste der Theile zu oberst komme, am
häufigsten, als ein allgemeiner Ausdruck für umackern, umpflügen,
umgraben, umhacken u. s. f. Einen Weinberg umarbeiten, umhacken. Ein
Stück Landes im Garten, es umgraben. Einen Haufen Getreides, ihn
umschaufeln. 2) Von neuen bearbeiten, eine Arbeit wiederhohlen, um sie
anders zu machen oder zu verbessern. Eine Schrift, einen Aufsatz
umarbeiten. So auch von Hand- und mechanischen Arbeiten. Daher die
Umarbeitung.
Umarmen (W3) [Adelung]
Umarmen,
verb. reg. act. ich umarme, umarmt, zu umarmen, mit den Armen
umfangen, umfassen. Einen Freund bey seiner Rückkunft umarmen. So auch
die Umarmung. Figürlich sind beyde Wörter in der edlern Schreibart
anständige Ausdrücke der ehelichen Beywohnung. Verbothene Umarmungen.
Einige Essener enthielten sich der geheimen Umarmung ihrer Weiber, so
bald diese zur Fortpflanzung überflüssig war, Zimmerm. Kero gebraucht
dafür kihalsen, und in Liefland und im Niederdeutschen ist noch halsen
und umhalsen für umarmen üblich.
Umbehalten (W3) [Adelung]
Umbehalten,
verb. reg. act. ich behalte um, umbehalten, umzubehalten, im gemeinen
Leben, ein Kleidungsstück, welches man um hat, um sich oder seinen
Leib behalten, es nicht ablegen. Den Mantel umbehalten.
Umber (W3) [Adelung]
Umber,
S. Umbra.
Umbiegen (W3) [Adelung]
Umbiegen,
verb. irreg. act. ( S. Biegen,) ich biege um, umgebogen, umzubiegen,
etwas, das gerade ist, nach einem Winkel biegen. Auch wohl, etwas, das
schon gebogen ist, nach einer andern Richtung biegen. So auch die
Umbiegung. In der edlern und höhern Schreibart würde man umbeugen
sagen.
Umbilden (W3) [Adelung]
Umbilden,
verb. reg. act. ich bilde um, umgebildet, umzubilden, was schon
gebildet war, nochmahls bilden, um es anders zu machen; am häufigsten
in der edlern Schreibart. Jemandes Character umbilden. So auch die
Umbildung.
Umbinden (W3) [Adelung]
Umbinden,
verb. irreg. ac. ( S. Binden.) 1. Umbinden, ich binde um, umgebunden,
umzubinden. 1) Um sich oder ein anderes Ding binden. Ein Tuch
umbinden, nähmlich um den Kopf. Einem Kinde ein Tuch umbinden. Die
Schürze umbinden, um den Leib. 2) Was schon gebunden war nochmahls
binden um es anders zu binden. Die Garben umbinden. Ein Buch umbinden.
So auch die Umbindung. 2. Umbinden, ich umbinde, umbunden, zu
umbinden, um etwas binden, mit dem Accusativ dieses Etwas. Einen Baum
mit Werk umbinden. Es kommt selten vor, weil in den meisten Fällen
umwinden dafür üblicher ist.
Umblasen (W3) [Adelung]
Umblasen,
verb. irreg. act. ( S. Blasen.) 1) Umblasen, ich blase um, umgeblasen,
umzublasen, durch Blasen umstoßen oder umwerfen. 2) Umblasen, ich
umblase, umblasen, zu umblasen, von allen Seiten anblasen, ein Wort,
welches nur selten vorkommt. Von den Winden umblasen werden.
Umbra (W3) [Adelung]
Die Umbra,
plur. car. oder die Umber-Erde, plur. doch nur von mehrern Arten, die
-n, eine dunkelbraune fette Erde, welche auf Kohlen einen
asphaltischen Geruch, und bey der Destillation ein Erdöhl, gibt;
Bergbraun. Man gebraucht sie zum Mahlen, und die so genannte Cölnische
Erde ist eine Art derselben. Der Nahme ist aus dem lat. Terra Vmbriae,
Creta Vmbria, weil sie in der Italiänischen Landschaft Umbrien zuerst
entdeckt worden.
Umbrechen (W3) [Adelung]
Umbrechen,
verb. irreg. act. ( S. Brechen,) ich breche um, umgebrochen,
umzubrechen. 1) Durch Brechen umbiegen, so umbiegen, daß es breche;
doch nur selten. Einen Baum umbrechen. 2) So brechen, daß das unterste
zu oberst komme; wo es doch nur in einigen Fällen für umpflügen,
umgraben, umwühlen u. s. f. üblich ist. Besonders bedeutet an einigen
Orten einen Boden umbrechen, ein noch nie gebautes Feld urbar machen.
Die wilden Schweine brechen den Boden um, bey den Jägern, wenn sie ihn
umwühlen; dergleichen Ort ein Saubruch genannt wird. 3) Was schon
gebrochen war nochmahls brechen, um es zu ändern ober anders zu
brechen. Gebrochene Servietten umbrechen. Die Buchdrucker brechen die
gesetzte Schrift um, wenn sie einen Theil der gesetzten und schon in
der Columne stehenden Zeilen von derselben abnehmen und zu einer
andern setzen. Daher die Umbrechung, in einigen Fällen.
Umbringen (W3) [Adelung]
Umbringen,
verb. irreg. act. ( S. Bringen,) ich bringe um, umgebracht,
umzubringen. 1) So fern um eine Wiederhohlung einer schon geschehenen
Sache mit einiger Veränderung bedeutet, ist umbringen in manchen
Fällen, so viel als umarbeiten. So wird im Bergbaue ein Kost
umgebracht, wenn das in der Röste schon Ein Mahl gebrannte Erz auf ein
anderes Feuer gebracht wird. 2) Um das Leben bringen, des Lebens
berauben. Sich selbst umbringen. Jemanden mit Gift umbringen. Obgleich
dieses Wort so wohl die Art und Weise, als auch die Rechtmäßigkeit und
Unrechtmäßigkeit der Beraubung des Lebens, unentschieden lässet, so
wird es von einer rechtmäßigen oder rechtlichen Handlung dieser Art
jetzt nicht leicht mehr gebraucht, wo man allenfalls noch sagt, von
dem Leben zum Tode bringen. Die Hauptwörter, die Umbringung und der
Umbringer, sind in dieser Bedeutung nicht üblich, ob sie gleich in
manchen Wörterbüchern aufgeführet werden.
Umbruch (W3) [Adelung]
Der Umbruch,
des -es, plur. die -brüche, im Bergbaue, die Führung eines Ortes in
Gestalt eines Stollens um einen Bruch, oder neben demselben hin in
einem festern Stein, und ein auf diese Art geführter Ort selbst. Es
stammet von umbrechen ab, in der sonst ungewöhnlichen Bedeutung, im
Brechen einen Umweg nehmen. Böhm. Umproch, welches aber aus dem
Deutschen entlehnet ist.
Umdecken (W3) [Adelung]
Umdecken,
verb. reg. act. ich decke um, umgedeckt, umzudecken, nochmahls decken,
um es anders zu decken. Den Tisch umdecken. Das Dach umdecken. Daher
die Umdeckung.
Umdornen (W3) [Adelung]
Umdornen,
verb. reg. act. ich umdorne, umdornt, zu umdornen, mit Dornen umgeben,
allenfalls in der dichterischen Schreibart. Und brich die Rosen aller
Freuden, Die keine Reu umdornt, Uz.
Umdrehen (W3) [Adelung]
Umdrehen,
verb. reg. act. ich drehe um, umgedrehet, umzudrehen. 1) Nach der
entgegen gesetzten Richtung drehen. Den Hahn am Fasse umdrehen. Der
Wind hat sich umgedrehet. Sich nach jemanden umdrehen. Einer Taube den
Hals umdrehen. 2) Im Kreise, um seine Achse drehen. Ein Rad umdrehen.
Die Kugel drehet sich um. So auch die Umdrehung.
Umdrucken (W3) [Adelung]
Umdrucken,
verb. reg. act. ich drucke um, umgedruckt, umzudrucken, was schon
gedruckt war, nochmahls drucken, um es anders zu drucken. Einen Bogen
umdrucken, bey den Buchdruckern. Daher die Umdruckung.
Umduften (W3) [Adelung]
Umduften,
verb. reg. act. ich umdufte, umduftet, zu umduften, mit Duft umgeben,
in der dichterischen Schreibart. Ihr Blümchen, die ihr mich umduftet,
Geßn. Umdüftet, (umduftet) von Gerüchen des jungen May, Dusch.
Umfahen (W3) [Adelung]
Umfahen,
verb. reg. act. ich umfahe, umfahen, zu umfahen, welches nur im
Oberdeutschen für umfangen üblich ist. Umfahe deine Kinder, 4 Esr. 2,
32. Umfahet Zion, Ps. 48, 13. Wer auf den Herrn hoffet, den wird Güte
umfahen, Ps. 32, 10. Außer der höhern Schreibart, in welcher es doch
auch selten mehr vorkommt, ist es im Hochdeutschen veraltet.
Umfahren (W3) [Adelung]
Umfahren,
verb. irreg. ( S. Fahren.) 1. Umfahren, ich fahre um, umgefahren,
umzufahren. 1. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, im Fahren
einen Umweg nehmen, nicht den möglichst kürzesten Weg fahren. Wir sind
viel umgefahren. 2) Als ein Activum, im Fahren umstoßen, umwerfen, zu
Boden fahren. Ein Kind, einen Baum umfahren. 2. Umfahren, ich umfahre,
umfahren, zu umfahren, um etwas herum fahren, mit dem Accusativ dieses
Etwas; besonders zu Wasser für umsegeln oder umschiffen. Eine Insel
umfahren. Die Erdkugel umfahren. Ein Vorgebirge umfahren. Daher die
Umfahrung, in dieser letzten Bedeutung.
Umfall (W3) [Adelung]
Der Umfall,
des -es, plur. inus. (welches Wort mit Unfall nicht zu verwechseln,)
der Zustand, da ein Ding umfällt. Der Umfall eines Baumes. Auch der
plötzliche Tod eines Stückes Vieh, ingleichen eine ansteckende
Krankheit unter dem Vieh ist unter dem Nahmen des Umfalles bekannt.
Umfallen (W3) [Adelung]
Umfallen,
verb. irreg. neutr. ( S. Fallen,) mit dem Hülfsworte seyn, ich falle
um, bin umgefallen, umzufallen, aus dem stehenden Zustande in den
liegenden fallen. Der Baum, die Mauer ist umgefallen. In Ohnmacht
sinken und umfallen. Figürlich wird es von dem Viehe und großen Thieren für sterben gebraucht. Es sind dem Schäfer hundert Stück
Schafe umgefallen. Es ist ihm ein Pferd, eine Kuh umgefallen. Wofür in
der anständigern Sprechart das einfache fallen üblicher ist.
Umfalzen (W3) [Adelung]
Umfalzen,
verb. reg. act. ich falze um, umgefalzt, umzufalzen, bey den
Buchbindern, anders falzen. Einen Bogen umfalzen.
Umfang (W3) [Adelung]
Der Umfang,
des -es, plur. obgleich seltener, die -fänge. 1) Der Raum, welcher
einen Körper auf der Seite einschließt. Die Stadt hält eine halbe
Meile im Umfange. Der Umfang des Gartens beträgt tausend Schritt. Der
Baum hält zwey Klafter im Umfange. Figürlich ist eine Sache von einem
großen Umfange, wenn sie sich sehr weit erstreckt, viele und wichtige
Folgen hat. ( S. auch Umkreis.) 2) Der Umschweif. Der Elephant kann
sich nicht wenden, ohne einen großen Umfang zu nehmen. Ingleichen
figürlich. Etwas mit zu vielem Umfange vortragen, Umschweif.
Umfangen (W3) [Adelung]
Umfangen,
verb. irreg. act. ( S. Fangen,) ich umfange, umfangen, zu umfangen,
auf allen Seiten einschließen. 1) Etwas mit einer Mauer umfangen,
Ezech. 42, 7: wofür umgeben, einschließen üblicher ist. 2) Mit den
Armen, wofür man lieber umarmen gebraucht; bey dem Ottfried.
iutfiangen, bey dem Willeram umbegriphan. Sie umfingen und küsseten
sich zu guter letzt, 3 Macc. 5, 46. Der König umfing mit seinen Armen
die Esther, St. Esth. 4, 8. 3) Umgeben, in welcher Bedeutung es noch
zuweilen von den Dichtern um des Reimes willen gebraucht wird; bey dem
Notker umbefangen. Es hatten mich umfangen die Schmerzen des Todes, 2
Sam. 22, 5. Von Furcht umfangen. Im Oberdeutschen ist in allen diesen
Fällen auch umfahen üblich.
Umfärben (W3) [Adelung]
Umfärben,
verb. reg. act. 1) Umfärben, ich färbe um, umgefärbt, umzufärben,
anders färben. Ein Stück Zeug umfärben. Daher die Umfärbung. 2)
Umfärben, ich umfärbe, umfärbt, zu umfärben, auf allen Seiten färben,
in der dichterischen Schreibart. Ein glühend Roth umfärbte seine
Wangen, Haged.
Umfassen (W3) [Adelung]
Umfassen,
verb. reg. act. 1) Umfassen, ich fasse um, umgefaßt, umzufassen,
anders fassen. Einen Schmuck von Brillanten umfassen lassen. Daher die
Umfassung. 2. Umfassen, ich umfasse, umfaßt, zu umfassen, ein Ding
seinem Umfange nach fassen oder einschließen. Eigentlich mit der Hand.
Etwas mit der Hand umfassen. Es ist zu dick, ich kann es nicht
umfassen. ( S. auch Umspannen.) Zuweilen auch mit den Armen, obgleich
nur in einigen Fällen. Ich umfaßte dem die Knie, den ich verachtete,
Dusch. In andern Fällen ist dafür umarmen üblicher. Ingleichen
figürlich, auf allen Seiten umgeben, einschließen, auch nur in einigen
Fällen. Das liebliche Blau des alles umfassenden Himmels. In andern
Fällen ist umgeben üblicher.
Umflattern (W3) [Adelung]
Umflattern,
verb. reg. act. ich umflattere, umflattert, zu umflattern, um etwas
herum flattern, es flatternd umgeben, in der dichterischen Schreibart.
Umflattere Zephyr deine Nymphen, Geßn.
Umflechten (W3) [Adelung]
Umflechten,
verb. irreg. act. ( S. Flechten,) ich umflechte, umflochten, zu
umflechten, auf allen Seiten beflechten. Daher die Umflechtung.
Umfliegen (W3) [Adelung]
Umfliegen,
verb. irreg. act. ( S. Fliegen,) ich umfliege, umflogen, zu umfliegen,
um etwas herum fliegen, besonders in der dichterischen Schreibart.
Umfließen (W3) [Adelung]
Umfließen,
verb. irreg. act. ( S. Fließen,) um etwas herum fließen. Das Meer
umfließt die Insel, der Fluß die Stadt. Mit Wasser umflossenes Land.
Umsonst umfloß der Himmel mit Sternen übersät, Ihr hingebücktes
Antlitz in heller Majestät, Dusch.
Umformen (W3) [Adelung]
Umformen,
verb. reg. act. ich forme um, umgeformt, umzuformen, anders formen.
Daher die Umformung.
Umfrage (W3) [Adelung]
Die Umfrage,
plur. car. die an mehrere gleichsam im Kreise herum gethane Frage. Im
Dorfe Umfrage halten, die Einwohner nach der Reihe herum befragen.
Besonders bey Sammlung der Stimmen, welche nach der Reihe herum
geschiehet. Umfrage halten. Etwas in Umfrage bringen.
Umfragen (W3) [Adelung]
Umfragen,
verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, ich frage um, umgefragt,
umzufragen, nach der Reihe herum fragen, Umfrage halten. S. das
vorige.
Umführen (W3) [Adelung]
Umführen,
verb. reg. act. ich führe um, umgeführet, umzuführen, durch einen
Umweg führen. Das Volk umführen, 2 Mos. 13, 18.
Umfüllen (W3) [Adelung]
Umfüllen,
verb. reg. act. ich fülle um, umgefüllt, umzufüllen, anders füllen.
Das Bier umfüllen, es auf ein anderes Gefäß füllen. Daher die
Umfüllung.
Umfurkeln (W3) [Adelung]
Umfurkeln,
verb. reg. act. ich furkle um, umgefurkelt, umzufurkeln, bey den
Jägern, die Furkeln anders stellen. Daher die Umfurkelung.
Umgaffen (W3) [Adelung]
Umgaffen,
verb. reg. recipr. ich gaffe um, umgegafft, umzugaffen. Sich umgaffen,
sich mit aufgesperrtem Munde umsehen.
Umgang (W3) [Adelung]
Der Umgang,
des -es, plur. die -gänge, von dem Zeitworte umgehen. 1. Die Handlung
des Umgehens, in verschiedenen Bedeutungen dieses Zeitwortes. 1) Der
Zustand, da ein Ding umgehet, d. i. sich um seine Achse drehet. Der
Umgang eines Rades. Ein Rad thut drey Umgänge, indem ein anderes ihrer
neun vollbringet oder verrichtet. Ein Rad in den Umgang bringen, in
den Gang. 2) Diejenige Handlung, da man herum gehet, oder um etwas
herum gehet. In dieser Bedeutung wird besonders eine feyerliche
Procession mehrmahls ein Umgang genannt. Einen feyerlichen Umgang
halten. Die Umgänge in der Römischen Kirche, die Processionen. In
einigen Gegenden sind auch die feyerlichen zu gewissen Zeiten
angestellten Besichtigungen der Gränzen und Marken unter dem Nahmen so
wohl der Umgänge als auch der Untergänge bekannt. ( S. Umgänger.) 3)
Einen Gang, so fern er auf einem Umweg geschiehet, und dem geraden,
möglichst kürzesten Weg entgegen gesetzt ist. Einen Umgang nehmen,
wofür doch einen Umweg nehmen üblicher ist. Mit dem Nebenbegriffe, daß
man durch einen solchen Umgang dem auf dem geradesten Wege
befindlichen Dinge ausweicht, ist Umgang nehmen oder haben, ohne
Plural, etwas vermeiden, demselben ausweichen, umhin können, wo es so
wohl mit der vierten Endung, als auch, und besonders im Oberdeutschen,
mit der zweyten verbunden wird. Erröthen sie, wenn sie es oder dessen
nicht Umgang haben, oder nehmen können, wenn sie es nicht vermeiden
können. Eines Dinges keinen Umgang haben können, es nicht vermeiden,
auch wohl es nicht entbehren können, es unumgänglich nöthig haben. Ich
habe keinen Umgang nehmen wollen, dir solches zu berichten, wird auch
zuweilen für Anstand, Aufschub nehmen, gebraucht; im Oberdeutschen
keinen Umtrieb nehmen. 4) Von der R. A. mit jemanden umgehen, ist der
Umgang gleichfalls ohne Plural, eine mehrmahlige gesellschaftliche
Gegenwart oder Zusammenkunft zwischen zwey Personen, wo Umgang
allerdings mehr sagt, als die bloße Bekanntschaft. Personen, welche
mit einander in einem und eben demselben Collegio sitzen, haben
Bekanntschaft mit einander, stehen auch auf mancherley Art mit
einander in Verbindung; allein daraus folgt noch nicht, daß sie eben
Umgang mit einander haben müssen, wozu gesellschaftliche Verbindung
gehöret. Umgang mit jemanden haben, mit ihm umgehen. Starken, vielen
Umgang mit verdächtigen Personen haben. Ich habe keinen Umgang mit
ihm. Allen Umgang mit jemanden aufheben. Mit jemanden Umgang halten,
für haben, ist nur im gemeinen Leben üblich. Wer mit niemand Umgang
hält Schilt auf die verdorbne Welt, Lichtw. Da es denn auch wohl
collective von denjenigen Personen gebraucht wird, mit welchen man
gewöhnlich umgehet. Vielen Umgang haben. 2. Ein Gang, auf welchem man
um ein Gebäude oder Stockwerk herum gehen kann. Einen Umgang an der
Wand des Hauses rings umher bauen, 1 Kön. 6, 5. Oben der Umgang am
Tempel, Sir. 50, 2. Gott wandelt im Umgange des Himmels, Hiob 22, 14.
Im Niederdeutschen wird der Kreuzgang in den Klöstern der Umgang
genannt.
Umgänger (W3) [Adelung]
Der Umgänger,
des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten auf dem Lande, geschworne
Personen, welche die Gränzen und Marksteine umgehen, und die darüber
entstandenen Streitigkeiten als Richter entscheiden; an andern Orten
Untergänger.
Umgänglich (W3) [Adelung]
Umgänglich,
-er, -ste, adj. et adv. Fertigkeit besitzend, gern mit jedermann
umzugehen, und darin gegründet. Ein sehr umgänglicher Mann. Ein
umgängliches Betragen. Daher die Umgänglichkeit. Von umgänglich,
dessen man Umgang haben kann, dessen man entrathen kann, ist nur der
Gegensatz unumgänglich üblich.
Umgeben (W3) [Adelung]
Umgeben,
verb. irreg. act. ( S. Geben.) 1. Umgeben, ich gebe um, umgegeben,
umzugeben. 1) Anders geben, obgleich nur selten. Die Karten umgeben.
2) Jemanden den Mantel umgeben, mit der dritten Endung der Person, ihm
den Mantel umhängen. 2. Umgeben, ich umgebe, umgeben, zu umgeben, auf
allen Seiten einschließen. Eine Stadt mit einer Mauer, einen Garten
mit einem Graben umgeben. Mit Wasser umgeben seyn. Die Sodomiter
umgaben Lots Haus, 1 Mos. 19, 4. Es haben mich umgeben Leiden ohne,
Zahl, Ps. 40, 13. Auf allen Seiten mit Gefahr umgeben seyn.
Umgehen (W3) [Adelung]
Umgehen,
verb. irreg. ( S. Gehen.) 1. Umgehen, ich gehe um, umgegangen,
umzugehen, ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. 1) Um seine Achse
gehen, sich um seine Achse drehen. Das Rad geht um. Figürlich ist es
im gemeinen Leben einiger Gegenden so viel als zu Ende gehen, um seyn.
Wenn das Jahr umgegangen ist, besser zu Ende gegangen ist. Nach einer
andern Figur sagt man im Hüttenbaue, die Hütten gehen um, wenn in
denselben geschmelzet wird. 2) Herum gehen, umher gehen. (a)
Eigentlich; wo es doch in der edlen Schreibart veraltet ist. Schon bey
dem Notker umbegaan. Ich will in der Stadt umgehen auf den Gassen,
Hohel. 3, 1. Die Wächter, die in der Stadt umgehen, V. 3. Nimm die
Harfe, gehe in der Stadt um, Es. 13, 16. (b) Figürlich sagt man im
gemeinen Leben, es geht in dem Hause um, wenn sich Gespenster in
demselben vermerken lassen; wo es aber das Hülfswort haben bekommt. In
meinen Keller selbst geht's um, Ich hör' oft ein Gesause, Less. 3) Im
Kreise herum gehen. (a) Eigentlich. So sagt man noch, wenn man
schwindlich ist. Das ganze Zimmer gehet mit mir um, wenn es sich im
Kreise herum zu drehen scheinet. (b) In engerer Bedeutung ist umgehen,
im Gehen einen Umweg nehmen, nicht den geraden und möglichst kürzesten
Weg gehen. Wir sind eine ganze Meile umgegangen. 4) Mit etwas, mit
jemanden, auf etwas umgehen, lauter figürliche Bedeutungen einer
unbekannten eigentlichen, oder, wo wenigstens das Mittel der
Vergleichung dunkel ist. Da die Deutsche Sprache viele Ausdrücke nach
dem Lateinischen gemodelt, und oft buchstäblich übersetzt hat, so
scheinet es fast, daß umgehen hier nach dem Lat. versari gemodelt
worden, welches man von vertere abgeleitet, da denn diese R. A.
Figuren der vorigen dritten oder auch der ersten Bedeutung seyn
würden. Das Schwed. omga hat eben dieselben Bedeutungen. (a) Mit etwas
umgehen, sich damit beschäftigen, damit zu thun haben; doch eben auch
nicht in allen Fällen. Mit Wolle, mit Flachs, mit Federn umgehen.
Womit man umgeht, das klebt einem an. Es sind Leute, die mit Vieh
umgehen, 1 Mos. 46, 32. Mit Lügen, mit Ränken, mit bösen Streichen
umgehen, Fertigkeit besitzen, sich ihrer bedienen. Stets mit Gottes
Wort umgehen, sich damit beschäftigen, Sir. 14, 22. Mit Weißagen und
Zaubern umgehen, 2 Kön. 17, 17. ist ungewöhnlich, indem umgehen nur
alsdann üblich zu seyn scheinet, theils, wenn der Gegenstand ein
eigentliches Hauptwort ist, theils auch, wenn derselbe eine unerlaubte
oder gleichgültige Sache ist. Doch sagt man noch mit der Wahrheit
umgehen, die Wahrheit reden, 1 Mos. 42, 16; aber nicht mit
Rechtschaffenheit, mit Tugend umgehen. (b) Mit oder auf etwas umgehen,
bedeutet oft auch, es vorhaben, es auszuführen suchen, auch nur von
entweder gleichgültigen, oder unerlaubten Dingen. Mit einer Reise oder
auf eine Reise umgehen, sie ins Werk zu richten suchen. Sein Herz
gehet mit Unglück um, Es. 32, 6. Ich weiß, worauf der Junker umgeht,
Weiße. Auf große Dinge, oder mit großen Dingen umgehen, auf Krieg
umgehen. Hingegen sagt man nicht, auf eine gute Handlung mit einem
guten Werke u. s. f. umgehen. (c) Mit jemanden umgehen, mehrmahls in
gesell- schaftlicher Absicht mit ihm zusammen kommen, Umgang mit ihm
haben. Mit vielen Personen umgehen. Nur mit rechtschaffenen Leuten
umgehen. Es ist nicht gut mit ihm umgehen. ( S. Umgang.) (b) In einem
andern Verstande gebraucht man diese R. A. die Art und Weise der
persönlichen Behandlung oder Begegnung zu bezeichnen. Gütig,
freundlich, gelinde mit jemanden umgehen, ihn so behandeln. Am
häufigsten von einer nachtheiligen Behandlungsart. Hart, grausam,
schimpflich mit jemanden umgehen. Der Herr wird wunderlich mit dir
umgehen, 5 Mos. 28, 59. Sie gehen schändlich mit mir um, 2 Chron. 11,
4. 2. Umgehen, ich umgehe, umgangen, zu umgehen, ein Activum, um etwas
herum gehen, mit dessen Meldung in der vierten Endung. 1) Eigentlich.
Eine Stadt, einen Wald umgehen, rings um dieselben herum gehen. Man
kann die Stadt in einer Stunde umgehen. In engerer Bedeutung umgehet
man die Gränzen, oder eine Flur, wenn sie von den dazu verordneten
Geschwornen besichtigt werden, wofür an einigen Orten auch untergehen
üblich ist. ( S. Umgang und Umgänger.) 2) Figürlich sagt man, man
könne etwas umgehen, so wohl, wenn man es vermeiden, demselben
ausweichen kann, wenn man umhin kann es zu thun, als auch zuweilen,
wenn man es entbehren kann. Ich habe nicht umgehen können, dir solches
zu melden. Indessen ist dafür im Hochdeutschen Umgang haben oder
nehmen üblicher, S. dieses Wort.
Umgeld (W3) [Adelung]
Das Umgeld,
S. Ungeld.
Umgießen (W3) [Adelung]
Umgießen,
verb. irreg. act. ( S. Gießen.) 1) Umgießen, ich gieße um, umgegossen,
umzugießen, anders gießen. Den Wein umgießen, ihn auf ein anderes
Gefäß gießen. Eine Bildsäule umgießen, sie anders gießen. 2. Umgießen,
ich umgieße, umgossen, zu umgießen, einen flüssigen oder flüssig
gemachten Körper um einen andern herum gießen. Etwas mit Zucker, mit
Wachs umgießen.
Umgraben (W3) [Adelung]
Umgraben,
verb. irreg. act. ( S. Graben.) 1) Umgraben, ich grabe um, umgegraben,
umzugraben, so graben, daß das untere zu oberst komme. Ein Stück Land
in dem Garten umgraben. Daher das Umgraben. 2. Umgraben, ich umgrabe,
umgraben, zu umgraben, um etwas herum graben. Einen Baum umgraben.
Daher die Umgrabung.
Umgränzen (W3) [Adelung]
Umgränzen,
verb. reg. act. ich umgränze, umgränzt, zu umgränzen, auf allen Seiten
mit Gränzen einschließen, besonders in dem Mittelworte: begränzen. Ein
Land, welches mit Bergen, mit Wasser umgränzt ist. Die Ausdehnung der
Körper ist umgränzt und eingeschränkt. Daher die Umgränzung.
Umgreifen (W3) [Adelung]
Umgreifen,
verb. irreg. act. ( S. Greifen,) ich umgreife, umgriffen, zu
umgreifen, mit dem Griffe, mit der innern Hand ganz umfassen. Noch
läßt sich der Baum umgreifen.
Umgucken (W3) [Adelung]
Umgucken,
verb. reg. recipr. Sich umgucken, sich umsehen. Ich gucke mich um,
umgeguckt, umzugucken.
Umgürten (W3) [Adelung]
Umgürten,
verb. reg. act. 1. Umgürten, ich gürte um, umgegürtet, umzugürten. 1)
Als einen Gurt oder vermittelst eines Gurtes um ein Ding befestigen,
mit Verschweigung dieses Dinges. Einen Degen umgürten. 2) Anders
gürten. 2. Umgürten, ich umgürte, umgürtet, zu umgürten, wie das
vorige, nur daß hier das zu um gehörige Hauptwort in der vierten
Endung ausdrücklich da ist. Lasset eure Lenden umgürtet seyn, Luc. 12,
35. Mit Stricken umgürtet sitzen, Bar. 6, 42. Auf ihren Gassen gehen
sie mit Säcken umgürtet, Es. 15, 3. Die junge Stirn umgürtet mit einem
Lorbeerkranz, Dusch; wo doch die Figur ein wenig hart ist. Daher die
Umgürtung. Schon bey dem Ottfried umbigurtan.
Umhaben (W3) [Adelung]
Umhaben,
verb. irreg. neutr. ( S. Haben,) mit haben, ich habe um, umgehabt,
umzuhaben, um sich haben, doch nur von Kleidungsstücken, welche man um
sich legt oder nimmt. Einen Mantel umhaben. Kein Halstuch umhaben. Der
Scharlacken (Scharlach,) den sie umhaben, Bar. 6, 71.
Umhacken (W3) [Adelung]
Umhacken,
verb. reg. act. 1. Umhacken, ich hacke um, umgehackt, umzuhacken. 1)
Durch Hacken oder Hauen umwerfen, zu Boden hacken. Einen Baum
umhacken, besser umhauen. 2) Mit Hacken umarbeiten, so hacken, daß das
untere zu oberst komme. Die Erde umhacken. Die Berge umhacken, Es. 7,
27. 2. Umhacken, ich umhacke, umhackt, zu umhacken, auf allen Seiten
behacken; doch nur selten. Einen Baum umhacken, die Erde rings herum
aufhacken.
Umhalsen (W3) [Adelung]
Umhalsen,
verb. reg. act. ich umhalse, umhalset, zu umhalsen, welches nur im
gemeinen Leben für umarmen üblich ist, ( S. dasselbe.) Bey dem Kero
kihalsen, bey dem Ottfried und Schwäbischen Dichtern helsan, Nieders.
halsen.
Umhang (W3) [Adelung]
Der Umhang,
des -es, plur. die -hänge, dasjenige, was um ein Ding herum gehänget
wird, wie Vorhang, was vor dasselbe gehänget wird. Der Umhang eines
Bettes oder um ein Bett. Du sollst auch der Wohnung einen Hof machen,
einen Umhang von gezwirnter weißer Seide, 2 Mos. 27, 9. Im Schwabensp.
Umbhenge.
Umhängen (W3) [Adelung]
Umhängen,
verb. reg. act. 1. Umhängen, ich hänge um, umgehängt, umzuhängen. 1)
Um ein Ding hängen, mit dessen Verschweigung, oder mit dessen Meldung
in der dritten Endung. Einen Mantel umhängen, nähmlich um sich. Der
Bildsäule einen Mantel umhängen. Kaum hatte noch des Schneiders Hand
Dem Affen ein erflickt Gewand Von bunten Flecken umgehangen, Gell. Wo
das Neutrum irrig für das Activum umgehängt stehet. Umhangen von dem
Neutro hangen ist nicht gewöhnlich. 2) Anders hängen. Die Kleider in
dem Schranke umhängen. 2. Umhängen, ich umhänge, umhängt, zu umhängen,
auf allen Seiten behängen, am häufigsten in der dichterischen
Schreibart. Ein Bett mit Sammet umhängt. Seltener für um sich hängen.
So sang Calliope, die voll Entzücken Umhängt mit ihrer goldnen Tuba
kam, Raml.
Umhauen (W3) [Adelung]
Umhauen,
verb. irreg. act. ( S. Hauen,) ich haue um, umgehauen, umzuhauen,
abhauen, damit es umfalle. Einen Baum umhauen, ihn fällen; im gemeinen
Leben, ihn umhacken. Einen Wald umhauen, alle Bäume in dem Walde.
Daher die Umhauung.
Umher (W3) [Adelung]
Umher,
adv. welches von um und her zusammen gesetzet ist, und in der
anständigern Schreib- und Sprechart für herum gebraucht wird. Man
gebraucht dieses Nebenwort, wenn das Haupt- oder Fürwort, welches von
um regieret werden sollte, nicht ausdrücklich da stehet; er sahe
umher. Ist es aber ausdrücklich vorhanden, so stehet es zwischen um
und her in der Mitte, welche alsdann nicht mehr Ein Wort sind; er sahe
um sich her. Umher bedeutet: 1) Die Richtung längs des äußern Umfanges
eines Dinges; im gemeinen Leben herum, rings oder rund herum. Umher
mit Golde eingefaßt, 2 Mos. 28, 11. Die Leisten umher, Kap. 25, 25. 2)
In unbestimmter Nähe oder Ferne um einen Gegenstand; im gemeinen Leben
herum. Alle, welche umher standen, herum, um ihn oder uns her. Jesus
sahe sie alle umher an, Luc. 6, 10. Sein Gerücht erschall bald umher in die Gränze "Galiläa", Marc. 1, 28. Die Eiche beschattet das Land weit
umher. Sieh, die Blume richtet sich auf; voll blitzender Perlen Lacht
sie schöner umher, Zach. So auch umher sprengen, umher legen, umher
liegen u. s. f. 3) Ohne bestimmte Richtung der Bewegung, besonders,
wenn eine solche unstäte Bewegung gewisser Maßen im Kreise gedacht
werden kann; im gemeinen Leben herum. Umher laufen, schweifen, gehen,
irren, fliegen u. s. f. Die phantasierenden Sinnen Schweiften in
goldnen Träumen umher, Zach. Ohne Retter irr ich umher, Raml.
Anm. Da
dieses Wort ein wahres Nebenwort ist, so ist es nicht allein unnöthig,
sondern auch wider den ganzen Sprachgebrauch, es mit den Zeitwörtern,
denen es beygesellet wird, als Ein Wort zu schreiben, umherstehen; wir
von vielen geschiehet. Man schreibt ja nicht nahestehen, weitliegen u.
s. f. Wenn das Hauptwort, worauf sich das um in der Zusammensetzung
beziehet, ausdrücklich ausgedruckt werden soll, so muß demselben ein
neues um vorgesetzet werden. Warum wandert der arme Gedanke traurig um
ihre Gräber umher?
Umhin (W3) [Adelung]
Umhin,
adv. von um und hin, um etwas hin, wofür man auch wohl im gemeinen
Leben hinum sagt; gleichfalls mit Verschweigung des zu um gehörigen
Hauptwortes. Umhin gehen, um etwas herum und fortgehen. Wird das
Hauptwort ausgedruckt, so stehet es zwischen um und hin in der Mitte.
Um das Vorgebirge hin segeln. Um den Berg hin gehen. Indessen ist
umhin in diesem eigentlichen Verstande im Hochdeutschen veraltet, wo
man es mit dem Zeitworte können nur noch im figürlichen Verstande
gebraucht; besonders mit der Verneinung. Nicht umhin können, nicht
vermeiden, nicht Umgang haben können. Ich kann nicht umhin, dir dieses
zu berichten. Ich konnte nicht umhin, mich deßhalb zu beklagen.
Umhören (W3) [Adelung]
Umhören,
verb. reg. recipr. ich höre mich um, umgehört, umzuhören, um sich her
nach etwas hören, wie sich umsehen. Es ist nur im gemeinen Leben für
sich erkundigen üblich. Man muß sich darnach umhören, darnach
erkundigen.
Umhüllen (W3) [Adelung]
Umhüllen,
verb. reg. act. ich umhülle, umhüllt, zu umhüllen, auf allen Seiten
verhüllen. Sein Haupt mit Flor umhüllen. Wann du mich nicht liebst,
dann umhüllt ein dicker Nebel die ganze Gegend, Geßn. Daher die
Umhüllung.
Umhüpfen (W3) [Adelung]
Umhüpfen,
verb. reg. act. ich umhüpfe, umhüpft, zu umhüpfen, um etwas her
hüpfen, in der dichterischen Schreibart. Du kleiner Zephyr, der du
mich umhüpfest, Geßn.
Umkehr (W3) [Adelung]
Die Umkehr,
plur. car. von dem folgenden Zeitworte, die Handlung, da man auf
seinem Wege umkehret; am häufigsten im figürlichen Verstande,
sittliche Besserung, wovon die Bekehrung eine Art ist. Ich bin seiner
Umkehr so gewiß, daß ich ihn schon im voraus darum liebe, Less.
Umkehren (W3) [Adelung]
Umkehren,
verb. reg. ich kehre um, umgekehrt, umzukehren, welches in doppelter
Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, die
Richtung seiner Bewegung ändern, um sie nach der entgegen gesetzten
fortzusetzen. Wer von Osten nach Westen gehet, kehret um, wenn er
diese Richtung ändert und von Westen nach Osten gehet, woher er
gekommen war. Auf dem Wege umkehren. Wir sind bald umgekehret. Ich
will wieder umkehren in mein Haus, Matth. 12, 44. Figürlich zuweilen
seine sittliche Beschaffenheit bessern, sich bekehren. Daß ihr
umkehret und werden wie die Kinder, Matth. 18, 3. S. die Umkehr. 2.
Als ein Activum, um seinen Schwerpunct kehren, so kehren, daß das
untere oben, das vordere hinten komme. 1) Eigentlich. Den Spieß, den
Stock, den Griffel umkehren. Den Wagen umkehren, so daß das
Vordertheil dahin gerichtet werde, wohin vorher das Hintertheil
gekehret war. Den Rock umkehren, daß das Futter oben komme. Ein Blatt
in einem Buche umkehren, besser umwenden. Sich im Bette umkehren.
Umkehren, umdrehen und umwenden kommen in dieser Bedeutung der Sache
nach mit einander überein, sind aber doch noch in manchen
Nebenumständen verschieden. 2) Figürlich. (a) Jemanden umkehren, ich
anderes Sinnes machen. Er ist ganz umgekehrt, er ist ganz anders
beschaffen, als ehedem. (b) Es kehrt sich um, es findet das Gegentheil
Statt. Freunde, Wasser machet stumm, Lernet dieses an den Fischen;
Doch beym Weine kehrt sichs um, Dieses lernt an unsern Tischen, Less.
(c) Alles umkehren, in die äußerste Verwirrung bringen. (d) Eine
Stadt, ein Land umkehren, von Grund aus verwüsten. Gott hat der Heiden
Land umgekehrt und zu Grund verderbet, Sir. 10, 19. Daher die
Umkehrung in der Bedeutung des Activi. Das Zeitwort lautet schon bey
dem Ottfried umbikeren.
Umkippen (W3) [Adelung]
Umkippen,
verb. reg. ich kippe um, umgekippt, umzukippen. Es wird so wohl als
ein Neutrum mit seyn, als auch als ein Activum gebraucht; so kippen,
daß es falle. Der Wagen kippt um, ist umgekippt. Die Arbeiter kippten
den Stein um.
Umklammern (W3) [Adelung]
Umklammern,
verb. reg. act. ich umklammere, umklammert, zu umklammern, mit fest
eingeschlagenen Klauen oder fest angeschlagenen Händen umfassen; ein
nur im gemeinen Leben übliches Wort, obgleich Kleist singt: Sie (die
Bäre) schwommen Zum nahen Walde mit Schnauben, umklammerten Tannen und
Eichen.
Umkleiden (W3) [Adelung]
Umkleiden,
verb. reg. act. 1) Umkleiden, ich kleide um, umgekleidet, umzukleiden,
anders ankleiden, am häufigsten als ein Reciprocum. Sich umkleiden. 2)
Umkleiden, ich umkleide, umkleidet, zu umkleiden, auf allen Seiten
bekleiden; nur in der dichterischen Schreibart.
Umkommen (W3) [Adelung]
Umkommen,
verb. irreg. neutr. ( S. Kommen,) ich komme um, umgekommen,
umzukommen. Es erfordert das Hülfswort seyn, und ist aus der R. A. um
das Leben kommen zusammen gesetzt, sein Leben außer dem von der Natur
gesetzten Ziele auf eine zufällige Art verlieren, es geschehe nun auf
eine eigentliche gewaltsame Art oder nicht. Vor Kälte, vor Hunger
umkommen. Der Kranke mußte, aus Mangel der Pflege, auf eine elende Art
umkommen. Im Feuer, im Wasser umkommen. In der Schlacht, vor dem
Feinde umkommen, wo doch bleiben üblicher ist. Das biblische durchs
Schwert umkommen, wird allenfalls noch in der höhern oder
dichterischen Schreibart gebraucht. Zuweilen auch figürlich, von
leblosen Dingen, ungebraucht verderben. Sammlet die übrigen Brocken,
daß nichts umkomme, Joh. 6, 12. Nichts umkommen lassen. Allein die
biblischen Bedeutungen, ihr Gedächtniß soll umkommen, Ps. 9, 7; der
Gottlosen Erbgut wird umkommen, Sir. 41, 9, für vergehen, ausgerottet
werden, sind veraltet. Ehedem bedeutete es auch zu Ende kommen, das
ist, zu Ende gehen, um seyn. Da das Jahr umkam, 2 Sam. 11, 1. Welche
Bedeutung aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist, so wie die
Niederdeutsche, wo es für umkehren, zurück kommen, gebraucht wird.
Anm. Wachter glaubte, daß das einfache Zeitwort kommen, ehedem auch
vergehen, verderben, bedeutet habe; allein er bedachte nicht, daß
diese Bedeutung bloß in dem Vorworte gegründet ist. Umkommen ist in
der heutigen gangbaren Bedeutung entweder aus um das Leben kommen
zusammen gezogen, oder auch noch dem Latein. interire gebildet.
Ulphilas gebraucht dafür fraquiman, die heutigen Schweden förkomma,
und die Niederdeutschen verkamen.
Umkrämpen (W3) [Adelung]
Umkrämpen,
verb. reg. act. ich krämpe um, umgekrämpt, umzukrämpen, etwas als eine
Krämpe umlegen.
Umkränzen (W3) [Adelung]
Umkränzen,
verb. reg. act. ich umkränze, umkränzt, zu umkränzen, mit einem Kranze
umgeben, am häufigsten in der dichterischen Schreibart. Ich will mein
kahles Haupt umkränzen. Umkränzt mit Rosen eure Scheitel, Noch stehen
euch die Rosen gut, Haged.
Umkreis (W3) [Adelung]
Der Umkreis,
des -es, plur. die -e, eigentlich die krumme Linie, welche eine
Zirkelfläche einschließet, die Zirkellinie, Peripheria. Der Umkreis
eines Zirkels, eines Rades, einer Kugel. In weiterer Bedeutung, die
Linien, welche eine Fläche, oder die Flächen, welche einen Körper
einschließen, zusammen genommen, der Umfang, Perimeter. Die Insel, die
Provinz hält zehn Meilen im Umkreise. Das Land hat einen großen
Umkreis. Am üblichsten ist es, wenn das Maß dieses Umfanges bestimmt
wird. Ein Baum, welcher vier Klafter im Umkreise hält. Kero gebraucht
dafür Umbicirch, in einigen Gegenden noch jetzt Umbezirk, Ottfried
Umbiring. Im Tatian hingegen ist Umbiwerft, der Erdkreis.
Umladen (W3) [Adelung]
Umladen,
verb. irreg. act. ( S. Laden;) ich lade um, umgeladen, umzuladen,
anders laden. Einen Wagen umladen. Auch eine Last von einem Wagen oder
Fahrzeuge auf ein anderes laden. Daher die Umladung.
Umlagern (W3) [Adelung]
Umlagern,
verb. reg. act. 1) Umlagen, ich lagere um, umgelagert, umzulagern,
anders lagern; doch nur selten. 2) Umlagern, ich umlagere, umlagert,
zu umlagern, auf allen Seiten belagern, in der dichterischen
Schreibart. Umlägert (umlagert) bin ich hinter mir Und fornen an
zugleich vor dir, Opitz. Undurchdringliche Nächte umlagern mich von
allen Seiten. Daher die Umlagerung.
Umlauf (W3) [Adelung]
Der Umlauf,
des -es, plur. die -läufe, von dem folgenden Zeitworte. 1. Der
Zustand, die Bewegung, da ein Ding umläuft; ohne Plural. 1) Da es um
seine Achse läuft. Der Umlauf des Rades. Von einzelnen Bewegungen, so
fern durch jede derselben der Umkreis Ein Mahl vollendet wird, ist
auch hier der Plural üblich. Das Rad macht in einer Minute zehn
Umläufe, drehet sich zehn Mahl um seine Achse herum. 2) Die Bewegung
eines Körpers in einem Kreise; der Kreislauf. Der jährliche Umlauf der
Sonne, ihre scheinbare Bewegung um die Erde. In weiterer Bedeutung.
Der Umlauf des Blutes, dessen Kreislauf, Circulation. Der Umlauf des
Geldes im Handel und Wandel. 2. Ein Schreiben oder eine Schrift,
welche man umlaufen lässet, d. i. welche einer dem andern zuzuschicken
ist; eine Currende. Einen Umlauf herum gehen lassen. Etwas durch einen
Umlauf bekannt machen.
Umlaufen (W3) [Adelung]
Umlaufen,
verb. irreg. ( S. Laufen.) 1. Umlaufen, ich laufe um, umgelaufen,
umzulaufen. 1) Als ein Activum, im Laufen umwerfen. Ein Kind, einen
Stuhl umlaufen. 2) Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. (a) Um
seine Achse laufen, sich schnell um seine Achse drehen. Das Rad läuft
um. Des Narren Gedanken laufen um, wie die Nabe am Wagen; Sir. 33, 5.
Ein umlaufendes Rad, 2 Maccab. 3, 5. (b) Im Kreise laufen, besonders
in einigen figürlichen Bedeutungen. Das Geld läuft um, wenn es
circulieret, oft aus einer Hand in die andere geht. ( S. Umlauf 1.)
Ein umlaufendes Schreiben, welches von einem zu dem andern geschickt
wird. ( S. Umlauf 2.) (c) Herum laufen, ohne bestimmte Richtung und
Absicht hin und her laufen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeu-
tung. Daß sie hin und her umlaufen, und des Herren Wort suchen und
doch nicht finden, Amos 8, 12. Auf den Gassen umlaufen, 2 Macc. 3, 19.
Auch der Umläufer für Herumläufer ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.
(d) Zu Ende laufen, auch nur im gemeinen Leben einiger Gegenden. Das
Jahr ist umgelaufen, ist zu Ende, ist um. (e) Einen Umweg laufen. Der
Bothe ist viel umgelaufen. 2. Umlaufen, ich umlaufe, umlaufen, zu
umlaufen, um etwas laufen, mit dessen Meldung, doch nur dann und wann
in der höhern Schreibart. Die Stadt umlaufen, um die Stadt laufen.
Umlegen (W3) [Adelung]
Umlegen,
verb. reg. 1. Umlegen, ich lege um, umgelegt, umzulegen. 1) Als ein
Activum. (a) Aus dem stehenden Zustande in den liegenden legen oder
bringen. Einen Schrank umlegen. Das Schiff legt sich um, wenn es sich
mit der Seite auf das Wasser legt. (b) Aus dem geradelinigen Zustande
in den gebrochenen versetzen, umbiegen. Ein Blatt Papier umlegen. Die
Schärfe eines schneidenden Werkzeuges legt sich um, wenn sie sich
biegt. Eben so legt sich eine Nadel, eine Spitze um. Das Schiff
umlegen, in der Schifffahrt, nach einer andern Richtung steuern oder
lenken. Ist diese der vorigen ganz entgegen gesetzt, so heißt es
umwenden. Eben daselbst sagt man auch, der Wind, das Schiff legt sich
um, wenn sie eine andere Richtung nehmen. (c) Um sich, oder um etwas
legen. Einen Verband umlegen, um ein krankes Glied. Auch von solchen
Kleidungsstücken, welche man um sich thut, legt oder bindet. Einen
Mantel umlegen. Eine goldene Kette, den Degen umlegen. (d) Anders
legen. Die Heringe in der Tonne umlegen, auch aus einer Tonne in die
andere legen. Die Waaren umlegen. Die Soldaten umlegen, sie in andere
Quartiere legen. 2) Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, wo es
nur in der Schifffahrt für das vorige Reciprocum sich umlegen üblich
ist. Der Wind legt um, wenn er sich drehet, eine andere Richtung
nimmt. Das Schiff legt um, wenn es sich drehet. 2. Umlegen, ich
umlege, umlegt, zu umlegen, um ein Ding her legen, mit dessen Meldung
in der vierten Endung. Den Rand einer Schüssel mit Eyern umlegen. Eine
Stadt mit Truppen umlegen, rings um sie her Truppen legen. So auch die
Umlegung von dem Activo und die Umlegung.
Umleiten (W3) [Adelung]
Umleiten,
verb. reg. act. ich leite um, umgeleitet, umzuleiten, einen andern Weg
leiten. Das Wasser umleiten. Daher die Umleitung.
Umlenken (W3) [Adelung]
Umlenken,
verb. reg. act. ich lenke um, umgelenket, umzulenken, nach einer
andern Richtung lenken. Den Wagen, die Pferde umlenken. Mit dem Wagen
umlenken.
Umleuchten (W3) [Adelung]
Umleuchten,
verb. reg. act. ich umleuchte, umleuchtet, zu umleuchten, auf allen
Seiten erleuchten, mit einem Lichte umgeben. Mich umleuchtete ein
Licht vom Himmel, Apost. 9, 3. Des neuen Ausdrucks Glanz umleuchtet
weise Lehren, Uz.
Umliegen (W3) [Adelung]
Umliegen,
verb. irreg. neutr. ( S. Liegen,) ich liege um, umgelegen, umzuliegen,
umher liegen, in unbestimmter Nähe oder Ferne um etwas her liegen, wo
doch nur das Mittelwort umliegend üblich ist. Die umliegenden Dörfer,
Städte, Felder. Das umliegende Land, Luc. 4, 37. In den andern Modis
gebraucht man dafür umher liegen, oder im gemeinen Leben herum liegen.
Umliegen, prostratum iacere, ist nur in den niedrigen Sprecharten
üblich.
Ummachen (W3) [Adelung]
Ummachen,
verb. reg. act. ich mache um, umgemacht, umzumachen, welches nur in
den gemeinen Sprecharten üblich ist. 2) Für umthun. Die Schürze
ummachen, umbinden. 2) Anders machen, umarbeiten. Das Bett ummachen.
Ummauern (W3) [Adelung]
Ummauern,
verb. reg. act. ich ummauere, ummauert, zu ummauern, mit Mauern
umgeben. Eine Stadt ummauern.
Ummessen (W3) [Adelung]
Ummessen,
verb. irreg. act. ( S. Messen,) ich messe um, umgemessen, umzumessen,
von neuen messen, anders messen. Einen Haufen Getreides, ein Stück
Feldes ummessen. Daher die Ummessung.
Ummünzen (W3) [Adelung]
Ummünzen,
verb. reg. act. ich münze um, umgemünzt, umzumünzen, von neuem münzen.
Absetzte Geldsorten ummünzen.
Umnähen (W3) [Adelung]
Umnähen,
verb. reg. act. ich umnähe, umnähet, zu umnähen, rings herum benähen.
Etwas mit Blumen umnähen.
Umnebeln (W3) [Adelung]
Umnebeln,
verb. reg. act. ich umnebele, umnebelt, zu umnebeln, mit einem Nebel
umgeben, so wohl eigentlich als figürlich. Die verdrießliche Gestalt,
die sie sich von der Ehe gemacht hat, umnebelt ihre Liebe, Gell. Doch
meinen Dichtergeist umnebeln leichte Träume, Uz.
Umnehmen (W3) [Adelung]
Umnehmen,
verb. irreg. act. ( S. Nehmen,) ich nehme um, umgenommen, umzunehmen,
um sich nehmen. Einen Mantel umnehmen. Ein Betttuch umnehmen, es um
sich hängen, sich darein verhüllen.
Umniethen (W3) [Adelung]
Umniethen,
verb. reg. act. ich niethe um, umgeniethet, umzuniethen, die hervor
ragende Spitze eines Nagels umschlagen. S. Niethen. So auch die
Umniethung.
Umpacken (W3) [Adelung]
Umpacken,
verb. reg. act. 1. Umpacken, ich packe um, umgepackt, umzupacken,
anders packen. Waagen umpacken. Daher die Umpackung. 2. Umpacken, ich
umpacke, umpackt, zu umpacken, auf allen Seiten einpacken oder
bepacken.
Umpanzern (W3) [Adelung]
Umpanzern,
verb. reg. act. ich umpanzere, umpanzert, zu umpanzern, auf allen
Seiten mit einem Panzer umgehen, in der dichterischen Schreibart.
Umpfühlen (W3) [Adelung]
Umpfühlen,
verb. reg. act. ich umpfähle, umpfählt, zu umpfählen, mit Pfählen
umgeben. Einen Graben umpfählen.
Umpflanzen (W3) [Adelung]
Umpflanzen,
verb. reg. act. 1. Umpflanzen, ich pflanze um, umgepflanzt,
umzupflanzen, anders pflanzen, welches von verpflanzen noch
verschieden ist. Die Bäume im Garten umpflanzen. 2. Umpflanzen, ich
umpflanze, umpflanzt, zu umpflanzen, auf allen Seiten, rings herum,
bepflanzen. Einen Teich mit Bäumen umpflanzen.
Umpflicht (W3) [Adelung]
Die Umpflicht,
S. Unpflicht.
Umpflügen (W3) [Adelung]
Umpflügen,
verb. reg. act. ich pflüge um, umgepflügt, umzupflügen, so pflügen,
daß das obere zu unterst komme, durch Pflügen umwenden. Die Erde, ein
Stück Feld, Garten umpflügen.
Umprägen (W3) [Adelung]
Umprägen,
verb. reg. act. ich präge um, umgeprägt, umzuprägen, anders prägen,
mit einem andern Gepräge versehen. Eine Münze umprägen. Auch
figürlich. Die Sitten lassen sich immer noch schwerer umprägen, als
die Worte, Weiße.
Umrändern (W3) [Adelung]
Umrändern,
verb. reg. act. 1. Umrändern, ich rändere um, umgerändert,
umzurändern, anders rändern, mit einem andern Rande versehen. 2.
Umrändern, ich umrändere, umrändert, zu umrändern, rings umrändern,
mit einem Rande versehen, besonders bey den Kupferstechern, welche
eine Platte, wenn sie radiert werden soll, umrändern, d. i. mit einem
Rande von Wachs versehen.
Umräumen (W3) [Adelung]
Umräumen,
verb. reg. act. ich räume um, umgeräumt, umzuräumen. 1. In einen
andern Ort hin räumen. Die Waaren umräumen. 2. Alles umräumen,
gleichsam das untere zu oberst räumen; im gemeinen Leben umstören.
Umreisen (W3) [Adelung]
Umreisen,
verb. reg. act. ich umreise, umreiset, zu umreisen, um etwas herum
reisen. Die Welt umreisen. Umreisen, hin- gegen im Reisen einen Umweg
nehmen. Wir sind viel umgereiset.
Umreißen (W3) [Adelung]
Umreißen,
verb. irreg. act. ( S. Reißen,) ich reiße um, umgerissen, umzureißen.
1. Zu Boden reißen, aus dem stehenden Zustande in den liegenden
reißen. Altäre, Götzen, Mauern, Häuser umreißen, in der deutschen
Bibel. Wasser reißt wohl Eichen um, Less. 2. Das untere zu oberst
reißen, wo es zuweilen für umpflügen gebraucht wird. Ein wüstes
Grundstück umreißen. Ingleichen Waaren umreißen, sie ungeschickt
durchsuchen, so daß das untere oben komme. 3. Den Umriß einer Figur
machen, als ein Neutrum, eine ungewöhnliche Bedeutung, von welcher
doch noch Umriß üblich ist.
Umreiten (W3) [Adelung]
Umreiten,
verb. irreg. ( S. Reiten.) 1. Umreiten, ich reite um, umgeritten,
umzureiten. (1) Ein Neutrum mit seyn, einen Umweg reiten. Wir sind
heute viel umgeritten. (2) Ein Activum, zu Boden reiten, im Reiten
umstoßen. Ein Kind umreiten. 2. Umreiten, ich umreite, umritten, zu
umreiten, um etwas herum reiten. Das Lager umreiten. Man kann die
Stadt in einer Stunde umreiten.
Umrennen (W3) [Adelung]
Umrennen,
verb. irreg. act. ( S. Rennen,) ich renne um, umgerannt, umzurennen,
zu Boden rennen, im Rennen umstoßen. Ein Kind umrennen.
Umringen (W3) [Adelung]
Umringen,
verb. reg. act. ich umringe, umringt, zu umringen, eigentlich mit
einem Ringe umgeben. Am häufigsten auf allen Seiten umgeben, so daß
die freye Bewegung dadurch gehindert wird. Wasser umgaben mich bis an
mein Leben, die Tiefe umringete mich, Jon. 2, 6. Eine Stadt mit einer
Mauer, mit einem Graben umringen, für umgeben, ist ungewöhnlich, weil
dabey der Begriff des Hindernisses der freyen Bewegung, nicht Statt
findet. Am üblichsten ist es von lebendigen Geschöpfen. Fette Ochsen
haben mich umringet, Ps. 22, 13. Sie umringten Benjamin, Richt. 20,
43. Die Jünger umringten Paullum, Apost. 14, 20; stelleten sich um ihn
herum. Den Feind mit der Reiterey, eine Stadt mit Truppen umringen.
Daher die Umringung.
Anm. Schon im Isidor umbiringan, bey dem Notker
"umbering"en. Es stammet von Ring, und dem veralteten Zeitworte ringen,
kreisen, sich im Kreise bewegen, her, nicht aber von ringen, seine
Kräfte anstrengen; daher es irrig ist, wenn es einige nach dem Muster
des letztern irregulär abwandeln, umrungen für umringet.
Umriß (W3) [Adelung]
Der Umriß,
des -sses, plur. die -e, in der Zeichenkunst, ein Riß, welcher bloß
die äußern Linien einer Figur, die Linien des Umfanges darstellet.
Umrühren (W3) [Adelung]
Umrühren,
verb. reg. act. ich rühre um, umgerührt, umzurühren, eigentlich, im
Kreise rühren, so rühren, daß alle Theile durch einander kommen, mit
einander vermischet werden. Daher die Umrührung.
Umsacken (W3) [Adelung]
Umsacken,
verb. reg. act. ich sacke um, umgesackt, umzusacken, aus einem Sacke
in den andern thun. Das Getreide umsacken. Daher die Umsackung.
Umsagen (W3) [Adelung]
Umsagen,
verb. reg. act. ich sage um, umgesagt, umzusagen, die Reihe herum, im
Kreise sagen. Etwas umsagen lassen, so daß es einer dem andern die
Reihe herum sage.
Umsägen (W3) [Adelung]
Umsägen,
verb. reg. act. ich umsäge, umsägt, zu umsägen, rings herum besägen.
Einen Baum umsägen. Aber ihn umsägen, ihn durchsägen, daß er umfalle.
Umsalzen (W3) [Adelung]
Umsalzen,
verb. reg. act. ich salze um, umgesalzt, umzusalzen, anders salzen.
Die Heringe umsalzen.
Umsatteln (W3) [Adelung]
Umsatteln,
verb. reg. act. ich sattle um, umgesattelt, umzusatteln, den Sattel
von einem Pferde auf das andere legen. Die Pferde umsatteln. Figürlich
und im gemeinen Leben sattelt jemand um, wenn er eine andere
Lebensart, eine andere Religion ergreift, auch wohl überhaupt, wenn er
seine Entschließung ändert. So auch die Umsattelung. Nieders.
umsadeln.
Umsatz (W3) [Adelung]
Der Umsatz,
des -es, plur. inus. von dem Zeitwort umsetzen, die Handlung, da man
etwas umsetzet, doch am häufigsten nur für Vertauschung. Der häufige
Umsatz der Waaren, ihre Vertauschung. Die Eintracht, die mit des
Lebens Freuden so reichen Umsatz hält, Dusch. Bey den Meyerdingsgütern
in Niedersachsen, wird jede Veränderung des Besitzers durch Verkauf,
oder auf andere Art, so wohl der Umsatz als auch die Umfahrt genannt,
welchen Nahmen denn auch wohl die in solchen Fällen übliche Lehnwaare
bekommt.
Umschaffen (W3) [Adelung]
Umschaffen,
verb. irreg. act. ( S. Schaffen,) ich schaffe um, umgeschaffen,
umzuschaffen, von schaffen, creare, anders schaffen. Das
Niederdeutsche umschippen wird in weiterm Verstande für umbilden,
anders bilden, gebraucht.
Umschalen (W3) [Adelung]
Umschalen,
verb. reg. act. ich schale um, umgeschalt, umzuschalen, im Hüttenbaue,
die Schalen der Probierwage umwechseln.
Umschanzen (W3) [Adelung]
Umschanzen,
verb. reg. act. ich umschanze, umschanzt, zu umschanzen, ein größten
Theils veraltetes Wort, mit einem Walle umgeben oder einschließen.
Eine Stadt umschanzen. So auch die Umschanzung.
Umscharren (W3) [Adelung]
Umscharren,
verb. reg. act. ich scharre um, umgescharrt, umzuscharren, zu Boden
scharren. Ingleichen so scharten, daß das untere oben komme.
Umschatten (W3) [Adelung]
Umschatten,
verb. reg. act. ich umschatte, umschattet, zu umschatten, auf allen
Seiten beschatten, mit Schatten umgeben. Daher die Umschattung.
Umschattig (W3) [Adelung]
Umschattig,
adj. in der Geographie, die Einwohner derjenigen Erdgürtel, wo der
Schatten innerhalb 24 Stunden ganz um sie herum gehet. Die Einwohner
nahe an den Polen, wo die Sonne in gewissen Jahreszeiten gar nicht
untergehet, sondern sich in 24 Stunden um sie herum drehet, heißen
daher Umschattige. Es ist nach dem Griech. Periscii gebildet, wie
unschattig, zweyschattig, u. s. f. Andere gebrauchen dafür
kreisschattig.
Umschauen (W3) [Adelung]
Umschauen,
verb. reg. recipr. ich schaue um, umgeschaut, umzuschauen. 1. Sich
umschauen, sich umsehen, im Oberdeutschen und in der höhern Schreibart
der Hochdeutschen. 2. Bey den Handwerkern läßt sich ein reisender
Handwerksbursch auf der Herberge umschauen, wenn er sich bey den
Meistern desselben Ortes nach Arbeit umsehen, um dieselbe bewerben
lässet. So auch die Umschauung, und bey den Handwerkern auch die
Umschau. Das Zeitwort lautet schon bey dem Ottfried umbiscouuon.
Umschaufeln (W3) [Adelung]
Umschaufeln,
verb. reg. act. ich schaufele um, umgeschaufelt, umzuschaufeln, mit
der Schaufel das untere oben, und das obere unten bringen, umstechen.
Das Korn umschaufeln.
Umscheeren (W3) [Adelung]
Umscheeren,
verb. irreg. act. ( S. Scheeren.) 1. Umscheeren, ich scheere um,
umgeschoren, umzuscheeren, anders scheeren. Ein Stück Tuch um
scheeren. 2. Umscheeren, ich umscheere, umschoren, zu umscheeren,
rings herum bescheeren.
Umscheinen (W3) [Adelung]
Umscheinen,
verb. irreg. act. ( S. Scheinen,) ich umscheine, umschienen, zu
umscheinen, zu gleicher Zeit, auf allen Seiten bescheinen.
Umschicken (W3) [Adelung]
Umschicken,
verb. reg. act. ich schicke um, umgeschickt, umzuschicken, welches nur
im gemeinen Leben für herum schicken üblich ist.
Umschiffen (W3) [Adelung]
Umschiffen,
verb. reg. 1. Umschiffen, ich schiffe um, umgeschifft, umzuschiffen.
(1) Einen Umweg schiffen, als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn;
umsegeln, umfahren. Da wir umschiffeten, kamen wir gen Region, Apost.
28, 13. (2) Waaren umschiffen, als ein Activum, sie aus einem Schiffe
in das andere bringen. 2. Umschiffen, ich umschiffe, umschifft, zu
umschiffen, um etwas herum schiffen. Die Welt, eine Insel umschiffen.
Das Vorgebirge läßt sich nicht umschiffen.
Umschlag (W3) [Adelung]
Der Umschlag,
des -es, plur. die -schläge, von dem folgenden Zeitworte. 1. Der
Zustand, die Handlung, ohne Plural. (1) Von dem Neutro umschlagen, wo
es nur im figürlichen Verstande von einer entscheidenden Veränderung
eines Dinges üblich ist; doch mehr in manchen Provinzen, als im
Hochdeutschen, wo es in diesem Verstande seltener vorkommt. Der
Umschlag des Windes, des Wetters, eine völlige Veränderung desselben.
Der Umschlag des Glückes. In Umschlag gerathen, sich plötzlich
verändern. Der Umschlag des Bieres, des Weines, der Milch, wenn sie
plötzlich verderben. In einigen Gegenden wird eine frühzeitige Geburt
der Umschlag genannt. (2) Von dem Activo umschlagen, die Handlung, da
man etwas umschlägt. a) Die Handlung, da man etwas umschlägt, d. i.
auf die andere Seite wendet. Der Umschlag einer Spielkarte, da man sie
umschlägt, daß die Figur oben komme, wo denn auch wohl die
umgeschlagene Karte diesen Nahmen bekommt, in welchem Falle es auch
den Plural leidet. b) So fern umschlagen ehedem für umsetzen, Waaren
vertauschen, üblich war, ist der Umschlag noch im Niederdeutschen
nicht allein der Umsatz der Waaren und des Geldes, sondern auch ein
jeder Handel. Sein Umschlag hat nicht viel auf sich, sagt man in
Niedersachsen, d. i. sein Handel. Daher wird in einigen
Niederdeutschen Städten ein großer Jahrmarkt, eine Messe, wo Waaren
gegen Waaren umgesetzt werden, noch jetzt der Umschlag genannt, in
welchem Falle es auch den Plural leidet. Der Kieler Umschlag, der
Güstrowsche Umschlag. c) In einigen Gegenden ist Umschlag auch für
Zins, Wucher, Gewinn üblich. So werden im Bergbaue jede Interessen der
Umschlag genannt; in der Frankfurter Reformation aber führen nur die
ungebührlichen Zinsen von Zinsen diesen Nahmen. Vielleicht nach eben
der Figur, nach welcher Aufschlag eine ähnliche Bedeutung hat. 2.
Dasjenige, was umgeschlagen wird, doch nur in verschiedenen einzelnen
Fällen; mit dem Plural. (1) An den Kleidungsstücken ist der Umschlag,
ein umgeschlagener Theil am Ende, womit der Rand bedecket wird, und
der in manchen Fällen auch der Kragen heißt. Aufschlag und Überschlag
bezeichnen ähnliche Theile. (2) Im Deichbaue werden große Krümmungen
an den Deichen, wenn sie z. B. um einen großen Deichbruch herum
geschlagen oder geführet werden, Umschläge genannt. (3) Dasjenige, was
um etwas herum geschlagen, d. i. gelegt, locker befestigt wird;
besonders in zwey Fällen. a) Dasjenige, was locker um ein Ding
befestigt wird; demselben gleichsam zur Decke dienet. Der Umschlag um
eine Waare. Bey Tüchern, Zeugen u. s. f. bedeutet es auch die äußere
Lage derselben, welche von betrüglichen Verkäufern zuweilen besser
verfertiget wird, als das innere. Der Umschlag eines Journals, das
Blatt Papier, welches zu dessen Schonung locker und nur auf einige
Zeit um dasselbe befestigt wird. Der Umschlag eines Briefes, mit einem
Französischen Ausdrucke das Couvert. In der Botanik ist der Umschlag,
Lat. Drupa, eine leicht abfallende Haut, worin die Nüsse gewickelt
sind. b) Bey den Ärzten und Mundärzten ist der Umschlag, Lat.
Epithema, ein äußerliches Arzeneymittel, welches zwischen Leinwand
gelegt, oder womit die Leinwand befeuchtet wird, worauf man selbige um
den kranken Theil legt oder schlägt. Einen Umschlag von warmen Wein
machen. Breyumschläge, Cataplasmata.
Umschlagen (W3) [Adelung]
Umschlagen,
verb. irreg. ( S. Schlagen,) ich schlage um, umgeschlagen,
umzuschlagen, welches nach den verschiedenen Bedeutungen des einfachen
Zeitwortes schlagen auch in verschiedenem Verstande gebraucht wird. I.
Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, von schlagen, plötzlich
fallen. 1. Eigentlich, plötzlich zu Boden schlagen oder fallen,
plötzlich um seinen Schwerpunct, aus der Grundfläche schlagen oder
fallen. Der Wagen schlug um, ehe man es sich versahe. Ein Mensch,
welcher plötzlich eine Ohnmacht bekommt und umfällt, schlägt um. 2. So
fern um auch eine andere Richtung bezeichnet, ist umschlagen plötzlich
eine andere Richtung nehmen. So sagt man von dem Winde, daß er
umschlage, wenn er sich plötzlich und merklich drehet. Noch häufiger
gebraucht man es im figürlichen Verstande, plötzlich eine
entscheidende Veränderung seines Zustandes erleiden, besonders in
solchen Fällen, wo uns die Ursache davon unbekannt ist. Das Wetter
schlägt um, wenn es z. B. sich plötzlich aus dem Frostwetter in
Thauwetter, oder umgekehrt, verändert. Eine Krankheit ist
umgeschlagen, wenn sie plötzlich eine entscheidende Veränderung
erlitten hat, sie gereiche nun zur Besserung oder zur Verschlimmerung.
In engerer Bedeutung wird es von solchen plötzlichen Veränderungen zur
Verschlimmerung gebraucht. Das Bier, der Wein schlagen um, wenn sie
plötzlich sauer werden. Die Milch schlägt um, wenn sie plötzlich
gerinnet. Jemandes Glück schlägt um, wenn es unvermuthet aufhöret. Ein
geschlossener Kauf, ein gemachter Handel schlagen um, wenn sie sich
unvermuthet zerschlagen. Kinder schlagen um, wenn sie sich aus der Art
schlagen, ungerathen werden. Ihr seyd umgeschlagen und entheiliget
meinen Nahmen. Jer. 34, 16. In einigen Gegenden sagt man auch, eine
Schwangerschaft schlage um, wenn eine schwangere Person zu früh
niederkommt wenn sie abortieret. S. Umschlag. II. Als ein Activum. 1.
Um einen Punct schlagen, so daß ein vorher gerades Ding einen Winkel
bekomme. (1) Eigentlich, mit Schlagen umbiegen. Einen Nagel, ein Blech
umschlagen. Zum Umschlagen des Bleches haben die Klämpener ein eigenes
Umschlageeisen, welches wie ein Messer in einem Klotze steckt, Blech
daran umzubiegen. (2) Von schlagen, schnell legen, ist umschlagen in
manchen Fällen so viel als umlegen, so wohl, so fern solches mit dem
Umbiegen verbunden ist, in welchem Verstande manche äußere Theile an
den Kleidungsstücken umgeschlagen werden; ( S. Umschlag,) als auch, so
fern es bloß bedeutet, auf die andere Seite legen. Ein Blatt in einem
Buche umschlagen, umwenden. Eine Karte umschlagen eine Karte, welche
verdeckt lag, umlegen, so daß die Figur oben komme. 2. Um etwas
schlagen, locker um etwas befestigen. Einen Mantel umschlagen, um
sich, ihn schnell umnehmen. In andern Fällen gebraucht man lieber
darum oder herum schlagen, selbst in solchen, wo das Hauptwort der
Umschlag gangbar ist, ( S. dasselbe.) Nur von medicinischen Umschlägen
sagt man, warmen Wein, Milch, Kräuter umschlagen, um ein krankes
Glied. 3. Waaren vertauschen, und in weiterer Bedeutung handeln; eine
veraltete Bedeutung, wenigstens im Hochdeutschen, wovon indessen im
Niedersächsischen noch der Umschlag üblich ist. ( S. dasselbe.) 4.
Durch den Trommelschlag rings umher bekannt machen; nur in einigen
Gegenden. Einen Diebstahl umschlagen lassen. Das Hauptwort, die
Umschlagung, kommt wenig vor, häufiger das Umschlagen. S. auch
Umschlag.
Umschleichen (W3) [Adelung]
Umschleichen,
verb. irreg. act. ( S. Schleichen,) ich umschleiche, umschlichen, zu
umschleichen, um etwas herum schleichen, besonders in der
dichterischen Schreibart. Unmuthsvolle Gedanken umschleichen dich.
Umschleyern (W3) [Adelung]
Umschleyern,
verb. reg. act. ich umschleyere, umschleyert, zu umschleyern, auf
allen Seiten mit einem Schleyer verhüllen. Daher die Umschleyerung.
Umschlichten (W3) [Adelung]
Umschlichten,
verb. reg. act. ich schlichte um, umgeschlichtet, umzuschlichten, von
schlichten, in Ordnung legen, anders schlichten. Holz, Steine, Waare
umschlichten.
Umschließen (W3) [Adelung]
Umschließen,
verb. irreg. act. ( S. Schließen,) ich umschließe, umschlossen, zu
umschließen, auf allen Seiten einschließen. Einen Platz mit einer
Mauer umschließen. Daher die Umschließung.
Umschlingen (W3) [Adelung]
Umschlingen,
verb. irreg. act. ( S. Schlingen,) ich umschlinge, umschlungen, zu
umschlingen, mit einer Schlinge umgeben, in welchem Verstande die
Nähterinnen eine Naht zu umschlingen pflegen. Ingleichen sich um etwas
herum schlingen oder winden. Wie der Epheu die Ulme, die Weinrebe den
Pfahl umschlingt. Dort liegt der Hirt beym nahen Wasserfall, Vom
sanften Arm der Schäferinn umschlungen, Kleist.
Umschmeißen (W3) [Adelung]
Umschmeißen,
verb. irreg. ( S. Schmeißen,) ich schmeiße um, umgeschmissen,
umzuschmeißen, welches im gemeinen Leben für umwerfen üblich ist; so
wohl als ein Neutrum, mit dem Wagen umwerfen, ohne dessen Meldung, als
auch als ein Activum, ein Ding umschmeißen, es zu Boden schmeißen.
Wasser reißt wohl Eichen um, Und hat Häuser umgeschmissen, Less.
Umschmelzen (W3) [Adelung]
Umschmelzen,
verb. reg. et irreg. act. ( S. Schmelzen,) ich schmelze um, schmelzte
um, umgeschmelzet, anders schmelzen. Eine Glocke umschmelzen. Auch
figürlich, für völlig ändern, umarbeiten überhaupt. Er machte
Projecte, den Staat umzuschmelzen, Weiße.
Umschmieden (W3) [Adelung]
Umschmieden,
verb. reg. act. 1. Umschmieden, ich schmiede um, umgeschmiedet,
umzuschmieden, anders schmieden, durch Schmieden eine neue und andere
Gestalt geben. Ein Eisen umschmieden. 2. Umschmieden, ich umschmiede,
umschmiedet, zu umschmieden, Eisen um etwas herum schmieden; obgleich
nur selten.
Umschmieren (W3) [Adelung]
Umschmieren,
verb. reg. act. 1. Umschmieren, ich schmiere um, umgeschmieret,
umzuschmieren, anders schmieren. 2. Umschmieren, ich umschmiere,
umschmiert, zu umschmieren, um etwas herum schmieren. Die Bienenstöcke
mit Lehm umschmieren.
Umschnallen (W3) [Adelung]
Umschnallen,
verb. reg. act. ich schnalle um, umgeschnallt, umzuschnallen. 1.
Anders schnallen. Die Schuhe umschnallen. 2. Um etwas schnallen,
vermittelst einer Schnalle um etwas befestigen. Das Degengehenk
umschnallen. So auch die Umschnallung.
Umschneiden (W3) [Adelung]
Umschneiden,
verb. irreg. act. ( S. Schneiden,) ich umschneide, umschnitten, zu
umschneiden, rings herum beschneiden, oder einschneiden.
Umschnüren (W3) [Adelung]
Umschnüren,
verb. reg. act. 1. Umschnüren, ich schnüre um, umgeschnürt,
umzuschnüren. (1) Anders schnüren. (2) Von etwas schnüren, ohne
Accusativ des Hauptwortes, welches zu um gehöret. 2. Umschnüren, ich
schnüre um, umschnürt, zu umschnüren, rings herum beschnüren. Einen
Ball umschnüren.
Umschränken (W3) [Adelung]
Umschränken,
verb. reg. act. ich umschränke, umschränkt, zu umschränken, rings
herum mit Schranken umgeben. Einen Platz umschränken. Besonders
figürlich, wie umgränzen, einschränken. Gott, den in seinem Thun kein
Sterblicher umschränkt, Denkt anders, als der Staub, den er beseelte,
denkt, Giesecke.
Umschreiben (W3) [Adelung]
Umschreiben,
verb. irreg. act. ( S. Schreiben.) 1. Umschreiben, ich schreibe um,
umgeschrieben, umzuschreiben, anders schreiben. Einen Brief, ein Stück
Acten, einen Aufsatz umschreiben. 2. Umschreiben, ich umschreibe,
umschrieben, zu umschreiben. (1) Um etwas herum schreiben. Eine Münze
umschreiben, eine Schrift um dieselbe setzen; eine seltene Bedeutung,
wovon doch Umschrift noch üblich ist. (2) Dunkele Worte oder Ausdrücke
mit mehrern Worten deutlich machen. Eine Stelle in einer Schrift
umschreiben. Daher die Umschreibung.
Umschrift (W3) [Adelung]
Die Umschrift,
plur. die -en eine Schrift, welche um etwas herum gesetzt wird, z. B.
die Schrift um den Rand einer Münze; wodurch sich die Umschrift von
der Überschrift, Inschrift, Aufschrift u. s. f. unterscheidet. S. das
vorige.
Umschroten (W3) [Adelung]
Umschroten,
verb. reg. act. ich umschrote, umschroten, zu umschroten, rings umher
beschroten, in einigen Fällen des gemeinen Lebens, besonders so fern
schroten daselbst auch für nagen gebraucht wird.
Umschürzen (W3) [Adelung]
Umschürzen,
verb. reg. act. ich umschürze, umschürzt, zu umschürzen, mit einem
Schurze umgeben. Sich umschürzen, in der dichterischen Schreibart.
Umschütteln (W3) [Adelung]
Umschütteln,
verb. reg. act. ich schüttele um, umgeschüttelt, umzuschütteln, durch
schütteln unter einander bringen. Ein Glas Arzeney umschütteln. So
auch die Umschüttelung.
Umschütten (W3) [Adelung]
Umschütten,
verb. reg. act. 1. Umschütten, ich schütte um, umgeschüttet,
umzuschütten. (1) Anders schütten, von neuen schütten. (2) Aus einen
Gefäße in das andere schütten. (3) Umstoßen und verschütten. Ein Glas
Bier, ein Glas Wein umschütten. (4) Durch schütten oder schütteln
unter einander zu bringen suchen, am häufigsten von flüssigen Körpern;
umschütteln. Ein Glas Tropfen umschütten. 2. Umschütten, ich
umschütte, umschüttet, zu umschütten, rings herum beschütten. Einen
Baum mit Erde umschütten.
Umschweif (W3) [Adelung]
Der Umschweif,
des -es, plur. die -e, von dem folgenden Zeitworte, ein Ding, welches
im Kreise um etwas herum gehet. In Boxhorns Glossen bezeichnet
Umbisueift, die weiten Beinkleider nach alter Art. Bey den Siebmachern
ist Umschweif oder Umschweifel derjenige Theil eines Siebrandes,
worauf der Wulst zu liegen kommt. Am häufigsten ist Umschweif ein
weiter Umweg um etwas herum. Einen Umschweif nehmen, weit um etwas
herum gehen. Einen Umschweif machen. Auch figürlich, diejenige Art zu
verfahren, welche der möglichst kürzesten weit entgegen gesetzt ist.
Einen Lernenden mit vielen Umschweifen ermüden. Einen Prozeß mit
vielen Umschweifen führen. Ingleichen eine solche Art der Rede, da man
dem Gegenstande durch Worte auszuweichen sucht, gleichsam weit um
denselben herum gehet. Reden sie nicht so durch Umschweife mit mir,
Gell. Wer wollte so viele Umschweife machen? Schon im Angels.
Ympsuape, im Schwed. Omsvep. Für Umschweife machen gebraucht Ottfried
noch das veraltete bagen, welches sehr nahe mit dem Lat. Ambages
verwandt ist, nach dessen Muster Umschweif gebildet zu seyn scheinet.
Umschweifen (W3) [Adelung]
Umschweifen,
verb. reg. neutr. mit haben. 1. * Einen großen Umweg nehmen, weit um
etwas herum gehen; eine jetzt veraltete Bedeutung, wovon noch das
vorige Hauptwort übrig ist. 2. Ohne gewisse Bestimmung umher
schweifen, wofür doch herum schweifen oder umher schweifen üblicher
ist.
Umsegeln (W3) [Adelung]
Umsegeln,
verb. reg. act. 1. Umsegeln, ich segele um, umgesegelt, umzusegeln.
(1) Als ein Neutrum mit seyn; einen Umweg segeln; umschiffen. Das
Schiff ist umgesegelt. (2) Als ein Activum, zu Boden segeln, im Segeln
umstoßen, wofür in der Seefahrt doch übersegeln üblicher ist. Ein
Fahrzeug umsegeln. 2. Umsegeln, ich umsegele, umsegelt, zu umsegeln,
um etwas herum segeln, mit dessen Meldung; umschiffen. Ein Vorgebirge
umsegeln.
Umsehen (W3) [Adelung]
Umsehen,
verb. irreg. recipr. ( S. Sehen.) 1. Sich umsehen, das Gesicht oder
die Augen rückwärts drehen, etwas, das hinter uns ist, zu erblicken.
Sie fliehen, daß sie sich auch nicht umsehen, Jer. 46, 5. Sich nach
jemanden, oder nach etwas umsehen. Im Augenblicke, ehe man sich
umsiehet. 2. Um sich her sehen, hin und her sehen, um etwas zu
erblicken suchen. Sich in dem Zimmer umsehen, etwas zu suchen. Sich
nach etwas umsehen. Auch figürlich, sich an einem Orte umsehen, alles
daselbst befindliche oben hin besehen. Er will sich ein wenig in der
Welt umsehen. Schon bey dem Ottfr. tunbilehan. Im Oberdeutschen ist
dafür auch umschauen, im Niederdeutschen umkiken, und in der
vertraulichen Sprechart der Hochdeutschen umgucken üblich.
Umsetzen (W3) [Adelung]
Umsetzen,
verb. reg. act. 1. Umsetzen, ich setze um, umgesetzt, umzusetzen. (1)
Anders setzen, an einen andern Ort hin setzen. Bäume umsetzen, sie an
einen andern Ort setzen, welches theils mit versetzen gleich bedeutend
ist, theils noch von demselben unterschieden werden kann. Die Gläser,
die Stühle umsetzen, sie anders setzen. (2) Der Wind setzt sich um,
wenn er sich umdrehet, aus einer entgegen gesetzten Richtung kommt.
(3) Für umwechseln, wird es noch im Handel und Wandel gebraucht.
Waaren umsetzen, Waaren gegen Waaren vertauschen. Geld umsetzen, eine
Geldsorte gegen die andere auswechseln. Nieders. umleggen. S. Umsatz.
2. Umsetzen, ich umsetze, umsetzt, zu umsetzen, rings herum besetzen.
Einen Teich, einen Garten mit Bäumen umsetzen.
Umsinken (W3) [Adelung]
Umsinken,
verb. irreg. neutr. ( S. Sinken,) welches das Hülfswort seyn
erfordert, ich sinke um, umgesunken, umzusinken, zu Boden sinken,
sinken und umfallen. In Ohnmacht fallen und umsinken. Er ist vor
Schrecken umgesunken.
Umsinnen (W3) [Adelung]
Umsinnen,
verb. irreg. neutr. ( S. Sinnen,) mit den Hülfsworte haben, ich sinne
um, umgesonnen, umzusinnen, welches nur in einigen Gegenden für herum
sinnen, üblich ist. Nach etwas umsinnen, herum sinnen.
Umsitzen (W3) [Adelung]
* Umsitzen,
verb. irreg. neutr. ( S. Sitzen,) mit dem Hülfsworte seyn, ein
ungewöhnliches Wort für herum sitzen. Ein Feuer, da man umsitzen mag,
Es. 47, 14.
Umsonst (W3) [Adelung]
Umsonst,
adv. 1. Eigentlich, ohne Lohn, ohne Vergeltung. Jemanden etwas umsonst
geben. Einem umsonst dienen. Ich habe es nicht umsonst, ohne Geld. Ich
mag nichts umsonst haben. Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt
es auch wieder, Matth. 10, 8. 2. In weiterer Bedeutung, ohne Nutzen,
ohne die verlangte Wirkung hervor zu bringen, vergebens. Umsonst ist
ihre Arbeit, Weish. 3, 11. Es ist umsonst, daß ihr früh aufstehet, Ps.
127, 2. Das sollst du mir nicht umsonst gesagt haben, nicht ohne
Nutzen. Es ist alles umsonst, es hilft nichts mehr. Die Thränen ihres
Sohnes fließen alle umsonst, Dusch. Umsonst ging die folgende Sonne
für uns auf, umsonst hatten wir diesen Tag hergeseufzet, eben ders. Es
ist umsonst, Gegenliebe erzwingen zu wollen. Er würde zu bedauern
seyn, wenn er eine so weite Reise umsonst hätte thun sollen, Gell. 3.
Zuweilen auch, ohne Absicht. Die Obrigkeit trägt das Schwert nicht
umsonst, Röm. 13, 4. Ich habe das nicht umsonst gesagt, nicht ohne
Absicht. In der Welt ist nichts umsonst und ohne Nutzen.
Anm. Im
Schwabenspiegel, wo dieses Wort zuerst vorzukommen scheinet, umbsust,
Nieders. umsus. Schwed. omsonst. Wachter hatte den seltsamen Einfall,
sonst sey in dieser Zusammensetzung aus so ni ist zusammen gezogen.
Frisch leitet es von dem Franz. sans, Ital. senza, her, so daß umsonst
so viel als um nichts bedeute; allein, ohne und nichts sind zweyerley:
wenn aber ja der Begriff des ohne hier in Betrachtung kommen muß, so
ist unser sonder, wovon sonst abstammet, näher. Ihre glaubt, das Wort
habe ehedem ohnsonst, unsonst gelautet, und die letzte Hälfte sey das
alte Sone, bey dem Ulphilas Sauns, Vergeltung. Was diese Ableitung
einiger Maßen bestätiget, ist, daß umsonst bey dem Notker ungemiete,
ungelohnt, im Tatian uzan mieta, und im Angels. on - ceapunga lautet.
Allein, so lange die Schreibart umsonst nicht bewiesen werden kann,
müssen wir wohl bey unserer Partikel sonst bleiben, welche eigentlich
eine Absonderung bezeichnet, und ehedem auch wohl so viel wie nichts
bedeutet haben kann, so wie man für umsonst im gemeinen Leben noch
jetzt um nichts sagt. Dieses sonst heißt im gemeinen Leben sus und
umsonst gleichfalls umsus.
Umspannen (W3) [Adelung]
Umspannen,
verb. reg. act. 1. Umspannen, ich spanne um, umgespannt, umzuspannen,
anders spannen. Die Pferde umspannen, die eingespannten Pferde
umwechseln; auch die vor einem Wagen befindlichen Pferde vor den
andern spannen. 2. Umspannen, ich umspanne, umspannt, zu umspannen,
mit der Spanne, d. i. mit den ausgestreckten Fingern von der Spitze
des Daumens an bis zur Spitze des kleinen Fingers umfassen. Den Himmel
umspannen, Es. 18, 13. Man sagt, eine Person sey so geschlank, daß man
sie mit beyden Händen umspannen könne. Wenn einige dieses Wort von der
Umfassung mit ausgestreckten Armen, für umklaftern gebrauchen, wovon
Stosch in seinen gleich bedeutenden Wörtern Th. 2, S. 106 einige
Beyspiele anführet, so ist solches so wohl wider die Abstammung, als
auch wider den Sprachgebrauch. Wohl aber bedeutet es zuweilen, mit
einem ausgespannten Seile, Schnur, Netze u. s. f. umgeben, da es denn
unmittelbar mit spannen zusammen gesetzt ist. Daher die Umspannung.
Umspinnen (W3) [Adelung]
Umspinnen,
verb. irreg. act. ( S. Spinnen,) ich umspinne, umsponnen, zu
umspinnen, rings herum bespinnen. So pflegen die Spinnen ihren Raub zu
umspinnen.
Umspringen (W3) [Adelung]
Umspringen,
verb. irreg. act. ( S. Springen,) ich springe um, umgesprungen,
umzuspringen. 1. Zu Boden springen, im Springen umstoßen. Ein Gefäß
umspringen. 2. Im gemeinen Leben wird dieses Zeitwort häufig für
umgehen im figürlichen Verstande gebraucht. Er weiß damit
umzuspringen, damit umzugehen, weiß, wie man die Sache behandeln soll.
Er springt damit um, als wenn es ein Raub wäre, er gehet ungestüm ohne
Schonung damit um, wo man in der letzten Hälfte auch wohl sagt, als
die Katze mit der Maus, woraus erhellet, daß umspringen, hier so viel
bedeutet, als herum springen. Ist es wohl erlaubt, so mit einem
umzuspringen? umzugehen, einem so zu begegnen.
Umständlich (W3) [Adelung]
Umständlich,
-er, -ste, adj. et adv. 1. Mit allen oder doch den meisten Umständen.
Eine Sache sehr umständlich erzählen. Eine umständliche Erzählung. 2.
In der letzten engern Bedeutung, geneigt, viele Umstände oder
Weitläufigkeiten zu machen.
Umständlichkeit (W3) [Adelung]
Die Umständlichkeit,
plur. inus. die Eigenschaft einer Erzählung oder Person, alle oder
doch die meisten Umstände zu berühren, zu erzählen. Die
Umständlichkeit einer Geschichte, eines Geschichtschreibers.
Umstechen (W3) [Adelung]
Umstechen,
verb. irreg. act. ( S. Stechen,) durch Stechen umwenden. Man gebraucht
es am häufigsten von dem Getreide oder andern ähnlichen Dingen, wenn
für sie mit der Schaufel umgewandt, umgeschaufelt werden. Das Getreide
umstechen. Daher die Umstechung.
Umstecken (W3) [Adelung]
Umstecken,
verb. reg. act. 1. Umstecken, ich stecke um, umgesteckt, umzustecken,
anders stecken. Ein Kopfzeug umstecken. 2. Umstecken, ich umstecke,
umsteckt, zu umstecken, rings herum bestecken. Mit Rosen umstecken,
Hobel. 7, 2. Die Fremden besser zu erfreuen, Umsteckt der milde Wirth
den Tisch mit dichten Mayen, Haged. Schon bey dem Willeram
umbestecchen.
Umstehen (W3) [Adelung]
Umstehen,
verb. irreg. act. ( S. Stehen,) mit dem Hülfsworte seyn, welches doch
im Ganzen veraltet ist, indem dafür herum stehen, und in der edlern
Schreibart umher stehen üblicher ist. Man gebraucht es nur noch in dem
Mittelworte der gegenwärtigen Zeit; die Umstehenden Personen, die
Umstehenden, welche umher stehen. Bey dem Notker umbestandeni.
Umstellen (W3) [Adelung]
Umstellen,
verb. reg. act. 1. Umstellen, ich stelle um, umgestellt, umzustellen,
anders stellen. Die Bücher in dem Bücherbrete umstellen. 2. Umstellen,
ich umstelle, umstellt, zu umstellen, mit gestellten Dingen umgeben.
Den Tisch mit Stühlen umstellen. Am häufigsten im Jagdwesen. Einen
Wald mit Netzen umstellen, oder auch nur ihn umstellen schlechthin,
mit Netzen umgeben. Daher die Umstellung.
Umstimmen (W3) [Adelung]
Umstimmen,
verb. reg. 1. Als ein Neutrum ist umstimmen, die Stimmen in der Reihe
herum geben. Es ist nicht umgestimmt worden. Die Versammlung wird bald
umstimmen. 2. Anders stimmen. Die Orgel, das Clavier, umstimmen.
Figürlich stimmet man jemanden um, wenn man ihn bewegt, seine
Entschließung, seine Meinung zu ändern. Er ist ganz umgestimmt.
Umstören (W3) [Adelung]
Umstören,
verb. reg. act. ich störe um, umgestört, umzustören, so stören, daß
das unterste zu oberst komme. Alles im Hause umstören, aus Vorwitz
oder unerlaubter Neugier durchsuchen.
Umstoßen (W3) [Adelung]
Umstoßen,
verb. irreg. act. ( S. Stoßen,) ich stoße um, umgestoßen, umzustoßen.
1. Anders stoßen, doch nur selten. 2. Zu Boden stoßen, so stoßen, daß
etwas umfalle. Den Tisch, den Stuhl, ein Glas umstoßen. Figürlich
stößt man ein Testament um, wenn man dessen Gültigkeit läugnet, oder
streitig macht. Aber ein Gesetz, ein Recht umstoßen, für aufheben,
abschaffen, widerrufen, sind nur im gemeinen Leben üblich. So auch die
Umstoßung.
Umstrahlen (W3) [Adelung]
Umstrahlen,
verb. reg. act. ich umstrahle, umstrahlt, zu umstrahlen, mit Strahlen
umgeben, besonders in der dichterischen Schreibart. Sein Haupt mit
Glanze des Himmels umstrahlt. Daher die Umstrahlung.
Umstreichen (W3) [Adelung]
Umstreichen,
verb. irreg. ( S. Streichen.) 1. Umstreichen, ich streiche um,
umgestrichen, umzustreichen. (1) Um etwas herum streichen, mit dessen
Verschweigung. (2) Anders streichen. Ein Pflas=ter umstreichen. (3) Von
streichen, vagari, ist umstreichen ein Neutrum mit dem Hülfsworte
seyn, wofür aber im Hochdeutschen herum streichen oder umher streichen
gewöhnlicher ist. 2. Umstreichen, ich umstreiche, umstrichen, zu
umstreichen, rings umher bestreichen, mit dessen Meldung. Einen Baum
mit Vogelleim umstreichen.
Umstreuen (W3) [Adelung]
Umstreuen,
verb. reg. act. ich umstreue, umstreuet, zu umstreuen, rings herum
bestreuen. Den Rand einer Schüssel mit Zimmet umstreuen. Daher die
Umstreuung.
Umstricken (W3) [Adelung]
Umstricken,
verb. reg. act. 1. Umstricken, ich stricke um, umgestrickt,
umzustricken, anders stricken. 2. Umstricken, ich umstricke,
umstrickt, zu umstricken, mit einem Strickwerk umgeben. Einen Ball
umstricken. Von Strick, Fallstrick, ist es in der edlern Schreibart
auch mit Netzen oder Fallstricken umgeben. So auch die Umstrickung.
Umströmen (W3) [Adelung]
Umströmen,
verb. reg. act. ich umströme, umströmt, zu umströmen, rings um etwas
strömen, in Gestalt eines Stromes umgeben. Der Rhein umströmt die
Stadt. Daher die Umströmung.
Umsturz (W3) [Adelung]
Der Umsturz,
des -es, plur. inus. von dem folgenden Neutro umstürzen, der Zustand,
da ein Körper umstürzet. Der Umsturz eines Baumes, einer Mauer, eines
Hauses. Auch figürlich, der Umsturz eines Reichs, dessen völliger und
gänzlicher Untergang.
Umstürzen (W3) [Adelung]
Umstürzen,
verb. irreg. ich stürze um, umgestürzt, umzustürzen, welches so wie
stürzen in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum mit dem
Hülfsworte seyn, zu Boden stürzen, aus dem stehenden Zustande in den
liegenden stürzen. Der Baum ist umgestürzt. Das Haus, die Mauer wird
bald umstürzen. Der Wagen stürzte um. Daher der Umsturz. 2. Als ein
Activum, umstürzen machen, zu Boden stürzen. Eine Mauer umstürzen. Die
Gottlosen werden umgestürzt, Sprichw. 12, 7, in einer nicht mehr
gangbaren Figur. Auch oft für umkehren, besonders ein Gefäß umkehren,
daß die Öffnung unten komme. Ein Gefäß umstürzen, Nieders. umstülpen.
Daher die Umstürzung.
Umsuchen (W3) [Adelung]
Umsuchen,
verb. reg. act. ich suche um, umgesucht, umzusuchen, im Suchen die
obern Dinge unten kehren. Alles umsuchen, im gemeinen Leben umstören.
Umtausch (W3) [Adelung]
Der Umtausch,
des -es, plur. doch nur selten, die -täusche, von dem folgenden
Zeitworte, diejenige Handlung, da man ein Ding gegen das andere
vertauscht. Einen Umtausch machen.
Umtauschen (W3) [Adelung]
Umtauschen,
verb. reg. act. ich tausche um, umgetauscht, umzutauschen, Dinge Einer
Art gegen einander vertauschen, welches mit andern Nebenbegriffen
vertauschen, austauschen, eintauschen genannt wird. Die Kleider
umtauschen.
Umthun (W3) [Adelung]
Umthun,
verb. irreg. act. ( S. Thun,) ich thue um, umgethan, umzuthun. 1. Um
etwas thun, d. i. legen, besonders von solchen Kleidungsstücken, von
welchen das Vorwort um üblich ist. Den Mantel umthun, umnehmen.
Jemanden den Mantel umthun, ihm denselben umlegen. 2. Sich nach etwas
umthun, nur im gemeinen Leben, es zu überkommen suchen; sich darnach
umsehen. Sich nach einem Logis umthun. Thue dich nach einem Bedienten
um. 3. Die Niedersächsische Bedeutung, sich umthun, sich Ansehung
seiner Sitten ändern, ist im Hochdeutschen fremd.
Umtönen (W3) [Adelung]
Umtönen,
verb. reg. act. ich umtöne, umtönt, zu umtönen, um etwas her tönen, in
der dichterischen Schreibart. Hier, wo mich die Gesänge der Vögel
umtönen.
Umtragen (W3) [Adelung]
* Umtragen,
verb. irreg. act. ( S. Tragen,) ich trage um, umgetragen, umzutragen,
ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort für herum tragen. Wir tragen um allezeit das Sterben des Herren Jesu an unsern Leibe, 2 Cor, 4, 10.
Umtreiben (W3) [Adelung]
Umtreiben,
verb. irreg. act. ( S. Treiben,) um seine Achse treiben. Das Wasser
treibt das Rad um. Der Töpfer muß die Scheibe mit seinen Füßen
umtreiben, Sir. 38, 32. Ingleichen, obgleich seltener, im Kreise herum
treiben. Die Pferde in der Mühle umtreiben. Daher die figürlichen
biblischen Ausdrücke. Der Herr wird dich umtreiben, wie eine Kugel auf
weiten Lande, Es. 22, 18. Von unsaubern Geistern umgetrieben werden,
Luc. 6, 18, herum getrieben werden. Wolken vom Windwirbel umgetrieben,
2 Pet. 2, 17. S. auch Umtrieb.
Umtreten (W3) [Adelung]
Umtreten,
verb. irreg. ( S. Treten,) ich trete um, umgetreten, umzutreten. 1.
Ein Activum, so treten, daß etwas umfalle, oder umgebogen werde. Das
Getreide, junge Pflanzen umtreten. 2. Auf die andere Seite treten,
doch nur figürlich, seine Entschließung, seine Meinung ändern, als ein
Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. Er ist umgetreten.
Umtrieb (W3) [Adelung]
Der Umtrieb,
des -es, plur. inus. der Zustand, da etwas umgetrieben wird, am
häufigsten figürlich. Der Umtrieb des Blutes, dessen Umlauf,
Circulation, Kreislauf. Der Umtrieb des Geldes, der Zustand, da es oft
aus einer Hand in die andere getrieben wird, der Umlauf, der
Kreislauf. Eine Waare kommt in Umtrieb, wenn sie stark gekauft und
wieder verkauft wird.
Umtritt (W3) [Adelung]
Der Umtritt,
des -es, plur. inus. von umtreten, seine Meinung ändern, die Änderung
seiner Meinung und Entschließung, doch nur in einigen Gegenden.
Umufern (W3) [Adelung]
Umufern,
verb. reg. act. ich umufere, umufert, zu umufern, mit einem Ufer
umgeben, doch nur in der dichterischen Schreibart.
Umwachen (W3) [Adelung]
Umwachen,
verb. reg. act. ich umwache, umwacht, zu umwachen, rings herum
bewachen, auch nur in der dichterischen Schreibart. So ruhig, als ein
Bach, der unter finstern Sträuchen Von hohen Bäumen rund umwacht,
Stets ungerunzelt lacht, Uz.
Umwachsen (W3) [Adelung]
Umwachsen,
verb. reg. act. ( S. Wachsen,) ich umwachse, umwachsen, zu umwachsen,
rings herum bewachsen. Der Weinstock umwächst die Laube. Fleisch,
welches mit Fett umwachsen ist.
Umwälzen (W3) [Adelung]
Umwälzen,
verb. reg. act. ich wälze um, umgewälzt, umzuwälzen, um seinen
Schwerpunct wälzen. Einen Stein umwälzen. So auch die Umwälzung,
welches von einigen Neuern auf eine sehr ungeschickte Revolution
gebraucht wird, von welchem es ohne dieß nur eine buchstäbliche
Übersetzung ist. Besser wäre Umwandlung.
Umwechseln (W3) [Adelung]
Umwechseln,
verb. reg. ich wechsele um, umgewechselt, umzuwechseln. 1. Als ein
Neutrum mit dem Hülfsworte haben. Mit jemanden umwechseln, seine
Stelle einnehmen, seine Verrichtung übernehmen, und dem andern die
seinige übertragen. Zwey Sänger, zwey Schauspieler wechseln mit
einander um, wenn einer des andern Stimme oder Rolle übernimmt. 2. Als
ein Activum, etwas umwechseln, die Stelle, den Gebrauch zweyer Dinge
verändern, so daß eines an die Stelle des andern kommt. Man wechselt
die Schuhe um, wenn man den Schuh des rechten Fußes an den linken, und
den des linken Fußes, an den rechten ziehet. Der Landmann wechselt die
Felder um, wenn er alle Jahr mit der darauf gesäeten Frucht ändert.
Die Gelehrten wechseln ihre Systeme um, wie die Kinder ihr Spielzeug,
nicht, weil es besser, sondern, weil es ein anderes ist. Auch hier mit
dem Vorwort mit; mit den Schuhen, mit den Feldern, mit dem Spielzeuge
umwechseln. So auch die Umwechselung.
Umweg (W3) [Adelung]
Der Umweg,
des -es, plur. die -e, eigentlich ein Weg, welcher in der Krümme um
einen Gegenstand herum gehet, daher dieses Wort besonders dem
kürzesten und geradesten Wege entgegen gesetzt ist. Einen Umweg
nehmen, nicht den möglichst kürzesten Weg nehmen. Von Leipzig nach
Wien über Frankfurt reisen, ist ein Umweg. Auch figürlich, wie
Umschweif, welches eigentlich einen weiten Umweg bedeutet. Umwege
suchen. Jemanden ohne Umwege zu seiner Wohlfahrt führen.
Umwehen (W3) [Adelung]
Umwehen,
verb. reg. act. 1. Umwehen, ich wehe um, umgewehet, umzuwehen, zu
Boden wehen, durch wehen umstoßen. Der Wind hat den Baum umgewehet. 2.
Umwehen, ich umwehe, umwehet, zu umwehen, auf allen Seiten anwehen.
Der Wind umwehet das Haus.
Umwenden (W3) [Adelung]
Umwenden,
verb. irreg. act. ich wende um, umgewandt, umzuwenden, um sich selbst,
um seinen Schwerpunct wenden, d. i. so wenden, daß das obere unten,
das vordere hinten komme. Den Wagen umwenden, daß das vordere hinten
komme. Das Getreide, das Heu, ein Blatt umwenden, daß das obere unten,
und das untere oben komme. Eine Person wendet sich um, wenn sie ihrem
Körper eine der vorigen entgegen gesetzte Richtung gibt. Jesus wandte
sich um, Luc. 7, 9. Sich im Bette umwenden. Der Wind wendet sich, wenn
er aus der entgegen gesetzten Richtung kommt. Wie man eine Hand
umwendet. Die Sanduhr umwenden. Umgewandte Schuhe, bey den Schustern
welche anfänglich so gemacht werden, daß die inwendige Seite auswärts
gekehret ist, worauf sie umgewandt werden. Für, um seine Achse drehen,
ist umdrehen üblicher. Das Rad wird nicht umgewandt, sondern
umgedrehet, ob man gleich in vielen Gegenden sagt, den Braten am
Spiese umwenden oder wenden, für umdrehen. ( S. auch Umkehren.) In
manchen Fällen stehet dieses Wort absolute mit Verschweigung des
Accusativs, da es denn die Gestalt eines Neutrius bekommt. Der
Fuhrmann, der Kutscher wendet um, wenn er die Pferde umlenket, damit
der Wagen umgewandt werde. Aber als ein wahres Neutrum mit dem
Hülfsworte seyn, für das Neutrum umkehren; deine Schwägerinn ist
umgewandt zu ihrem Volk, Ruth 1, 15, ist es im Hochdeutschen
ungewöhnlich. Figürlich wendet man jemanden um, wenn man ihn zu
entgegen gesetzten Meinungen oder Entschließungen bewegt. Von einem
solchen sagt man, er sey ganz umgewandt, welches man auch in solchen
Fällen gebraucht, wo jemand seine Sitten auf eine der vorigen ganz
entgegen gesetzte Art geändert hat. Daher die Umwendung.
Umwerfen (W3) [Adelung]
Umwerfen,
verb. irreg. ( S. Werfen,) ich werfe um, umgeworfen, umzuwerfen. 1. Um
sich werfen. Einen Mantel umwerfen, ihn schnell umnehmen, umthun. 2.
Sich plötzlich umwenden, als ein Reciprocum, in welchem Verstande es
noch nur bey den Jägern üblich zu seyn scheint. Der Hirsch hat sich
umgeworfen, wenn er sich plötzlich nach einer andern Richtung gewandt
hat. 3. Zu Boden werfen, auch in der weitern Bedeutung des Zeitwortes
werfen, im gemeinen Leben umschmeißen. Der Wind hat den Baum, die
Hütte, das Gefäß umgeworfen. Tische, Stühle und Bänke umwerfen. Einen
Baum umwerfen, im Forstwesen, auch ihn fällen. Mauern, Wände, Altäre
umwerfen, in der Deutschen Bibel, sie einreißen, zerstören. Das Wasser
wirft Häuser um. Figürlich sagt man, der Kutscher, der Fuhrmann werfe
um, oder werfe die um, welche er fähret, wenn er durch seine
Ungeschicklichkeit oder Nachläßigkeit Ursache wird, daß der Wagen im
Fahren umfällt. Daher man im gemeinen Leben umwerfen auch figürlich
und absolute in manchen Fällen von jemanden gebraucht, dem sein
Unternehmen mißlingt. Ein Redner wirft um, wenn er in seiner Rede
stecken bleibt. Daher die Umwerfung, am häufigsten in der dritten
Bedeutung.
Umwickeln (W3) [Adelung]
Umwickeln,
verb. reg. act. 1. Umwickeln, ich wickele um, umgewickelt,
umzuwickeln. (1) Anders wickeln. Ein Kind umwickeln, es umwindeln. Die
Seide umwickeln, sie anders wickeln. (2) Um etwas wickeln, mit dessen
Verschweigung. Die Binde umwickeln, um das kranke Glied. 2. Umwickeln,
ich umwickele, umwickelt, zu umwickeln, rings umher bewickeln. Einen
Baum mit Stroh umwickeln. Daher die Umwickelung.
Umwindeln (W3) [Adelung]
Umwindeln,
verb. reg. act. ich windele um, umgewindelt, umzuwindeln, anders
windeln. Ein Kind umwindeln. Daher die Umwindelung.
Umwinden (W3) [Adelung]
Umwinden,
verb. irreg. act. ( S. Winden.) 1. Umwinden, ich winde um, umgewunden,
umzuwinden. (1) Anders winden. Das Garn umwinden. Einen Strauß, einen
Kranz umwinden. (2) Um etwas winden, mit dessen Verschweigung. Das
Band umwinden, um den Strauß. 2. Umwinden, ich umwinde, umwunden, zu
umwinden, auf allen Seiten bewinden, mit dessen Meldung. Den Baum mit
Werk umwinden. Das Haupt mit Lorbern umwunden.
Umwölken (W3) [Adelung]
Umwölken,
verb. reg. act. ich umwölke, umwölkt, zu umwölken, mit Wolken
umziehen. Der Himmel umwölkt sich. Ingleichen figürlich in der höhern
Schreibart. O König, welch ein Gram umwölket dein Gesicht! Weiße. Was
sagt die trübe Stirn? Was die umwölkten Blicke? eben ders.
Umwühlen (W3) [Adelung]
Umwühlen,
verb. reg. act. ich wühle um, umgewühlt, umzuwühlen, so wühlen, daß
das untere oben komme. Die Schweine wühlen den Acker um. Alles
umwühlen, figürlich, es auf eine ungestüme Art durchsuchen, umstören.
Umzählen (W3) [Adelung]
Umzählen,
verb. reg. act. ich zähle um, umgezählt, umzuzählen. 1. Von neuen
zählen, nochmahls zählen. Das Geld umzählen. 2. In der Reihe herum
zählen. Die Stimmen umzählen.
Umzäunen (W3) [Adelung]
Umzäunen,
verb. reg. act. ich umzäune, umzäunt, zu umzäunen, mit einem Zaune
umgeben. Ein Feld, einen Acker umzäunen. Daher die Umzäunung.
Umzechig (W3) [Adelung]
* Umzechig,
adj. et adv. ein im Hochdeutschen völlig unbekanntes Wort. Sie wissen
wohl, ihre Herrschaft über mich ist umzechig, Less. mehrere Personen
üben ihre Herrschaft über mich nach der Reihe herum aus. S. Zeche.
Umzeichnen (W3) [Adelung]
Umzeichnen,
verb. reg. act. 1. Umzeichnen, ich zeichne um, umgezeichnet,
umzuzeichnen, anders zeichnen. Die Waaren umzeichnen. Auch eine Figur
umzeichnen, von zeichnen, mit Linien abbilden. 2. Umzeichnen, ich
umzeichne, umzeichnet, zu umzeichnen, rings umher bezeichnen.
Umziehen (W3) [Adelung]
Umziehen,
verb. irreg. ( S. Ziehen.) 1. Umziehen, ich ziehe um, umgezogen,
umzuziehen. (1) Von ziehen, in Menge oder mit seinem Gepäcke den Ort
verändern, ist umziehen ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn
erfordert. a) * Für umher ziehen, umher wandern, mit Verschweigung der
vierten Endung des Ortes; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung.
Sie ziehen um in der Wüsten, Es. 16, 8; sie ziehen darin herum. Er ist
in der Welt umgezogen, herum, oder umher. b) Seine Wohnung verändern,
aus einer Wohnung in die andere, aus einem Orte in den andern ziehen.
Auch das Gesinde ziehet um, wenn es seine Herrschaft verändert, zu
einer andern Herrschaft ziehet. (2) Von ziehen, trahere, als ein
Activum. a) Zu Boden ziehen; am häufigsten im gemeinen Leben. Einen
Baum umziehen. b) Von Kleidungsstücken, von welchen man das Wort
ziehen oder anziehen gebraucht, ist umziehen, solche Kleidungsstücke
umwechseln. Die Schuhe, die Strümpfe umziehen, sie von dem einen Fuße
auf den andern ziehen. Aber sich umziehen, ist im gemeinen Leben,
andere Kleider anlegen, sich umkleiden, c) * Für herum ziehen; eine im
Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher es in einigen Gegenden
im figürlichen Verstande üblich ist. Jemanden umziehen, ihr durch
vergebliche Hoffnung aufhalten. Aufziehen, hat eine ähnliche
Bedeutung. 2. Umziehen, ich umziehe, umzogen, zu umziehen. (1) Von
ziehen, reisen. a) Um etwas herum ziehen, mit der vierten Endung des
Ortes, folglich ein Activum. Wir umzogen das Gebirge Seir, 5 Mos. 2,
1. Wir umzogen das Land der Edomiter, Richt. 11, 18. b) * Herum oder
umher ziehen, auch als ein Activum mit der vierten Endung des Ortes;
eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Wehe euch Schriftgelehrten und "Pharisäern", die ihr Land und Wasser umziehet, Matth. 23, 15; die
ihr zu Lande und Wasser umher ziehet. Aber 2 Sam. 24, 8, und zogen das
ganze Land um, ist das vorige umziehen mit diesem verwechselt, weil es
hier um des beygefügten Accusativs willen heißen müßte, und umzogen
das ganze Land. (2) Von ziehen, "trahere", um etwas her ziehen, mit
dessen Meldung in der vierten Endung. Einen Wald mit Netzen umziehen.
Das Bett mit Vorhängen umziehen. Der Himmel umziehet sich mit Wolken,
ist mit Wolken umzogen. Hier, wo der Belt, mein Kolberg zu verschonen,
Mit Dünen sein Gestad umzieht, Raml. Hier ist schlankes Immergrün,
eure Schläfe zu umziehen.
Umzingeln (W3) [Adelung]
Umzingeln,
verb. reg. act. ich umzingele, umzingelt, zu umzingeln, mit einem
Kreise umgeben. Eine Stadt mit einem Walle umzingeln, wofür doch
umgeben üblicher ist. Am häufigsten gebraucht man es wie umringen. Von
Zuschauern umzingelt werden. Mit Gefahr umzingelt, umringet, umgeben.
Umzirken (W3) [Adelung]
Umzirken,
verb. reg. act. ich umzirke, umzirkt, zu umzirken, mit einem Bezirk
umgeben, einschließen; nur in der dichterischen Schreibart. Die
Vorsicht, die den Lauf der Sterblichen umzirkt, Kästn.
Umzug (W3) [Adelung]
Der Umzug,
des -es, plur. die -züge, von dem Zeitworte umziehen. 1. Die Handlung
des Umziehens, obgleich nur selten, und vielleicht nur in einigen
einzelnen Fällen. 2. Dasjenige, was um etwas her gezogen wird. Der
Umzug eines Bettes, die Vorhänge, welche um dasselbe gezogen werden.
Unabänderlich (W3) [Adelung]
Unabänderlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht abändern oder ändern lässet.
Daher die Unabänderlichkeit.
Unabbrüchig (W3) [Adelung]
Unabbrüchig,
adj. et adv. welches in den Oberdeutschen Kanzelleyen als ein
Nebenwort und in figürlichem Verstande am gewöhnlichsten ist, keinen
Abbruch oder Nachtheil gewährend, da es denn so wohl mit der zweyten
als dritten Endung verbunden wird. Unabbrüchig seines Rechtes oder
seinem Rechte. Die reinere Hochdeutsche Schreibart kennet dieses Wort
nicht. S. auch Abbruch.
Unabhängig (W3) [Adelung]
Unabhängig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von abhängig, doch nur in der
figürlichen Bedeutung, in einem Dinge nicht gegründet, dessen Hülfe zu
dem, was man ist, nicht bedürftig, demselben nicht unterworfen; mit
einem Lateinischen Ausdrucke independent. Von jemanden unabhängig
seyn. So auch die Unabhängigkeit.
Unablässig (W3) [Adelung]
Unablässig,
-er, -ste, adj. et adv. ohne abzulassen, oder nachzulassen, und darin
gegründet. Ein unablässiges Weinen. Am häufigsten als ein Nebenwort
für unaufhörlich. Unablässig arbeiten, weinen u. s. f. Die Sonne
brannte ihn unablässig auf den Kopf, Hermes. So auch die
Unablässigkeit.
Unableglich (W3) [Adelung]
Unableglich,
adj. et adv. welches nur in einigen Fällen von ablegen üblich ist. Ein
unablegliches Capital, welches nicht abgelegt oder abgetragen werden
kann, welches beständig auf einem Grundstücke stehen bleiben muß, ein
eisernes. Unablegliche Zinsen, Leibrenten u. s. f. deren Capital nicht
abgelegt werden kann, unablösliche. So auch die Unableglichkeit.
Unabsehbar (W3) [Adelung]
Unabsehbar,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht absehen, dessen Ende sich mit
dem Auge nicht erreichen läßt. Schwarz liegt das unabsehbare Meer vor
uns, Geßn. So auch die Unabsehbarkeit.
Unabsonderlich (W3) [Adelung]
Unabsonderlich,
adj. et adv. was sich nicht absondern läßt. Daher die
Unabsonderlichkeit.
Unächt (W3) [Adelung]
Unächt,
S. Unecht.
Unachtbar,Unachtbarkeit (W3) [Adelung]
Unachtbar und
Unachtbarkeit, zwey im Hochdeutschen ungewöhnliche Wörter, welche von
einigen als Gegensätze von achtbar und Achtbarkeit gebraucht werden.
Unachtsam (W3) [Adelung]
Unachtsam,
-er, -ste, adj. et adv. Mangel der Acht, d. i. der Aufmerksamkeit an
den Tag legend und darin gegründet, als der Gegensatz des nicht so
gebräuchlichen achtsam. Unachtsam seyn, werden. Ein unachtsames
Betragen. So auch die Unachtsamkeit. Das Nebenwort unachtsamlich für
unachtsam ist im Hochdeutschen völlig veraltet.
Unadelig (W3) [Adelung]
Unadelig,
adj. et adv. nicht adelig, bürgerlich. Von unadeliger Geburt seyn.
Unadelige Vasallen, im Gegensatze der adeligen.
Unähnlich (W3) [Adelung]
Unähnlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht ähnlich, verschiedene
Unterscheidungsmerkmahle habend. Sie sind einander sehr unähnlich. So
auch die Unähnlichkeit.
Unangenehm (W3) [Adelung]
Unangenehm,
-er, -ste, adj. et adv. nicht angenehm, und in weiterm Verstande, was
mit Widerwillen empfunden wird, und darin gegründet. Das ist mir sehr
unangenehm. Eine unangenehme Witterung, ein unangenehmer Geschmack,
Arbeit u. s. f. Das Unangenehme, was mit Widerwillen oder Abneigung
empfunden wird.
Unangesehen (W3) [Adelung]
Unangesehen,
adv. welche nur in den Kanzelleyen üblich ist, wo es so wie unerwogen,
unermessen, und ähnliche Blumen mit der zweyten Endung gebraucht wird.
Unangesehen seines Alters, d. i. ohne auf sein Alter Rücksicht zu
nehmen, ungeachtet.
Unannehmlich (W3) [Adelung]
Unannehmlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht annehmlich so wohl in eigentlichem
Verstande. Ein unannehmliches Geboth, welches nicht angenommen werden
kann. Als auch für unangenehm. So auch die Unannehmlichkeit.
Unansässig (W3) [Adelung]
Unansässig,
adj. et adv. nicht ansässig oder angesessen. Daher die Unansässigkeit.
Unansehnlich (W3) [Adelung]
Unansehnlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht ansehnlich, kein gutes äußeres Ansehen
haben. Ein unansehnlicher Mensch. Das Pferd ist sehr unansehnlich.
Daher die Unansehnlichkeit.
Unanständig (W3) [Adelung]
Unanständig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht anständig, dem richtigen Verhältnisse
mit den Vollkommenheiten und dem Stande einer Person nicht gemäß. Ein
unanständiges Betragen. Das ist einem Fürsten unanständig. Ingleichen
in weiterer Bedeutung, dem äußern Wohlstande nicht gemäß.
Unanständigkeit (W3) [Adelung]
Die Unanständigkeit,
plur. die -en. 1) Die Eigenschaft einer Handlung, da sie unanständig
ist; ingleichen von Personen, die Fertigkeit dergleichen Handlungen zu
begehen, die Fertigkeit dem Wohlstande zuwider zu handeln, alles
Urtheil anderer von seinem Verhalten bey Seite zu setzen; ohne Plural.
2) Unanständige Handlungen, mit dem Plural.
Unanstößig (W3) [Adelung]
Unanstößig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht anstößig, keinen Anstoß verursachen und
darin gegründet. Ein unanstößiges Verhalten. Daher die Unanstößigkeit.
Unart (W3) [Adelung]
Die Unart,
plur. die -en, von Art, gehörige, gute Art oder Beschaffenheit; doch
nur in einigen engern Bedeutungen. 1) Mangel der guten sittlichen Art
oder Beschaffenheit einer Person, ohne Plural. Die Unart eines Kindes.
2) Von Art, zufällige, angenommene Beschaffenheit oder Fertigkeit, ist
die Unart, als ein Concretum, folglich mit dem Plural, eine
unanständige, dem angenommenen Wohlstande zuwider laufende Fertigkeit.
Ein Kind hat viele Unarten an sich, wenn es viele solche Fertigkeiten
angenommen hat. Da man denn auch wohl lasterhafte Fertigkeiten im
gelinden und glimpflichen Verstande Unarten zu nennen pflegt. In
einigen Oberdeutschen Gegenden ist dafür Unförm üblich. S. Form. Anm.
Der Unart, ein unartiges Kind, eine unartige Person, ist nur in den
gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, gangbar.
Unartig (W3) [Adelung]
Unartig,
-er, -ste, adj. et adv. eine Unart enthaltend, und darin gegründet; so
wohl den guten Sitten, angenommenen Begriffen der Wohlanständigkeit
nicht gemäß. Ein unartiges Betragen. Ein unartiges Kind. Als auch im
glimpflichen Verstande für die härtern lasterhaft, schändlich u. s. f.
in welcher Bedeutung es auch 1 Sam. 20, 30. Apost. 2, 40. und 2 Thess.
3, 2 vorkommt. Daher die Unartigkeit, welches zuweilen für Unart in
beyden Bedeutungen gebraucht wird.
Unaufhörlich (W3) [Adelung]
Unaufhörlich,
adj. et adv. ohne Aufhören, ohne aufzuhören. Ein unaufhörliches
Geschrey, Geschwätz. Es regnet unaufhörlich. Ich quäle mich
unaufhörlich mit diesen nagenden Vorwürfen. Die Quelle fließet
unaufhörlich fort. Daher die Unaufhörlichkeit, so doch seltener
gebraucht wird.
Unauflöslich (W3) [Adelung]
Unauflöslich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht aufgelöset werden kann. Ein
unauflöslicher Knoten. Besonders im figürlichen Verstande.
Unauflöslich mit jemanden verbunden seyn. Ein unauflösliches Band.
Daher die Unauflöslichkeit.
Unausbleiblich (W3) [Adelung]
Unausbleiblich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht ausbleibt, gewiß kommt oder
geschiehet. Ich komme unausbleiblich. Ein unausbleibliches Verderben
wird dich überraschen. Die Strafe ist unausbleiblich. Daher die
Unausbleiblichkeit.
Unausforschlich (W3) [Adelung]
Unausforschlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht ausgeforschet werden kann; in der
edlern Schreibart unerforschlich. Gottes Verstand ist unausforschlich,
Es. 40, 28. So auch die Unausforschlichkeit.
Unausführlich (W3) [Adelung]
Unausführlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht ausführlich, nur einige
Unterscheidungsmerkmahle enthaltend. Ein unausführlicher Begriff. So
auch die Unausführlichkeit.
Unausgesetzt (W3) [Adelung]
Unausgesetzt,
adj. et adv. was nicht ausgesetzet, beständig fortgesetzet wird. Ein
unausgesetztes Gebeth. Unausgesetzt bethen, arbeiten. Es regnet
unausgesetzt fort, ohne auszusetzen, unaufhörlich.
Unauslöschlich (W3) [Adelung]
Unauslöschlich,
adj. et adv. was nicht ausgelöscht werden kann. Ein unauslöschliches
Feuer. Ein unauslöschlicher Schimpf. Daher die Unauslöschlichkeit.
Unaussprechlich (W3) [Adelung]
Unaussprechlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht aussprechen, ingleichen sich
nicht durch Worte ausdrucken lässet. Die Größe des Herren ist
unaussprechlich, Ps. 145, 3. Paulus hörete unaussprechliche Worte, 2
Cor. 12, 4. Eine unaussprechliche Freude, Betrübniß. Sich
unaussprechlich betrüben. Daher die Unaussprechlichkeit. Bey dem Kero
unerrahhotlih.
Unbändig (W3) [Adelung]
Unbändig,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht bändigen, und in weiterm
Verstande, was sich nicht in der gehörigen Zucht erhalten läßt. Ein
unbändiges Pferd. Unbändig seyn. Ein unbändiges Weib, Sprichw. 7, 11.
Unbändig lachen, laufen u. s. f. auf eine ausschweifende, zügellose
Art. Daher die Unbändigkeit.
Unbarmherzig (W3) [Adelung]
Unbarmherzig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht barmherzig, d. i. Fertigkeit besitzend,
aus anderer Noth keine Unlust zu empfinden, dabey unempfindlich zu
seyn, und darin gegründet. Ein unbarmherziger Richter. Umbarmherzig
seyn. Ein unbarmherziges Gemüth. Unbarmherzig mit jemanden umgehen.
Ein unbarmherziges Betragen. Daher die Unbarmherzigkeit. Luthers
unbarmherziglich, Ezech. 23, 25 ist veraltet.
Unbärtig (W3) [Adelung]
Unbärtig,
-er, -ste, adj. et adv. keinen Bart habend. Ein unbärtiger Jüngling.
Daher die Unbärtigkeit.
Unbaß (W3) [Adelung]
Unbaß,
S. Unpaß.
Unbau (W3) [Adelung]
Der Unbau,
plur. car. der Mangel des Baues, ein nur in einigen Gegenden übliches
Wort. Ein Feld in Unbau kommen lassen, es verwildern lassen, es nicht
gehörig bauen.
Unbeantwortlich (W3) [Adelung]
Unbeantwortlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht beantworten lässet. Ein
unbeantwortlicher Einwurf. Daher die Unbeantwortlichkeit.
Unbedacht (W3) [Adelung]
Unbedacht,
adj. et adv. der Gegensatz von dem Bey- und Nebenworte bedacht, ohne
gehörige Aufmerksamkeit auf seine Handlungen und deren Folgen, und
darin gegründet, wofür doch unbedachtsam oder unbedächtig üblicher
sind. Sehr unbedacht handeln. Ein unbedachter Mensch. Eine unbedachte
Antwort.
Unbedacht (W3) [Adelung]
Der Unbedacht,
plur. car. der Gegensatz von dem Hauptworte Bedacht, der Mangel der
pflichtmäßigen Überlegung oder Aufmerksamkeit auf seine Handlungen und
deren Folgen, die Unbedachtsamkeit. Etwas aus Unbedacht thun. Des
Lichtes Glanz in dunkler Nacht Reitzt einer Mucke Unbedacht, Weiße.
Woraus zugleich erhellet, daß dieses Wort nicht bloß in der dritten
Endung vorkommt, wie in einigen Sprachlehren behauptet wird.
Unbedächtig (W3) [Adelung]
Unbedächtig,
-er, -ste, adj. et adv. wie das Beywort unbedacht, im Gegensatze des
bedächtig. Unbedächtig handeln, ohne Bedacht.
Unbedachtsam (W3) [Adelung]
Unbedachtsam,
-er, -ste, adj. et adv. in eben diesem Verstande, im Gegensatze des
bedachtsam. Ein unbedachtsamer Mensch. Eine unbedachtsame Handlung.
Unbedachtsam antworten. Daher die Unbedachtsamkeit.
Unbedeckt (W3) [Adelung]
Unbedeckt,
-er, -ste, adj. et adv. nicht bedeckt, ohne Bedeckung, im gemeinen
Leben bloß. Mit unbedecktem Haupte.
Unbedeutend (W3) [Adelung]
Unbedeutend,
-er, -ste, adj. et adv. keine Bedeutung habend, nichts bedeutend. Noch
mehr im figürlichen Verstande, für unwichtig, unerheblich. Der Verlust
ist sehr unbedeutend. Ein unbedeutender Einfall.
Unbedingt (W3) [Adelung]
Unbedingt,
-er, -ste, adj. et adv. ohne Bedingung und figürlich, unumschränkt.
Gott verdammet niemand unbedingt, ohne Rücksicht auf sein freyes
Verhalten. Die unbedingte Gnade Gottes. Einen unbedingten Gehorsam von
jemanden fordern, einen unumschränkten. So fern dingen auch irregulär
abgewandelt wird, lautet dieses Wort auch unbedungen. Der unbedungene
Rathschluß Gottes von unserer Seligkeit; obgleich die reguläre Form
die gewöhnlichste ist. Daher die Unbedingtheit; Unbedungenheit aber
ist nicht gewöhnlich.
Unbeerbt (W3) [Adelung]
Unbeerbt,
adj. et adv. der Gegensatz von beerbt, keine rechtmäßige Leibeserben,
d. i. keine Kinder habend oder hinterlassend. Unbeerbt seyn. Unbeerbt sterben.
Unbefangen (W3) [Adelung]
Unbefangen,
adj. et adv. auf keine nachtheilige Art eingeschränkt. Ein
aufgeklärtes und unbefangenes Gemüth, welches von keinen Vorurtheilen
oder Leidenschaften eingeschränkt wird, ein unbefangenes Gewissen,
nicht ein reines Gewissen, sondern ein aufgeklärtes, welches durch
keine Grundsätze auf eine zu ängstliche Art eingeschränket wird. Es
ist von dem Zeitworte befangen, welches ehedem mit einer Befriedigung
umfangen oder umgeben, figürlich aber auch auf allerley Art
einschränken, bedeutete. Ehedem sagte man, vor Gericht, oder mit einem
Prozesse befangen seyn, mit einer Krankheit, mit Schlaf befangen seyn,
befallen; mit Liebe gegen eine Person befangen seyn, Liebe gegen sie
empfinden.
Unbefleckt (W3) [Adelung]
Unbefleckt,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von befleckt, nicht befleckt,
auch im figürlichen Verstande. Ein unbeflecktes Gewissen, welches sich
keiner vorsetzlichen Schuld bewußt ist. Ein unbefleckter Wandel. In
engerer Bedeutung, von keinen Vergehungen wider die Keuschheit
besteckt. Selig ist die Unfruchtbare, die unbefleckt ist, Weish. 3,
13. Das Ehebett unbefleckt erhalten. Im figürlichen Verstande schon
bey dem Kero und Notker ungeflecchot. Daher die Unbeflecktheit.
Unbefugniß (W3) [Adelung]
Die Unbefugniß,
bey einigen das Unbefugniß, des -sses, plur. inus. der Gegensatz von
Befugniß, der Mangel des moralischen Vermögens oder des Rechtes, etwas
zu thun oder zu lassen.
Unbefugt (W3) [Adelung]
Unbefugt,
-er, -ste, adj. et adv. nicht befugt, keine Befugniß zu etwas haben.
Du bist unbefugt, dieses zu thun. Eine sehr unbefugte Handlung, wozu
man keinen Fug, kein Recht hat. Daher die Unbefugtheit, der Zustand,
da eine Person oder Handlung unbefugt ist.
Unbegreiflich (W3) [Adelung]
Unbegreiflich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von begreiflich, was nicht
begriffen, wovon keine anschauende Erkenntniß erlanget werden kann.
Das ist mir unbegreiflich. Ein unbegreifliches Geheimniß.
Unbegreiflich klein. Daher die Unbegreiflichkeit. Die
Unbegreiflichkeit Gottes.
Unbehaglich (W3) [Adelung]
Unbehaglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von behaglich. Das ist mir
unbehaglich, unangenehm. So auch die Unbehaglichkeit.
Unbeherzt (W3) [Adelung]
Unbeherzt,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von beherzt, Mangel an Herz oder
Beherztheit haben, ein glimpflicher Ausdruck für das härtere feige.
Daher die Unbeherztheit.
Unbehülflich (W3) [Adelung]
Unbehülflich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von behülflich. 1) Unfähig sich
selbst zu helfen, wo es doch nur in engerm Verstande von einer solchen
Unfähigkeit gebraucht wird, welche entweder von der Masse des Körpers,
oder von dem Mangel der Leibeskräfte herrühret. Ein alter Mann ist
unbehülflich, Gell. In dieser Bedeutung wird der Gegensatz behülflich
nicht leicht gebraucht. 2) Fertigkeit besitzend, andern die nöthige
und mögliche Hülfe zu verweigern, und darin gegründet. Sehr
unbehülflich seyn. Ein neidischer, unbehülflicher Mann. Ein
unbehülfliches Betragen. So auch die Unbehülflichkeit, in beyden
Bedeutungen.
Unbehuthsam (W3) [Adelung]
Unbehuthsam,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von behuthsam, auf eine
tadelhafte Art unbemühet, sich vor Fehlern und Gefahr zu hüthen, und
darin gegründet, Unbehuthsam seyn. Ein unbehuthsamer junger Mensch.
Unbehuthsame Reden. Ein unbehuthsames Betragen. So auch die
Unbehuthsamkeit.
Unbekannt (W3) [Adelung]
Unbekannt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von bekannt. 1) Was man nicht
kennet, was viele nicht kennen. Ein unbekannter Mensch. Unbekannte
Thiere. Er ist mir ganz unbekannt geworden, ich kenne ihn fast nicht
mehr. Ein unbekannter Weg, ein unbekanntes Land. 2) In weiterer
Bedeutung, was man nicht weiß. Das ist mir unbekannt, ich weiß nichts
davon. Das ist mir nicht unbekannt, ich weiß etwas davon. Der alte
Übersetzer Isidors, Ottfried und seine Zeit genossen, gebrauchen dafür
unchund, unkund, unkundig, welches jetzt nur subjective, nicht aber
objective gebraucht wird.
Unbekümmert (W3) [Adelung]
Unbekümmert,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von bekümmert. Um etwas
unbekümmert seyn, sich nicht darum bekümmern, so wohl keine
Bekümmerniß oder Sorge deßwegen empfinden, als auch im weitern
Verstande, nicht darnach fragen, keine Aufmerksamkeit darauf richten.
Unbekümmert um ihren Vorzug, handelt sie (die Demuth) freymüthig,
Gell. Darum lassen sie sich unbekümmert, bekümmern sie sich nicht
darum, fragen sie darnach nicht.
Unbelebt (W3) [Adelung]
Unbelebt,
-er, este, adj. et adv. der Gegensatz von belebt. 1) Eigentlich, kein
physisches Leben habend, wofür doch leblos üblicher ist. Ein
unbelebter Stein. Mein Schmerz durchdringt den unbelebten Hain, Cron.
2) Figürlich, der nöthigen gesellschaftlichen Lebhaftigkeit auf eine
fehlerhafte Art beraubt, und darin gegründet. Ein unbelebter Mensch.
Sehr unbelebt seyn. In welchem Verstande man auch das Hauptwort die
Unbelebtheit gebraucht.
Unbelesen (W3) [Adelung]
Unbelesen,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von belesen. In einem Buche
unbelesen seyn, nicht viel darin gelesen haben. Auch absolute, sehr
unbelesen seyn, nicht viele Bücher gelesen haben. Ein unbelesenes
junges Frauenzimmer. So auch die Unbelesenheit.
Unbelieben (W3) [Adelung]
Das Unbelieben,
des -s, plur. car. der Gegensatz von Belieben, Mißbelieben, welches
doch schon einen etwas stärkern Grad ausdruckt, Mangel des Gefallens
an oder mit einer Sache. Unbelieben an etwas empfinden.
Unbemerkt (W3) [Adelung]
Unbemerkt,
adj. et adv. was nicht bemerkt wird. Konnte dir dieser Gram wohl
unbemerkt bleiben?
Unbenannt (W3) [Adelung]
Unbenannt,
adj. et adv. der Gegensatz von bekannt, auch in der Rechenkunst, wo
unbekannte Zahlen so viel als unbestimmte sin, wo zwar die Menge der
Einheiten, nicht aber die Art derselben bezeichnet wird.
Unbenommen (W3) [Adelung]
Unbenommen,
adj. et adv. nicht benommen, welches indessen als ein Nebenwort am
üblichsten ist, für ungehindert, unverbothen. Es bleibt die solches zu
thun unbenommen.
Unbequem (W3) [Adelung]
Unbequem,
-er, -ste, adj. et adv. nicht bequem. Unbequem sitzen, liegen, wohnen.
Das ist mir unbequem. Eine unbequeme Wohnung. Zuweilen auch für
unangenehm, was zur unbequemen Zeit geschiehet. Hier wird kein
unbequemer Besucher, Und keiner, welcher kein Freund ist, gesehn,
Gieseke.
Unbequemlichkeit (W3) [Adelung]
Die Unbequemlichkeit,
plur. die -en, der Gegensatz von Bequemlichkeit. 1) Der Zustand, da
ein Ding unbequem ist, ohne Plural. Die Unbequemlichkeit eines Ortes.
2) Ein unbeque- mer Umstand, eine unbequeme Eigenschaft. Die
Unbequemlichkeiten der Reise.
Unberathen (W3) [Adelung]
Unberathen,
adj. et adv. nicht berathen. 1) Ohne Rathgebung anderer; eine im
Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Fehler, die die Menschen
berathen und unberathen an ihrer Gesundheit begehen, Berl. Bibl. 2)
Von berathen, ein Kind ausstatten, ist unberathen unausgestatten, und
in weiterm Verstande, unverheirathet, besonders von Töchtern, welche
Bedeutung im Hochdeutschen gleichfalls selten mehr verkommt. Eine
Tochter, die noch unberathen ist, Sir. 42, 9.
Unberedsamkeit (W3) [Adelung]
Die Unberedsamkeit,
plur. car. der Mangel der Beredsamkeit. Das Beywort unberedsam, für
unberedt ist nur noch hin und wieder im gemeinen Leben üblich.
Unberedt (W3) [Adelung]
Unberedt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von beredt. Jemand ist
unberedt, welcher wenig spricht, besonders, wo er mehr sprechen
sollte. In engerer Bedeutung ist man unberedt, wenn man der Gabe wohl
zu reden beraubt ist.
Unberitten (W3) [Adelung]
Unberitten,
adj. et adv. nicht beritten. 1) Ein unberittenes Pferd, welches noch
nicht zugeritten ist. 2) In einem andern Verstande ist jemand
unberitten, wenn er mit keinem Pferde versehen ist, wo er es doch seyn
sollte. Unberittene Dragoner, Reiter, Husaren, welche keine Pferde
haben.
Unberufen (W3) [Adelung]
Unberufen,
adj. et adv. der Gegensatz von berufen. 1) Ohne den gehörigen Beruf zu
etwas habend. Sich unberufen in etwas mengen. 2) Keinen üblen Ruf
habend, doch nur in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes;
unberüchtigt.
Unberühmt (W3) [Adelung]
Unberühmt,
-er, -este, adj. et adv. nicht berühmt. Er ist nicht unberühmt, hat
einigen Rum.
Unbeschadet (W3) [Adelung]
Unbeschadet,
adv. von dem veralteten beschaden, beschädigen, welches nur als ein
Nebenwort mit der zweyten Endung gebraucht wird, da es so wohl vor als
auch, und zwar am häufigsten, hinter dem Genitiv stehet, ohne
Nachtheil. Das kann deiner Ehre unbeschadet geschehen, ohne daß deine
Ehre dabey ein Nachtheil widerführe. Unbeschadet seines Ansehens, ohne
Nachtheil desselben. Unbeschädigt hingegen ist als ein ordentliches
Bey- und Nebenwort üblich, ohne erlittenen Schaden.
Unbescheid (W3) [Adelung]
* Der Unbescheid,
des -es, plur. car. ein im Hochdeutschen völlig veraltetes Wort. Zu
leugnen dieß, was sie gelehret jederzeit, Daß dieß sey Christus Lehr,
ist lauter Unbescheid, Opitz. Wo es für Unverstand oder auch
Unwissenheit zu stehen scheinet. S. Bescheid.
Unbescheiden (W3) [Adelung]
Unbescheiden,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dem Bey- und Nebenworte
bescheiden, in dessen sämmtlichen Bedeutungen, besonders fertig und
geneigt, sich ungegründete Rechte oder Freyheiten anzumaßen, und darin
gegründet. Unbescheiden in seinen Forderungen, Bitten u. s. f. seyn.
Eine unbescheidene Bitte. Eine unbescheidene Antwort, welche mit
Verletzung der dem andern gebührenden Achtung ertheilet wird.
Unbescheidenheit (W3) [Adelung]
Die Unbescheidenheit,
plur. die -en, der Gegensatz der Bescheidenheit. 1) Die Eigenschaft,
der Zustand, da eine Person oder Sache unbescheiden ist, ohne Plural.
2) Unbescheidenen Handlungen, Ausdrücke u. s. f. mit dem Plural.
Unbescholten (W3) [Adelung]
Unbescholten,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von bescholten, frey von
öffentlichem entehrenden Tadel. Ein unbescholtenes Leben. Ein
unbescholtener Mann, welchem von seinen Zeitgenossen keine entehrende
Vorwürfe gemacht werden.
Unbeschreiblich (W3) [Adelung]
Unbeschreiblich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht beschrieben, durch Worte seinem
ganzen Umfange nach nicht ausgedruckt werden kann. Unbeschreiblich
viel, groß, sehr u. s. f. Unbeschreibliche Schmerzen empfinden. Daher
die Unbeschreiblich- keit. Unbeschrieben hingegen ist, was noch nicht
beschrieben ist; ein unbeschriebenes Papier, Land u. s. f.
Unbeschwerlich (W3) [Adelung]
* Unbeschwerlich,
adj. et adv. ohne Beschwerde zu verursachen; ein im Hochdeutschen
ungewöhnliches Wort, obgleich der Gegensatz beschwerlich vollkommen
üblich ist. Ich habe mich in allen Stücken euch unbeschwerlich
gehalten, 2 Cor. 11, 9.
Unbeschwert (W3) [Adelung]
Unbeschwert,
-er, -este, adj. et adv. nicht beschwert. Ein unbeschwertes
Grundstück, welches mit Abgaben, Schulden u. s. f. nicht beschwert
ist. Besonders wird dieses Wort in der höflichen Sprechart des
gemeinen Lebens als ein Nebenwort gebraucht, ohne ihnen Beschwerde zu
verursachen, da es denn als ein höfliches Flickwort mit in die Rede
eingeschoben wird. Geben sie mir unbeschwert das Buch, wenn es ihnen
keine Beschwerde verursacht. Wollen sie unbeschwert diesen Punct
lesen? Gell. In der anständigern Sprechart sind dafür andere Ausdrücke
üblich.
Unbesonnen (W3) [Adelung]
Unbesonnen,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dem im Hochdeutschen größten
Theils veralteten besonnen, ohne pflichtmäßige Aufmerksamkeit des
Geistes, und darin gegründet. Unbesonnen handeln, reden. Ein
unbesonnener Mensch, welcher eine Fertigkeit besitzet, die
pflichtmäßige Aufmerksamkeit seines Geistes bey seinen Handlungen zu
unterlassen. Eine unbesonnene Antwort. So auch die Unbesonnenheit, so
wohl von dem Zustande und der Fertigkeit, ohne Plural, als auch von
unbesonnenen Handlungen mit dem Plural.
Anm. Da unbesonnen eigentlich
ohne pflichtmäßigen Gebrauch seiner Sinne bedeutet, so erhellet schon
daraus, daß es etwas mehr sagt, als unbedacht oder unbedachtsam, oder
einen größern und härtern Grad dieser Unterlassung ausdruckt.
Unbestand (W3) [Adelung]
Der Unbestand,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Bestand, doch nur in einigen
Bedeutungen dieses Wortes. 1) Derjenige Zustand, da ein Ding nicht
bestehet, keine lange und unverletzte Fortdauer hat. Ich sehe den
Unbestand unserer Freundschaft vorher. Der Unbestand eines Vertrages,
eines Kaufes. Ingleichen in engerm und figürlichem Verstande,
diejenige Eigenschaft, da ein Ding wegen des Mangels der
Rechtmäßigkeit oder der Wahrheit keine lange Fortdauer haben kann; in
welchem Verstande es besonders in den Gerichten und Kanzelleyen, als
ein glimpflicher Ausdruck für Ungültigkeit, ingleichen Unwahrheit,
üblich ist. Der Unbestand eines Kaufes, dessen Ungültigkeit. Der
Unbestand eines Vorgehens, dessen ungegründete Beschaffenheit,
Unwahrheit. 2) Die Fertigkeit, seine Entschließungen und Neigungen
ohne gegründete Ursache zu ändern, die Unbeständigkeit; besonders, um
des Sylbenmaßes willen, bey den Dichtern.
Unbeständig (W3) [Adelung]
Unbeständig,
-er, -ste, adj. et adv. Unbestand habend, der Gegensatz von beständig,
doch nur in einigen Bedeutungen desselben. 1) In der ersten Bedeutung
des vorigen Hauptwortes, nicht lange auf einerley Art fortdauernd. Wir
haben sehr unbeständiges Wetter, sehr veränderliches. Unbeständige
Farben, welche leicht verschießen. 2) Geneigt, und Fertigkeit
besitzend, seine Neigungen und Entschließungen ohne gegründete Ursache
zu ändern; veränderlich. Unbeständig seyn. Das unbeständige Glück.
Unbeständigkeit (W3) [Adelung]
Die Unbeständigkeit,
plur. inusit. die Eigenschaft, da ein Ding unbeständig ist, besonders
in der zweyten Bedeutung, wie Unbestand 2. Die Unbeständigkeit des
Wetters, der Farben. Die Unbeständigkeit einer Person.
Unbestechlich (W3) [Adelung]
Unbestechlich,
-er, -ste, adj. et adv. unfähig, bestochen zu werden. Die
unbestechliche Treue. Daher die Unbestechlichkeit.
Unbestehend (W3) [Adelung]
* Unbestehend,
adj. et adv. nicht bestehend, ein im Hochdeutschen ungewöhnliches
Wort, welches über dieß wider die Analogie der Deutschen Sprache ist,
wo un nicht leicht mit Mittelwörtern der gegenwärtigen Zeit zusammen
gesetzt wird. Auch vielen hat beliebt, aus unbestehenden Sachen Lieb,
Ehre, Tugend, Glück und Fieber Gott zu machen, Opitz.
Unbestimmt (W3) [Adelung]
Unbestimmt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von bestimmt. 1) Wovon keine
oder doch nicht die nöthigen Merkmahle angegeben sind, und darin
gegründet. Die Zeit unbestimmt lassen. Ein unbestimmter Ausdruck. Sich
sehr unbestimmt ausdrucken. Eine unbestimmte Zahl, ( S. Unbenannt) 2)
Nicht so zu etwas bewogen, daß das Gegentheil moralisch unmöglich
werde. So auch die Unbestimmtheit.
Unbetrübt (W3) [Adelung]
Unbetrübt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von betrübt, nicht betrübt.
Unbetrüglich (W3) [Adelung]
Unbetrüglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von betrüglich, unsere Erwartung
nicht zu unserm Nachtheile vorsetzlich unerfüllt lassend. Eine
unbetrügliche Hoffnung, welche uns nicht betrieget. Im passiven
Verstande, z. B. Gott ist unbetrüglich, kann nicht hintergangen
werden, ist es um der Zweydeutigkeit willen, veraltet. So auch die
Unbetrüglichkeit. Siehe auch Untrieglich.
Unbeweglich (W3) [Adelung]
Unbeweglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von beweglich. 1) Was sich nicht
bewegen lässet. Bewegliche und unbewegliche Güter. Das Vordertheil am
Schiff blieb unbeweglich stehen, Apost. 27, 41. Auch was sich selbst
nicht bewegt. Unbeweglich da sitzen. 2) Figürlich ist jemand
unbeweglich, wenn er sich von nichts von seiner Entschließung
abbringen lässet, und in engerer Bedeutung, wenn er sich durch nichts
bewegen, d. i. zu Empfindungen des Mitleidens bringen lässet. So auch
die Unbeweglichkeit. Die biblische Bedeutung, ein unbewegliches Reich,
für unvergängliches, Ebr. 12, 27, 28, ist im Hochdeutschen
ungewöhnlich.
Unbeweislich (W3) [Adelung]
Unbeweislich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht bewiesen werden kann, wofür doch
unerweislich edler und gewöhnlicher ist. So auch die Unbeweislichkeit.
Unbewohnbar (W3) [Adelung]
Unbewohnbar,
adj. et adv. -er, -ste, was nicht bewohnet werden kann. Daher die
Unbewohnbarkeit.
Unbewußt (W3) [Adelung]
Unbewußt,
adv. der Gegensatz von bewußt, welches doch nur als ein Nebenwort
gebraucht wird. Alles das ist mir unbewußt. Es ist mir unbewußt, was
damit geschehen ist. Es ist mir nicht unbewußt, ich weiß es, es ist
mir wissend. Auch für nicht erinnerlich mit seyn als ein Reciprocum
und der zweyten Endung des Nennwortes. Er war sich seiner unbewußt,
nicht bewußt. Aber für, ich bin mir dieses Fehlers unbewußt, sagt man
lieber, nicht bewußt. Seiner unbewußt, ohne sein Wissen ist im
Hochdeutschen nicht gewöhnlich. Das Hauptwort der Unbewußt, der
Zustand des nicht Wissens, als der Gegensatz von der Bewußt wird
selten gebraucht.
Unbezeugt (W3) [Adelung]
Unbezeugt,
adj. et adv. welches doch seltener vorkommt, durch kein Zeugniß
bekannt gemacht, als der Gegensatz von bezeugt. Gott hat sich selbst
nicht unbezeugt gelassen, Apost. 14, 17. Ja er, zu dessen Licht kein
irdisch Auge steigt, Ließ keinem Sterblichen sein Wesen unbezeugt,
Gieseke.
Unbezwinglich (W3) [Adelung]
Unbezwinglich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht bezwungen werden kann. Eine
unbezwingliche Leidenschaft. Und ein verliebtes Herz allein Sollt
unbezwinglich seyn? Gell. Daher die Unbezwinglichkeit.
Unbiegsam (W3) [Adelung]
Unbiegsam,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von biegsam, was sich nicht oder
doch schwer biegen läßt. Auch im figürlichen Verstande. Ein
unbiegsames Gemüth. So auch die Unbiegsamkeit. Bey dem Notker
unbouglih.
Unbild (W3) [Adelung]
* Das Unbild,
des -es, plur. die -er, ein im Hochdeutschen ungewöhnliches und nur im
Oberdeutschen übliches Wort, eine ungestaltete Figur, eine
abscheuliche Gestalt zu bezeichnen; wo un einem sehr harten
Nebenbegriff bezeichnet, wie in Ungeheuer u. s. f.
Unbilde (W3) [Adelung]
* Die Unbilde,
plur. die -n, ein gleichfalls nur im Oberdeutschen übliches, im
Hochdeutschen aber ganz fremdes Wort, Unbilligkeit, Unrecht zu
bezeichnen. Wir wollen die zugefügte Unbilde der allgemeinen Ruhe gern
aufopfern, in einer Oberd. Staatsschrift. Bey allen bisher getragenen
Unbilden, ebendas. In einigen Gegenden das Unbild, die Unbill. Es ist
von dem veralteten Bill, dem Stammworte von billig, S. Billig.
Unbildlich (W3) [Adelung]
Unbildlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von bildlich, kein Bild
enthaltend, besonders im figürlichen Verstande. Ein unbildlicher
Ausdruck, der kein sinnliches Bild enthält.
Unbillig (W3) [Adelung]
Unbillig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von billig. 1) Dem
unvollkommenen Rechte anderer zuwider und darin gegründet. Unbillig
mit jemanden umgehen. Eine unbillige Strafe. Ein unbilliger Preis.
Jemanden unbillig hassen., ohne rechtmäßige Ursache. Unbilliger Weise.
2) Geneigt, Fertigkeit besitzend, den unvollkommenen Rechten anderer
zuwider zu handeln. Ein unbilliger Mann.
Unbilligkeit (W3) [Adelung]
Die Unbilligkeit,
plur. die -en. 1) Die Eigenschaft, da ein Ding oder eine Handlung
unbillig ist, ingleichen die Fertigkeit, den unvollkommenen Rechten
anderer zuwider zu handeln, ohne Plural. 2) Eine unbillige Handlung
selbst; mit dem Plural.
Unblutig (W3) [Adelung]
Unblutig,
-er -ste, adj. et adv. nicht blutig, besonders von Dingen, welche
gewöhnlich blutig zu seyn pflegen. Ein unblutiger Sieg, welcher mit
keinem Blutvergießen verbunden ist. Ein unblutiges Opfer, mit welchem
Ausdrucke die Opferung des Leibes Christi in der Messe der Römischen
Kirche belegt wird.
Unboth (W3) [Adelung]
Das Unboth,
des -es, plur. die -e, von Both, ein gebothener Preis, ein
unannehmliches Geboth; ein nur im gemeinen Leben einiger Gegenden
übliches Wort, wofür in der anständigern Sprechart Mißgeboth gebraucht
wird.
Unbrauchbar (W3) [Adelung]
Unbrauchbar,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht gebraucht werden kann. Unbrauchbar
seyn, werden. Unbrauchbare Werkzeuge. Wo die Gewalt unbrauchbar ist,
Bedient ein Weiser sich der List, Haged. Daher die Unbrauchbarkeit.
Unbußfertig (W3) [Adelung]
Unbußfertig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von bußfertig im theologischen
Verstande, von der Buße vorsetzlich abgeneigt. Ein unbußfertiges
Gemüth. Daher die Unbußfertigkeit.
Uncatholisch (W3) [Adelung]
Uncatholisch,
S. Unkatholisch.
Unchrist (W3) [Adelung]
Der Unchrist,
des -en, plur. die -en, im Gegensatze eines Christen, ein jeder, der
kein Christ ist, im weitesten Verstande dieses Wortes, wo doch in
engerer Bedeutung Mahomedaner und Heiden, welche ihren
Religionsbegriff durch Grausamkeit der Gemüthsart verhaßt gemacht
haben, am häufigsten Unchristen genannt werden; da man denn auch wohl
unmenschliche, grausame Personen, wenn sie sich gleich äußerlich zur
christlichen Religion bekennen, mit diesem Nahmen zu belegen pflegt.
Unchristlich (W3) [Adelung]
Unchristlich,
-er, -ste, adj. et adv. im Gegensatze des christlich. 1) Den Nahmen
Christi nicht bekennend. Unchristliche Nationen, welche sich nicht zur
christlichen Religion bekennen; in welcher Bedeutung es doch am
seltensten gebraucht wird. 2) Der Religion Christi nicht gemäß; am
häufigsten im engern Verstande, auf eine den Lehren Christi zuwider
laufende harte, unbillige und grausame Art. Unchristliche mit jemanden
umgehen. Eine unchristliche Begegnung. In welchem Verstande man auch
wohl das Hauptwort die Unchristlichkeit gebraucht.
Uncke (W3) [Adelung]
Die Uncke,
S. Unke.
Und (W3) [Adelung]
Und,
ein Bindewörtchen, und zwar das einfachste in der ganzen Sprache,
welches bloß das Daseyn eines Dinges neben dem andern bezeichnet. Es
verbindet aber, 1. Einzelne Wörter, Begriffe und Umstände, da es denn
allemahl zwischen den beyden Wörtern oder Begriffen gesetzt wird,
welche es verbindet, und sich auf Wörter aller Art erstrecket. Groß
und schwer. Ein kluger und gelehrter Mann. Könige und Fürsten, Weise
und Unweise, Arme und Reiche. Ich und du wir und sie. Ehre und Gut
aufopfern. Heute und morgen. Hin und her gehen. Essen und trinken.
Sehen und hören. Da diese Häufung der Bindewörter in der edlern
Schreibart in den meisten Fällen veraltet, und, eines vermeinten
Nachdruckes wegen, nur noch im Oberdeutschen und in der Beredsamkeit
der Kanzelleyen üblich ist, so wird es auch im Hochdeutschen nicht
gern mehr in diesem Falle gebraucht, daher man ein nachdem und
alldieweil und ähnliche Blumen gern den Kanzelleyen überläßt. Wohl
aber lassen sich in manchen Fällen Vorwörter durch diese Partikel
verbinden. Er kam von und aus Frankfurt. Mit und aus der Hand essen.
Welches denn doch nur bey Vorwörtern Statt findet, welche einerley
Endung regieren. Durch und aus dem Hause laufen, beleidigt Analogie
und Wohlklang. Besonders wird ein und dasselbe Vorwort sehr häufig
wiederhohlet, und alsdann mit und verbunden, da es denn die Gestalt
eines Nebenwortes erhält. Durch und durch, durch die ganze Masse. Über
und über, über die ganze Oberfläche. Nach und nach, allmählig. Das
veraltete für und für u. s. f. Daß diese Partikel nur einerley Casus
verbinden könne, der Glanz der Sonne und der Sterne; daß sie, wenn
mehrere auf einander folgende Wörter verbunden werden sollen, nur
allein zwischen den beyden letzten stehet; Religion, Tugend, Pflicht
und Gewissen verachten; ein frommer, gelehrter, rechtschaffener und
überaus gewissenhafter Mann, ist schon in allen Sprachlehren
angemerket worden. Indessen wird, um eines Nachdruckes willen, auch
wohl das und in solchem Falle mehr als Ein Mahl wiederhohlet.
Religion, und Tugend, und Pflicht, und Gewissen verachten. Noch
häufiger wird es in der nachdrücklichen affectvollen Schreibart in
solchen Fällen ganz verschwiegen. Der große Corneille starb arm, voll
Verdruß, voll Unmuth. Man wird dein Geschrey nicht hören, deine
Thränen nicht sehen. Wie wird man die Tugend lieben, sie ehren, wenn
alles, was wir lesen, alles, was wir sehen, sie unter die Füße
getreten, unbelohnt, ungeachtet, im Staube der Vergessenheit zeigt? Wo
die pathetische Sprache ein dreymahliges und verschwiegen hat.
Indessen muß man sich hier hüthen, daß man, indem man das Schleppende
de mehrmahligen und vermeiden will, nicht in den entgegen gesetzten
Fehler des allzu abgebrochenen und nicht zusammen hangenden verfalle,
welcher bey so vielen unserer neuern Schriftsteller, wenn sie
empfindsam schreiben wollen, durch eine widerwärtige Härte Ohr und
Geschmack beleidigt. 2. Einzelne Sätze einer Periode, und zwar, 1)
Eigentlich, auf die einfachste Art, so daß bloß das neben einander
Seyn derselben ausgedruckt werden soll, da denn das Zeitwort, wenn es
sich auf ein und eben dasselbe Subject beziehet, sein Nenn- oder
Fürwort verlieret. Cajus kam und weinte. Ich stehe hier und warte. Er
liegt da und ist krank. Mein Freund kam und hohlte mich ab. Sehe hin
und thue deßgleichen. Aber auch mit veränderten Subjecten, da sich
denn dessen Gebrauch sehr weit erstrecket. Nur die Erziehung unter den
städtischen Sitten, und die Gesellschaften deiner Freunde haben dir
ein Vorurtheil für das Landleben eingeflößt. Sie sagte, sie wäre
unruhig, und das war eben schlimm, Gell. Hier wirst du unter den
sanften Tönen der Nachtigall einschlummern, und wenn du ruhen wirst,
wird der Mond mit stillem Schimmer in dein Gemach scheinen. Die Sterne
glänzen in der Nacht weit heller als am Tage, und in der Finsterniß
des Grabes leuchten die Verdienste weit heller, als wenn sie das Licht
des Lebens verdunkelt, Weiße. Indessen verzehrt sich meine arme Julie,
und ich verzehre mich mit ihr, ebend. Da stand sie, das süße Mädchen!
schluchzte, - küßte, mich, - segnete mich; - und ich habe dir in
deiner letzten Angst keinen Trost zugesprochen? ebend. 2) Indessen
wird es auch zuweilen in solchen Fällen gebraucht, wo mehr als eine
bloße einfache Verbindung zwischen den Sätzen angedeutet werden soll,
da es denn oft zierlich die Stelle anderer Bindewörter vertritt.
Besonders für so, eine Wirkung oder Folge einer vorher gegangenen
wirkenden Ursache zu bezeichnen, in der affectvollen Schreibart.
Harre, und du wirst sehen, daß die Übel zu deinem größern Glücke
dienen, Gell. für: so wirst du sehen. Bestreu den Weg mit Gold, Und
Ehrgeiz, Lieb und Ruhm sind deinen Wünschen hold, Weiße. In einigen
Fällen dient es manchen Vorwörtern zur Begleitung, doch nur alsdann,
wenn sich eine einfache Verbindung mit dem Vorhergehenden denken
lässet. Die wichtigsten Thaten sind mit Wolken bedeckt, und doch wird
ein altkluger Geschichtschreiber den Romanschreiber verachten. 3.
Ganze Perioden. Obgleich eine Periode eigentlich eine vollständige für
sich bestehende Rede ist, so kann sie doch auf mancherley Art mit dem
vorher gehenden verbunden werden, und dieß ist eigentlich das Amt der
Bindewörter. Unser und verbindet indessen eigentlich nur die einzelnen
Wörter, Begriffe und Sätze einer Periode, aber nicht leicht ganze
Perioden, ausgenommen in einigen Fällen. Besonders in Fragen,
Einwürfen und Gesprächen, wenn eine Person ihre Rede unmittelbar mit
der vorher gegangenen Rede des andern verbindet. Ich habe dir recht
viel zu sagen. - Und was denn? Dor. Gefällt es dir nicht auch? Ists
nicht ein schönes Band? Sylv. Ich seh nichts schönes dran? Dor Und
kommt von Damons Hand! Er ist nichts weniger als mein Freund. - Und
sie haben ihm doch so viele Wohlthaten erwiesen. Sie sind ein so
reicher Mann, - und wenn ich es nun auch wäre? Welches denn in manchen
Fällen auch in den Reden einer und eben derselben Person Statt findet,
wo, besonders in der vertraulichen Sprechart, ganze Perioden auf diese
Art mit einander verbunden werden. Und höre nur, dein guter Freund u.
s. f. Gell. Und wenn die Liebe nichts ist als eine Pflicht, so wundert
michs, wie sie so viele Herzen an sich ziehen kann, Gell. Welche derbe
grobe Speise! Und ihr zankt euch noch um sie? Michael der Dichter. Als
die Sprache sich noch mehr in ihrer rohen Einfalt und Einförmigkeit
bestand, war es sehr gewöhnlich, in der erzählenden Schreibart die
Perioden oder Theile der Erzählung vermittelst dieser Partikel mit
einander zu verbinden. Diese Verbindungsart ist nicht nur noch in den
niedrigen Sprecharten des großen Haufens anzutreffen, sondern
herrschet auch in der Deutschen Bibel, nach dem Muster des
Hebräischen, welches so, wie fast alle alte unausgebildete Sprachen,
diese Verbindungsart gleichfalls hat. Am Anfange schuf Gott Himmel und
Erde. Und die Erde war wüste
und leer, und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes
schwebete auf dem Wasser. Und Gott sprach u. s. f. Allein, seitdem der
gute Geschmack mehr Wohlklang und Abänderung auch in die Sprache und
Schreibart eingeführet hat, hat man diese Art, die Perioden zu
verbinden, völlig verbannet, welches desto nothwendiger war, da das
und zur Verbindung der Wörter und einzelnen Sätze der Perioden ohnehin
nur häufig genug vorkommt. In sehr nachdrücklichen Reden kann diese
Partikel auch alsdann eine ganze Rede anfangen, wenn diese als die
Fortsetzung der vorher gegangenen Empfindung und Beschäftigung des
Gemüthes vorgestellet wird. So fängt Günther sein bekanntes Gedicht,
an seinen erzürnten Vater, mit dieser Partikel an: Und wie lange soll
ich noch dich, mein Vater, selbst zu sprechen, Mit vergeblichem
Bemühn, Hoffnung, Glück und Kräfte schwächen?
Anm. 1. Da diese
Partikel unmittelbar verbindet, so leidet sie, wenn sie zur Verbindung
einzelner Wörter dienet, das Komma so wenig vor sich als nach sich.
Himmel und Erde; reich und schön; er saß und schlief. Wohl aber wird
sie, wenn sie zur Verbindung mehrerer Sätze einer Periode dienet, von
dem vorher gehenden Satze mit einem Komma abgesondert. Hier wollen wir
im Schatten uns lagern, und im weichen Grase dem Gesange der Vögel
zuhören. Nur dann, wenn dieses und in einer pathetischen Rede die
Stelle eines andern Bindewortes vertritt, leidet es zuweilen auch ein
Semi-Kolon vor sich.
Anm. 2. Dieses alte Bindewort lautet schon in dem
Isidor, bey dem Kero u. s. f. endi, enti, inti, unte, unde, im Angels.
und Engl. and, im Isländ. end, im Nieders. un, bey den Krainerischen
Wenden inu, jen. Da das n oft ein zufälliger, den nordischen Mundarten
vorzüglich eigener Nasenlaut ist, so scheinet das Latein. et und
Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - damit verwandt zu
seyn; bey dem Kero kommt wirklich Ein Mahl edo für enti vor, wenn es
kein Schreib- oder Druckfehler ist. Die ältesten Schriftsteller
gebrauchen dieses und nicht so häufig, als wir heutiges Tages, sondern
lassen dasselbe mit dem veralteten ioh, welches mit auch verwandt zu
seyn scheinet, abwechseln. Ottfried gebraucht häufiger ioh, als und;
Kero aber verbindet gern beyde enti joh, inti joh, inti noh, für und.
Das Lat. etiam, ist aus zwey ähnlichen Partikeln zusammen gesetzt.
Undank (W3) [Adelung]
Der Undank,
des -es, plur. car. eigentlich Mangel, Abwesenheit des pflichtmäßigen
Dankes; ingleichen im härtern Verstande, die dem pflichtmäßigen Danke
entgegen gesetzte Gemüthsbeschaffenheit und Handlung zu bezeichnen,
Beleidigung des Wohlthäters anstatt des schuldigen Dankes. Und gehet
bey ihnen unter einander her, Blut, Mord, Diebstahl, -Undank, u. s. f.
Weish. 14, 26. Undank ist der Welt Lohn. Undank ist das größte Laster.
Man diene, wie man will, so hat man Undank davon. Wo es so wohl von
der Gemüthsbeschaffenheit, für Undankbarkeit, als auch von den darin
gegründeten Handlungen gebraucht wird. Schon in dem alten Fragmente
auf Carln den Großen bey dem Schilter Unthang.
Undankbar (W3) [Adelung]
Undankbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dankbar, geneigt und
Fertigkeit besitzend, empfangene Wohlthaten nicht mit thätiger Liebe
zu erwiedern, und darin gegründet. Undankbar seyn. Ein undankbares
Gemüth. Undankbar handeln. Sich gegen jemanden undankbar erweisen. Ein
Undankbarer. So auch die Undankbarkeit, plur. inus. diese
Gemüthsbeschaffenheit, Fertigkeit. Schon bey dem Notker und im Tatian
undanchpar, unthancpar. Undankbarlich für undankbar ist veraltet.
Undauung (W3) [Adelung]
* Die Undauung,
plur. car. ein in der anständigen Sprechart veraltetes Wort, den
Mangel der Verdauung, die Schwäche des Magens, da er die Speisen nicht
gehörig verdauen kann, zu bezeichnen, welche von der Unverdaulichkeit
noch verschieden ist.
Undenkbar (W3) [Adelung]
Undenkbar,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht denken lässet, wovon man sich
keinen Begriff machen kann. Die undenkbare Ewigkeit. So auch die
Undenkbarkeit.
Undenklich (W3) [Adelung]
Undenklich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht so wohl, was sich nicht denken lässet,
als vielmehr in engerer Bedeutung, woran man sich wegen Länge der Zeit
nicht mehr erinnern kann, was über unser Gedenken ist; im Oberd.
unfürdenklich, im Nieders. undechtig, im Oberd. ehedem überdächtig.
Vor undenklichen Jahren. Vor undenklicher Zeit. So auch die
Undenklichkeit.
Undeutsch (W3) [Adelung]
Undeutsch,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von Deutsch, doch nur in
engerer Bedeutung, nicht gutes oder reines Deutsch. Undeutsch reden,
schreiben. Figürlich ist undeutsch oft so viel wie unverständlich. so
ich nun nicht weiß der Stimme Deutung, werde ich undeutsch seyn, dem
der da redet, und der da redet, wird mir undeutsch seyn., 1 Cor. 14,
11.
Undienlich (W3) [Adelung]
Undienlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht dienlich, in dessen sämmtlichen
Bedeutungen. Alles Undienliche wegschaffen, was zu einer gewissen
Sache nicht nothwendig oder tauglich ist. Undienliche Speisen, im
geringen Grade ungesunde. Das scheint mir nicht undienlich zu seyn,
kann nicht ohne Nutzen geschehen. Daher die Undienlichkeit.
Undienst (W3) [Adelung]
* Der Undienst,
des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen ungewöhnliches nur im
Oberdeutschen gangbares Wort, als der Gegensatz von Dienst, nützliche
Handlung, da denn Undienst, eine einem andern nachtheilige oder
unangenehme Handlung bezeichnet. Jemanden einen Undienst thun.
Undienstfertig (W3) [Adelung]
Undienstfertig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dienstfertig, abgeneigt,
andern in billigen Dingen zu dienen, und darin gegründet; im
Oberdeutschen undiensthaft, undienstlich. Sehr undienstfertig seyn. So
auch die Undienstfertigkeit.
Unding (W3) [Adelung]
Das Unding,
des -es, plur. die -e, im Gegensatze eines Dinges, entis, etwas, das
nicht wirklich vorhanden ist, und in weiterer Bedeutung, was nicht
vorhanden seyn kann, nicht möglich ist. Ein vierseitiges Dreyeck, ein
hölzernes Eisen sind Undinge, weil sie unmöglich sind. Gespenster
werden von vielen für Undinge gehalten, so fern es wirklich keine
gibt, ob sie gleich möglich sind.
Undurchdringlich (W3) [Adelung]
Undurchdringlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht durchdrungen werden kann, so wohl im
eigentlichen physischen Verstande. Ein Körper ist undurchdringlich,
wenn ein anderer Körper nicht durch dessen Zwischenräume dringen kann.
Im strengsten philosophischen Verstande ist ein Körper
undurchdringlich, wenn er seinen eigenen Raum einnimmt, so daß kein
anderer Körper zugleich in demselben Raume seyn kann, und in diesem
Verstande ist die Undurchdringlichkeit eine wesentliche Eigenschaft
eines jeden Körpers. Als auch figürlich. Ein undurchdringliches
Geheimniß, ein unerforschliches. In seinen Entschließungen
undurchdringlich seyn, unerforschlich. So auch die
Undurchdringlichkeit.
Undurchsichtig (W3) [Adelung]
Undurchsichtig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von durchsichtig, keine
Lichtstrahlen durchlassend. Holz, Steine, Metalle sind undurchsichtig.
Daher die Undurchsichtigkeit.
Uneben (W3) [Adelung]
Uneben,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von eben. 1) Eigentlich. Ein
unebener Ort. Das Land ist sehr uneben. So auch die Unebenheit. 2)
Figürlich, unsern Absichten, unserm Wohlgefallen nicht gemäß, in
welchem figürlichen Verstande der Gegensatz eben veraltet ist. Der
Gottlose wird ein Ende nehmen, wenns ihm uneben ist, Hiob 15, 32,
ungelegen; auf welche Art es doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.
Man gebraucht es daselbst nur ohne den Dativ der Person und mit der
Verneinung. Das ist nicht uneben, ist mir nicht mißfällig, ist zu der
Absicht nicht undienlich. Ingleichen als ein Beywort. Er ist kein
unebener Mensch, so wohl in Ansehung seiner äußern Gestalt, als auch
seiner Sitten, seiner Fähigkeiten u. s. f. nachdem die Absicht ist,
nach welcher wir ihn beurtheilen. Es ist kein unebener Rath. Der Rath
ist nicht uneben. Meine Tochter ist kein uneben Ding, Weiße. Sie
stehet nicht uneben aus, leidlich, mittelmäßig. Freylich wäre die
Eintheilung nicht uneben, Gell. Im Nieders. uneffen. In diesem
Verstande ist die Unebenheit nicht gewöhnlich.
Unebene (W3) [Adelung]
Die Unebene,
plur. die -n, eine nur bey einigen für das gewöhnlichere Unebenheit
gangbares Wort, in der eigentlichen Bedeutung des vorigen, so wohl von
der Eigenschaft, ohne Plural, als auch von der unebenen Stelle eines
Dinges mit dem Plural.
Unecht (W3) [Adelung]
Unecht,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von echt, nicht echt,
nachgemacht. Unechte Steine, nachgemachte Edelsteine. Unechte Treffen.
Unechter Wein. Unechte Perlen. Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist
es für unehelich üblich; unechte Kinder, uneheliche.
Unedel (W3) [Adelung]
Unedel,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von edel, so wohl im
eigentlichen Verstande, wo aber unadelig üblicher ist. Von unedeler
Herkunft, von unadeliger. Als auch, und zwar am häufigsten, in
weiterer und figürlicher Bedeutung, keine rühmliche Vorzuge enthaltend
und darin gegründet. Unedle Metalle, alle Metalle, welche kein Gold
und Silber sind. Unedles Erz, im Bergbaue, welches zwar Metall
enthält, aber nicht reichhaltig ist. Unedle Gänge, eben daselbst,
taube, welche kein Erz führen. Unedle Steine, im Gegensatze der edlen,
oder Edelsteine. Das Unedle vor der Welt hat Gott erwählet, 1. Cor. 1,
28. Nach einer noch weitern Figur im moralischen Verstande. Unedel
handeln, sich unedel betragen, als ein glimpflicher Ausdruck für das
härtere niedrig, und noch härtere niederträchtig. Eine unedle
Denkungsart. Du mußt noch viele schöne Thaten thun, wenn du dieß
Gewebe von unedlen Handlungen vertilgen willst.
Unehe (W3) [Adelung]
* Die Unehe,
plur. die -n, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort für Concubinat. In
der Unehe leben. Da wir für das fremde Concubinat kein völlig
gangbares Deutsches Wort haben, indem Kebsehe gleichfalls veraltet
ist, so sollte man dieses gute Wort wieder in Umlauf zu bringen
suchen.
Unehelich (W3) [Adelung]
Unehelich,
adj. et adv. im Gegensatze des ehelich, was außer der Ehe ist. Der
uneheliche Beyschlaf, Weish. 4, 3. Wir sind nicht unehelich geboren,
Joh. 8, 41. Uneheliche Kinder, natürliche, in der härtern und
niedrigern Sprechart Bastarde, Bankarte, Hurkinder.
Unehrbar (W3) [Adelung]
Unehrbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von ehrbar, doch nur in dessen
zweyter Bedeutung, so wohl den guten anständigen Sitten im hohen Grade
zuwider, als auch selbigen zuwider handelnd; als ein glimpflicher
Ausdruck für das weit härtere schändlich, ob es gleich etwas mehr sagt
als unanständig. Unehrbare Handlungen. Sich unehrbar betragen. Ein
unehrbarer Mensch. So auch die Unehrbarkeit, so wohl von der
Eigenschaft, Fertigkeit, ohne Plural, als von unehrbaren Handlungen
mit demselben. Nichts schützt die Ehre des andern Geschlechts, so bald
nur eine offenbare Unehrbarkeit da ist, Hermes.
Unehre (W3) [Adelung]
Die Unehre,
plur. car. der Mangel der Ehre, oder des guten Urtheiles anderer von
unserer rechtmäßigen Beschaffenheit im gesellschaftlichen und
bürgerlichen Leben, wo dieses Wort noch als ein glimpflicher Ausdruck
für das härtere Schande gebraucht wird. Unehre von etwas haben. Schon
bey dem Ottfried und Notker Unera, Uneri, welche es aber zum Theil für
Unehrbarkeit, Unverschämtheit gebrauchen.
Unehrlich (W3) [Adelung]
Unehrlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von ehrlich; auch nur in einigen
Bedeutungen desselben. 1) Dem äußern Wohlstande, der Reinigkeit der
Sitten nicht gemäß; eine im Hochdeutschen größten Theils veraltete
Bedeutung. Daß nichts unehrliches an ihr erfunden ward, Hist. Sus. v.
63. Die uns dünken die unehrlichsten zu seyn, 1 Cor. 12, 23. 2) Den
eingeführten Begriffen von der bürgerlichen Ehre nicht gemäß, in
welchem Verstande ehrlos einen höhern Grad des unehrlich ausdruckt.
Unehrliche Handthierung treiben, Tim. 3, 3. Jemanden für unehrlich
erklären, für ehrlos, aller bürgerliche Ehre und Vorzüge verlustig. So
auch die Unehrlichkeit.
Unehse (W3) [Adelung]
Unehse,
S. Ehs.
Uneigennützig (W3) [Adelung]
Uneigennützig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht eigennützig. Uneigennützig seyn,
handeln. Ein uneigennütziges Betragen. Daher die Uneigennützigkeit.
Uneigentlich (W3) [Adelung]
Uneigentlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht eigentlich, besonders in der zweyten
Bedeutung dieses Wortes. Die uneigentliche Bedeutung eines Wortes,
welche demselben nicht wesentlich ist, sondern sich auf eine
Ähnlichkeit gründet, und wovon die weitere, die engere, die figürliche
Bedeutung, Arten sind. So auch der uneigentliche Verstand der Rede,
welcher nicht durch die erste eigentliche Bedeutung der Worte, sondern
durch Verbindung anderer ähnlicher Gedanken mit derselben verursacht
wird. Uneigentlich reden, figürlich.
Uneingedenk (W3) [Adelung]
Uneingedenk,
adv. nicht eingedenk, mit der zweyten Endung der Sache. Einer Sache
uneingedenk seyn.
Uneinig (W3) [Adelung]
Uneinig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von einig, doch nur in der
figürlichen Bedeutung, nicht einerley Meinungen und Neigungen habend,
und diese Verschiedenheit äußernd; am häufigsten als ein Nebenwort.
Uneinig seyn. Sehr uneinig leben, in einem üblen Verständnisse. Mit
jemanden uneinig werden. Über etwas uneinig werden.
Uneinigkeit (W3) [Adelung]
Die Uneinigkeit,
plur. die -en. 1) Der Zustand, da man uneinig, d. i. verschiedener
Meinung ist, noch mehr aber, da man wegen solcher verschiedener
Meinungen und Neigungen mit einem andern im üblen Vernehmen lebt; ohne
Plural. In Uneinigkeit leben. Aus solcher Uneinigkeit würde viel
Unrechts kommen, 2 Macc. 4, 4. 2) Der Ausdruck dieser Gesinnung durch
Worte und Handlungen, mit dem Plural.
Uneins (W3) [Adelung]
Uneins,
adv. welches so wie uneinig gebraucht wird, verschiedene Meinungen
habend. In einer Sache uneins seyn, uneinig. Mit sich selbst uneins
seyn. Ingleichen verschiedene Gesinnungen habend, und solche durch
Worte und Handlungen äußernd. Zwey Personen werden uneins, wenn sie in
ein übles Vernehmen zu gerathen anfangen. Mache ihre Zunge uneins,
Herr, und laß sie untergehen, Ps. 55, 10. Ein Verläumder machet
Fürsten uneins, Sprichw. 16, 28.
Unempfänglich (W3) [Adelung]
Unempfänglich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht empfänglich. Sich der göttlichen
Wohlthaten unempfänglich machen. So auch die Unempfänglichkeit.
Unempfindlich (W3) [Adelung]
Unempfindlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von empfindlich. 1) Unfähig
etwas zu empfinden. Ein unempfindliches Glied, woran man keine
Empfindung hat. 2) Unfähig, sich durch Empfindungen bestimmen zu
lassen, und darin gegründet. Ein unempfindliches Gemüth, welches
unfähig ist, Empfin- dungen des Schmerzens, des Mitleidens, des
Zornes, der Liebe zu haben, und sich darnach zu bestimmen. So auch die
Unempfindlichkeit.
Unendlich (W3) [Adelung]
Unendlich,
adj. et adv. der Gegensatz von endlich, was kein Ende hat; ewig. Die
unendliche Dauer Gottes. Ingleichen, was seinem Wesen, seinem Umfange
nach nicht eingeschränkt ist. Die unendliche Größe, Güte, Macht
Gottes. In der Mathematik ist eine unendliche Größe, welche man nicht
bestimmen kann. In gemeinen Leben wird es sehr oft für ungeheuer,
unbegreiflich, groß, viel, sehr u. s. f. gebraucht. Unendlich viel,
groß, sehr, schön u. s. f. Ich danke ihnen unendlich für dieses
Geschenk, überaus sehr. Er liebet sie unendlich, über alle Maße.
Unendliche Schmerzen empfinden. Daher die Unendlichkeit, die
Abwesenheit alles Aufhörens, und in weiterer Bedeutung, die
Abwesenheit aller Einschränkung. Schon bey dem Notker Unentlih.
Unentbehrlich (W3) [Adelung]
Unentbehrlich,
-er, -ste, adj. et adv. was man nicht entbehren kann. Das ist mir
unentbehrlich. Sich jemanden unentbehrlich machen. Ein unentbehrlicher
Mensch. Daher die Unentbehrlichkeit.
Unentfallen (W3) [Adelung]
Unentfallen,
adv. nicht entfallen, doch nur im figürlichen Verstande, für
unvergessen. Es ist mir noch unentfallen, ich habe es noch im
Andenken. - es ist ihm unentfallen, Wie, daß wir nichts als Staub und
Asche sind, Opitz.
Unentgeldlich (W3) [Adelung]
Unentgeldlich,
adj. et adv. ohne Geld, umsonst.
Unenthaltsam (W3) [Adelung]
Unenthaltsam,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von enthaltsam, unfähig sich zu
enthalten, d. i. seine Begierden zu mäßigen, und darin gegründet.
Unenthaltsam seyn. Daher die Unenthaltsamkeit.
Unentschieden (W3) [Adelung]
Unentschieden,
adj. et adv. nicht entschieden. Die Sache ist noch unentschieden. Ein
unentschiedener Streit. Wir wollen es unentschieden lassen.
Unentschlossen (W3) [Adelung]
Unentschlossen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht entschlossen. Noch unentschlossen seyn,
sich noch nicht entschlossen haben, noch unschlüssig seyn. Ingleichen,
unfähig, in zweifelhaften Fällen einen gehörigen Entschluß zu fassen.
Ein unentschlossener Mensch. Daher die Unentschlossenheit.
Unentsinnlich (W3) [Adelung]
Unentsinnlich,
adj. et adv. dessen man sich nicht entsinnen kann. Von unentsinnlichen
Zeiten, besser, von undenklichen.
Unentwickelt (W3) [Adelung]
Unentwickelt,
adj. et adv. noch nicht entwickelt. Unentwickelte Anlagen zu großen
Vollkommenheiten haben.
Unerachtet (W3) [Adelung]
Unerachtet,
S. Ungeachtet.
Unerbittlich (W3) [Adelung]
Unerbittlich,
-er, -ste, adj. et adv. der sich nicht erbitten läßt. Unerbittlich
seyn. So auch die Unerbittlichkeit.
Unerfahren (W3) [Adelung]
Unerfahren,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von erfahren, keine Erfahrung
habend. In etwas unerfahren seyn. Ein junger, unerfahrner Mensch, der
noch wenig in der Welt erfahren hat. Ihr Unerfahrnen, kommt zu mir in
die Schule, Sir. 51, 31. Daher die Unerfahrenheit.
Unerfindlich (W3) [Adelung]
Unerfindlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erfinden lässet. Von einer
veralteten Bedeutung des Zeitwortes erfinden, da es auch für beweisen
gebraucht wurde, ist unerfindlich im Oberdeutschen noch für
unerweislich, ungegründet, üblich. Ein unerfindliches Vorgeben. Eben
daselbst wird es auch zuweilen für unbegreiflich gebraucht. Es ist
unerfindlich, wie man solches behaupten kann. In beyden Fällen ist es
im Hochdeutschen unbekannt. So auch die Unerfindlichkeit.
Unerforschlich (W3) [Adelung]
Unerforschlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erforschen lässet. Ein
unerforschliches Geheimniß. Eine unerforschliche Verschwiegenheit.
Unerforschlich seyn, sich nicht ausforschen lassen, unausforschlich
seyn. So auch die Unerforschlichkeit.
Unerfreulich (W3) [Adelung]
Unerfreulich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht erfreulich. Eine unerfreuliche
Nachricht.
Unergänzlich (W3) [Adelung]
Unergänzlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht ergänzen läßt. Daher die
Unergänzlichkeit.
Unergründlich (W3) [Adelung]
Unergründlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht ergründen lässet. Eine
unergründliche Tiefe. Auch figürlich. Ein unergründliches Geheimniß.
Man ist unergründlich, wenn man unerforschlich ist. Daher die
Unergründlichkeit.
Unerheblich (W3) [Adelung]
Unerheblich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von erheblich, unwichtig. Eine
unerhebliche Sache. Daher die Unerheblichkeit.
Unerhört (W3) [Adelung]
Unerhört,
adj. et adv. der Gegensatz von erhört. 1) Eine Bitte ist unerhört,
wenn sie nicht erhöret wird. 2) Von erhören, durch das Gehör erfahren,
ist unerhört, davon man noch nichts gehört hat, doch am häufigsten in
weiterer Bedeutung, für außerordentlich, ungewöhnlich. Das ist etwas
unerhörtes. Das ist unerhört. Eine unerhörte Grausamkeit. Unerhört
grausam seyn.
Unerinnerlich (W3) [Adelung]
Unerinnerlich,
adv. welches so, wie dessen Gegensatz erinnerlich, als ein Beywort
nicht üblich ist. Das ist mir unerinnerlich, nicht erinnerlich.
Unerkenntlich (W3) [Adelung]
Unerkenntlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von erkenntlich, genossene
Wohlthaten nicht erkennend und darin gegründet, da denn dieses Wort
einen geringern Grad dieser Unart bezeichnet, als undankbar. Gegen
jemanden erkenntlich seyn. Ein unerkenntliches Betragen. So auch die
Unerkenntlichkeit.
Unerklärbar (W3) [Adelung]
Unerklärbar,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erklären läßt, auch wohl
unerklärlich. Ein unerklärbares Betragen. So auch die Unerklärbarkeit
und Unerklärlichkeit.
Unerlaubt (W3) [Adelung]
Unerlaubt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von erlaubt. Ein unerlaubtes
Verlangen. Das ist dir unerlaubt.
Unerleidlich (W3) [Adelung]
Unerleidlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erleiden läßt, unerträglich.
Unerleidliche Schmerzen. S. auch Unleidlich.
Unermeßlich (W3) [Adelung]
Unermeßlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht ermessen, d. i. ausmessen,
seiner Größe nach bestimmen läßt, doch nur von Dingen, welche sich
wegen ihrer unbeschränkten Größe nicht ausmessen lassen. Der
unermeßliche Raum des Himmels. Gott ist unermeßlich. Im gemeinen Leben
auch häufig für unbegreiflich, außerordentlich. Unermeßlich viel,
sehr. So auch die Unermeßlichkeit. Ottfried gebraucht dafür unmezlich.
Notker aber unmazig, welches letztere jetzt eine ganz andere Bedeutung
hat.
Unermüdet (W3) [Adelung]
Unermüdet,
-er, -ste, adj. et adv. nicht ermüdet, nicht müde geworden. Unermüdet
seyn, arbeiten. Mit unermüdetem Fleiße. Bey dem Notker unmuodendo.
Unermüdlich (W3) [Adelung]
Unermüdlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht ermüden läßt. Mit unermüdlichem
Fleiße. Daher die Unermüdlichkeit.
Unersättlich (W3) [Adelung]
Unersättlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht zu ersättigen. Ein unersättlicher
Hunger. Eine unersättliche Begierde. Unersättlich seyn. Daher die
Unersättlichkeit.
Unerschöpflich (W3) [Adelung]
Unerschöpflich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erschöpfen läßt, so wohl
eigentlich, als figürlich. Ein unerschöpflicher Reichthum, Vorrath,
Witz u. s. f. Daher die Unerschöpflichkeit.
Unerschrocken (W3) [Adelung]
Unerschrocken,
-er, -ste, adj. et adv. nicht erschrocken. Er blieb unerschrocken.
Ingleichen Fertigkeit besitzend, vor nichts zu erschrecken, und darin
gegründet. Ein unerschrockener Muth. Unerschrocken seyn. Sich
unerschrocken verantworten. Daher die Unerschrockenheit.
Unerschroten (W3) [Adelung]
Unerschroten,
adj. et adv. welches nur im Bergbaue üblich ist. Ein unerschrotenes
Feld, welches noch nicht erschroten worden, wo noch kein Bergbau
getrieben worden.
Unerschütterlich (W3) [Adelung]
Unerschütterlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erschüttern läßt. Auch im
figürlichen Verstande. Ein unerschütterlicher Muth. So auch die
Unerschütterlichkeit.
Unersetzlich (W3) [Adelung]
Unersetzlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht ersetzen läßt. Ein
unersetzlicher Verlust, Schade. Daher die Unersetzlichkeit.
Unersteiglich (W3) [Adelung]
Unersteiglich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht ersteigen läßt. Eine
unersteigliche Höhe. Daher die Unersteiglichkeit.
Unerträglich (W3) [Adelung]
Unerträglich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht ertragen lässet. Eine
unerträgliche Hitze, Kälte, Last u. s. f. Das ist mir unerträglich.
Ein unerträglicher Mensch, dessen Sitten die gesellschaftliche
Wohlanständigkeit im hohen Grade beleidigen. Soll ich dir dein hartes
Schicksal noch unerträglicher machen? Daher die Unerträglichkeit. Bey
dem Notker unertragenlih, im Nieders. undräglik, welches aber auch
unverträglich bedeutet.
Unerwartet (W3) [Adelung]
Unerwartet,
-er, -este, adj. et adv. was man nicht erwartet, zu der Zeit nicht als
wahrscheinlich geglaubt hat. Das kommt mir ganz unerwartet. Eine
unerwartete Nachricht. Ein unerwartetes Glück, Unglück.
Unerwecklich (W3) [Adelung]
Unerwecklich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erwecken läßt. Unerwecklich
schlafen. So auch die Unerwecklichkeit.
Unerweislich (W3) [Adelung]
Unerweislich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht erweisen lässet, für das minder
übliche unbeweislich, und das Oberdeutsche unerfindlich. Unerweisliche
Beschuldigungen. So auch die Unerweislichkeit.
Unerwogen (W3) [Adelung]
Unerwogen,
adv. welches besonders im Oberdeutschen als ein Nebenwort mit der
zweyten Endung für ungeachtet üblich ist. Alles dessen unerwogen,
ungeachtet. Unerwogen alles billigen Erbiethens. In der edlern
Schreibart der Hochdeutschen ist es, so wie dessen Gegensatz
anerwogen, unbekannt.
Unerzogen (W3) [Adelung]
Unerzogen,
-er, -ste, adj. et adv. noch nicht erzogen, oder groß gezogen, doch
so, wie das Zeitwort erziehen, nur allein von Kindern. Sie starb und
hinterließ drey unerzogene Kinder, minderjährige, die noch der
mütterlichen Erziehung bedurften. Ungezogen hingegen wird nur von der
Bildung der Sitten gebraucht.
Unfall (W3) [Adelung]
Der Unfall,
des -es, plur. die -fälle, von Fall, doch nur so fern es eine
unerwartete Begebenheit, einen Zufall bedeutet, da denn Unfall einem
günstigen oder angenehmen Falle entgegen gesetzet ist, und eine
widerwärtige unglückliche Begebenheit bezeichnet. Es möchte mich ein
Unfall ankommen, 1 Mos. 19, 19. Euer Unfall wird wie ein Wetter über
euch kommen, Sprich. 1, 27; euer Unglück. Es ist ihm ein Unfall
begegnet. Einen Unfall befürchten. Sein Leben war weiter nichts, als
ein Gewebe von Unfällen. Nie hat ein Unfall unsere Bäume verderbt,
Geßn. Die Schmerzen, welche aus den Unfällen des Lebens auf uns
eindringen, Gell. Zu Unfall kommen, Sir. 31, 6, ist nur noch in den
gemeinen Sprecharten üblich, so wie der biblische Gebrauch, wo dieses
Wort mehrmahls, als ein Abstractum von einem unglücklichen Zustande,
für Unglück gebraucht wird, im Hochdeutschen größten Theils veraltet
ist, daher auch das ehemahlige Bey- und Nebenwort unfällig, für
unglücklich, daselbst nicht mehr gehöret wird. Die ältern
Oberdeutschen Schriftsteller gebrauchten für Unfall, Ungefell. Un hat
hier so wie in Unthier, Unthat u. s. f. nicht bloß eine verneinende
Bedeutung, sondern es bezeichnet etwas Widerwärtiges, Unangenehmes.
Unfehlbar (W3) [Adelung]
Unfehlbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von fehlbar, was nicht fehlen
kann. 1. Von fehlen, irren, ist jemand unfehlbar, wenn er nicht irren
kann. In der Römischen Kirche wird der Pabst in Sachen, welche den
Glauben oder Lehrbegriff betreffen, für unfehlbar gehalten. 2. Von
fehlen, ausbleiben, nicht geschehen, ist unfehlbar, was aller
moralischen Möglichkeit nach geschehen muß, unausbleiblich, wo der
Gegensatz fehlbar nicht gewöhnlich ist. Indessen wird es hier am
häufigsten als ein Nebenwort gebraucht. Er kommt unfehlbar. Es wird
unfehlbar geschehen. So auch die Unfehlbarkeit, in beyden Bedeutungen.
Unfern (W3) [Adelung]
Unfern,
adj. et adv. welches der Gegensatz von fern, weit, ist und für unweit
gebraucht wird. Unfern von hier, nicht weit von hier.
Unfertig (W3) [Adelung]
Unfertig,
-er, -ste, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen und in einigen
Hochdeutschen Kanzelleyen für leichtfertig, muthwillig, gebraucht
wird. Unfertige Händel anfangen. S. Fertig.
Unfleiß (W3) [Adelung]
Der Unfleiß,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Fleiß, der Mangel des Fleißes,
als ein glimpflicher Ausdruck für das härtere Faulheit. Unfleiß
zeigen. Eine Sache aus Unfleiß versäumen.
Unfleißig (W3) [Adelung]
Unfleißig,
-er, -ste, adj. et adv. Unfleiß habend und darin gegründet, als ein
glimpflicheres Wort für das härtere faul. Ein unfleißiger Arbeiter.
Unfleißig seyn. Ein unfleißiges Weib, Sprichw. 12, 4.
Unform (W3) [Adelung]
Die Unform,
plur. die -en, der Gegensatz von Form, doch nur in dessen engern
Bedeutung, gehörige, verhältnißmäßige Form, eine fehlerhafte, dem
gehörigen Verhältnisse zuwider laufende Form oder äußere Gestalt zu
bezeichnen; wofür Unförmlichkeit im Hochdeutschen noch üblicher ist.
In einigen Oberdeutschen Gegenden ist die Unform, eine der äußern
Wohlanständigkeit zuwider laufende Sitte, eine Unart, Ungezogenheit.
Unförmlich (W3) [Adelung]
Unförmlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von förmlich, die gehörige
Gestalt habend, nicht förmlich. Ein unförmliches Haus, dessen Theilen
das gehörige Verhältniß fehlet. Unförmlich lang, groß, breit. Sehr
unförmlich gebildet seyn. Das unförmliche Geschrey der Wilden.
Unförmlichkeit (W3) [Adelung]
Die Unförmlichkeit,
plur. die -en. 1. Die Eigenschaft eines Dinges, da es unförmlich ist,
nicht das gehörige Maß oder Verhältniß in seinen Theilen hat; ohne
Plural. Eine unförmliche Gestalt, in Concreto, für Unform, auch ein
unförmlicher Theil an einem Dinge; mit dem Plural.
Unfreund (W3) [Adelung]
Der Unfreund,
des -es, plur. die -e, der Gegensatz von Freund, als ein glimpflicher
Ausdruck für das härtere Feind. Es ist im gemeinen Leben, und zwar im
Plural am häufigsten, üblich, wo man oft höret, daß zwey Personen
Unfreunde geworden sind, wenn sie sich entzweyet haben.
Unfreundlich (W3) [Adelung]
Unfreundlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von freundlich, nicht
freundlich. 1. Eigentlich, keine vortheilhafte Neigung gegen andere
durch sein äußeres Betragen an den Tag legend, und darin gegründet.
Unfreundliche Worte, ein unfreundliches Betragen. Jemanden sehr
unfreundlich abweisen. Auf eine unfreundliche Art mit jemanden
umgehen. 2. Figürlich, den äußern Sinnen unangenehm, besonders dem
Gesichte und dem Gefühle zuwider. Im ersten Falle sind in der Mahlerey
unfreundliche Farben, welche dem Gesichte unangenehm sind. Im zweyten
Falle ist unfreundliches Wetter, rauhes, unangenehmes Wetter. O, sey
immer unfreundlich, Winter, meine Flöte soll doch nicht bestaubt in
der Hütte hangen, Geßn.
Unfreundlichkeit (W3) [Adelung]
Die Unfreundlichkeit,
plur. die -en, 1. Die Eigenschaft eines Dinges, da es unfreundlich
ist, in allen Bedeutungen; ohne Plural. Viel Unfreundlichkeit gegen
jemanden blicken lassen. Er wurde mit einer stolzen Unfreundlichkeit
abgewiesen. 2. Unfreundliche Worte oder Handlungen, mit dem Plural.
Unfreundschaft (W3) [Adelung]
Die Unfreundschaft,
plur. car. ein nur im gemeinen Leben üblicher glimpflicher Ausdruck
für das härtere Feindschaft. In Unfreundschaft gerathen, in ein
Mißverständniß. Sie gingen in Unfreundschaft aus einander.
Unfreundschaftlich (W3) [Adelung]
Unfreundschaftlich,
-er, -ste, adj. et adv. auch am häufigsten im gemeinen Leben, nicht
freundschaftlich, härtere Ausdrücke zu vermeiden.
Unfrey (W3) [Adelung]
Unfrey,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von frey, nicht frey, doch nur
in dessen zweyten engern Bedeutung, von dem Eigenthumsrechte anderer
nicht befreyet, wo es doch nur in noch engerm Verstande von Personen
und liegenden Gründen gebraucht wird. Unfreye Personen, im Gegensatze
der freyen, welche auf eine oder die andere Art dem Eigenthumsrechte
eines andern unterworfen sind; da denn unfrey der allgemeine Ausdruck
ist, der das leibeigen, eigenbehörig und andere Arten der
Einschränkung der freyen Gewalt über seine Person unter sich begreift.
Unfreye Bauergüter, dern Besitzer durch den Besitz derselben. Unfreye
werden.
Unfriede (W3) [Adelung]
Der Unfriede,
des -ns, plur. car. der Gegensatz von Friede, so fern dieses Wort
gutes Vernehmen, Eintracht bedeutet, da denn Unfriede für den Zustand
der Uneinigkeit, der Mißhelligkeit, des Streites gebraucht wird. Da
ist immer Zorn, Eifer, Widerwärtigkeit, Unfriede u. s. f. Sir. 40, 4.
Wo sich etwa ein Unfall zutrüge und Unfriede würde, 2 Macc. 9, 24. Daß
nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachte und Unfriede anrichte, Ebr.
12, 15. Sprichw. Friede ernähret, Unfriede verzehret.
Unfriedlich (W3) [Adelung]
Unfriedlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von friedlich. Unfriedlich mit
einander leben. Nichts Unfriedliches besorgen, 2 Macc. 12, 4. Daher
die Unfriedlichkeit.
Unfruchtbar (W3) [Adelung]
Unfruchtbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von fruchtbar, nicht fruchtbar,
in dessen sämmtlichen Bedeutungen. Ein unfruchtbares Land. Sarai war
unfruchtbar, 1 Mos. 11, 30. Eine unfruchtbare Materie, von welcher
sich nicht viel lehrreiches sagen läßt. So auch die Unfruchtbarkeit.
Bey dem Ottfried unbera, von bären, tragen, bey den spätern
Schriftstellern, unbarig, unberent, unberhaftig, und für
Unfruchtbarkeit, Unberehafti, Unbirgi.
Unfug (W3) [Adelung]
Der Unfug,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Fug, doch nur in einigen
Bedeutungen desselben 1. Der Gegensatz von Fug, Recht, Befugniß; eine
im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Etwas mit Unfug thun, behaupten,
ohne Recht oder Grund; im Oberdeutschen. 2. * Unbequemlichkeit; eine
gleichfalls veraltete Bedeutung. Ihr habt bisher mit ewrm vnfug
Beschirmet wol mein land vnd lewt, Theuerd. Kap. 117. 3. * Kummer,
Gram, Unmuth, welche gleichfalls nicht mehr gangbar ist. In diesem
Verstande kommt Unfuoge, noch bey Walther von der Vogelweide vor. 4. *
Unanständigkeit, bey dem Winsbeck. Auch diese Bedeutung ist veraltet,
und man gebraucht Unfug im Hochdeutschen, 5 nur noch von einem
unanständigen Betragen, von unbefugten Handlungen, besonders, so fern
sie mit Geräusch verbunden sind, wo sich in dem Worte Fug die Begriffe
der Wohlanständigkeit und des Rechtes zu vereinigen scheinen. Allerley
Unfug anfangen, Lärm, Verwirrung, leichtfertige Händel. Unfug treiben.
Jemanden allen Unfug gestatten. Recensenten-Unfug. Im Nieders.
Ungevoch. Im Schwed. ist. Osog Unrecht. ( S. Fug.) Im Oberdeutschen
gebraucht man es auch im Plural, der aber im Hochdeutschen unbekannt
ist. Unfüglich, -er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von füglich,
nicht füglich, in dessen figürlichen Bedeutungen. Ein unfügliches
Verlangen,
welches nicht bewilligt werden kann. Am häufigsten als ein Nebenwort.
Das ist unfüglich, ist zu der Absicht nicht geschickt, den Umständen
nicht gemäß. So auch die Unfüglichkeit.
Unfugsam (W3) [Adelung]
Unfugsam,
-er, -ste, adj. et adv. 1. Als der Gegensatz von fugsam, wo es im
Oberdeutschen für unfüglich gebraucht wird. 2. Von fugen, jemanden zu
Willen seyn, ist unfugsam, abgeneigt, eines andern Verlangen oder
Neigung in billigen Fällen zu erfüllen, wo es doch im Hochdeutschen
nur selten gebraucht wird. Ein unfugsamer Mensch, so wohl ein
ungehorsamer, nicht folgsamer, als auch ein ungefälliger. So auch die
Unfugsamkeit.
Unfürdenklich (W3) [Adelung]
Unfürdenklich,
S. Undenklich.
Unfürsichtig (W3) [Adelung]
Unfürsichtig,
S. Unvorsichtig. -Ung, eine, so wohl in der Deutschen, als den damit
verwandten Sprachen, sehr alte Ableitungssylbe, welche an verschiedene
Wörter gesetzt wird, Hauptwörter daraus zu bilden. Diese Wörter sind,
1. Nennwörter, und zwar, (1) Beywörter, deren Anzahl doch die kleinste
ist, wo ung theils eine Gegend zu bezeichnen scheinet, wie in Freyung,
von frey, eine befreyete Gegend, theils einen Zustand, wie Theurung,
von theuer, theils ein Ding, ein Individuum, wie Quittung, von quitt.
Indessen können auch diese und die ihnen ähnlichen Wörter dieser Art
von den Zeitwörtern freyen, theuren, quitren u. s. f. abstammen. (2)
Hauptwörter, und hier bezeichnet sie, (a) Eine Gegend, einen Raum.
Waldung, eine mit Wald bewachsene Gegend; Holzung, eine mit Holz
bewachsene Gegend; Huthung, ein zur Huth bestimmter Raum; Feldung,
eine aus Feldern bestehende Gegend; Stallung, ein mit Ställen
bedauerter Ort; die Markung, eine zur Mark oder Flur gehörige Gegend;
das bergmännische Losung, ein leerer Raum, ( S. 1. Losung.) (b) Ein
Ding, Individuum, von welchem die erste Hälfte der Zusammensetzung
gesagt wird; Hornung, Mastung, was Mast gibt; die Mündung, wenn dieses
nicht von einem veralteten Zeitworte münden abstammet; das
Oberdeutsche Mehrung, ein Canal, welches aber auch die Ableitung von
einem Zeitworte mehren leidet u. s. f. 2. Zeitwörter, und zwar deren
Infinitiv, Abstracta daraus zu bilden, d. i. eine Handlung und den
darin gegründeten Zustand zu bezeichnen. Der Wörter dieser Art ist
eine große Menge, indessen lassen sich doch nicht von allen
Zeitwörtern solche Hauptwörter auf ung bilden. Die Abkürzung Änderung,
Anfechtung, Anführung, Bändigung, Befestigung, Befreyung, Begnadigung,
Bekräftigung, Belohnung, Bemäntelung, Bestellung, Bestrafung,
Entschuldigung, Erziehung, Eroberung, Handlung, Krönung, Prüfung,
Salbung, Warnung u. s. f. von abkürzen, ändern, anfechten, anführen,
bändigen u. s. f. Es wird in solchen Fällen nur die eigenthümliche
Sylbe des Infinitivs en oder n weggeworfen, und dafür ung angehänget.
Einige wenige haben noch einige andere Veränderungen erlitten; wie
Nahrung von nähren, oder vielmehr von einem veralteten Zeitworte
nähren, Handlung für Handelung, Löhnung von lohnen. Der Sprung gehöret
nicht hierher, zumahl da es wider die Natur aller dieser Wörter,
männlichen Geschlechtes ist. Die nächste und eigentliche Bedeutung
dieser von Zeitwörtern gebildeten Hauptwörter ist die Handlung des
Zeitwortes, als ein Individuum zu bezeichnen. Es scheinet aber, daß
diese Bedeutung wiederum eine Figur der Bedeutung eines Dinges, eines
Individui ist, welche noch in vielen Wörtern dieser Art die
herrschende ist.
Anm. Alle diese mit ung zusammen gesetzte Wörter sind
weiblichen Geschlechtes; denn der Sprung gehöret, wie schon bemerket
worden, nicht hierher. Diese Ableitungssylbe ung ist mit der Sylbe ing
sehr nahe verwandt, und allem Ansehen nach von derselben nur in der
Mundart verschieden. Daher werden -ing und -ung noch jetzt in einigen
Mundarten häufig verwechselt. Was die Böttcher in einigen Gegenden die
Kimmung nennen, heißt in andern die Kimming. Die Nahrung heißt im
Dänischen Näring. Doch findet sich in den Ableitungen von Zeitwörtern
die Form ing nur selten, am häufigsten ung, dagegen Nennwörter eben so
oft ing, als ung an sich nehmen. Siehe -Ing, ingleichen -Ich und -Ig,
welche Ableitungssylben gleichfalls mit dieser verwandt zu seyn
scheinen, indem der Naselaut oft nur ein bloßer müßiger Begleiter der
Gaumenlaute ist.
Ungangbar (W3) [Adelung]
Ungangbar,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gangbar. 1. Was nicht im Gange ist.
Ungangbare Münze, welche nicht im Handel und Wandel umgehet.
Ungangbare Worte, ungewöhnliche, welche nicht in dem gemeinen
Sprachgebrauche im Gange sind. 2. Wo man nicht gehen kann. Ein
ungangbarer Weg, welches aber auch 3. einen Weg bedeuten kann, wo
nicht viel gegangen wird. So auch die Ungangbarkeit.
Unganz (W3) [Adelung]
Unganz,
adj. et adv. ein nur in einigen Fällen des gemeinen Lebens übliches
Wort für nicht ganz. So nennen die Schlösser das Eisen unganz, wenn es
kleine Risse hat, und nicht gut zusammen hängt.
Ungarn (W3) [Adelung]
Ungarn,
-s, der eigenthümliche Nahme eines zu beyden Seiten der Donau in Osten
Deutschlandes gelegenen Landes, welches seinen Nahmen von den Hunnen
haben soll, daher es nach dem Muster des Lat. Hungaria, von einigen
auch Hungarn geschrieben und gesprochen wird, obgleich die Schreibart
ohne h jetzt die gewöhnlichste ist. Daher der Ungar, des -n, plur. die
-n, Fämin. die Ungarinn, ein Individuum derjenigen Nation, welche
dieses Land jetzt in Besitz hat. Ungarisch, aus diesem Lande her, in
demselben gegründet. Das Ungarische Wasser oder Schlagwasser, welches
aus Roßmarinblüthen und Weingeist destillieret wird, und von einer
Königinn von Ungarn, Nahmens Elisabeth, erfunden seyn soll, die damit
ihr Leben auf 82 Jahr gebracht hat, welches denn wohl Carl Roberts
Gemahlinn und Ludwigs I Mutter gewesen seyn muß. Ungarisches Leder,
alaungares Leder, welches auf Ungarische Art gar gemacht wird. Die
ungarische Krankheit. S. Fleckfieber.
Ungeachtet (W3) [Adelung]
Ungeachtet,
-er, -ste, adj. et adv. nicht geachtet. 1. Eine ungeachtete Waare,
welche nicht geachtet, nicht geschätzet wird. Ein Ungeachteter wird
aufkommen, welchem die Ehre des Königreichs nicht bedacht war, Dan.
11, 21. 2. Sehr häufig wird dieses Mittelwort als eine Partikel
gebraucht, von achten, in Erwägung ziehen, da sie denn so viel
bedeutet, als solches nicht in Betrachtung gezogen, keine Rücksicht
darauf genommen, und auf doppelte Art gebraucht wird. So wohl mit
einem Hauptworte, welches alsdann in der zweyten Endung stehet.
Ungeachtet des übeln Wetters ging die Reise dennoch vor sich, d. i. ob
es gleich übles Wetter war. Ungeachtet seiner Geschicklichkeit, ist er
doch übergangen worden. In den meisten Fällen ist es dem Wohlklange
gemäßer, diese Partikel dem Nennworte nachtreten zu lassen. Seines
Fleißes ungeachtet. Deines Alters ungeachtet, wirst du der Strafe
nicht entgehen. Welches besonders von Fürwörtern gilt, welche allemahl
voran stehen. Dessen ungeachtet, alles dessen ungeachtet. Im
Oberdeutschen wird sie häufig auch mit der dritten Endung verbunden,
seinem Fleiße ungeachtet; welches auch wohl einige Hochdeutsche
nachahmen, besonders mit dem Fürworte, dem oder diesem unge- achtet,
welches andere noch ungeschickter als Ein Wort schreiben,
demungeachtet, demunerachtet, oder wohl gar demohnerachtet. Die dritte
Endung ist in diesem Falle einmahl im Hochdeutschen fremd und
ungewöhnlich, und es ist kein Grund vorhanden, ungeachtet gerade mit
dem Fürworte in der dritten Endung, in andern Fällen aber mit der
zweyten zu gebrauchen. Der Einwurf, welchen irgendwo jemand gemacht
hat, dieses alles ungeachtet klänge doch nicht, beweiset nichts. Der
Übelklang rühret hier theils von der zweymahligen Endsylbe es, theils
daher, weil nicht deutlich wird, ob dieses alles nicht die vierte
Endung ist. Am sichersten wird, der Übelklang durch Veränderung des
Fürwortes vermieden. Alles dessen ungeachtet ist doch wohl eben das,
als dieses alles ungeachtet. Die zweyte Art, diese Partikel zu
gebrauchen, ist mit dem Indicativ des Zeitwortes, da es denn die
völlige Gestalt eines Bindewortes annimmt, und für obgleich stehet. Es
macht, daß in den zusammen gesetzten Zeiten das Hülfswort hinter das
Zeitwort tritt. Er that es doch, ungeachtet ich es ihm verbothen
hatte. Zürnest du noch, ungeachtet ich es dir schon abgebethen habe?
Das konnte er nicht, ungeachtet er so groß ist. Die Wortfügung mit dem
Bindeworte daß: ungeachtet, daß er solch' Vorhaben so oft geändert
hatte, 3 Macc. 5, 39. ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Im
Oberdeutschen, wo un noch so oft ohn lautet, wird diese Partikel sehr
häufig ohngeachtet geschrieben und gesprochen, welches sich auch noch
bey vielen Hochdeutschen erhalten hat, aber von Schriftstellern,
welche auf die Reinigkeit und den Wohlklang der Sprache aufmerksam
sind, billig vermieden wird. Ungeachtet ist von dem Mittelworte des
Zeitwortes achten, so fern es in Erwägung, in Betrachtung ziehen,
bedeutet; erachten hat eine andere Bedeutung, welche hier nicht so
schicklich ist. Es ist daher nicht so richtig, wenn manche unerachtet
oder wohl gar ohnerachtet dem ungeachtet vorziehen, welche sich leicht
begreifen lässet, wenn man die Bedeutungen bey der Zeitwörter mit
einander vergleicht. Im Oberdeutschen hat man mehrere ähnliche
Ausdrücke, welche daselbst statt dieser Partikel und auf eben dieselbe
Art gebraucht werden; z. B. ohngehindert, ohn- oder unerwogen,
unangesehen, unermessen u. s. f. welche aber im Hochdeutschen
insgesammt fremd sind.
Ungeahndet (W3) [Adelung]
Ungeahndet,
adj. et adv. nicht geahndet, d. i. nicht bestraft. Etwas ungeahndet
hingehen lassen. Es ist ihm ungeahndet hingegangen, ist nicht an ihm
geahndet worden. Ein ungeahndetes Versehen. Schon dem Notker
ungeahndot.
Ungeberde (W3) [Adelung]
Die Ungeberde,
plur. die -n, ein im Hochdeutschen selten gewordenes Wort, eine
widerwärtige, unanständige, übel lassende Geberde zu bezeichnen. Das
troug ich so das min ungeberdesach luitzel ieman, Reinmar der Alte, wo
es doch figürlich Gram, Verdruß, bezeichnet, welche Bedeutung jetzt
völlig veraltet ist. Schaw wie fürwitz hüpft hin und her Und hat
mancherley ungeper, Hans Sachs.
Ungeberdig (W3) [Adelung]
Ungeberdig,
-er, -ste, adj. et adv. übel lassende, der Wohlanständigkeit zuwider
laufende Geberden machend, besonders so fern selbige aus Zorn, Verdruß
u. s. f. herrühren. Sich ungeberdig stellen. Aber sie nöthigen ihn,
bis daß er sich ungeberdig stellete, 2 Kön. 2, 17. Die Liebe stellet
sich nicht ungeberdig, 1 Cor. 13, 5; in welchen biblischen Stellen es
doch auf eine jetzt veraltete Art für zornig, unwillig überhaupt
gebraucht wird. Das Abstractum die Ungeberdigkeit, kommt selten vor.
Ungebräuchlich (W3) [Adelung]
Ungebräuchlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gebräuchlich. Ungebräuchliche Worte.
Eine Tracht, welche schon lange ungebräuchlich ist. So auch die
Ungebräuchlichkeit.
Ungebühr (W3) [Adelung]
Die Ungebühr,
plur. car. der Gegensatz von Gebühr, doch nur, so fern dieses Wort im
weitesten Verstande ehedem alles bedeutete, was sich gebühret, sich
schickt, was den Gesetzen, der Billigkeit, den Umständen und den guten
Sitten gemäß ist, da denn Ungebühr dessen Gegensatz bezeichnet. Eine Ungebühr begehen. Eine Ungebühr begehren, etwas, das sich nicht
gebühret, sich nicht bewilligen lässet. Er ist einer Ungebühr
beschuldigt worden. Was Böses man uns thut mit andern Bösen rächen,
Hält Aristoteles gar nicht für Ungebühr, Opitz. Da es denn auch wohl
als ein Abstractum von dem Zustande gebraucht wird, da etwas
ungebührlich ist, für Ungebührlichkeit. Der Sachen Ungebühr
vorstellen. In allen diesen Fällen wird es im Hochdeutschen wenig mehr
gebraucht, wo es nur noch in einigen einzelnen R. A. gehöret wird.
Jemanden mit Ungebühr begegnen, auf eine ungebührliche Art. Am
häufigsten ist zur Ungebühr in Gestalt eines Nebenwortes üblich. Etwas
zur Ungebühr vergrößern, auf eine ungebührliche Art, mehr, als sich
gebühret. Jemanden zur Ungebühr loben, mehr, als er verdienet und als
sich geziemet. Etwas zur Ungebühr verachten. Zur Ungebühr mit etwas
groß thun.
Ungebührend (W3) [Adelung]
Ungebührend,
-er, -ste, adj. et adv. sich nicht gebührend, wie ungebührlich; eines
von den sehr wenigen Mittelwörtern der gegenwärtigen Zeit, welche das
un vor sich leiden. Ein ungebührendes Betragen. Jemanden ungebührend
begegnen.
Ungebührlich (W3) [Adelung]
Ungebührlich,
-er, -ste, adj. et adv. wie das vorige, und als der Gegensatz von
gebührlich, dem Rechte, der Billigkeit, den Umständen, den guten
Sitten nicht gemäß. Ein ungebührliches Betragen. Jemanden ungebührlich
begegnen. Er hat sehr ungebührlich an mir gehandelt. Daher die
Ungebührlichkeit, wofür im Oberdeutschen auch das und die Ungebührniß
üblich ist. Die Ungebührniß dieses Unternehmens.
Ungebunden (W3) [Adelung]
Ungebunden,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gebunden. 1. Eigentlich. Ungebundene
Bücher, rohe. 2. Figürlich. (1) Die ungebundene Rede, die ungebundene
Schreibart, die prosaische, im Gegensatze der gebundenen oder
poetischen. (2) Im sittlichen Verstande ist ungebunden, sich an keine
Einschränkung der Gesetze und guten Sitten bindend. Ein ungebundenes
Leben, ein ausschweifendes, zügelloses. Ungebundene Begierden. In
einem etwas andern Verstande ist ungebunden oft, durch keine
Einschränkung gebunden, d. i. gehindert. Noch ungebunden seyn. Daher
die Ungebundenheit, welches doch nur in diesem zweyten figürlichen
Verstande üblich ist, und auch wohl im Concreto und mit dem Plural,
von Ausschweifungen, zügellosen unerlaubten und unanständigen
Handlungen gebraucht wird.
Ungedrungen (W3) [Adelung]
Ungedrungen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gedrungen, wo es besonders zuweilen für
ungezwungen gebraucht wird. Etwas ungedrungen thun, freywillig, ohne
daß man dazu gedrungen wird. In welchem Falle auch wohl das Hauptwort
die Ungedrungenheit gebraucht wird.
Ungeduld (W3) [Adelung]
Die Ungeduld,
plur. car. der Gegensatz der Geduld, so fern es die tugendhafte
Mäßigung des Widerwillens im Leiden bezeichnet, da denn Ungeduld den
Mangel der Mäßigung, oder unmäßigen Unwillen im Leiden, und dessen
Fertigkeit bezeichnet. Etwas aus Ungeduld thun. Auch zuweilen nur
Unwillen über langes Warten, thätige Abneigung sich zu gedulden, als
der Gegensatz von Geduld 1. Voller Ungeduld seyn. Bey dem Ottfried nur
Unthulti.
Ungeduldig (W3) [Adelung]
Ungeduldig,
-er, -ste, adj. et adv. Ungeduld verrathend, und darin gegründet, in
beyden Bedeutungen des vorigen. Man ist oder wird ungeduldig, wenn man
seine Unlust oder seinen Unwillen über langes Warten oder Harren an
den Tag legt. Ein ungeduldiger Mensch, welcher nicht gern lange
harret, auch nicht lange an einem Orte Geduld hat. Im engern Verstande
ist ungeduldig, Unlust oder Unwillen über unangenehme Empfindungen an
den Tag legend, und darin gegründet. Ungeduldig im Leiden seyn. Daher
die Ungeduldigkeit, der Zustand, da man ungeduldig ist, so wie
Ungeduld zunächst den ausbrechenden Unwillen selbst bezeichnet. Bey
dem Ottfried undulti.
Ungeehrt (W3) [Adelung]
Ungeehrt,
-er, -este, adj. et adv. nicht geehrt. Ungeehrt seyn. Ein ungeehrter
Mann.
Ungefähr (W3) [Adelung]
Ungefähr,
adj. et adv. welches besonders in einer dreyfachen Bedeutung gebraucht
wird. 1. * Was man nicht wahr genommen, was unvermuthet ist und
geschiehet. Ein ungefährer Tod, ein unvermutheter. Die ungefähre
Ankunft eines Freundes, die unerwartet, unvermuthete. Ein ungefährer
Zufall. Doch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, ob sie
gleich noch in einigen Provinzen gangbar ist. 1. In engerer Bedeutung
nennet man eine Begebenheit ungefähr, wenn uns ihre Ursachen unbekannt
sind, zufällig, daher wir sie auch nicht vermuthen können, da es denn
in noch engerer Bedeutung oft dem vorsetzlich entgegen gesetzet ist.
Ein ungefährer Stoß, so wohl, der ohne Vorsatz geschiehet, als auch,
dessen Ursachen uns unbekannt sind, daher wir uns nicht davor hüthen
können. Ein ungefährer Fall. Am häufigsten als ein Nebenwort für
zufälliger Weise. Es begab sich ohngefär, (ungefähr) daß ein Priester
dieselbige Straße hinzog, Luc. 10, 31. Gott hat ihn lassen ohngefär in
seine Hände fallen, 2 Mos. 21, 13. Wenn er ihn ohngefär stößet, 4 Mos.
35, 22. Er kam ungefähr dazu. Wenn es sich ungefähr zutragen sollte.
Wo man doch im Hochdeutschen noch gern das von beyzufügen pflegt. Ich
sahe ihn von ungefähr; von ungefähr erblickte ich ihn. Er redete als
von ungefähr und ohne Absicht mit ihm davon. Bis der Gast von ungefähr
Über sich was Fremdes siehet, Lichtw. Da denn auch das Ungefähr häufig
als ein Hauptwort gebraucht wird, doch ohne Plural, so wohl eine
ungefähre Begebenheit zu bezeichnen, es war ein Ungefähr; als auch
dasjenige unbekannte Wesen, von welchem nach der Philosophie des
großen Haufens die zufälligen Begebenheiten, d. i. die deren Ursachen
uns unbekannt sind, abhängen sollen, und welches auch wohl der blinde
Zufall, das Schicksal genannt wird. Durchs liebe Ungefähr, das manches
Glücksstern ist, Michael, der Dichter. 3. Endlich wird dieses Wort oft
dem genau bestimmt entgegen gesetzet, und da bedeutet es etwas, das
nicht genau bestimmt ist; beynahe. Die ungefähre Weite nehmen. Am
häufigsten auch hier als ein Nebenwort. Es waren ungefähr sieben
Ellen, nicht genau, etwas darüber oder darunter. Es ist ungefähr
vierzehn Tage her. Wir warteten ungefähr eine Stunde. Ungefähr
sechzehn Groschen. Etwas nur ungefähr messen, ohne das Maß auf das
genaueste zu bestimmen. So groß, als ungefähr mein Daumen, Weiße. Das
war es ungefähr, was ich sagen wollte. Die Lebhaftigkeit des Geistes
ist in der Seele ungefähr das, was die Geschwindigkeit in der Bewegung
eines Körpers ist. Etwas nur ungefähr wissen, nur obenhin, nicht
genau.
Anm. Die erste Sylbe ist die Vorsylbe un, welche im
Oberdeutschen gern in ein ohn gedehnet wird, daher auch dieses Wort
selbst noch von vielen Hochdeutschen ohngefär geschrieben und
gesprochen wird, welches doch der Analogie der übrigen mit un zusammen
gesetzten Wörter zuwider ist, das einige Ohnmacht etwa ausgenommen.
Die zweyte Hälfte ist das alte gefähr, welches für gewahr gebraucht
wurde, oder vielmehr aus diesem letztern gebildet ist, so daß ungefähr
eigentlich unwahrgenommen bedeutet. In erfahren ist dieses w
gleichfalls in das nahe verwandte f übergegangen. Hieraus erhellet
zugleich die Nothwendigkeit, dieses Wort in der letzten Sylbe mit
einem h zu schreiben. Gefer für böser Vorsatz kommt noch in dem
Theuerdanke vor. Es ist warlich nicht mit gefer Geschehen, das ich
wider aus Den scheff bin gangen heim zu Haus. Ich hett vergessen ein
groß sach. Kap. 43. Wo es aber auch unser heutiges Gefährde seyn kann,
welches nicht hierher, sondern zu Gefahr gehöret. Ungefähr lautet bey
den ältern Oberd. Schriftstellern auch on geferd, ungeferlich,
angefer. Die Niederdeutschen gebrauchen dafür in der zweyten Bedeutung
ungeschicht, von Ungeschicht, von Wahnschichten, indem Unschicht und
Wahnschicht auch als Hauptwörter, das Ungefähr, den Zufall bedeuten;
in der dritten Bedeutung aber heute, heuter, hinzu, es ist heute acht,
ungefähr acht.
Ungefällig (W3) [Adelung]
Ungefällig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von 2 gefällig. 1. Keinen
Gefallen erweckend, von Sachen. Ein Gott ungefälliges Verhalten. Das
ist mir ungefällig. Mißfällig sagt etwas mehr. 2. Abgeneigt, andern
einen Gefallen zu erweisen, und darin gegründet. Du bist ein sehr
ungefälliges Geschöpf. Ein ungefälliges Vertragen. Daher die
Ungefälligkeit, doch nur in der zweyten Bedeutung.
Ungefärbt (W3) [Adelung]
Ungefärbt,
adj. et adv. nicht gefärbt, d. i. entweder weiß, oder doch mit seiner
natürlichen Farbe versehen. Figürlich ist ungefärbt zuweilen so viel,
als unverstellt, ungeheuchelt. Die ungefärbte Liebe, 2 Cor. 6, 6. Ein
ungefärbter Glaube, 2 Tim. 1, 5; in welchem Verstande gefärbt nicht
üblich ist.
Ungegessen (W3) [Adelung]
Ungegessen,
adj. et adv. 1. Nicht gegessen; in welcher eigentlichen Bedeutung es
doch nicht leicht gebraucht wird. 2. Ohne gegessen zu haben, doch nur
als ein Nebenwort; eine Bedeutung, welche bey den Mittelwörtern der
vergangenen Zeit mit der Vorsylbe un auch nicht sehr gewöhnlich ist.
Ungegessen zu Bette gehen. Die Latein. impransus und incoenatus werden
in eben demselben Verstande gebraucht.
Ungegründet (W3) [Adelung]
Ungegründet,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gegründet, besonders in
dessen figürlichen Bedeutung, auf keinem guten Grunde beruhend, der
Wahrheit, der Sache nicht gemäß, als ein glimpflicher Ausdruck für das
härtere grundlos. Ein ungegründetes Vorgeben. Sich eine ungegründete
Hoffnung machen. Die Nachricht ist ungegründet.
Ungehäb (W3) [Adelung]
Ungehäb,
S. Gehäb.
Ungehalten (W3) [Adelung]
Ungehalten,
-er, -ste, adj. et adv. 1. Nicht gehalten, in den eigentlichen
Bedeutungen des Activi halten, und ohne Comparation, ob es gleich in
dieser Bedeutung wenig gebraucht wird. Es blieb ungehalten, und mußte
also wohl fallen. 2. Figürlich ist ungehalten, seinen Unwillen durch
Worte und äußere Handlungen an den Tag legend, wo es mit unwillig und
verdrüßlich ziemlich gleichbedeutend ist. Über etwas ungehalten
werden. Der persönliche Gegenstand bekommt auch das Vorwort auf. Auf
jemanden ungehalten seyn, werden. Werden sie nur nicht ungehalten auf
mich. Es ist hier als ein Nebenwort am üblichsten, seltener als ein
Beywort. Ein ungehaltener Mensch, auch wohl im weitern Verstande, der
unfähig ist, seinen Unwillen nicht durch äußere Merkmahle ausbrechen
zu lassen. Der Gegensatz gehalten ist zwar in dieser Bedeutung nicht
gangbar, indessen ist ungehalten doch ohne Zweifel von der Bedeutung
des Zeitwortes entlehnet, da es an sich halten, sich zurück halten
bedeutet, seine Empfindungen und Gedanken nicht ausbrechen lassen; er
konnte sich nicht mehr halten, nicht mehr an sich halten.
Ungeheißen (W3) [Adelung]
Ungeheißen,
adj. et adv. nicht geheißen, durch kein Geheiß befohlen. Ein
ungeheißenes Betragen. Noch mehr, als ein Nebenwort. Etwas ungeheißen
thun, ohne einen Geheiß dazu bekommen zu haben.
Ungeheuchelt (W3) [Adelung]
Ungeheuchelt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von geheuchelt. Eine
ungeheuchelte Treue. Ein ungeheuchelter Gehorsam. Ungeheuchelt die
Wahrheit sagen.
Ungeheuer (W3) [Adelung]
Ungeheuer,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dem im Hochdeutschen
veralteten geheuer, so fern es besonders angenehm, sanftmüthig, zahm
u. s. f. bedeutete. Ungeheuer wird jetzt im Hochdeutschen noch am
häufigsten von Dingen gebraucht, welche wegen ihrer Menge, Größe und
Intension Furcht, Schrecken und Erstaunen erwecken. Das ungeheure
Meer. Der ungeheure Raum des Himmels. Ungeheuer groß, viel, sehr. Ein
ungeheurer oder ungeheuer großer Berg. Ein ungeheurer Mensch, der
außerordentlich groß ist. Ungeheure Schmerzen empfinden, ungewöhnlich
heftige. Ungeheure Thiere und Vögel, Jer. 50, 39; wenn es anders
daselbst nicht in der veralteten Bedeutung für wild, furchtbar
überhaupt gebraucht wird. Eine ungeheure Lüge, außerordentlich große.
Ungeheuer laufen, außerordentlich schnell, im gemeinen Leben.
Figürlich wird es, doch am häufigsten nur im gemeinen Leben, noch für
wild, unbändig, scheußlich gebraucht. Ein ungeheurer Mensch, ein
unbändiger. Nieders. ungehür. Ehedem bedeutete es auch häufig
unglücklich, widerwärtig, widrig, als der Gegensatz von geheuer,
angenehm. Es soll euch nichts ungeheures widerfahren, Apost. 28, 6. Da
denn Ungeheuer und Ungeheurigkeit ehedem auch wohl für Unglück
gebraucht wurde. Das im khein Leyd noch Vngehewr Durch mein Anschlag
geet zu handen, Theuerd. Kap. 53. Dem mag nichts übels oder
vngehurigkeit zugefügt werden, Garten der Gesundh. c) 1490. S.
Geheuer.
Ungeheuer (W3) [Adelung]
Das Ungeheuer,
des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Bey- und Nebenworte. 1.
Ein Ding, welches wegen seiner Größe Furcht und Entsetzen verursacht,
in welchem Verstande man sehr große und ungewöhnliche Thiere, einen
ungewöhnlich großen Menschen u. s. f. Ungeheuer zu nennen pflegt. Der
Nebenbegriff der Furcht und des Entsetzens ist dem Hauptworte noch
wesentlicher, als dem vorigen Beyworte, daher man Dinge, welche wegen
ihrer Größe nur Bewunderung erwecken, z. B. die Himmelskörper, nicht
Ungeheuer nennen kann. 2. Ein Ding, besonders ein lebendiges Geschöpf,
welches wegen seiner Ungestaltheit, Wildheit, Grausamkeit, und von
Menschen auch wegen des höchsten Grades lasterhafter Beschaffenheit,
Ekel, Abscheu, Furcht und Entsetzen erwecket. So nennt man eine
Mißgeburt, welche wenig Ähnlichkeit mit einem Menschen hat, ein
Ungeheuer. Nero, Caligula, Damien, waren Ungeheuer, wegen ihrer Laster
und Verbrechen.
Ungehindert (W3) [Adelung]
Ungehindert,
-er, -ste, adj. et adv. ohne gehindert zu werden. Etwas ungehindert
thun. Hier kannst du ungehindert arbeiten. Im Oberdeutschen und den
Hochdeutschen Kanzelleyen wird es häufig als eine Partikel für
ungeachtet gebraucht, und alsdann so, wie diese, mit der zweyten
Endung verbunden. Ungehindert seiner Wachsamkeit, oder seiner
Wachsamkeit ungehindert, ward er doch überfallen, ungeachtet. Wofür
andere auch wohl ohnverhindert oder unverhindert gebrauchen.
Ungehörig (W3) [Adelung]
Ungehörig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gehörig, nicht gehörig. 1.
Das ist dazu, ungehörig, gehöret nicht dazu. Auch in weiterer
Bedeutung, obgleich nur selten, für unerlaubt; unziemlich, in welchem
Verstande es mehrmahls bey dem Opitz vorkommt. Ein ungehöriges
Verhalten. 2. In engerer Bedeutung ist ungehörig in einigen Gegenden
Westphalens dem hofhörig entgegen gesetzt. Ein ungehöriges Gut. ( S.
Hofhörig.) So auch die Ungehörigkeit, welches Hauptwort indessen noch
seltener vorkommt, als das Bey- und Nebenwort.
Ungehorsam (W3) [Adelung]
Ungehorsam,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gehorsam, thätig abgeneigt, sein
Verhalten nach den Befehlen eines andern, besonders eines Obern zu
bestimmen, und darin gegründet. Ungehorsam seyn, einem ungehorsam
seyn. Ungehorsame Unterthanen, Kinder, Schüler u. s. f. Ein
Ungehorsamer. Bey dem Kero unhorsam.
Ungehorsam (W3) [Adelung]
Der Ungehorsam,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Gehorsam, die thätige Abneigung,
sein Verhalten nach den Befehlen eines Obern nicht zu bestimmen,
verpflichtende Vorschriften vorsetzlich zu übertreten. In der Schweiz
die Ungehorsame, und schon bey dem Kero Unhorsamy.
Ungeistlich (W3) [Adelung]
Ungeistlich,
-er, -ste, adj. et adv. ein nur in der theologischen Schreibart
übliches Wort, Fertigkeit besitzend, sich nach sinnlichen Eindrücken
zum Nachtheile des Geistes, d. i. vernünftiger Vorstellungen zu
bestimmen, und darin gegründet, sinnlich und zuweilen auch lasterhaft.
Den Ungeistlichen ist das Gesetz gegeben, 1 Tim. 1, 9. Ungeistliche
Fabeln, Kap. 4, 7. Ungeistliches Geschwätz, 2 Tim. 2, 16. So auch die
Ungeistlichkeit. Geistlich in dem Gegensatze dieser Bedeutung kommt
nur einige Mahl in der Deutschen Bibel vor, ist aber außerdem
veraltet.
Ungeld (W3) [Adelung]
Das Ungeld,
des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, ein altes aber
jetzt nur noch in einiges Provinzen übliches Wort, eine Abgabe oder
Accise von dem zu bezeichnen, wo es am häufigsten von demjenigen
Getränke gegeben wird, welches einzeln verkauft und verschenkt wird,
obgleich an manchen Orten auch diejenigen Abgabe, welche von dem
Getränke ganzen Fässern entrichtet wird, diesen Nahmen führet. In
einigen Provinzen ist es auch eine Abgabe, welche von manchen,
vielleicht nur nassen Waaren, nach Schiffs- und Wagenlasten
entrichtet, und von dem allgemeinen Zolle noch unterschieden wird; ja
es scheint, daß ehedem, wenigstens in manchen Gegenden, Ungeld, eine
jede Auflage und Abgabe, besonders in den Städten bezeichnet habe,
indem es in dem mittlern Lateine so oft durch tributum erkläret wird;
Ungelta vel tributum.
Anm. Dieses Wort wurde ehedem und noch jetzt
häufig auch Umgeld, Umbgeld, Omgelt geschrieben und gesprochen, welche
letztere Schreibart Wachtern, Frischen und viele andere bewogen hat,
die erste Sylbe von Ohm, Ahm abzuleiten, und dieses Wort durch eine
Abgabe zu erklären, welche von dem Getränke nach der Ohme entrichtet
wird, in welchem Falle man denn freylich Ohmgeld schreiben und
sprechen müßte. Allein, diese Ableitung verlieret ihre
Wahrscheinlichkeit, wenn man stehet, daß dieses Wort ist den mittlern
Zeiten, so oft un häufig von einer jeden Abgabe gebraucht, und dabey
auch weit häufiger Ungeld, als Umgeld oder Ohmgeld, geschrieben wird,
welche letztere Schreibart entweder ein Provinzialfehler ist, oder aus
einer voraus gesetzten irrigen Ableitung entstanden seyn kann.
Indessen ist die eigentliche Bedeutung der Partikel un hier gar
deutlich noch nicht. So fern dieses Wort ehedem auch die Schatzung in
den Städten bedeutete, erkläret Frisch es durch Umgeld, weil eine
solche Schatzung die Reihe herum, von Haus zu Hause gegeben wurde;
welcher Ableitung, außer dem unnatürlichen Zwange, auch die weit
ältere und häufigere Schreibart Ungeld entgegen stehet. Es scheinet
daher die Ab- leitung, welche schon Gassar in Annal. Augsb. beym
Menken Script. Saxon. Th. 1. S. 1509 davon gegeben, die
wahrscheinlichste zu seyn. Tributa seu collectae, quas plebs suo
idiomate Vngeltam, hoc est indebitum appellare consueuit. De singulis
tam negociationum mercibus, quam de potionum frumentorumque generibus
etc. Noch früher heißt es in der Synode zu Aschaffenburg 1292 in
Harzheims Concil. Th. 4. S. 15: Novas etiam exactiones, quae vulgo
Ungelt dicuntur, nulla civitatum instituat. Die letzte Hälfte Geld,
ist hier nicht so wohl unser heutiges Geld, pecunia, als vielmehr das
alte Gelt, eine schuldige Abgabe, besonders eine Geldstrafe, von
gelten in der veralteten Bedeutung, zu thun oder zu zahlen schuldig
seyn. Ungeld, oder vielleicht richtiger Ungelt, würde also eine Abgabe
bezeichnen, zu welcher man nicht verpflichtet ist, kurz eine
freywillige Geldgabe. Es ist aus den mittlern Zeiten bekannt, daß, bey
den ehemahligen eingeschränkten Hoheitsrechten der Landesherren, fast
alle Abgaben nur bittweise gefordert, und freywillig entrichtet
wurden, welche Freywilligkeit oft selbst durch die Nahmen derselben
aufbehalten wurde; z. B. Bethe, Nieders. Bede, Precariae u. s. f.
Ungelt bedeutet also wahrscheinlichsten eigentlich eine jede
freywillige Abgabe, und kommt darin mit Unpflicht überein, welches im
ähnlichen Verstande gebraucht wurde, ( S. dasselbe.) Im Schwed. sind
Omgelder, Unkosten, welches Ihre als eine buchstäbliche Übersetzung
des Lat. Impensae ansiehet, wo aber Om auch eine intensive Bedeutung
haben kann, wie in unserm Unkosten, welche Bedeutung sich denn
allenfalls auch auf unser Ungeld anwenden ließe. Die Niedersachsen
haben dieses Ungeld auch, aber außer dem ist bey ihnen auch Ingeld,
Zins, Interesse, welches aber so viel als Eingeld, Einkünste zu
bezeichnen scheinet. Im Schwed. ist omgelda, eine Geldstrafe bezahlen,
welches Ihre durch undgelda, entgelten, erkläret. Übrigens ist von
unserm Ungeld in einigen Oberdeutschen Gegenden, der Ungelder oder
Ungelter, eine verpflichtete Person, welche das Ungeld einnimmt, und
verungelden oder verungelten, das Ungeld von etwas entrichten.
Ungelegen (W3) [Adelung]
Ungelegen,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gelegen. 1. Nicht wohl
gelegen, unbequem, oder entfernt liegend. Die Anfurt war zu wintern
ungelegen, Apost. 27, 12. Der Ort ist für uns zu ungelegen. 2. Unserer
Bequemlichkeit, unserer Laune nicht gemäß, besonders von der Zeit. Es
ist mir heute sehr ungelegen. Sie kommen mir sehr ungelegen, zu
ungelegener, unbequemer, Zeit. Wenn es ihnen nicht ungelegen ist,
jetzt nicht unbequem ist.
Ungelegenheit (W3) [Adelung]
Die Ungelegenheit,
plur. die -en, der Gegensatz von Gelegenheit, doch nur in einigen
Bedeutungen. 1. Der Zustand, da ein Ding ungelegen ist, in beyden
Bedeutungen des vorigen Wortes; ohne Plural. Die Ungelegenheit eines
Ortes, dessen unbequeme Lage. Etwas mit seiner Ungelegenheit thun. 2.
Unangenehme Empfindung, so wohl überhaupt, als besonders, so fern sie
von uns ungelegenen Sachen herrühret; mit dem Plural. Machen sie sich
meinetwegen nicht die geringste Ungelegenheit, Mühe, Beschwerde.
Jemanden viele Ungelegenheiten verursachen. Der Bediente möchte sonst
bey seinem Herrn Ungelegenheit davon haben, Gell. Verdruß.
Ungelehrig (W3) [Adelung]
Ungelehrig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gelehrig, unfähig und ungeneigt, sich
lehren zu lassen, Lehren anzunehmen. Einen ungelehrigen Kopf haben,
wegen Mangel der Fähigkeit. Man kann aber auch aus bloßem Fehler des
Willens ungelehrig seyn. Im Oberdeutschen ist dafür ungelehrsam, und
in den niedrigen Sprecharten ungelernig üblich. Daher die
Ungelehrigkeit und im Oberdeutschen die Ungelehrsamkeit, welches
letztere, als der Gegensatz der im Hochdeutschen gangbarsten Bedeutung
des Wortes Gelehrsamkeit nicht üblich ist.
Ungelehrt (W3) [Adelung]
Ungelehrt,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gelehrt. 1. In dessen
zweyter Bedeutung, nicht gelehrt, nicht unterrichtet. Allein noch
ungelehrt, sich niedrig zu verstellen, Glaubt er dem Mortimer, Weiße.
2. In der engern dritten Bedeutung, keine Gelehrsamkeit besitzend, und
in diesen Mangel gegründet, ingleichen, zu dem, was man eigentlich
Gelehrsamkeit nennet, nicht gehörig. Ein Ungelehrter, im weitesten
Verstande, welcher nicht studieret, sich keine gelehrte Kenntniß
erworben hat. Ein ungelehrtes Buch. Die ungelehrte Erkenntniß, die
gemeine im Gegensatze der gelehrten. Daher die Ungelehrtheit, welches
zuweilen von dem Mangel der gelehrten Kenntniß gebraucht wird.
Ungelenk (W3) [Adelung]
Ungelenk,
-er, -este, adj. et adv. nicht gelenk, so wohl, was sich aus Mangel
der Gelenke nicht leicht bewegen lässet, als auch überhaupt, was
schwer zu lenken und zu biegen ist. Man sagt, jemand sey sehr
ungelenk, wenn er schwerfällig, in seinen Bewegungen unbehülflich ist.
Aber im figürlichen Verstande ist ungelenk, abgeneigt, sich von andern
lenken zu lassen. In beyden Fällen bey einigen auch ungelenksam und
ungelenkig. So auch die Ungelenkheit, ingleichen die Ungelenksamkeit.
Ungelöscht (W3) [Adelung]
Ungelöscht,
adj. et adv. nicht gelöscht. Besonders von dem Kalke. Ungelöschter
Kalk, lebendiger.
Ungelt (W3) [Adelung]
Ungelt, Ungelter,
S. Ungeld.
Ungemäß (W3) [Adelung]
Ungemäß,
-er, -este, adj. et adv. nicht gemäß, in der noch gangbaren Bedeutung
dieses Wortes, nicht so, wie es das Verhältniß der Sache erfordert,
mit der dritten Endung dieser Sache. Dieses deiner Pflicht sehr
ungemäße Betragen. Das Hauptwort die Ungemäßheit wird wenig gebraucht.
Ungemein (W3) [Adelung]
Ungemein,
adj. et adv. der Gegensatz von gemein, der doch nur in einigen
figürlichen Bedeutungen desselben gangbar ist. 1. Was dem größten
Theile der Dinge Einer Art nicht zukommt; am häufigsten als ein
Nebenwort. Ein Übel, das unsern Standesleu- ten nicht ungemein ist,
Opitz; nicht selten. 2. In seiner Art vorzüglich, selten und
vorzüglich. Das ist etwas ungemeines! etwas vorzüglich schönes. Er ist
ein ungemeiner Mann, ein überaus angenehmer, vortrefflicher. Eine
ungemeine Tapferkeit, eine seltene. 3. Noch häufiger als ein
verstärkendes Wort, für ungewöhnlich groß, sehr, viel. Du machst mir
ja ein ungemeines Vergnügen, Gell. Ich erschrack ungemein darüber.
Ungemein groß, sehr, viel. Ungemeine Schmerzen empfinden. Indessen ist
es als ein Beywort auch in dieser Bedeutung in der vertraulichen
Sprechart gangbares, als in der edlern.
Ungemessen (W3) [Adelung]
Ungemessen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gemessen, so wohl im eigentlichen
Verstande, als auch in einigen figürlichen. Ungemessene Frohndienste,
unbestimmte, welche der Grundherr nach Gutdünken auflegen kann, im
Gegensatze der gemessenen oder bestimmten. Zuweilen auch für
uneingeschränkt. Eine ungemessene Freyheit, eine uneingeschränkte.
Jemanden eine ungemessene Commission geben, ohne ihm Maß, Ziel, Preis
u. s. f. dabey vorzuschreiben.
Ungenannt (W3) [Adelung]
Ungenannt,
adj. et adv. nicht genannt. Ich will bey dieser Sache ungenannt seyn.
Ein ungenannter Schriftsteller, welcher sich nicht als den Verfasser
genannt hat, und welchen man, doch nicht ohne Zweydeutigkeit, auch
einen nahmlosen Schriftsteller nennet. Die ungenannten Beine, in der
Anatomie, diejenigen, welche das Becken in dem Unterleibe bilden.
Ungeneigt (W3) [Adelung]
Ungeneigt,
-er, -este, adj. et adv. nicht geneigt. 1. Keine Neigung zu etwas
haben, am häufigsten als ein Nebenwort; abgeneigt. Ungeneigt zu etwas
seyn. Seine Leute bewiesen sich sehr ungeneigt, ihm zu gehorchen. 2.
In engerer Bedeutung, keine Neigung, und in weiterer Bedeutung,
Abneigung habend, des andern Glück gern zu sehen und darin gegründet;
abgeneigt. Ungeneigt gegen jemanden seyn, auch einem ungeneigt seyn.
Ein ungeneigtes Gemüth gegen jemanden haben. So auch die
Ungeneigtheit.
Ungenießbar (W3) [Adelung]
Ungenießbar -er,
-ste, adj. et adv. nicht genießbar, was sich nicht genießen läßt. So
auch die Ungenießbarkeit.
Ungenoß (W3) [Adelung]
Der Ungenoß,
des -ssen, plur. -ssen, Fämin. die Ungenossinn, der Gegensatz von
Genoß, so wohl eine Person zu bezeichnen, welche mit der andern nicht
gleiches Standes ist, als auch eine Person, welche kein Glied einer
gewissen Gesellschaft ist. Es ist im Hochdeutschen fremd, und nur in
einigen Oberdeutschen Gegenden gangbar. Daher ist im
Öttingen-Wallersteinischen der Ungenossenthaler, oder auch das
Ungenossen, eine Abgabe, welche ein neu verehligtes Paar, die nicht
Genossen, d. i. völlig gleiches Standes sind, sondern, wo z. B. der
eine Theil leibeigen, der andere aber frey ist, entrichten müssen,
welche von einigen so verstanden worden, als wenn sie pro redimendo
vsu virginitatis gegeben werden müßte. Jetzt, nach aufgehobener
Leibeigenschaft im Wallersteinischen, wird der Ungenossenthaler von
alten Neuverehligten ohne Unterschied gegeben.
Ungenossen (W3) [Adelung]
Ungenossen,
adj. et adv. nicht genossen. In der im gemeinen Leben üblichen R. A.
das wird ihm nicht ungenossen aus- oder hingehen, nicht ungeahndet,
stehet ungenossen allem Anscheine nach irrig für genossen; daß aber
dieses nicht so wohl zu genießen, als vielmehr zu genesen, gehöret,
ist schon bey Genießen 2. (3) bemerkt worden. Vermuthlich leitete man
genossen in dieser R. A. von genießen ab, und da es alsdann keinen
begreiflichen Verstand gewährte, so nahm man den Gegensatz ungenossen,
als wenn es so viel bedeutete, das wirst du gewiß genießen müßen.
Ungenügsam (W3) [Adelung]
Ungenügsam,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von genügsam, aus verkannte
Hinlänglichkeit einer Sache mit deren Menge oder Intensität nicht
zufrieden. Ungenügsam seyn. Ein ungenügsamer Mensch. So auch die
Ungenügsamkeit.
Ungerade (W3) [Adelung]
Ungerade,
adj. et adv. der Gegensatz des Bey- und Nebenwortes gerade, in dessen
sämmtlichen Bedeutungen. Eine ungerade Linie, welche nicht gerade ist,
eine krumme. Am häufigsten von den Zahlen. Eine ungerade Zahl, welche
sich nicht in zwey gleich große ganze Zahlen theilen läßt, im
Gegensatze einer geraden. In den Bedeutungen des gerade, so fern es
ein Nebenwort allein ist, ist ungerade nicht üblich.
Ungerathen (W3) [Adelung]
Ungerathen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gerathen; doch nur, so fern es dem wohl
gerathen, d. i. wohl erzogen, entgegen gesetzt ist, eine Person zu
bezeichnen, welche aus verachteter oder nicht befolgter Erziehung böse
oder lasterhafte Sitten erworben. Ein ungerathener Sohn. Eine
ungerathene Tochter. In welchem Verstande es schon im Schwabenspiegel
vorkommt.
Ungerechnet (W3) [Adelung]
Ungerechnet,
adj. et adv. nicht gerechnet, am häufigsten als ein Nebenwort. Alles
dieses ungerechnet, nicht mit in Anschlag gebracht, nicht mit erwogen.
Ungerecht (W3) [Adelung]
Ungerecht,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von gerecht, doch nur in dessen
vierter, und einigen Fällen der fünften Bedeutung. 1) Dem Rechte, dem
Befugniß, der Billigkeit nicht gemäß. Einen ungerechten Verdacht wider
jemanden haben, einen unbilligen, ungegründeten. Ungerechte Ansprüche
machen. Eine ungerechte Sache haben. 2) Fertigkeit besitzend, die
Erfüllung seiner sittlichen Pflichten zu unterlassen; doch nur in der
biblischen Schreibart, wo die Ungerechten den Gerechten entgegen
gesetzet werden. Ingleichen in dieser beschaffen gegründet. 3) Dem
strengen rechte gegen andere nicht gemäß, ingleichen abgeneigt, die
Pflichten dieses strengen Rechtes zu erfüllen, geneigt und Fertigkeit
besitzend, das Recht anderer zu kränken, und darin gegründet.
Ungerecht gegen seinen Nächsten seyn. Ein ungerechter Richter. Ein
ungerechtes Urtheil. Das ist sehr ungerecht.
Ungerechtigkeit (W3) [Adelung]
Die Ungerechtigkeit,
plur. die -en. 1) Der Zustand, die Eigenschaft, da eine Person oder
Sache ungerecht ist, in allen vorigen Bedeutungen, in der zweyten aber
nur in der biblischen Schreibart: ohne Plural. Die Ungerechtigkeit
eines Verdachtes. Die Ungerechtigkeit eines Richters. 2) Eine
ungerechte Handlung, in der zweyten Bedeutung gleichfalls nur in der
biblischen Schreibart, wo alle Sünden und unrechtmäßige Handlungen so
heißen. Ein Richter, welcher sich vieler Ungerechtigkeiten schuldig
gemacht hat.
Ungereimt (W3) [Adelung]
Ungereimt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von gereimt in reimen. 1) Nicht
gereimt, d. i. am Ende der Zeiten keinen ähnlichen Klang, wofür man
doch, um der Zweydeutigkeit mit der folgenden Bedeutung willen, lieber
reimlos gebraucht. Ungereimte Verse, ein ungereimtes Gedicht, ein
reimloses. 2) Von sich reimen, sich schicken, einem andern Dinge gemäß
seyn, ist ungereimt der Gegensatz davon, wo es doch nur in engerer und
härterer Bedeutung gebraucht wird, einer offenbaren Wahrheit wider
sprechend und darin gegründet. Etwas ungereimtes sagen, vornehmen,
thun. Das war sehr ungereimt. Ungereimt handeln. Ein ungereimter
Mensch, welcher eine Fertigkeit besitzt, wider offenbare Wahrheiten zu
handeln. Ist etwas der allgemeinen Empfindung vom Schönen und
Häßlichen zuwider, so heißt es abgeschmackt. Das Nieders. unriemsk
bedeutet auch wahnsinnig. Aber das eben daselbst übliche Unrahm ein
Irrthum, Wahnsinn, scheinet vielmehr von Rahm, ein Ziel, herzustammen.
Ungereimtheit (W3) [Adelung]
Die Ungereimtheit,
plur. die -en, welches nur in der zweyten Bedeutung des vorigen üblich
ist. 1) Der Zustand, die Eigenschaft, da ein Ding ungereimt ist, einer
bekannten oder offenbaren Wahrheit widerspricht; ohne Plural. Die
Ungereimtheit eines Satzes, eines Vorgebens. 2) Ein ungereimter Satz,
eine ungereimte Handlung mit dem Plural. Ungereimtheiten von der
ersten Größe.
Ungern (W3) [Adelung]
Ungern,
-er, -ste, adv. mit herrschender Unlust, als der Gegensatz von gern.
Etwas ungern thun. Jemanden sehr ungern sehen. Ich schreibe sehr
ungern Briefe, am ungernsten aber Complimenten-Briefe. Mancher leihet
ungern, Sir. 29, 10. Die allgemeine Menschenliebe, zu welcher wir uns
so ungern verstehen. Schon bey dem Ottfried und Notker ungerno.
Ungerochen (W3) [Adelung]
Ungerochen,
adj. et adv. nicht gerochen, da es denn so wohl von riechen als rächen
seyn kann, ob es gleich von dem ersten Zeitworte nur selten, von dem
letztern aber am häufigsten gebraucht wird. Ich will ihr Blut nicht
ungerochen lassen, Joel 3, 26. Will man die Zweydeutigkeit vermeiden,
so kann man auch ungerächet gebrauchen. ( S. Rächen.) Schon in
Boxhorns Glossen unkirochan.
Ungesäumt (W3) [Adelung]
Ungesäumt,
-er, -este, adj. et adv. welche Comparation doch nur in der zweyten
Bedeutung üblich ist. 1) Von säumen, einen Saum machen, ist ungesäumt,
nicht gesäumt. Ungesäumte Schnupftücher. 2) Von sich säumen, saumselig
seyn, zaubern, bedeutet es ohne Säumniß, mit aller nur möglichen
Geschwindigkeit. Ungesäumt kommen, antworten. Ein ungesäumtes
Verfahren.
Ungeschehen (W3) [Adelung]
Ungeschehen,
adj. et adv. nicht geschehen, am häufigsten als ein Nebenwort. Was
geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Deine guten
Handlungen haben nunmehr deine bösen ungeschehen gemacht, figürlich,
haben ihre Wirkungen und Folgen aufgehoben. Etwas als ungeschehen
ansehen, als wenn es nicht geschehen wäre.
Ungescheid (W3) [Adelung]
Ungescheid,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gescheid, ohne hinlänglichen
Grund, noch häufiger. Fertigkeit besitzend, von seinen Handlungen
keinen zureichenden Grund anzugeben, und darin gegründet. Ein
ungescheider Mann. Ein sehr ungescheider Einfall. Etwas Ungescheides
sagen, was keinen begreiflichen Grund hat. So auch die Ungescheidheit.
S. Gescheid.
Ungescheut (W3) [Adelung]
Ungescheut,
adj. et adv. von scheuen, ohne Scheu zu haben. Sich ungescheut
verantworten. Auch ohne dir gehörige Scheu und Ehrerbietung.
Ungeschicklich (W3) [Adelung]
Ungeschicklich,
-er, -ste, adj. et adv. welches als der Gegensatz von dem alten
geschicklich nur in der dritten Bedeutung das üblichern geschickt
gebraucht wird, Mangel an der gehörigen Leichtigkeit in keinen
Handlungen habend: wofür doch auch ungeschickt üblicher ist. Das
Hauptwort die Ungeschicklichkeit hingegen ist gangbarer, doch am
häufigsten auch nur von dem Mangel, gewisse Bewegung mit Leichtigkeit
zu vollbringen.
Ungeschickt (W3) [Adelung]
Ungeschickt,
adj. et adv. der Gegensatz von geschickt, in dessen sämmtlichen
Bedeutungen. Am häufigsten in der zweyten engern Bedeutung, die zu
einer Absicht nöthigen Eigenschaften des Geistes nicht habend. Zu
einem Amte ungeschickt seyn. Er ist dazu nicht ungeschickt. Ingleichen
in der dritten Bedeutung unfähig, seine Bewegungen und Handlungen mit
vorzüglicher Leichtigkeit zu vollbringen. Ungeschickt seyn, tanzen,
mahlen u. s. f. Eine ungeschickte Bewegung. Ein ungeschickter Mensch.
Zuweilen auch, den Umständen nicht gemäß. Nichts ungeschicktes thun,
Luc. 23, 41. Wofür doch unschicklich üblicher ist. Das Hauptwort.
Ungeschicktheit kommt wenig vor.
Ungeschliffen (W3) [Adelung]
Ungeschliffen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht geschliffen, so wohl im eigentlichen
Verstande. Ungeschliffene Edelsteine. Ein Eisen, das an der Schneide
ungeschliffen bleibt, Pred. 10, 10. Als auch im figürlichen, im
höchsten Grade ungesittet, und darin gegründet, wofür man im gemeinen
Leben auch ungehobelt sagt. Ungeschliffene Reden. Ein ungeschliffener
Mensch. Siehe Schleifen.
Ungeschliffenheit (W3) [Adelung]
Die Ungeschliffenheit,
plur. die -en, nur in der figürlichen Bedeutung des vorigen. 1) Der
Zustand, da eine Person oder Sache im höchsten Grade ungesittet ist;
ohne Plural. 2) Ungeschliffene Ausdrücke und Handlungen, mit
demselben.
Ungeschlossen (W3) [Adelung]
Ungeschlossen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht geschlossen, in den meisten Bedeutungen
dieses Mittelwortes. Ein ungeschlossenes Land, welches Güter enthält,
deren Besitzer dem Landesherren nicht unterworfen sind, im Gegensatz
eines geschlossenen.
Ungeschmack (W3) [Adelung]
Ungeschmack,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dem im Hochdeutschen
veralteten geschmack, so wohl keinen Geschmack, als auch in engerer
Bedeutung, keinen angenehmen Geschmack habend, da es denn etwas
weniger sagt, als abgeschmack. Ungeschmack seyn. Ungeschmackes Bier.
Was ungesalzen ist, ist ungeschmack. So auch die Ungeschmackheit,
welches doch weniger gebraucht wird. Ungeschmackt ist so irrig, als
geschmackt.
Ungeschmeidig (W3) [Adelung]
Ungeschmeidig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht geschmeidig. So auch die
Ungeschmeidigkeit.
Ungeschoren (W3) [Adelung]
Ungeschoren,
adj. et adv. nicht geschoren, in den niedrigen Sprecharten als ein
Nebenwort auch im figürlichen Verstande. Jemanden ungeschoren lassen,
ihm keine unnöthige Mühe, Beschwerde und Bewegung verursachen.
Ungesellig (W3) [Adelung]
Ungesellig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gesellig, abgeneigt, mit
andern in Verbindung zu leben, abgeneigt, mit ihnen in Gesellschaft zu
seyn, und darin gegründet. So auch die Ungeselligkeit.
Ungesittet (W3) [Adelung]
Ungesittet,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von wohlgesittet, Mangel an
guten Sitten habend, ingleichen üble unanständige Sitten an sich
habend. Wie wenig gleichen wir den Alten! Was wir für ungesittet
halten, Hieß ihnen Männlichkeit, Uz. Das Hauptwort die Ungesittetheit
ist noch weniger gangbar, als Gesittetheit, ob man gleich solcher
Hauptwörter sehr oft benöthiget ist. Die Alten sagten dafür sittig und
unsittig (schon Ottfried unsitig) und konnten davon leicht die
Hauptwörter Sittigkeit und Unsittigkeit bilden.
Ungesprächig (W3) [Adelung]
Ungesprächig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gesprächig, abgeneigt, sich mit andern
durch Gespräche zu unterhalten, und darin gegründet. So auch die
Ungesprächigkeit.
Ungestalt,Ungestaltet (W3) [Adelung]
Ungestalt und
Ungestaltet, -er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von wohl gestalt
oder wohl gestaltet, eine im hohen Grade üble und widrige Gestalt
habend. Sehr ungestalt seyn, Dan. 10, 6. Ungestaltes Wesen, Weish. 11,
8. Ein ungestalteter Mensch. Nieders. wahnschapen. Ungestalt ist ohne
Zweifel von einem veralteten Beyworte gestalt, ungestaltet aber von
dem Zeitworte gestalten. Von dem erstern hat man auch das Hauptwort
die Ungestaltheit, so wohl der Zustand, da ein Ding ungestalt ist,
ohne Plural, als auch eine jede Abweichung von der natürlichen oder
gehörigen Gestalt.
Ungestüm (W3) [Adelung]
Ungestüm,
-er, -ste, adj. et adv. ungewöhnliche Heftigkeit äußernd. Besonders in
Ansehung der Bewegung. Das Meer wird plötzlich ungestüm, Hiob 26, 12.
Das ungestüme Meer, Ps. 89, 10. Ein ungestümer Wind. Es ist ungestümes
Wetter, wenn ein heftiger Wind gehet. Ein ungestümer Mensch, welcher
alles mit ungewöhnlicher Heftigkeit verrichtet. Ungestüm um etwas
bitten. Ungestüm anklopfen, rufen, schreyen u. s. f. Gleich einem
Strome, den sein Reichtum ungestüm macht, Dusch.
Anm. Schon bey dem
Willeram ist Ungestuome, ein heftiges Geräusch. Das einfachere gestüm
muß längst veraltet seyn, wenigstens hat es sich bisher noch bey
keinem Schriftsteller wollen finden lassen. Dieß macht zugleich die
Abstammung ungewiß. Wachter hält das Schwed. stimma, lärmen, toben,
Stym, ein tobender Haufe, für das Stammwort, welches mit unserm Stimme
verwandt ist, in welchem Falle un eine intensive Bedeutung haben,
ungestüm aber eigentlich heftig lärmend und schallend bedeuten würde.
Frisch hält das veraltete stüm für einen Verwandten von stumm. Gestüm
würde ihm zu Folge still gelinde, sanft, ungestüm aber dessen
Gegensatz bedeutet haben. Indessen hat die erste Ableitung mehr
Wahrscheinlichkeit für sich, besonders wenn man die verwandten
Deutschen stämmen, stampfen u. s. f. mit in Betrachtung ziehet, da
denn ungestüm nach dem Muster des Lat. Impetus, impetuosus, gebildet
seyn, und eigentlich Heftigkeit im Stoßen bedeuten kann. Die
Niederdeutschen gebrauchen dafür unstür, welches eine ähnliche
doppelte Ableitung leidet, so wohl von stur, groß, heftig, mit dem
intensiven un, als auch von steuern, mäßigen, einschränken, da es denn
ungemäßigt, unbändig, bedeuten würde. S. auch Ungethüm, welches noch
in einigen Gegenden ein Gespenst bedeutet und gleichfalls mit unserm
Worte verwandt ist.
Ungestüm (W3) [Adelung]
Der Ungestüm,
(in einigen Gegenden das Ungestüm,) des -es, plur. car. eine
ungewöhnliche Heftigkeit der Bewegung. Gott stürzte die Egypter mit
Ungestüm, 2 Mos. 14, 25. Er fähret über mich mit Ungestüm, Hiob 9, 17.
Ungestüm wird ihn von seinem Ort treiben, Kap. 27, 21. Da erhub sich
ein groß Ungestüm im Meer, Matth. 8, 24. Überlassen sie sich nicht dem
Ungestüm ihres Herzens. Jetzt, da ich meinen Ungestüm mit Gewalt
gedämpft habe, kann ich wieder vernünftig denken, Hermes. Verschonen
sie mich mit dem Ungestüm ihrer Bitten, Weiße. Durch das Gesträuch
reißt sich das Roß Mit starkem Ungestüm, ebend.
Anm. Im Nieders.
Unstür. ( S. das vorige.) Dieses Wort wird in allen drey Geschlechtern
gefunden; in einigen Gegenden ist es im weiblichen üblich, die
Ungestüm oder Ungestümme, in andern im ungewissen, das Ungestüm. Im
Hochdeutschen ist das männliche das gangbarste.
Ungesund (W3) [Adelung]
Ungesund,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von gesund, so wohl subjective
als objective. Ein ungesunder Mensch. Ungesunde Speisen. Ein
ungesunder Ort. Ungesunder Verstand steckt oft auch das Herz an,
Weiße. So auch die Ungesundheit.
Ungethüm (W3) [Adelung]
Das Ungethüm,
des -es, plur. die -er, oder -e, ein nur im gemeinen Leben einiger
Provinzen übliches Wort, ein Gespenst zu bezeichnen. So manches
Ungethüm mit Klauen und mit Schwänzen, Zachar. Doch für das Ungethüm
war seine Kunst zu schwach, Kästn.
Anm. Der Gegensatz Gethüm ist eben
so unbekannt und ungewöhnlich, als der Gegensatz von ungestüm;
indessen scheinet Un- gethüm mit dem letzten Worte verwandt zu seyn,
und zu dem Geschlechte der Wörter Tumult, Getümmel u. s. f. zu
gehören, so daß Ungethüm eigentlich einem Poltergeist bedeuten würde.
Ungetreu (W3) [Adelung]
Ungetreu,
-er, -este, adj. et adv. nicht getreu, in allen Bedeutungen dieses
Gegensatzes. Jemanden ungetreu seyn, werden. Ein ungetreuer Liebhaber.
Ungetreue Unterthanen. S. auch Untreu.
Ungewiß (W3) [Adelung]
Ungewiß,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von gewiß, so fern es ein
Beywort ist, da es denn in allen Bedeutungen desselben gebraucht
werden kann, außer in der letzten siebenten nicht, ( S. Gewiß.) Einen
ungewissen Tritt haben. Ungewiß stehen, Ezech. 7, 17. Ich laufe nicht
als aufs Ungewisse, 1 Cor. 9, 26. Die Sache ist noch sehr ungewiß.
Ungewisse Einkünfte. Das ungewisse Glück. Ein ungewisses Herz ist ein
hülfloses Schiff auf der Höhe des Meeres. Das ungewisse Geschlecht, in
den Deutschen Sprachlehren, das Genus neutrum der Lateiner
auszudrucken; eine sehr unschickliche und unbequeme Benennung, welche
einen irrigen Begriff von diesem Geschlechte gewähret, daher man es
lieber das sächliche nennt.
Ungewissenhaft (W3) [Adelung]
Ungewissenhaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von gewissenhaft, den Gebrauch
des allgemeinen Gewissens, besonders des vorher gehenden, vorsetzlich
unterlassend und darin gegründet. Ein ungewissenhafter Mann. Ein
ungewissenhaftes Verfahren. Daher die Ungewissenhaftigkeit.
Ungewißheit (W3) [Adelung]
Die Ungewißheit,
plur. die -en, der Gegensatz von Gewißheit, in dessen sämmtlichen
Bedeutungen, so wohl von dem Zustande, der Eigenschaft, ohne Plural,
als auch von ungewissen Dingen und Überzeugungen, mit dem Plural. Die
Ungewißheit einer Sache, objective. In der traurigsten Ungewißheit
leben, subjective. Welche Zweifel und Ungewißheiten herrschen da
nicht!
Ungewitter (W3) [Adelung]
Das Ungewitter,
des -s, plur. ut nom. sing. ein im hohen Grade ungestümes Wetter, in
welchem Verstande auch ein heftiger Sturm ehedem mit diesem Nahmen
belegt wurde. Am gewöhnlichsten gebraucht man es jetzt von einem
heftigen mit Sturm verbundenen Gewitter oder Donnerwetter. Es erhub
sich ein großes Ungewitter auf dem Meere, Jon. 1, 4, 12. Nach dem
Ungewitter lässest du die Sonne wieder scheinen, Tob. 3, 23. Es
entstehet, es kommt ein Ungewitter. Wir hatten gestern ein Ungewitter.
Warum brausen deine Ungewitter, o Rache, noch immer von fern? von
Brawe.
Anm. Schon bey dem Ottfried und Notker Vngeuuitir,
Vngeuuittere. Un verstärkt entweder hier die Bedeutung, so daß
Ungewitter ein heftiges Gewitter bedeutet, oder das letzte stehet hier
auch für angenehmes Wetter, dessen Gegentheil Ungewitter ist. Das
letzte wird aus einer Stelle in dem Notker wahrscheinlich, wo es
heißt: er gemachota daz Vngeuuitere ze Wetere, er verwandelte den
Sturm in schönes Wetter. Die Niedersachsen sagen nur Unweder oder
Aneweder, welche beyden Wörter nicht allein Ungewitter, sondern auch
ein jedes unangenehmes, ungestümes Wetter bedeuten, so wie das noch
einfachere Wetter im gemeinen Leben in eben dieser Bedeutung üblich
ist. Hornegk nennt ein Ungewitter auch Widerfrais.
Ungewittervogel (W3) [Adelung]
Der Ungewittervogel,
des -s, plur. die -vögel, ein Vogel, welcher durch sein Geschrey ein
bevor stehendes Ungewitter verkündiget. Besonders eine Art Sperlinge,
welche sich um die brausenden Wellen der See aufhält, sich aber, wenn
ein Gewitter kommen soll, den Schiffen nähert; Procellaria Linn. Die
Schiffer nennen ihn S. Peter, andere Petrell, weil er, wie Petrus, auf
den Wellen zu gehen scheinet.
Ungewohnheit (W3) [Adelung]
Die Ungewohnheit,
plur. car. der Gegensatz der Gewohnheit, doch nur so fern dieses ein
Abstractum ist, der Mangel der Fertig- keit zu freyen Veränderungen
Einer Art, ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe.
Ungewöhnlich (W3) [Adelung]
Ungewöhnlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gewöhnlich, was in den meisten ähnlichen
Fällen nicht ist oder geschiehet. Eine ungewöhnliche Kleidung. Ein
ungewöhnliches Wort.
Ungewöhnlichkeit (W3) [Adelung]
Die Ungewöhnlichkeit,
plur. car. die Eigenschaft eines Dinges, da es ungewöhnlich ist.
Ungewohnt (W3) [Adelung]
Ungewohnt,
-er, -este, adj. et adv. welche Comparation doch nur in der
Adverbial-Form am üblichsten ist, der Gegensatz von gewohnt, als dem
Mittelworte des Neutrius gewohnen, keine Fertigkeit zu gewissen
Empfindungen und Handlungen einer Art ohne Bewußtseyn der
Bestimmungsgründe habend. Mit der zweyten Endung des Hauptwortes. Der
Arbeit ungewohnt seyn. Eine der Schmerzen ungewohnte Seele. Ingleichen
objective. Ungewohnte Arbeit verrichten.
Ungezähmt (W3) [Adelung]
Ungezähmt,
-er, -este, adj. et adv. nicht gezähmt, so wohl eigentlich als
figürlich. Gleich einem ungezähmten Rosse. Die ungezähmte Begierde.
Ungeziefer (W3) [Adelung]
Das Ungeziefer,
des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein
Collectivum, schädliche Thiere kleinerer Art, besonders Insecten und
Gewürm, im verächtlichen Verstande zu bezeichnen, vornehmlich solche,
welche durch Beißen und Nagen beschwerlich fallen, und in Menge
beysammen gefunden werden. Das Ungeziefer verderbte das Land, 2 Mos.
8, 21 f. Da man denn auch wohl Mäuse, Fledermäuse, Katzen, Frösche,
Kröten, u. s. f. wenn selbige gleich weder zu dem Gewürm noch zu den
Insecten gehören, mit diesem Nahmen zu belegen pflegt.
Anm. Das
einfache Ziefer ist als ein Schmähwort noch in Baiern üblich, und
lässet sich aus dem Niederdeutschen erklären, wo Zäfer, einen Käfer
bedeutet. Z und K werden in den Mundarten sehr häufig mit einander
verwechselt, daher es mehr als wahrscheinlich ist, daß Zäfer und
Ziefer mit Käfer gleich bedeutend sind, und ein nagendes kleines Thier
bedeuten. Die Sylbe ge bildet hier ein Collectivum, daher Geziefer
noch hin und wieder in einigen gemeinen Mundarten üblich ist, so daß
die Sylbe un in dem Hochdeutschen Ungeziefer bloß eine verstärkende
Bedeutung zu haben scheinet. In einigen gemeinen Oberdeutschen
Mundarten sagt man nur Unziefer, und gebraucht es alsdann vermuthlich
auch von Individuis. Diese Ableitung ist wahrscheinlicher und
natürlicher als Frischens seine, der Ziefer von Zucht und ziehen
ableitet, und Ungeziefer durch schädliche Thiere erkläret, welche man
nicht aufziehet, sondern vielmehr tödtet. Die Niedersachsen nennen
zwar das Ungeziefer auch Untüg und die alten Friesen Uhntiug, allein
dieses stammt nicht von ziehen und Zucht ab, sondern von Zeug, womit
man oft mehrere verächtliche Dinge Einer Art zu benennen pflegt.
Ungeziemend (W3) [Adelung]
Ungeziemend,
-er, -ste, adj. et adv. nicht geziemend; eines von dem wenigen
Mittelwörtern der gegenwärtigen Zeit, welche das un vor sich leiden.
Ein ungeziemendes Betragen.
Ungezogen (W3) [Adelung]
Ungezogen,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gezogen, dem Mittelworte von
ziehen, besonders im figürlichen Verstande, aus Mangel der gehörigen
Zucht oder deren Annahme mit unanständigen Sitten versehen und darin
gegründet. Ungezogen seyn. Ein ungezogener Mensch. Ein ungezogenes
Betragen, ein unanständiges, ungesittetes. Der Gegensatz gezogen ist
in dieser figürlichen Bedeutung veraltet, kommt aber bey den
Oberdeutschen Schriftstellern der vorigen Jahrhunderte vor.
Ungezogenheit (W3) [Adelung]
Die Ungezogenheit,
plur. die -en. 1) Die Eigenschaft, da eine Person oder Sache ungezogen
oder den guten Sitten zuwider ist; ohne Plural. Die Ungezogenheit
eines Scherzes, eines Menschen. 2) Eine ungezogene Handlung oder
Sitte; mit dem Plural. Ungezogenheit begehen.
Ungezweifelt (W3) [Adelung]
Ungezweifelt,
adj. et adv. der Gegensatz von gezweifelt, woran man nicht zweifelt,
oder wobey kein Zweifel Statt findet. Eine ungezweifelte Hoffnung.
Nicht ohne merkliche Härte wird es von manchen subjective für nicht
zweifelnd, keines Zweifels fähig, gebraucht. So ist in der Theologie
ein ungezweifeltes Gewissen, conscientia indubitata, die Abwesenheit
von Zweifel bey den Aussprüchen des Gewissens, zum Unterschiede von
dem unzweifelhaften, indubitabili, welches mehr als das erste ist, und
die Überzeugung von der Richtigkeit und Erweislichkeit eines
Ausspruches des Gewissens bezeichnet.
Ungezwungen (W3) [Adelung]
Ungezwungen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gezwungen. Etwas ungezwungen thun.
Ingleichen figürlich. Eine freye und ungezwungene Stellung. S.
Zwingen.
Ungezwungenheit (W3) [Adelung]
Die Ungezwungenheit,
plur. car. die Eigenschaft eines Dinges, da es ungezwungen ist,
besonders in der zweyten figürlichen Bedeutung.
Unglaube (W3) [Adelung]
Der Unglaube,
des -ns, plur. car. der Gegensatz von Glaube, doch nur in einigen
Bedeutungen dieses Wortes. 1) Die Abneigung, einen Satz um des
Zeugnisses eines andern willen für wahr zu halten. Jemandes Unglauben
überwinden. In seinem Unglauben beharren. Noch mehr aber, 2) in
einigen engern Bedeutungen in der Theologie, wo es dem Glauben in
allen den Fällen, in welchen er in der Gottesgelehrsamkeit gebraucht
wird, entgegen stehet. Es bedeutet alsdann bald die Abneigung, die
Erfüllung der Zusagen Gottes um seines Zeugnisses willen als
unausbleiblich zu erwarten, bald die Abneigung, alle göttliche
Aussprüche und Versicherungen für untrüglich zu halten, oder die
Fertigkeit, Überzeugung von göttlichen Wahrheiten zu verhüten oder zu
unterdrücken, bald die Abwesenheit der übernatürlichen Fertigkeit
rechtmäßiger Veränderungen, bald endlich auch die Abneigung, die
geoffenbarte Religion um des Zeugnisses willen für wahr zu halten; in
welchen sämtlichen Bedeutungen es so wohl in der Deutschen Bibel, als
auch in den Schriften der Gottesgelehrten, häufig gebraucht wird. Anm.
Schon bey dem Ottfried Ungiloubo, im Nieders. Unlove, Unglove. In der
Parän. Tirol. kommt es in der jetzt veralteten Bedeutung einer
falschen Religion vor.
Ungläubig (W3) [Adelung]
Ungläubig,
-er, -ste, adj. et adv. in den Bedeutungen des vorigen Hauptwortes,
und als der Gegensatz von gläubig. 1. Abgeneigt, eine Sache um des
Zeugnisses eines andern willen für wahr zu halten, und darin
gegründet; in welcher Bedeutung der Gegensatz gläubig nicht üblich
ist. Ungläubig seyn. Ein ungläubiger Mensch, oder ein Ungläubiger. 2)
Im engern theologischen Verstande, so wohl abgeneigt, die
Versicherungen Gottes um seines Zeugnisses willen für untrüglich zu
halten, als auch abgeneigt, durch Genehmhaltung der Heilsordnung, die
möglichste Besserung seines Zustandes von Gott zu erwarten, als
endlich auch im weitesten Verstande, abgeneigt, die geoffenbarte
Religion um des göttlichen Zeugnisses willen für wahr zu halten, in
welchem letztern Verstande Mahomedaner und Heiden noch häufig
Ungläubige genannt werden.
Anm. Bey dem Ottfried ungiloubig, bey dem
Notker uncloubig, im Isidor unchilaubend, im Oberdeutschen unglaubig,
welche breitere Form auch in der Deutschen Bibel die herrschende ist.
Unglaublich (W3) [Adelung]
Unglaublich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von glaublich, was sich nicht
glauben lässet, keine wahrscheinlichen Gründe vor sich hat. Eine
unglaubliche Sache. Unglaublich groß, viel, sehr. Daher die
Unglaublichkeit, so wohl von dieser Eigenschaft, ohne Plural, als auch
von einer unglaublichen Sache mit demselben.
Ungleich (W3) [Adelung]
Ungleich,
-er, -ste, adj. et adv. welches der Gegensatz von gleich ist, aber
nicht in allen Bedeutungen desselben gebraucht wird. Es ist. I. Ein
Bey- und Nebenwort, wo es fast in allen Bedeutungen des gleich
demselben entgegen gesetzet werden kann. 1. Nicht gerade. 1)
Eigentlich, wo es, obgleich nur selten, auch für krumm gebraucht wird,
noch häufiger aber von der Oberfläche für uneben üblich ist, merkliche
Erhabenheiten auf der Oberfläche habend. Der Boden ist sehr ungleich.
Ein ungleicher Boden. Was ungleich ist, soll gleich werden, Es. 40, 4.
2) Figürlich. (a) Sich nicht in allen seinen Theilen ähnlich. Das Blut
fließet ungleich. Die Uhr geht ungleich. Die ungleiche Ausdünstung der
Erde. (b) Dem Rechte der Billigkeit, und in weiterm Verstande, der
allgemeinen Menschenliebe nicht gemäß, wo es oft als ein glimpflicher
Ausdruck für ungerecht, unbillig, hart, unfreundlich, nachtheilig,
gebraucht wird. Ungleich von jemanden urtheilen. Sich ungleichen
Urtheilen aussetzen. Etwas ungleich aufnehmen, auslegen, deuten, übel.
2. Nicht einerley Wesen, Beschaffenheit und Umstände habend; wo es in
allen den Schattierungen gebraucht wird, in welchen der Gegensatz
gleich üblich ist, welches hierbey nachgesehen werden muß, auch so wie
dieses, als ein Nebenwort, die dritte Endung der Person erfordert. Zu
ungleicher Zeit ankommen. Einem ungleich seyn. In ungleichem Alter
stehen, jemanden an Alter ungleich seyn. Ungleiches Maß. Ungleiche
Personen, welche sich nicht dem Stande nach gleich sind. Eine
ungleiche Ehe, so wohl, wo die Personen sich am Stande, Vermögen,
Alter u. s. f. ungleich sind, als auch, wo sie sich aus Mangel der
Übereinstimmung der Gemüther nicht für einander schicken. Aus Gehorsam
gegen die Ältern wird man oft einer ungleichen Ehe aufgeopfert, Gell.
Ein ungleicher Streit, ein ungleiches Gefecht, wo die streitenden
Theile einander an Anzahl u. s. f. sehr ungleich sind. Völker, welche
sich an Sprache und Sitten sehr ungleich sind. Eine ungleiche Zahl,
welche mehr oder weniger Einheiten hat, als eine andere. In einem
andern Verstande ist eine ungleiche Zahl, welche mit 2 dividiert nicht
aufgehet; wofür doch ungerade üblicher ist. II. Als ein Nebenwort
allein, wo es nur in der ersten Bedeutung des Gegensatzes gleich
gebraucht wird, und auch hier nur im engern Verstande als eine
erhöhende Partikel mit den Comparativis, für weit. Paris ist ungleich
volkreicher als Berlin. Die Alpen sind ungleich höher als die
Apenninen. Eine ungleich schwerere Strafe wartet auf dich. Denn höre
mich nur einmahl an, Wie ungleich zierlicher ich singen kann, Willam.
Anm. Bey dem Ottfried ungilih, der auch missilich, mißgleich, in eben
demselben Verstande gebraucht.
Ungleichartig (W3) [Adelung]
Ungleichartig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht einerley Art und Natur habend,
fremdartig, und mit einem Griechischen Ausdrucke heterogen; im
Gegensatze des gleichartig, ( S. dasselbe.) Daher die Gleichartigkeit.
Ungleichförmig (W3) [Adelung]
Ungleichförmig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gleichförmig, nicht einerley
Form, Art und Weise habend, ingleichen, dem gehörigen Verhältnisse
nicht gemäß. So auch die Ungleichförmigkeit.
Ungleichheit (W3) [Adelung]
Die Ungleichheit,
plur. die -en. 1) Das Abstractum des Beywortes ungleich, und der
Gegensatz von Gleichheit, ohne Plural, in den sämmtlichen Bedeutungen
des Beywortes. Die Ungleichheit des Bodens, der Stimme, der Gemüther,
des Standes u. s. f. 2) Ungleiche Theile an einem Dinge, mit dem
Plural. Die Ungleichheiten des Bodens. Orthographische Ungleichheiten.
Unglück (W3) [Adelung]
Das Unglück,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Glück, in dessen sämtlichen
Bedeutungen es gleichfalls üblich. 1) In der engern und vermuthlich
eigentlichen Bedeutung, derjenige Umstand, da uns unser Vorhaben durch
eine Verknüpfung unerwarteter Umstände nicht gelinget; in welchem
Verstande es doch am seltensten vorkommt. 2) Eine jede Verknüpfung
nachtheiliger Umstände, welche wir nicht vorher sehen können, oder
nicht in unserer Gewalt zu haben glauben. Es stehet dir ein Unglück
bevor. Im Unglück leben. 3) Ein Umstand, eine Sache, wodurch unser
Zustand in einem hohen Grade verschlimmert wird, mit allen
Schattirungen dieser Bedeutung, so daß es auch den ganzen Zusammenhang
der Umstände bezeichnet, wodurch unsere Unvollkommenheit im hohen
Grade bewirket wird. Ein Unglück haben, erleben. Eines Glück ist des
andern Unglück. Es kommt ein Unglück über das andere. Jemanden in
Unglück stürzen. Sich ein Unglück zuziehen. Es ist mir ein großes
Unglück begegnet. So sehr auch der Plural, wenn dieses Wort von
einzelnen Umständen und Begebenheiten gebraucht wird, der Sache gemäß
wäre, so ungewöhnlich ist er doch, so wohl hier, als bey dem
Gegensatze Glück, wenn gleich Lessing sagt: Unglück über alle
Unglücke! 4) Da es denn oft auch ein gewisses Wesen bezeichnet, von
welchem der üble Erfolg unserer Unternehmungen und Wünsche abhangen
soll. Das Unglück hat es so gewollt.
Anm. Im Schwabenspiegel Ungelüke,
im Nieders. Unlük. S. Glück.
Unglücklich (W3) [Adelung]
Unglücklich,
-er, -ste, adj. et adv. Unglück habend, in dem Unglücke gegründet, im
Gegensatze des glücklich, dessen sämmtliche Bedeutungen auch hier
Statt finden, daher selbiges hier nachzusehen. Unglücklich seyn,
werden. Ein unglücklicher Mensch. Zur unglücklichen Stunde. Im Spiele,
in seinen Unternehmungen unglücklich seyn. Es wird unglücklich
ablaufen. Opitz und andere ältere Oberdeutsche Schriftsteller
gebrauchen dafür auch unglückhaft, welches aber im Hochdeutschen
unbekannt ist.
Unglücksbaum (W3) [Adelung]
Der Unglücksbaum,
des -es, plur. die -bäume, bey den neuern Schriftstellern des
Pflanzenreiches, ein Nahme eines Ostindischen Baumes, welcher eine Art
des Glücksbaumes ist, dessen Blumen einen stinkenden Geruch haben;
Clerodendrum infortunatum Linn.
Unglücksbothe (W3) [Adelung]
Der Unglücksbothe,
des -n, plur. die -n, derjenige, welcher eine unglückliche Nachricht
überbringet.
Unglückselig (W3) [Adelung]
Unglückselig,
-er, -ste, adj. et adv. ein Wort, von welchem alles das gilt, was
bereits von dessen Gegensatze glückselig gesagt worden und welches
eigentlich mit unglücklich gleich bedeutend ist, auch noch häufig
statt dieses Wortes gebraucht wird, wenn man dem Begriffe einen
merklich hervor stechenden Nachdruck geben will, entweder wegen der
Zweydeutigkeit der Ableitungssylbe -selig, oder bloß nur, weil
unglückselig um eine Sylbe länger ist, als unglücklich. Daher bedeutet
es am häufigsten, den höchsten Grad des Unglücks empfindend und darin
gegründet. Du unglückselige, 4 Es. 15, 59. Ein unglückseliger Mensch.
Zur unglückseligen Stunde.
Unglückseligkeit (W3) [Adelung]
Die Unglückseligkeit,
plur. die -en, von dem vorigen Worte. 1) Der Zustand des höchsten
Unglückes, der höchsten Unvollkommenheit, deren man unter gewissen
Umständen fähig ist; ohne Plural. 2) Dasjenige, was diesen Zustand
gewähret; mit dem Plural.
Unglücksfall (W3) [Adelung]
Der Unglücksfall,
des -es, plur. die -fälle, der Gegensatz von Glücksfall, ein
unvermutheter unglücklicher Zufall, welcher mehr von den Umständen
außer uns, als von uns selbst abhängt.
Unglückskind (W3) [Adelung]
Das Unglückskind,
des -es, plur. die -er, in der vertraulichen Sprechart, eine Person,
welcher mehrere unerwartete Unglücksfälle widerfahren.
Unglücksstifter (W3) [Adelung]
Der Unglücksstifter,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die -inn, eine Person, welche
Unglück anrichtet.
Unglücksvogel (W3) [Adelung]
Der Unglücksvogel,
des -s, plur. die -vögel. 1) Eine Art Raben oder Krähen, deren
Geschrey von dem großen Haufen für unglücklich, oder Unglück
verkündigend, gehalten wird; Coruus infaustus Linn. In einigen
Gegenden ist er auch unter dem Nahmen des Gertrautsvogels bekannt. 2)
Eine Person, welche Unglück stiftet und anrichtet.
Ungnade (W3) [Adelung]
Die Ungnade,
plur. inus. außer in einigen Fällen, besonders des gemeinen Lebens, wo
der Plural Ungnaden ohne Artikel gebraucht wird. Es ist der Gegensatz
von Gnade, und wird gleichfalls nur noch in engerer Bedeutung von dem
Mißfallen der erregten thätigen Abneigung eines Höhern gegen einen
weit Geringern gebraucht. Die Ungnade Gottes gegen die Sünder. Gott
zur Ungnade reitzen. Bey seinem Landesherren in Ungnade fallen,
gerathen, sich dessen Ungnade zuziehen, bey ihm in Ungnade seyn. In
Ungnade kommen. Jemanden in Ungnade bringen. Da es denn zuweilen auch
den Zustand bedeutet, da jemand bey einen Höhern in Ungnade ist.
Andere mit in seine Ungnade verwickeln. Wenn dieses Wort ohne Artikel
gebraucht wird, so lautet es im gemeinen Leben häufig Ungnaden,
welches entweder der veralteten Plural, ( S. Gnade,) oder auch der
Articulus postpositivus ist, von welchem sich im Deutschen mehrere
Spuren finden, als man gemeiniglich glaubt. Bey jemanden in Ungnaden
stehen. In Ungnaden kommen, bringen. Der Herr hat sie aus ihrem Lande
gestoßen mit Ungnaden, 5 Mos. 29, 28. Ich will mich erbarmen über die,
so in Ungnaden war, Hos. 2, 23. Ehedem bedeutete es Mißfallen,
Abneigung, Widerwillen gegen andere Personen überhaupt, wovon bey den
Schwäbischen Dichtern, und andern jüngern Oberdeutschen
Schriftstellern noch häufige Beyspiele vorkommen. S. Gnade.
Ungnädig (W3) [Adelung]
Ungnädig,
-er, -ste, adj. et adv. Ungnade hegend, und darin gegründet, als der
Gegensatz von gnädig, und so wie dieses un das vorige nur von Höhern
gegen weit Geringere. Auf jemanden ungnädig seyn. Seltener mit der
dritten Endung der Person. Wenn der Herr ungnädig ist, Sprichw. 22,
14. Gott wird ihren Feinden ungnädig seyn, 2 Macc. 10, 26. Ein
ungnädiger Blick.
Ungöttlich (W3) [Adelung]
Ungöttlich,
-er, -ste, adj. et adv. 1) Gott nicht ähnlich, in dem göttlichen Wesen
nicht gegründet; in welcher Bedeutung es doch am seltensten vorkommt.
2) In weiterer Bedeutung wird es in der Deutschen Bibel und biblischen
Schreibart häufig für Gott mißfällig, dem göttlichen Gesetze zuwider,
ingleichen von Gott, nicht herrührend, gebraucht. Ungöttliche Opfer,
Weish. 12, 5. Ungöttliches Wesen, 2 Timoth. 2, 16. Ein ungöttlicher
Wandel. Aber, ungöttlich mit der Faust schlagen, Es. 58, 4, für
abscheulich, grausam, ist veraltet.
Ungöttlichkeit (W3) [Adelung]
Die Ungöttlichkeit,
plur. car. die Eigenschaft einer Sache, da sie ungöttlich ist, in
beyden Bedeutungen des Beywortes.
Ungrund (W3) [Adelung]
Der Ungrund,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Grund, doch nur in einer
einzigen figürlichen Bedeutungen desselben, so fern Grund die
Übereinstimmung mit der Sache selbst, die Wahrheit, bezeichnet, da
denn Ungrund den Mangel der Übereinstimmung eines Satzes mit der Sache
selbst bedeutet, und als ein glimpflicher Ausdruck für Unwahrheit
gebraucht wird. Den Ungrund eines Vorgebens, einer Versicherung, eines
Satzes zeigen.
Ungültig (W3) [Adelung]
Ungültig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht gültig, so wohl im bürgerlichen, als
sittlichen Verstande. Eine ungültige Münze. Ungültige Ursachen. Ein
Gesetz ungültig machen. Etwas ungültig erklären.
Ungültigkeit (W3) [Adelung]
Die Ungültigkeit,
plur. car. die Eigenschaft einer Sache, da sie ungültig ist. Die
Ungültigkeit eines Beweises.
Ungunst (W3) [Adelung]
Die Ungunst,
plur. car. der Gegensatz der Gunst, thätige Abwesenheit der Neigung,
andern Gutes zu erweisen, wo es ein gelinder Ausdruck für Widerwillen,
Unwillen, u. s. f. ist. Das du nicht Ungunst erlangest, Sir. 31, 20.
Ungünstig (W3) [Adelung]
Ungünstig,
-er, -ste, adj. et adv. Ungunst gegen jemanden habend und darin
gegründet. Jemanden ungünstig seyn. Ein ungünstiges Betragen.
Ingleichen figürlich, unsern Absichten und Wünschen nicht gemäß. Eine
ungünstige Witterung. Es ereignete sich ein ungünstiger Umstand.
Ungut (W3) [Adelung]
Ungut,
adj. et adv. welches eigentlich der Gegensatz von gut ist, aber nur
noch in einigen Fällen der siebenten figürlichen Bedeutung, und auch
hier im Hochdeutschen nur in der niedrigen Sprechart üblich ist. Am
häufigsten gebraucht man es hier in der R. A. etwas in ungutem
vermerken, es übel nehmen, übel deuten, ungütig aufnehmen, wofür der
große Haufe auch wohl sagt, es für ungut nehmen. Im Oberdeutschen
scheint es üblicher zu seyn, wenigstens kommt es bey den Schwäbischen
Dichtern, Opitzen und andern, selbst neuern Schriftstellern, für
unwillig, ingleichen ungünstig, unangenehm überhaupt, mehrmahls vor;
daher sich auch Breitinger in seiner kritischen Dichtkunst Th. 2. S.
207. viele Mühe gibt, es zu vertheidigen. Allein, da dieses Wort im
Hochdeutschen nur noch von der niedrigsten Classe gebraucht wird, so
werden demselben alle Schutzschriften die einmahl verlorne Würde nicht
wieder geben können, zumahl, da wir für dessen Begriff Wörter genug
haben, welche für hinlänglich gleichgeltend angesehen werden können.
Ungüte (W3) [Adelung]
Die Ungüte,
plur. car. thätige Abwesenheit der Güte, oder guten Gesinnung gegen
jemanden, ein im Hochdeutschen gleichfalls ungewöhnliches Wort,
welches nur noch von einigen für das vorige ungut in der R. A.
gebraucht wird, etwas in Ungüte vermerken es übel nehmen.
Ungütig (W3) [Adelung]
Ungütig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von gütig, thätige Abneigung
habend, so wohl jemandes Bestes zu befördern, als auch im engern
Verstande, ihm Wohlthaten zu erzeigen, und darin gegründet; als ein
gelinder Ausdruck für hart u. s. f. Gegen jemanden ungütig seyn, sich
ungütig gegen ihn beweisen. Ungütig mit jemanden umgehen. Ein
ungütiges Betragen. Etwas ungütig aufnehmen.
Ungütigkeit (W3) [Adelung]
Die Ungütigkeit,
plur. die -en, die Eigenschaft einer Person oder Sache, da sie ungütig
ist; ohne Plural. Ingleichen ungütige Handlungen, mit dem Plural.
Unhaltbar (W3) [Adelung]
Unhaltbar,
-er, -ste, adj. et adv. den Gegensatz von haltbar. 1. Von dem Neutro
halten, ist unhaltbar, obgleich seltener, was nicht hält, keine
Haltung hat. Ein unhaltbarer Zeug, der nicht lange hält. 2. Von dem
Activo halten. 1) Unhaltbares Erz, im Bergbaue, Erz, welches kein oder
wenig Metall enthält. Unhaltbare Bergarten. 2) Was sich nicht halten,
d. i. leisten lässet; nur selten. Ein unhaltbares Versprechen. 3) Was
sich nicht halten, d. i. mit Waffen vertheidigen, lässet. Ein
unhaltbarer Ort. Eine unhaltbare Festung.
Unhaltbarkeit (W3) [Adelung]
Die Unhaltbarkeit,
plur. inus. die Eigenschaft einer Sache, da sie unhaltbar ist, in
allen vorigen Bedeutungen.
Unheil (W3) [Adelung]
Das Unheil,
plur. car. der Gegensatz von Heil, menschliche Glückseligkeit oder
Wohlfahrt, da denn Unheil, dessen Gegensatz oder ein jedes Übel
bedeuten würde. Daraus wird ein Unheil entstehen, ein Übel, ein
Unglück. Einem Unheile abhelfen. Nichts als Unheil anrichten, Unglück,
Unfug. Bey dem Stryker und andern Schwäbischen Dichtern kommt Unhail
für Unglück mehrmahls vor.
Unheilbar (W3) [Adelung]
Unheilbar,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht heilen läßt, der Gegensatz von
heilbar. Ein unheilbarer Schade. Eine unheilbare Wunde, Krankheit.
Daher die Unheilbarkeit. Bey dem Ottfried unheili.
Unheilig (W3) [Adelung]
Unheilig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von heilig, nicht heilig, in
dessen sämmtlichen noch gangbaren Bedeutungen dieses gleichfalls
gebraucht wird, daher jenes hierbey nachzusehen. Was heilig und
unheilig ist, 3 Mos. 10, 10. Führe meine Sache wider das unheilige
Volk, Ps. 43, 1. Unter Heiligen und Unheiligen keinen Unterschied
machen, Ezech. 22, 26. Den Unheiligen ist kein Gesetz gegeben, 1 Tim.
1, 9. Das soll unheilig seyn, Ezech. 48, 15 zum gemeinen Gebrauche
dienen. Ein unheiliger Wandel. Ein unheiliger Ort, der zum gemeinen
weltlichen Gebrauche bestimmt ist, zum Unterschiede von einem
heiligen, oder gottesdienstlichen.
Unheiligkeit (W3) [Adelung]
Die Unheiligkeit,
plur. inus. die Eigenschaft einer Person oder Sache, da sie unheilig
ist, in allen Bedeutungen des vorigen Wortes, besonders von der
Fertigkeit der überwiegenden Liebe zum Bösen und Abgeneigtheit vom
Guten.
Unhöflich (W3) [Adelung]
1. Unhöflich,
-er, -ste, adj. et adv. ein nur im Bergbaue übliches Wort, als der
Gegensatz von 1 Höflich; da denn unhöflich, in keinem guten Zustande
befindlich, bedeutet. Unhöfliche Gebäude, in welchen die Stollörter
mangeln. S. 1 Höflich.
Unhöflich (W3) [Adelung]
2. Unhöflich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von 2 Höflich, abgeneigt, andern
in seinem Betragen gegen sie diejenige Ehrerbiethigkeit zu erweisen,
welche die gesittete Wohlanständigkeit erfordert, und darin gegründet.
Ein hoher Grad des unhöflichen heißt grob. Ein Narr rückts einem
unhöflich auf, Sir. 18, 18. Ein unhöflicher Mensch. Eine unhöfliche
Antwort, ein unhöflicher Scherz. Jemanden sehr unhöflich begegnen. Im
mittlern Lat. incurialis. S. Höflich.
Unhold (W3) [Adelung]
Unhold,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von hold, besonders in dessen
beyden ersten Bedeutungen, abgeneigt, des andern Bestes gern zu
suchen, und zu befördern, und darin gegründet. Jemanden unhold seyn.
Eine unholde Antwort. Im Oberdeutschen ist dafür auch abhold üblich.
Unholde (W3) [Adelung]
Der Unholde,
des -n, plur. die -n, Fämin. die Unholdinn, der Gegensatz von dem
veralteten Holde, ein Freund, daher Unholde, ehedem sehr häufig einen
Feind, besonders einen schädlichen, bösen Feind, und in engerer
Bedeutung den Teufel bedeutete, in welcher letztern Bedeutung schon
bey dem Ulphilas Unhultho vorkommt, von Hulths, ein Freund. Im
Angelsächs. ist Unhold gleichfalls ein Feind, bey den Schwäbischen
Dichtern aber kommt Unholde von einem Mörder, Bösewichte vor. Im
Hochdeutschen ist es in diesen Bedeutungen veraltet, wo man nur noch zuweilen Zauberer und Zauberinnen, so fern sie andern Schaden zufügen,
mit diesem Nahmen zu belegen pflegt, wo Unholde, plur. Unholden auch
oft von beyden Geschlechtern gebraucht wird.
Unholdenkerze (W3) [Adelung]
Die Unholdenkerze,
plur. inus. ein Nahme, welchen in einigen Gegenden noch die
Königskerze, Verbascum Thapsus Linn. führet, weil sie ehedem zu
zauberischen Künsten gebraucht wurde. Bey andern heißt sie
Unholdenkraut, oder auch wohl Unholden schlechthin.
Unholdenkraut (W3) [Adelung]
Das Unholdenkraut,
des -es, plur. die -kräuter, Kräuter, deren sich die vorgegebenen
Unholden oder Hexen zu ihren Hexereyen zu bedienen pflegten. In
engerer Bedeutung, führet bey einigen so wohl das vorige Gewächs, als
auch der Oleander, Nerium Oleander Linn. diesen Nahmen.
Universität (W3) [Adelung]
Die Universität,
plur. die -en, aus dem mittlern Lat. Vniversitas, eine mit
verschiedenen Freyheiten begabte hohe Schule, auf welcher alle Arten
freyer Künste und höherer Wissenschaften gelehret werden, welche man
zuweilen auch wohl eine Akademie zu nennen pflegt, obgleich dieses
Wort in engerer Bedeutung noch eine Anstalt anderer Art bezeichnet.
Das Gymnasium zu Altorf wurde durch kaiserliche Privilegia 1578 zu
einer Akademie, und 1622 zu einer Universität erhoben. S. des Du
Fresne Gloss. v. Vniversitas.
Unjagdbar (W3) [Adelung]
Unjagdbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von jagdbar, bey den Jägern, wo
alles Wild, welches die gehörige Güte, Größe und Vollkommenheit noch
nicht erlangt hat, so daß es mit Nutzen gejagt werden könnte,
unjagdbar heißt. Daher die Unjagdbarkeit.
Unkatholisch (W3) [Adelung]
Unkatholisch,
adj. et adv. ein Wort, welches die Römisch-Katholischen aus Glimpf von
den Protestanten gebrauchen, wenn sie ihnen den harten Nahmen der
Ketzer nicht beylegen dürfen, sie aber auch nicht Evangelische nennen
wollen. Im Lat. Acatholicus. Indessen ist dieser Ausdruck nur in
Privat-Schriften üblich; in öffentlichen Verhandlungen ist er nicht
erlaubt, und als der Badensche Gesandte denselben bey dem
Westphälischen Friedensschlüsse gebrauchen wollte, so ward ihm von den
protestantischen Gesandten widersprochen.
Unke (W3) [Adelung]
Die Unke,
plur. die -n, ein altes, aber nur in einigen Gegenden übliches Wort.
1) Eine Schlange, in welcher Bedeutung es sehr alt ist, indem Unc
schon bey den Raban Maurus in derselben vorkommt. Bey dem Notker ist
Unch der Basilisk. In einigen Gegenden auf dem Lande wird noch eine
Art kleiner unschädlicher Hausschlangen Unke genannt. In dieser
Bedeutung ist es ohne Zweifel mit dem Lat. Anguis, dem Griech. - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - u. s. f. verwandt, ohne eben von
denselben abzustammen. 2) In andern Gegenden werden diejenigen
Frösche, welche sich im Wasser mit einem diesem Worte eigenthümliche
Töne hören lassen, Unken, Wasserunken genannt, in welchem Falle es
eine unmittelbare Nachahmung dieses Tones zu seyn scheinet.
Unkenntlich (W3) [Adelung]
Unkenntlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von kenntlich, was nicht
erkannt, d. i. von andern Dingen seiner Art nicht unterschieden werden
kann, bey einigen auch unkennbar, oder unkenntbar. Ein Freund wird uns
unkenntlich, wenn er sich in einer langen Abwesenheit in seinen
Gesichtszügen beträchtlich verändert hat. Daher die Unkenntlichkeit.
Das t in der Mitte ist das t euphonicum, S. T.
Unkeusch (W3) [Adelung]
Unkeusch,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von keusch, doch auch nur noch
in dessen engerer Bedeutung, Neigung und Fertigkeit zum unrechtmäßigen
Gebrauch des natürlichen Triebes zum Beyschlafe besitzend und darin
gegründet; dessen höherer Grad unzüchtig ist. Ein unkeuscher Mensch.
Unkeusche Worte, Handlungen u. s. f. welche diese Gesinnung verrathen.
So wie keusch ehedem in weiterm Verstande sittsam, ehrbar, anständig
bedeutete, so war unkeusch in den ältern Zeiten auch unanständig
überhaupt. Ehedem hatte man davon auch das Zeitwort unkeu- schen,
unrechtmäßigen Beyschlaf üben, welches aber, so wie alle mit un
zusammen gesetzte Zeitwörter, veraltet ist.
Unkeuschheit (W3) [Adelung]
Die Unkeuschheit,
plur. car. die Eigenschaft, da eine Person oder Handlung unkeusch ist,
die Neigung und Fertigkeit zum unerlaubten Beyschlafe und die darin
gegründete Beschaffenheit, deren höhere Grade Unzucht, Geilheit u. s.
f. sind. In den ältern Oberdeutschen Schriften, auch der Unkeusch. Bey dem Kero ist Vnchuschida, Schmutz, Unflath, Unreinigkeit, im
eigentlichen Verstande. S. Keusch.
Unklage (W3) [Adelung]
* Die Unklage,
plur. die -n, ein im Hochdeutschen veraltetes, nur noch in den Rechten
einiger Provinzen übliches Wort, eine frevelhafte, ungegründete
Anklage zu bezeichnen.
Unklar (W3) [Adelung]
Unklar,
-klärer, -klärste, adj. et adv. ein auch nur im gemeinen Leben einiger
Gegenden als der Gegensatz von klar übliches Wort, besonders in der
engern Bedeutung, nicht begreiflich, nicht verständlich, undeutlich.
Die Sache ist noch unklar, ist noch dunkel.
Unklug (W3) [Adelung]
Unklug,
-klüger, -klügste, adj. et adv. der Gegensatz von klug, welcher im
gemeinen Leben oft als ein glimpflicher Ausdruck für dumm, thöricht,
närrisch u. s. f. gebraucht wird, so wie in den edlern Schreibart
dafür unweise üblich ist. Ein unkluges Unternehmen. Daher das
Nebenwort unglücklich, auf eine unkluge, unweise Art, und das
Hauptwort die Unklugheit, welches doch seltener gebraucht wird.
Unkörperlich (W3) [Adelung]
Unkörperlich,
adj. et adv. mit keinem Körper versehen, keinen Körper habend, im
Gegensatze des körperlich; mit einem Lateinischen Ausdrucke
immateriell. Daher die Unkörperlichkeit, die Immaterialität. Notker
gebraucht dafür unlichamin, von lichamin, körperlich, S. Leichnam.
Unkosten (W3) [Adelung]
Die Unkosten,
sing. car. unnöthige, beschwerliche, den Gewinn verringernde Kosten,
aber eben so oft auch in weiterer Bedeutung für Kosten überhaupt, den
baren Aufwand zu bezeichnen, welchen man zur Erreichung einer Absicht
machen muß. Der Prozeß erfordert viele Unkosten. Viele Mühe und
Unkosten an etwas wenden. Jemanden die Unkosten wieder ersetzen. Sich
viele Unkosten machen. Ein Schiff auf seine Unkosten (auf seine
Kosten) bauen. Sich viele Unkosten machen, sich in Unkosten setzen.
Anm. So fern Un einen schlechtern, geringern Grad, des folgenden
Hauptwortes bezeichnet, sind Unkosten, wie Frisch behauptet, freylich
unnöthige, übermäßige Kosten. Allein, da es oft auch bloß zur
Verstärkung dienet, so können auch alle Kosten Unkosten genannt
werden, ob es gleich in diesem Falle nicht so edel ist, als das
einfachere Kosten. Im Nieders. ist verkosten, Kosten oder Unkosten
aufwenden.
Unkräftig (W3) [Adelung]
Unkräftig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von kräftig, keine Kraft habend
oder äußernd, mit einem geringen Nebenbegriffe anderer Art auch
kraftlos. Unkräftige Arzeneyen. Die Arzeney ist unkräftig geworden.
Unkräftige Speisen. Jemandes Vorstellungen unkräftig machen. Bey dem
Notker unchreftig. Daher die Unkräftigkeit, welches doch nur selten
vorkommt. Im Oberdeutschen hat man auch das Hauptwort die Unkräfte
oder Unkräften, welches daselbst nur allein im Plural üblich zu seyn
scheinet, Ohnmacht, Schwäche, besonders des Leibes zu bezeichnen;
welches aber den Hochdeutschen unbekannt ist.
Unkraut (W3) [Adelung]
Das Unkraut,
des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die Unkräuter, eigentlich
ein schädliches, oder doch unnützes, unbrauchbares Kraut. In engerer
Bedeutung pflegt man diejenigen wilden, uns keinen Nutzen bringenden
Gewächse Unkraut zu nennen, welche sich wider unsern Willen unter den
zahmen Gewächsen einschleichen, denen sie Nahrung und Wachsthum
entziehen; wo es so wohl distributive üblich ist, das ist ein Unkraut,
das sind zwey Unkräuter, als auch, und zwar am häufigsten, collective
und ohne Plural, das ist Unkraut. Figürlich pflegt man nicht nur böse
und der bürgerlichen Gesellschaft schädliche Menschen Unkraut zu
nennen, sondern auch unrichtige Neigungen, Begierden u. s. f. welche
zum Nachtheil der rechtmäßigern entstehen, und selbige ersticken.
Sollte der Stolz nicht ein Unkraut seyn, das (welches) von einem
Feinde der menschlichen Natur auf unser Herz gesäet worden? Gell. Anm.
Die Vorsylbe un, bezeichnet hier etwas von schlechterer, schlimmerer
Art, ( S. Un.) In der Schweiz wird das Unkraut auf ähnliche Art
Unsamen genannt.
Unkunde (W3) [Adelung]
Die Unkunde,
plur. car. der Gegensatz von Kunde, der Mangel der Kenntniß, der
Mangel einer klaren und deutlichen Vorstellung von einer Sache; wo es
noch als ein glimpflicher Ausdruck für das härtere Unwissenheit üblich
ist. Seine Unkunde in einer Sache verrathen. Im Nieders. gleichfalls
Unkunde.
Unkundig (W3) [Adelung]
Unkundig,
-er, -ste, adj. et adv. keine Kenntniß, d. i. klare und deutliche
Vorstellung von einer Sache habend, als der Gegensatz von kundig, und
mit der zweyten Endung des Hauptwortes. Einer Sprache unkundig seyn.
Unlängst (W3) [Adelung]
Unlängst,
ein Nebenwort der Zeit, nicht längst, d. i. vor kurzer Zeit, vor
kurzen. Un verneinet hier nicht bloß, sondern es bezeichnet das
Gegentheil. Schon Ottfried sagt in der ersten Staffel unlango, und
noch jetzt ist im Oberdeutschen unlang für kurz, von der Zeit, üblich.
Ohnlängst für unlängst ist eine fehlerhaft gedehnte Aussprache des un.
Unläugbar (W3) [Adelung]
Unläugbar,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht geläugnet werden kann, als der
Gegensatz von dem ungewöhnlichen läugbar. Es ist unläugbar. Eine
unläugbare Sache. Daher die Unläugbarkeit. Es ist nicht von läugnen,
sondern von dessen veralteten Stammworte laugen. S. Läugnen.
Unlauter (W3) [Adelung]
Unlauter,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von lauter, in dessen meisten
Bedeutungen es gebraucht wird. Unlauteres Wasser, unreines, nicht
helles. Ingleichen figürlich, mit unrichtigen Nebenabsichten
verbunden. Eine unlautere Liebe gegen Gott, welche aus Eigennutz u. s.
f. herrühret. Unlautere Absichten bey einer Sache haben. So auch die
Unlauterkeit.
Unleidlich (W3) [Adelung]
Unleidlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von leidlich, der doch von
weiterm Umfange ist, als dieses. 1) In intransitiver Bedeutung ist
unleidlich, auf unbefugte Art abgeneigt, Ungemach zu erleiden, auch
wenn es nothwendig ist. Ein unleidlicher Mensch. Unleidlich seyn. Im
gemeinen Leben einiger Gegenden unleidig, unleidsam. 2) In passiver
Bedeutung, was sich nicht erleiden oder ertragen lässet; unerleidlich,
unausstehlich. Ein unleidlicher Stank, 2 Maccab. 9, 10. Eine
unleidliche Kälte. Ein unleidlicher Schwätzer. Das ist unleidlich
bitter.
Unleidlichkeit (W3) [Adelung]
Die Unleidlichkeit,
plur. car. die Eigenschaft, da eine Person oder Sache unleidlich ist.
1) Die unbefugte Vermeidung alles, auch nothwendigen Ungemachs, und
die Fertigkeit dieser Abneigung. In einigen Gegenden die Unleidigkeit,
Unleidsamkeit. 2) Die Eigenschaft eines Dinges, da es sich nicht
erleiden oder ertragen läßt. Den Tod aus Unleidlichkeit der
gegenwärtigen Trübsal verlangen.
Unleistbar (W3) [Adelung]
Unleistbar,
adj. et adv. was nicht geleistet werden kann. Daher die
Unleistbarkeit.
Unleserlich (W3) [Adelung]
Unleserlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht lesen lässet. Unleserlich
schreiben. Eine unleserliche Hand. Bey einigen unleslich unlesbar. Von
dem er in der Mitte ( S. Leserlich.) Daher die Unleserlichkeit.
Unleugbar (W3) [Adelung]
Unleugbar,
S. Unläugbar.
Unlieblich (W3) [Adelung]
Unlieblich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht lieblich, welches etwas weniger sagt,
als unangenehm. Eine unliebliche Stimme. Der Wein schmeckt unlieblich.
Daher die Unlieblichkeit.
Unlöblich (W3) [Adelung]
Unlöblich,
adj. et adv. nicht löblich, als ein glimpflicher Ausdruck für die
härtern schändlich u. s. f. Daher die Unlöblichkeit.
Unlöcherer (W3) [Adelung]
Der Unlöcherer,
des -s, plur. ut nom. sing. der Nahme einer besondern Secte unter den
Senklern, welche die Stifte mit einem Drahte fest machen, zum
Unterschiede von den Löcherern, welche sie mit einem Loche befestigen.
Unlust (W3) [Adelung]
Die Unlust,
plur. car. der Gegensatz von Lust. 1) Von Lust, anschauende Erkenntniß
des Angenehmen, wo es doch nicht bloß einen Mangel der Lust, sondern
eine anschauende Erkenntniß des Unangenehmen, einer Unvollkommenheit
bezeichnet, und gebraucht wird, entweder den ersten und geringern Grad
dieser Empfindung oder diese Empfindung überhaupt, ohne Bezeichnung
der Stärke oder Schwäche, auszudrücken. Der Gerechte macht uns viel
Unlust, Weish. 2, 12. Es ist keine Unlust um sie zu seyn, Kap. 8, 16.
Unlust empfinden. 2) Mangel der Lust, oder des sinnlichen Verlangens;
eine im Hochdeutschen selten gewordene Bedeutung. So pflegte man den
Mangel des Appetites zum Essen häufig die Unlust, und im Oberdeutschen
den Unlust zu nennen. Unlust haben etwas zu kaufen.
Anm. Zu den
veralteten Bedeutungen dieses Wortes gehören auch die, da es ehedem
Lärmen, Getöse, Streit, leichtfertige Händel, ingleichen Unrath,
Auskehricht und ähnlichen Auswurf bedeutete.
Unlustig (W3) [Adelung]
Unlustig,
-er, -ste, adj. et adv. von dem vorigen Hauptworte. 1. So fern es
anschauende Erkenntniß des Unangenehmen oder der Unvollkommenheit
bezeichnet, ist unlustig, 1) diese anschauende Erkenntniß oder
Empfindung habend und äußernd, und darin gegründet. Unlustig seyn.
Eine unlustige Person. Unlustig aussehen. 2) Diese Empfindung
erweckend, wo es in einigen Gegenden für unangenehm gebraucht wird, im
Hochdeutschen aber wenig vorkommt. Es ist unlustiges Wetter,
unangenehmes. 2. Von Unlust, Mangel der Neigung oder des Verlangens zu
und nach einer Sache, ist unlustig, doch auch nur in einigen Gegenden,
keine Lust zu etwas habend. Unlustig zu etwas seyn.
Anm. Unter allen
drey Bedeutungen ist im Hochdeutschen die erste am gangbarsten, ob sie
gleich auch hier am meisten in der wissenschaftlichen Schreibart
vorkommt, wenn man diese Empfindung überhaupt bezeichnen will, ohne
die Grade der Stärke und Schwäche derselben anzudeuten.
Unmannbar (W3) [Adelung]
Unmannbar,
-er, -ste, adj. et adv. noch nicht mannbar. Eine unmannbare Jungfrau.
Daher die Unmannbarkeit.
Unmaßgeblich (W3) [Adelung]
Unmaßgeblich,
adj. et adv. ohne Maß und Ziel, ohne die Art und Weise vorzuschreiben,
als der Gegensatz des ungewöhnlichen maßgeblich; ohne Maßgebung. Ein
unmaßgeblicher Vorschlag, ein Vorschlag, welchen man thut, ohne doch
dadurch dem andern etwas vorzuschreiben. Diesen Punct wollen wir
unmaßgeblich gleich in Richtigkeit bringen, Gell. Im Oberdeutsche
ohnmaßgeblich. S. Maßgebung.) Als ein Beywort ist es von einigen
getadelt worden, allein ohne Noth; wenigstens ist kein Grund
vorhanden, warum es nicht als ein Beywort sollte gebraucht werden
können.
Unmäßig (W3) [Adelung]
Unmäßig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von mäßig 2. 1) Das richtige
Verhältniß gegen die Natur der Sache weit überschreitend; wo es noch
etwas mehr sagt als übermäßig ohne alles Maß. Sich unmäßig freuen.
Eine unmäßige Freude. Unmäßig laufen. In engerer Bedeutung, in dem
Genusse der Nahrungsmittel das richtige Verhältniß gegen ihren
Endzweck weit überschreitend. Unmäßig essen, trinken. Unmäßig im
Trinken seyn. Ein unmäßiger Trinker. 2) Das Maß des Gewöhnlichen weit
übersteigend; wo es besonders im gemeinen Leben als ein
Vergrößerungswort sehr üblich ist. Ein unmäßiges Vermögen haben.
Unmäßig viel, unmäßig groß, unmäßig sehr. Im Spiele unmäßig gewinnen.
3. * Dessen Maß sich wegen der Größe oder Menge nicht bestimmen
lässet; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, wofür jetzt
unermeßlich üblicher ist. Das Geräth von Erz war unmäßig, Jer. 52, 20.
Die unmäßige Höhe des Himmels, Sir. 17, 31. Gottes Barmherzigkeit ist
unmäßig, Geb. Man. v. 6. Die Weisheit ist unmäßig hoch, Bar. 3, 25. In
der ersten Bedeutung bey dem Ottfried ummeze.
Unmäßigkeit (W3) [Adelung]
Die Unmäßigkeit,
plur. inus. die Eigenschaft, da ein Ding unmäßig ist, im Hochdeutschen
nur in den beyden ersten Bedeutungen, besonders aber in der erstern,
die Überschreitung der Schranken der Verhältnisse aller Dinge gegen
ihren Endzweck, oder die Natur der Sache. Die Unmäßigkeit im Schlafen,
in der Arbeit, im Studieren u. s. f. Besonders in dem Genusse der
Nahrungsmittel. Sich der Unmäßigkeit ergeben. Bey dem Kero Unmezzigii.
Unmeidlich (W3) [Adelung]
Unmeidlich,
-er, -ste, adj. et adv. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort für
unvermeidlich. Unmeidliche Noth, Weish. 17, 17.
Unmensch (W3) [Adelung]
Der Unmensch,
des -en, plur. die -en, der Gegensatz von Mensch, so fern es in engerm
Verstande einen gesitteten Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft
bedeutet, wo das un einen sehr harten Gegensatz bezeichnet, ein
Mensch, der die Pflichten der allgemeinen Geselligkeit und
Menschenliebe auf die gröbste Art verletzet. Ein grausamer, ein im
höchsten Grade harter Mensch wird häufig ein Unmensch genannt.
Unmenschlich (W3) [Adelung]
Unmenschlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von menschlich 2. (2), den
gesellschaftlichen Zustand gesitteter Menschen im hohen Grade
verletzend, und darin gegründet. Unmenschlich mit seinen Nächsten
verfahren. Im gemeinen Leben wird es häufig in weiterer Bedeutung
gebraucht, die Kräfte gewöhnlicher Menschen überschreitend.
Unmenschlich laufen, trinken können. Da es denn wohl gar als ein
allgemeines Vergrößerungswort gebraucht wird. Unmenschlich viel, sehr,
groß.
Unmenschlichkeit (W3) [Adelung]
Die Unmenschlichkeit,
plur. die -en. 1. Die Eigenschaft, da eine Person oder Sache die
Pflichten der allgemeinen Geselligkeit im hohen Grade verletzet; ohne
Plural. 2. Solche unmenschliche Handlungen mit dem Plural.
Unmerklich (W3) [Adelung]
Unmerklich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht merken, dessen Daseyn oder
Wirkung sich aus gewissen Merkmahlen nicht schließen lässet, im
Gegensatze des merklich. Gleich einem Bache, dessen Wasser unmerklich
dahin fließet, fühlet die Seele ihre eigene Geschäftigkeit nicht. An
einem unschuldigen Herzen werden die kleinen Fehler unmerklich, Gell.
Daher die Unmerklichkeit.
Unmeßlich (W3) [Adelung]
Unmeßlich,
-er, -ste, adj. et adv. dessen Maß sich wegen der Größe oder Vielheit
nicht bestimmen läßt; ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort, wofür
unermeßlich üblicher ist. So auch die Unmeßlichkeit.
Unmilde (W3) [Adelung]
Unmilde,
-r, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von milde, besonders in dessen
figürlichen Bedeutungen. So auch das Hauptwort die Unmilde. Bey den
Schwäbischen Dichtern unmilte.
Unmittelbar (W3) [Adelung]
Unmittelbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von mittelbar, ohne gebrauchte
Mittel, oder andere wirkende Ursachen als sich selbst, ingleichen ohne
Dazwischenkunft eines dritten Dinges. Die unmittelbare Hilfe Gottes,
wobey sich Gott nicht anderer Personen und Dinge als Mittelursachen
bedienet. Sich unmittelbar an den Landesherren wenden, so wohl sich
selbst und nicht durch andere an ihn wenden, als auch, sich an
desselben eigene Person, und nicht an ein Collegium u. s. f. wenden.
Wir nennen alle Gegenstände schön, welche der Einbildungskraft oder
dem Verstande unmittelbar gefallen, Sulz. Der unmittelbare Verstand
einer Rede, der zunächst durch die Bedeutung der Worte heraus gebracht
wird, und auch der buchstäbliche Wortverstand heißt; zum Unterschiede
von dem mittelbaren oder figürlichen Verstande. Unmittelbare
Reichsstände, welche keinen andern Reichsständen, sondern allein dem
Kaiser und dem Reiche unterworfen sind. Daher die Unmittelbarkeit,
plur. car. die Eigenschaft, da ein Ding unmittelbar ist oder
geschiehet.
Unmöglich (W3) [Adelung]
Unmöglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von möglich, so wohl im
schärfsten Verstande, was einen Widerspruch in sich enthält, als auch
in weiterm Verstande, was einen Widerspruch mit den Kräften und
Fähigkeiten der handelnden Person, ingleichen mit der Zeit, der
Gelegenheit, und andern Umständen in sich fasset. Ein ledernes Eisen
ist im schärfsten Verstande unmöglich. Etwas für unmöglich halten.
Etwas unmögliches verlangen. Ein Ding ist moralisch unmöglich, wenn es
durch ein vorher gegangenes Gesetz verbothen ist. Im Tatian unodi; in
einigen veralteten Sprecharten unmöglich.
Unmöglichkeit (W3) [Adelung]
Die Unmöglichkeit,
plur. die -en. 1. Die Eigenschaft, da ein Ding unmöglich ist, ohne
Plural. 2 Ein unmögliches Ding, mit dem Plural. Eine Unmöglichkeit
verlangen. Das ist eine Unmöglichkeit.
Unmündig (W3) [Adelung]
Unmündig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von mündig, noch nicht zu dem
Alter gekommen, welches nach den Gesetzen zur Befreyung von der Gewalt
des Vaters oder Vormundes erfordert wird; minderjährig, minorenn. In
einem andern Verstande, werden auch diejenigen Personen, welche den
Gesetzen nach beständig der Gewalt eines Vormundes unterworfen sind,
ohne Rücksicht des Alters, unmündig genannt, z. B. blödsinnige
Personen, weibliche Personen u. s. f. so wie man im engsten Verstande
mit unmündig oft den Begriff eines zarten Kindes verbindet. Aus dem
Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir ein Lob zubereitet,
Matth. 21, 16. S. Mündig.
Unmündigkeit (W3) [Adelung]
Die Unmündigkeit,
plur. car. die Eigenschaft, da eine Person unmündig ist.
Unmuth (W3) [Adelung]
Der Unmuth,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Muth doch nur in der veralteten
Bedeutung der Fröhlichkeit, der Freude, wo Unmuth deren Gegensatz
bezeichnet, d. i. lebhafte unangenehme Empfindungen eines Übels,
besonders einer fehlgeschlagenen Absicht, für Verdruß, wo es einen
etwas stärkern Grad als Unlust zu bezeichnen scheinet, übrigens aber
auch oft gebraucht wird, diesen ganzen Zustand des Gemüthes, ohne
nähere Bezeichnung des eigentlichen Grades der Stärke oder Schwäche,
auszudrucken. Um meinen Unmuth zu zerstreun, Gell. In Unmuth
hinziehen; 1 Kön. 20, 4; in Zorn und Verdruß. Durch Murren und Unmuth
seinem Übel selbst ein größeres Gewicht zulegen, Gell. Hat ein Unmuth
je mich bis in deine Arme verfolgt, der nicht wie ein Frühlingsnebel
vor der Sonne verschwand? Geßn. Meine Brust klopft mir voll Unmuth,
daß mich die Natur nicht weiblich schuf, Weiße. Wo es oft in engerer
Bedeutung für Unwillen, Verdruß gebraucht wird. Die biblische
Wortfügung Unmuths seyn, werden, für unmuthig, ist im Hochdeutschen
veraltet. Dein Geist ist so Unmuths, 1 Kön. 21, 5. Des Königs Her; war
Unmuths, 2 Kön. 6, 11. Ein reicher Mensch war Unmuths über Jesu Rede,
Marc. 10, 22.
Anm. Bey den ältern Oberdeutschen, besonders
Schwäbischen Dichtern Ungemuote, im Nieders. Unmood, wo Ungemöte,
ehedem Ungenügsamkeit, Unenthaltsamkeit bedeutete. S. Muth und
Hochmuth 1.
Unmuthig (W3) [Adelung]
Unmuthig,
-er, -ste, adj. et adv. Unmuth habend oder empfindend. Unmuthig seyn.
Ehedem gebrauchte man für das Nebenwort unmuthig das veraltete
Unmuths. Unmuthsvoll ist als ein Bey- und Nebenwort gebräuchlicher.
Unnachahmlich (W3) [Adelung]
Unnachahmlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dem ungewöhnlichern
nachahmlich, was sich nicht nachahmen lässet. So auch die
Unnachahmlichkeit.
Unnachbarlich (W3) [Adelung]
Unnachbarlich,
adj. et adv. der Gegensatz von nachbarlich 2, den Pflichten eines
friedlichen und getreuen Nachbars zuwider, und darin gegründet. Ein
unnachbarliches Betragen.
Unnachtheilig (W3) [Adelung]
Unnachtheilig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht nachtheilig, mit der dritten Endung der
Person. Das ist mir unnachtheilig. Daher die Unnachtheiligkeit.
Unnatürlich (W3) [Adelung]
Unnatürlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von natürlich, doch nur in
einigen Bedeutungen desselben, welches daher hierbey zu vergleichen.
1. Der Veränderungskraft des Mannigfaltigen eines Dinges zuwider.
Kohlen und Spinnen sind unnatürliche Speisen für den Menschen. Den
natürlichen Brauch in den unnatürlichen verwandeln, Röm. 1, 26. 2. Den
Naturkräften eines Dinges nicht gemäß, wo es im gemeinen Leben
zuweilen für übernatürlich gebraucht wird. 3. Figürlich ist
unnatürlich oft so viel als gezwungen. Eine unnatürliche Stellung. S.
Natur und Natürlich.
Unnatürlichkeit (W3) [Adelung]
Die Unnatürlichkeit,
plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges oder einer Sache, da sie
unnatürlich, in den vorigen Bedeutungen.
Unnennbar (W3) [Adelung]
Unnennbar,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht nennen läßt, wofür man keinen
Nahmen hat. Unnennbare Empfindungen. Daher die Unnennbarkeit.
Unnöthig (W3) [Adelung]
Unnöthig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht nöthig, im zweyten, objectiven
Verstanden dieses Wortes, d. i. zur Erreichung einer Absicht, zur
Hervorbringung einer Veränderung nicht erforderlich. Das ist sehr
unnöthig. Viele unnöthige Worte machen. Sich unnöthige Sorgen machen.
Daher die Unnöthigkeit. Im Theuerdank onnot. Bey dem Ottfried ist
unnotag, ohne Nothwendigkeit. Das Nieders. unnode, ungern, gehöret
nicht hierher.
Unnütz (W3) [Adelung]
Unnütz,
-er, -este, adj. et adv. nicht nütz, d. i. keinen Nutzen habend oder
bringend, zu keiner Absicht brauchbar. Ein unnützes Geschwätz, 1 Tim
1, 6. Unnütze Worte, Matth. 12, 36. Unnütze Fragen, 2 Tim. 2, 23. Das
ist hierzu unnütz, nicht brauchbar. Ein unnützer Mensch, der zu nichts
zu gebrauchen ist. Figürlich ist unnütz, 1. nichtswürdig, ingleichen
nicht die gehörige, erforderliche Beschaffenheit habend; eine im
Hochdeutschen ungangbar gewordene Bedeutung. Ein unnütziger
Gottesdienst, Jer. 8, 19. Eine unnütze Lehre, eine falsche, Ps. 119,
37. 2. Sich unnütz machen, in der vertraulichen Sprechart, sich, weil
man beleidigt zu seyn glaubt, mit Dreistigkeit vertheidigen. In
welchem Verstande man auch wohl sagt, jemanden unnütze Worte geben.
das biblische sich unnütz machen, Sir. 18, 15. hat einen ähnlichen
Verstand. Bey dem Notker, im Tatian u. s. f. unnuzze, unnuz.
Unnützlich (W3) [Adelung]
Unnützlich,
-er, -ste, adj. et adv. welches, vermöge der Zusammensetzung
eigentlich dem, was unnütz ist, ähnlich, bedeuten, also etwas weniger
sagen sollte, als unnütz, aber, wo es noch vorkommt, mit unnütz gleich
bedeutend gebraucht wird. Seine Kraft umsonst und unnützlich
zubringen, Es. 49, 4. Sich unnützlicher Weise bemühen. Indessen ist es
als ein mit unnütz gleich bedeutendes Wort im Hochdeutschen größten
Theils veraltet; auch um so viel eher zu entbehren, weil wohl nicht
leicht ein Fall vorkommen wird, wo der eigentliche schwächere Begriff
schlechterdings nothwendig wäre. Wenn es in Breitingers kritischer
Dichtkunst Th. 2, S. 127 heißt, unnütz schließe alen möglichen,
unnützlich aber nur einen besonders vorher gesehenen Nutzen aus, so
ist dieser Unterschied so wohl wider den Gebrauch, als auch wider die
Ableitung. Eher läßt sich das Hauptwort die Unnützlichkeit
vertheidigen, weil man von unnütz kein Hauptwort bilden kann.
Unordentlich (W3) [Adelung]
Unordentlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von ordentlich, doch nur in
einigen Bedeutungen. 1. Der Übereinstimmung des Mannigfaltigen in der
Folge der Dinge nach und neben einander zuwider und darin gegründet.
Es liegt alles sehr unordentlich unter einander, in Ansehung der Folge
der Dinge neben einander. Eine unordentliche Erzählung, etwas sehr
unordentlich erzählen, in Rücksicht auf die Folge der Dinge auf
einander. Ein unordentlicher Hause Menschen. 2. Im moralischen
Verstande, der gehörigen Übereinstimmung unserer Handlungen mit der
Vollkommenheit unsers äußern und innern Zustandes zuwider, und darin
gegründet. Ein unordentliches Leben führen. Unordentliches Wesen,
Ephes. 5, 8. Unordentlich leben.
Anm. In der Deutschen Bibel kommt
noch einige Mahl das veraltete unordig vor, unordig wandeln, 2 Thess.
3, 6, 11. unordiges Wesen, 1 Petr. 4, 4. welches von dem veralteten
Hauptworte Ord, Orden, Ordnung ist. Wenn einige dieses Wort für
irregulär gebrauchen, so wohl im eigentlichen Verstande, als auch
figürlich, durch keine Regel eingeschränkt, so ist solches ein
Mißbrauch.
Unordnung (W3) [Adelung]
Die Unordnung,
plur. die -en, der Gegensatz der Ordnung, doch auch nur in einigen
Fällen. 1. Objective. (1) Der Mangel der Übereinstimmung des
Mannigfaltigen, in der Folge auf und neben einander; ohne Plural. Die
Truppen gerathen in Unordnung. Eine Bibliothek, welche sich in der
größten Unordnung befindet. In allen seinen Geschäften herrscht nichts
als Unordnung. Ingleichen figürlich, Mangel der gehörigen
Übereinstimmung in der Folge der Handlungen. Die Unordnung in dem
Verfahren. Ingleichen Mangel der Übereinstimmung unserer Handlungen
mit unserer innern und äußern Vollkommenheit. (2) Eine unordentliche
Veränderung; mit dem Plural. Es gibt Unordnungen in dem menschlichen
Körper, in der Luft, in den Elementen. 2. Subjective, die Gewohnheit,
wider die Übereinstimmung des Mannigfaltigen in der Folge der Dinge
auf und neben einander, zu handeln; ohne Plural. Die Unordnung dieses
Menschen ist groß. Im mittlern Latein. Deordinatio, Exordinatio.
Unparteyisch (W3) [Adelung]
Unparteyisch,
-er, -te, adj. et adv. der Gegensatz von parteyisch. 1. Keiner Partey
zugethan, es mit keiner von zwey oder mehr widrig gesinnten Parteyen
haltend, wo es zuweilen für neutral gebraucht, doch um der
Verwechselung mit der folgenden Bedeutung willen lieber vermieden
wird. Parteylos würde in diesem Falle eher zu empfehlen seyn. 2. In
engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, geneigt, sich in der
Beurtheilung anderer und in seiner Gesinnung gegen sie durch keine
außerwesentlichen Umstände bestimmen zu lassen, und darin gegründet.
Unparteyisch von der Sache urtheilen. Ein unparteyischer Richter. Sehr
unparteyisch seyn.
Unparteylich (W3) [Adelung]
Unparteylich,
-er, -ste, adj. et adv. welches mit dem vorigen gleich bedeutend ist,
und um der dem Gehöre unangenehmen Ableitungssylbe "-isch" willen, dem
vorigen Worte in der edlern Schreibart vorgezogen wird, auch noch den
Vorzug hat, daß davon ein Hauptwort gebildet werden kann, die
Unparteylichkeit. Unparteylich urtheilen. Der unparteylichste Richter.
Unparteylichkeit (W3) [Adelung]
Die Unparteylichkeit,
plur. inus. 1. Die Eigenschaft einer Person oder Sache, da sie
unparteylich oder unparteyisch ist. Die Unparteylichkeit eines
Urtheils, der Richters. 2. Die Neigung, die Fertigkeit, andere ohne
Absicht auf außerordentliche Umstände zu beurtheilen, allein nach
bester Einsicht des überwiegenden Rechtes zu handeln.
Unpaß (W3) [Adelung]
Unpaß,
adverb. welches der Gegensatz des veralteten Nebenwortes paß ist,
einigen Anstoß an der Gesundheit habend, sich nicht völlig wohl
befindend, ohne krank zu seyn, als welches mehr saget. Unpaß seyn. Im
Hochdeutschen wird dieses Wort in der edlern Schreibart selten mehr
gebraucht, öfter noch das folgende unpäßlich. Wachter und die meisten
Sprachforscher nach ihm leiteten dieses Wort von dem veralteten
Comparativo baß, besser, her, und wollten es daher wider alle
Aussprache undaß geschrieben wissen. Allein, bey 1 Paß ist bereits
gezeiget worden, daß es zu diesem Worte gehöret, so fern dasselbe im
Niederdeutschen den gehörigen Zustand der Gesundheit bezeichnet. Als
ein Beywort wird es im Hochdeutschen nicht gebraucht, indem dafür das
folgende unpäßlich üblich ist. Aichinger und einige andere
Sprachlehrer nennen es ein unabänderliches Beywort, welches nur in der
ersten und vierten Endung üblich sey; ich weiß nicht, mit welchem
Grunde, indem es ein wahres Adverbium ist. Im Schwedisch. ist opasslig
gleichfalls unpaß: eben daselbst aber ist Impass, eine Beschwerde, ein
Hinderniß, welches Ihre von dem Ital. Impaccio herleitet.
Unpäßlich (W3) [Adelung]
Unpäßlich,
-er, -ste, adj. et adv. welches eigentlich ein wenig unpaß bedeuten
sollte, aber in der anständigern Sprechart für unpaß überhaupt
gebraucht wird, besonders wenn dieses als ein Beywort stehen sollte.
Unpäßlich seyn. Ein unpäßliches Kind.
Unpäßlichkeit (W3) [Adelung]
Die Unpäßlichkeit,
plur. die -en. 1. Der Zustand, da man unpäßlich ist, ohne Plural. 2.
Ein leichter Anstoß der Gesundheit, welcher noch keine Krankheit
genannt zu werden verdient; mit dem Plural. Huften, Schupfen, Flüssen
u. s. f. sind dergleichen Unpäßlichkeiten.
Unpersönlich (W3) [Adelung]
Unpersönlich,
adj. et adv. der Gegensatz von persönlich. 1. Keine eigene, für sich
bestehende Person ausmachend. So nennt man in der Theologie die
menschliche Natur Christi unpersönlich, weil sie niemahls eine eigene
für sich bestehende Person ausgemacht hat. 2. In der Sprachkunst sind
unpersönliche Zeitwörter, Impersonalia, welche kein persönliches,
sondern nur ein sehr unbestimmtes Fürwort vor sich leiden, und nur in
der dritten Person gebraucht werden. Auch diese unbestimmten Fürwörter
pflegen einige unpersönliche zu nennen, im Gegensatze der
persönlichen. Daher die Unpersönlichkeit, in beyden Bedeutungen.
Unpflicht (W3) [Adelung]
Die Unpflicht,
plur. die -en, der Gegensatz von Pflicht, doch nur in engerer
Bedeutung, so fern dieses Wort die Verbindlichkeit eines Unterthanes
gegen seinen Grund- und Oberherren bezeichnet, wo es auch nur in
einigen Gegenden üblich ist, aber in verschiedenem Verstande gebraucht
wird. 1. In einigen Gegenden sind Unpflichten, Verbindlichkeiten der
Unterthanen, welche nicht zu gewissen bestimmten Zeiten, sondern nur
bey außerordentlichen Gelegenheiten geleistet werden, z. B.
Kriegesfuhren, Verfolgung und Aufsuchung der Übelthäter u. s. f. Sie
haben vermuthlich diesen Nahmen, weil sie anfänglich nicht als eine
Pflicht, sondern als eine Gefälligkeit gesondert wurden. 2. In andern
Gegenden sind Unpflichten, ungebührliche, ungewöhnliche Abgaben,
welche über die Gebühr gefordert werden; wo un die Bedeutung eines
beschwerlichen, ungebührlichen Dinges hat. 3. Noch häufiger werden in
manchen Gegenden alle Abgaben und Steuern der Unterthanen an die
Obrigkeit genannt, entweder auch aus dem vorigen Grunde, oder auch
weil sie anfänglich nur freywillig und aus Gefälligkeit bewilliget
wurden. Bürgerliche Unpflichten, bürgerliche Abgaben. Nieders.
Unpligt. ( S. auch Ungeld, welches ähnlichen Verstande gebraucht
wird.) 4. Ehedem war Unpflicht ohne Plural auch Übertretung seiner
Pflicht, Untreue, in welcher Bedeutung es aber veraltet ist.
Unpflichtig (W3) [Adelung]
Unpflichtig,
-er, -ste, adj. et adv. 1. Zu Unpflichten verbunden, in den drey
ersten Bedeutungen des vorigen Hauptwortes; in welchem Verstande es
doch selten mehr vorkommt. 2. Pflichtvergessen; eine veraltete
Bedeutung. 3. Als der Gegensatz von pflichtig, zu gewissen Pflichten
verbunden, ist unpflichtig zuweilen, zu keinen Pflichten gewisser Art
verbunden. So sind z. B. unpflichtige Unterthanen, welche dem
Grundherren zu keinen Frohndiensten u. s. f. verpflichtet sind. So
auch die Unpflichtigkeit, ohne Plural, von dem Zustande.
Unrath (W3) [Adelung]
Der Unrath,
des -es, plur. car. der Gegensatz von 1 und 2 Rath, doch nur noch in
einigen, zum Theil veralteten Bedeutungen. 1. Unnütze Dinge, welche aus- oder weggeworfen werden, wie Kehricht, ingleichen Koth, Unflath
u. s. f. Der Unrath des Meeres, Unreinigkeiten, welche das Meer
auswirft. Wo aller Unrath aus der Stadt zusammen fließt. Der Unrath
aus der Nase, aus den Ohren u. s. f. Von dem Kothe und andern
Unreinigkeiten ist es am gangbarsten, wenn man aus Höflichkeit härtere
Ausbrücke vermeiden will. Es stammet ohne Zweifel von 2 Rath, ein
Werkzeug, und im weitesten Verstande, ein brauchbares Ding her, so daß
Unrath, eigentlich etwas Unbrauchbares, Unnützes bedeutet. 2.
Verwirrung, Unordnung, Verbruß, Uneinigkeit u. s. f. eine nur noch hin
und wieder im gemeinen Leben übliche Bedeutung. Der Herr wird unter
senden Unfall, Unrath und Unglück in allem, das du vor die Hand
nimmst, 5 Mos. 28, 20; wo es doch im engsten Verstande dem gerathen
entgegen gesetzt zu seyn, und für Mißrathung zu stehen scheinet.
Onanias sahe, daß viel Unraths aus solcher Uneinigkeit entstehen
würde, 2 Macc. 4, 4. Vermuthlich auch von 2 Rath, so fern es gehörige
Art und Weise bedeutet hat. Bey dem Ottfried ist Anarati, Verderben,
Unheil. 3. Unrichtiges Verfahren, Unrichtigkeit; ohne Zweifel von eben
derselben Bedeutung. Man gebraucht es nur noch im gemeinen Leben ohne
Artikel in der R. A. Unrath merken, eine Unrichtigkeit entdecken, und
im weitesten Verstande, ein bevorstehendes Übel wittern. Er mag sich
an Lenen rächen wollen, denn er glaubt Unrath zu merken, Weiße. 4.
Eine verschwenderische Handlung, von 1 Rath, in der R. A. etwas zu
Rathe halten, sparsam damit umgehen, so daß Unrath eigentlich Mangel
der Haushältigkeit und weisen Sparsamkeit in einzelnen Fällen
bedeutet. Wozu dienet dieser Unrath?, Matth. 26, 8. Und was soll doch
dieser Unrath? Marc. 14, 4. Das ist Unrath, unnützer Aufwand, unnützer
Überfluß. S. 1 und 2 Rath.
Unräthlich (W3) [Adelung]
Unräthlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von räthlich 1, den Regeln der
weisen Sparsamkeit nicht gemäß. Unräthlich mit etwas umgehen. So auch
die Unräthlichkeit.
Unrecht (W3) [Adelung]
Unrecht,
adverb. welches der Gegensatz von dem Nebenworte recht ist, aber nur
in einigen Bedeutungen desselben gebraucht wird. 1. Mit der Sache
selbst, mit der Wahrheit nicht übereinstimmig; unrichtig, falsch.
Etwas unrecht verstehen. Eine Sache unrecht erzählen, vortragen.
Unrecht sehen, unrecht lesen. Du bist sehr unrecht berichtet worden.
In der Schreibart sind dafür unrichtig und andere Ausdrücke üblicher.
2. Der Absicht, dem Endzwecke, der Bestimmung nicht gemäß; doch nur in
einigen Fällen des gemeinen Lebens. Ich komme hier wohl unrecht, ich
komme wohl an einen andern Ort, als an welchen ich wollte. Figürlich
sagt man im gemeinen Leben, man kommt bey jemanden unrecht an, wenn
man wider Vermuthen seine Absicht bey ihm nicht erreicht. Unrecht
gehen, irre gehen, fehl gehen. Das ist so unrecht nicht, ist der
Absicht so ziemlich gemäß. Der Einfall ist nicht unrecht, ist zu
brauchen, zu nutzen. Seine Sachen sehr unrecht anstellen. 3. Dem
Gesetze, dem Rechte, der Billigkeit nicht gemäß, ihnen zuwider.
Unrecht handeln. Da hast sehr unrecht daran gethan. In engerer
Bedeutung für ungerecht. Jemanden unrecht thun, wo es aber auch das
Hauptwort seyn kann. Es ist unrecht, einem andern einen Theil des ihm
gebührenden Lobes zu entziehen. ( S. Recht.) So wohl dieses Nebenwort,
als das folgende Beywort werden so wenig comparieret, als ihr
Gegensatz recht.
Unrecht (W3) [Adelung]
Unrecht,
adj. welches der Gegensatz des Beywortes recht ist, aber auch nur in
einigen Bedeutungen desselben gebraucht wird. 1. Mit der Sache selbst,
mit der Wahrheit nicht übereinstimmig; für unrichtig, falsch. Die
unrechte Bedeutung eines Wortes. Etwas aus dem unrechten
Gesichtspuncte ansehen. 2. Der Absicht, dem Endzwecke, der Bestimmung,
den Umständen nicht gemäß. Die unrechten Mittel zu etwas wählen. Auf
unrechtem Wege seyn. Die unrechte Seite eines Tuches, die linke. Das
ist der unrechte Schlüssel, es ist nicht der, welchen ich verlangte.
Jemanden zur unrechten Zeit kommen, zur ungelegenen, unbequemen. Das
liegt am unrechten Orte, nicht an dem gehörigen. Ich bin an den
unrechten Mann gekommen. Der Brief ist in unrechte Hande gekommen, an
eine Person für welche er nicht bestimmt war. Die unrechte Kehle, eine
im gemeinen Leben übliche Benennung der Luftröhre. 3. Dem Gesetze
zuwider, unrechtmäßig; am häufigsten in einigen Fällen. Das geht mit
unrechten Dingen zu, auf eine unerlaubte Art. Auf unrechtes Wegen
seyn, verbothene Absichten hegen. 4. Dem Rechte, der Billigkeit
zuwider, für ungerecht, unbillig; auch nur noch in einigen Fällen.
Sprichw. unrecht Gut gedeihet nicht, auf ungerechte Art erworbenes
Gut. In der Deutschen Bibel kommt es in dieser Bedeutung noch
mehrmahls vor, wo man unrechte Wage, für falsche, unrechte Leute,
unrechte Gesetze, unrechtes Urtheil u. s. f. für ungerecht, unbillig
mehrmahls findet. Bey dem Ottfried unrehto.
Unrecht (W3) [Adelung]
Das Unrecht,
des -es, plur. car. der Zustand, da etwas unrecht ist, und dasjenige,
was unrecht ist, als der Gegensatz von dem Rechte, doch nur in einigen
Bedeutungen desselben. 1. Der Zustand, da jemandes Worte oder
Handlungen mit der Sache selbst, oder mit der Wahrheit nicht überein
stimmen; nur in einigen R. A. und ohne Plural. Unrecht haben, aus
Irrthum nicht der Wahrheit oder Sache gemäß urtheilen. Jemanden
Unrecht geben, urtheilen, und gestehen, daß er Unrecht habe. 2. Der
Zustand, da eine Handlung in den Gesetzen, in dem Rechte, der
Billigkeit nicht gegründet ist, denselben zuwider läuft; auch nur noch
in einigen Fällen, wo man gleichfalls sagt, Unrecht haben, und
jemanden Unrecht geben. Sein Unrecht gestehen, gestehen, daß man
Unrecht habe. Unrecht thun, wider die Vorschrift des Gesetzes handeln.
Etwas mit Unrecht an sich bringen. Unrecht leiden. Jemanden Unrecht
thun. Mir geschiehet Unrecht. Wo es oft auch unrechtmäßige Handlungen
bedeutet, ohne um deßwillen den Plural zu verstatten. Im weitesten
Verstande bedeutet es in der Deutschen Bibel mehrmahls so wohl den von
dem Gesetze Gottes abweichenden Zustand, als auch die darin
gegründeten Handlungen. 3. Ehedem wurde es auch häufig für
Ungerechtigkeit, Unbilligkeit gebraucht, welche Bedeutung jetzt
größten Theils veraltet ist. Jemanden Unrecht thun, ungerecht gegen
ihn handeln. Ein Kaufmann kann sich schwerlich hüthen vor Unrecht,
Sir. 26, 28. Mit Unrecht verdammt Gott niemanden, Hiob. 34, 12. Schon
bey dem Kero Unrecht, der es auch für Gottlosigkeit, Bosheit
gebraucht, im Isidor Unrehd.
Unrechtmäßig (W3) [Adelung]
Unrechtmäßig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von rechtmäßig, einem Gesetze
zuwider, und in weiterer Bedeutung, den Absichten und den Endzwecken
einer Sache nicht gemäß. Der unrechtmäßige Gebrauch der Geschöpfe
Gottes, der ihrer wahren Absicht nicht gemäß ist. Unrechtmäßige
Handlungen, welche einem Gesetze widersprechen. Etwas unrechtmäßiger
Weise an sich bringen, besitzen. So auch die Unrechtmäßigkeit, von
dieser Eigenschaft, ohne Plural.
Unredlich (W3) [Adelung]
Unredlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht redlich, in den noch jetzt gangbaren
Bedeutungen dieses Wortes. 1. Nicht mit der gewissenhaftesten
Befolgung seiner Pflicht, und darin gegründet; in welchem Verstande es
am seltensten ist. Die Besatzung wehrete sich sehr unredlich. 2.
Abneigung besitzend, sein äußeres Bezeigen gegen andere seiner innern
Gemüthsart gemäß einzurichten, und darin gegründet; als ein
glimpflicher Ausdruck für das härtere falsch. Unredlich mit jemanden
umgehen. Ein unredlicher Mann. 3. Abgeneigt, das, was recht und billig
ist, bloß darum zu thun, weil es recht und billig ist, und darin
gegründet; nicht rechtschaffen. Unredlich an jemanden handeln. So auch
die Unredlichkeit in allen Bedeutungen.
Unregelmäßig (W3) [Adelung]
Unregelmäßig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von regelmäßig, der Regel, der
Vorschrift des freyen Verhaltens nicht gemäß; irregulär, wofür doch
regellos üblicher und wohlklingender ist. So auch die
Unregelmäßigkeit.
Unreif (W3) [Adelung]
Unreif,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von reif, in seinen beyden
Bedeutungen. Unreifes Obst. Das Getreide ist noch unreif. Ein unreifes
Geschwür. Ein unreifer Einfall, welcher nicht gehörig überlegt worden.
Unreife (W3) [Adelung]
Die Unreife,
plur. car. der Zustand, da ein Ding unreif ist. Die Unreife der
Früchte.
Unreimisch (W3) [Adelung]
+ Unreimisch,
-er, -te, adj. et adv. ein niedriges nur in den gemeinen
Niederdeutschen Mundarten für ungereimt, albern, übliches Wort,
welches oft auch für wahnwitzig gebraucht wird. Es stammet eben so wie
ungereimt von Reim und reimen, in der figürlichen Bedeutung des
vernünftigen Zusammenhanges ab. S. Reimen.
Unrein (W3) [Adelung]
Unrein,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von rein, der in dessen
sämmtlichen Bedeutungen üblich ist, daher diese dort nachzusehen sind.
Das Glas ist unrein. Unreine Hände haben. Unreine Schafe, krätzige.
Unreine Thiere bey den ältern und neuern Juden, welche ihnen zu essen
verbothen sind. Eine unreine Schreibart. Eine unreine Stimme. Schon
bey dem Ottfried unrein.
Unreinigkeit (W3) [Adelung]
Die Unreinigkeit,
plur. die -en, der Gegensatz von Reinigkeit, der doch nicht in allen
Bedeutungen des Wortes rein üblich ist. 1. Als ein Abstractum und ohne
Plural, der Zustand, da ein Ding unrein ist, wo es in den meisten
Bedeutungen des Beywortes gebraucht werden kann. 2. Dasjenige, was
andere Dinge unrein macht, mit dem Plural; besonders in der
eigentlichen Bedeutung, wo allerley Arten des Schmutzes häufig
Unreinigkeiten genannt werden. In figürlichem Verstande werden
besonders grobe Vergehungen wider die Keuschheit Unreinigkeiten
genannt, so wie in der Deutsche Bibel so wohl der ganze sündliche
Zustand des Menschen, als auch eine sündliche Handlung unter dem
Nahmen der Unreinigkeit vorkommt.
Unreinlich (W3) [Adelung]
Unreinlich,
-er, ste, adj. et adv. der Gegensatz von reinlich. 1. Dem, was unrein
ist, ähnlich. Ein unreinliches Zimmer. Es sieht hier sehr unreinlich
aus. 2. Der Reinigkeit nicht beflissen, abgeneigt, alles, was unrein
und ekelhaft ist, auf das möglichste wegzuschaffen, oder vermeiden,
und darin gegründet. Unreinlich mit den Speisen umgehen. Ein
unreinlicher Koch. In den gemeinen Sprecharten unrendlich, ( S.
Reinlich.) So auch die Unreinlichkeit.
Unrichtig (W3) [Adelung]
Unrichtig,
-er, -ste, adj. et adv. welches dem entgegen stehet, und besonders als
der Gegensatz in dessen 2ter, 4ter, 5ter und 6ter Bedeutung gebraucht
wird. Die Uhr, die Post geht unrichtig. Eine unrichtige Zahl,
Rechnung. Ein unrichtiges Verfahren, welches der Regel, der Vorschrift
zuwider ist. Unrichtige Zeitwörter, in der Sprachkunst, irreguläre,
welche in der Abwandelung von der allgemeinen Regel abweichen. Ein
unrichtiges Gewissen, ein irriges, dessen Urtheil mit der Sache selbst
und dem Gesetze nicht überein stimmet.
Unrichtigkeit (W3) [Adelung]
Die Unrichtigkeit,
plur. die -en, der Gegensatz der Richtigkeit. 1. Als ein Abstractum
und ohne Plural, die Eigenschaft eines Dinges, da es unrichtig ist, in
allen Bedeutungen des Gegensatzes. Die Unrichtigkeit einer Rechnung,
der Uhr, eines Verfahrens, der Zeitwörter u. s. f. 2. Unrichtige
Umstände, d. i. solche Umstände, welche so wohl von der Ordnung der
Einförmigkeit, der Übereinstimmung, als auch von der Vorschrift oder
Regel, als endlich auch von der Wahrheit abweichen; mit dem Plural.
Unrichtigkeiten in der Rechnung. Historische Unrichtigkeiten.
Abweichungen von der strengen Wahrheit in den einzelnen Umständen der
Begebenheiten, welche darum noch nicht gleich Irrthümer sind.
Unruhe (W3) [Adelung]
Die Unruhe,
plur. die -n, der Gegensatz der Ruhe. 1. Als ein Abstractum und ohne
Plural, wo es besonders in den fünf weitern Bedeutungen des Abstracten
Ruhe üblich ist. Die Unruhe lieben, den Zustand heftiger Bewegungen,
beschwerlicher Geschäfte, vielen Streites und Geräusches, heftiger
Gemüthsbewegungen. Unruhe anrichten, Streit und Mißhelligkeiten unter
mehrern. Das ganze Haus war voller Unruhe. Mindert sich nicht unsere
Unruhe schon, indem wir sie einem Freunde klagen? Gell. unsere
beschwerliche unangenehme Empfindung. 2. Ein in einer beständigen
Bewegung befindliches Ding, mit dem Plural; in welchem Verstande man
doch nur den Perpendikel an einer Uhr eine Unruhe zu nennen pflegt. Im
engsten Verstande führet nur ein horizontaler Perpendikel, und die
runde Scheibe, welche in den Taschenuhren dessen Stelle vertritt,
diesen Nahmen. Bey dem Notker Unrauua, im Niedersächs. Unrust, Unraue.
S. Ruhe.
Unruhig (W3) [Adelung]
Unruhig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von ruhig, in den sämmtlichen
Bedeutungen des Hauptwortes Unruhe, besonders von der Anwesenheit
heftiger ermüdender Bewegungen, lebhaften Geräusches, Streites und
Mißverständnisses, beschwerlicher Empfindungen der Ungewißheit u. s.
f. Unruhig schlafen. Ein unruhiges Leben führen. Ein unruhiger Mensch,
welcher Fertigkeit besitzt, so wohl in beständiger heftiger Bewegung
zu seyn, als auch unaufhörlich Streit und Zank anzufangen. Es ist auf
der Gasse sehr unruhig. Unruhig in seinem Gemüthe seyn, beschwerliche
Empfindungen haben. Ich bin heute unruhig und in der Unruhe könnte ich
mich leicht überreden lassen, Gell. Jemanden unruhig machen,
beschwerliche mit Ungewißheit verbundene Empfindungen in seinem
Gemüthe hervor bringen. Im Nieders. unranig, unrustig, wo man auch das
Hauptwort ein Unrast, ein unruhiger Mensch, hat. Unrühmlich, -er,
-ste, adj. et adv. der Gegensatz von rühmlich, keinen Ruhm bringend
und gewährend; ein gelinder Ausdruck für das härtere schimpflich. Eine
unrühmliche Flucht. So unrühmlich fällst du dahin in der Blüthe des
Lebens, Zach.
Uns (W3) [Adelung]
Uns,
die dritte und vierte Endung des persönlichen Fürwortes der mehrern
Zahl wir. Uns sollst so etwas widerfahren? Sage es uns. Alle haben uns
verlassen. Dieses alte Fürwort lautet schon bey dem Kero uns, bey dem
Ottfried uns, und im Dativo mit einer veralteten Endung unsih, bey dem
Ulphilas gleichfalls uns, im Holländischen ons, im Angelsächsischen
und Englischen ohne n und us. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es mit
und, unter, inter und nos verwandt ist. Daß es ehedem für wir auch in
der ersten Endung gebraucht wurde, erhellet theils aus dem Ulphilas,
wo uns noch für wir stehet, theils aus der zweyten Endung unser,
welche noch davon abstammet. S. Unser 1 und Wir, wo mehr von diesem
Fürworte vorkommen wird.
Unsacht (W3) [Adelung]
+ Unsacht,
-er, -este, adj. et adv. ein nur im Niederdeutschen für unsanft
übliches Wort. S. Sacht.
Unsäglich (W3) [Adelung]
Unsäglich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht sagen, d. i. nicht durch Worte
ausdrucken und beschreiben lässet, als der Gegensatz des veralteten
säglich. Unsäglich sind Gottes Gerichte, Weish. 17, 1. wofür doch
unaussprechlich üblicher ist. Am häufigsten gebraucht man es noch in
figürlichem Verstande, eine überaus große, unaussprechlich große
Intension zu bezeichnen, in welchem Falle es denn auch die Comparation
leidet. Unsäglich viel Menschen erwürgen, 2 Macc. 12, 16. Unsägliche
Angst empfinden. Er sahe sie mit unsäglicher Verachtung an. In den
gemeinen Mundarten wird es häufig in unsälich oder unselig zusammen
gezogen, welche Form noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Unsälige
Mühe, Ezech. 1, 13. Dieses Wort ist alt, denn schon Notker gebraucht
unsagelich für unaussprechlich, und das jetzt veraltete Hauptwort die
Unsagelichu, für Unermeßlichkeit. Daher die Unsäglichkeit, besonders
von der Eigenschaft, da ein Ding unaussprechlich groß, klein, heftig
u. s. f. ist.
Unsanft (W3) [Adelung]
Unsanft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von sanft, der sich in dessen
sämmtlichen Bedeutungen gebrauchen lässet, und jetzt nur noch die
Abwesenheit des Sanften bezeichnet, und vornehmlich alsdann gebraucht
wird, wenn man hart, stark, heftig und andere harte Ausdrücke
vermeiden will. Unsanft sitzen, hart. Jemanden unsanft angreifen. Eine
unsanfte Bewegung. Ehedem wurde es auch für die härtern schmerzhaft,
empfindlich, heftig u. s. f. gebraucht. Der ich so gar unsenfteclich
enbir, deren Abwesenheit mir so schmerzhaft fällt, Kais. Heinrich unter den Schwäbischen Dichtern. Unsanft zerstöret werden, Mich. 2,
10; mit Heftigkeit, Wuth.
Unsättig (W3) [Adelung]
Unsättig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von sättig, welcher doch wenig
mehr gebraucht wird. 1. Nicht sättigend. Unsättige Speisen, welche
nicht leicht satt machen. 2. * Nicht zu sättigen, eine veraltete
Bedeutung, wofür jetzt unersättlich üblicher ist. Der Menschen Augen
sind unsättig, Sprichw. 27, 20. Ein unsättiger Fraß. Sir. 31, 19. So
auch die Unsättigkeit.
Unsauber (W3) [Adelung]
Unsauber,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von sauber, in dessen
sämmtlichen im Hochdeutschen gangbaren Bedeutungen, außer welchen es
auch als ein glimpflicher Ausdruck für unrein, schmutzig gebraucht
wird. Ein unsauberes Glas, welches nicht vom Schmutze befreyet ist.
Unsaubere Wäsche, schmutzige. Eine unsaubere Arbeit, welche weder fein
noch zierlich ist. Ingleichen figürlich in der Deutschen Bibel, der
unsaubere Geist. der unreine, böse Geist. Schon bey dem Kero, im
Tatian und bey dem Notker unsubro, unsubar, S. Sauber.
Unsauberkeit (W3) [Adelung]
Die Unsauberkeit,
plur. die -en. 1. Der Zustand, da ein Ding unsauber ist; ohne Plural.
Die Unsauberkeit der Wäsche, eines Glases, einer Arbeit u. s. f. 2.
Dasjenige, was andere Dinge unsauber macht, mit dem Plural; wo so wohl
Schmutz, der die Reinigkeit hindert, als auch alles, was der Feinheit
und Zierlichkeit entgegen stehet, zuweilen eine Unsauberkeit genannt
wird.
Unschädlich (W3) [Adelung]
Unschädlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von schädlich, so wohl in
einzelnen Fällen keinen Schaden bringend, als auch überhaupt, nicht
fähig Schaden zu bringen, die Vollkommenheit eines andern Dinges zu
hindern. Unschädliche Speisen. Ein unschädliches Thier. Das ist dir
unschädlich. So auch die Unschädlichkeit.
Unschattig (W3) [Adelung]
Unschattig,
S. Ohnschattig, welches doch nicht so richtig ist.
Unschätzbar (W3) [Adelung]
Unschätzbar,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht geschätzt werden kann, dessen Werth
nicht verhältnißmäßig in Absicht anderer Dinge bestimmt werden kann.
Das ist unschätzbar. Unschätzbare Reichthümer. Unschätzbare
Verdienste. So auch die Unschätzbarkeit. Der Gegensatz schätzbar kommt
in dieser Bedeutung wenig vor.
Unscheinbar (W3) [Adelung]
Unscheinbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von scheinbar, doch nur in der
engern Bedeutung, keinen Glanz, kein glänzendes, lebhaftes Ansehen
habend, von Schein, Glanz, lebhaftes Ansehen. Ein Gemählde wird
unscheinbar, wenn die Farben ihre frische Lebhaftigkeit verlieren.
Unscheinbare Tressen. So auch die Unscheinbarkeit.
Unschicklich (W3) [Adelung]
Unschicklich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von schicklich, was sich nicht
schickt, der Sache und ihren Umständen nicht gemäß ist. Eine
unschickliche Antwort. Zur unschicklichen Zeit. Das Unschickliche der
Liebe in tugendhaften Herzen ist eine Erscheinung, die desto
merklicher ist, je seltener man tugendhafte Herzen antrifft, Hermes.
So auch die Unschicklichkeit, welches auch zuweilen von unschicklichen
Dingen gebraucht wird, und alsdann auch den Plural leidet.
Unschiffbar (W3) [Adelung]
Unschiffbar,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht mit Schiffen befahren werden kann,
im Gegensatze von schiffbar. Ein unschiffbarer Strom. So auch die
Unschiffbarkeit.
Unschlachtig (W3) [Adelung]
* Unschlachtig,
-er, -ste, adj. et adv. welches im Hochdeutschen veraltet ist, und so
viel wie das gleichfalls seltene ungeschlacht bedeutet. Ihr seyd
unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten
Geschlechte, Phil. 2, 15.
Unschlitt (W3) [Adelung]
Das Unschlitt,
des -es, plur. car. ein nur in manchen Sprecharten, besonders
Oberdeutschlandes, übliches Wort, den Talg zu bezeichnen. Daher das
Unschlittlicht, ein Talglicht. Das Unschlittamt zu Nürnberg ist ein
obrigkeitliches Amt, welches aus drey Abgeordneten des Rathes, einem
Amtmanne aus den Patriciis, einem Schreiber und einem Unschlittschauer
bestehet, und in welches die Fleischer alles ihr Unschlitt oder Talg
liefern, die Lichtzieher und Seifensieder aber ihr Bedürfniß? von
demselben nehmen müssen. Das Wort wird in den gemeinen Mundarten sehr
verstellet, indem es bald Unschlitt, bald Unschlicht, Inschlicht,
Inschlitt, Inselt, Insel, Angels. Insil, und in einigen Gegenden, z.
B. im Osnabrückischen, gar Ungel lautet, nach welcher Form auch bey
dem Apherdian Ungelkerze ein Talglicht ist. Diese Unbeständigkeit in
der Aussprache macht die Abstammung schwer und ungewiß. Indessen ist
am wahrscheinlichsten, daß die Form Ungel der Quelle am nächsten
kommt, indem dieselbe mit ungere, Unguentum, verwandt ist, und einen
fetten schmierigen Körper bedeutet. Die Gaumen- und Zischlaute werden
häufig mit einander verwechselt, daher Ungel und Insel nur als
verschiedene Mundarten eines und eben desselben Wortes angesehen
werden müssen, woraus denn in härtern Mundarten Unschlitt, Inschlicht
geworden. Diese letzte Form hat den Frisch verleitet, es für ein aus
Ungel und Licht zusammen gesetztes Wort zu halten, und es eigentlich
durch ein Talglicht zu erklären, welches aber wider allen
Sprachgebrauch ist. Im Dänischen ist Ister, Schmalz.
Unschlüssig (W3) [Adelung]
Unschlüssig,
-er, -ste, adj. et adv. Mangel an dem Vermögen sich zu entschließen
habend, und darin gegründet, so wohl in einzelnen Fällen als auch
überhaupt von der Fertigkeit dieses Mangels. Unschlüssig seyn, sich
nicht entschließen können, sich noch nicht entschlossen haben, welches
letztere eigentlich unentschlossen ist. Ein unschlüssiges Betragen.
Daher die Unschlüssigkeit.
Unschmackhaft (W3) [Adelung]
Unschmackhaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von schmackhaft, keinen
Geschmack habend, was nicht durch den Geschmack empfunden werden kann.
Das Wasser ist unschmackhaft. Ingleichen keinen angenehmen Geschmack
habend, von Dingen, welche denselben haben sollten. In beyden Fällen
auch figürlich. Die Gewohnheit macht die Süßigkeit der Güter, welche
man besitzet, unschmackhaft. Das verlängerte unschmackhaftig ist
überflüßig, außer so fern man ein Hauptwort, die Unschmackhaftigkeit,
davon bilden kann.
Unschmerzhaft (W3) [Adelung]
Unschmerzhaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von schmerzhaft, der doch
selten vorkommt, nicht schmerzhaft.
Unschuld (W3) [Adelung]
Die Unschuld,
plur. car. eigentlich der Gegensatz der Schuld, doch nur in einigen
Bedeutungen desselben. 1. Derjenige Zustand, da man keine Schuld hat,
d. i. nicht die wirkende oder veranlassende Ursache eines Verbrechens
oder Vergehens ist. (1) In einzelnen Fällen. Seine Unschuld beweisen,
beweisen, daß man an einer verbothenen Handlung nicht Schuld ist. Sich
auf seine Unschuld berufen. Wo es in engerer Bedeutung auch den Mangel
des Bewußtseyns eines Versehens bedeutet. Ich trat in aller Unschuld
in das Zimmer. Sie sagte in aller Unschuld u. s. f. ohne sich dabey
eines Versehens bewußt zu seyn. (2) In weiterer Bedeutung, der
Zustand, da man überhaupt keiner groben Vergehungen schuldig ist, wo
die Unschuld in noch weiterm Verstande oft auch die Kenntniß solcher
Vergehungen ausschließt. Die Unschuld ohne Verstand ist ein sehr
mittelmäßiger Schatz, Gell. Unschuld lächelt sanft auf ihren Wangen,
Geßn. Thränen im unschuldvollen Auge, eben ders. Man verbringe seine
Jugend in Unschuld, Gell. Im engsten Verstande ist die Unschuld
derjenige Zustand des Gemüthes, da es nicht allein von aller
Unkeuschheit frey ist, sondern auch von den Vergehungen dieser Art
keine Kenntniß hat. Die Unschuld eines Kindes ärgern. (3) Figürlich
bezeichnet dieses Wort auch häufig, besonders in der edlern
Schreibart, unschuldige Personen, und zwar in allen vorigen Fällen. Wo
Übermuth herrscht, da findet die Unschuld wenig Schutz. Die Unschuld
ärgern. 2. In weiterer Bedeutung wird es oft für Unschädlichkeit
gebraucht, denjenigen Zustand zu bezeichnen, da ein Ding zur
Verminderung der Vollkommenheit eines andern nichts beyträgt. Die
scheinbare Unschuld des Spieles verleitet manche zur Sicherheit.
Unschuldig (W3) [Adelung]
Unschuldig,
-er, -ste, adj. et adv. welches zwar der Gegensatz des schuldig ist,
aber nur in den Bedeutungen des vorigen Hauptwortes gebraucht wird. 1.
Keine Schuld auf sich haben, d. i. weder die wirkende noch die
veranlassende Ursache eines Verbrechens oder Vergehens seyn. So wohl
in einzelnen Fällen, wo dieses Wort nicht, wie der Gegensatz schuldig,
mit der zweyten Endung des Vergehens gebraucht wird, sondern das
Vorwort an erfordert. Unschuldig seyn. An einem Verbrechen, an einem
Morde, an dem Falle eines andern u. s. f. unschuldig seyn.
Unschuldiger Weise verdammet werden. Unschuldiges Blut vergießen. Ich
will unschuldig an dem Blute dieses Gerechten seyn, Matth. 27, 24.
Einen Unschuldigen hinrichten. Für unschuldig erkläret werden. Als
auch überhaupt, keiner wissentlichen und vorsetzlichen groben
Vergehung theilhaftig. Unschuldig wandeln, Ps. 26, 4. Unschuldige
Herzen, Weish. 4, 12. Ein unschuldiges Kind. Wofür doch auch schuldlos
üblich ist. Ingleichen in keiner bösen Absicht gegründet. Ein
unschuldiges Wort. 2. In weiterm Verstande, zuweilen für unschädlich.
Das Tanzen ist unter der gehörigen Einschränkung eine sehr unschuldige
Bewegung. Eine unschuldige Speise. Schon bey dem Notker unsculdig, im
Angels. unscildig.
Unschwer (W3) [Adelung]
Unschwer,
adverb. 1. Nicht schwer, leicht; eine in der edlern Schreibart der
Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche nur noch im gemeinen Leben
gangbar ist. Sie werden sich unschwer vergleichen. Das ist unschwer
einzusehen. 2. In der Höflichkeit des großen Haufens wird dieses
Nebenwort auch häufig für das eben so gemeine unbeschwert gebraucht,
wo es denn auch wohl ohnschwer lautet. Geben sie mir es unschwer her,
unbeschwert, wenn es ihnen keine Mühe macht. S. Unbeschwert.
Unsegen (W3) [Adelung]
Der Unsegen,
des -s, plur. inus. der Gegensatz von Segen, doch nur in der
figürlichen Bedeutung der Vervielfältigung des zeitlichen Vermögens
und der Glückseligkeit überhaupt, da denn der Unsegen die von höherer
Hand als eine Strafe veranstaltete Verminderung des zeitlichen
Vermögens, und in weiterer Bedeutung der zeitlichen Glückseligkeit
überhaupt ist, welches mit einem härtern Ausdrucke auch wohl der Fluch
genannt wird. Der Unsegen wird über dich kommen.
Unselig (W3) [Adelung]
Unselig,
für unsäglich, S. dieses Wort.
Unselig (W3) [Adelung]
Unselig,
-er, -ste, adj. et adv. Gegensatz von selig, doch nur in einigen
größten Theils veralteten Bedeutungen dieses Wortes, im höchsten oder
doch hohen Grade unglücklich, und darin gegründet. Wer die Weisheit
verachtet, der ist unselig, Weish. 3, 11. Unselig müssen seyn, die dir
Leid gethan haben, Bar. 4, 31. Ein unseliger Einfall, höchst
unglücklicher. Ja sie fallen, die unseligen Hüllen, die meine Augen
bisher gefangen hielten, von Brawe. Am häufigsten mischt sich in diese
Bedeutung auch etwas von der folgenden mit ein, indem man einen
tugendhaften oder ohne seine Schuld unglücklich gewordenen Mann wohl
nicht leicht unselig nennen wird. 2. Im höchsten Grade ruchlos,
lasterhaft und boshaft, und darin gegründet, ohne den vorigen Begriff
auszuschließen, vermuthlich als der Gegensatz von selig, in der
Gemeinschaft mit Gott gegründet. Du unseliger Mensch, 3 Macc. 5, 34.
Unselige und teuflische Gedanken. Welche unselige Vertraulichkeit
herrschet nicht unter den Lastern! Gell. So auch die Unseligkeit,
plur. car. in beyden Bedeutungen.
Anm. Schon bey dem Notker unsalig,
bey den Schwäbischen Dichtern unselic, wo es häufig für unglücklich
überhaupt vorkommt, als der Gegensatz von selig, glücklich. ( S.
dieses Wort.) Im Schwed. wird dieses Wort häufig in usel und ysell
zusammen gezogen und alsdann wohl gar in vesal und wissel verderbt,
welche elend, arm bedeuten. Daher ist eben daselbst Ysäld, das Elend,
und im Isländ. vesall, elend, Vesold, das Elend, und usäll, arm.
Unser (W3) [Adelung]
1. Unser,
die zweyte Endung des persönlichen Fürwortes wir. Gedenke unser im
beßten. Erinnern sie sich noch unser? Man hat unser ganz vergessen.
Unser aller Herr. Unser einer, Personen meines oder unsers Standes,
von unserer Beschaffenheit oder Denkungsart, Leute, wie ich, wo es
denn oft auch für das bloße ich gebraucht wird. Glauben sie denn
nicht, daß unser einer auch sein Abenteuer hat? Und unser einer macht
dabey gar schlechte Sprünge, Rost.
Anm. Es ist vermittelst der
Ableitungssylbe er, von uns gebildet, welches in den frühesten Zeiten
für wir üblich gewesen seyn muß. Ehedem lautete es eroro, daher heißt
es noch bey dem Kero: unseroro alla zala, unser aller Gefahr. Wenn
aber noch einige Neuere diesen Genitiv, und den Genitiv euer von ihr,
unsrer und eurer machen, gedenken sie unsrer im beßten, unsrer aller
Vater so ist solches eine offenbare Verwechselung.
Unser (W3) [Adelung]
2. Unser,
ein Pronomen possessivum oder zueignendes Fürwort der ersten
vielfachen Person, von uns. Es wird auf zweyerley Art gebraucht. I.
Als ein Conjunctivum, oder in Gesellschaft seines Hauptwortes, wo es
auf folgende Art abgeändert wird: Singular. Nomin. Masc. Unser, Fämin.
unsere, contr. unsre. Neutr. unser. Genit. Masc. Unseres, contr.
unsres, besser unsers. Fämin. unserer, contr. unsrer. Neutr. wie das
Mascul. Dat. Masc. Unserem, contr. unsrem, besser unserm. Fämin.
unserer, contr. unsrer. Neutr. wie das Mascul. Accus. Masc. Unseren,
contr. unsren, besser unsern. Fäm. Unsere, contr. unsre. Neutr. unser.
Plural. Nomin. Unsere, contr. unsre. Genit. Unserer, contr. unsrer.
Dativ. Unseren, contr. unsren, besser unsern. Accus. Unsere, contr.
unsre. Die zusammen gezogene Form unsers, unserm, unsern, ist
wohlklingender als die Form unsres, unsrem, unsren, welche viel Härte
hat. Das zusammen gezogene unsre und unsrer wird um eben dieser Härte
willen in der edlern Schreib- und Sprechart gern vermieden. Der große
Haufe ziehet unserer wohl gar in unser zusammen, unser lieben Frauen
Mantel. Es begleitet ein Hauptwort, welches der ersten vielfachen
Person gehöret, mit ihr in Verbindung stehet, oder sich sonst auf
einige Art auf dieselbe beziehet. Unser Vater. Unsere Stadt. Unser
Vaterland. Das sind unsere Sachen. Es ist unsers Standes, unsers
Gleichen, welches letztere sehr unschicklich von einigen zusammen
gezogen und unsersgleichen geschrieben wird. Dieses Fürwort stehet, so
wie alle possessiva, der Regel nach vor seinem Hauptworte. Nur das
einige Vater unser in dem gewöhnlichen Gebethe dieses Nahmens weicht
davon ab. Diese freylich undeutsche Form, die aber durch die
Gewohnheit ihr Widerwärtiges verloren hat, ist von einigen ohne Grund
Luthern zur Last gelegt worden. Allein sie ist weit älter, als Luther,
indem sie von den ersten Lehrern des Christenthumes in Deutschland
herrühret, welche das Pater noster so sclavisch übersetzten, daß auch
im Deutschen das Fürwort hinter seinem Hauptworte stehen mußte, und es
auf diese Art dem gemeinen Volke beybrachten. Daher fängt sich dieses
Gebeth schon bey dem Ottfried und Notker Fater unsir an. Da diese Form
nun zu Zeiten unter dem großen Haufen schon völlig allgemein war, so
würde er sie in der Übersetzung der Bibel und in dem Katechismus ohne
Anstoß nicht haben ändern können. Mit den Hauptwörtern Halbe, Weg,
Wille wird es gern zusammen gezogen, so, daß das n in ein t übergehet,
und der ganze Ausdruck zu einem Nebenworte wird; unserthalben,
unsertwegen, um unsertwillen. S. 2 Dein, wo bereits das nothwendigste
davon gesagt und zugleich bemerket worden, daß diese ganze Form nur in
der vertraulichen Sprechart gebraucht wird. II. Als ein Absolutum, mit
Auslassung des Hauptwortes, wo es auf doppelte Art gebraucht wird. 1.
Als ein Nebenwort, so daß das ungewisse Geschlecht unser adverbialiter
gebraucht wird. Das Gut ist unser. Wir wollen niemahls glauben, daß
die Schuld unser sey. Und mit der Inversion, einen Nachdruck zu
bezeichnen. Unser ist das Land. 2. Außer der Adverbial-Form, so, daß
es sich auf vorher gegangene oder darunter verstandene Personen
beziehet, da es denn in der Declination von dem vorigen conjunctivo
nur darin abweicht, daß das Masculinum in der ersten Endung des
Singularis ein er, das Neutrum aber ein es, oder zusammen gezogen ein
s annimmt. Es ist nicht euer Haus, es ist unsers; in der edlern
Schreibart, das unsrige. Das ist nicht Sache, es ist unsere. Er ist
nicht allein euer Freund, er ist auch unserer; wofür man im gemeinen
Leben lieber verkürzt unser, in der edlern Schreibart aber der unsrige
sagt. Man sagte es nicht euern Leuten, sondern unsern. Bey dem Kero
unseriu herzun, unsern Herzen, im Tatian unsa cumidu, unsere
Schmerzen. Im Engl. our. Es ist vermittelst der Endsylbe von uns
gebildet, welches in den ältesten Zeiten für wir gebraucht wurde.
Unserige (W3) [Adelung]
Der, die, das Unserige,
contr.
Unsrige (W3) [Adelung]
Unsrige, das Abstractum des vorigen Possessivi, welches allemahl den
bestimmten Artikel erfordert, und ohne Hauptwort gebraucht wird, sich
aber doch auf ein Hauptwort beziehet. Es ist nicht ihre Schuld,
sondern die unsrige. Man lobte euern Fleiß, aber warum nicht auch den
unsrigen? Da es denn in der edlern Schreibart gern für das vorige
absolute Possessivum gebraucht wird. Oft gebraucht man es auch als ein
Hauptwort. Das Unsrige, unser Vermögen, unser Eigenthum. Die Unsrigen,
unsere Angehörigen. Wir wollen das Unsrige thun, unsere Pflicht, mit
Anstrengung aller unserer Kräfte. Oft wird dieses Abstractum wieder in
unsere oder unsre zusammen gezogen, oder vielmehr dieses unsere ist
ein eigenes, vermittelst der Endsylbe e von unser gebildetes
Abstractum. Von dem Unsern werden wir nehmen, zum Dienst unsers
Gottes, 2 Mos. 10, 26; von dem Unserigen. Das ist eure Schuld und
nicht die unsere. Welche Zusammenziehung bey den Dichtern noch am
öftersten vorkommt. Ein Fehler ist es, wenn dieses Abstractum in
einigen, besonders Oberdeutschen Mundarten für das Conjunctivum unser
gebraucht wird. Die unsrigen Leute, für unsere Leute.
Unserthalben (W3) [Adelung]
Unserthalben, Unsertwegen, Unsertwillen,
Siehe in Unser.
Unsicher (W3) [Adelung]
Unsicher,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von sicher, in den meisten
Bedeutungen dieses Wortes. 1. Nicht außer der Gefahr, der Gefahr
ausgesetzt. Wir stehen hier sehr unsicher. Das Capital ist in diesem
Falle unsicher. 2. Dessen man sich nicht ohne Gefahr bedienen kann.
Ein unsicherer Weg, ein unsicherer Ort, im engsten Verstande, wo man
vor Dieben, Räubern und Gespenstern nicht sicher ist. Es ist
allenthalben unsicher vor dem Schwert des Feindes, Jer. 6, 25. Es ist
unsicher davon zu schreiben. 3. Der Gefahr zu irren ausgesetzt. Eine
unsichere Hand, eine ungewisse, in den schönen Künsten. 4. Der Gefahr
des Gegentheils ausgesetzt; für ungewiß. Eine sehr unsichere
Nachricht, auf welche man sich nicht verlassen kann. Unsichere
Merkmahle. Ein unsicherer Beweis. Mit den Folgen sieht es sehr
unsicher aus. Im Nieders. unserer.
Unsicherheit (W3) [Adelung]
Die Unsicherheit,
plur. inus. die Eigenschaft, da ein Ding unsicher ist, in allen
vorigen Bedeutungen.
Unsichtbar (W3) [Adelung]
Unsichtbar,
-er, -ste, adj. et adv. nicht sichtbar, was durch das Gesicht nicht
empfunden werden kann. Ein Geist ist unsichtbar. Eine unsichtbare
Sonnenfinsterniß, welche unter gewissen Umständen auf einem Theile der
Erdkugel nicht gesehen werden kann. Sich unsichtbar machen. Die
unsichtbare Kirche, in der Theologie, deren Vereinigung innerlich und
geistlich ist, im Gegensatze der sichtbaren. Figürlich ist unsichtbar
werden, sich schnell und unbemerkt entfernen. Der Schuldner wird
unsichtbar, wenn er austritt. In einem andern Verstande sagt man, eine
Sache habe sich unsichtbar gemacht, wenn sie selten geworden ist, so
daß man sie nur sparsam zu sehen bekommt. Bey dem Ottfried
ungisewanlich, bey dem Notker ungesinnlich, ungesintig, bey den
Schwäbischen Dichtern unsihtic, und noch in einigen Oberdeutschen
Gegenden unsichtig.
Unsichtbarkeit (W3) [Adelung]
Die Unsichtbarkeit,
plur. car. die Eigenschaft, da ein Ding mit dem Gesichte nicht
empfunden werden kann.
Unsinn (W3) [Adelung]
Der Unsinn,
des -es, plur. inus. der Gegensatz des Hauptwortes Sinn, doch nur in
einigen Bedeutungen desselben. 1. Von Sinn, Bewußtseyn und Verstand,
ist Unsinn, Mangel dieses Bewußtseyns, ingleichen Beraubung des
Verstandes, wo es gemeiniglich einen harten Nebenbegriff hat, und
einen hohen Grad der Beraubung des Verstandes bezeichnet. Mit einem
eben so harten Nebenbegriffe wird es noch häufiger von dem
unterlassenen Gebrauche des Verstandes in einzelnen Fällen gebraucht.
Welch ein Unsinn treibt dich? Es ist Unsinn, mehr auszugeben, als
einzunehmen. 2. Von Sinn, der Verstand eines Wortes oder Rede, ist
Unsinn in einem harten Verstande, die Abwesenheit alles begreiflichen
und vernünftigen Verstandes, nach dem Engl. Non-Sense; wo denn auch
wohl dergleichen Ausdrücke, welche keinen vernünftigen Begriff
gewähren, Unsinn heißen. Die Ausdrücke, Züge zum Ruhm hinweben, die
diamantnen Flügel der Ewigkeit, Blicke stammeln, der Wald lispelt
lächelnd u. s. f. sind wahrer Unsinn. Unsinn sagen.
Unsinnig (W3) [Adelung]
Unsinnig,
-er, -ste, adj. et adv. Unsinn habend, und darin gegründet, als der
Gegensatz des jetzt veralteten sinnig. 1. In der ersten Bedeutung des
vorigen Hauptwortes. (1) Seines Verstandes im hohen Grade beraubt.
Unsinnig seyn, werden. Ein unsinniger Mensch. David stellete sich
unsinnig, 1 Sam. 12, 10. Du wirst unsinnig, 5 Mos. 28, 34. ( S. auch
Wahnsinnig.) (2) Im hohen Grade unvernünftig, der gefunden Vernunft im
höchsten Grade widersprechend. Es würde unsinnig seyn, dergleichen
vorzunehmen. Ein unsinniges Betragen. Ein unsinniger Mensch. 2. Von
Sinn, der begreifliche Verstand eines Wortes, oder einer Rede, wäre
unsinnig, alles solchen begreiflichen Verstandes beraubt, in welcher
Bedeutung es aber doch wenig gebraucht wird, wenigstens fließt sie
fast in allen Fällen mit der vorigen zusammen.
Anm. Die Wörter Unsinn
und unsinnig kommen in der ersten Bedeutung schon im Schwabenspiegel
vor, und sind mit dem Lat. Insania und insanus sehr nahe verwandt. Im
Niederdeutschen ist für unsinnig, afsinnig, absinnig, üblich. S.
Sinnig.
Unsinnigkeit (W3) [Adelung]
Die Unsinnigkeit,
plur. die -en. 1. Der Zustand, die Eigenschaft, da eine Person oder
Ding unsinnig ist, in den beyden ersten Bedeutungen des Beywortes, und
ohne Plural; indem Unsinn zunächst den Ausbruch dieses Zustandes
bedeutet, ob es gleich sehr häufig auch für das Abstractum
Unsinnigkeit gebraucht wird. 2. Unsinnige, im höchsten Grade der
gesunden Vernunft widersprechende Handlungen, mit dem Plural.
Unsittig (W3) [Adelung]
Unsittig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von sittig, guter äußerer Sitten
beraubt, nicht sittsam; ingleichen ungestüm, unsanft. Daher die
Unsittigkeit. Beyde Wörter sind indessen im Hochdeutschen eben so
selten geworden, als ihre veralteten Gegensätze sittig und Sittigkeit.
Unsorgsam (W3) [Adelung]
Unsorgsam,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von sorgsam, Mangel der
ernsthaften Richtung des Gemüthes auf die vorkommenden Dinge und unser
Verhältniß gegen dieselben habend, und darin gegründet. Es wird, so
wie der Gegensatz sorgsam, im Hochdeutschen nur selten gefunden. So
auch die Unsorgsamkeit.
Unsrig (W3) [Adelung]
Unsrig,
S. Unserig.
Unständig (W3) [Adelung]
Unständig,
-er, -ste, adj. et adv. welches nur in einigen Gegenden für nicht
beständig dauernd üblich ist, als der Gegensatz von dem eben so
eingeschränkten ständig. Unständige Gefälle, unbeständige, zufällige.
So auch die Unständigkeit.
Unstät (W3) [Adelung]
Unstät,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von stät, auf eine fehlerhafte
Art beweglich, unruhig, keine lange Dauer an einem Orte habend,
ingleichen unbeständig, und darin gegründet. Unstät und flüchtig
sollst du seyn auf Erden, 1 Mos. 4, 12.; du sollst keine dauerhafte
Stäte haben. Unstät sind der Huren Tritte, Sprichw. 5, 6. Ein unstäter
Mensch, so wohl der keine bleibende Stäte hat, als auch überhaupt ein
veränderlicher, unbeständiger.
Anm. Schon bey dem Ottfried unstat,
unstati, im Niederdeutschen, wo es aber auch für das folgende
unstatthaft gebraucht wird, unstede, im Griech. - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - . Bey den Schwäbischen Dichtern
kommt Unstetekein, für Unbestand vor. S. Star.
Unstäte (W3) [Adelung]
Die Unstäte,
plur. die -n, in dem Aberglauben des großen Haufens, ein aus
verborgenen Ursachen unsicherer oder gefährlicher Ort, wo jemanden ein
Unheil widerfähret. Über eine Unstäte gehen.
Unstätig (W3) [Adelung]
Unstätig,
-er, -ste, adj. et adv. welches ehedem für unstät sehr gangbar war,
aber wenig mehr gebraucht wird, außer so fern man das Hauptwort
Unstätigkeit davon bildet, die Eigenschaft zu bezeichnen, nach welcher
ein Ding unstät ist.
Unstätkraut (W3) [Adelung]
Das Unstätkraut,
des -es, plur. car. in einigen Gegenden ein Nahme der großen
blaßgelben Wiesenraute, welche auch Heilblatt genannt wird; Thalictrum
flauum Linn.
Unstatthaft (W3) [Adelung]
Unstatthaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von statthaft. 1) Was nicht
Statt haben, nicht eingeräumet, bewilliget oder gestattet werden kann,
und darin gegründet. Unstatthafte Entschuldigungen. Ein unstatthaftes
Verlangen. 2. Ungültig, nicht rechtsbeständig. Ein unstatthaftes
Verfahren. So auch die Unstatthaftigkeit.
Unsterblich (W3) [Adelung]
Unsterblich, -er, -ste, adj. et adv. nicht fähig zu sterben, und im weiterm Verstande, nicht fähig aufzuhören, von lebendigen Wesen und ihren
Eigenschaften. Gott ist unsterblich, so fern sein Wesen unmöglich
vernichtet werden kann. Die menschliche Seele ist unsterblich. Der
Mensch ist nicht unsterblich, Sir. 17, 28. Figürlich wird es oft für
sehr lange dauernd gebraucht. Ein unsterblicher Nahme. Sich einen
unsterblichen Ruhm erwerben. Dein Ruhm ist unsterblich.
Anm. Bey dem
Notker unstirbig, ingleichen untodig, daher er auch Vndotheit und
Vntodigi für Unsterblichkeit gebraucht.
Unsterblichkeit (W3) [Adelung]
Die Unsterblichkeit,
plur. inus. die Eigenschaft, da ein Ding unsterblich ist.
Unstern (W3) [Adelung]
Der Unstern,
des -es, plur. inus. ein unglücklicher Stern, wo es noch häufig
figürlich von einem widrigen Schicksale, ingleichen, nach einer noch
weitern Figur, von einzelnen unglücklichen Begebenheiten gebraucht
wird. Mein Unstern hat es so gewollt, mein widriges Schicksal. Sich
bey dem kleinsten Unstern schimpflich erniedrigen, bey dem kleinsten Unglücke. Hat mein Unstern sich verschworen, Daß ich sterbend leben
soll? Canitz. Opitz sagt: das Ungestirn der Zeiten.
Unsträflich (W3) [Adelung]
Unsträflich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von sträflich, doch am
häufigsten nur in dessen zweyter Bedeutung, was nicht gestraft, d. i.
getadelt werden kann, keines Tadels fähig. Des Herren Werke sind
unsträflich, 5 Mos. 32, 4. Am häufigsten im engern Verstande, wegen
der Übereinstimmung mit dem Gesetze keinem Tadel unterworfen. Ein
unsträflicher Mann. Unsträflich leben. Ein unsträfliches Leben führen.
So auch die Unsträflichkeit. Ottfried gebraucht dafür unlastarbarig
und unhono, der Niederdeutsche aber unbeklaged.
Unstreitig (W3) [Adelung]
Unstreitig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von streitig, doch nur im engern
Verstande, keines Streites fähig, so klar und deutlich, daß darüber
weder wirklich gestritten wird, noch mit Fug gestritten werden kann;
in einigen gemeinen Mundarten unstreitbar, im Oberdeutschen
unstrittig, ohnstrittig. Ein unstreitges Recht zu etwas haben. Mein
Recht darauf ist unstreitig. Eine unstreitige Wahrheit. Wo es denn im
Nebenworte oft als ein bloßes Versicherungswort gebraucht wird. Es ist
unstreitig größer. Daher die Unstreitigkeit.
Unsündlich (W3) [Adelung]
Unsündlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von sündlich. 2) Keine Sünde
seyend, dem geoffenbarten Gesetze Gottes nicht zuwider. Unsündliche
Handlungen. 2) Nicht mit Sünde behaftet, kein Vermögen zu sündigen
habend und darin gegründet; für das ungewöhnlichere unsündig. Gott ist
unsündlich, im strengsten Verstande, so fern er unmöglich sündigen
kann. Kein Mensch ist unsündlich. So auch die Unsündlichkeit, die
Eigenschaft, da eine Person oder Sache unsündlich ist.
Untadelhaft (W3) [Adelung]
Untadelhaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von tadelhaft, doch nur in der
ersten Bedeutung, mit keinem Tadel behaftet, nicht fähig, mit Grunde
getadelt zu werden; unsträflich. Untadelhaft leben. Eine untadelhafte
Arbeit. Untadelhaft seyn. Das verlängerte untadelhaftig ist in der
edlern Schreibart veraltet, und dienet bloß, ein Hauptwort für diesen
Begriff zu bilden, die Untadelhaftigkeit.
Untadelig (W3) [Adelung]
Untadelig,
-er, -ste, adj. et adv. welches mit dem vorigen gleich bedeutend, und
der Gegensatz des ungewöhnlichen tadelig ist. Untadelich (untadelig)
in allen Gebothen Gottes gehen, Luc. 1, 6. Ein Bischof soll untadelich
seyn, Tit. 1, 6, 7. Untadeliche Worte, Kap. 2, 8. Dieses Wort ist
vermittelst der Ableitungssylbe ig, so wie daß vorige mit haft
gebildet, welche in dem Gebrauche häufig für einander stehen. Es
erhellet daraus zugleich, daß die so gemeine Schreibart untadelich
unrichtig ist; denn wenn auch die Ableitungssylbe lich hier Statt
finden sollte, so müßte das Wort wenigstens mit zwey l untadelich
geschrieben werden. Auf eben so fehlerhafte Art schreibt man häufig
adelich für adelig. Ein Hauptwort ist von diesem Beyworte nicht
üblich.
Untauglich (W3) [Adelung]
Untauglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von tauglich, zu einer Absicht
nicht die unentbehrliche Beschaffenheit habend; auch wohl im weitern
Verstande, zu keiner Absicht brauchbar. Untaugliche Arbeit. Zu etwas
untauglich seyn. Weidenholz ist zum Bauen untauglich. So auch die
Untauglichkeit.
Unte (W3) [Adelung]
Die Unte,
plur. die -n, ein nur bey den Strumpfwirkern übliches Wort, wo die
untern Platinen oder gespaltenen Plättchen diesen Nahmen führen. Da
der Strumpfwirkerstuhl eine neuere Englische Erfindung des siebzehnten
Jahrhunderts ist, welche hernach in Frankreich verbessert worden, so
ist wahrscheinlich, daß dieses Wort aus einer fremden Sprache
entlehnet ist, denn daß man es als ein neues Hauptwort von unten
gebildet haben sollte, ist nicht glaublich.
Unten (W3) [Adelung]
Unten,
ein Nebenwort des Ortes, der Oberfläche der Erde oder ihrem
Mittelpuncte näher als ein anderes Ding, auf welches sich dieses
Nebenwort beziehet, im Gegensatze des oben. 1. Eigentlich, wo es oft
die der Oberfläche oder ihrem Mittelpuncte nächste Fläche eines Dinges
bezeichnet. Unten auf dem Boden des Wassers. Unten am Berge. Der Rasen
soll unten einen Boden haben, 2 Mos. 6, 16. Von unten an bis oben aus.
Unten ist der Boden trocken. Ein wenig unten einschneiden. Einen
Weinstock unten anbinden, an dem untern Theile des Stockes. Von unten
an, von unten auf. Unten her, an der untern Fläche her, und unten hin,
an der untern Fläche hin, welche von vielen ohne Noth zusammen gezogen
werden, untenher und untenhin. Etwas unten her beschneiden, unten her
dünne machen. Unten hin gehen, unter der Brücke, unten an dem Berge.
Unten liegen, figürlich, den kürzern ziehen, der überwundene Theil
seyn, im gemeinen Leben. 2. Figürlich. 1) Was niedriger liegt, oft
auch nur, was an einem entfernten, folglich dem Scheine nach tiefer
liegenden Orte befindlich ist, heißt oft unten. Unten am Markte. Die
Stadt liegt besser unten an dem Fluße, näher nach der Mündung zu. Von
unten her kommen, aus einer niedrigen Gegend. 2) An dem geringern,
nicht so vorzüglichen Platze, im Gegensatze des oben; am häufigsten
mit einigen Fürwörtern. Unten an gehen, stehen, sitzen, zur linken
Hand. Von unten auf dienen, die niedrigern Stellen einer Arbeit
bekleiden, um sich zu den obern geschickt zu machen.
Anm. Bey den
ältern Oberdeutschen Schriftstellern hunden, im Niedersächsischen mit
einer andern Endsylbe under. Es ist von dem veralteten unt, und der
adverbischen Endsylben en zusammen gesetzt, welches auch die
Nebenwörter innen, außen, oben, hinten, vornen u. s. f. bilden hilft.
Unten, hinten und das Lat. infra, inferior, sind der Abstammung ihrer
ersten Sylben nach ohne Zweifel sehr nahe verwandt. Im Schwed. ist
undan, vor, ante, welches aber allem Ansehen nach zu einem andern
Stamme gehöret.
Untenher,Untenhin (W3) [Adelung]
Untenher und Untenhin, S. das vorige.
Unter (W3) [Adelung]
1. Unter,
der, die, das Untere, das Beywort des vorigen Nebenwortes, Comparat.
der doch wenig gebraucht wird, untererer, zusammen gezogen unterer,
Superl. unterste. 1. Eigentlich, wo es den der Oberfläche der Erde
oder ihrem Mittelpuncte gewöhnlicher Weise nähern Theil eines Dinges
bezeichnet, im Gegensatze des ober. Die untere Fläche eines Dinges.
Der untere oder unterste Stock im Hause. Die untern Zimmer. Der untere
oder unterste Mühlstein. So auch die Zusammensetzungen Untertheil,
Unterbett, Untergestell, Unterhemd, Unterkleid u. s. f. Ingleichen von
Ländern und Erdflächen, näher nach dem Ausflusse der Flüsse oder dem
Meere zu; tiefer liegend; wofür auch wohl nieder üblich ist. Der
untere Teich, Es. 22, 9. Das untere Thor. Das untere Deutschland,
Niederdeutschland. In den Zusammensetzungen ist in den meisten Fällen
nieder üblich. Nieder-Ungarn, Nieder-Sachsen, Nieder-Schlesien,
Nieder-Lausitz, der Nieder-Rhein, Nieder-Baiern u. s. f. Doch sagt man
Unter-Italien, Unter-Österreich, die Unter-Elbe u. s. f. alles im
Gegensatz des mit ober zusammen gesetzten Nahmen gleicher Art. Der
größte Haufe der Deutschen Sprachlehrer hat sich durch die Endung -er
verleiten lassen, dieses Beywort für den Comparativ eines Wortes zu
halten, dem die erste Staffel fehle. ( S. Hinter, Nieder, Ober,) wo
dieser Irrthum bereits widerleget worden. Es ist ein eigenes
vollständiges Beywort, welches ehedem Überhaupt niedrig bedeutete, und
alsdann des Comparativs und Superlativs eben so sehr fähig war, als
dieses. Jetzt, da es nur im engern Verstande von dem dem Mittelpuncte
der Erde nächsten Theile eines Dinges gebraucht wird, fallen die
beyden folgenden Grade der Natur der Sache wegen größten Theils weg,
und es scheinet, daß man den Superlativ unterste nur um des
Nachdruckes willen behalten hat, obgleich unter den untern Dingen
allerdings noch Grade Statt finden, in welchem Falle denn der
Comparativ, um des Wohlklanges willen, in den Primitiv zusammen
gezogen wird, S. Ober, wo eben dieses bereits angemerket worden.
Dieser Superlativ ist es aber auch allein, welcher in der adverbischen
Form gebraucht werden kann, ob er gleich auch hier nur im gemeinen
Leben üblich ist. Das oberste zu unterst kehren, es unten Kehren. Zu
unterst auf dem Boden, in dem Keller, für ganz unten. In den übrigen
Staffeln ist es als ein Nebenwort nicht üblich; denn da, wo das
Gegentheil Statt zu finden scheinen möchte, z. B. er sank unter, da
ist es die zu dem Zeitworte gehörige Präposition. 2. Figürlich. 1) Der
Würde, dem Range nach, im Gegensatze des ober, wofür in vielen Fällen
aber auch nieder üblich ist. Die untern Classen in der Schule, die
niedern; im Gegensatze der obern. Die untere Gerichtbarkeit, wofür
nieder üblicher ist. Die untern Schulen, häufiger die niedern. Die
unterste Stelle bekleiden. Die untern Götter, in der Mythologie der
Griechen und Römer, im Gegensatze der obern. Die untern Kräfte der
Seele, zum Unterschiede von den obern. Wohin auch viele
Zusammensetzungen gehören, eine Person oder Sache zu bezeichnen,
welche von geringerm Range oder Würde ist, als eine andere gleicher
Art, wo nieder nicht so gewöhnlich ist. Der Unteramtmann,
Unterstatthalter, Unter-Lieutenant, Unterrichter u. s. f. im
Gegensatze der mit Ober zusammen gesetzten Wörter dieser Art. Der
Unterkönig, der Vice-König, Franz. Vice-Roy. 2) Der Gewalt nach,
besonders in dem substantiven Ausdrucke die Untern, Personen, welche
andern untergeben sind, deren Verhalten der Einschränken anderer
ausgesetzt ist; im Gegensatze der Obern. Hart gegen die Untern seyn,
gegen die, welchen man zu befehlen hat. Der Singular ist in dieser
Bedeutung seltener. Von einem Untern übertroffen werden. In der
Deutschen Spielkarte ist der Untere, der Bediente, Franz. Valet, in
einigen Gegenden der Knecht, welcher in der Französischen Karte der
Bube heißt.
Anm. Dieses Beywort ist von dem veralteten unt, und der
adjectivischen Endung -er, gebildet, welche auch die Beywörter obere,
hintere, äußere, vordere, niedere u. s. f. bilden hilft, welche von
den meisten Sprachlehrern, denen diese Ableitungssylbe unbekannt ist,
fälschlich für Comparative gehalten werden.
Unter (W3) [Adelung]
2. Unter,
eine sehr alte Partikel, welche überhaupt den Umstand der Tiefe, in
Beziehung auf ein darüber befindliches Ding ausdruckt; im Gegensatze
des über. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Nebenwort, wo
es doch nur in dem im gemeinen Leben üblichen Ausdrucke mit unter
vorkommt. Es muß mit unter gehen, mit unter laufen, es muß unter
andern Dingen schon mitgehen, mitlaufen, wo es nicht die zu den
Zeitwörtern gehörige Präposition ist, und daher mit denselben auch
nicht als Ein Wort geschrieben werden darf. Ingleichen figürlich,
zuweilen, zu manchen Zeiten, hin und wieder. Wir hatten schön Wetter,
mit unter regnete es ein wenig. Mit unter hatten gibt es noch ehrliche
Leute. Sie haben Scenen mit unter, die u. s. f. Less. Man stehet
leicht, daß diese R. A. eigentliche Ellipsen sind, wo die zu dem
Vorworte gehörige Endung weggelassen worden, da denn jenes die Gestalt
eines Nebenwortes bekommen hat. Mit unter stehet für, unter andern
mit. Unter her und unter hin, oder, wenn man lieber will, unterher und
unterhin, für herunter und hinunter, sind im Hochdeutschen veraltet.
Er stürze plötzlich unterhin, Opitz. II. Als ein Vorwort, welches
wieder in einem doppelten Fallen betrachtet werden kann. Es stehet
entweder für sich allein, und hat sein Nebenwort bey sich, oder es
wird mit andern Wörtern zusammen gesetzt. 1. Für sich allein, in
Begleitung seines Nennwortes, wo im Ganzen auch von diesem Vorworte
dasjenige gilt, was bereits bey dessen Gegensatze über angemerket
worden, daß nähmlich der Gebrauch dieses Wortes in den Sprachlehren
äußerst mangelhaft un- unbestimmt abgegeben wird. Die gewöhnliche
Regel bey diesem und andern Vorwörtern, welche zweyerley Endungen zu
sich nehmen, ist, daß sie auf die Frage worin? den Dativ, auf die
Frage wohin? aber den Accusativ erfordern. Ob dadurch der Gebrauch
dieses Vorwortes einem Unwissenden nur einiger Maßen erleichtert
werden könne, wird aus der Vergleichung mit dem folgenden erhellen.
Wir finden dieses Wort so wohl mit dem Genitiv, als mit dem Dativ, als
endlich auch mit dem Accusativ. 1) Mit dem Genitiv oder der zweyten
Endung, in den R. A. unter Weges, unter dessen, unter Essens u. s. f.
Doch da diese Fälle der Bedeutung nach mit zu der folgenden des Dativs
gehören, so sollen sie dort erwogen werden. 2) Mit der dritten Endung
oder dem Dativ. Es bedeutet alsdann: (a) Einen Stand der Ruhe, oder
Handlung im Stande der Ruhe, in Beziehung auf ein darüber befindliches
Ding, im Gegensatze des über. aa) Eigentlich. (1) Einen Stand der Ruhe
in der Tiefe, in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding, einen
Stand der Ruhe zwischen einem höhern Dinge und dem Mittelpuncte der
Erde oder ihrer Oberfläche; im Gegensatze des über. Es liegt unter dem
Tische. Unter einem Baume sitzen. Die Vögel unter dem Himmel. Das
Fenster unter dem Dache. Unter dem freyen Himmel schlafen. Er wohnet
sicher und ruhig unter seinem friedlichen Dache, Geßn. Du mit dem
bedeckten Antlitze, unter deiner Hülle ist graues Haar. Wohin denn
auch verschiedene sprichwörtliche und figürliche Ausdrücke gehören.
Mit jemanden unter einer Decke liegen, mit ihm an einer bösen Sache
geheimen Antheil haben. Das ganze Land stehet unter Wasser, ist mit
Wasser überschwemmet. Unter der Hand, heimlich, unvermerkt, in der
Stille. Unter der Hand ließ ich es ihn errathen. Jemanden etwas unter
der Hand zustecken. (2) Eine Bewegung oder Handlung im Stande der Ruhe
in Beziehung auf ein darüber befindliches Ding; im Gegensatze des
über. Es geschiehet nichts neues unter der Sonnen. Alle, die wir unter
dem Monde leben. Mein Kind, das ich neun Monathe unter meinem Herzen
getragen habe; 2 Macc. 7, 28. Etwas unter dem Arme, unter dem Mantel
tragen. Unter jemandes Fahne streiten. Unter der Last seufzen. Die
Erde that sich unter seinem Füßen auf. Mein Herz hebt sich mühsam
unter einer drückenden Last, Dusch. Hier schwank ich unter der
geliebten Last, Raml. Etwas unter den Händen haben, daran arbeiten.
(3) Eine horizontale Bewegung in Beziehung auf ein darüber
befindliches Ding. Unter der Bank hervor ziehen. Unter dem Regen hin
laufen. Unter der Brücke hin gehen. Unter dem gewölbten Gange
spazieren gehen. Unter dem Wasser schwimmen, gehen. Hier auf dem
Gipfel des Berges, wo tief unter mir furchtbare Gewitter hinziehen.
Das Vorwort über erfordert in einigen ähnlichen entgegen gesetzten
Fällen die vierte Endung. Ein Deckel über den Topf, ein Gestell unter
den Tisch. Der Unterschied rühret von den verschiedenen Nebenbegriffen
her, von welchen bey dem Vorworte über bereits das nöthigste gesagt
worden. bb) Figürlich. (1) Sehr oft bezeichnet es dasjenige
Verhältniß, da ein Ding von einem andern höhern oder mächtigern
eingeschränket ist, eine Unterwerfung, Unterthänigkeit; im Gegensatze
des über. Ich habe unter mir Kriegsknechte, Matth. 8, 9. Ein Weib, das
unter dem Manne ist, Röm. 7, 2. Unter dem Gesetze
seyn, Gall. 4, 3, 5. Unter dem Joche seyn, leben. Unter dem Zwange,
unter der Aufsicht, unter dem Gehorsam stehen, leben. Unter einem
weisen Monarchen leben. Unter ihm wirds wachsen, Zachar. 6, 12. Unter
den Waffen schweigen die Gesetze, wenn die Waffen die Oberhand haben.
Unter dem Aufsehen und dem Schutze des großen Herren der Welt seyn.
Sich unter der Leitung der Magnetnadel auf das ungeheuere Weltmeer
wagen. Alles unter sich, unter seinem Beschlusse haben. Alles Geld
unter seinen Händen, unter seinem Schlüssel haben. Wenn ich es auch
unter zehn Schlössern hätte, so wollte ich es hergeben, wenn es auch
mit zehn Schlössern verwahrt wäre. (2) Ingleichen das Verhältniß des
geringern Ranges in Beziehung auf etwas Vornehmeres; im Gegensatze des
über. Er saß unter mir, mir zur linken Hand. Der Rathsherr gehet unter
dem Doctor, gehet ihm zur linken Hand. Im gemeinen Leben auch das
Verhältniß des geringern Werthes. Du bist weit unter ihm, kommst ihm
am Verdiensten u. s. f. nicht gleich. (3) Das Verhältniß einer
geringern Zahl, eines geringern Preises. Unter zehn Thalern kann ich
es nicht geben, nicht geringer als für zehn Thaler. Eine Witwe unter
sechzig Jahren, 1 Tim. 5, 9. welche noch nicht sechzig Jahre alt ist.
Unter zehn Tagen werde ich nicht fertig. Kinder unter zehn Jahren.
Unter drey Monathen wird er nicht wieder kommen. Eine Waare unter dem
gewöhnlichen Preise verkaufen, wohlfeiler als der gewöhnliche Preis
ist. Gottsched hatte sich durch den Fehler des großen Haufens, ich
gebe es nicht unter funfzig Thaler, verleiten lassen, dem Vorworte in
dieser Bedeutung die vierte Endung zuzuschreiben, welcher Irrthum aber
wohl keiner weitern Widerlegung bedarf. Merkwürdig ist indessen, daß
über in den Gegensätzen dieser drey letztern Bedeutungen allemahl die
vierte Endung erfordert. Über andere herrschen; unter einen stehen.
Sey ein Herr über deine Brüder; demüthige dich unter ihm. Der Jünger
ist nicht über seinen Meister; du bist weit unter ihm. Über einen
Fürsten sitzen; unter einem Bauer gehen. Über vierzig Jahre alt; ein
Mann unter vierzig Jahren. Ich komme über vierzehn Tage wieder; unter
vierzehn Tagen kann ich nicht wieder kommen. Welches denn doch wohl
nur den verschiedenen Nebenbegriffen zuzuschreiben ist, unter welchen
man sich anfänglich diese Fälle gedacht. (4) Die Art und Weise, doch
nur in solchen Fällen, wo das Bild eines darüber befindlichen Dinges
Statt findet. Sich unter einer Maske in den Tanzsal einschleichen.
Jemanden unter der Larve der Freundschaft hintergehen. Jemanden seine
Gedanken unter Bildern vortragen, in der Gestalt der Bilder. Im Winter
fällt die Natur unter einem drohenhen schrecklichen Bilde in die
Augen. Unter dem Nahmen des Vergnügens liegt oft strafbare
Ausschweifung verborgen. Eine Arzeney, welche unter dem Nahmen des
Theriakes bekannt ist. Unter seinem Nahmen, Röm. 1, 5. Unter der
Bedingung, unter dem Scheine, unter dem Vorwande. Unter solchem
Schein, Jer. 2, 23. Unter der Gestalt eines Engels erscheinen, besser
in der Gestalt. Ich glaube unter gewissen Fällen das Gegentheil,
besser in gewissen Fällen. Unter seiner eigenen Hand und Unterschrift.
(b) Ein Daseyn, ein Mitbefinden zugleich mit andern Dingen dem Orte
nach, gleichsam in der Mitte derselben. Wenn es aber eine Bewegung,
eine Bemühung zu dieser örtlichen Coexistenz bezeichnet, so erfordert
es die vierte Endung.
aa) Eigentlich. Einer unter ihnen. Unter welchem ist Hymenäus und
Philetus, Timoth. 2, 17. Der Gläubigen ist wenig unter den
Menschenkindern, Ps. 12, 2. Der da wandelt mitten unter den sieben
Leuchtern, Offenb. 2, 1. Uneinigkeit unter Eheleuten. Das ist so unter
uns üblich. Er war mit darunter. Unter den Zuschauern sitzen. Du bist
der schönste unter den Menschenkindern, Ps. 45, 3. Der größte, der
weiteste, der gelehrteste unter allen. Unter zehn Ducaten war nur
einer zu leicht. Unter allen Speisen ist diese die gesündeste. Unter
andern Ursachen ist auch diese zu bedenken. Wo das zu ander gehörige
Hauptwort oft verschwiegen wird. Unter andern sagte er auch dieß. Es
geschahen viele Wunderzeichen; unter andern regnete es auch Blut. Es
liegt alles unter einander. Unter zweyen Übeln das kleinste wählen.
Unter seinen Söhnen habe ich, mir einen König erwählet, 1 Sam. 16, 1.
Sich unter mehrern das Beste aussuchen. Einen Unterschiede unter
mehrern Dingen machen. So lange der Erbe ein Kind ist, so ist unter
ihm einem Knechte kein Unterschied, Galat. 4, 1. Wo es denn oft auch
eine Handlung im Stande der Ruhe unter mehrern Dingen bezeichnet.
Dahin gehöret auch das in der vertraulichen Sprechart übliche unter
uns. Das soll unter uns bleiben, außer uns soll es niemand erfahren.
Unter uns geredet, gesprochen, so, daß es außer uns niemand erfahre.
Unter uns gesagt. Bekennen sie nur unter uns, daß sie lieben. Unter
bezeichnet in diesem Verstande bloß ein Mitbefinden in der Reihe
mehrerer Dinge, ohne weitere nähere Bestimmung des Platzes, als daß
sich ein Ding gleichsam in der Mitte anderer befinde, gleichsam mit
denselben vermengt sey. Um des Nachdrucks willen setzet man oft noch
mitten dazu. Er war mitten unter uns. Näher bestimmt diese Mitbefinden
das Vorwort zwischen welches im Hochdeutschen allemahl ein Daseyn oder
eine Handlung im Stande der Ruhe in der Mitte oder gleichsam in der
Mitte zweyer Dinge bezeichnet. Dessau liegt zwischen Magdeburg und
Berlin. Es ist ein Unterschied zwischen mir und dir. Hingegen sagt man
auch, es ist ein Unterschied unter weiß und schwarz. In den
Niederdeutschen Mundarten wird zwischen sehr häufig für unter
gebraucht, welches auch den aus Niederdeutschland gebürtigen
Hochdeutschen Schriftstellern anklebt. Unter kommt in dieser Bedeutung
mit dem Lat. inter genau überein, so wie beyde in derselben mit in
verwandt sind. Viele unserer Wortforscher haben diese Bedeutung
getadelt. Wachter sagt, das ganze Alterthum habe sie nicht gekannt,
und wir könnten sie auch jetzt füglich entbehren. Ihre behauptet, das
Schwedische in gleicher Bedeutung übliche under sey von unwissenden
Dolmetschern nach dem Lateinischen inter gemodelt; und Stosch setzt
noch hinzu, daß dieser Gebrauch oft Mißdeutung verursache. Allein, es
läßt sich doch noch manches zur Vertheidigung derselben anbringen.
Wahr ist es, daß unter in dieser eigentlichen Bedeutung bey alten
Oberdeutschen Schriftstellern noch nicht angetroffen worden; aber es
kommt doch in den folgenden figürlichen häufig genug vor, woraus denn
erhellet, daß auch diese eigentlichere ihnen nicht unbekannt gewesen
seyn müsse, wenn sie gleich in den wenigen von ihnen noch vorhandenen
Überresten nicht angetroffen wird. Es ist also eine bloße Vermuthung,
daß unter nach dem Lateinischen inter gebildet sey, welche eben so
unwahrscheinlich ist, als wenn jemand behaupten wollte, in, aus, über
u. s. f. wären aus in, ex, super, entlehnet. Unter scheinet in dieser
Bedeutung vielmehr ein von dem vorigen ganz verschiedenes Wort zu
seyn, und zu und und mit demselben auch zu in zu gehören, in welchen
der Begriff der Verbindung der herrschende ist, der auch hier der
Stammbegriff zu seyn scheinet. Die von Stosch vorgegebene Viel-
deutigkeit wird sich sehr verlieren, wenn man nur auf den Zusammenhang
achtet. Es war mit Seide gestickt und Gold darunter, wird sich alsdann
gewiß nicht so verstehen lassen, daß das Gold unter der Seide gelegen
habe, und von derselben bedeckt gewesen. In der R. A. aber; er ist
weit unter ihm, und er gehört unter die großen Gelehrten, erhellet der
Unterschied der Bedeutung schon aus der verschiedenen Endung.
Allenfalls würde unter diese Vieldeutigkeit mit allen übrigen
Vorwörtern gemein haben, deren jedesmahlige Bedeutung unter so vielen
in den meisten Fällen aus der Verbindung des Ganzen ersehen werden
muß. Es ist daher gar nicht abzusehen, wie wir diese Partikel
entbehren könnten, da wir kein anderes Wort haben, diesen Begriff
auszudrücken; denn daß wir das Niedersächsische mank dafür annehmen
sollten, wird wohl im Ernste niemand anrathen, gesetzt es wäre auch
besser als jenes, wie doch unerweislich ist. Im Hochdeutschen ist es
schon darum verwerflich, weil es dieser Mundart fremd ist. bb)
Figürlich. (1) Den Umstand der Zeit, doch nur so fern angedeutet
werden soll, daß etwas erfolget, indem ein anderes Ding geschehen,
eine Coexistenz der Zeit nach, so wie in der vorigen Bedeutung eine
Coexistenz des Raumes, wenn man nur das Wort Coexistenz in beyden
Fällen nicht in dem weitesten Umfange seiner Bedeutung nimmt. Es
druckt in diesem Verstande eben den Begriff aus, welchen man sonst
auch durch über, während, und zuweilen auch durch bey und in zu
bezeichnen pflegt. Unter der Arbeit einschlafen, indem man arbeitet,
über der Arbeit, wo über nur noch den Nebenbegriff der Veranlassung
hat. Unter dem Tumulte nach Hause eilen. Unter dem Essen, unter dem
Lesen. Unter der Gemeine, 1 Cor. 14, 34; wofür man jetzt lieber sagen
würde, während der Versammlung. Unter der Stunde des Räucherns, Luc.
1, 11. Meine Haare sind unter Freuden grau geworden, Geßn. Durch diese
Denkungsart ist unter lauter Freuden mir das Haar verbleichet, Kleist.
Dieser große Gedanke muß deine Seele unter ihrem Grame mächtig
aufrichten, wo es aber auch eine Figur der ersten Hauptbedeutung seyn
kann. Sie ging unter Vergießung vieler Thränen nach Hause. Auch unter
schlauen Scherzen Bleibt doch die Liebe schön, Weiße. Unter der Zeit,
während derselben, indessen. Ehedem wurde es in dieser Bedeutung
häufig mit der zweyten Endung verbunden, und in manchen Mundarten und
Fällen ist solches noch üblich, doch nur ohne Artikel. Unter Essens,
im gemeinen Leben, für unter dem Essen. Unter Tages, bey Tage da es
noch Tag ist, im Gegensatze des unter Nachts, während der Nacht. Unter
Weges, auf dem Wege, welches auch unterweges, und im gemeinen Leben
unterwegens lautet, aber auch mit der dritten Endung üblich ist, unter
Wegen, oder unterwegen. Figürlich ist unter Weges lassen und bleiben,
im gemeinen Leben so viel als unterlassen und unterbleiben. Besonders
gehöret hierher unter dessen oder unterdessen, zusammen gezogen
unterdeß, welches als eine eigene Partikel von einem beträchtlichen
Umfange der Bedeutung ist, aber in der edlern Schreibart gern mit
indessen verwechselt wird. ( S. dieses Wort, wo bereits das
nothwendigste davon gesagt worden.) Unter Lichts hingegen, welches in
einigen gemeinen Mundarten für in der Dämmerung üblich ist, gehöret
nicht hierher, weil unter hier auf eine im Hochdeutschen ungewöhnliche
Art für zwischen stehet, gleichsam zwischen zwey Lichtern, wie man
auch im Niederdeutschen sagt. Diese Wortfügung ist alt, denn schon bey
dem Stryker kommt inder des er das sprach vor, Ottfried aber gebraucht
dafür
innan thes, indessen. Es erhellet hieraus zugleich, daß unter in
dieser zweyten Hauptbedeutung den Alten nicht so unbekannt war, als
Wachter glaubte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Genitiv nicht
so wohl von dem Vorworte, als vielmehr von einem ausgelassenen
Hauptworte, z. B. Zeit, u. s. f. herrühret. Im gemeinen Leben wird
unter in dieser Bedeutung gern mit dem gleich bedeutenden während
verbunden: unter währendem Gebethe, unter dem Gebethe, während des
Gebethes; welches aber ein Pleonasmus ist, welcher in der anständigen
Sprech- und Schreibart vermieden werden muß, wenn gleich auch Opitz
sagt: unter währendem Gespräche. (2) In engerm Verstande, in
Verbindung mit der vorigen Bedeutung der Herrschaft, der Gewalt, der
Regierung; während der Regierung eines Obern. Unter der Regierung
Kaiser Carl VI. Unter dem Kaiser Claudio, Apost. 11, 28. Unter Pontio
Pilato, 1 Tim. 6, 13. Unter ihm wirds wachsen, Zachar. 6, 12. Unter Heinrich VII. ward Nordamerika entdecket, während seiner Regierung.
Unter dem Bürgermeister Cajus. 3) Wenn dieses Nebenwort mit der
vierten Endung oder dem Accusativ verbunden wird, so bezeichnet es:
(a) Ein Verhältniß der Tiefe im Stande der Bewegung, in Beziehung auf
ein darüber befindliches Ding, im Gegensatze des über. aa) Eigentlich,
eine Bewegung in die Tiefe, oder bloß eine Bewegung in einen Raum in
Beziehung auf ein darüber befindliches Ding. Sich unter einen Baum
setzen. Etwas unter die Treppe werfen. Sich unter das Wasser tauchen.
Sich unter ein Faß verstecken, wo das Zeitwort gleichfalls die
Richtung der Bewegung mit andeutet. Das Licht unter einen Schäffel
setzen. Er machte zween güldne Rinken unter den Kranz, 2 Mos, 37, 27;
wo machen gleichfalls die Richtung der Bewegung mit ausdruckt, weil
sonst die dritte Endung stehen, müßte. Ich bin nicht werth, daß du
unter mein Dach gehest, Matth. 8, 8. Komme ich wieder zurück unter
mein ruhiges Dach, o, wie entzückt mich da deine holde Geschäftigkeit,
mich zu erquicken! Geßn. Es ist zu groß, es gehet nicht darunter.
Seide unter das Kleid füttern. Unter das Joch bringen. Sich unter den
Adel seines Wesens erniedrigen. Jemanden unter die Laube laden. Die
Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel. Sich unter jemandes
Herrschaft begeben. Ingleichen in den theils sprichwörtlichen theils
figürlichen Redensarten. Ein Land unter Wasser setzen, es
überschwemmen. Jemanden etwas unter die Hand, unter den Fuß geben, ihm
ins geheim Nachricht von etwas, einen Anschlag zu etwas geben. Ein
Gesetz unter die Füße treten, es mit vorsetzlicher Verachtung
übertreten. Unter Segel gehen, die Segel aufspannen und fortschiffen.
Jemanden unter die Augen sehen, ihm gerade in das Gesicht sehen.
Jemanden unter die Augen treten, kommen, in seine Gegenwart kommen.
Komme mir nie wieder unter die Augen! Jemanden Grobheiten unter die
Augen sagen, sie ihm ungescheut persönlich sagen. Jemanden etwas unter
die Nase reiben, in den niedrigen Sprecharten, es ihm vorrücken,
vorwerfen. Jemanden unter die Erde bringen, so wohl eigentlich, ihn
beerdigen, im gemeinen Leben, als auch figürlich Schuld an seinem Tode
seyn. Will er mich vor der Zeit unter die Erde bringen? Gell. Viele
Köpfe unter einen Hut bringen, sie eines Sinnes machen. bb) Figürlich,
eine Bewegung oder Handlung, so fern dadurch ein Ding der Gewalt eines
andern übergeben oder ausgesetzet wird; im Gegensatze des über. Der
Amtmann befahl
ihm unter seine Hand alle Gefangene, 1 Mos. 39, 12. Der Herr gab sie
unter die Hand der Midianiter, verkaufte sie unter die Hand Cusan u.
s. f. welche biblische R. A. mit dem Worte Hand für Gewalt
ungewöhnlich sind. Die Vernunft unter den Gehorsam Christi gefangen
nehmen, 2 Cor. 10, 5. Unter das Gesetz gethan, Gal. 4, 4. Etwas unter
seine Gewalt, unter das Joch bringen. (b) Eine Bewegung oder Handlung
nach der Mitte mehrerer Dinge, gleichsam ein Ding mit andern zu
vermengen; so wohl eigentlich als figürlich. Unter die Todten
gerechnet werden. Jemanden unter seine Freunde rechnen, zählen. Sich
unter die Tänzer einschleichen. Alles unter einander werfen, mischen
u. s. f. Er gehöret mit unter die wenigen Rechtschaffenen. Das gehöret
nicht darunter. Unter Mörder gerathen. Mitten unter das Volk gerathen.
Es reißen viele üble Gewohnheiten unter sie ein. Daß es nicht weiter
einreiße unter das Volk, Apost. 4, 17; wo doch mit dem Zeitworte
einreißen, die dritte Endung üblicher ist, weil die Handlung hier auch
im Stande der Ruhe betrachtet werden kann; es ist unter ihnen
eingerissen. Die Beute unter sich theilen. Was ist das unter so viele?
Den Überschuß unter die Armen austheilen. Den Sauerteig unter das
Mehl, Spreu unter das Getreide thun. Thue ein wenig Salz darunter. Die
Landmiliz unter die regulären Truppen stecken. Unter die Soldaten
gehen. Sprichw. Wer sich unter die Träber mengt, den fressen die
Schweine. Menge, mische es darunter. Etwas unter die Leute bringen, es
bekannt machen. Es kommt unter die Leute, im gemeinen Leben, es wird
bekannt. Jemanden etwas unter vier Augen sagen, im gemeinen Leben, es
ihm allein, ohne alle andere Zeugen sagen. Es gibt Belehrungen, die
nicht unter vier Augen gehören, Hermes. Wenn in einigen Fällen, deren
doch nur wenige sind, beyde Endungen, so wohl die dritte als vierte,
üblich sind, so rühret solches daher, weil die Handlung bald im Stande
der Ruhe, bald auch im Stande der Bewegung, betrachtet wird.
Fehlerhaft aber sind folgende Stellen: Das sind die Erbtheile, die
Eleasar, und Josua unter den Geschlechtern austheileten, für, unter
die Geschlechter. Ein kluger Knecht wird unter den Brüdern das Erbe
austheilen, Sprichw. 17, 2; wo der Dativ eine ganz falsche Bedeutung
veranlassen könnte. Sie begruben ihre Gebeine unter dem Baum, 2 Sam.
31, 13; wo der Dativ ungewöhnlich ist, ob gleich die Natur der Sache
denselben verstattet. Er ließ seinen Leichnam unter dem gemeinen Pöbel
begraben, Jer, 26, 23; für unter den. Dagegen stehet 2 Chron. 24, 16.
ganz richtig, sie begruben ihn unter die Könige. Unter den Kindern
Gottes kommen, Hiob 1, 6. Kap. 2, 1. Und so in andern Stellen mehr. 2.
Was die Zusammensetzung dieses Wortes mit andern Wörtern betrifft, so
lässet es sich zusammen setzen. 1) Mit Partikeln, wo das Vorwort bald
voran stehet, wie in den Oberdeutschen unterhin und unterher, für
hinunter und herunter, unterwärts, unterhalb, dem gleichfalls
Oberdeutschen untereinst für unterdessen; bald nachfolgt, wie in
darunter, hierunter, herunter, hinunter, worunter. Daß die Auflösung
der mit der relativen Partikeln da und wo zusammen gesetzten Vorwörter
oft ein Fehler wird; ist schon bey Da II. angemerkt worden. 2) Mit
Nennwörtern, wo so wohl Bey- als Hauptwörter diese Zusammensetzung
leiden. Zu den erstern gehören unterthänig, unterwürfig u. s. f.
welche doch größten Theils von Haupt- oder Zeitwörtern abgeleitet
sind; zu den letztern aber Unteracht, Unterblatt, Untergang,
Untergericht, Unterholz, Unterlaß, Unterhalt, Unterthan, Unterlippe,
Unterleib, Unterpfand,
Untertheil, nebst vielen andern. Diese Wörter bezeichnen theils ein
Ding, welches unter zweyen einer Art das untere ist, theils etwas,
welches der Gewalt, der Würde, dem Range nach einem andern nachstehet,
beydes im Gegensatze der mit ober- zusammen gesetzten Wörter gleicher
Art. In manchen ist die eigentliche Bedeutung des Vorwortes noch
dunkel, welches auch von vielen der mit dieser Partikel zusammen
gesetzten Zeitwörtern gilt; ob gleich manche deutlich genug nach den
mit inter zusammen gesetzten gleichbedeutenden Lateinischen Wörtern
gebildet zu seyn scheinen. 3) Mit Zeitwörtern, da denn dieses Vorwort
mit zu den wenigen gehöret, welche in der Zusammensetzung den Ton bald
behalten, bald auf das Zeitwort werfen. Diejenigen, in welchen der Ton
auf der Partikel bleibt, haben das gewöhnliche Augment ge, und im
Infinitiv tritt das zu zwischen das Vor- und das Zeitwort. Überhaupt
ist das Vorwort hier eine trennbare Partikel, welche in der
Conjugation hinter das Zeitwort tritt. Der Landmann ackert den Samen
unter. Die Sonne ist untergegangen. Es unter zu schieben. Die
Zeitwörter dieser Art sind bald Activa; wie unterackern,
unterarbeiten, unterbreiten, unterbringen, unteregen, unterfüttern,
unterlegen, unterpflügen, untersetzen, unterstecken, unterscharren,
unterschieben, unterstreuen. Bald Neutra, wie untergehen, unterkommen,
unterkriechen, unterliegen, untersinken, untertauchen. In andern liegt
der Ton auf dem Zeitworte. In diesen ist das Vorwort untrennbar, daher
es die ganze Conjugation vor demselben stehen bleibt. Das Augment
fällt in den vergangenen Zeiten weg, und im Infinitiv tritt das zu vor
die ganze Zusammensetzung. Wer unterhält ihn? Es ist noch nicht
unterschrieben. Seine Absichten zu unterstützen. Dahin gehören die
Activa: unterbauen, unterbinden, unterbrechen, unterdrücken,
unterfangen, unterfressen, untergeben, untergraben, unterhalten,
unterhandeln, unterjochen, unterlassen, unterminiren, unternehmen,
unterrichten, untersagen, unterscheiden, unterschlagen,
unterschreiben, untersiegeln, unterstreichen, unterstützen,
untersuchen, unterweisen, unterwerfen, unterwinden, unterzeichnen,
unterziehen. Ingleichen die Neutra, unterbleiben, unterreden, und das
Reciprocum sich unterstehen. In einigen ruhet der Ton nach dem
Unterschiede der Bedeutung bald auf dem Vor- bald aber auf dem
Zeitworte; welche denn auch auf beyderley Art conjugiret werden.
Unterstehen, das ist, unter ein Obdach treten, und sich unterstehen;
die Hand unterhalten, und jemanden unterhalten; einen Balken
unterziehen, und sich einer Sache unterziehen. Man siehet schon
hieraus, daß die Regeln hier nicht anzuwenden sind, nach welchen sich
die mit durch, um und über zusammen gesetzten Zeitwörter in den
meisten Fällen bestimmen lassen. Weder die active und neutrale Form,
noch die Bedeutung liefert etwas, welches zu einer Regel dienen
könnte; daher man es hier bloß aus dem Gebrauche ersehen muß, ob der
Ton auf der Partikel oder auf dem Zeitworte haftet.
Anm. 1. Im
gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart wird dieses Vorwort
gern mit den Artikeln, dem, den und das zusammen gezogen; unterm,
untern und unters für unter dem, unter den und unter das. Die
anständige und edle Schreibart vermeidet diese wie alle ähnliche
Zusammenziehungen.
Anm. 2. Diese Partikel lautet schon bey dem
Ulphilas undar, im Isidor, bey dem Kero, Willeram u. s. f. unda,
untar, unter, im Holländ. onder, im Nieders. Schwed. Isländ. Dän. und
Angels. under; im Wallisischen aber wrth. So wie in dessen
Gegensatze über allem Ansehen nach zwey verschiedene Bedeutungen
zusammen geflossen sind, die Bedeutung der Höhe und der horizontalen
Richtung, so finden auch bey diesem zwey Hauptbedeutungen Statt, die
der Tiefe in Beziehung auf ein oberes Ding, und die des örtlichen
Mitbefindens in der Mitte mehrerer Dinge, welche mit dem Begriffe der
Verbindung sehr genau zusammen hänget, so, daß unter in dieser
Bedeutung als ein naher Verwandter von und, in u. s. f. angesehen
werden muß, zumahl da die Endsylbe er eine bloße Ableitungssylbe ist.
Das Lat. inter ist nicht so wohl die Quelle, als vielmehr ein
gleichzeitiger Seitenverwandter des Deutschen, so wie in der ersten
Hauptbedeutung infra. Aus manchen der folgenden Zusammensetzungen
erhellet, daß dieses Wort ehedem noch manche jetzt unbekannte
Bedeutungen gehabt haben müsse.
Unterabtheilung (W3) [Adelung]
Die Unterabtheilung,
plur. die -en, die fernere Abtheilung eines bereits abgetheilten
Dinges; Lat. Subdiuisio.
Unteracht (W3) [Adelung]
Die Unteracht,
plur. car. ein größten Theils veraltetes Wort, diejenige Acht zu
bezeichnen, welche von einem Unterrichter verhänget wird, und sich nur
auf seinen Gerichtsbezirk erstrecket; zum Unterschiede von der
Oberacht.
Unterackern (W3) [Adelung]
Unterackern,
verb. reg. act. durch Ackern oder Pflügen unter die Erde bringen;
unterpflügen, in Thüringen unterähren. Den Dünger, den Samen
unterackern. Daher das Unterackern.
Unter-Admiral (W3) [Adelung]
Der Unter-Admiral,
des -es, plur. die -räle, S. Ober-Admiral.
Unteramt (W3) [Adelung]
Das Unteramt,
des -es, plur. die -ämter, ein einem andern Amte gleicher Art
untergeordnetes Amt. S. Oberamt.
Unterarbeiten (W3) [Adelung]
Unterarbeiten,
verb. reg. act. durch Arbeit, pflichtmäßige Anstrengung der Kräfte des
Leibes, unter ein anderes Ding bringen.
Unterarche (W3) [Adelung]
Die Unterarche,
plur. die -n, bey den Jägern, die untere Arche oder Leine an dem
Jagdzeuge, die Unterleine; zum Unterschiede von der Oberarche oder
Oberleine. S. Arche.
Unterartischocke (W3) [Adelung]
Die Unterartischocke,
plur. die -n, S. Erdapfel.
Unterbalken (W3) [Adelung]
Der Unterbalken,
des -s, plur. ut nom. sing. der untere Balken unter mehrern, im
Gegensatze des Oberbalkens. In der Baukunst ist es der unterste Theil
des Hauptgesimses, welches einen Balken vorstellet, der auf den Säulen
liegt. Lat. Epistylium, Ital. und Franz. l'Architrave; daher auch wohl
im Deutschen der Architrab.
Unterbank (W3) [Adelung]
Die Unterbank,
plur. die -bänke, die unterste Bank unter mehrern. Ingleichen
figürlich in verschiedenen Versammlungen, der Ort, wo die Glieder
geringerer Art sitzen, da denn diese Glieder geringerer Art auch wohl
collective die Unterbank genannt werden. Alles im Gegensatze der
Oberbank.
Unterbau (W3) [Adelung]
Der Unterbau,
des -es, plur. inus. der Bau unter der Erde, so fern derselbe die
Legung des Grundes zu einem Gebäude betrifft, und auch der Grundbau
genannt wird; im Gegensatze des Oberbaues.
Unterbauch (W3) [Adelung]
Der Unterbauch,
des -es, plur. die -bäuche, der untere Theil des Bauches; im
Gegensatze des Oberbauches.
Unterbauen (W3) [Adelung]
Unterbauen,
verb. reg. act. ein Gebäude oder einen Theil desselben, durch einen
darunter aufgeführten Bau unterstützen. Einen Acker neu unterbauen.
Daher die Unterbauung. Der Gegensatz könnte überbauen seyn.
Unterbereiter (W3) [Adelung]
Der Unterbereiter,
des -s, plur. ut nom. sing. der unterste Bereiter unter zweyen, im
Gegensatze des Oberbereiters.
Unterbergmeister (W3) [Adelung]
Der Unterbergmeister,
des -s, plur. ut nom. sing. ein dem Oberbergmeister untergeordneter
Bergmeister.
Unterbett (W3) [Adelung]
Das Unterbett,
des -es, plur. die -en, dasjenige große Stück Bett, welches unter dem
Körper lieget; zum Unterschiede von dem Deck- oder Oberbette.
Unterbeute (W3) [Adelung]
Die Unterbeute,
plur. die -n, in der Bienenzucht die unterste Hälfte einer Beute oder
eines hölzernen Bienenstockes; zum Unterschiede von der Oberbeute.
Unterbinden (W3) [Adelung]
Unterbinden,
verb. irreg. act. ( S. Binden.) 1. Unterbinden, ich binde unter, unter
gebunden, unterzubinden; unter ein anderes Ding binden, mit dessen
Verschweigung. Ein Tuch unterbinden. Daher das Unterbinden. 2)
Unterbinden, ich unterbinde, unterbunden, zu unterbinden; ein Band an
den untern Theil eines Dinges legen, mit dem Accusativ dieses Dinges.
Die Nabelschnur unterbinden. Daher die Unterbindung.
Unterblatt (W3) [Adelung]
Das Unterblatt,
des -es, plur. die -blätter, Diminut. das -blättchen, das unterste
Blatt unter zweyen, im Gegensatze des Oberblattes. Bey einigen wird
auch die unter den durchsichtigen Steinen zur Ertheilung der Farbe
oder Erhöhung ihres Glanzes gelegte Folie das Unterblättchen genannt.
Unterbleiben (W3) [Adelung]
Unterbleiben,
verb. irreg. neutr. ( S. Bleiben,) welches das Hülfswort seyn
erfordert; ich unterbleibe, unterblieben, zu unterbleiben; ungeschehen
bleiben, gleichsam unter Weges bleiben, woraus es zusammen gezogen zu
seyn scheinet. Das hätte unterbleiben können. Die Sache ist
unterblieben. Daher das Unterbleiben, zuweilen auch die Unterbleibung.
Unter-Bonnette (W3) [Adelung]
Die Unter-Bonnette,
plur. die -n, in der Schifffahrt, Bonnetten oder Beysegel, welche mit
Maschen an die untern Segel angehänget werden.
Unterbornmeister (W3) [Adelung]
Der Unterbornmeister,
des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Oberbornmeister.
Unterbrechen (W3) [Adelung]
Unterbrechen,
verb. irreg. act. ( S. Brechen;) ich unterbreche, unterbrochen, zu
unterbrechen; die Fortdauer eines Dinges auf eine gewisse Zeit
hindern. Eine Bewegung unterbrechen. Jemanden in der Arbeit
unterbrechen. Ein Geschäft unterbrechen. Am häufigsten von der Rede
und deren Fortsetzung. Ein Gespräch unterbrechen. Jemanden
unterbrechen, ihn nicht ausreden lassen, anfangen, ehe er zu reden
aufgehöret hat. Daher die Unterbrechung. In dieser letzten Bedeutung
schon bey Winsbecken unterbrechen. Es scheint nach den Latein.
interrumpere und interfringere gebildet zu seyn; wenigstens ist in
beyden die Figur gleich dunkel.
Unterbreiten (W3) [Adelung]
Unterbreiten,
verb. reg. act. ich breite unter, untergebreitet, unter zu breiten,
unter ein anderes Ding breiten. Jemanden ein Tuch unterbreiten.
Unterbringen (W3) [Adelung]
Unterbringen,
verb. irreg. act. ( S. Bringen.) 1. * Unterbringen; ich unterbringe,
unterbracht; zu unterbringen; unter das Joch bringen, unter sich
bringen, eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Das Land ist
unterbracht, 1 Chron. 23, 18. So auch die Unterbringung. 2.
Unterbringen; ich bringe unter, untergebracht, unter zu bringen. 1)
Eigentlich unter ein Obdach bringen, woraus es zusammen gezogen zu
seyn scheinet. So sagt ein Gastwirth, er könnte seine Gäste nicht alle
unterbringen, wenn er ihnen weder bey sich noch bey andern Quartier
verschaffen kann. Ein Pferd unterbringen, es nach angewandter Mühe in
einen Stall bringen. 2) In weiterer Bedeutung in vielen Fällen, auch
an einen sichern Ort bringen, besonders, wenn solches auf einige Zeit
geschiehet. Ein Capital unterbringen, es auf Interessen austhun,
gleichsam es an Mann bringen. Am häufigsten von Personen und in
Ansehung der Versorgung. Jemanden als einen Bedienten bey einem Herren
unterbringen. Seine Kinder gut unterbringen, es sey durch Heirath,
oder durch Versorgung anderer Art. So auch die Unterbringung.
Unterdessen (W3) [Adelung]
Unterdessen,
S. Unter und Indessen.
Unterdienstlich (W3) [Adelung]
+ Unterdienstlich,
adj. et adv. ein seltsames Wort, welches im hohen Grade dienstwillig,
zum Dienste bereit, bedeuten soll, und so wie das gleich bedeutende
unterdienstwillig nur noch in einigen gemeinen Schreibarten, besonders
in den Unterschriften der Briefe gebraucht wird. Unter soll hier
vermuthlich die Bedeutung verstärken, wie per in perofficiosus,
welches aber wider die Natur dieses Vorwortes ist.
Unterdrücken (W3) [Adelung]
Unterdrücken,
verb. reg. act. ich unterdrücke, unterdrückt, zu unterdrücken. 1) Die
Entstehung, den Ausbruch, die Fortdauer einer Sache mit Gewalt
hindern; am häufigsten mit dem Nebenbegriffe, daß diese Hinderung ins
geheim, oder doch ohne großes Geräusch geschehe. Das Unkraut
unterdrücken. Eine Feuersbrunst unterdrücken. Man sprach öffentlich
davon, allein es wurde bald unterdrückt. Seinen Verdruß unterdrücken.
Einen Gedanken, einen Argwohn bey sich unterdrücken. Das Gewissen
unterdrücken, dessen Gebrauch und Wirkungen hindern. 2) In engerm
Verstande unterdrückt man andere, wenn man geringere Personen an der
Erlangung dessen, was sie nach Recht und Billigkeit fordern können,
hindert. Die Armen, die Fremdlinge, den Elenden unterdrücken, in der
Deutschen Bibel. Wir werden untergedrückt, (richtiger unterdrückt,)
aber wir kommen nicht um, 2 Cor. 4, 9.
Anm. In der letzten Bedeutung
mit einem andern Vorworte firdrucchen, verdrücken. Unterdrücken, mit
dem Tone auf dem Vorworte kommt noch zuweilen im eigentlichsten
Verstande vor.
Unterdrücker (W3) [Adelung]
Der Unterdrücker,
des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher geringere Personen
unterdrückt, in der letzten Bedeutung des Zeitwortes; doch auch hier
nur zuweilen in der dichterischen Schreibart.
Unterdrückung (W3) [Adelung]
Die Unterdrückung,
plur. inus. die Handlung des Unterdrückens; in beyden Bedeutungen des
Zeitwortes und ohne Plural. Bey dem Notker Firdruccheda.
Untere (W3) [Adelung]
Der, die, das Untere,
S. 1. Unter.
Unteregen (W3) [Adelung]
Unteregen,
verb. reg. act. ich ege unter, untergeegt, unter zu egen, unter die
Erde egen. Den Samen unteregen. Daher das Unteregen.
Untereinander (W3) [Adelung]
Untereinander,
besser unter einander, S. Einander und Unter.
Untereinst (W3) [Adelung]
* Untereinst, Untereinsten, Untereinstens,
ein nur im Oberdeutschen für unterdessen oder in dessen übliches Wort,
welches im Hochdeutschen unbekannt ist. S. Einst und Indessen.
Unterenke (W3) [Adelung]
Der Unterenke,
S. Enke.
Unterfahren (W3) [Adelung]
Unterfahren,
verb. irreg. act. ( S. Fahren;) ich unterfahre, unterfahren, zu
unterfahren. Es ist nur im Bergbaue üblich, wo die Erze unterfahren
werden, wenn man mit den Stollörtern bis unter die Erze kommt. So auch
die Unterfahrung.
Unterfangen (W3) [Adelung]
Unterfangen,
verb. irreg. ( S. Fangen,) welches ein Reciprocum ist, ich unterfange
mich, habe mich unterfangen, mich zu unterfangen, und die zweyte
Endung der Sache erfordert. 1) * Im weitesten Verstande wie
unternehmen, etwas zu bewerkstelligen anfangen; eine im Hochdeutschen
veraltete Bedeutung. 2) Im engern Verstande, etwas Schweres, etwas
Wichtiges unternehmen oder anfangen. Sich eines großen Baues
unterfangen. Sich unterfangen, etwas auszuführen. Auch diese Bedeutung
kommt selten mehr vor, indem diesem Worte am häufigsten, 3) in der
engsten Bedeutung der Nebenbegriff eines verwegenen oder verbothenen
Unternehmens anklebt; wie unterstehen. Wer hieß es dir, dich solcher
Dinge zu unterfangen? Daher das Unterfangen, auch, doch ohne Plural,
von einer verwegenen oder verbothenen Handlung.
Anm. Schon bey dem
Ottfried untarfahen, der es aber auch für auffangen, intercipere,
gebraucht. Einige Oberdeutsche Gegenden sagen noch jetzt unterfahen.
Fahen und fangen bedeu- ten in dieser Zusammensetzung so viel wie
fassen, greifen, so daß unterfangen eigentlich bedeutet, unter etwas
greifen, es aufzuheben, wovon denn die heutige Bedeutung des Anfangens
die Figur ist. Eben diese Figur herrschet in unsern unternehmen,
unterstehen, unterwinden, in dem Lat. suscipere, in dem Engl.
ondertake, u. s. f. Hin und wieder gebraucht man es auch mit der
vierten Endung, besonders mit dem Relativo es; er hat es sich
unterfangen, für dessen.
Unterfaß (W3) [Adelung]
Das Unterfaß,
des -sses, plur. die -fässer, im Hüttenbaue, S. Oberfaß.
Unterfeldhauptmann (W3) [Adelung]
* Der Unterfeldhauptmann,
des -es, plur. die -männer, oder -leute, derjenige, welcher unter dem
Feldhauptmanne das Fußvolk bey einer Armee anführet; ein veraltetes
Wort, wofür in den neuern Zeiten das Französische General-Lieutenant
üblich geworden, so wie der Feldhauptmann jetzt General von der
Infanterie heißt.
Unterfeldherr (W3) [Adelung]
Der Unterfeldherr,
des -en, plur. die -en, derjenige, welcher unter dem Feldherren eine
Armee anführet; ein im Deutschen gleichfalls ungewöhnliches Wort. Nur
Pohlen und Litthauen hatten ehemahls ihre Großfeldherren, wovon ein
jeder seinen Unterfeldherren unter sich hatte. Die Gemahlinn eines
solchen wird alsdann im Deutschen die Unterfeldherrinn genannt.
Unterfeld-Marschall (W3) [Adelung]
Der Unterfeld-Marschall,
des -es, plur. die -schälle, derjenige, welcher dem Feld-Marschalle
bey einer Armee untergeordnet ist, und am häufigsten nach dem
Französischen Feld-Marschall-Lieutenant genannt wird.
Unterfläche (W3) [Adelung]
Die Unterfläche,
plur. die -n, die untere Fläche eines Dinges, welche unter dem Nahmen
der Grundfläche am bekanntesten ist; im Gegensatze der Oberfläche.
Unterfutter (W3) [Adelung]
Das Unterfutter,
des -s, plur. doch am häufigsten nur von mehrern Arten, ut nom. sing.
dasjenige, was unter einen Zeug, besonders unter ein Kleidungsstück
gefuttert, und auch nur das Futter schlechthin, im Oberdeutschen die
Doppelung, bey den Schneidern das Dobblier, von dem Franz. Doublure,
genannt wird. Es ist dem Niederdeutschen Avervoor, Oberfutter, d. i.
der Überzug eines Kleides, entgegen gesetzt; da wir aber dieses im
Hochdeutschen nicht kennen so könnten wir uns anstatt des Gegensatzes
auch gar wohl mit dem einfachern Futter behelfen, welches bey uns von
dem Oberzeuge nicht üblich ist.
Unterfuttern (W3) [Adelung]
Unterfuttern,
verb. reg. act. ich futtere unter, untergefuttert, unter zu futtern,
als ein Futter unter dem Oberzeug eines Kleidungsstückes setzen.
Untergang (W3) [Adelung]
Der Untergang,
des -es, plur. doch nur in der dritten Bedeutung, die -gänge. 1)
Eigentlich, die scheinbare Bewegung eines Himmelskörpers unter den
Horizont eines andern; der Niedergang, obgleich nicht so häufig; bey
den ältern Oberdeutschen Sedelgang. Der Untergang der Sonne. Vor, nach
Sonnen-Untergang. Der Untergang eines Sternes, dessen Verschwindung
unter dem Horizonte. Von der Himmelsgegend, wo die Sonne unter zu
gehen scheinet, ist es veraltet; indem Abend und West dafür üblicher
sind. 2) Figürlich ist der Untergang, das Aufhören des Daseyns eines
Dinges, ingleichen die Zerstörung der zweckmäßigen Ordnung der Theile
eines Dinges; Lat. Interitus. Der Untergang einer Stadt, so wohl die
Zerstörung derselben, als auch das Aufhören ihres Wohlstandes. Das
Reich ist seinem Untergange nahe. Die Handlung von dem Untergange
erretten. 3) In einigen Gegenden wird die von beeidigten Personen
unternommene Besichtigung der Feld- und Flurgränzen, welche an andern
Orten der Übergang, ingleichen der Umgang heißt, der Untergang
genannt. Einen Untergang halten, die Feld- und Flurgränzen
besichtigen. Da denn eine solche Besichtigung der Stadtfelder der
Oberuntergang, der Dorffelder aber der Un- tergang genannt wird, so
sehr auch das letztere das Ohr beleidiget. Die Bedeutung des Vorwortes
ist in diesem Falle dunkel. S. Untergehen.
Untergänger (W3) [Adelung]
Der Untergänger,
des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, eine beeidigte Person,
welche die Gränzen und Marksteine zu untergehen, und die darüber
entstandenen Streitigkeiten, nach Maßgebung derselben zu entscheiden
hat; an andern Orten der Übergänger, Umgänger, Siebner,
Marksteinsetzer, Landscheider, Gränzscheider u. s. f.
Untergänglich (W3) [Adelung]
Untergänglich,
adj. et adv. welches gleichfalls nur an einigen Orten üblich ist, in
dem Untergange der dritten Bedeutung gegründet. Ein untergänglicher
Schluß, ein Schluß, Ausspruch der Untergänger. Das untergängliche
Recht, das Recht Untergänge zu halten, Flur- und Marksteine zu setzen.
Untergebäude (W3) [Adelung]
Das Untergebäude,
des -s, plur. ut nom. sing. das untere Gebäude, oder der untere Theil
eines Gebäudes; im Gegensatze des Obergebäudes.
Untergeben (W3) [Adelung]
Untergeben,
verb. irreg. act. ( S. Geben;) ich untergehe, untergeben, zu
untergeben, unter etwas geben, am häufigsten im figürlichen Verstande,
der Zucht eines andern übertragen. Ein Kind einem Lehrer untergeben,
nicht allein zum Unterrichte, sondern auch zur Zucht, Bildung der
Sitten. Von der Herrschaft, sich einem Landesherren untergeben,
gebraucht man lieber, sich unter ihn begeben, oder noch besser andere
Ausdrücke, z. B. sich ihm unterwerfen. Daher die Untergebung und der
Untergebene, welcher dem Unterrichte und der Zucht, zuweilen auch der
Herrschaft eines andern untergeben ist; im Gegensatze des
Vorgesetzten. Das Zeitwort lautet schon bey dem Kero untarkeban.
Untergehen (W3) [Adelung]
Untergehen,
verb. irreg. ( S. Gehen.) 1. Untergehen; ich untergehe, untergangen,
zu untergehen; ein Activum, welches nur in einigen Gegenden üblich
ist. Das Feld, die Markung untergehen, sich besichtigen, um die Gränz-
und Marksteine und ihre Beschaffenheit in Augenschein zu nehmen;
welches an andern Orten begehen, umgehen und übergehen heißt. S.
Untergang und Untergänger. 2. Untergehen; ein Neutrum mit dem
Hülfsworte seyn; ich gehe unter, bin untergegangen, unter zu gehen,
unter etwas gehen, mit dessen Verschweigung. 1) Eigentlich, wo es nur
noch in einigen wenigen Fällen üblich ist. Die Sonne, der Mond gehen
unter, nähmlich unter den Horizont, wenn sie sich unter dem Horizonte
zu verbergen scheinen. Ein Stern gehet unter, in eben demselben
Verstande. Ein Schiff gehet unter, nähmlich unter das Wasser, wenn es
unter die Oberfläche des Wassers geräth und versinket. Bey dem
Apherdian kommt es noch in der im Hochdeutschen veralteten Bedeutung
des Schlafengehens vor, eigentlich unter das Deckbett gehen. 2)
Figürlich, aufhören, vernichtet, ingleichen der Ordnung seiner Theile
nach zerstöret werden; eine Figur von dem Untergehen eines Schiffes,
Lat. interire. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen, 1 Mos. 6,
17. Sollen wir denn gar untergehen? 4 Mos. 17, 13. Warum soll denn
unsers Vaters Nahme untergehen? Kap. 27, 4. Sie gehen unter und nehmen
ein Ende mit Schrecken, Ps. 73, 19. Alle Herrlichkeit Kedar soll
untergehen, Es. 20, 16, und so in andern Stellen mehr. Es fängt in
dieser Bedeutung an zu veralten, indem vergehen, vernichtet werden u.
s. f. und im gemeinen Leben zu Grunde gehen dafür üblicher sind. Doch
sagt man noch die Welt wird untergehen. Auch gebraucht man es noch in
der edlern Schreibart, wenn eine Anspielung auf die untergehende Sonne
Statt hat. S. auch Untergang.
Untergehörig (W3) [Adelung]
Untergehörig,
adj. et adv. welches nur in einigen Gegenden, besonders
Niederdeutschlandes, üblich ist. Im Schleswigischen sind die
Untergehörigen eine Art Bauern und Kothsassen, welche ihre Hufen oder
Kothe von einem Kloster festen, d. i. zu Lehen nehmen müssen, und
daher auch Festbauern, d. i. Lehensbauern, oder Lansten heißen, und
also von den Eigenhörigen und Leibeigenen noch sehr weit unterschieden
sind. Daher die Untergehörigkeit.
Untergericht (W3) [Adelung]
Das Untergericht,
des -es, plur. die -e, S. Obergericht.
Untergerinne (W3) [Adelung]
Das Untergerinne,
des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue ein an und unter dem
Schoßgerinne angelegtes oder fortgesetztes Gerinne, zum Unterschiede
von diesem Schoßgerinne.
Untergeschoß (W3) [Adelung]
Das Untergeschoß,
des -sses, plur. die -e, das untere Geschoß eines Gebäudes über der
Erde, das Bodengeschoß; zum Unterschiede, so wohl von dem
Obergeschosse, als auch von dem Kellergeschosse.
Untergespan (W3) [Adelung]
Der Untergespan,
in Ungarn, S. 2. Gespan.
Untergestell (W3) [Adelung]
Das Untergestell,
des -es, plur. die -e, der untere Theil eines Gestelles, zum
Unterschiede von dem Obergestelle. Das Untergestell an einer Kutsche,
der Theil zwischen den Rädern und dem Kasten.
Untergewehr (W3) [Adelung]
Das Untergewehr,
des -es, plur. die -e, bey den Soldaten ein Nahme des Pallasches oder
Seitengewehres; zum Unterschiede von dem Obergewehr. Mit Ober- und
Untergewehr, in völliger Kriegsrüstung.
Untergraben (W3) [Adelung]
Untergraben,
verb. reg. act. ich untergrabe, untergraben, zu untergraben, unter
etwas graben, besonders, um dessen Einsturz zu bewirken. Ein Haus,
einen Berg untergraben. Die Mauern sollen untergraben werden, Jer. 51,
58. Figürlich untergräbt man ein Gesetz, das Wohl des Staates,
jemandes Glückseligkeit u. s. f. wenn man insgeheim und nach und nach
an ihrer Zernichtung, an ihrem Umsturz arbeitet. So auch die
Untergrabung.
Unterhaar (W3) [Adelung]
Das Unterhaar,
des -es, plur. die -e, die untern Haare, auch als ein Collectivum, so
wohl im Singular allein, als im Plural allein. Bey den Perückenmachern
wird dasjenige Haar, welches die Gegend des Nackens bis gegen die
Ohren bedecket, das Unterhaar genannt.
Unterhaben (W3) [Adelung]
* Unterhaben,
verb. irreg. act. ( S. Haben,) ein ungewöhnliches aus der R. A. unter
den Händen haben zusammen gezogenes Zeitwort, von welchem man in
einigen Kanzelleyen nur das Mittelwort der gegenwärtigen Zeit hat, die
unterhabende Sache, d. i. die Sache, welche ich unter Händen habe; ein
unverzeihlicher Mißbrauch des Mittelwortes der gegenwärtigen Zeit,
wenn auch die Ellipse nicht zu hart und zu ungewöhnlich wäre.
Unterhalb (W3) [Adelung]
Unterhalb,
ein Nebenwort des Ortes auf der untern oder auch tiefer gelegenen
Halbe oder Seite, im Gegensatze des oberhalb. Es erfordert die zweyte
Endung des Nennwortes. Unterhalb der Stadt, der tiefern Lage der
Erdfläche nach. S. 1. Halb 2.
Unterhalt (W3) [Adelung]
Der Unterhalt,
des -es, plur. car. von dem Zeitworte unterhalten, doch nur in der
engern Bedeutung dieses Wortes. 1. Die Handlung des Unterhaltens,
wofür doch Unterhaltung üblicher ist. Jemandes Unterhalt über sich
nehmen. 2. In gewöhnlicherm Verstande, alles, was zur Erhaltung des
physischen Lebens, d. i. zur Nahrung und, in weitern Verstande, auch
zur Kleidung und Wohnung eines Thieres, und, in engerm und
gewöhnlicherm Verstande, eines Menschen gehöret. Für jemandes
Unterhalt sorgen. Jemanden den Unterhalt geben. Keinen Unterhalt
haben. Was zum Unterhalte dienet. Der tägliche Unterhalt. In einigen
Oberdeutschen Gegenden Aufenthalt, bey dem Kero Libleitom, im
Niederdeutschen Livesbargung, Livesbarje, von barjen, bergen,
erhalten.
Unterhalten (W3) [Adelung]
Unterhalten,
verb. irreg. act. ( S. Halten.) 1. unterhalten, ich halte unter,
untergehalten, unter zu halten; unter etwas halten, mit Verschweigung
dieses Etwas. Ein Gefäß unterhalten, unter das herab tröpfelnde
Wasser. Die Hände unterhalten, etwas herabfallendes aufzufangen. Daher
das Unterhalten. 2. Unterhalten, ich unterhalte, unterhalten, zu
unterhalten. (1) Eigentlich, unter etwas halten, oder ein Ding an der
untern Fläche halten, damit es nicht falle, mit der vierten Endung
dieses Dinges und Verschweigung des Werkzeuges. Aron und Hur
unterhielten die Hände Mosts, die er gen Himmel ausstreckte, 2 Mos.
17, 12. Indessen ist diese eigentliche Bedeutung im Hochdeutschen
größten Theils veraltet. (2) Figürlich. a) Die Fortdauer eines Dinges
oder einer Veränderung desselben erhalten, durch thätige Gewährung der
dazu nöthigen Hülfsmittel bewirken; wie das Lateinische sustinere.
Jemandes Leidenschaft, Liebe, Kühnheit, Haß u. s. f. unterhalten,
durch Gewährung der zu ihrer Fortdauer dienlichen Vorstellungen. Ein
Gebäude, ein Gut unterhalten, in gutem Stande erhalten. Der Garten
wird schlecht unterhalten. Ein Feuer unterhalten. Eine Bewegung, ein
Gespräch unterhalten. In engerm Verstande, die Fortdauer des
physischen Lebens durch Reichung der nöthigen Nahrung, und in weiterm
Verstande, auch der Kleidung und Wohnung bewirken. Viel Vieh
unterhalten, wofür doch das einfache halten üblicher ist. Besonders
von der Erhaltung des menschlichen Lebens. Jemanden unterhalten. Viele
Bedienten, eine Menge Truppen, eine Armee unterhalten, wo oft auch nur
halten allein üblich ist. Sich mit Betteln unterhalten. Sich
unterhalten lassen, im engsten Verstande, ein Soldat werden oder
freywillig seyn. b) Oft bedeutet auch die Zeit verkürzen, wo die Figur
freylich ein wenig dunkel ist. Jemanden unterhalten, ihm mit
Gesprächen die Zeit verkürzen. Ihn mit Musik, mit einem Spiele
unterhalten, die Zeit verkürzen. Sich von etwas unterhalten, zur
Verkürzung der Zeit davon sprechen. Da es denn zuweilen auch wohl für
unterreden überhaupt gebraucht wird. Sich mit jemanden unterhalten,
sich zur Verkürzung der Zeit mit ihm unterreden.
Unterhaltung (W3) [Adelung]
Die Unterhaltung,
plur. die -en, von dem vorigen Zeitworte unterhalten. 1. Die Handlung
des Unterhaltens, in allen Bedeutungen des Zeitwortes, außer der
ersten eigentlichen, welche gleichfalls veraltet ist; ohne Plural. Die
Unterhaltung einer Bewegung, eines Gartens, eines Menschen, vieler
Truppen u. s. f. Zur Unterhaltung mit jemanden sprechen, spielen u. s.
f. ihm die Zeit zu verkürzen. 2. Dasjenige, was zur Erhaltung des
physischen Lebens dienet, wofür noch der Unterhalt üblicher ist. Ihm
ward stets seine Unterhaltung gegeben, Jer. 52, 34. 3. Dasjenige, was
zur Verkürzung der Zeit, zur Vertreibung und Zerstreuung der langen
Weile dienet, wo der Plural von mehrern Arten am üblichsten ist. Das
Spiel, das Tanzen, die Musik sind unschädliche Unterhaltungen.
Besonders ein Gespräch zur Verkürzung der Zeit. Unsere Unterhaltung
betraf, wie gewöhnlich, das Wetter. Sich mit jemanden in eine
Unterhaltung einlassen.
Unterhandeln (W3) [Adelung]
Unterhandeln,
verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort
haben erfordert, streitige Absichten oder Forderungen durch
Vorstellungen zu vergleichen suchen, wofür oft nur das einfachere
handeln gebraucht wird. Mit jemanden unterhandeln, als ein Neutrum, so
wohl wegen eines noch streitigen Preises, (im gemeinen Leben handeln,)
als auch wegen der Sache eines dritten u. s. f. Einen Frieden
unterhandeln, durch gütliche Beylegung streitiger Forderungen den
Frieden herzustellen suchen. So auch einen Vergleich, einen
Waffenstillstand, eine Heirath u. s. f. unterhandeln.
Anm. Das Wort
scheinet mit seinen abgeleiteten eine neue Zusammensetzung zu seyn, wo
das Vorwort unter die Handlung oder Verhandlung unter mehrern zu
bezeichnen scheinet.
Unterhändler (W3) [Adelung]
Der Unterhändler,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Unterhändlerinn, eine Person,
welche streitige Absichten oder Forderungen unter zwey oder mehrern
Personen zu vergleichen oder zu vermitteln sucht. Der Unterhändler bey
einem Kaufe, bey einer Heirath, bey einem Vergleiche u. s. f. Etwas
durch Unterhändler verrichten. Christus der Unterhändler des
menschlichen Geschlechtes bey Gott; in der Deutschen Bibel der
Mittler, welches außer diesem Falle veraltet ist. Ein solcher
Unterhändler wird im gemeinen Leben eine Mittelsperson, in der edlern
Schreibart aber zuweilen ein Vermittler genannt. In manchen Fällen
bekommt er eigene Nahmen. Diejenige Macht, welche einen Frieden
zwischen zwey Krieg führenden Theilen zu unterhandeln sucht, heißt die
vermittelnde Macht, selten der Vermittler, häufiger mit einem
Französischen Ausdrucke Mediateur; der Unterhändler der Kaufleute in
Handels- und Wechselgeschäften, der Mäkler oder Sensal; der
Unterhändler einer unerlaubten Liebe, der Kuppler u. s. f. Die
Niedersachsen gebrauchen für Unterhändler nur das einfache Händler. In
einigen Gegenden wird ein Handelsmann geringer Art, z. B. ein
Kornhändler, Weinhändler u. s. f. ein Unterhändler genannt, wo aber
unter ein Ding geringern Ranges andeutet. S. Unterkäufler.
Unterhandlung (W3) [Adelung]
Die Unterhandlung,
plur. die -en, die Bemühung, streitige Absichten und Forderungen
gütlich zu vergleichen, es geschehe nun für sich, oder zwischen zwey
streitigen Theilen. Unterhandlung pflegen, unterhandeln. Sich in
Unterhandlung oder Unterhandlungen über etwas einlassen. Die
Unterhandlungen abbrechen. Die Unterhandlungen haben sich zerschlagen.
Friedensunterhandlungen, oder kürzer, Friedenshandlungen, die
Unterhandlungen zu Bewirkung eines Friedens.
Unterhauen (W3) [Adelung]
Unterhauen,
verb. irreg. act. ( S. Hauen;) ich unterhaue, unterhauen, zu
unterhauen, den untern Theil von etwas weghauen; ein nur im Bergbaue
übliches Wort, das Erz unten weghauen, so daß das Gebirge oben
überhängt. Unterhauene Wände.
Unterhauptmann (W3) [Adelung]
Der Unterhauptmann,
des -s, plur. die -männer, oder -leute, der zweyte Hauptmann dem Range
nach, welcher dem Oberhauptmann untergeordnet ist. Paulus rief zu sich
einen von den Unterhauptleuten, Apost. 23, 17. Bey unserm heutigen
Kriegswesen ist das Wort völlig veraltet, indem das Franz. Lieutenant
dafür allgemein geworden ist.
Unterhaus (W3) [Adelung]
Das Unterhaus,
des -es, plur. die -häuser. 1. Der untere Theil eines Hauses,
ingleichen, ein tiefer oder niedriger gelegenes Haus; beydes nur
selten, und im Gegensatze des Oberhauses. 2. In dem Parlamente in
England ist es die Versammlung der Gemeinen, und der Ort, wo sie sich
versammeln, das Haus der Gemeinen, das Unter-Parlament; gleichfalls im
Gegensatze des Oberhauses.
Unterhefen (W3) [Adelung]
Die Unterhefen,
sing. inus. diejenigen Hefen, welche sich während der Gährung des
Bieres auf den Boden setzen, und auch Stellhefen heißen; zum
Unterschiede von den Oberhefen oder Spundhefen, welche es oben
ausstößt.
Unterheimbürge (W3) [Adelung]
Der Unterheimbürge,
des -n, plur. die -n, der zweyte Heimbürge dem Range nach, welcher dem
Oberheimbürgen untergeordnet ist. S. Heimbürge.
Unterhemd (W3) [Adelung]
Das Unterhemd,
des -es, plur. die -en, im gemeinen Leben, die -er, dasjenige Hemd,
welches unter den übrigen Kleidungsstücken unmittelbar auf dem Körper
getragen wird, zum Unterschiede von dem Oberhemde. Im Nieders.
Nedderhemd.
Unterherd (W3) [Adelung]
Der Unterherd,
des -es, plur. die -e, der niedriger gelegene Herd, ingleichen der
untere Theil eines Herdes; beydes nur selten, und alsdann im
Gegensatze des Oberherdes. In einigen Niedersächsischen Gegenden
führet eine Bank neben dem Herde in den Bauerhäusern diesen Nahmen.
Unterherrschaft (W3) [Adelung]
Die Unterherrschaft,
plur. die -en. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, die
untergeordnete Herrschaft, oder Gewalt zu gebiethen und zu verbiethen;
im Gegensatze der Oberherrschaft und Landesherrschaft. 2. Eine Person,
welche mit einer solchen einem Höhern untergeordneten Herrschaft
bekleidet ist. 3. Von Herrschaft, ein mit diesem Titel begabter
Landesbezirk, zuweilen der untere Theil einer solchen Herrschaft, der
doch richtiger die untere Herrschaft genannt wird, zum Unterschiede
von der obern.
Unterhin (W3) [Adelung]
* Unterhin,
ein im Hochdeutschen veraltetes Nebenwort des Ortes für hinunter,
welches unter andern mehrmahls bey dem Opitz vorkommt. In den Keller
unterhin Will er mich zum Weine führen.
Unterhof (W3) [Adelung]
Der Unterhof,
des -es, plur. die -höfe, der untere Theil eines Hofes, zum
Unterschiede von dem Oberhofe.
Unterhöhlen (W3) [Adelung]
Unterhöhlen,
verb. reg. act. ich unterhöhle, unterhöhlet, zu unterhöhlen, unten
aushöhlen. Die Kaninchen unterhöhlen die Wände.
Unterholz (W3) [Adelung]
Das Unterholz,
des -es, plur. die -hölzer. 1. Im Forstwesen, und ohne Plural, Holz,
d. i. holzartige Gewächse, welche zu keinen hohen Stämmen wachsen, wie
Stauden und Sträucher, im Gegensatze des Oberholzes. Es gibt in einem
Walde viel Unterholz, wenn er viele Sträucher und Büsche enthält. 2.
Das untere Stück Holz, oder der untere aus Holz verfertigte Theil
eines Dinges, in manchen einzelnen Fällen; auch im Gegensatze des
Oberholzes.
Unterholzgraf (W3) [Adelung]
Der Unterholzgraf,
S. Holzgraf.
Unterjagd (W3) [Adelung]
Die Unterjagd,
S. Niederjagd, welches gewöhnlicher ist.
Unterjochen (W3) [Adelung]
Unterjochen,
verb. reg. act. ich unterjoche, unterjocht, zu unterjochen, unter das
Joch bringen im figürlichen Verstande; Lat. sublugare. Ein Volk, eine
Stadt unterjochen. Die unterjochte Natur, Zimmerm. Und unterjochten
beyde das menschliche Geschlecht, Dusch. Daher die Unterjochung.
Unterirdisch (W3) [Adelung]
Unterirdisch,
adj. et adv. unter der Oberfläche der Erde befindlich; im Gegensatze
des überirdisch. Das unterirdische Reich, eine unbequeme Benennung des
Mineral-Reiches. Unterirdische Gänge, Gänge unter der Erde. Die
unterirdischen Götter, in der Mythologie der Alten, welche unter der
Erde herrschen. In der Geisterlehre des großen Haufens gibt es noch
jetzt dienstbare unterirdische Geister, welche von demselben die
Unterirdischen genannt werden.
Unterjunge (W3) [Adelung]
Der Unterjunge,
des -n, plur. die -n, in dem Hüttenbaue, Knaben, welche zu Auswaschung
der untern Planen bestimmt sind.
Unterkammer (W3) [Adelung]
Die Unterkammer,
plur. die -n, die untere Kammer in einem Hause, im Gegensatze der
Oberkammer.
Unterkämmerer (W3) [Adelung]
Der Unterkämmerer,
des -s, plur. ut nom. sing. der zweyte Kämmerer dem Range nach,
welcher dem Oberkämmerer untergeordnet ist. S. Kämmerer.
Unterkammerherr (W3) [Adelung]
Der Unterkammerherr,
des -en, plur. die -en, der zweyte Kammerherr, welcher den
Oberkammerherrn über sich hat.
Unterkanzler (W3) [Adelung]
Der Unterkanzler,
des -s, plur. ut nom. sing. der zweyte Kanzler dem Range nach, welcher
dem Großkanzler untergeordnet ist, und oft auch der Vice-Kanzler
genannt wird.
Unterkäufer,Unterkäufler (W3) [Adelung]
Der Unterkäufer, oder
Unterkäufler, des -s, plur. ut nom. sing. ein nicht aller Orten
bekanntes Wort. 1. Ein von der Obrigkeit bestellter Unterhändler in
Kauf- und Verkaufssachen der Handelsleute, welcher an den meisten
Orten ein Makler, Sensal u. s. f. genannt wird. Vermuthlich sagt
Haller in diesem Verstande. Ihr Unterkäufler falscher Ehre. 2. An
andern Orten werden Victualien-Händler und andere geringe Krämer und
Handelsleute, z. B. Kornhändler u. s. f. Unterkäufler, Unterhändler
genannt; wo unter etwas geringeres der Würde nach bezeichnet.
Unterkehle (W3) [Adelung]
Die Unterkehle,
plur. die -n, Diminut. das Unterkehlchen, der äußere fleischige Theil
unter dem Kinne, welcher auch wohl das Unterkinn, in den gemeinen
Sprecharten aber der Kader, Schnozel, die Wamme oder Wampe genannt
wird.
Unterkinn (W3) [Adelung]
Das Unterkinn,
des -es, plur. die -e, S. Unterkehle.
Unterkiefer (W3) [Adelung]
Der Unterkiefer,
des -s, plur. ut nom. sing. der untere Kiefer, im Gegensatze des
Oberkiefers.
Unterkleid (W3) [Adelung]
Das Unterkleid,
des -es, plur. die -er. 1. Ein Kleid oder Kleidungsstück, welches man
unter einen andern trägt; in welchem Verstande die Weste und das
Brusttuch Unterkleider sind, im Gegensatze des Rockes oder
Oberkleides. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung werden die
Hosen oder Beinkleider in der anständigen Sprechart auch die
Unterkleider genannt; wo es nur allein im Plural üblich ist.
Unterknecht (W3) [Adelung]
Der Unterknecht,
des -es, plur. die -e, S. Oberknecht und Kleinenke.
Unterkneter (W3) [Adelung]
Der Unterkneter,
des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Oberkneter.
Unterkoch (W3) [Adelung]
Der Unterkoch,
des -es, plur. die -köche, an den Höfen, ein Koch, welcher die
geringen Hof bedienten speiset; zum Unterschiede von dem Mundkoche und
Ritterkoche.
Unterkommen (W3) [Adelung]
Unterkommen,
verb. irreg. neutr. ( S. Kommen,) welches das Hülfswort seyn
erfordert; ich komme unter, bin untergekommen, unter zu kommen.
Eigentlich, unter ein Obdach kommen, am häufigsten in der
vertraulichen Sprechart. Ein Reisender kann nicht unterkommen, wenn er
keine Herberge finden kann. In weiterer Bedeutung auch seine
Versorgung finden, in einen Dienst kommen. Ein Bedienter kann nicht
unterkommen, wenn er keinen Dienst finden kann. Das Activum von beyden
ist unterbringen. Daher das Unterkommen.
Anm. Das Zeitwort
unterkommen, mit dem Tone auf dem Verbo, welches Ein Mahl in der
Deutschen Bibel für unterbrechen vorkommt, ist im Hochdeutschen völlig
veraltet. Lysias unterkam das, nähmlich, was die Juden wider Paullum
angebracht hatten, Apost. 24, 7.
Unterkönig (W3) [Adelung]
Der Unterkönig,
des -es, plur. die -e, ein vornehmer Beamter eines Königes, welcher in
einer Provinz dessen Person vorstellet, und dieselbe unter ihm in
seinem Nahmen regieret. Man pflegt das Französ. Vice-Roy zuweilen mit
diesem Worte zu geben; denn im Deutschen Reiche ist es als ein Nahme
einer Würde unbekannt, indem dafür die Ausdrücke Statthalter oder das
Franz. Gouverneur üblich sind; oder vielmehr, es sind im Deutschen
keine eigentliche Unterkönige üblich, welche die Person eines Königes
mit königlicher Pracht vorstellte.
Unterköthig (W3) [Adelung]
Unterköthig,
-er, -ste, adj. et adv. unter der Oberfläche mit Eiter versehen. Eine
Wunde, ein Geschwür heißen in diesem Verstande unterköthig. S. Koth
Anm. und Kothig.
Unterkriechen (W3) [Adelung]
Unterkriechen,
verb. irreg. neutr. ( S. Kriechen,) welches das Hülfswort seyn
erfordert; ich krieche unter, untergekrochen, unter zu kriechen; unter
etwas kriechen, mit dessen Verschweigung. Die Maus ist untergekrochen,
unter den Schrank u. s. f. Im Bergbaue kriecht man unter, wenn man mit
dem Baue unter der Erde den Anfang macht. Eben daselbst sagt man auch
von einem Gange, er krieche unter, wenn er unter ein Gestein in die
Tiefe sinkt. So auch das Unterkriechen.
Unterlade (W3) [Adelung]
Die Unterlade,
plur. die -n, bey den Tuchmachern, der untere Theil der Lade an dem
Weberstuhle, welcher aus dem schweren Anschlage bestehet.
Unterladung (W3) [Adelung]
Die Unterladung,
plur. die -en, die untere, in dem untersten Raume befindliche Ladung.
So pflegt man zuweilen den Ballast in den Schiffen mit diesem Worte zu
benennen. Siehe auch Unterlast.
Unterlage (W3) [Adelung]
Die Unterlage,
plur. die -n, dasjenige, was man unter ein anderes Ding zu legen
pflegt, damit es höher zu stehen oder zu liegen komme, besonders so
fern es keinen andern eigenen Nahmen hat. Die Unterlage unter dem
Fasse, ein Stück Holz unter demselben, damit es nicht unmittelbar auf
der feuchten Erde liege. Die Unterlage unter dem Hebebaum, damit er
nach einem spitzigern Winkel wirke, Griech. und Latein. Hypomochlium.
Im Hüttenbaue werden die dicken eisernen Platten auf dem Boden des
Pochtroges Unterlagen genannt. S. auch Unterleger.
Unterland (W3) [Adelung]
Das Unterland,
des -es, plur. die -länder, der untere, d. i. tiefer oder näher nach
dem Ausflusse der Flüsse und dem Meere zu gelegene Theil eines Landes,
welcher auch das Niederland genannt wird; im Gegensatze des
Oberlandes.
Unterländer (W3) [Adelung]
Der Unterländer,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Unterländerinn, eine Person,
welche aus einem Unterlande gebürtig ist; welche doch noch häufiger
ein Niederländer genannt zu werden pflegt.
Unterländisch (W3) [Adelung]
Unterländisch,
adj. et adv. aus einem Unterlande gebürtig, daher kommend, darin
gegründet; niederländisch.
Unterlaß (W3) [Adelung]
Der Unterlaß,
des -sses, plur. car. derjenige Zustand, da die Fortdauer einer
Handlung oder eines Zustandes unterbrochen wird; ein nur allein in der
vierten Endung mit dem Vorworte ohne übliches Wort. Ohne Unterlaß
arbeiten, ohne aufzuhören, unablässig. Ich gedenke euer ohne Unterlaß,
Röm. 1, 9. Die Schmerzen halten ohne Unterlaß an. In den meisten
übrigen Fällen, wo das Vorwort ohne nicht Statt findet, ist dafür
Unterlassung üblich. Schon bey dem Kero Untarlaz.
Unterlassen (W3) [Adelung]
Unterlassen,
verb. irreg. act. ( S. Lassen;) ich unterlasse, unterlassen, zu
unterlassen; etwas nicht thun, welches zu thun man einige Bestimmung
hatte; mit dem Infinitiv der Zeitwörter und dem Wörtchen zu. Warum
hast du unterlassen, mir Nachricht davon zu geben? Ich habe nicht
unterlassen wollen, ihnen zu schreiben. Ingleichen mit dem Infinitiv
als ein Hauptwort. Unterlasse das Trinken, das Spielen; wo im gemeinen
Leben oft das einfache lassen üblich ist. Sehr häufig auch mit dem
Reciproco es. Ich konnte es unmöglich unterlassen. Warum hast du es
unterlassen, mir Nachricht davon zu geben? Wir hatten beschlossen zu
verreisen; allein wir unterließen es. Von andern Hauptwörtern außer
den Infinitivis lassen sich gemeiniglich nur diejenigen mit
unterlassen ausdrucken, welche in dem Gegensatze mit thun ausgedrückt
werden können. So sagt man, seine Pflicht, seine Schuldigkeit, sein
Gebeth, eine Handlung, eine Sünde, ein Verbrechen unterlassen, weil
man sagt, seine Pflicht, seine Schuldigkeit u. s. f. thun. Einige
Fälle machen auch hier Ausnahmen; eine Gewohnheit, einen Gebrauch, das
Gebeth unterlassen, ob man gleich nicht gern mehr sagt, eine
Gewohnheit, einen Gebrauch, das Gebeth thun. Allein, Gottes Bund
unterlassen, 1 Mos. 17, 14; Gottes Wort unterlassen, Apost. 6, 2; eine
Gelegenheit, einen Tag unterlassen, für vorbey lassen u. s. f. sind zu
harte Ellipsen, als daß sie sich vertheidigen ließen.
Anm. Schon bey
dem Ottfried untarlazzen. Wachter hält es für ein elliptisches
Zeitwort, und erkläret es durch, unter andern unerheblichen Dingen,
bey Seite lassen. Allein, es kann auch eine bloß buchstäbliche
Übersetzung das Lat. intermittere seyn, von welcher Art mehrere mit
diesem Vorworte zusammen gesetzte Zeitwörter sind.
Unterlassung (W3) [Adelung]
Die Unterlassung,
plur. doch nur selten, die -en, der Zustand, da man etwas nicht thut,
welches zu thun man einige Bestimmung hat. Die Unterlassung des
Schreibens, einer Pflicht, des Gebethes u. s. f. Daher die
Unterlassungssünde, die strafbare Unterlassung einer befohlnen
Handlung, die Übertretung eines Forderungsgesetzes; im Gegensatze der
Begehungssünde, die Übertretung eines Verbothes.
Unterlast (W3) [Adelung]
Die Unterlast,
plur. inus. als ein Collectivum, den Ballast zu bezeichnen, S.
Unterladung und Oberlast.
Unterlauf (W3) [Adelung]
Der Unterlauf,
S. Unterverdeck.
Unterlaufen (W3) [Adelung]
Unterlaufen,
verb. irreg. act. et neutr. ( S. Laufen.) 1. unterlaufen, ich laufe
unter, bin untergelaufen, unter zu laufen; als ein Neutrum mit dem
Hülfsworte seyn; unter etwas laufen, mit dessen Verschweigung, in
welchem Verstande es doch nur selten gebraucht wird. In der
figürlichen R. A. mit unter laufen, sich mit unter andern Dingen
befinden, ingleichen, unter mehrern bessern Dingen eben derselben Art
unbemerkt bleiben, schreibt man es lieber getheilt, so daß unter nicht
so wohl das Vorwort, als vielmehr das Nebenwort, ist. 2. Unterlaufen,
ich unterlaufe, unterlaufen, zu unterlaufen, als ein Activum, unter
etwas laufen, mit dessen Meldung im Accusativ, wo es doch auch nur in
einigen bereits eingeführten Fällen üblich ist. (1) Jemanden den Degen
unterlaufen, unter den gezogenen Degen eines andern laufen oder
springen, und ihn dadurch wehrlos machen; eine schon lange übliche
Bedeutung. Sy wolten gleich geschlossen han, Da übereylt sie der
theuer Mann Vnnder lieff in alle ir wer (Gewehr), Theuerd. Kap. 87.
Die Jäger unterlaufen den Auerhahn, wenn sie in der Balz, indem er auf
dem Baume sitzet und schleifet (eine Art seiner Stimme), unvermerkt
unter ihn laufen oder springen, um ihm mit dem Schusse beyzukommen;
welches auch unterspringen, ingleichen abspringen genannt wird. (2)
Die Haut ist mit Blut unterlaufen, wenn sich ausgetretenes Geblüt
unter die Haut verbreitet hat. Die Striemen sind mit Blut unterlaufen.
Anm. Ehedem sagte man auch einen Streit unterlaufen, sich darein
legen, ihn schlichten; vermuthlich, als eine Figur der vorigen ersten
Bedeutung.
Unterläufer (W3) [Adelung]
Der Unterläufer,
des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Fällen übliches Wort.
1. Ein untergeordneter, einem andern nachgeordneter Läufer; in welchem
Verstande in dem Salzwerke zu Halle gewisse Knechte, welche im
Nothfalle anstatt der Gerenthner die Sohle in die Kothen laufen oder
tragen, Unterläufer genannt werden. Figürlich ist in einigen Gegenden,
besonders Niederdeutschlandes, ein Unterläufer derjenige, der sich
unbefugt einer fremden Handlung anmaßet, sich unbefugt unter andere
Handelsleute und in Handelssachen mischet, da denn auch wohl ein
Schleichhändler, ingleichen ein Schiff, welches verbothene Handlung
treibt, ein Unterläufer genannt wird. Es ist in dieser Bedeutung nach
dem Engl. interloper gebildet, welches in eben diesem Verstande üblich
ist, Franz. Interlope oder Entre- lope, von to interlope, sich
unbefugt in eine fremde Handlung mischen.
Unterleder (W3) [Adelung]
Das Unterleder,
des -s, plur. ut nom. sing. das untere Stück Leder im Gegensatze des
Oberleders.
Unterlefze (W3) [Adelung]
Die Unterlefze,
plur. die -n, im Oberdeutschen und zuweilen auch in der anständigen
Sprechart der Hochdeutschen die untere Lefze oder Lippe, im gemeinen
Leben die Unterlippe; zum Unterschiede von der Oberlefze oder
Oberlippe. An den Flöten ist es das kleinere niedergedrückte schräge
Feld unter dem Ausschnitte.
Unterlegen (W3) [Adelung]
Unterlegen,
verb. reg. act. 1. Unterlegen, ich lege unter, untergelegt, unter zu
legen; unter etwas legen, so wohl absolute mit Verschweigung dieses
Etwas. Der Schrank stehet nicht fest, man muß etwas unterlegen. Holz
unterlegen, nähmlich unter den Kessel. Etwas unterlegen oder darunter
legen, unter ein anderes Ding, damit es höher zu stehen komme. Einen
Text unterlegen, nähmlich unter die Noten, d. i. zu einer alten
Composition einen neuen Text verfertigen. Als auch mit Meldung dieses
Etwas in der dritten Endung. Einem Kranken ein Bett unterlegen, für,
ein Bett unter den Kranken legen. Dem Huhn Eyer zum Brüten unterlegen.
In einen andern Verstande sagt man, einem Pferde unterlegen, noch
häufiger aber, mit untergelegten Pferden reisen, mit in gewissen
Entfernungen in Bereitschaft gehaltenen frischen Pferden. Daher das
Unterlegen. 2. Unterlegen, ich unterlege, unterlegt, zu unterlegen;
unter etwas legen, mit Meldung dieses Etwas im Accusativ. Ein Stück
Zeuges, einen Theil der Kleidung unterlegen, bey den Schneidern, es
durch eine Unterlage verstärken. Die Schriften unterlegen, in den
Buchdruckereyen, Späne unter die niedrigen Schriften legen, damit sie
höher zu stehen kommen. So auch die Unterlegung, und zuweilen auch das
Unterliegen. Schon bey dem Kero unterleccen.
Unterleger (W3) [Adelung]
Der Unterleger,
des -s, plur. ut nom. sing. ein für Unterlage in einigen Fällen
übliches Wort. So wird in der Zimmermannskunst, ein kurzer Balken oder
Klotz, worüber die langen Legebaiken gelegt werden, ein Unterleger
genannt.
Unterlehensfall (W3) [Adelung]
Der Unterlehensfall,
des -es, plur. die -fälle, im Lehenswesen, ein Lehensfall, welcher
sich in der untern Hand ereignet, d. i. eine Veränderung des
Lehensmannes; im Gegensatze des Oberlehensfalles.
Unterlehrer (W3) [Adelung]
Der Unterlehrer,
des -s, plur. ut nom. sing. der untere, andern nachgeordnete Lehrer;
der Unterlehrmeister. Bey manchen Akademien der bildenden Künste ist
der Unterlehrer den Professoren und Mitgliedern nachgeordnet.
Unterleib (W3) [Adelung]
Der Unterleib,
des -es, plur. die -er, der untere Theil des Leibes von der Brusthöhle
an, ein anständiger Ausdruck für das niedrigere Bauch oder
Schmerbauch; im Gegensatze des Oberleibes.
Unterleine (W3) [Adelung]
Die Unterleine,
plur. die -n, im Jagdwesen, die untern Leinen an den Jagdtüchern und
Netzen, die Unterarchen; zum Unterschiede von den Oberleinen oder
Oberarchen.
Unterliegen (W3) [Adelung]
Unterliegen,
verb. irreg. neutr. ( S. Liegen,) welches das Hülfswort haben
erfordert. 1. Unterliegen, ich liege unter, unter gelegen, unter zu
liegen; unter einem andern Dinge liegen, noch mehr figürlich,
überwunden, unterdrückt werden, und zwar absolute, mit Verschweigung
der Person oder Sache, von welcher man überwunden worden. Er mußte
unterliegen, zog den Kürzern. Es ist ein Geschrey derer, die obliegen
und unterliegen, 2 Mos. 32, 18. Wenn ich unterliege, so hilft er mir,
Ps. 116, 6. Am häufigsten ist es in diesem Verstande im Infinitiv und
Conjunctiv, d. i. in solchen Fällen, wo das Vorwort vor dem Zeitworte
bleiben kann. Die Franzosen lagen bey Roßbach unter, beleidigt das
Ohr; die Franzosen mußten bey Roßbach unterliegen, klingt
erträglicher. Einige Schriftsteller formen, diesen Mißklang zu
vermeiden, dieses Zeitwort nach Art des folgenden, als wenn der Ton
auf dem liegen hafte; sie unterlagen, Klopst. welches aber in dem
absoluten Verstande ohne Dativ wider den Sprachgebrauch ist. 2.
Unterliegen; ich unterliege, habe unterlegen, unter zu liegen; in der
vorigen Bedeutung, nur daß hier die Person oder Sache, vor welcher man
gleichsam zu Boden liegt, d. i. von welcher man überwunden wird,
ausgedruckt wird, da sie denn in der dritten Endung stehen muß. Einem
unterliegen, von ihm bezwungen, unterdrückt werden. Dem Feinde
unterliegen. Er unterlag der Last der Betrübniß. Der Arglist und
Verstellung unterliegen müssen. Laßt eure Herzen nicht dem Unglück
unterliegen, Cron. Der König unterliegt in kurzem seinen Plagen,
Weiße. Schon bey dem Kero untarlicken, in dem alten Fragmente auf
Carln den Großen bey dem Schilter undergeligen, Lat. succumbere. Die
Oberdeutschen verbinden es allemahl mit dem Hülfsworte seyn, welches
auch manche Hochdeutsche nachahmen; er ist den Schmerzen unterlegen.
Unterlippe (W3) [Adelung]
Die Unterlippe,
S. Unterlefze.
Unter-Lieutenant (W3) [Adelung]
Der Unter-Lieutenant,
des -es, plur. die -s, bey einigen Truppen, der zweyte Lieutenant bey
einer Compagnie dem Range nach, zum Unterschiede von dem
Ober-Lieutenant. Bey andern Truppen sind dafür die völlig Französ.
Premier-Lieutenant und Second-Lieutenant üblich.
Untermann (W3) [Adelung]
Der Untermann,
des -es, plur. die -männer, oder -leute. 1. * Ein Lehensmann, Vasall,
ingleichen ein Client; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. 2.
Bey den Truppen ist der Untermann, derjenige, welcher einem andern in
Reihe und Gliedern zur linken Hand stehet, zum Unterschiede von dem
Obermann, der ihm zur rechten stehet.
Untermark (W3) [Adelung]
Die Untermark,
plur. die -en, 1. Der untere Theil eines unter dem Nahmen der Mark
bekannten Landesbezirkes. Ingleichen die untere Mark, d. i. Gränze;
beydes zum Unterschiede von der Obermark. 2. An den Halsgehängen ist
es, dem Frisch zu Folge, ein Zierath, welcher sich unter, d. i.
zwischen zwey andern Zierathen befindet.
Unter-Marschall (W3) [Adelung]
Der Unter-Marschall,
des -es, plur. die -schälle, der einem andern Marschalle der Würde
nach untergeordnete Marschall, der zweyte Marschall der Würde nach;
zum Unterschiede von dem Ober-Marschalle.
Untermaß (W3) [Adelung]
Das Untermaß,
des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in einigen Gegenden
für Einmaß, Fruchtschrumpf, u. s. f. das ist, dasjenige, was das
Getreide und andere Waaren durch Eintrocknen oder Einschrumpfen an dem
vorigen Maße verlieren.
Untermauern (W3) [Adelung]
Untermauern,
verb. reg. act. untermauere, untermauert, zu untermauern, an dem
untern Theile mit Mauerwerk versehen, mit dem Accusativ. Eine Wand
untermauern.
Untermeister (W3) [Adelung]
Der Untermeister,
S. Obermeister.
Untermengen (W3) [Adelung]
Untermengen,
verb. reg. act. im untermenge, untermengt, zu untermengen, unter ein
anderes Ding mengen. Das Mehl mit Kleye untermengen. Am häufigsten im
Mittelwort. Es ist untermengt, es ist Gutes und Schlechtes unter
einander. Siehe Untermischen.
Unterminiren (W3) [Adelung]
Unterminiren,
verb. reg. act. ich unterminire, unterminirt, zu unterminiren, den
untern Theil durch Miniren aushöhlen; untergraben. Die Mauern, ein
Festungswerk untermini- ren. Daher das Unterminiren, zuweilen auch die
Unterminirung.
Untermischen (W3) [Adelung]
Untermischen,
verb. reg. act. ich untermische, untermischt, zu untermischen, unter
ein anderes Ding mischen. Den Wein mit Wasser untermischen. Es ist
untermischt, auch wohl für untermengt, es ist nicht alles von einerley
Güte.
Unternähen (W3) [Adelung]
Unternähen,
verb. reg. act. unternähe, unternäht, zu unternähen; an dem untern
Theile benähen. Daher das Unternähen.
Unternaht (W3) [Adelung]
Die Unternaht,
plur. die -nähte, eine Art der Naht bey den Nähterinnen, zum
Unterschiede von der Obernaht. Beyde machen die überwendliche Naht
aus.
Unternehmen (W3) [Adelung]
Unternehmen,
verb. irreg. act. ( S. Nehmen.) Ich unternehme, unternommen, zu unternehmen, sich, etwas Wichtiges zu bewerkstelligen, anheischig
machen, etwas Schweres zu thun vornehmen, ingleichen dasselbe wirklich
anfangen, so wohl mit der vierten Endung der Sache, als auch mit dem
Infinitiv des Zeitwortes und dem Wörtchen zu. Einen Bau unternehmen.
Viel unternehmen und wenig ausführen. Ich unternehme es nicht, ihn
darin zu entschuldigen. Ein unternehmender Mann, in engerm Verstande,
welcher Neigung und Fertigkeit besitzt, schwere und wichtige Dinge zu
unternehmen. Daher das Unternehmen, auch von einer solchen
unternommenen Sache, wofür doch das folgende Unternehmung üblicher
ist.
Anm. Dieses Zeitwort scheinet nach dem Lat. suscipere gebildet zu
seyn, oder vielmehr, es liegt in beyden, so wie in dem Franz.
entreprendre, einerley Figur zum Grunde, welche das Angreifen eines
schweren Körpers an dem untern Theile ist, um ihn aufzuheben. Es kommt
darin mit sich unterwinden, unterfangen und unterstehen überein, nur
daß die beyden letzen am häufigsten von verwegenen und verbothenen
Dingen gebraucht werden, unternehmen aber die Vernunft oder
Rechtmäßigkeit unentschieden lässet. Übernehmen gründet sich auf eine
ähnliche Figur. Im Oberdeutschen wird es auch als ein Reciprocum mit
der zweyten Endung der Sache verbunden, sich eines Dinges unternehmen,
und alsdann oft mit dem Nebenbegriffe des Verwegenen oder Unerlaubten
für unterfangen oder unterstehen gebraucht.
Unternehmung (W3) [Adelung]
Die Unternehmung,
plur. die -en, von dem vorigen Zeitworte. 1. Die Handlung des
Unternehmens, ohne Plural. 2. Eine schwere oder wichtige Sache, zu
deren Bewerkstelligung man sich entschließt; das Unternehmen. Es
gelingen nicht alle Unternehmungen. Franz. Entreprise, im mittlern
Lat. Amprisia.
Unteroberste (W3) [Adelung]
Der Unteroberste,
des -n, plur. die -n, der zweyte Oberste bey einem Regimente, welcher
dem Obersten untergeordnet ist, wofür aber jetzt das halb Französische
Oberst-Lieutenant üblicher ist.
Unterobrigkeit (W3) [Adelung]
Die Unterobrigkeit,
plur. die -en, die einer höhern untergeordnete Obrigkeit, eine jede
Obrigkeit, so fern sie der höchsten Landesobrigkeit untergeordnet ist.
Unter-Officier (W3) [Adelung]
Der Unter-Officier,
des -s, plur. ut nom. sing. oft auch die -s, bey den Truppen, der
unterste oder niedrigste Befehlshaber, welcher zwischen den
Ober-Officieren, oder den Officieren im engsten Verstande, und den
Gemeinen in der Mitte stehet, und oft auch zu diesen gerechnet wird.
Unterordnen (W3) [Adelung]
Unterordnen,
verb. reg. act. ich ordne unter, untergeordnet, unter zu ordnen, unter
ein anderes Ding ordnen, d. i. in Ansehung der Gewalt und Würde einem
andern Dinge nachsetzen und demselben unterwerfen; Lat. subordinare.
Jemanden untergeordnete seyn. Die untergeordnete Obrigkeit, die
Unterobrigkeit, welche in Ansehung der Gewalt und Würde der höhern
nachstehet, von ihr abhänget. In der eigentlichen Bedeutung, unter ein
anderes Ding in Ordnung stellen, ist es nicht üblich.
Unterordnung (W3) [Adelung]
Die Unterordnung,
plur. die -en, eine Ordnung, welche in einer andern gegründet, und
derselben nachgesetzet ist, aus ihr hergeleitet wird, und die auf
solche Art geordneten Dinge einer Art. Ingleichen als ein Abstractum
für das fremde Subordination.
Unter-Parlement (W3) [Adelung]
Das Unter-Parlement,
des -es, plur. die -e, siehe Unterhaus.
Unterpfand (W3) [Adelung]
Das Unterpfand,
des -es, plur. die -pfänder, ein Pfand, so fern es einem andern zur
Sicherheit einer ihm schuldigen Verbindlichkeit gegeben wird. Jemanden
einen Ring zum Unterpfande geben. Ich setze meine Ehre zum
Unterpfande. Ein Gut zum Unterpfande verschreiben. Ehedem war es
gewöhnlich, Personen zum Unterpfande der Treue zu geben.
Anm. Im
Schwed. Underpant, im Angels. Undervedde, im mittlern Lat.
Subterwadium und Subpignus, alle nach dem Griech. - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image -, Hypothek. Da das einfache
Pfand bereits ein zur Sicherheit einer eingegangenen Verbindlichkeit
gegebenes Gut bedeutet, so könnte das verlängerte Unterpfand unnöthig
und überflüssig scheinen. Allein, es findet doch zwischen beyden noch
ein Unterschied Statt. Wolf, Haltaus und andere nennen ein zur
Sicherheit übergebenes bewegliches Gut ein Pfand, ein unbewegliches
aber, welches nur verschrieben oder mündlich eingesetzt wird, ein
Unterpfand; allein dieser Unterschied ist in dem Sprachgebrauche nicht
gegründet. Unterpfand ist vielmehr in weiterm Umfange der Bedeutung
üblich, als Pfand, indem es auch von Personen und unbeweglichen Dingen
gebraucht wird, von welchen Pfand nicht gewöhnlich ist. Überdieß ist
es edler als Pfand in den meisten Fällen, vermuthlich nur, weil es
durch den gemeinen Gebrauch noch nicht so sehr herab gewürdigt worden,
als dieses. Im 15ten Jahrhundert kommt dafür im Oberdeutschen auch
Fürphant vor.
Unterpfändlich (W3) [Adelung]
Unterpfändlich,
adj. et adv. als ein Unterpfand oder Pfand, von welchem letztern
Hauptworte kein Beywort üblich ist. Etwas unterpfändlich besitzen, als
ein Unterpfand.
Unterpflügen (W3) [Adelung]
Unterpflügen,
verb. reg. act. ich pflüge unter, untergepflügt, unter zu pflügen,
durch Pflügen unter die Erde bringen. Den Samen, den Dünger
unterpflügen. Daher das Unterpflügen. S. Unterackern.
Unterreden (W3) [Adelung]
Unterreden,
verb. reg. ich unterrede, unterredet, zu unterreden. 1. Als ein
Reciprocum, mit jemanden reden, sich wegen einer Sache mit ihm
besprechen. Sich mit jemanden unterreden. Sich von etwas unterreden.
Wir unterredeten uns verschiedene Stunden auf die angenehmste Art. Das
Zeitwort ist in dieser Bedeutung elliptisch, so daß das Vorwort, wie
in unterhalten, eine Handlung unter oder zwischen mehrern bezeichnet.
2. * Als ein Activum, eine Rede unterbrechen, darein oder dazwischen
reden; eine im Hochdeutschen unbekannte, nur im Oberdeutschen gangbare
Bedeutung. Es ist unterredet worden, durch die Rede eines andern
unterbrochen worden.
Unterredung (W3) [Adelung]
Die Unterredung,
plur. die -en, der Zustand, da man sich mit einem andern unterredet,
ohne Plural, und zuweilen auch das Gespräch selbst, mit demselben.
Sich mit jemanden in eine Unterredung einlassen. Unsere Unterredung
dauerte nicht lange, betraf auch nichts wichtiges. Die Unterredung
abbrechen. Die R. A. eine Unterredung halten, und mit jemanden
pflegen, kommen im Hochdeutschen aus dem Gebrauche; eine Unterredung
mit jemanden haben, veranstalten u. s. f. sind üblicher.
Unterricht (W3) [Adelung]
Der Unterricht,
des -es, plur. inus. die Handlung, da man einen andern unterrichtet,
und von ihm unterrichtet wird, wofür auch die Unterrichtung gebraucht
wird; ingleichen, die Kenntnisse und Begriffe, welche man einem andern
beybringet, selbst; als ein Collectivum. Jemanden Unterricht
ertheilen, ihm Unterricht geben, ihm Unterricht in einer Sprache, im
Tanzen im Reiten, in einer Wissenschaft ertheilen. In den Unterricht
gehen. Unterricht bey jemanden haben. Jemandes Unterricht genießen. Im
Oberdeutschen ist es weiblichen Geschlechtes, die Unterricht.
Unterrichten (W3) [Adelung]
Unterrichten,
verb. reg. act. ich unterrichte, unterrichtet, zu unterrichten. 1.
Einem andern Kenntnisse und Begriffe beybringen, welche er nicht hat.
Einen Knaben unterrichten. Jemanden in einer Wissenschaft, in der
Religion, im Reiten, im Tanzen, im Singen unterrichten. Jemanden
unterrichten, wie er sich in einer Sache verhalten soll. Aber mit
einem doppelten Accusativ, wie Nehem. 8, 13; daß er sie die Worte des
Gesetzes unterrichtete, für lehrete, ingleichen mit der zweyten Endung
der Sache, wie Luc. 1, 4; der Lehre, welcher du unterrichtet bist, ist
es im Hochdeutschen völlig ungewöhnlich. 2. Jemanden von etwas
unterrichten, ihm von einer geschehenen Sache Nachricht ertheilen,
damit er sein Betragen darnach bestimmen könne, in welchem Falle das
Hauptwort Unterricht nicht üblich ist. Unterrichten sie mich davon,
sagen sie mir, was und wie es geschehen ist. Ich bin davon noch nicht
unterrichtet.
Anm. Im Schwed. underrätta. Richten hat in dieser
Zusammensetzung noch die alte Bedeutung des Erzählens, in welcher es
ehedem rahhon lautete, Angels. reccan, Schwed. rätta, welche Bedeutung
auch noch in berichten und Nachricht herrschet. Unter scheinet auch
hier zu bezeichnen, daß die Sache unter mehrern Personen vorgehe, so
daß unterrichten ursprünglich mit unterreden gleich bedeutend gewesen
seyn muß, obgleich diese Bedeutung längst veraltet ist. Ehedem waren
anstatt dieses Wortes auch entrichten und berichten üblich. Siehe auch
Unterweisen.
Unterrichter (W3) [Adelung]
Der Unterrichter,
des -s, plur. ut nom. sing. der untere, einem höhern untergeordnete
Richter, im Gegensatze des Oberrichters.
Unterrichtung (W3) [Adelung]
Die Unterrichtung,
plur. inus. von dem Zeitworte unterrichten, die Handlung, da man
jemanden unterrichtet, wofür auch der Unterricht üblich ist. Einen
Knaben jemanden zur Unterrichtung übergeben.
Unterrinde (W3) [Adelung]
Die Unterrinde,
plur. die -n, die untere Rinde, im Gegensatze der Oberrinde.
Unterrock (W3) [Adelung]
Der Unterrock,
des -es, plur. die -röcke, ein Rock, welchen man unter einem oder
mehrern andern zu tragen pflegt. Es ist nur von der weiblichen
Kleidung üblich, denjenigen Rock zu bezeichnen, welcher unmittelbar
über dem Hemde getragen wird.
Unterrocken (W3) [Adelung]
Der Unterrocken,
des -s, plur. car. in der Landwirthschaft, die untern niedrigern Halme
des Rockens, zum Unterschiede von dem Haupthalme.
Untersagen (W3) [Adelung]
Untersagen,
verb. reg. act. ich untersage, untersagt, zu untersagen, welches mit
verbiethen gleich bedeutend ist. Einem etwas untersagen. Die Ausfuhre
des Getreides untersagen. Daher die Untersagung. Es scheinet nach dem
Lat. interdicere gebildet zu seyn. Wachter hingegen hält es für eine
Ellipse, und erkläret es unter Bedrohung der Strafe sagen oder
verbiethen; allein, dann müßte sagen auch verbiethen bedeutet haben,
welches doch unerweislich ist. Erträglicher ließe sich die Ellipse,
wenn hier anders eine Statt findet, so erklären: sagen, daß etwas
unterbleibe oder unterlassen werde.
Untersaß (W3) [Adelung]
Der Untersaß,
des -ssen, plur. die -ssen, ein nicht an allen Orten übliches Wort, so
wohl einen Unterthan überhaupt, als auch einen Vasallen oder
Lehensmann ins besondere zu bezeichnen. Die Untersassen aufbiethen, so
wohl die Vasallen, als auch die Unterthanen. Im Nieders. Undersate,
Schwed. Undersata, von Saß, Nieders. Sate, ein Einwohner. Ehedem hatte
man auch das Zeitwort untersitzen, einem andern unterworfen seyn,
welches noch in dem alten Gedichte auf den heil. Anno vorkommt, aber
im Hochdeutschen längst veraltet ist.
Unterschale (W3) [Adelung]
Die Unterschale,
plur. die -n, die untere Schale, zum Unterschiede von der Oberschale. Die Unter-Tasse wird oft nur im Diminutivo das Unterschälchen genannt.
Bey den Fleischern in Obersachsen ist das untere Stück Ziem, von der
Keule eines Rindes, auch im Gegensatze der Oberschale.
Unterscharren (W3) [Adelung]
Unterscharren,
verb. reg. act. ich scharre unter, untergescharrt, unter zu scharren,
unter ein anderes Ding scharren, mit dessen Verschweigung. So auch die
Unterscharrung.
Unterscheid (W3) [Adelung]
Der Unterscheid,
S. Unterschied.
Unterscheiden (W3) [Adelung]
Unterscheiden,
verb. irreg. act. et neutr. ( S. Scheiden,) welches im letztern Falle
das Hülfswort haben erfordert; ich unterscheide, unterschieden, zu
unterscheiden, zwey oder mehrere Dinge durch ein drittes absondern
oder scheiden. 1. Im eigentlichen Verstande, als ein dazwischen
kommender dritter Körper, zwey oder mehr Dinge oder Räume von einander
absondern. Die Mauer unterscheidet beyde Häuser. Die Gränze
unterscheidet beyde Felder. In dieser eigentlichen Bedeutung ist es im
Hochdeutschen veraltet, wo man dafür entweder das einfache scheiden,
oder absondern, trennen u. s. f. gebraucht. Doch hat das Hauptwort der
Unterschied diese eigentliche Bedeutung erhalten, welche auch noch in
dem zusammen gesetzten Unterscheidungszeichen Statt findet. 2.
Figürlich, ein Ding durch Ertheilung anderer Eigenschaften und
Bestimmungen von andern merklich machen, und diese anderen
Eigenschaften und Bestimmungen gewahr werden. (1) Ein Ding durch
Eintheilung anderer Eigenschaften und Bestimmungen, als ein eigenes
für sich bestehendes Ding bezeichnen und merklich machen; als ein
Activum. Die Weisheit des Herren hat die Tage so unterschieden, Sir.
33, 8. Gleich wie alle Menschen aus der Erde geschaffen sind, und doch
der Herr sie unterschieden hat, - und hat mancherley Weise unter ihnen
geordnet, V. 11. Der Mond muß die Monathe unterscheiden, Kap. 43, 6.
Auch in dieser Bedeutung fängt es an zu veralten, vermuthlich um die
Verwechselung mit der folgenden gangbaren Bedeutung zu vermeiden.
Häufiger gebraucht man es von denjenigen Eigenschaften und Umständen,
welche ein Ding als ein Wesen anderer Art bezeichnen. Beyde Ducaten
sind durch nichts als durch den schwächern Glanz des einen
unterschieden. Die Farbe unterscheidet beyde Körper hinlänglich. Auch
das Mittelwort unterschieden ist, so wie verschieden, als ein Bey- und
Nebenwort noch völlig in derselben im Gange. Zwey Dinge sind
unterschieden, wenn das eine etwas hat, welches das andere nicht hat.
Dieser Ducaten ist von jenem gar nicht unterschieden, ist in nichts
von ihm unterschieden, wenn alle sichtbare Umstände an beyden einerley
sind. Da es denn, so wie verschieden, oft auch in weiterer Bedeutung
für mehr gebraucht wird. Unterschiedene Ursachen haben mich gehindert,
mehrere, verschiedene. Es kamen unterschiedene Personen, mehrere,
einige. Obgleich die edlere Schreibart diese weitere Bedeutung gern
vermeidet. S. auch Unterschiedlich. (2) In engerm Verstande ist
unterscheiden, zwey oder mehrere Dinge, Umstände, Eigenschaften u. s.
f. als Dinge anderer Art erkennen, und dadurch von einander absondern,
einen Unterschied unter ihnen gewahr werden; wo es nur als ein Neutrum
mit dem Hülfsworte haben üblich ist. Man kann zwey Personen nicht von
einander unterscheiden, wenn man an keiner etwas gewahr wird, was an
der andern nicht anzutreffen wäre. Man unterscheidet die Dinge durch
klare Begriffe, welche man von ihnen hat. In der Dunkelheit kann man
nichts unterscheiden, nichts als für sich bestehend erkennen. Ein
einfacher Gegenstand, worin sich gar nichts unterscheiden lässet.
Durch oder vermittelst der Farbe unterscheidet man ein schwarzes Schaf
von einem weißen. In engerer Bedeutung unterscheidet man ein Ding von
dem andern, wenn man es nicht nur als verschieden von dem andern
erkennet, sondern auch als für sich bestehend, von dem andern
abgesondert betrachtet. Man muß in dem Könige den Menschen von dem
Monarchen, in dem Hausvater den Ehemann von dem Vater unterscheiden.
Nach einer andern Einschränkung bedeutet es auch den Unterschied unter
mehrern Dingen in Rücksicht auf ihre Güte, ingleichen in Rücksicht auf
sein Verhalten, zur Bestimmung seines Verhaltens bemerken. Damit, daß
er nicht unterscheidet den Leib des Herren, 1 Cor. 11, 29. Einem wird
gegeben, - Geister zu unterscheiden, Kap. 12, 10. Die Zeiten
unterscheiden. Wofür man doch jetzt lieber sagt, einen Unterschied
machen.
Anm. Bey dem Notker undirsceidon, bey dem Kero aber
kescheidan, gescheiden oder scheiden. Das Zeitwort scheinet elliptisch
zu seyn, und ein Scheiden oder Absondern unter oder zwischen mehrern
Dingen zu bezeichnen; Lat. discernere. S. Unterschied.
Unterscheidung (W3) [Adelung]
Die Unterscheidung,
plur. die -en, das Verbale des vorigen Wortes, welches die Handlung
des Unterscheidens bedeutet, aber wenig gebraucht wird. Man hat es
noch in einigen Zusammensetzungen; die Unterscheidungskraft, die Kraft
der Seele, so wohl den Unterschied unter den Dingen, als auch das
Mannigfaltige an einem und eben demselben Dinge zu bemerken, welche
mit der Beurtheilungskraft nahe verwandt ist. Das
Unterscheidungszeichen, in der Sprachkunst, Zeichen, wodurch die
Theile einer Rede von einander unterschieden, d. i. abgesondert
werden; wo aber Unterscheidung noch die größten Theils veraltete
Bedeutung der örtlichen Absonderung hat.
Unterschenk (W3) [Adelung]
Der Unterschenk,
des -en, plur. die -en, an den Höfen, der zweyte untere Schenk dem
Range nach, im Gegensatze des Oberschenken. S. Schenk.
Unterschenkel (W3) [Adelung]
Der Unterschenkel,
des -s, plur. ut nom. sing. der untere Theil des Schenkels zwischen
dem Knie und dem eigentlichen Fuße; im Gegensatze des Oberschenkels.
Unterschieben (W3) [Adelung]
Unterschieben,
verb. irreg. act. ( S. Schieben.) Ich schiebe unter, untergeschoben,
unter zu schieben. 1. Eigentlich, unter etwas schieben, mit
Verschweigung dieses Etwas, in welchem Verstande es doch wenig
gebraucht wird. Einen Wagen unterschieben, unter ein Obdach. 2.
Figürlich schiebt man etwas unter, wenn man etwas unechtes oder
solches unvermerkt an die Stelle des echten und wahren bringt oder
setzet, unter dem Scheine des wahren einschiebt. Ein falsches
Testament unterschieben, es heimlich an die Stelle des wahren legen.
Ein Kind unterschieben. Ein untergeschobenes Kind, untergeschobenes
Testament. Ingleichen mit der dritten Endung der Person. Jemandes
Worten einen falschen Verstand unterschieben, ihm eine irrige Meinung
unterschieben.
Anm. In einigen Gegenden beyschieben. Schieben
veranlasset den Begriff des Unvermerkten, der Heimlichkeit. Unter
scheinet hier entweder den Begriff der Richtung nach und unter mehrern
Dingen zu haben, gleichsam etwas unechtes unter das echte schieben,
oder auch die Art und Weise zu bezeichnen, unter dem Scheine des Guten
einschieben. In beyden Fällen ist der Ausdruck elliptisch. In dem Lat.
supponere, supposititius liegt eine ähnliche Figur zum Grunde.
Unterschied (W3) [Adelung]
Der Unterschied,
des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte unterscheiden. 1. Dasjenige,
wodurch etwas in zwey verschiedene Dinge unterschieden oder
abgesondert wird. (1) Im eigentlichsten Verstande, wo man dasjenige,
wodurch man einen Raum in zwey verschiedene Räume theilet, noch einen
Unterschied zu nennen pflegt. Daß euch der Vorhang ein Unterschied sey
zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten, 2 Mos. 26, 33. Es werde
eine Veste zwischen den Wassern, und die sey ein Unterschied zwischen
den Wassern, 1 Mos. 1, 6. Einen Unterschied in einem Stalle, in einem
Zimmer machen. Da man denn auch wohl einen auf solche Art abgetheilten
Raum einen Unterschied zu nennen pflegt. Es liegt in diesem
Unterschiede, in dieser Abtheilung des Schrankes. Aber von dem Raume,
welcher zwischen zwey Örtern befindlich ist, der Unterschied der
Örter, für Entfernung, ist es im Hochdeutschen veraltet. (2)
Figürlich, dasjenige, was da macht, daß ein Ding von anderer Art ist,
als ein anderes, wo doch diese andere Eigenschaft, dieser andere
Umstand allemahl nach Maßgebung des Zusammenhanges verstanden werden
muß, indem im eigentlichsten Verstande alle Dinge von einander
unterschieden sind. Es ist kein Unterschied unter ihnen, in Ansehung
des Umstandes, welchen man vor Augen hat, der Farbe, der Größe, der
Güte u. s. f. Der Unterschied des Standes, welchen der verschiedene
Stand macht. Allen Unterschied der Stände aufheben. Der ganze
Unterschied besteht darin. Zwischen dir und ihm ist darin kein
Unterschied. So ein großer Unterschied herrschet unter den Dingen! Der
Unterschied der Fähigkeiten, auch, und vielleicht noch bestimmter,
zwischen oder unter den Fähigkeiten. Das ist eben der Unterschied.
Aber, nicht Unterschied wissen, was recht und link ist, Jon. 4, 11,
für, rechts und links nicht zu unterscheiden wissen, ist ungewöhnlich.
In der Rechenkunst ist in der Subtraction und bey den Proportionen der
Unterschied, oder die Differenz, diejenige Zahl, aus welcher erhellet,
um wie viel Einheiten die eine größer ist als die andere. So ist 3 der
Unterschied zwischen 5 und 8. So angemessen der Plural in dieser
ganzen ersten Bedeutung der Sache selbst ist, entweder von mehrern
Arten, oder von mehrern Individuis, so selten kommt er doch vor. Mißt
ihm die Unterschiede der Wesenleiter ab, Dusch. 2. Derjenige Zustand
des Gemüthes, oder diejenige Handlung der Seele, da sie den
Unterschied zwischen zwey Dingen bemerket, von unterscheiden 2 (3),
und ohne Plural; wo es doch nur in der engern Bedeutung dieses
Zeitwortes üblich ist, die Bemerkung dieses Unterschiedes zur
Bestimmung seines Verhaltens zu bezeichnen, um einem von den beyden
Dingen den Vorzug zu geben, es nach Maßgebung des bemerkten
Unterschiedes zu behandeln. Die durch Gewohnheit haben geübte Sinne,
zum Unterschied des Guten und Bösen, Ebr. 5, 14. Alles ohne
Unterschied tadeln. Ohne Unterschied der Personen. Alle Gerüchte ohne
Unterschied für wahr annehmen. Mit Unterschied reden. In eben dieser
Bedeutung wird auch die R. A. einen Unterschied machen, gebraucht,
welche um deßwillen mit unterscheiden nicht gleich bedeutend ist.
Einen Unterschied machen, unter dem, was besohlen, und was bloß
erlaubt ist. Sie halten unter dem Heiligen und Unheiligen keinen
Unterschied, Ezech. 22, 26; wo doch einen Unterschied halten, für
machen, eben so ungewöhnlich ist, als haben, Sprichw. 5, 2: daß dein
Mund wisse Unterschied zu haben.
Anm. Schon im Isidor Undarscheit, bey
dem Notker Underskeit, in einigen gemeinen breiten Mundarten noch
jetzt Unterscheid, welche Form auch in der Deutschen Bibel häufig
vorkommt. Im Oberdeutschen ist es weiblichen Geschlechtes, die
Unterschied. Unterschied bedeutet eigentlich das, was zwey Dinge von
einander unterscheidet, Verschiedenheit aber theils den Zustand, da
mehrere Dinge unterschieden sind, theils auch dasjenige überhaupt, was
an einem Dinge von anderer Art ist, als an andern.
Unterschiedlich (W3) [Adelung]
Unterschiedlich,
adj. et adv. welches nur im Positiv üblich und von dem Mittelworte
unterschieden abgeleitet ist, auch so wie dieses nur im weitern
Verstande gebraucht wird, mehrere von einander unterschiedene Dinge zu
bezeichnen. Es gibt unterschiedliche Arten sich auszudrücken.
Unterschiedliche Stimmen, 1 Cor. 14, 5, mehrere, verschiedene.
Unterschiedliche Arten der Thiere. Wo es denn oft für die Beywörter
mehr und manch überhaupt gebraucht wird. Ich habe dir noch
unterschiedliches zu sagen, manches. Ingleichen im Nebenworte. Das
Brot wird unterschiedlich zubereitet, auf verschiedene Art. Es ist in
den gemeinen Sprecharten üblicher als in der edlern; verschieden ist
in den letztern gangbarer. Es ist, wie das gleichfalls gemeine
verschiedlich, mit Wegwerfung des -en von unterschieden gebildet,
welche Endsylbe mit dem t euphonico in noch rauhern Mundarten
beybehalten wird; Unterschiedlich und verschiedentlich. Im Nieders.
wird dafür underlegen gebraucht.
Unterschlächtig (W3) [Adelung]
Unterschlächtig,
S. Unterschlägig.
Unterschlag (W3) [Adelung]
Der Unterschlag,
des -es, plur. die -schläge. 1. Ein Unterschied im eigentlichen
physischen Verstande, d. i. die Abtheilung eines Raumes durch eine
Zwischenwand, oder etwas ähnliches; eine nur in einigen Gegenden
übliche Bedeutung. 2. Die Handlung des Unterschlagens in dem
figürlichen Verstande dieses Wortes; ohne Plural und auch nur in
einigen Gegenden, wo es auch wohl im weitern Verstande für
Unterschleif gebraucht wird. Keinen Unterschlag noch Betrug ausüben.
Unterschlagen (W3) [Adelung]
Unterschlagen,
verb. irreg. act. ( S. Schlagen.) 1. Unterschlagen; ich unterschlage,
unterschlagen, zu unterschlagen. (1) * Wie unterscheiden, in der
veralteten eigentlichen Bedeutung, einen Raum durch eine dazwischen
geschlagene Scheidewand in zwey besondere Räume abtheilen; eine im
Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Ein Zimmer unterschlagen. (2)
Was für einen andern bestimmt ist, heimlich und böslich für sich
behalten. Je- manden einen Brief unterschlagen. Geld, eine Erbschaft,
ein anvertrautes Pfand unterschlagen. Wie viel mir ungefähr der
Pachter unterschlug, Can. Vermuthlich ist die Figur entweder von der
folgenden Bedeutung, oder auch von dem Auffangen eines in der Bewegung
befindlichen Körpers entlehnt, gleichsam mit der Hand darunter
schlagen. Die Lat. intervertere und intercipere haben ähnliche Figuren
zum Grunde. Daher die Unterschlagung, in einigen Gegenden der
Unterschlag. 2. Unterschlagen; ich schlage unter, untergeschlagen,
unter zu schlagen; welches nur in der R. A. gangbar ist, jemanden ein
Bein unterschlagen, so wohl eigentlich, mit dem Beine die Füße unter
ihm wegschlagen und ihn solcher Gestalt zu Boden werfen; als auch
figürlich, ihm durch List ein Übel zubereiten, ingleichen, ihn böslich
und mit List eines Vortheiles berauben, ihm in Erlangung eines
Vortheils zuvor kommen; supplantare. So auch die Unterschlagung eines
Beines.
Unterschlägig (W3) [Adelung]
Unterschlägig,
adj. et adv. welches nur von Wassermühlen und Wasserkünsten gebraucht
wird. Ein unterschlägiges Wasserrad, welches durch den Stoß des unten
wegfließenden Wassers in Bewegung gesetzt wird, im gemeinen Leben
unterschlächtig; im Gegensatze des oberschlägig oder oberschlächtig.
Eine unterschlägige Mühle, welche ein solches Wasserrad hat.
Unterschleif (W3) [Adelung]
Der Unterschleif,
des -es, plur. doch nur in der zweyten Bedeutung von mehrern Arten,
die -e. 1. Die Beherbergung, die Aufnahme unter sein Dach; eine im
Hochdeutschen nicht sehr gangbare, im Oberdeutschen aber üblichere
Bedeutung, wo das Wort auch Unterschlauf lautet, und von einer jeden
Aufnahme, oder Beherbergung gebraucht wird. Unterschleif suchen, eine
Herberge. Jemanden Unterschleif geben, ihn beherbergen. Den armen
vertriebenen Piemontesern Unterschlauf und Herberg zu suchen,
Bluntschli, ein Schweizer. Welchen ein Gastwirth großentheils
Unterschlauf gegeben, eben ders. Wenn es in den Hochdeutschen
Gerichten in diesem Verstande ja gebraucht wird, so geschieht es
allemahl mit dem Nebenbegriffe des Heimlichen und Unerlaubten.
Verdächtige Leute, Diebsgesindel Unterschleif geben. Im Oberdeutschen
hat man auch das Zeitwort unterschleifen, herbergen. Das ganze Wort
ist elliptisch, und bedeutet eigentlich unter sein Dach oder Obdach
schleifen oder bringen; wo der verächtliche Nebenbegriff in dem
Zeitworte schleifen freylich gegründet genug ist, ( S. Schleifweg.)
Bey dem Willeram kommt noch das Zeitwort untarstiufen, als ein
Neutrum, vor, wofür wir jetzt unterschlüpfen sagen würden. 2. Im
Hochdeutschen ist es außerdem noch in einer doppelten figürlichen
Bedeutung üblich, wo Unterschleif machen oder begehen, theils
unterschlagen bedeutet, d. i. das, was für einen andern bestimmt ist,
böslich für sich behalten, theils auch die Obrigkeit bey den Abgaben
heimlich und böslich bevortheilen; Schleif- oder Schleichhandel
treiben. Man macht in diesem Verstande Unterschleif, so wohl, wenn man
verbothene Waaren heimlich einschleifet, als auch, wenn man erlaubte
Waaren heimlich einbringet, ohne die Abgaben davon zu entrichten. Im
Schwed. gleichfalls Unterslef. Unter scheint hier mit dem Vorworte
unterschlagen gleich bedeutend zu seyn, oder auch für unter der Hand,
d. i. heimlich, einschleifen, zu stehen. Im Oberd. ist Schleif,
Schliff, ein Rank, verborgener Betrug, ein Kniff oder Schlich, welches
letztere nahe damit verwandt ist, und in einigen Gegenden ist
unterschleichen überhaupt so viel als hintergehen.
Unterschreiben (W3) [Adelung]
Unterschreiben,
verb. irreg. act. ( S. Schreiben;) ich unterschreibe, unterschrieben,
zu unterschreiben; seinen Nahmen unter eine Schrift schreiben, Einen
Brief, einen Befehl, ein Instrument u. s. f. unterschreiben. Seinen
Nahmen unterschrei- ben, besser darunter schreiben. Einen Brief nur
mit den Anfangsbuchstaben unterschreiben. Es ist noch nicht
unterschrieben, figürlich, es ist noch nicht gewiß. Eigentlich gehöret
zu dem Unterschreiben die völlige Setzung des Nahmens, so wie
unterzeichnen oder signiren nur mit dem Nahmenszuge, den
Anfangsbuchstaben, geschiehet; allein, beyde werden sehr häufig für
einander gebraucht, besonders wird unterzeichnen in der edlern
Schreibart oft für unterschrieben gebraucht.
Unterschrift (W3) [Adelung]
Die Unterschrift,
plur. die -en, die unter einem Dinge befindliche Schrift. Die
Unterschrift eines Sinnbildes, im Gegensatze der Überschrift. In
engerer Bedeutung, der unter einer Schrift gesetzte Nahme. Die
Unterschrift eines Briefes, eines Befehles u. s. f. Ein Brief ohne
Unterschrift, ohne darunter geschriebenen Nahmen.
Unterschüren (W3) [Adelung]
Unterschüren,
verb. reg. act. ich schüre unter, untergeschürt, unter zu schüren. 1.
Feuer unterschüren, unter dem Kessel anmachen, in den Küchen. 2. Im
Hüttenbaue ist unterschüren, die Erze in die Pochkasten stürzen, damit
sie gepocht werden, sie gleichsam unter die Pochstämpel schüren, oder
schieben. Daher ist daselbst der Unterschürer, derjenige Arbeiter,
welcher dieses verrichtet, das Unterschürgeld, welches er dafür von
einer jeden Fuhre Erz bekommt, der Unterschürstämpel, der erste
Stämpel unter den dreyen in einem Pochtroge.
Unterschwelle (W3) [Adelung]
Die Unterschwelle,
plur. die -n, die untere Schwelle, zum Unterschiede von der
Oberschwelle.
Untersegel (W3) [Adelung]
Das Untersegel,
des -s, plur. ut nom. sing. an den Schiffen, das untere größere Segel
an einem Mastbaume, zum Unterschiede von dem kleinern Obersegel.
Untersenken (W3) [Adelung]
Untersenken,
verb. reg. act. ich senke unter, untergesenkt, unter zu senken,
untersinken machen; wofür doch versenken üblicher ist. Ein Schiff
untersenken, versenken. So auch die Untersenkung.
Untersetzen (W3) [Adelung]
Untersetzen,
verb. reg. act. 1. Untersetzen; ich setze unter, untergesetzt, unter
zu setzen; unter etwas setzen, mit dessen Verschweigung. Eine Stütze
untersetzen, unter etwas, welches den Fall drohet. Ein Gefäß
untersetzen, unter einen herabrinnenden flüssigen Körper. 2.
Untersetzen; ich untersetze, untersetzt, zu untersetzen. (1) Unter
etwas, d. i. mit andern Dingen vermengt, setzen, mit dem Accusativ
dieser Dinge; nur in einigen Fällen. Bey den Kohlenbrennen, wird das
große Holz mit kleinerm untersetzt; wo es aber auch bedeuten könnte;
daß es darunter gesetzt wird. (2) Untersetzt, das Mittelwort der
vergangenen Zeit, wird häufig für klein und stark oder dick gebraucht,
besonders von der menschlichen Statur. Untersetzt seyn. Ein kleiner
untersetzter Mensch. Nieders. undersetted, im Österreich. bunket.
Untersichter (W3) [Adelung]
Der Untersichter,
S. Obersichter.
Untersiegeln (W3) [Adelung]
Untersiegeln,
verb. irreg. act. ich untersiegele, untersiegelt, zu untersiegeln, das
Siegel unter etwas drücken, mit dem Accusativ dieses Etwas. Einen
Vertrag, eine Schuldverschreibung untersiegeln. So auch die
Untersiegelung. S. auch Versiegeln.
Untersinken (W3) [Adelung]
Untersinken,
verb. reg. neutr. ( S. Sinken,) welches das Hülfswort seyn erfordert;
ich sinke unter, untergesunken, unter zu sinken; unter das Wasser
sinken, in einem flüssigen Körper zu Boden sinken. Die Ägypter sunken
unter, wie Bley im mächtigen Wasser, 2 Mos. 15, 10. Daher das
Untersinken.
Untersippschaft (W3) [Adelung]
Die Untersippschaft,
plur. die -en, ein größten Theils veraltetes Wort, die Sippschaft, d.
i. Verwandten, in absteigender Linie zu bezeichnen, zum Unterschiede
von der Obersippschaft, der Verwandtschaft in aufsteigender Linie.
Untersitz (W3) [Adelung]
Der Untersitz,
des -es, plur. die -e, der untere, d. i. niedrigere Sitz, zum
Unterschiede von dem Obersitze.
Unterspannen (W3) [Adelung]
Unterspannen,
verb. reg. act. ich spanne unter, untergespannt, unterzuspannen, unter
etwas spannen, mit Verschweigung dieses Etwas. Ein Tuch unterspannen.
Unterspreitzen (W3) [Adelung]
Unterspreitzen,
verb. reg. act. 1. Unterspreitzen; ich spreitze unter,
untergespreitzt, unter zu spreitzen; unter etwas spreitzen, mit
Verschweigung dieses Etwas. (2) Von spreitzen, dem Intensivo von
spreiten, breiten, heftig unterbreiten. Ein Tuch unterspreitzen. (2)
Von Spreitze, kleine Stütze, und spreitzen, als eine kleine Stütze
unter etwas setzen. Hölzer unterspreitzen. 2. Unterspreitzen, ich
unterspreitze, unterspreitzt, zu unterspreitzen; in der letzten
Bedeutung des vorigen, mit dem Accusativ dieses Etwas und
Verschweigung der Stütze. Eine Höhle unterspreitzen, mit
untergesetzten Spreitzen vor dem Einfalle verwahren.
Unterspringen (W3) [Adelung]
Unterspringen,
verb. irreg. neutr. ( S. Springen,) welches das Hülfswort haben
erfordert; ich unterspringe, untersprungen, zu unterspringen. Es ist
nur bey den Jägern für unterlaufen üblich, S. dieses Wort.
Unterstaller (W3) [Adelung]
Der Unterstaller,
S. Staller.
Unterstallmeister (W3) [Adelung]
Der Unterstallmeister,
des -s, plur. ut nom. sing. der untere Stallmeister unter zweyen, im
Gegensatze des Oberstallmeisters.
Unterstämmen (W3) [Adelung]
Unterstämmen,
verb. reg. act. ich stämme unter, untergestämmt, unter zu stämmen, als
ein Stamm oder starke Stütze unter etwas setzen, mit Verschweigung
dieses Etwas. Den Arm unterstämmen, unter den Kopf.
Unterstecken (W3) [Adelung]
Unterstecken,
verb. reg. act. ich stecke unter, untergesteckt, unterzustecken. 1.
Von unter, sub, unter ein anderes Ding stecken, mit dessen
Verschweigung. Daher ist im Salzwerke zu Halle der Unterstecker,
derjenige, welcher das Holz unter die Pfanne steckt. 2. Von unter,
inter, unter andere Dinge stecken, und gleichsam damit vermengen; in
welchem Verstande man Truppen oder Soldaten untersteckt, wenn sie
unter eine andere Compagnie, unter ein anderes Battallion oder
Regiment vertheilet werden, so daß sie aufhören, ein eigenes Corps
auszumachen. So pflegt man auch ganze Battallions oder Regimenter
unterzustecken; welches in einigen Gegenden auch unterstoßen genannt
wird. Daher die Untersteckung.
Unterstehen (W3) [Adelung]
Unterstehen,
verb. irreg. neutr. ( S. Stehen,) welches das Hülfswort seyn, als ein
Recipr. aber haben erfordert. 1. Unterstehen; ich stehe unter, bin
untergestanden, unter zu stehen; unter ein Obdach stehen oder treten,
mit dessen Verschweigung; untertreten. Wir wurden nicht naß, denn wir
standen unter. Es regnete, aber wir konnten nirgends unterstehen. 2.
Unterstehen; ich unterstehe, unterstand, zu unterstehen; ein
Reciprocum, die Bewerkstelligung einer schweren und wichtigen Sache
mit Zuversicht und Vertrauen über sich nehmen, und selbige wirklich
anfangen; wo es doch am häufigsten nur im engern Verstande, theils von
verwegnen, theils auch von verbothenen Handlungen gebraucht wird. So
wohl mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu. Er wird den Höchsten
lästern, und wird sich unterstehen, Zeit und Gesetz zu ändern, Dan. 7,
24. Du unterstehest dich, zu begreifen den Weg des Allerhöchsten? 4
Esr. 4, 2. Niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden, Apost. 18,
10. Als auch mit dem Accusativ der Sache, doch am häufigsten nur mit
den Partikeln es, was u. s. f. Er hat es sich unterstanden. Was
unterstehest du dich? Was unterstehet sich der Arme, Pred. 6, 8.
Ingleichen mit einigen Beywörtern. Er unterstehet sich viel. Mit
Hauptwörtern ist es im Hochdeutschen nicht gang- bar, sondern man
bedient sich dafür einer Umschreibung. Nicht, sich einen Mord
unterstehen, sondern sich unterstehen einen Mord zu begehen. Im
Oberdeutschen hingegen sagt man in der zweyten Endung, sich eines
Mordes unterstehen, welche Wortfügung auch im Hochdeutschen
nachgeahmet wird. Ich unterstehe mich dessen nicht. Ihr muest euch
untersteen der abentheuer, Theuerd. Kap. 6; wo es noch in dem
veralteten guten, wenigstens gleichgültigen Verstand des Unternehmens,
Wagens gebraucht wird. In noch weiterm Verstande heißt es eben
daselbst Kap. 48: sich des Bären unterstehen, sich an ihn machen, ihn
angreifen.
Anm. Schwed. untersta, welches aber auch verstehen,
intelligere, bedeutet. Unterstehen gründet sich in dem zweyten Falle
auf eben die Figur, als unterfangen, unternehmen und unterwinden, und
bedeutet eigentlich, sich unter etwas stehen, d. i. stellen, oder
darunter treten, um es aufzuheben; Lat. sustinere. Ottfried gebraucht
dafür ingaan, sich unterstehen, eigentlich es angehen, Lat. aggredi.
Wachter erkläret es daher irrig durch widerstehen, welcher Begriff gar
nicht hierher gehöret. Daß es ehedem auch außer der Reciprocation
gebraucht worden, erhellet aus dem Theuerd. Kap. 86: Als es nun ging
gen den Morgen Wolten die morder vnderstan Den mord zu thun. Nach
einer jetzt veralteten Bedeutung wurde es ehedem mit dem Accusativ für
verhindern gebraucht; etwas unterstehen, eigentlich, sich darunter
stellen, dessen Bewegung aufzuhalten.
Untersteiger (W3) [Adelung]
Der Untersteiger,
des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein dem Obersteiger nach-
oder untergeordneter Steiger.
Unterstelle (W3) [Adelung]
Die Unterstelle,
plur. die -n, die unterste Stelle dem Range nach im Gegensatze der
Oberstelle.
Unterstellen (W3) [Adelung]
Unterstellen,
verb. reg. act. ich stelle unter, untergestellt, unter zu stellen,
unter ein anderes Ding stellen, mit dessen Verschweigung. Ein Gefäß
unterstellen. Sich unterstellen, unter ein Obdach.
Untersteuermann (W3) [Adelung]
Der Untersteuermann,
des -es, plur. die -leute, auf den Schiffen, wenn mehr als ein
Steuermann vorhanden ist, der zweyte Steuermann dem Range nach,
welcher dem Obersteuermanne untergeordnet ist.
Unterstoßen (W3) [Adelung]
Unterstoßen,
verb. irreg. act. ( S. Stoßen;) ich stoße unter, untergestoßen, unter
zu stoßen. 1. Von unter, sub, unter ein anderes Ding stoßen, mit
dessen Verschweigung. In diesem Verstande kommt es, doch in
figürlicher Bedeutung, Jer. 22, 17 vor: dein Herz stehet dahin zu
freveln und unterzustoßen, d. i. andere zu unterdrücken, in welcher,
im Hochdeutschen ganz veralteten Bedeutung es doch zu unterstoßen
heißen müßte, von dem ungewöhnlichen unterstoßen, unterdrücken. 2. Von
unter, inter, unter andere Dinge stoßen, und gleichsam damit
vermengen, wie unterstecken, S. dasselbe.
Unterstreichen (W3) [Adelung]
Unterstreichen,
verb. irreg. act. ( S. Streichen;) ich unterstreiche, unterstrichen,
zu unterstreichen; mit einem darunter gezogenen Striche bezeichnen.
Ein Wort, eine Stelle in einem Buche unterstreichen. Daher die
Unterstreichung.
Unterstreuen (W3) [Adelung]
Unterstreuen,
verb. reg. act. ich streue unter, untergestreuet, unter zu streuen,
unter (sub) etwas streuen, so wohl mit dessen Verschweigung, als auch
mit dessen Meldung, in der dritten Endung. Sand unterstreuen. Jemanden
Blumen, den Pferden Stroh unterstreuen.
Unterstrich (W3) [Adelung]
Der Unterstrich,
des -es, plur. die -e, bey einigen ein Nahme des Comma, zum
Unterschiede von dem Oberstriche oder Apostrophus.
Unterstube (W3) [Adelung]
Die Unterstube,
plur. die -n, die untere Stube in einem Hause, zum Unterschiede von
der Oberstufe.
Unterstuhl (W3) [Adelung]
Der Unterstuhl,
des -es, plur. die -stühle, in dem Salzwerke zu Halle, der untere oder
niedriger stehende Stuhl oder Haspel, zum Unterschiede von dem
Oberstuhle.
Unterstützen (W3) [Adelung]
Unterstützen,
verb. reg. act. 1. Unterstützen; ich stütze unter, unter gestützt,
unter zu stützen; als eine Stütze unter ein Ding setzen, mit dessen
Verschweigung. Einen Pfahl unterstützen. Die Arme unterstützen, unter
den Kopf. 2. Unterstützen; ich unterstütze, unterstützt, zu
unterstützen; ein Ding durch eine untergesetzte Stütze vor dem Falle
bewahren, mit dem Accusativ dieses Dinges. 1) Eigentlich. Ein Haus
unterstützen, wofür man auch nur stützen sagt. Eine große Säule,
welche nur eine kleine Last unterstützt, versetzt die Einheit des
Gebäudes. 2) Figürlich, Hülfe allerley Art leisten, und in noch
weiterm Verstande, jemandes Absicht, die Wirkung einer Ursache
befördern, es geschehe, auf welche Art es wolle. Jemanden mit Rath und
That unterstützen. Ihn mit Gold, mit Vorschuß unterstützen.
Unterstützen sie meine Bitte, mein Ansuchen, mein Wort bey ihm. Von
niemanden unterstützt werden. In der Mahlerey unterstützen die
Schatten die Lichter, wenn sie die Absicht, die verlangte Wirkung
derselben befördern helfen. Eben daselbst unterstützt eine Gruppe die
andere, wenn sie den Eindruck befördern hilft, welchen diese machen
soll.
Unterstützung (W3) [Adelung]
Die Unterstützung,
plur. die -en, von dem letzen Zeitworte dieser Art. 1) Die Handlung
des Unterstützens, ohne Plural. 2. Figürlich, Hülfe, Beystand,
Beförderung der Absicht, Mitwirkung aller Art; mit dem Plural, doch
nur zuweilen und von verschiedenen Arten. Jemanden alle Unterstützung
angedeihen lassen. Ihm seine Unterstützung versagen. Kann ich mich auf
ihre Unterstützung verlassen?
Untersuchen (W3) [Adelung]
Untersuchen,
verb. reg. act. ich untersuche, untersucht, zu untersuchen, die Art
und Weise eines Dinges zu erforschen suchen. Eine Rechnung
untersuchen, ob sie in allen ihren Theilen richtig ist. Ein Verbrechen
untersuchen, nachforschen, wie es begangen worden. Die Sache soll
untersucht werden, ist noch nicht untersucht worden. Daher die
Untersuchung, plur. die -en. Eine Untersuchung anstellen. Anm.
Ottfried und Notker gebrauchen dafür irsuochen, er suchen, ingleichen
beluochen. Bey dem Kero kommen für Untersuchung die Hauptwörter
Ursuahhidu und Kesuahhidu vor. Unter kann hier im eigentlichen
Verstande so wohl sub als inter bedeuten. Opitz scheinet es in der im
Hochdeutschen fremden Bedeutung für versuchen zu gebrauchen. Der Herr
hat einen Eid gethan Dem David, den der Zeiten Flucht Zu ändern nimmer
untersucht, Ps. 132, 7.
Untertauchen (W3) [Adelung]
Untertauchen,
verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort
haben erfordert: ich tauche unter, untergetaucht, unter zu tauchen;
unter das Wasser tauchen, mit dessen Verschweigung. Jemanden
untertauchen, als ein Activum, ihn unter das Wasser tauchen. Die
Änten, die Täucher tauchen unter, als ein Neutrum, wenn sie sich unter
das Wasser lassen; wofür man auch reciproce sagt, sich untertauchen.
So auch das Untertauchen, und in activer Bedeutung auch wohl die
Untertauchung. Nieders. unnerduken.
Unterthan (W3) [Adelung]
Unterthan,
adv. unter jemandes Gewalt gethan, der höchsten Gewalt eines andern
unterworfen. Füllet die Erde und machet sie euch unterthan, 1 Mos. 1,
28. Alles Volk soll dir zinsbar und unterthan seyn, 5 Mos. 20, 11. Ich
bin ein Mensch, der Obrigkeit unterthan, Luc. 7, 8. Sich jemanden
unterthan machen, welches in der Deutschen Bibel häufig vorkommt, wird
im Hochdeutschen selten mehr gebraucht, so wie überhaupt dieses Wort
in der jetzt gedachten engern Bedeutung von unterworfen und andern
Ausdrücken größten Theils verdränget worden. In weiterer Bedeutung von
andern geringern Arten der Abhängigkeit ist es noch mehr veraltet, und
allenfalls nur noch im gemeinen Leben üblich. Seyd unter einander
unterthan, Ephes. 5, 21. Die Weiber seyn unterthan ihren Männern als
dem Herren, Ephes. 5, 22; wo doch nach morgenländischer Art die engere
und strengste Art der Unterwürfigkeit verstanden werden kann, welche
bey unsern abendländischen Sitten nicht Statt findet.
Anm. Schon bey
dem Notker undertan. Mir sint dii rich und dii laut undertan, singt auch Kaiser Heinrich unter den Schwäbischen Dichtern. Bey dem Ottfried
ist untarthioh, von Thioh, Knecht, gehorsam überhaupt. Es ist
eigentlich das Mittelwort von dem veralteten Zeitwort unterthun, unter
jemandes Herrschaft und Gewalt, und in engerm Verstande unter dessen
höchste, oft willkürliche, Gewalt geben oder thun, subdere, subditus,
nach welchen es gebildet zu seyn scheinet. S. auch das folgende,
ingleichen Unterthänig.
Unterthan (W3) [Adelung]
Der Unterthan,
des -s, plur. die -en, eine Person, welche der höchsten Gewalt eines
andern unterworfen ist; da es denn noch in doppeltem Verstande
gebraucht wird. 1) Alle Personen, welche einem gewissen Grund- und
Gerichtsherren unterworfen sind, heißen dessen Unterthanen. Er oder
sie ist mein Unterthan. Unterthan ist hier ein allgemeiner Ausdruck,
welcher alle Grade der Unterwürfigkeit gegen die Grundherrschaft, von
der strengen Leibeigenschaft an, bis zur bloßen Gerichtbarkeit, unter
sich begreift, für welche Grade man in den Provinzen eine Menge
eigener Wörter hat, wohin Holde, Grundholde, Untersaß, Hintersaß,
Unterhörig, Erbleute, Erbbauern und hundert andere mehr gehören. Doch
wird es häufiger von solchen Personen gebraucht, welche dem
Grundherren mit ihren Personen oder Gütern auf eine oder die andere
strenge Art unterworfen sind, als von solchen, welche bloß dessen
Gerichtbarkeit erkennen müssen, welche allenfalls Gerichtsunterthanen
heißen, welches Wort doch um des Nebenbegriffes willen, nur von
geringen Personen gebraucht wird. Lehensleute oder Vasallen sind, als
solche, keine eigentliche Unterthanen, welches eigentlich den Begriff
der höchsten unumschränkten Gewalt einschließet, der bey der
Lehensherrlichkeit nicht Statt findet. 2) In Absicht auf die höchste
Landesobrigkeit ist jeder ein Unterthan welcher derselben unterworfen
ist, jedes Glied des gemeinen Wesens, so fern es der höchsten Gewalt
unterworfen ist. Salomo hatte Friede von allen seinen Unterthanen
umher, 1 Kön. 4, 24. Wie die Fürsten, so die Unterthanen. Der
vornehmste Minister ist des Landesherren erster Unterthan. In dieser
Bedeutung ist im weiblichen Geschlechte Unterthaninn üblich, so sehr
es auch wider den Ursprung dieses Wortes streitet, welches eigentlich
das Mittelwort der vergangenen Zeit ist; Unterthane würde richtiger
seyn, allein es ist noch weniger gebräuchlich.
Anm. Bey dem Stryker
Vndertan; Schwed. und Isländ. Vnderdan. Es ist, wie schon bemerkt
worden, aller Wahrscheinlichkeit nach das Mittelwort von dem
veralteten unterthun, wie Subditus, von subdere, von welchem es eine
buchstäbliche Übersetzung zu seyn scheinet. Keros Untardeonot
hingegen, ist von unter und dienen zusammen gesetzet, so wie das
Angels. Undertheod. von unter und Theod, Diet, Volk.
Unterthänig (W3) [Adelung]
Unterthänig,
-er, -ste, adj. et adv. von dem vorigen Hauptworte. 1. Eigentlich, ein
Unterthan seyend, ingleichen in dem Zustande eines Unterthans
gegründet. 1) In der ersten Bedeutung des Hauptwortes, wo alle
diejenigen unterthänig heißen, welche einem Grundherren mit
Leibeigenschaft oder Frohndiensten verbunden sind. Unterthänige
Bauern, Hinterlassen. Unterthänige Städte, in einigen Gegenden, deren
Einwohner zu Frohndiensten verpflichtet sind. Jemanden unterthänig
seyn, in welchem Verstande unterthan nicht üblich ist. Von der
Verbindlichkeit gegen einen bloßen Gerichtsherren scheint es nicht
gangbar zu seyn. 2) In der zweyten Bedeutung des Hauptwortes, jemanden
als der höchsten Obrigkeit unterworfen. Die Moabiter wurden David
unterthänig, 2 Sam. 8, 2. Jojakim ward dem Nebucadnezav unterthänig, 2
Kön. 24, 1. Nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm
unterthänig machen, Phil. 3, 21. In dieser Bedeutung wird es wenig
mehr gebraucht; indem dafür in der Adverbial-Form noch zuweilen
unterthan, noch häufiger aber in beyden Formen unterwürfig gebraucht
wird. 2) In weiterer Bedeutung ist es ein sehr gewöhnlicher Ausdruck
der gesellschaftlichen Höflichkeit, welchen man aus Ehrerbiethung von
sich gegen sehr vornehme Personen gebraucht, auch wenn man ihnen auf
keinerley Weise unterwürfig ist; und dieß ist auch der einzige Fall,
in welcher die Comparation üblich ist. Ich bitte unterthanig oder
unterthänigst. Meine unterthänige Bitte, Gesinnung u. s. f. Ew.
Excellenz unterthäniger, oder, in einem noch höhern Grade des
Abstandes, unterthänigster Diener, in Briefen. Man gebraucht es, wie
gesagt, von sich gegen sehr hohe Personen, gegen welche man gehorsam
und gehorsamst, noch für zu geringe hält. Aber unterthänigst
gehorsamst mit einander zu verbinden, wie von vielen geschiehet, ist
auch um deßwillen unschicklich, weil gehorsam weniger sagt, als
unterthänig, und daher dieses gewisser Maßen wieder aufhebt.
Unterthänigkeit (W3) [Adelung]
Unterthänigkeit,
plur. car. die Eigenschaft, da eine Person jemanden unterthänig ist.
1. In den beyden eigentlichen Bedeutungen des vorigen Wortes, wo es
besonders von der Unterwürfigkeit gegen den Grundherren, so wohl in
Ansehung der Leibeigenschaft, als auch der Frohndienste, oder anderer
Verbindlichkeiten, gebraucht wird. Von der Unterwürfigkeit gegen die
höchste Landesobrigkeit kommt es, außer wenn es mit der folgenden
Bedeutung zusammen fließt, seltener vor. 2. In weiterm Verstande, als
ein Ausdruck der gesellschaftlichen Ehrerbiethigkeit gegen sehr
Vornehme, die Fertigkeit einem sehr Vornehmern die schuldige Pflicht
und Ehrerbiethigkeit zu erweisen. Ich bitte in tiefster
Unterthänigkeit. Bey dem Notker mit einer andern Ableitungssylbe
Undertani, gleichsam Unterthane.
Untertheil (W3) [Adelung]
Das Untertheil,
des -es, plur. die -e, Diminut. das Untertheilchen, das untere Theil
eines Dinges zum Unterschiede von dem Obertheile.
Untertreten (W3) [Adelung]
Untertreten,
verb. irreg. act. ( S. Treten.) 1. Untertreten; ich trete unter,
untergetreten, unter zu treten; in die Tiefe, unter das Wasser treten;
mit dem Accusativ der Sache. 2. Untertreten; ich untertrete,
untertreten, zu untertreten; gleichsam unter die Füße treten, wo es
doch nur noch in figürlichem, und auch hier nur im engern Verstande
üblich ist. Jemanden untertreten, seine Überlegenheit auf die
merklichste Art zu dessen Nachtheile mißbrauchen, wo es einen härtern
Grad bezeichnet, als unterdrücken, aber im Hochdeutschen nicht mehr so
gangbar ist, als dieses. Esau sprach, er heisset wohl Jacob, denn er
hat mich nun zwey Mahl untertreten, 1 Mos. 27, 36. Laß mich nicht
untertreten werden von den Stolzen, Ps. 36, 12. In deinem Nahmen
wollen wir untertreten, die sich wider uns setzen, Ps. 44, 6; wo es in
der noch ungewöhnlichern Bedeutung des Überwindens stehet. So auch die
Untertretung. Das Hauptwort der Untertreter, welches noch mehrmahls in
der Deutschen Bibel vorkommt, ist, außer allenfalls in der
dichterischen Schreibart, noch ungewöhnlicher.
Untertruchseß (W3) [Adelung]
Der Untertruchseß,
des -en, plur. die -en, der untere, d. i. nachgeordnete Truchseß,
unter zweyen; im Gegensatze des Obertruchsesses. S. Truchseß.
Untertuschen (W3) [Adelung]
Untertuschen,
verb. reg. act. ich untertusche, untertuscht, zu untertuschen; im
gemeinen Leben, in der Stille unterdrücken. Eine Sache untertuschen,
machen, daß sie nicht bekannt werde; sie vertuschen. So auch die
Untertuschung. S. 2. Tuschen.
Unteruntergang (W3) [Adelung]
Der Unteruntergang,
S. Untergang.
Unterverdeck (W3) [Adelung]
Das Unterverdeck,
des -es, plur. die -e, das untere oder unterste Verdeck in einem
Schiffe, welches auch der Unterlauf genannt wird; im Gegensatze des
Oberverdeckes oder Oberlaufes.
Untervormund (W3) [Adelung]
Der Untervormund,
des -es, plur. die -münder, der untere Vormund dem Range nach, zum
Unterschiede von dem Obervormunde.
Unterwachsen (W3) [Adelung]
Unterwachsen,
verb. irreg. neutr. ( S. Wachsen,) welches das Hülfswort seyn
erfordert, von welchem aber nur das Mittelwort der vergangenen Zeit
üblich ist. 1. So fern unter, inter, bedeutet, nennet man ein Ding
unterwachsen, so fern etwas von anderer Art dazwischen gewachsen ist.
Man nennet das Fleisch geschlachteter Thiere unterwachsen oder mit
Fett unterwachsen, wenn das Fett lagenweise dazwischen gewachsen ist.
Man gebraucht es am häufigsten nur in diesem Falle; wenn Unkraut unter
dem Getreide wächset, sagt man nicht, es sey mit Unkraut unterwachsen.
2. Von unter, sub, am untern Theile bewachsen; auch nur in einigen
Fällen. Die Wunde ist mit wildem Fleische unterwachsen, wenn wildes
Fleisch darunter gewachsen ist.
Unterwall (W3) [Adelung]
Der Unterwall,
des -es, plur. die -wälle, im Festungsbaue, ein auf dem Horizonte
angelegter Gang mit einer Brustwehr, am Fuße des Hauptwalles, und im
Gegensatze desselben; Franz. Faussebraie.
Unterwärts (W3) [Adelung]
Unterwärts,
ein Nebenwort des Ortes, nach unten hin, nach unten zu, in die tiefere
Gegend hin. Der Odem des Viehes fähret unterwärts in die Erde,
Sprichw. 15, 24. Die Wasser fließen unterwärts, Mich. 1, 4. Seltener
mit der zweyten Endung des Hauptwortes, unterwärts des Berges, besser,
unten am Berge, oder den Berg hinab. S. auch Abwärts.
Unterweges (W3) [Adelung]
Unterweges,
adv. welches aus unter Weges zusammen gezogen ist, und richtiger
getheilt geschrieben wird. Unter wird hier elliptisch mit der zweyten
Endung verbunden, wofür in andern, besonders Oberdeutschen Mundarten
die dritte Endung des Plurals üblich ist, unter Wegen, oder
unterwegen. ( S. Unter.) Unterwegens, wie in einigen gemeinen
Mundarten üblich ist, läßt sich mit nichts vertheidigen, man müßte
denn das s für den Ableitungslaut des Adverbii halten, welches an
unterwegen gehänget worden. Es ist nur in der gemeinen und
vertraulichen Sprechart üblich und bedeutet, 1. auf dem Wege, während
des Weges, oder der Reise. Unterweges, unter Weges bey jemanden
einsprechen, auf der Reise. Unterweges seyn, auf dem Wege, auf der
Reise. Als er unterwegen in der Herberge war, 2 Mos. 2, 24. und so in
andern Stellen mehr, wo allemahl unterwegen für das im Hochdeutschen
gewöhnlichere unterweges stehet. Lange unter Weges seyn, auf der
Reise. 2. Figürlich ist unterweges lassen, so viel als unterlassen,
welches letztere daraus zusammen gezogen worden, aber in der
anständigen Sprechart üblicher ist. Daß er solt vnnderwegen lan den
sprung, Theuerd. Kap. 31. Ich kans nit vnderwegen lan. Kap. 68. Lazzen
unterbegen, (unterwegen,) schon bey dem Hornegk. Das Geloben
unterwegen lassen, 5 Mos. 23, 22. Ehedem sagte man auch unterwegen
bleiben; wofür aber unterbleiben jetzt allgemein ist. Thaz is under
wegen bestat, d. i. bleibt, in dem alten Fragmente auf Carln den
Großen bey dem Schilter.
Unterweilen (W3) [Adelung]
Unterweilen,
ein Nebenwort der Zeit, zu manchen Weilen, d. i. Zeiten, bisweilen,
zuweilen, welche im Hochdeutschen üblicher sind, besonders das letzte,
dagegen unterweilen mehr in den gemeinen Sprecharten vorkommt.
Unterweilen haben auch lasterhafte Personen Glück, zu manchen Zeiten,
bisweilen. Es ist ein altes Nebenwort, welches schon häufig bey den
Schwäbischen Dichtern vorkommt, wo es underwilen und underwilent
lautet. Ein twingen von frowen Machet mannes herze Bi wilen truric und
underwilen fro, Heinr. von Stretlingen. Die verkerent under wilent mir
den sin, Heinr. von Morungen. Opitz gebraucht dafür das im
Hochdeutschen seltenere unterzeiten; Willeram und seine Zeitgenossen
aber eteswanne unte eteswanne, ( S. Etwan.) Unter hat in dieser
Zusammensetzung die Bedeutung des inter, gleichsam zu Zeiten mit unter
Lat. interdum.
Unterweisen (W3) [Adelung]
Unterweisen,
verb. irreg. act. ( S. Weisen;) unterweise, unterwiesen, zu
unterweisen; welches nach Maßgebung des Zeitwortes weisen, eigentlich
bedeutet, durch Weisen oder Zeigen unbekannte Handgriffe oder
Fertigkeiten beybringen; mit dem Accusativ der Person, und dem
Vorworte in, in Ansehung der Sache. Ein Kind im Schreiben, eine Person
im Tanzen, jemanden im Reiten, im Fechten, in der Musik, unterweisen.
Der Meister unterweiset seine Lehrlinge. Daß er sie unterweisete zu
singen, (unterwiese im Singen,) 1 Chron. 16, 22. Ehedem wurde es mit
der vierten Endung der Sache häufig für das einfache weisen, zeigen
gebraucht, in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen veraltet ist.
Er wird ihn unterweisen den besten Weg, Ps. 25, 12. Unterweise mich
den Weg deiner Befehle, Ps. 119, 8. Der ihn unterweise den Weg des
Verstandes, Es. 40, 14. Dieser war unterweiset (unterwiesen) den Weg
des Herrn, Apost. 18, 25. Desto häufiger wird es im Hochdeutschen
figürlich von Beybringung wissenschaftlicher Kenntnisse und Begriffe
gebraucht. Da es denn mit unterrichten gleich bedeutend ist. Jemanden
im Christenthume, in der Erdbeschreibung, in der Mathematik
unterweisen. Siehe, du hast viel unterweiset (unterwiesen) und müde
Hände gestärket, Hiob 4, 3. Herr unterweise mich nach deinem Wort, Ps.
119, 169. Auf daß ich auch andere unterweise, 1 Cor. 14, 19. So auch
die Unterweisung, die Handlung des Unterweisens.
Anm. Schon Ottfried
gebraucht es für lehren, er al iz untarwesta, er lehrete es alles;
woraus erhellet, daß es mit der vierten Endung der Sache schon sehr
alt ist, obgleich diese Wortfügung im Hochdeutschen unter die
veralteten gehöret. In dem sehr alten Fragmente von dem Gespräche mit
dem Samaritanischen Weibe, ist untarneuizzun, beweisen. Das Schwed.
undarvisa ist mit dem Hochdeutschen gleich bedeutend, im
Niederdeutschen hingegen kann underwisen, so wohl zurecht weisen, als
auch zu einer Pflicht anhalten, anweisen, bedeuten. Die eigentliche
Bedeutung des unter ist hier eben so dunkel als in unterrichten. Die
reguläre Conjugation, welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt, ist
im Hochdeutschen ungewöhnlich. S. Weisen.
Unterwelt (W3) [Adelung]
Die Unterwelt,
plur. inus. die untere Welt, d. i. unter der Erde befindliche
Zusammenhang der Dinge, im Gegensatze der Oberwelt, den Aufenthalt der
Verstorbenen nach dem Tode zu bezeichnen. Es wird nur noch zuweilen
als eine Anspielung auf die Fabellehre der Griechen und Römer
gebraucht.
Unterwerfen (W3) [Adelung]
Unterwerfen,
verb. irreg. act. ( S. Werfen;) ich unterwerfe, unterworfen, zu
unterwerfen, von seiner oder eines andern Gewalt abhängig machen. Sich
ein Land unterwerfen. Nun gedenket ihr, die Kinder Juda und Jerusalem
euch zu unter- werfen, 2 Chron. 28, 10. Ein Leib, der Sünde
unterworfen, Weish. 1, 4. Dein Wille soll deinem Manne unterworfen
seyn, 1 Mos. 3, 16. Niemanden unterworfen seyn. Ingleichen als ein
Reciprocum. Sich jemanden unterwerfen, dessen höchste Gewalt über sich
thätig erkennen. In weiterm Verstande sagt man, ein Ding sey einem
andern unterworfen, wenn es häufig von demselben bestimmt wird. Wir
bleiben Menschen, die Fehlern unterworfen sind. Der Leib ist der
Veränderung unterworfen. Die Tugend ist nicht dem Wechsel der Zeit
unterworfen, nicht von demselben abhängig, wird nicht davon bestimmt.
Allerley Unglücksfällen unterworfen seyn. In noch weiterm Verstande
oft nur von der nahen Möglichkeit, von einem Dinge bestimmt zu werden.
Der Feuersgefahr unterworfen seyn. Daher die Unterwerfung, doch nur in
der eigentlichen Bedeutung, wo es so wohl im thätigen als reciproken
Verstande gebraucht wird. Die Unterwerfung eines Landes, thätig. Die
Unterwerfung unter Gott, unter einem Könige, in der reciproken
Bedeutung.
Anm. Schon bey dem Kero untaruuerfan, der auch das
Hauptwort Untarworfanij für Unterwerfung hat. Es bedeutet, so wie das
Lat. subiicere, eigentlich unter sich werfen. S. auch Unterwürfig und
Unterwürfigkeit.
Unterwind (W3) [Adelung]
Der Unterwind,
des -es, plur. die -e, ein Wind, welcher nahe an und über der
Oberfläche der Erde wehet, zum Unterschiede des Oberwindes; besser,
der untere und der obere Wind.
Unterwinden (W3) [Adelung]
Unterwinden,
verb. irreg. recipr. ( S. Winden;) ich unterwinde mich, unterwunden,
zu unterwinden. 1. * Sich eines Dinges unterwinden, mit der zweyten
Endung der Sache, sich dasselbe zueignen, sich im Besitz desselben
setzen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Vnd sulen sih des
underwinden, sollen es in Besitz nehmen, im Schwabensp. Kap. 58. Viel
Gutes wart so gar erblosz, daz nyemand was, der sich seyn underwund,
ein alter Geschichtschreiber bey dem Pez, nach dem Frisch, der es in
Besitz nehmen wollte. Die Niedersachsen sagen dafür sik anewinnen,
sich anwinden. 2. Die Bewerkstelligung einer schweren Sache übernehmen, etwas Wichtiges zu thun sich anheischig machen, und es
wirklich anfangen, wie unterstehen. So wohl mit der zweyten Endung der
Sache, auf welche Art Willeram schon untarwintan gebraucht. Der sich
des willigklich unterwand, es willig unternahm, im Buche Belial von
1472. Der unsrer Leyer sich so eifrig unterwunden, Scultet. der es
wagte, sie zu spielen. Im Hochdeutschen wird diese Wortfügung wenig
mehr gebraucht, außer etwa in der dichterischen Schreibart. Als auch,
und zwar am häufigsten, mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu, wie
unterstehen. Ich habe mich unterwunden zu reden mit dem Herren, 1 Mos.
18, 27. Sintemahl sichs viel unterwunden haben, zu stellen u. s. f.
Luc. 1, 1. Es unterwunden sich aber etliche - den Nahmen des Herren
Jesu zu nennen, Apost. 19, 13. Nicht jedermand unterwinde sich Lehrer
zu seyn, Jac. 3, 1. Ob man es gleich in dieser Form nicht mit unter
die veralteten Wörter rechnen kann, so wird es doch im Hochdeutschen
seltener gebraucht, als unterstehen.
Anm. Im Schwed. undervinna. Es
ist im Deutschen schon sehr alt, und findet sich bey den Oberdeutschen
Schriftstellern von den frühesten Zeiten an. Die letzte Hälfte ist das
alte Zeitwort winden, winnen, sich bestreben, seine Kräfte anstrengen,
welches außer diesem nur in den Zusammensetzungen gewinnen, überwinden
und verwinden üblich ist. ( S. Winden.) Im Ganzen liegt hier eben
dieselbe Figur zum Grunde, als in unterfangen, unternehmen,
unterstehen, suscipere u. s. f. sich mit Anstrengung seiner Kräfte
unter ein Ding zu kommen bemühen, um es zu heben. An underwint ist bey
einem alten Dichter in Eckards Scriptor, so viel als ohne Verzug.
Ottfried gebraucht für sich unterwinden, sih biwanen, welches eben
dasselbe Zeitwort nur mit einem andern Präfixo zu seyn scheinet.
Unterwuchs (W3) [Adelung]
Der Unterwuchs,
des -es, plur. car. im Forstwesen, niedriges Holz, welches zu keinen
Bäumen wächset, Gebüsch, Gestände, Strauchwerk, Unterholz; im
Gegensatze des Oberwuchses.
Unterwühlen (W3) [Adelung]
Unterwühlen,
verb. reg. act. ich unterwühle, unterwühlt, zu unterwühlen, an dem
untern Theile eines Dinges wühlen, mit dem Accusativ dieses Dinges.
Die Schweine unterwühlen einen Baum, eine Mauer. Seltener figürlich.
Wie er mit starkem Arm nach jungen Schönen zielt, Und Tugenden
zerstört, und Herzen unterwühlt, Zach.
Unterwurf (W3) [Adelung]
Der Unterwurf,
des -es, plur. die -würfe, bey den Jägern, der untere Kinnbacken eines
wilden Schweines; im Gegensatze des Oberwurfes. S. Wurf.
Unterwürfig (W3) [Adelung]
Unterwürfig,
-er, -ste, adj. et adv. welches mit unterworfen in dem eigentlichen
engern Verstande gleich bedeutend ist, außer daß jenes als ein
Nebenwort nur mit dem Zeitworte seyn verbunden wird; jemandes höchste
Gewalt über sich erkennend, von derselben abhängig. Sich jemanden
unterwürfig machen, ihm unterwürfig seyn. Unterwürfige Personen. Es
ist schon einem längst veralteten Hauptworte Unterwurf, Unterwerfung
gebildet.
Unterwürfigkeit (W3) [Adelung]
Die Unterwürfigkeit,
plur. car. der Zustand, da man jemanden unterwürfig, oder unterworfen
ist. Die Tugend des Demüthigen gefällt uns, weil sie keine
Unterwürfigkeit von uns fordert, die sie doch fordern könnte, Gell.
Unterzahn (W3) [Adelung]
Der Unterzahn,
des -es, plur. die -zähne, die untern Zähne, die Zähne in dem untern
Kinnbacken, zum Unterschiede von den Oberzähnen.
Unterzehenter (W3) [Adelung]
Der Unterzehenter,
des -s, plur. ut nom. sing. ein dem Oberzehenter nach- und
untergeordneter Zehenter.
Unterzeichnen (W3) [Adelung]
Unterzeichnen,
verb. reg. act. ich unterzeichne, unterzeichnet, zu unterzeichnen, ein
Zeichen unter etwas setzen, doch nur in engerer Bedeutung, anstatt
seines völligen Nahmens ein Zeichen, z. B. den Nahmenszug, die
Anfangsbuchstaben seines Nahmens, oder, wie ehedem üblich war, ein
Kreuz, unter eine Schrift setzen; zum Unterschiede von dem
unterschreiben. Alle Concepte werden in den Kanzelleyen unterzeichnet
oder signirt, die Originale aber unterschrieben. Indessen wird es in
der edlern Schreibart oft in weiterm Verstande für unterschreiben
gebraucht. So auch die Unterzeichnung.
Unterziehen (W3) [Adelung]
Unterziehen,
verb. irreg. act. ( S. Ziehen.) 1. Unterziehen; ich ziehe unter,
untergezogen, unter zu ziehen; unter etwas ziehen, mit dessen
Verschweigung. Die Pferde unterziehen, unter ein Obdach. Eine Schwelle
unterziehen, eine neue Schwelle unter einem Haufe anbringen. Eine
Mauer unterziehen, unter ein Gebäude ziehen. 2. Unterziehen; ich
unterziehe, unterzogen, zu unterziehen. (1) Eigentlich, in der vorigen
Bedeutung, nur daß hier die Sache, unter welche etwas gezogen wird, im
Accusativ ausgedruckt wird; doch nur in einigen Fällen. Ein
Bettgestell mit Riemen unterziehen. Ein Gebäude mit einer Mauer
unterziehen. (2) Figürlich, als ein Reciprocum, sich einer Sache
unterziehen, die Bewerkstelligung derselben übernehmen, am häufigsten
von der Bewerkstelligung der Sache eines andern. Es herrscht in dieser
Bedeutung eben dieselbe Figur als in unternehmen, unterfangen,
unterstehen, unterwinden, nur daß hier die Nebenbegriffe der
Wichtigkeit, der Verwegenheit, des Verbothenen u. s. f. fehlen. So
auch die Unterziehung in den Bedeutungen dieses zweyten Verbi.
Unterzug (W3) [Adelung]
Der Unterzug,
des -es, plur. die -züge. 1. Die Handlung des Unterziehens, ohne
Plural, und nur in einigen Fällen. Im Bergbaue ist es die Handlung, da
in den Gruben neues Holz untergezogen wird. 2. Dasjenige, was
untergezogen wird, auch nur in einigen Fällen. So sind die Unterzüge
im Bergbaue starke Hölzer, welche unter die schweren Kasten in den
Gruben gezogen, d. i. gelegt werden. In der Zimmermannskunst ist der
Unterzug ein starker Balken, welcher unter einen andern geleget wird,
damit er sich nicht biege, wofür jetzt lieber der über demselben
liegende Träger gebraucht wird.
Unteutsch (W3) [Adelung]
Unteutsch,
S. Undeutsch.
Unthat (W3) [Adelung]
Die Unthat,
plur. die -en, eine lasterhafte, boshafte That, ein Verbrechen, wo
dieses Wort einen noch härtern Nebenbegriff hat, als Missethat. Eine
Unthat begehen. Wegen seiner Unthaten hingerichtet werden. Unthaten
unter dem Vorhange der Macht.
Anm. Schon bey dem Ottfried Untat, bey
den Schwäbischen Dichtern Ungetat. Un hat hier die Bedeutung des Bösen
im härtesten Verstande, den härtesten Gegensatz einer guten That, zu
bezeichnen. Das Hauptwort der Unthäter, ein Verbrecher, ist im
Hochdeutschen veraltet.
Unthätchen (W3) [Adelung]
Das Unthätchen,
des -s, plur. ut nom. sing. ein nur im gemeinen Leben übliches Wort,
einen Flecken, Mangel, kleinen Fehler zu bezeichnen. Ein Unthätchen in
dem Auge haben, einen kleinen Flecken, kleinen Mangel. An dem ganzen
Leibe war kein Unthätchen zu spüren, nicht der geringste Flecken oder
Fehler. Es ist ohne Zweifel das Diminutivum des vorigen Wortes, ob ihm
gleich dessen harter Nebenbegriff völlig mangelt.
Unthätig (W3) [Adelung]
Unthätig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von thätig, doch nur in dessen
engerer Bedeutung, keine oder wenig pflichtmäßige Veränderungen außer
sich hervor bringend und darin gegründet. Unthätig seyn. Die Armee
blieb unthätig in ihrem Lager. Ein unthätiger Mann, dem es an der
Fertigkeit fehlet, viele pflichtmäßige Veränderungen außer sich hervor
zu bringen.
Unthätigkeit (W3) [Adelung]
Die Unthätigkeit,
plur. car. die Eigenschaft, da ein Ding unthätig ist, der Zustand, und
in engerer Bedeutung, die Fertigkeit, da man keine oder doch nur wenig
pflichtmäßige Veränderungen außer sich hervor bringet. Die Langeweile
entspringt aus der Unthätigkeit der Seele.
Untheilbar (W3) [Adelung]
Untheilbar,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht getheilet werden kann und darf, der
Gegensatz von theilbar. Gott ist untheilbar, weil er nicht getheilet
werden kann. Untheilbare Güter, welche nicht getheilet werden dürfen.
In einigen Gegenden untheilig. Daher die Untheilbarkeit.
Untheilhaft (W3) [Adelung]
Untheilhaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von theilhaft, der doch im
Hochdeutschen wenig gebraucht wird. 1. Einer Sache nicht theilhaft
oder theilhaftig, in welchem Verstande es am seltensten ist. Eines
Verbrechens untheilhaft seyn, keinen Theil daran haben. 2. Was sich
nicht bequem oder vortheilhaft in mehrere Theile theilen lässet.
Kalbfleisch ist untheilhaft. So auch die Untheilhaftigkeit.
Unthier (W3) [Adelung]
Das Unthier,
des -es, plur. die -e. 1. Ein jedes reißende, schädliche, auch wohl
abscheuliche, ungestaltete Thier. Besonders wird in den gemeinen
Sprecharten der Wolf in der engsten Bedeutung das Unthier genannt,
wenn der Aberglaube sich nicht getrauet, ihn bey seinem rechten Nahmen
zu nennen. Bey den Friesen wird das Ungeziefer Unthiere genannt. 2.
Figürlich, ein lasterhafter, wilder, auch wohl ein jeder unnütze,
untaugliche Mensch; am häufigsten im gemeinen Leben.
Anm. Im Nieders.
Undeert. Thier bedeutet hier, im engsten Verstande, ein zahmes oder
nützliches Thier, un aber deutet den Gegensatz mit dem harten
Nebenbegriffe des Schädlichen an, wie in Unthat, Unwesen, Ungeheuer u.
s. f.
Unthunlich (W3) [Adelung]
Unthunlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von thunlich, was sich nicht
thun, sich nicht als Veränderung hervor bringen lässet, so wohl
absolute für unmöglich, als auch, und zwar am häufigsten, den
Umständen nach, nicht leicht, nicht rathsam zu thun. Eine unthunliche
Sache. Die Sache ist unthunlich. So auch die Unthunlichkeit ohne
Plural, von der Eigenschaft. Die Unthunlichkeit einer Sache.
Untiefe (W3) [Adelung]
Die Untiefe,
plur. die -n, der Gegensatz der Tiefe, doch nur in eingeschränkter
Bedeutung. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, den Mangel der
erforderlichen oder gehörigen Tiefe. Die Untiefe des Flusses war
Schuld daran, daß das Schiff nicht weiter konnte. 2. Stellen im
Wasser, welche nicht die gehörige Tiefe haben, besonders in der
Schifffahrt, wo seichte Örter, Sandbänke unter dem Wasser, so fern sie
die Schifffahrt hindern, Untiefen genannt werden.
Untödlich (W3) [Adelung]
Untödlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht tödlich, den Tod nicht verursachend, mit
keiner Todesgefahr verbunden, wofür man doch lieber nicht tödlich
sagt. Eine untödliche Wunde. So auch die Untödlichkeit.
Unträchtig (W3) [Adelung]
* Unträchtig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht trächtig, d. i. nicht tragbar,
untragbar, unfruchtbar; ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort. Es
soll nichts unträchtig seyn, 2 Mos. 23, 26.
Untragbar (W3) [Adelung]
Untragbar,
-er, -ste, adj. et adv. nicht tragbar, in der zweyten Bedeutung dieses
Wortes, keine Frucht tragend oder bringend, so wohl von Gewächsen als
Thieren. Ein untragbarer Baum. Eine untragbare Kuh, welche entweder
überhaupt, oder nur dieses Jahr unfruchtbar ist. S. Gelt und Güst. So
auch die Untragbarkeit.
Unträglich (W3) [Adelung]
* Unträglich,
-er, -ste, adj. et adv. welches im Hochdeutschen veraltet ist, und nur
noch in der Deutschen Bibel für unerträglich vorkommt. Es wird
unträglich seyn, Ezech. 23, 32. Unträglich ist dein Zorn, o Gott! Geb.
Manass. v. 5. Unträgliche Bürden, Matth. 23, 4.
Untreu (W3) [Adelung]
Untreu,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von treu, welcher in dessen
sämmtlichen Bedeutungen üblich ist, außer etwa in der zweyten und
dritten nicht. In vielen Fällen ist dafür ungetreu theils üblicher,
theils edler, von welchen Fällen die vornehmsten bey treu angeführet
worden, ( S. dieses Wort.) Ein untreues Gemählde, welches der Wahrheit
nicht völlig gemäß ist; besser ein ungetreues. Seinem Herren untreu
oder ungetreu werden. Ein untreuer, (edler ungetreuer,) Liebhaber, ein
ungetreuer Freund. Untreues Gesinde, (nicht ungetreues,) welches nicht
geflissentlich bemühet ist, die Entwendung der Eigenthumes ihrer
Herrschaft zu vermeiden.
Anm. Im Nieders. untrou. Treulos sagt mehr,
als den bloßen Mangel des treu. Luthers untreulich, untreulich
handeln, Ps. 44, 18, ist im Hochdeutschen veraltet.
Untreue (W3) [Adelung]
Die Untreue,
plur. car. der Gegensatz der Treue, ( S. dieses Wort.) Die Untreue
eines Geschichtschreibers, Mangel der Fertigkeit sich der Wahrheit auf
das möglichste zu befleißigen. Die Welt ist voll Untreu, Sir. 11, 30,
Mangel der Fertigkeit in Beförderung des Besten anderer, ingleichen
Mangel der Fertigkeit in Erfüllung seiner Pflichten, besonders
vorsetzliche Nichterfüllung seines Versprechens. Die Untreue eines
Liebhabers, Nichterfüllung der versprochenen Liebe. Die Untreue des
Gesindes, Mangel der pflichtmäßigen Vermeidung der Entwendung des
Eigenthumes ihrer Herrschaft.
Anm. Zu den Zeiten der Schwäbischen
Dichter untriwe; in härtern Mundarten, ohne e euphon. Untreu, welches
auch in der Deutschen Bibel vorkommt.
Untreulich (W3) [Adelung]
Untreulich,
S. Untreu, Anm.
Untrieglich (W3) [Adelung]
Untrieglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von trieglich, unfähig, jemandes
Erwartung zu dessen Nachtheil nicht zu erfüllen; wo es doch nur in
weiterm Verstande gebraucht wird, unfähig zu irren oder die Wahrheit
zu verfehlen, wo es oft für unfehlbar, zuverläßig u. s. f. gebraucht
wird. Ein untrieglicher Mann. Die heilige Schrift ist untrieglich,
unfehlbar. So auch die Untrieglichkeit.
Untrinkbar (W3) [Adelung]
Untrinkbar,
-er, -ste, adj. et adv. nicht trinkbar, was sich nicht trinken lässet,
Untrinkbares Wasser. Daher die Untrinkbarkeit.
Untröstbar (W3) [Adelung]
Untröstbar,
S. das folgende.
Untröstlich (W3) [Adelung]
Untröstlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von tröstlich, doch nur in der
veralteten Bedeutung des Trostes fähig, sich trösten lassen, unfähig,
Trost anzunehmen, sich trösten zu lassen. Die Mutter ist wegen des
Verlustes ihres Kindes untröstlich. So auch die Untröstlichkeit. Ich
will sie nicht aufrichten, wenn sie in der Untröstlichkeit mehr
angenehmes finden, als in der Beruhigung, Gell. Untröstbar und
Untröstbarkeit sind in eben diesem Verstande in der edlen Schreibart
gangbar. In den übrigen Bedeutungen des Wortes tröstlich ist der
Gegensatz untröstlich nicht üblich.
Untrüglich (W3) [Adelung]
Untrüglich,
S. Untrieglich.
Untüchtig (W3) [Adelung]
Untüchtig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von tüchtig. in der zweyten
weitern Bedeutung, die zu einer Sache erforderlichen Eigenschaften in
vorzüglichem Grade nicht habend, als eine Art eines Intensivi von
untauglich. Was aber schnöde und untüchtig war (von dem Viehe), das
verbanneten sie, 1. Sam. 15, 9. Dem Herren etwas untüchtiges opfern,
Malach. 1, 14; wo man lieber untauglich brauchen würde. Zu allen guten
Werken untüchtig, Tit. 1, 16. Zu einem Amte untüchtig seyn. So auch
die Untüchtigkeit.
Untugend (W3) [Adelung]
Die Untugend,
plur. die -en, der Gegensatz der Tugend, doch nur so fern dieses Wort
im Concreto einzelne Neigungen und Fertigkeiten bedeutet. 1. Eine
vorsetzlich wider ein Gesetz streitende Handlung, die Übertretung
eines Gesetzes in einzelnen Fällen, ingleichen eine lasterhafte
Fertigkeit, Neigung u. s. f. wo es als der Gegensatz von Tugend ehedem
sehr häufig für Sünde, Verbrechen, Laster u. s. f. gebraucht wurde.
Untugend kommt vom Gottlosen, 1 Sam. 24, 14. Mein Zorn über ihre
Untugend wird ein Ende haben, Es. 10, 25. Eure Untugenden scheiden
euch und euren Gott von einander, Es. 59, 2. Die Sünde ist Untugend, 1
Joh. 5, 17; und so in andern Stellen mehr, wo es auch als ein
Abstractum und ohne Plural, von dem Mangel der Übereinstimmung des
moralischen Zustandes mit dem Gesetze vorkommt. Doch in dieser ganzen
Bedeutung wird es außer der biblischen Schreibart wenig mehr
gebraucht. 2. In engerer und gelinderer Bedeutung, ist die Untugend,
so wie Unart, eine üble Gewohnheit, eine Fertigkeit, welche dem
angenommenen Begriffe der Vollkommenheit, oder auch der Tauglichkeit
zu einer gewissen Absicht widerspricht. Ein Kind hat Untugenden an
sich, wenn es üble Gewohnheiten angenommen hat. Stätigkeit, Beißen,
Schlagen u. s. f. sind Untugenden an einem Pferde, Tücke, Faulheit u.
s. f. an einem Hunde. Neigung zum Trunke, Untreue, Faulheit und andere
lasterhafte Fertigkeiten pflegt man auch Untugenden an einem Menschen
zu nennen, besonders im gelinden Verstande, und ohne Rücksicht auf ein
Gesetz, sondern bloß in Beziehung auf den Begriff der Vollkommenheit.
Im Nieders. Undögt.
Untugendhaft (W3) [Adelung]
Untugendhaft,
adj. et adv. nicht tugendhaft, als dessen Gegensatz, der doch wenig
gebraucht wird.
Unüberlegt (W3) [Adelung]
Unüberlegt,
-er, -este, adj. et adv. nicht überlegt, den Umständen und den Folgen
nach nicht gehörig überdacht und darin gegründet. Ein unüberlegtes
Einfall. Unüberlegt handeln. Ein unüberlegter Mensch, welcher
Fertigkeit besitzet, ohne gehörige Überlegung zu handeln; ein
unbedachtsamer, unbesonnener. Daher die Unüberlegtheit, die
Eigenschaft, da eine Sache unüberlegt ist, ingleichen die Fertigkeit,
so zu handeln. S. Überlegen.
Unübersehbar (W3) [Adelung]
Unübersehbar,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht zu übersehen ist. Eine unübersehbare
Fläche. Eine weite liebliche Aussicht, die sich am Ende mit
unübersehbar in reiner Luft verliert, Geßn. So auch die
Unübersehbarkeit.
Unüberwindlich (W3) [Adelung]
Unüberwindlich,
-er, -ste, adj. et adv. unfähig überwunden zu werden. Ein
unüberwindlicher Held. Heere dieser Art sind unüberwindlich. Ein
unüberwindlicher Schmerz. Ein unüberwindlicher Verlust, welchen man
nicht überwinden, verschmerzen und ersetzen kann. Daher die
Unüberwindlichkeit.
Unumgänglich (W3) [Adelung]
Unumgänglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von umgänglich. 1. Abgeneigt,
Umgang mit andern zu pflegen, und darin gegründet, ingleichen Mangel
an den zum geselligen Umgange nöthigen Eigenschaften habend.
Unumgänglich seyn. Ein unumgänglicher Mensch, ein unumgängliches
Betragen. 2. Dessen man nicht Umgang haben kann, d. i. schlechterdings
nothwendig; in welchem Verstande umgänglich nicht üblich ist. Es ist
mir unumgänglich nothwendig. Ein unumgängliches Bedürfniß. Wir müssen
unumgänglich wieder fort. Als ein Beywort ist es seltener denn als ein
Nebenwort. Daher die Unumgänglichkeit, in beyden Bedeutungen.
Unumschränkt (W3) [Adelung]
Unumschränkt,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von umschränkt, durch nichts
umschränkt oder eingeschränkt, am häufigsten der Gewalt und Macht
nach; uneingeschränkt. Ein König herrscht unumschränkt, wenn sein
Wille durch Verträge mit seinen Unterthanen nicht eingeschränkt werden
kann, wenn er souverain ist. Eine unumschränkte Regierung. Ein
unumschränkter Monarch. Daher die Unumschränktheit.
Unumstößlich (W3) [Adelung]
Unumstößlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht umgestoßen werden kann, doch nur im
figürlichen Verstande, was nicht widerlegt, durch keine Gegengründe
entkräftet werden kann. Ein unumstößlicher Beweis. Etwas unumstößlich
beweisen. Es erhellet unumstößlich daraus, daß u. s. f. Daher die
Unumstößlichkeit.
Ununterbrochen (W3) [Adelung]
Ununterbrochen,
-er, -ste, adj. et adv. durch nichts unterbrochen. Eine
ununterbrochene Erzählung. Ein ununterbrochener Fortgang des Glückes.
Ununterwürfig (W3) [Adelung]
Ununterwürfig,
adj. et adv. nicht unterwürfig, nicht unterworfen. Daher die
Ununterwürfigkeit.
Unverachtet (W3) [Adelung]
Unverachtet,
adj. et adv. nicht verachtet. Es ist am häufigsten als ein Nebenwort
üblich, ohne zu verachten. Laß andere unverachtet, verachte sie nicht.
Seine Würde unverachtet, ohne seine Würde zu verachten.
Unverächtlich (W3) [Adelung]
Unverächtlich,
adj. et adv. nicht verächtlich. Daher die Unverächtlichkeit.
Unveränderlich (W3) [Adelung]
Unveränderlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht verändern läßt, so wohl
absolute, als auch den Umständen nach; unabänderlich, in einigen
Fällen auch unwandelbar. Unveränderliche und ewige Ursachen. Gott ist
unveränderlich, so wohl seinem Wesen, als auch seinem Willen nach.
Daher die Unveränderlichkeit.
Unverantwortlich (W3) [Adelung]
Unverantwortlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht verantworten, mit nichts
rechtfertigen läßt. Ein unverantwort- liches Betragen.
Unverantwortlicher Weise. Daher die Unverantwortlichkeit.
Unverbesserlich (W3) [Adelung]
Unverbesserlich,
-er, -ste, adj. et adv. so gut, daß es nicht besser gemacht werden
kann. Im Scherze nennt man etwas unverbesserlich, wenn es so schlecht
ist, daß es durch alles Bessern nicht gut oder erträglich werden kann.
So auch die Unverbesserlichkeit.
Unverbindlich (W3) [Adelung]
Unverbindlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht verbindlich, in beyden Bedeutungen
dieses Wortes. Ein unverbindliches Betragen, welches eben nicht
geschickt ist, andere zu verbinden, d. i. zum Wohlwollen zu bewegen.
Ingleichen jemanden nicht verbindend, ihm keine Pflicht auflegend. Das
Jüdische Gesetz ist für uns unverbindlich. Daher die
Unverbindlichkeit, in beyden Fällen.
Unverborgen (W3) [Adelung]
Unverborgen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht verborgen. Ihre Missethat ist vor meinen
Augen unverborgen, Jer. 16, 17. Daher die Unverborgenheit.
Unverbothen (W3) [Adelung]
Unverbothen,
adj. et adv. nicht verbothen. Das ist dir unverbothen.
Unverbrennlich (W3) [Adelung]
Unverbrennlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht verbrannt werden kann, der Gegensatz
von verbrennlich. Unverbrennliche Leinwand.
Unverbrochen (W3) [Adelung]
Unverbrochen,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von verbrochen, dem Mittelwort
von verbrechen, welcher doch nur in einigen Fällen üblich ist. 1. *
Wie unverbrüchlich, eine im Hochdeutschen fremde Bedeutung. Er hielt
sein Wort stets unverbrochen, Daß er dem Abraham gesprochen, Opitz Ps.
105. 2. * Nichts verbrochen, unschuldig, welche im Hochdeutschen
gleichfalls unbekannt ist. 3. Im Bergbaue ist ein unverbrochenes Feld,
welches durch den Grubenbau noch nicht erbrochen oder geöffnet worden,
eine zum Bergbaue noch nicht genütztes Feld, welches daselbst auch ein
unverritztes, unverschrotenes, unverwundetes, unverfahrnes Feld
genannt wird.
Unverbrüchlich (W3) [Adelung]
Unverbrüchlich,
-er, -ste, adj. et adv. was auf keine Weise gebrochen wird oder
gebrochen werden darf. Ein unverbrüchliches Stillschweigen beobachten,
eine Sache auf das heiligste gewissenhafteste verschweigen. Am
häufigsten als ein Nebenwort. Sein Versprechen unverbrüchlich halten.
Den Frieden unverbrüchlich halten, ohne ihn auf irgend eine Art zu
brechen. Daher die Unverbrüchlichkeit.
Anm. Frisch, welcher dieses
Wort nur als ein Nebenwort kannte, glaubte, es habe keine Analogie,
vor sich, weil es weder von Verbruch, als welches nie üblich gewesen,
noch von Brüche, Strafe, herkommen könne. Allein, es stammet von der
jetzt veralteten Bedeutung des Zeitwortes verbrechen her, nach welcher
es auch für das einfache brechen in figürlichem Verstande üblich war,
welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Ihr habt den Bund Levi
verbrochen, Malach. 2, 8. Sie haben den ersten Glauben verbrochen, 1
Tim. 5, 12. Von welchem Zeitworte denn allerdings ein Hauptwort
Verbruch, für Bruch, üblich gewesen seyn muß, von welchem das
veraltete verbrüchlich und dessen Gegensatz unverbrüchlich gebildet
worden; man müßte denn annehmen, daß dieses letztere aus
unverbrechlich verderbt worden.
Unverdächtig (W3) [Adelung]
Unverdächtig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht verdächtig. Ein unverdächtiger Zeuge u.
s. f. So auch die Unverdächtigkeit.
Unverdammlich (W3) [Adelung]
Unverdammlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht verdammlich, was nicht verdammt, nicht
für strafbar erkläret werden kann. So auch die Unverdammlichkeit.
Unverdaulich (W3) [Adelung]
Unverdaulich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht verdaulich, was gar nicht oder doch
schwer verdauet werden kann. Eine un- verdauliche Speise. Diese Speise
ist sehr unverdaulich. Unverdauet hingegen ist, was noch nicht
verdauet.
Unverdaulichkeit (W3) [Adelung]
Die Unverdaulichkeit,
plur. car. 1. Die Eigenschaft, da eine Sache unverdaulich ist. 2.
Zuweilen auch, die Eigenschaft des Magens, da er die ihm anvertrauten
Speisen nicht zu verdauen fähig ist; in welcher Bedeutung das Beywort
nicht üblich ist. Die Unverdaulichkeit ist die Ursache vieler
Krankheiten.
Unverderblich (W3) [Adelung]
Unverderblich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von verderblich, doch nur so
fern dieses von dem Neutro verderben abstammet, der Verderbung nicht
unterworfen. So auch die Unverderblichkeit. Unverdorben hingegen ist,
was wirklich noch nicht verdorben ist.
Unverdient (W3) [Adelung]
Unverdient,
-er, -este, adj. et adv. nicht verdient, in dem vorher gehenden
Verhalten nicht gegründet. Ein unverdienter Fluch, Sprichw. 26, 1.
Unverdienter Weise.
Unverdrossen (W3) [Adelung]
Unverdrossen,
-er, -ste, adj. et adv. nicht verdrossen, d. i. unfähig, sich durch
Beschwerden oder Langwierigkeit einer Arbeit abschrecken zu lassen,
und darin gegründet. Ein unverdrossener Mann. Unverdrossen seyn. Im
Theuerd. onverdries. Daher die Unverdrossenheit, diese Eigenschaft.
Unverehligt (W3) [Adelung]
Unverehligt,
adj. et adv. nicht verehligt, unverheirathet. Noch unverehligt seyn.
Eine unverehligte Jungfrau.
Unvereinbar (W3) [Adelung]
Unvereinbar,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht vereinen, mit andern Dingen
nicht verbinden, ingleichen nicht zusammen reimen lässet; bey einigen
ohne Noth unvereinbarlich. So auch die Unvereinbarkeit.
Unverfahren (W3) [Adelung]
Unverfahren,
adj. et adv. nicht verfahren, nur im Bergbaue. Ein unverfahrnes Feld,
wo noch nicht auf Erze gebauet worden. S. Unverbrochen.
Unverfälscht (W3) [Adelung]
Unverfälscht,
adj. et adv. nicht verfälscht. Ein unverfälschter Wein.
Unverfänglich (W3) [Adelung]
Unverfänglich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht verfänglich, mit keiner Gefahr des
Betruges oder des Nachtheiles verbunden. Eine unverfängliche Frage,
welche ohne hinterlistige Absicht, oder auch nur, ohne Absicht zu
schaden geschiehet. Das ist mir unverfänglich, kann mir keinen
Nachtheil bringen. Für unverbindlich, in welcher Bedeutung Frisch
dieses Wort anführet, ist es im Hochdeutschen nicht üblich.
Unvergänglich (W3) [Adelung]
Unvergänglich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht vergänglich, dem Aufhören, seinem
gegenwärtigen Zustand nach, nicht unterworfen. So wohl im
eigentlichsten schärfsten Verstande, in welchem Gott in der Deutschen
Bibel mehrmahls unvergänglich heißt. Ein unvergängliches Priesterthum,
Ebr. 7, 24. Die unvergängliche Weisheit, Weish. 6, 13. Als auch in
weiterer Bedeutung eine ungewöhnlich lange Dauer habend. Ein
unvergänglicher Zeug. Eine unvergängliche Farbe. So auch die
Unvergänglichkeit.
Unvergeblich (W3) [Adelung]
Unvergeblich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht vergeblich, was nicht vergeben werden
kann. Ein unvergebliches Versehen. So auch die Unvergeblichkeit.
Unvergessen (W3) [Adelung]
Unvergessen,
adv. noch nicht vergessen. Das ist mir noch unvergessen, ich habe es
noch nicht vergessen. Als ein Beywort wird es wohl nicht leicht
vorkommen.
Unvergeßlich (W3) [Adelung]
Unvergeßlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht vergessen werden kann noch darf.
Deine Güte wird mir Zeit Lebens unvergeßlich seyn. Ein unvergeßliches
Andenken. Sich einen unvergeßlichen Ruhm erwerben. Daher die
Unvergeßlichkeit.
Unvergleichlich (W3) [Adelung]
Unvergleichlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht vergleichen läßt, doch nur in
engerer Bedeutung, so vollkommen, daß es mit nichts verglichen werden
kann. Gott ist unvergleich- lich. Die Unvergleichlichkeit Gottes,
vermöge welcher er mit keinem andern Wesen verglichen werden kann. In
weiterm Verstande wird es im gemeinen Leben sehr häufig, für
vortrefflich, vollkommen überhaupt gebraucht. Ein unvergleichlicher
Mann. Das war ein unvergleichlicher Einfall. Es schmeckt
unvergleichlich. Im Scherze nennt man auch wohl einen streitsüchtigen
Advokaten, welcher sich niemahls gern mit seinem Gegentheile
vergleicht, zweydeutiger Weise, einen unvergleichlichen Advokaten. So
auch die Unvergleichlichkeit.
Unvergnüglich,Unvergnügsam (W3) [Adelung]
Unvergnüglich und
Unvergnügsam, -er, -ste, adj. et adv. zwey Wörter, welche mit
verschiedenen Ableitungssylben einerley bedeuten, sich nicht begnügen
lassend, ingleichen Fertigkeit besitzend, nicht leicht genug zu
bekommen und darin gegründet, als Gegensatze für die seltenen
vergnüglich und vergnügsam, wofür genügsam, so wie für den Gegensatz
ungenügsam üblicher ist. So auch die Unvergnüglichkeit und
Unvergnügsamkeit, die Ungenügsamkeit.
Unvergolten (W3) [Adelung]
Unvergolten,
adj. et adv. vergolten. Ein Becher Wassers soll nicht unvergolten
bleiben, Macc. 9, 41.
Unverhalten (W3) [Adelung]
Unverhalten,
adv. der Gegensatz des Mittelwortes verhalten, von dem Zeitworte
verhalten, verschweigen, der doch wenig gebraucht wird, für nicht
verschwiegen. Eins sey euch unverhalten, 2 Petc. 3, 8. Im Oberd.
ohnverhalten.
Unverhofft (W3) [Adelung]
Unverhofft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von verhofft, nicht verhofft,
oder nicht gehofft. Jemanden ein unverhofftes Vergnügen machen. Das
war ein unverhoffter Besuch. Sprichw. Unverhofft, kommt oft. Zuweilen,
obgleich seltener, auch in weiterer Bedeutung für unvermuthet, so fern
hoffen überhaupt nicht bloß von einem Guten, sondern von der
wahrscheinlichen Erwartung einer jeden künftigen Begebenheit gebraucht
wird. Der Todesfall kam uns allen sehr unverhofft, wir hatten ihn
nicht gehofft oder vermuthet.
Unverhohlen (W3) [Adelung]
Unverhohlen,
adj. et adv. welches doch in der Adverbial-Form am üblichsten ist, der
Gegensatz von dem Mittelworte verhohlen, nicht verhohlen, ohne es zu
verhehlen. Etwas unverhohlen thun. Die unverhohlne Entdeckung seiner
Urtheile von andern. Es sey dir unverhohlen u. s. f. unverhalten,
unverschwiegen. Schon bey dem Ottfried unforholan, im Nieders.
unhalings, unhalinge.
Unverjährt (W3) [Adelung]
Unverjährt,
adj. et adv. nicht verjährt, durch keine Länge der Zeit ungültig
geworden. Der Thorheit unverjährte Rechte Erstrecken sich auf jedes
Haupt, Haged.
Unverletzlich (W3) [Adelung]
Unverletzlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht verletzet werden kann oder darf, der
Gegensatz von verletzlich. Unverletzlich seyn, nicht verletzet werden
können. Die Majestät ist unverletzlich, darf nicht verletzt werden.
Unverletzt hingegen, ist, wirklich nicht verletzt. So auch die
Unverletzlichkeit.
Unverloren (W3) [Adelung]
Unverloren,
adj. et adv. nicht verloren. Es ist dir unverloren, du bist nicht
darum gekommen, es ist in guten Händen. Es soll dir unverloren seyn,
du sollst nicht darum kommen.
Unvermeidlich (W3) [Adelung]
Unvermeidlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht vermieden werden kann. Die Reise ist
unvermeidlich. Zu deinem Unglück ist der Grund schon unvermeidlich
gelegt. Ein unvermeidlicher Verlust. So auch die Unvermeidlichkeit.
Unvermerkt (W3) [Adelung]
Unvermerkt,
-er, -este, adj. et adv. ohne daß es wäre vermerkt worden, unbemerkt.
Jemanden etwas unvermerkt zustecken.
Unvermögen (W3) [Adelung]
Das Unvermögen,
des -s, plur. car. der Mangel des Vermögens, d. i. der Kräfte allerley
Art. Das Unvermögen ist der gewöhnliche Begleiter des Alters, Mangel
der Leibeskräfte. Einen Bau aus Unvermögen nicht fortsetzen können,
aus Mangel der dazu nöthigen Kosten. Das geistliche Unvermögen des
Menschen, in der Theologie.
Unvermögend (W3) [Adelung]
Unvermögend,
-er, -ste, adj. et adv. nicht vermögend, kein Vermögen, keine Kräfte
zu etwas habend. Er war unvermögend, den geringsten Widerstand zu
thun. Unvermögend, sich aufzurichten, zu gehen, zu essen u. s. f. Das
Alter macht unvermögend. Er gibt Stärke genug den Unvermögenden, Es.
40, 29. Unvermögend seyn, die Kosten zu bestreiten. Daher die
Unvermögenheit, der Zustand, da man unvermögend ist, dagegen das
Unvermögen, den Mangel der Kräfte selbst bezeichnet. Unvermöglich und
die Unvermöglichkeit sind im gemeinen Leben gleichfalls gangbar, doch
nur von dem Mangel der Kräfte des Leibes.
Unvermuthet (W3) [Adelung]
Unvermuthet,
-er, -ste, adj. et adv. nicht vermuthet. Eine unvermuthete
Gelegenheit. Das kam uns sehr unvermuthet.
Unvernehmlich (W3) [Adelung]
Unvernehmlich,
adj. et adv. nicht vernehmlich, was nicht vernommen werden kann. Eine
unvernehmliche Stimme. Sehr unvernehmlich sprechen. Daher die
Unvernehmlichkeit.
Unvernunft (W3) [Adelung]
Die Unvernunft,
plur. car. 1. Der Mangel, die Abwesenheit der Vernunft, ( S. dieses
Wort,) doch am häufigsten in engerer Bedeutung, der Mangel des
pflichtmäßigen Gebrauchs seiner Vernunft, und die darin gegründete
Beschaffenheit. Etwas aus Unvernunft thun. Deine Unvernunft ist Schuld
daran. 2. Zuweilen auch, doch gleichfalls nur im Singular, eine
unvernünftige Handlung. Es ist eine Unvernunft, einem andern an der
Thür horchen, Sir. 21, 26.
Unvernünftig (W3) [Adelung]
Unvernünftig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von vernünftig, nicht
vernünftig, nicht mit Vernunft begabet. Die unvernünftigen Thiere.
Ingleichen in engerm Verstande, Unvernunft verrathend, d. i. den
pflichtmäßigen Gebrauch seiner Vernunft unterlassend und darin
gegründet. Ein unvernünftiger Mensch. Ein unvernünftiges Betragen. Das
würde sehr unvernünftig seyn. ( S. Vernünftig.) Daher die
Unvernünftigkeit, die Eigenschaft, da etwas unvernünftig ist, wofür
doch Unvernunft üblicher ist, obgleich solches eigentlich die
Abwesenheit der Vernunft bedeutet.
Unverpflichtet (W3) [Adelung]
Unverpflichtet,
adj. et adv. nicht verpflichtet. Besonders in engerer Bedeutung, noch
nicht in Pflicht genommen.
Unverrichtet (W3) [Adelung]
Unverrichtet,
adj. et adv. noch nicht verrichtet. Eine unverrichtete Sache. Es ist
noch alles unverrichtet. Besonders in der R. A. unverrichtete Sache
(bey einigen Sachen, welches der Oberdeutsche Genit. Singul. ist.)
abziehen, wiederkommen, zurück kehren u. s. f. ohne sein Geschäft
ausgerichtet, seine Absicht erreicht zu haben; im Oberd.
unverrichteter Dingen.
Unverritzt (W3) [Adelung]
Unverritzt,
adj. et adv. welches nur im Bergbaue üblich ist, S. Unverbrochen.
Unverrückt (W3) [Adelung]
Unverrückt,
-er, -este, adj. et adv. nicht verrückt, als das Mittelwort des
Zeitwortes verrücken. 1. Eigentlich, nicht von seinem Orte gerückt, in
welcher Bedeutung die Comparation nicht üblich ist. Jemanden mit
unverrückten Augen ansehen. Am häufigsten als ein Nebenwort. Etwas
unverrückt stehen lassen. 2. Figürlich, ohne Unterbrechung, ohne
Änderung der Art und Weise. Ein unverrückter Gehorsam, welcher sich
durch nichts aus seiner Richtung bringen läßt. Jemanden unverrückt
ansehen, mit unverrückten Augen. Jesum unverrückt lieb haben, Ephes.
6, 24. Als der Gegensatz von verrückt, des Gebrauchs seines Verstandes
beraubt, ist es nicht üblich.
Unverschämt (W3) [Adelung]
Unverschämt,
-er, -este, adj. et adv. nicht verschämt, welches doch nicht so
gangbar ist, als dieser Gegensatz, die gehörige Scham bey Seite
setzend und darin gegründet. 1. Eigentlich. Man ist unverschämt, wenn
man sich nicht scheuet, Dinge zu begehen, welche die Ehrbarkeit und
Wohlanständigkeit beleidigen, und in noch weiterm Verstande, wenn man
Fertigkeit besitzt, sich an anderer billige Verachtung nicht zu
kehren. Ein unverschämter Mensch. Ein unverschämtes Maul, welches sich
nicht scheuet, Dinge zu sagen, welche wider die Wohlanständigkeit
sind. Daher sagt man jemanden auch unverschämte Dinge, wenn man ihm
Dinge sagt, welche die wohlanständige Achtung oder Ehrerbiethigkeit
verletzen. Eine unverschämte Lüge, wobey man sich nicht schämt, die
Wahrheit auf eine grobe Art zu verletzen, und sich dadurch die
Verachtung anderer auszusetzen. Unverschämt lügen. 2. In einigen
engern Bedeutungen. (1) Fertigkeit besitzend, Handlungen zu begehen,
welche die Ehrbarkeit und Keuschheit in hohem Grade verletzen, und
darin gegründet. Unverschämt küssen, Sprichw. 8, 13. Laß mich, nicht
in Schlemmen und Unkeuschheit gerathen, und behüthe mich vor
unverschämten Herzen, Sir. 23, 6. (2) Die billige und wohlanständige
Genügsamkeit in hohem Grade verletzend und darin gegründet. Eine
unverschämte Bitte. Unverschämt fordern. Eine unverschämte Forderung.
Anm. Im Isidor unscama, in Nieders. unverschaamt, im mittlern Lat.
expudoratus, im Nieders. auch ausverschaamt. S. Verschämt.
Unverschämtheit (W3) [Adelung]
Die Unverschämtheit,
plur. die -en. 1. Die Eigenschaft, da eine Person oder Sache
unverschämt ist; als ein Abstractum und ohne Plural. 2. Unverschämte
Handlungen, mit dem Plural.
Unverschroten (W3) [Adelung]
Unverschroten,
adj. et adv. im Bergbaue, S. Unverbrochen und Verschroten.
Unverschuldet (W3) [Adelung]
Unverschuldet,
adj. et adv. nicht verschuldet. Ein unverschuldetes Übel, welches man
nicht verschuldet hat. Unverschuldeter Weise. In einer andern
Bedeutung ist eine Person oder Sache unverschuldet, wenn sie mit
keinen Schulden beschweret ist. Ein unverschuldeter Mann. Ein
unverschuldetes Gut. Bey den Schwäbischen Dichtern in der ersten
Bedeutung unverscholt.
Unversehen (W3) [Adelung]
Unversehen,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von dem nicht so üblichen
versehen, als dem Mittelworte des Zeitwortes versehen, nicht vorher
gesehen, unvermuthet, unerwartet; Latein. improvisus. Ein unversehener
Zufall. Eine unversehene Furcht, Weish. 17, 15. Unversehener Weise.
Für das Nebenwort unversehen ist das folgende üblicher. Ehedem
gebrauchte man dafür unversichtlich, von dem gleichfalls veralteten
Hauptworte Versicht.
Unversehens (W3) [Adelung]
Unversehens,
adverb. welches vermittelst des adverbischen s von dem vorigen zu
einem Nebenworte gebildet worden, und statt des Adverbii unversehen
gebraucht wird, unvermuthet, ohne daß man es gesehen oder vorher
gesehen hätte; Lat. improviso. Unversehens fallen. Er kam unversehens darüber zu. Unversehens sterben, 4 Mos. 6, 9. Furcht kam über sie
unversehens, Weish. 18, 17. Unversehens einen Todschlag begehen, 4
Mos. 35, 11, 15. Im Oberd. unversehenlich, im Nieders. unverhob,
unverhüthet, unverhoddinges.
Unversehrlich (W3) [Adelung]
Unversehrlich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht versehret werden kann und darf.
Daher die Unversehrlichkeit.
Unversehrt (W3) [Adelung]
Unversehrt,
-er, -este, adj. et adv. nicht versehrt. Es ist noch alles unversehrt.
Im Schwabensp. unsert, usert. Daher die Unversehrtheit.
Unversöhnlich (W3) [Adelung]
Unversöhnlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von versöhnlich, abgeneigt, den
Unwillen gegen seine Beleidiger fahren zu lassen und darin gegründet.
Unversöhnlich seyn. Ein unversöhnliches Herz. Daher die
Unversöhnlichkeit. Unversöhnt bedeutet hingegen nur, noch nicht versöhnt. Unversöhnt dahin sterben.
Unversorgt (W3) [Adelung]
Unversorgt,
-er, -este, adj. et adv. noch nicht versorgt, mit keiner Versorgung
versehen. Noch unversorgt seyn. Zwey unversorgte Töchter.
Unverstand (W3) [Adelung]
Der Unverstand,
des -es, plur. car. der Gegensatz von Verstand, doch nur so fern
dieses Wort eine Fähigkeit der Seele bezeichnet, so wohl das
Unvermögen, aus einzelnen Empfindungen allgemeine Wahrheiten
herzuleiten, und den Zusammenhang derselben einzusehen, als auch, und
zwar am häufigsten, die Unterlassung des pflichtmäßigen Gebrauches
dieses Vermögens. Mit Unverstand reden, Hiob. 34, 35. Mit Unverstand
eisern, Röm. 10, 2. Alle seine Sachen mit Unverstand anfangen. Viel
Unverstand verrathen. ( S. Verstand.) So fern sich mit jemanden
verstehen, mit ihm einig seyn, bedeutet, war Unverstand, ehedem auch
Uneinigkeit, Mißhelligkeit, in welcher Bedeutung es aber längst
veraltet ist.
Unverständig (W3) [Adelung]
Unverständig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von verständig, Unverstand
habend, verrathend und darin gegründet. Unverständig seyn. Ein
unverständiges Kind. Ein unverständiges Betragen. Ein sehr
unverständiger Einfall. Daher die Unverständigkeit, die Eigenschaft,
da eine Person oder Sache unverständig ist, dagegen Unverstand die
wirkliche Abwesenheit, oder den unterlassenen Gebrauch des Verstandes
bezeichnet.
Unverständlich (W3) [Adelung]
Unverständlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von verständlich, was nicht
verstanden werden kann. Unverständlich reden. Das ist mir
unverständlich. Ein unverständlicher Satz. So auch die
Unverständlichkeit.
Unversucht (W3) [Adelung]
Unversucht,
adj. et adv. nicht versucht. Ein noch unversuchtes Mittel. Nichts
unversucht lassen, alles versuchen.
Unverträglich (W3) [Adelung]
Unverträglich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von verträglich, unfähig, sich
mit andern zu vertragen, mit ihnen in Eintracht zu leben, und darin
gegründet. Unverträglich seyn. Ein unverträglicher Mensch. Ein
unverträgliches Verfahren. In weiterer Bedeutung ist ein Ding mit dem
andern unverträglich, wenn es mit demselben nicht verstehen kann. So
auch die Unverträglichkeit.
Unverwandt (W3) [Adelung]
Unverwandt,
adj. et adv. der Gegensatz von dem in dieser Bedeutung
ungebräuchlichen verwandt, dem Mittelworte von verwenden, nicht von
seiner Stelle, nicht von seinem Platze gewandt, wie unverrückt. 1.
Eigentlich, wo es doch im Hochdeutschen nur in einigen Fällen
gebraucht wird. Jemanden mit unverwandten Augen oder unverwandt
ansehen, ohne die Augen von ihm zu verwenden. Sein Blick ruhete
unverwandt auf dem Greise, Geßn. 2. Figürlich, ununterbrochen, ohne
Aufhören, wie unverrückt; welche Bedeutung doch im Hochdeutschen
ungewöhnlich ist. Ein unverwandter Muth, Opitz. Israels Hort wacht
unverwandt, eben ders. Ps. 121. Mein Herz hat ihn (deinen Befehl,)
erkoren unverwandt, eben ders. Ps. 119.
Unverwehrt (W3) [Adelung]
Unverwehrt,
adj. et adv. nicht verwehrt. Das ist, bleibt uns unverwehrt, wird uns
von niemanden gewehret.
Unverweigerlich (W3) [Adelung]
Unverweigerlich,
adj. et adv. was nicht verweigert werden kann. S. auch Unweigerlich.
Unverwelklich (W3) [Adelung]
Unverwelklich,
-er, -ste, adj. et adv. unfähig zu verwelken. Figürlich, doch nur in
der Deutschen Bibel, für unvergänglich, ewig dauernd. Das
unverwelkliche Erbe im Himmel, 1 Pet. 1, 4; wo die Figur freylich hart
und ungewöhnlich. Die unver- welkliche Krone der Ehren, Kap. 5, 4.
Daher die Unverwelklichkeit.
Unverwerflich (W3) [Adelung]
Unverwerflich,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht verworfen werden kann. Ein
unverwerflicher Zeuge, gegen dessen Zeugniß man nichts mit Grunde
einwenden kann. So auch Unverwerflichkeit.
Unverweslich (W3) [Adelung]
Unverweslich,
adj. et adv. der Verwesung nicht ausgesetzt, unfähig zu verwesen,
durch Fäulniß getrennet zu werden. In manchen Arten von Erde bleiben
die Körper unverweslich. Es wird gesäet verweslich und wird aufstehen
unverweslich. 1 Cor. 15, 42, 53. In einer andern Stelle, 4 Mos. 14, 19
kommt dafür das ungewöhnliche unverwesentlich vor. Daher die
Unverweslichkeit.
Unverwindlich (W3) [Adelung]
Unverwindlich,
-er, -ste, adj. et adv. was man nicht verwinden, d. i. verschmerzen
und ersetzen kann; nur im gemeinen Leben. Ein unverwindlicher Verlust,
Schade. So auch die Unverwindlichkeit.
Unverworren (W3) [Adelung]
Unverworren,
adj. et adv. der Gegensatz von verworren, nicht verworren. Es stehet
hier nur um der figürlichen R. A. willen, sich mit etwas unverworren
lassen, sich nicht darein mengen, sich nicht damit abgeben. Sey
unverworren mit dem, der Heimlichkeit offenbaret, Sprichw. 20, 19; wo
doch die Verbindung mit seyn ungewöhnlich ist.
Unverzagt (W3) [Adelung]
Unverzagt,
-er, -este, adj. et adv. nicht verzagt. Ein unverzagter Muth.
Ingleichen als ein Aufmunterungswort, unverzagt!
Unverzüglich (W3) [Adelung]
Unverzüglich,
adj. et adv. ohne Verzug. Das unverzügliche Recht, in den Rechten
einiger Gegenden, da man summarisch mit Verkürzung der gewöhnlichen
Fristen verfähret, ohne vielen und gewöhnlichen Verzug. Noch häufiger
ohne allen Verzug. Einen unverzüglichen Gehorsam leisten. Unverzüglich
gehorchen, kommen. Eine Sache unverzüglich abthun, auf der Stelle,
ohne den geringsten Verzug. Daher die Unverzüglichkeit. Im Theuerdanke
kommt noch das veraltete Nebenwort unverzug in eben dieser Bedeutung
vor.
Unvollkommen (W3) [Adelung]
Unvollkommen,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von vollkommen in dessen meisten
Bedeutungen, ( S. dieses Wort,) in dem Mannigfaltigen seiner Theile
nicht gehörig zusammenstimmend, oder auch, nicht den möglichen besten
Grad der Güte habend. Eine Schönheit ist unvollkommen, wenn das
Mannigfaltige in derselben nicht gehörig zusammen stimmt, oder wenn
noch etwas an dem höchsten möglichen Grade derselben fehlet. Ein
unvollkommenes Gebäude.
Unvollkommenheit (W3) [Adelung]
Die Unvollkommenheit,
plur. die -en. 1. Die Eigenschaft, da ein Ding unvollkommen ist, als
ein Abstractum und ohne Plural. 2. Dasjenige, was diesen Zustand
verursacht, d. i. dasjenige, was die gehörige Zusammenstimmung des
Mannigfaltigen, oder den höchsten möglichen Grad der Güte hindert; mit
dem Plural. In diesem Verstande werden Laster, Mängel, Fehler,
Krankheiten u. s. f. ja alle Arten der Einschränkung
Unvollkommenheiten genannt.
Unvonnöthen (W3) [Adelung]
Unvonnöthen,
adv. welches nur zuweilen im gemeinen Leben vorkommt, nicht vonnöthen,
d. i. nicht nothwendig.
Unvorgreiflich,Unvorschreiblich (W3) [Adelung]
Unvorgreiflich und
Unvorschreiblich, zwey nur in den Kanzelleyen, besonders
Oberdeutschlandes, übliche Bey- und Nebenwörter, welche daselbst als
Ausdrücke der Höflichkeit gebraucht werden und bedeuten sollen: ohne
dadurch einem andern vorzugreifen, oder ihm etwas dadurch
vorzuschreiben. Seine unvorgreifliche oder unvorschreibliche Meinung
sagen, seine Meinung sagen, ohne doch dem andern dadurch in seinem
Urtheile vorgreifen, oder ihm etwas vorschreiben zu wollen. Nach der
Analogie der meisten von Zeitwörtern vermittelst der Sylbe lich
gebildeten Beywörter, müßten auch diese in leidender Bedeutung
gebraucht werden, was sich nicht vorgreifen oder vorschreiben lässet.
Allein man hat Wörter dieser Art genug, welche thätig gebraucht
werden, z. B. das gleich bedeutende und im Hochdeutschen üblichere
unmaßgeblich, verderblich, nachdrücklich, ergetzlich, unaufhörlich,
erbaulich, betrieglich, und hundert andere mehr. Indessen sind die
beyden angeführten in der edlern Schreibart der Hochdeutschen
unbekannt, und können es auch immer bleiben.
Unvorsetzlich (W3) [Adelung]
Unvorsetzlich,
-er, -ste, adj. et adv. welches gleichfalls in thätiger Bedeutung
gebraucht wird, im Gegensatze des vorsetzlich, mit keinem vorher
gegangenen Vorsatze verbunden. Eine unvorsetzliche Sünde, welche ohne
vorher gegangene Überlegung und Wahl begangen wird. Jemanden
unvorsetzlich beleidigen. Daher die Unvorsetzlichkeit.
Unvorsichtig (W3) [Adelung]
Unvorsichtig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von vorsichtig, die
pflichtmäßige Vorsicht unterlassend, und darin gegründet. Ein
unvorsichtiger Mensch. Eine unvorsichtige Handlung. Unfürsichtig
(unvorsichtig,) heraus fahren, Sprichw. 12, 18. Die Unfürsichtigen,
(Unvorsichtigen,) werden Klugheit lernen, Es. 32, 4. Daher die
Unvorsichtigkeit, als ein Abstractum, ohne Plural; ingleichen von
unvorsichtigen Handlungen, mit demselben.
Unwahr (W3) [Adelung]
Unwahr,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von wahr, nicht mit der Sache
selbst überein stimmend, wo es oft als ein glimpflicher Ausdruck für
die härtern falsch, erlogen u. s. f. gebraucht wird. Eine Geschichte
ist unwahr, wenn die Erzählung derselben entweder ganz erdichtet ist,
oder doch in wesentlichen Dingen mit den Begebenheiten selbst nicht
überein stimmet; unrichtig ist sie, wenn sie nur in Nebenumständen von
der Wahrheit abweicht. Etwas für unwahr halten, für nicht wahr. S.
Unwahrheit.
Unwahrhaft (W3) [Adelung]
Unwahrhaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von wahrhaft. 1. Objective, der
Wahrheit nicht gemäß, wo es oft für unwahr gebraucht wird. Eine
unwahrhafte Geschichte. 2. Am häufigsten subjective, Neigung,
Fertigkeit besitzend, die Wahrheit zu verletzen. Ein unwahrhafter
Geschichtschreiber. Ein unwahrhafter Zeuge. So auch die
Unwahrhaftigkeit.
Unwahrheit (W3) [Adelung]
Die Unwahrheit,
plur. die -en, von dem Bey- und Nebenworte unwahr, und als der
Gegensatz von Wahrheit. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, die
Eigenschaft eines Dinges, besonders eines Ausspruches, da derselbe mit
der Sache selbst nicht überein kommt. Die Unwahrheit einer Erzählung,
einer Versicherung u. s. f. Zuweilen auch subjective für
Unwahrhaftigkeit 2. 2. Als ein Concretum und mit dem Plural, eine
vorsetzlich erweckte Vorstellung, welche mit der Sache selbst nicht
überein kommt. Jemanden Unwahrheiten berichten. Unwahrheiten erzählen.
Zielet die Unwahrheit auf den Schaden anderer ab, so heißt sie in
engerer Bedeutung eine Lüge. S. Wahrheit.
Unwahrscheinlich (W3) [Adelung]
Unwahrscheinlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht wahrscheinlich, ( S. dieses Wort.) Eine
unwahrscheinliche Geschichte. Das ist sehr unwahrscheinlich. Daher die
Unwahrscheinlichkeit, so wohl im Abstracto, von der Eigenschaft, ohne
Plural; als auch von unwahrscheinlichen Dingen, mit demselben.
Unwandelbar (W3) [Adelung]
Unwandelbar,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von wandelbar, was sich nicht
wandeln, d. i. nicht verändern, und in engerer Bedeutung, durch die
Länge der Zeit nicht verschlimmern läßt; unveränderlich. Gott ist
unwandelbar, im schärfsten Verstande. Gottes unwandelbares Mißfallen
gegen das Laster, Gell. Ein Mensch heißt zuweilen unwandelbar, wenn er
sich in seinen Entschließungen und Meinungen durch nichts ändern
lässet, wofür doch unveränderlich üblicher ist. So auch die
Unwandelbarkeit, die Unveränderlichkeit. Schon bey dem Notker
unuuandelbar, bey dem Ottfried unuuantelich, S. Wandelbar und Wandeln.
Unweg (W3) [Adelung]
Der Unweg,
des -es, plur. die -e, ein ungebahnter Weg, ingleichen ein falscher
Weg, ein Irrweg, Abweg. Er macht sie irre auf einem Unwege, da kein
Weg ist, Hiob 12, 24. Er läßt sie in unwegsamen Wüsten irren, Michael.
Auf einem Unwege seyn, auf einem falschen Wege. Umweg bedeutet etwas
anders.
Unwegsam (W3) [Adelung]
Unwegsam,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz des nicht gebräuchlichen wegsam,
mit keinem gebahnten Wege versehen. Ein unwegsamer Wald. Unwegsame
Orte, 2 Maccab. 13, 18. So auch die Unwegsamkeit.
Unweigerlich (W3) [Adelung]
Unweigerlich,
adj. et adv. mit keiner Weigerung verbunden, ohne alle Weigerung, bey
einigen auch unverweigerlich. Unweigerlichen Gehorsam leisten. Noch
häufiger als ein Nebenwort. Dem Befehle unweigerlich gehorchen. In
passiver Bedeutung, welche bey Wörtern dieser Art die gewöhnlichste
ist, was nicht geweigert, oder verweigert werden kann, ist es nicht
üblich.
Unweise (W3) [Adelung]
Unweise,
-r, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von weise, nicht weise, ( S.
dieses Wort,) dessen man sich vornehmlich bedienet, wenn man die
härtern, thöricht u. s. f. vermeiden will. Ein unweises Betragen. Wir
waren weiland unweise, Tit. 3, 3. Wandelt nicht als die Unweisen, Eph.
5, 15. Das Hauptwort die Unweisheit ist nicht üblich.
Unweislich (W3) [Adelung]
Unweislich,
-er, -ste, adj. et adv. eigentlich dem, was unweise ist, ähnlich;
indessen wird es häufig für dieses Wort selbst gebraucht, besonders in
der adverbischen Gestalt. Unweislich handeln. Unweislich reden, Hiob
42, 3. S. Weislich.
Unweit (W3) [Adelung]
Unweit,
ein Nebenwort des Ortes, für nicht weit, welches doch allemahl den
Terminum a quo erfordert, der alsdann auf doppelte Art mit demselben
verbunden wird; wie unsern. So wohl mit dem Vorworte von, so wie
dessen Gegensatz weit. Unweit von der Stadt, von der Mauer, von
Berlin. Unweit von hier. Oder auch vermittelst der zweyten Endung.
Unweit des Stadtgrabens, der Stadt, des Waldes. Wofür andere, obgleich
mit nicht so vielem Beyfalle, die dritte Endung gebrauchen. Unweit dem
Walle.
Unwerth (W3) [Adelung]
Unwerth,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz von werth, so fern es so viel
als würdig bedeutet, mit welchem es denn auf einerley Art construiret
wird; unwürdig. Er ist unwerth, daß ich mich seiner annehme, ist es
nicht werth, nicht würdig. ingleichen mit der zweyten Endung. Eines
Lobes, einer Belohnung unwerth seyn. In der edlern Schreibart ist
dafür unwürdig üblicher.
Unwerth (W3) [Adelung]
Der Unwerth,
des -es, plur. car. die Abwesenheit des Werthes, derjenige Zustand, da
eine Sache keinen Werth hat. Den Werth oder Unwerth eines Vorgehens
dahin gestellt seyn lassen.
Unwesen (W3) [Adelung]
Das Unwesen,
des -s, plur. car. hoher Grad der Anordnung, des widerwärtigen und
unbefugten Geräusches, besonders der Störung der gesellschaftlichen
und bürgerlichen Ruhe und Ordnung, wo dieses Wort einen höhern Grad
ausdruckt als Unfug. Dem Unwesen steuern. Unfug und Unwesen anrichten.
S. Wesen.
Unwetter (W3) [Adelung]
* Das Unwetter,
des -s, plur. car. ein nur in einigen gemeinen, besonders
Niederdeutschen Sprecharten übliches Wort, jede ungestüme und rauhe
Witterung zu bezeichnen, wodurch es sich von dem Hochdeutschen
Ungewitter noch unterscheidet. Wetter bedeutet hier in engerer
Bedeutung angenehmes Wetter, dessen Gegensatz durch un angedeutet
wird.
Unwichtig (W3) [Adelung]
Unwichtig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht wichtig, in allen Bedeutungen dieses
Wortes. Ein unwichtiger Ducaten, welcher nicht das gehörige Gewicht
hat. Eine unwichtige Sache. Die unwichtigste Kleinigkeit. Allein, wer
bin ich? ein unwichtig Weib, Schleg. Daher die Unwichtigkeit, als ein
Abstractum und ohne Plural; ingleichen zuweilen auch von einer
unwichtigen, unerheblichen Sache mit dem Plural.
Unwiderleglich (W3) [Adelung]
Unwiderleglich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht widerlegen läßt. So auch die
Unwiderleglichkeit.
Unwidersetzlich (W3) [Adelung]
Unwidersetzlich,
-er, -ste, adj. et adv. dem man sich nicht widersetzen kann, wie
unwiderstehlich. Mit unwidersetzlicher Gewalt. Daher die
Unwidersetzlichkeit.
Unwidersprechlich (W3) [Adelung]
Unwidersprechlich,
-er, -ste, adj. et adv. dem man nicht widersprechen kann. Eine
unwidersprechliche Wahrheit. Es ist unwidersprechlich gewiß. Daher die
Unwidersprechlichkeit.
Unwiderstehlich (W3) [Adelung]
Unwiderstehlich,
-er, -ste, adj. et adv. dem man nicht widerstehen, nicht Widerstand
leisten kann. Eine unwiderstehliche Gewalt. So auch die
Unwiderstehlichkeit.
Unwiederbringlich (W3) [Adelung]
Unwiederbringlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht wieder bringen, d. i. nicht
zurück bringen, und in weiterer Bedeutung nicht ersetzen, nicht wieder
gut machen, nicht ändern läßt. Als ich verlassen von den Göttern,
seine Beute Unwiederbringlich schien, Raml. Mein Gemüth hat seine
Heiterkeit unwiederbringlich verloren. Ein unwiederbringlicher
Verlust, ein unersetzlicher. Daher die Unwiederbringlichkeit.
Unwiederkehrlich (W3) [Adelung]
Unwiederkehrlich,
adj. et adv. welches von einigen, besonders in einigen Provinzen, für
das vorige gebraucht wird, aber im Hochdeutschen selten gehöret wird.
Unwiederruflich (W3) [Adelung]
Unwiederruflich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht wiederrufen lässet. Ein
unwiederruflicher Befehl. Die Rathschlüsse Gottes sind
unwiederruflich. Daher die Unwiederruflichkeit.
Unwille (W3) [Adelung]
Der Unwille,
des -ns, plur. car. unangenehme Empfindung über das bemerkte Böse, und
in engerer Bedeutung über das Mißverhalten anderer; wo Unwille theils
einen geringern Grad dieser unangenehmen Empfindung ausdruckt, als
Zorn, aber einen höhern, als Mißfallen, theils als eine allgemeine,
doch glimpfliche Benennung der mehresten übrigen Stufen gebraucht
wird. Unwillen und Verdruß über etwas empfinden. Einen Unwillen wider
jemanden fassen, wegen seines Mißverhaltens, oder des an ihn bemerkten
Bösen. Mit Unwillen Almosen geben, 2 Cor. 9, 7. Seinen Unwillen fahren
lassen, ihn an jemanden auslassen.
Anm. Schon bey dem Ottfried in der
heutigen Bedeutung Unuuille, in der Schweiz Aberwille, ( S. auch
Widerwille,) welches in manchen Fällen mit diesem Worte gleich
bedeutend ist. Un be- zeichnet hier nicht bloß ein Abwesenheit des
Willens oder Wollens, sondern einen harten Gegensatz des guten
Willens, d. i. der guten Gemüthsstellung. Ehedem bedeutete Unwillen,
so wie Widerwillen, auch physischen Ekel, Neigung zum Erbrechen, wovon
Frisch einige Beyspiele anführet. Hornegk gebraucht für Unwille
Unmynn, den Gegensatz von Minne, Liebe. Von der Declination dieses
Wortes S. Wille.
Unwillig (W3) [Adelung]
Unwillig,
-er, -ste, adj. et adv. Unwillen habend und empfindend; am häufigsten
als ein Nebenwort. Unwillig seyn, werden. Jemanden unwillig machen.
Etwas unwillig thun, besser mit Unwillen. Seltener als ein Beywort.
Eine unwillige Mine. Die funkelnde Sehnsucht in ihren Augen nebst
einigen unwilligen Seufzern, wo es in engerer Bedeutung für ungeduldig
steht. Daher die Unwilligkeit, plur. car. der Zustand, da man unwillig
ist, wofür doch Unwille üblicher ist. S. auch Verunwilligen.
Unwirksam (W3) [Adelung]
Unwirksam,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von wirksam, nicht wirksam. Eine
unwirksame Arzeney, welche nicht die verlangte Wirkung thut. Alle
Vorstellungen blieben unwirksam. Daher Unwirksamkeit.
Unwirthbar (W3) [Adelung]
Unwirthbar,
-er, -ste, adj. et adv. ein nur in der dichterischen Schreibart der
Neuern für unbewohnbar, übliches Wort, welches außer derselben in den
gewöhnlichen Sprecharten der Hochdeutschen eben so ungewöhnlich ist,
als dessen Gegensatz wirthbar. ( S. dasselbe.) Mir ist kein Ort
unwirthbar, Bodmer. Den unwirthbaren Sitz Verklärt, doch selten nur,
ein rother schneller Blitz, Hag. Des unwirthbaren Meeres Grund, sagte
schon Lohenstein. So auch die Unwirthbarkeit.
Unwissend (W3) [Adelung]
Unwissend,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von wissend. 1. Nicht wissend,
ohne jedesmahliges Bewußtseyn, wo es nur als ein Nebenwort und ohne
Comparation üblich ist. Unwissend sündigen, so wohl ohne Bewußtseyn
der Handlung, als auch ohne Kenntniß des Gesetzes. Etwas unwissend
thun, ohne Bewußtseyn, 4 Mos. 15, 24. Ein Todtschläger, der eine Seele
unversehens und unwissend schlägt, Jos. 20, 3. ( S. Unwissentlich.) 2.
Nicht wissend, d. i. keine Nachricht, Kenntniß oder Wissenschaft von
etwas habend; auch nur als ein Nebenwort mit der dritten Endung der
Person, und nur von geschehenen Dingen. Das ist mir unwissend, ist mir
nicht wissend, nicht bewußt, ich weiß es nicht. Mir ist nicht
unwissend, daß die Sache ihren großen Nutzen hat. Dir war nicht
unwissend, daß das verbothen ist. Aber als ein Mittelwort, mir
unwissend ist er weggegangen, nach dem Lat. me inscio, für ohne mein
Wissen, ist wider die Analogie der Deutschen Sprache. Noch eher lässet
sich die zweyte Endung der Sache entschuldigen. Einer Sache unwissend
seyn, von einer geschehenen Begebenheit keine Wissenschaft oder
Kenntniß haben. 3. Keine wissenschaftliche Erkenntniß von etwas haben,
wo dieses Etwas mit dem Vorworte in ausgedruckt wird, als ein Bey- und
Nebenwort. In einer Kunst, in einer Wissenschaft, in den Rechten
unwissend seyn. Ein unwissender in den Rechten. Wo man doch um des
harten Nebenbegriffes der folgenden Bedeutung willen dafür lieber
unerfahren, oder andere glimpfliche Ausdrücke gebraucht. 4. Im engsten
Verstande und absolute ist jemand unwissend, wenn es ihm an der
nützlichen Erkenntniß solcher Wahrheiten fehlet, welche einen Einfluß
in die Bestimmung seines Verhaltens haben, wo es als ein Bey- und
Nebenwort und mit der Comparation gebraucht wird. Ein unwissender
Mensch, welchem es an nützlichen Kenntnissen entweder aller Art, oder
nur einer und der andern Art mangelt. Äußerst unwissend seyn. Jemand
ist nicht unwissend, wenn er ver- schiedene und gute nützliche
Kenntnisse besitzt. Wenn die Sache mit dem Vorworte in ausgedruckt
wird, so tritt die vorige Bedeutung mit ein, wo doch aber allemahl der
Nebenbegriff des fehlerhaften, strafbaren oder verschuldeten Mangels
der Kenntniß bleibt. In den Lehren des Christenthums sehr unwissend
seyn.
Unwissenheit (W3) [Adelung]
Die Unwissenheit,
plur. car. das Abstractum des vorigen Wortes, und der Gegensatz des
veralteten Wissenheit, welcher doch nur in den beyden letzten
Bedeutungen des vorigen Wortes üblich ist. 2. Die Abwesenheit der
Wissenschaft oder Kenntniß von einer Sache. In diesem Stücke gestehe
ich meine Unwissenheit. Die Unwissenheit der Rechte, besser in den
Rechten. Die Unwissenheit des Gesetzes, Mangel der Erkenntniß
desselben. Aus Unwissenheit sündigen, aus Unwissenheit so wohl des
Gesetzes, als auch der Handlung. Es ist aus Unwissenheit geschehen.
Daher Unwissenheitssünden, in der Theologie, welche aus Unwissenheit
begangen werden. 2. In engerer und harter Bedeutung ist die
Unwissenheit die Abwesenheit nützlicher Erkenntniß solcher Wahrheiten,
welche unser Verhalten bestimmen müssen, besonders, wenn diese
Abwesenheit vorsetzlich oder verschuldet ist. Unter dem großen Haufen
herrscht noch eine große Unwissenheit. Schon bey dem Notker
Unuuizzenheit, bey dem Ottfried mit einem andern Suffixo Unuuizzi.
Unwissentlich (W3) [Adelung]
Unwissentlich,
adv. welches nur im gemeinen Leben für unwissend 1, ohne Bewußtseyn,
gebraucht wird, und vermittelst der Ableitungssylbe lich aus demselben
gebildet worden. Etwas unwissentlich thun, aus Unwissenheit, ohne
Bewußtseyn.
Unwitz (W3) [Adelung]
Der Unwitz,
des -es, plur. car. der Mangel des Witzes, in den engern Bedeutung des
Vermögens, treffende Ähnlichkeiten zu entdecken, ein seltenes, und
erst in den neuern Zeiten gebildetes Wort. Wenn nicht vielleicht
gestärkt durch geschändete Becher, Der Unwitz alberne Lacher beseelt,
Gieseke.
Unwitzig (W3) [Adelung]
Unwitzig,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von witzig, nicht witzig. 1. *
So fern Witz gesunden Verstand, und witzig verständig bedeutet, war
unwitzig ehedem; so wohl natürlichen Mangel am Verstande leidend, als
auch aberwitzig, in welchen Bedeutungen es aber veraltet ist. 2. Von
witzig, Fertigkeit besitzend, treffende Ähnlichkeit zu entdecken, und
darin gegründet, ist unwitzig der Gegensatz desselben. Ein unwitziger
Scherz, unwitzig denken.
Unwohnbar (W3) [Adelung]
Unwohnbar,
-er, -ste, adj. et adv. wo sich nicht wohnen läßt, unbewohnbar. So
auch die Unwohnbarkeit.
Unwürdig (W3) [Adelung]
Unwürdig,
-er, -ste, adj. et adv. 1. Nicht würdig, im gemeinen Leben unwerth.
Einer Ehre unwürdig seyn. Einem Unwürdigen Ehre erweisen, der ihrer
nicht würdig ist. Welcher unwürdig isset und trinket, 1 Cor. 11, 27,
29. 2. In engerer Bedeutung, der Würde, dem Stande der Personen, so
wohl des Subjectes als Objectes, nicht angemessen, ein glimpflicher
Ausdruck für niedrig, niederträchtig, unanständig. Ein unwürdiges
Betrügen, welches so wohl der Person, welche sich desselben schuldig
macht, als auch der, welche der Gegenstand desselben ist, unanständig
ist. Sich sehr unwürdig bezeigen. Daher die Unwürdigkeit, in beyden
Fällen. Das Beywort lautet schon bey dem Kero und Ottfried unuuirdig.
Unzahlbar (W3) [Adelung]
Unzahlbar,
-er, -ste, adj. et adv. noch nicht zahlbar. Ein Wechsel ist unzahlbar,
wenn die bestimmte Zeit, da er bezahlet werden muß, noch nicht da ist.
Daher die Unzahlbarkeit.
Unzählbar (W3) [Adelung]
Unzählbar,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht zählen, durch keine Zahl
bestimmen läßt, der Gegensatz von zählbar. Eine unzählbare Menge. Die
unzählbaren Sterne am Himmel. So auch die Unzählbarkeit. Bey dem
Notker mit einer andern Endsylbe unzalahafti.
Unzählig (W3) [Adelung]
Unzählig,
-er, -ste, adj. et adv. welches mit dem vorigen gleich bedeutend, was
sich durch keine Zahl bestimmen läßt. Eine unzählige Menge. Unzählig,
wie der Sand am Meer. Im gemeinen Leben, auch nach einer gewöhnlichen
Vergrößerung, oft für sehr viel. Unzählige Wohlthaten von jemanden
genossen haben. Unzähliger Reichthum. Es ist von zählen und der
Ableitungssylbe ig gebildet, daher die so wohl in der Deutschen Bibel,
als noch bey vielen Neuern, übliche Schreibart unzählich, eben so
unrichtig ist, als adelich, untadelich u. s. f. Wäre es die Sylbe
lich, so müßte es unzählich heißen, mit einem doppelten l. Das
Hauptwort die Unzähligkeit wird wenig gebraucht.
Unze (W3) [Adelung]
Die Unze,
plur. die -n, ein Wort, welches so wohl ein bestimmtes Maß, als auch
ein bestimmtes Gewicht, bedeutet. 1. Als ein Längenmaß, wo es ehedem
einen Zoll oder den zwölften Theil eines Fußes bedeutete, und in
einigen Gegenden vielleicht noch bedeutet. Daz di Tiber uberdoz Den
altar by vier Unzin, Jeroschin bey dem Frisch. 2. Als ein körperliches
Maß ist es noch im Würtemberg. üblich, wo ein Simri Getreide vier
Unzen oder Vierlinge, eine Unze aber vier Achtel hat. Die Unze ist
alsdann der 32 Theil eines Scheffels. 3. Als ein Gewicht, wird es noch
im Hochdeutschen, besonders in den Apotheken, häufig für 2 Loth, oder
den zwölften Theil eines Pfundes zu 24 Loth, gebraucht. Eine Unze
Gold. Einer Unze schwer. Sechs Unzen Salz. Es ist aus dem Lat. Uncia
entlehnt, welches bey den Römern in mehrern Fällen den zwölften Theil
eines Ganzen bezeichnete. Es ist eines von den wenigen Wörtern dieser
Art, welche mit einem Zahlworte die Endung des Plurals nicht
verlieren. Acht Unzen, nicht Unze; ob man gleich sagt sechs Loth, vier
Pfund, acht Zoll, neun Fuß und so ferner.
Unzeit (W3) [Adelung]
Die Unzeit,
plur. die -en, eine unschickliche, unbequeme, ungehörige Zeit, als der
Gegensatz der schicklichen oder bequemen Zeit. Die Fleischer sollen
keine Farren zu Unzeiten, sondern alles nach Jahreszeit, schlachten,
in der Soester Polizey-Ordnung von 1650. Im Hochdeutschen gebraucht
man es nur im Singular mit dem Zeitworte zu und dem verkürzten
Artikel. Eine Rede, so zur Unzeit geschieht, Sir. 22, 6. Haltet an, es
sey zur rechten Zeit oder zur Unzeit, 1 Tim. 4, 2. Sie kommen mir
heute zur Unzeit, zu ungelegener Zeit. Das heißt, zur Unzeit
schweigen, Gell. Ihr Spaß ist sehr zur Unzeit angebracht.
Unzeitig (W3) [Adelung]
Unzeitig,
-er, -ste, adj. et adv. 1. Was zur Unzeit ist und geschiehet, von dem
vorigen Worte. Eine unzeitige Großmuth, welche zur Unzeit geübt oder
angebracht wird. 2. Als der Gegensatz von zeitig, reif, ist unzeitig
noch nicht durch die Zeit zur gehörigen Reife gebracht; unreif.
Unzeitige Trauben, Hiob 15, 33. Wie eine unzeitige Geburt eines
Weibes, sehen sie die Sonne nicht, Ps. 58, 9. Das Obst ist noch
unzeitig, Daher die Unzeitigkeit, besonders in der zweyten Bedeutung,
die Unreife. S. Unzüchtig Anm.
Unzerbrechlich (W3) [Adelung]
Unzerbrechlich,
-er, -ste, adj. et adv. was sich nicht, oder doch sehr schwer
zerbrechen läßt. Daher die Unzerbrechlichkeit.
Unzergänglich (W3) [Adelung]
Unzergänglich,
-er, -ste, adj. et adv. was gar nicht, oder doch sehr schwer zergehet,
d. i. im Wasser aufgelöset wird. Ingleichen figürlich, was nicht oder
doch nicht leicht vergehet, wofür aber unvergänglich üblicher ist. So
auch die Unzergänglichkeit.
Unzerstörbar,Unzerstörlich (W3) [Adelung]
Unzerstörbar und
Unzerstörlich, -er, -ste, adj. et adv. was sich nicht oder doch nur
sehr schwer zerstören lässet, zwey gleich bedeutende Wörter. Daher die
Unzerstörbarkeit und Unzerstörlichkeit.
Unzertrennlich,Unzertrennbar (W3) [Adelung]
Unzertrennlich oder
Unzertrennbar, -er, -ste, adj. et adv. was sich entweder gar nicht,
oder doch nur sehr schwer trennen oder zertrennen lässet, zwey gleich
bedeutende Wörter, wovon doch das erste am üblichsten ist. Der
Augenblick, welcher uns unzertrennlich verbinden wird. So auch die
Unzertrennlichkeit oder Unzertrennbarkeit.
Unziemlich (W3) [Adelung]
Unziemlich,
-er, -ste, adj. et adv. der Gegensatz von ziemlich, so fern es ehedem
für geziemend gebraucht wurde, sich nicht geziemend, wofür doch auch
ungeziemend üblicher ist. Ein unziemliches Betragen. Jemanden auf eine
unziemliche Art widersprechen. So auch die Unziemlichkeit.
Unzier,Unzierde (W3) [Adelung]
Die Unzier oder
Unzierde, plur. inus. der Gegensatz von Zier oder Zierde, die
Abwesenheit der Zierde, und deren Gegensatz, Unseuberkeit, ein im
Hochdeutschen seltenes Wort, welches nur zuweilen als ein glimpflicher
Ausdruck gebraucht wird, härtere zu vermeiden.
Unzierlich (W3) [Adelung]
Unzierlich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht zierlich. Daher die Unzierlichkeit, der
Zustand, da ein Ding unzierlich ist.
Unzinsbar (W3) [Adelung]
Unzinsbar,
adj. et adv. dem Zinse nicht unterworfen, der Gegensatz von zinsbar.
Unzinsbare Äcker. So auch die Unzinsbarkeit.
Unzucht (W3) [Adelung]
Die Unzucht,
plur. car. der Mangel, oder die Abwesenheit der Zucht, und eine darin
gegründete Handlung. 1. * Eigentlich, in welchem Verstande dieses Wort
ehedem sehr häufig war, eine jede so wohl der gesellschaftlichen
Wohlanständigkeit, als auch der bürgerlichen Ordnung, und den Gesetzen
zuwider laufende Handlung zu bezeichnen; da es denn theils mit
Ungesittetheit, Unanständigkeit, theils mit Frevel, Unfug,
Ausschweifung, theils auch mit Verbrechen und andern ähnlichen
Ausdrücken gleich bedeutend war. In den Monseeischen Glossen ist
Unzuht, unruhiges Betragen, ingleichen Ausschweifung, Unzuhtiger, ein
ungezogener, unruhiger Mensch. In dem alten Straßburgischen
Stadtrechte wird für Unzucht erkläret, wenn jeman fin tur oder venster
bi naht (Nacht) ufhiebe, oder zerwurffe; wo es so viel als Unfug,
Störung der Ruhe und Ordnung ist. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt
es häufig für Unhöflichkeit, ungezogenes Betragen vor, und im
Schwabensp. Kap. 62. heißt Unzuht, ungesittetes Betragen vor Gericht.
Figürlich wurde es denn auch für Schande, Unehr gebraucht. Sie thaten
ihrem Bothen einen Unzucht, Königsh. Wenn einer Frauen Unzucht thäte
mit Schleyer abziehen und dem gleich, Straßburg. Poliz. Ordnung. In
dieser ganzen Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, doch scheint
es in Schwaben noch für Muthwillen, Büberey, gangbar zu seyn. 2. In
engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Unzucht der Mißbrauch des
zur Fortpflanzung verordneten Naturtriebes auf eine diesem Zwecke
zuwider laufende Art, wo es, so wie Hurerey zugleich ein harter
Ausdruck ist, welchen man in der glimpflichen und edlern Schreibart
gern vermeidet. Unzucht treiben. Mit einer Person Unzucht treiben.
Sich der Unzucht ergeben. In Unzucht leben. Jemanden zur Unzucht
verleiten. Um Unzucht willen Weiber nehmen, Tod. 6, 18. Sich der
Unzucht ergeben, Ephes. 4, 9. In der ersten Bedeutung ehedem auch
Inzucht und Verzucht S. Zucht.
Unzüchter (W3) [Adelung]
Der Unzüchter,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Unzüchterinn, eine Person,
welche sich der Unzucht in der zweyten engern Bedeutung schuldig
macht; ein Wort, welches im Hochdeutschen selten gebraucht wird.
Ehedem bedeutete es in weiterm Verstande einen jeden ungezogenen,
ungesitteten, ausschweifenden Menschen. Ingleichen einen Frevler,
Verbrecher u. s. f.
Unzüchtig (W3) [Adelung]
Unzüchtig,
-er, -ste, adj. et adv. Unzucht begehend, dazu geneigt, und darin
gegründet. 1. * In der ersten Bedeutung des Hauptwortes, wo es ehedem
sehr häufig für ungezogen, unanständig, ungesittet, ausschweifend,
frevelhaft u. s. f. gebraucht wurde. Schon Notker braucht inzuhtig für
ungezogen. Doch in dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen eben so
sehr veraltet, als das Hauptwort. 2. In der gewöhnlichsten Bedeutung
und von Unzucht 2 ist unzüchtig, Neigung und Fertigkeit äußernd zum
unrechtmäßigen Gebrauche des Naturtriebes zur Fortpflanzung, und darin
gegründet. Ein unzüchtiger Mensch. Unzüchtige Worte, Geberden, welche
diese Neigung verrathen. Daher die Unzüchtigkeit, die Eigenschaft, da
eine Person oder Sache unzüchtig ist, wovon Unzucht eigentlich noch
verschieden ist, ob es gleich nicht selten an dessen Statt gebraucht
wird.
Anm. In einigen Provinzen, z. B. in Österreich, ist unzüchtig
auch so viel als unreif, unzeitig. Junge unzüchtige Kürbse. Ohne
Zweifel auch von ziehen, gleichsam noch nicht erzogen.
Unzufrieden (W3) [Adelung]
Unzufrieden,
-er, -ste, adj. et adv. nicht zufrieden. Mit etwas unzufrieden seyn,
seine Unlust über den Mangel der Hinlänglichkeit desselben an den Tag
legen. Mit seinem Schicksale, mit seinem Zustande, mit sich selbst
unzufrieden seyn. Ein unzufriedenes Gemüth. Über etwas unzufrieden
seyn, seine Unlust darüber an den Tag legen. In engerm Verstande ist
man unzufrieden, wenn man seinen Zustand für unzulänglich zu seiner
Wohlfahrt hält, und solches durch Unlust an den Tag legt. Daher die
Unzufriedenheit, als der Gegensatz der Zufriedenheit. Der größte Theil
unserer Unzufriedenheit entspringt aus dem stolzen Wahne, daß wir
nicht so glücklich sind, als wir es zu seyn verdienen, Gell. Der Neid
bestehet in nichts, als in der Unzufriedenheit über die göttliche
Austheilung, eben derselbe.
Unzugängig,Unzugänglich (W3) [Adelung]
Unzugängig, oder
Unzugänglich, -er, -ste, adj. et adv. wovon doch das letzte am
üblichsten ist, mit keinem Zugange versehen, wozu man nicht kommen
kann. Ein unzugänglicher Ort. Die Höhle ist völlig unzugänglich.
Unzugänglich will ich mich in meinem Zimmer verschließen. Ein Herz,
welches den Lastern unzugänglich ist. Daher die Unzugängigkeit, noch
häufiger aber die Unzugänglichkeit.
Unzulänglich (W3) [Adelung]
Unzulänglich,
-er, -ste, adj. et adv. nicht zulänglich, zu einem Bedürfnisse, zu
einer Absicht nicht zulangend. Der Zeug ist zu einem Kleide
unzulänglich. Eine Summe, welche zu der Reise viel zu unzulänglich
ist. Daher die Unzulänglichkeit. Je mehr wir die Unzulänglichkeit
unserer Kräfte einsehen, desto mehr wird unsere Demuth wachsen, Gell.
Unzulässig (W3) [Adelung]
Unzulässig,
-er, -ste, adj. et adv. was nicht zugelassen, nicht verstattet, nicht
erlaubt werden kann; bey einigen, ob gleich seltener, unzuläßlich.
Daher die Unzulässigkeit.
Unzuverlässig (W3) [Adelung]
Unzuverlässig,
-er, -ste, adj. et adv. nicht zuverlässig, worauf man sich nicht
verlassen kann. Ein sehr unzuverlässiges Versprechen. Daher die
Unzuverlässigkeit.
Unzweifelhaft (W3) [Adelung]
Unzweifelhaft,
-er, -este, adj. et adv. der Gegensatz, von zweifelhaft, doch nur so
fern es objective gebraucht wird, woran man nicht zweifeln kann und
darf, wobey kein Zweifel Statt findet. Ein unzweifelhaftes Zeugniß.
Das ist unzweifelhaft wahr. Unstreitig, unleugbar werden im ähnlichen
Verstande gebraucht; ungezweifelt aber bedeutet eigentlich, woran
nicht gezweifelt wird. In einigen Gegenden ist für unzweifelhaft mit
einer andern Ableitungssylbe auch unzweifelich üblich. Daher die
Unzweifelhaftigkeit.
Üppig (W3) [Adelung]
Üppig,
-er, -ste, adj. et adv. ein sehr altes Wort, welches aber ehedem in
verschiedenen, jetzt nicht mehr gangbaren Bedeutungen gebraucht wurde.
Es bedeutete, 1. * Stolz, hoffärtig, eitel, und nach einer sehr nahe
verwandten Figur, auch prächtig. Diese Bedeutung, welche allem Ansehen
nach eine der ersten ist, ist noch im Schwedischen üblich, wo yppig,
so wohl stolz, als auch prächtig, und zwar letzteres in gutem
Verstande bedeutet; Dän. hyppig. 2. * Träge, müßig; vermuthlich eine
Figur der vorigen Bedeutung, so fern die Trägheit sehr oft eine Folge
des Stolzes und der Neigung zur Pracht ist. In dieser Bedeutung kommen
uppig, ubig und das Hauptwort Uppigi schon bey dem Kero vor, der es
durch otiosus und Otiositas erklärt. 3. * Eitel, d. i. weder Werth
noch Dauer habend, ingleichen geneigt, solchen Dingen einen
ungebührlichen Vorzug zu geben; eine eben so alte Bedeutung, welche
nach eben der Figur von der ersten gebildet ist, nach welcher auch
eitel in beyden Bedeutungen gebraucht wird. Iro herza ist uppig,
Notker, eitel, vanus. Nicht wollt euch neigen nach den üppigen Dingen
- wan sy sein üppig, Sam. 12, 21, in einer alten Bibel von 1483. In
einer andern Augsburgischen Bibel von ungefähr 1477 heißt es 1 Mos.
17, 8. sie hat gemachet üppig mein Gelübd. Ich mag wol sin von gouches
art Vnd iage ein uppekliche vart, Reinmar der Alte. ich jage eine
eitle, vergebliche Fahrt. In ähnlicher Bedeutung wurde es ehedem auch
für unheilig, profanus, gebraucht, und alsdann dem heiligen entgegen
gesetzt, wovon Frisch ein Beyspiel aus einer alten handschriftlichen
Bibel-Übersetzung anführet. Doch in allen diesen und andern ähnlichen
Bedeutungen ist es veraltet, und üppig bedeutet jetzt nur noch, 4. dem
feinern Grade des sinnlichen Vergnügens zum Nachtheil des vernünftigen
(in der engern Bedeutung) ergeben, und darin gegründet, da denn dieses
Wort von dem ungebührlichen oder unmäßigen Hange zu solchen sinnlichen
Vergnügungen aller Art gebraucht wird. Üppig in Kleidern, in Essen und
Trinken, im Genuß des andern Geschlechtes u. s. f. seyn. Ein üppiges
Leben führen. Ein üppiges Gastmahl, wo ein Überfluß ausgesuchter
Speisen herrscht. Eine üppige Person, welche ihren Hang zur feinern
Sinnlichkeit in der Kleidung u. s. f. äußert. 5. In engerer Bedeutung
wird es in manchen Gegenden auch für wollüstig gebraucht, so fern es
ein glimpflicher Ausdruck für unzüchtig ist. Ein üppiges Weibesbild. Üppige Worte, Geberden. Sich üppig kleiden, auf eine zur Wollust
reißende Art. In welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen wenig mehr
gebraucht wird.
Anm. Die meisten Wortforscher haben bey Ableitung
dieses Wortes auf das Vorwort auf, Nieders. up, gerathen, welche Form
auch in den Ableitungen über, übrig und oben befindlich ist, nur in
der Erklärungsart sind sie nicht alle gleich glücklich gewesen. Das
nächste Stammwort ist noch im Schwedischen übrig, wo yppa, erheben,
heben, ist; im Isländ. ist yppa, anfangen, eigentlich anheben. Davon
bedeutet ypper, figürlich, vortrefflich, und nach einer andern nahe
verwandten Figur ist yppig, stolz, prächtig, wovon sich die folgenden
Bedeutungen sehr leicht herleiten lassen. Stolz, Hoffahrt, Superbus,
u. s. f. gründen sich auf ähnliche Figuren. Um deßwillen bedeutet auch
üppig nicht bloß den Hang zu den sinnlichen Vergnügungen überhaupt,
sondern nur zu den feinern, ausgesuchtern, kostbaren, wie ein Stolzer
oder Prächtiger sie zu wählen pflegt.
Üppigkeit (W3) [Adelung]
Die Üppigkeit,
plur. die -en, das Abstractum des vorigen Wortes, welches ehedem in
dessen sämmtlichen jetzt veralteten Bedeutungen üblich war. So kommt
es bey dem Notker, wo es Uppegheit, Uppigheit, Uppecheit lautet,
häufig für Eitelkeit, und bey andern in andern Bedeutungen vor. Jetzt
gebraucht man es im Hochdeutschen nur noch in der letzten Bedeutung
des Beywortes, und da ist es, so wohl der ungeordnete, ausschweifende
Hang zu feinern sinnlichen Vergnügungen, als ein Abstractum und ohne
Plural, als auch dieser Hang und dessen Befriedigung in einzelnen Fällen mit dem Plural. In Wollust und Üppigkeit leben. Eine von der
Üppigkeit verderbte Seele. Eine Stadt, in welcher die ausschweifendste
Üppigkeit herrscht. Allen Üppigkeiten ergeben seyn. Seltener in gutem
Verstande von blühender Gesundheit, bey überflüssiger Nahrung: ein
reiner Himmelsstrich unter dem (welchem) allem mit gesunder Üppigkeit
aufblühet, Geßn.
Anm. Einige neuere Schriftsteller haben angefangen,
das Lat. Luxus durch Üppigkeit zu übersetzen, dessen Begriff, so
schwankend und unbestimmt er auch ist, es doch auf keine Weise
erschöpft. Üppigkeit ist allenfalls ein sehr hoher Grad des Luxus.
Überhaupt haben wir noch kein schickliches Deutsches Wort, durch
dessen Hülfe wir das Lateinische entbehren könnten. Notker übersetzt
das letztere durch Uburfuoro, welches einen ähnlichen Begriff mit
Überfluß gewähret.
Ur (W3) [Adelung]
Ur,
ein sehr altes Wort, nicht allein in der Deutschen, sondern fast in
allen Sprachen, welches indessen im Deutschen nur noch in der
Zusammensetzung mit einigen Nennwörtern, und einigen wenigen davon
abstammenden Zeitwörtern üblich ist. Es bedeutet daselbst. 1. Groß,
und nach einer sehr nahen Figur auch vortrefflich, vorzüglich, so fern
ehedem körperliche Größe und Stärke der vornehmste und fast einzige
wesentliche Vorzug war. Diese Bedeutung ist ohne Zweifel eine der
ersten und ältesten, allein sie ist nur noch in einigen wenigen
Wörtern vorhanden, welches denn vermuthlich den Frisch bewogen, sie
ganz zu leugnen. Allein unser Urochs, bey den alten Galliern Ur, das
alte Urhahn, das gleichfalls veraltete Urgaul, ein vorzüglich großes
und schönes Pferd, das Baierische Ursau, eine große und schöne Sau,
ein Hauptschwein, das Westphälische Urkämpe, ein großer, vorzüglicher
Kämpe oder Eber, und vielleicht noch einige andere mehr, beweisen
diese Bedeutung zur Genüge. In den beyden ersten ist dieses Wort in
gedehnten breiten Mundarten in Auer übergegangen, Auerhahn und
Auerochs, ( S. diese Wörter.) Das so alte Aar, ein großer Vogel, ist
nahe damit verwandt. Man könnte auch die Bedeutung des wild als eine
Figur der Größe ansehen, wenn sie von dem Worte ur in unsern noch
vorhandenen Zusammensetzungen erweislicher wäre, als sie wirklich ist.
Allein, sie würde sich alsdann füglicher als eine unmittelbare
Onomatopöie des wilden ungestümen Geräusches betrachten, und als einen
Verwandten, von dem Angels. yrre, zornig, dem Lat. Ira, Zorn, unserm
irren, und andern ähnlichen mehr ansehen lassen. Im Isländ. ist yr
gleichfalls wild. 2. Auf, d. i. eine Bewegung in die Höhe zu
bezeichnen, nebst vielen daraus entspringenden figürlichen
Bedeutungen. Dahin gehören das alte urheben, aufheben, im eigentlichen
Verstande, wovon unser Urheber abgeleitet werden muß, indem ur hier
nicht die folgende Bedeutung des ersten hat; die gleichfalls
veralteten urrisen und Vrständ, aufstehen und Auferstehung, das alte
Urlop, Auflauf, bey dem Raban Maurus Vrheiz, und andere größten Theils
veraltete mehr. Dahin gehöret auch die Bedeutung des über, welche aber
im Hochdeutschen gleichfalls veraltet ist. Bey den alten Oberdeutschen
Schriftstellern ist Urdriezze, Überdruß, und im Österreichischen wird
Urfar noch für Überfahrt gebraucht. 3. Das erste in einer Sache, einen
Anfang, eine der ältesten Bedeutungen, welche eine Figur der vorigen
ist. Ur ist in diesem Verstande mit unserm eher, erst, dem Gothischen
air, frühe, dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -,
die Morgenzeit und der Frühling, - hier nichtlateinischer Text, siehe
Image -, der Anfang, dem alten Latein. ora, den Anfang, und den davon
abstammenden oriri und ordiri genau verwandt. Dahin gehören das alte
Urruns, der Morgen, Oriens, Urhab, der Anfang, Urheber, Ursprung,
Urahn u. a. m. 4. Aus, eine gleichfalls alte Bedeutung, in welcher ur,
im Schwedischen noch als ein Vorwort für sich allein üblich ist.
Vrriuto ist bey dem Kero ein Ausrotter, Ursago, Entschuldigung, nach
dem Latein. Excusatio. Im eigentlichen Verstande sind dafür jetzt die
Zusammensetzungen mit er üblicher. Figuren dieser Bedeutung sind, (1)
die Bedeutung der Endigung, wie in Urtheil, urtheilen, Urfehde und
vielleicht noch andere mehr. (2) Die Bedeutung der Beraubung, wo es
ehedem häufig für un gebraucht wurde; wohin die veralteten Urlust für
Unlust, Urmuoti, unsinnig, Urrecht, Unrecht, urwaffni, unbewaffnet,
urkläg, klaglos, ursprach, sprachlos, das Schwed. ursinnig, unsinnig,
das Angels. orsaker, unschuldig, und andere mehr gehören. 5. Daher
wurde es ehedem auch sehr häufig statt der Partikeln er und ver
gebraucht, besonders für die erstere, welche mit unserm ur eigentlich
ein und eben dasselbe Wort ist, und gleichfalls die Bedeutungen des
auf und aus in sich vereiniget. Dahin gehöret Notkers Vrlösi,
Erlösung, ursuochen, ersuchen, ingleichen versuchen, das alte urmar,
verrufen, Megisers urbittig, erböthig, unser Urlaub, für Erlaubniß,
Urkunde, und andere mehr. S. 4. 5. Er. 6. Zuweilen bedeutet es eine
bloße Intension, wo es sich als eine Figur so wohl der ersten, als
dritten und vierten Bedeutung ansehen lässet, und mit erz verwandt
ist. Uralt, urplötzlich, die veralteten urmare, sehr berühmt, Urtat,
eine völlig vollbrachte, unabänderliche That, und andere veraltete
mehr.
Anm. Mehrere Schattirungen dieser Bedeutungen, welche sich doch
insgesammt auf eine der angeführten zurück leiten lassen, werden bey
den folgenden Zusammensetzungen vorkommen. Diese Partikel ist eine von
denjenigen, welche von unsern Wortforschern am fleißigsten untersucht
worden, ob sie gleich in ihren Bemühungen nicht alle gleich glücklich
gewesen. Am sorgfältigsten hat die verschiedenen Bedeutungen derselben
Dietrich von Stade, in seiner Erklärung einiger Deutschen Wörter aus
Luthers Bibel-Übersetzung aus einander zu setzen gesucht, und
besonders eine Menge mit dieser Partikel zusammen gesetzter veralteter
Wörter angeführet, mit welchem auch Frisch in seinem Wörterbuche
verbunden werden kann. Der letztere liefert zugleich eine Geschichte
der Meinungen der Deutschen Sprachforscher von dieser Partikel, welche
ich hier nicht wiederholen will. In den alten Mundarten und Sprachen
gehet diese Partikel mit ihren Verwandten durch alle Vocale durch, ar,
er, ir, or, ur, yr; ob gleich die Selbstlaute im schärfsten Verstande
eben so wenig gleich bedeutend sind, als sie gleich lautend sind.
Bleiben wir bey der Form ur stehen, so ist diese Sylbe ursprünglich
ein nachahmender Ausdruck eines heftigen zitternden und dabey
dumpfigen Lautes gewesen, welche Bedeutung die schon angeführten ira,
irren, das Angels. yrre, zornig, das alte Schwedische Ur,
Schneegestöber, das Madagascatische Ur, der Regen u. s. f. noch haben,
wovon so wohl der Begriff der Bewegung, als auch der Begriff der Größe
und Höhe, Figuren sind. Zu der Bedeutung der Bewegung gehöret das alte
Gothische ora, sich bewegen, nebst einer Menge anderer, z. B. unser
hurtig. Eine nahe Figur davon ist die Bedeutung der Menge, der
Vielheit, die wirkende Ursache der Bewegung und ihres Geräusches,
daher Vrbs, die Stadt, und das Malabarische Ur, ein Flecken, eine
Stadt. Das Licht hat seinen Nahmen einer andern Figur der schnellen
Bewegung zu danken; daher das Hebräische - hier nichtlateinischer
Text, siehe Image -, ur, leuchten, das Latein. aurum und andere mehr.
Neue Wörter lassen sich mit dieser Partikel nicht zusammen setzen,
außer allenfalls in der Bedeutung des ersten; vielmehr hat man die
mehresten damit ehedem zusammen gesetzten veralten lassen. In vielen
ist dafür er und in manchen ver üblich, ( S. diese
beyden Wörter.) Manche im Hochdeutschen veraltete Wörter sind noch in
den Mundarten gangbar. Übrigens ist diese Sylbe da, wo sie noch
gebraucht wird, nicht nur allemahl gedehnt, sondern sie bemächtiget
sich auch des Tones, und ziehet selbigen auf sich zurück.
Urahn (W3) [Adelung]
Der Urahn,
des -en, plur. die -en, ein im Hochdeutschen wenig gebräuchliches, im
Oberdeutschen aber gangbares Wort, den Vater des Großvaters zu
bezeichnen, der Ältervater, Großgroßvater oder Urgroßvater, Lat.
Proavus, welchen man, wen man mit Ehrerbiethung von demselben spricht,
auch wohl den Urahnherren nennet. Eben daselbst heißt die Ältermutter
oder die Urgroßmutter die Urahn oder Urahnfrau. Ur bedeutet hier
entweder etwas das eher ist, oder es stehet auch in nahe verwandter
Bedeutung für ober, über, indem der Urahn im Oberdeutschen auch
Oberahn und Aberahn genannt wird. S. auch Urältern, Urenkel und
Urgroßvater.
Uralt (W3) [Adelung]
Uralt,
adj. et adv. sehr alt, im hohen Grade alt. Ein uralter Mann. Dieser
Gebrauch ist uralt. Ur hat hier wohl unleugbar eine intensive
Bedeutung, welche Intension hier eine Figur so wohl der Größe, als
auch des eher, seyn kann. Angels. oreald, Engl. overold. Im Angels.
ist Vreldi ein hohes Alter von 70 bis 80 Jahren.
Urältermutter (W3) [Adelung]
Die Urältermutter,
plur. die -mütter, die Mutter des Urgroßvaters oder der Urgroßmutter,
Lat. Atavia, welche man auch die Urgroßmutter zu nennen pflegt. So
auch der Urältervater, des -s, plur. die -väter, der Vater des
Urgroßvaters oder der Urgroßmutter, der Ururgroßvater, Atavus. Beyde
zusammen werden auch im Plural die Urältern genannt, d. i. die Ältern
um fünften Gliede von dem Vater an. Im Oberdeutschen unterscheidet man
den Uraltvater und die Uraltmutter noch von dem Urältervater und der
Urältermutter, und macht diese beyden letztern zu den Ältern jener, so
daß Uraltvater und Uraltmutter, so viel wie Urgroßvater und
Urgroßmutter, Abavus und Abavia ist, weil Altvater und Altmutter
daselbst die Großältern bedeuten. Allein, im Hochdeutschen ist diese
Form nicht üblich.
Urältern (W3) [Adelung]
Die Urältern,
sing. inus. 1. ( S. das vorige.) 2. In weiterer Bedeutung werden auch
alle Vorfahren oder Vorältern über die Großältern hinaus Urältern
genannt.
Urältervater (W3) [Adelung]
Der Urältervater,
S. Urältermutter.
Urbar (W3) [Adelung]
Urbar,
-er, -ste, adj. et adv. einträglich, was Nutzen, Gewinn einträgt, doch
nur noch in engerer Bedeutung von der Oberfläche der Erde und ihren
Theilen, Feldfrüchte tragend und dazu geschickt gemacht, tragbar; im
Gegensatze des wüst, öde u. s. f. Urbares Land, angebauetes. Ein
ungebauetes Stück Landes urbar machen, es in tragbare Äcker
verwandeln, durch Ausrottung des Holzes, u. s. f. Nieders. gleichfalls
urbar, Holländ. oorbaar. Bar stammet hier von dem alten bären, tragen,
ab, ur ist mit er gleich bedeutend, so daß dieses Wort so viel wie
erträglich, d. i. austräglich, einträglich bedeutet, Ertrag habend und
gebend. Ehedem wurde es für nützlich, brauchbar überhaupt, gebraucht,
in welchem weitern Verstande es im Hochdeutschen veraltet ist.
Urbar (W3) [Adelung]
Das Urbar,
des -es, plur. die -e, ein im Ganzen genommen im Hochdeutschen
gleichfalls veraltetes Wort, welches nur in den Provinzen hin und
wieder üblich ist. Es bedeutet daselbst. 1. Den Nutzen, Ertrag,
Gewinn, und das Recht, den Nutzen von einer Sache zu haben. Meylan,
das dem H. Riche zugehörte, und das Rich großen Nutzen und Urbar davon
gehabt hat, in einer Urkunde von 1400 in Goldasts Constitut. Was einer
aus einem Gute nimmt von Urbar, Nutzen oder von Früchten, im
Sachsensp. B. 1. Kap. 17. Daher ist noch in einigen Gegenden das
Brauurbar, die Nutzung von dem Bierbrauen, und das Recht, selbige zu
genießen; das Branntweinurbar und so ferner. 2. Ein urbar gemachtes
Feld, und in engerer Bedeutung, ein Landgut, Bauergut, Vorwerk; noch
hin und wieder in vielen Gegenden. Daher ist das Urbarbuch, im
mittlern Lat. Urbarium, ein Buch, in welchem die gebaueten und
zinspflichtigen Felder eines Ortes verzeichnet sind, und welches oft
auch nur das Urbar schlechthin genannt wird; Urbarleute, Landleute, so
fern sie angebauete Felder besitzen, Hühner u. s. f. Der Urbarrichter,
deren Richter, der Dorfrichter; die Urbarsteuer, die Steuer von den
angebaueten Feldern u. s. f. 3. Ein Buch oder Verzeichniß, worein die
Nutzung oder der Ertrag gewisser Art getragen wird. Besonders wird das
Verzeichniß der zu einem Orte gehörigen urbaren Grundstücke nach ihren
Besitzern und Abgaben noch an vielen Orten das Urbar, vollständiger
das Urbarbuch, im mittlern Lat. Vrbarium, genannt, welches letztere
manche sehr unrichtig von Vrbs, die Stadt, abgeleitet haben. An andern
Orten heißt ein solches Verzeichniß, das Grundbuch, Lagerbuch,
Zinsbuch u. s. f. 4. Eine Abgabe, S. Urbede und Urbühr.
Anm. Dieses
Wort, welches in der ersten Bedeutung auch im Lateine der mittlern
Zeiten Vrbora, Vrbura, lautet, stammt, so wie das vorige Beywort, von
bären, tragen, und ur oder er her, und bedeutet eigentlich genau so
viel, wie Ertrag.
Urbe (W3) [Adelung]
Die Urbe,
plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme des Goldbrassens, S. Orf.
Urbethe,Urbede,Orbede (W3) [Adelung]
* Die Urbethe, Urbede, oder
Orbede, plur. die -n, ein nur in einigen Niederdeutschen Gegenden
übliches Wort, diejenige Abgabe zu bezeichnen, welche von den
Grundstücken, besonders von den Feldern, zur Erkenntniß der
Oberherrschaft und des Eigenthums entrichtet wird, und in einigen
Gegenden auch Bedemund, d. i. Bethemünze, oder ein erbethenes Geld, in
den adeligen Städten Pommerns aber auch der Junkerthaler heißt. So
fern sie nur von urbaren Feldern gegeben wird, wird sie in einigen
Gegenden auch das Urbar genannt. S. Rhetii Diss. de antiquissima
germanicarum ciuitatum pensitatione vulgo. Orbede. Da Bethe, Nieders.
Bede, im Nieders. schon von mehrern Arten der Abgaben gebraucht wird,
weil sie anfänglich freywillige Gaben waren, welche bittweise
gefordert wurden, so scheint ur in dieser Zusammensetzung auch nichts
anders als er, und das ganze Wort eine erbethene Abgabe zu bedeuten,
man müßte denn wahrscheinlich machen können, daß es aus Urbarbede
zusammen gezogen worden. S. auch Bedemund und Bethe.
Urbeginn (W3) [Adelung]
Der Urbeginn,
des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen ungewöhnliches, nur von
einigen gebrauchtes Wort, den ersten, ursprünglichen Beginn oder
Anfang zu bezeichnen, wofür andere auch wohl Uranfang gebrauchen. Der
Urbeginn aller Dinge, der erste Anfang. Von ur, das erste seiner Art.
Urbild (W3) [Adelung]
Das Urbild,
des -es, plur. die -er, ein Wort, durch welches man gesucht hat, das
Latein. Original auszudrucken, im Gegensatze der Copie, welches aber
doch sehr unschicklich ist, den Begriff dieses Wortes in allen Fällen
zu bezeichnen. Auf welchem Planeten mag Gellert wohl das Urbild zu
seiner kranken Frau gefunden haben? Wo es von einer Person
ungewöhnlich ist, indem Bild für Person, in der anständigen Schreibart
veraltet ist. Am erträglichsten ist es noch von einem gemahlten oder
gezeichneten ursprünglichen Bilde, so fern es von der Copie
unterschieden werden soll, obgleich in manchen Fällen beyde auch das
Vor- und Nachbild genannt werden. Wenn von Schriften die Rede ist, so
ist Urschrift eingeführet. S. auch Original.
Urbühr (W3) [Adelung]
* Die Urbühr,
Nieders. plur. die -en, ein auch nur in einigen Gegenden übliches
Wort, welches theils für Urbethe gebraucht wird, ( S. dieses Wort,)
theils von einigen andern Arten der Abgaben. Im Meklenburgischen ist
Urbor diejenige Abgabe, welche dem Stifter der Stiftungsherren einer
Stadt u. s. f. zur Erkenntniß oder von ihm geschehenen Stiftung
entrichtet wird, und alsdann von Urbede noch unterschieden seyn soll,
ob gleich dieser Unterschied vielleicht nur in Worten bestehen mag, es
müßte denn Urbede daselbst noch eine andere Abgabe bezeichnen, als
die, welche zur Erkenntniß des Grundeigenthumes entrichtet wird. In
dem Sächsischen Erzgebirge ist die Urbühr, die Gebühr, oder der
Ertrag, welchen der Landesherr von dem Bergwerke hat, und welcher
besonders in dem Zehenten bestehet, daher der Zehentner daselbst
ehedem auch der Urbührer, und der Gegenschreiber, der Urbührschreiber
genannt wurde.
Anm. Das Wort ist mit Urbar völlig gleich bedeutend,
und stammet von bühren, bären, ab, so fern solches ehedem so wohl
tragen, eintragen, als auch einnehmen, bedeutete. Welche das Wegegeld
bühren, d. i. heben, einnehmen, in der Jülich. Polizey-Ordnung. So
solch Geld nach Morchzal gebührt, austrägt, Tschudi. Ur ist auch hier
so viel als er, wie denn irpuren, erpüren, bey den Schriftstellern der
mittlern Zeiten häufig für erheben vorkommt.
Urenkel (W3) [Adelung]
Der Urenkel,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Urenkelinn, des Enkels oder der
Enkelinn Sohn oder Tochter, das vierte Glied in absteigender Linie,
Lat. Pronepos, Proneptis. Ur kann hier eigentlich nicht die Bedeutung
des eher oder erst haben, wie in den Verwandtschaftsnahmen der
aufsteigenden Linie, und scheint daher bloß zur Nachahmung der
letztern angenommen zu seyn, oder auch für ober zu stehen, gleichsam
Oberenkel.
Urerbe (W3) [Adelung]
Der Urerbe,
des -n, plur. die -n, Fämin. die Urerbinn, ein nur in den Rechten
übliches Wort, den ersten oder Haupterben zu bezeichnen, im Gegensatze
des Nacherben oder Aftererben von ur das erste seiner Art.
Uretzig (W3) [Adelung]
* Uretzig,
-er, -ste, adj. et adv. ein nur in den gemeinen Mundarten übliches
Wort, welches besonders von dem Viehe üblich ist, wenn es satt ist,
und nur in dem Futter herum wühlet. Holländ. coraetig. Ur stehet hier
für über, und uretzig, für übergessen, wenn es sich gleichsam
überfressen hat.
Urf (W3) [Adelung]
Der Urf,
ein Fisch, S. Orf.
Urfahr (W3) [Adelung]
* Das Urfahr,
des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Gegenden, z. B. in
Österreich, übliches Wort, die Überfahrt über einen Fluß zu
bezeichnen, und den Ort, wo man überfährt, ingleichen das
Überfahrtsrecht. Er gab dem Kloster Lilienfeld Wilhelmsburg und das
Urfar daselbst auf der Troise, in einer Handschrift des Klosters
Neuburg bey dem Frisch. Sie folgten ihm nach unz an das Urfar über die
Rewse zu Windisch, Hagen bey dem Pez. Daher ist eben daselbst der
Urfahrherr, der Grundherr eines solchen Urfahres, welches Wort von
einigen irrig für Obrigkeit überhaupt verstanden wird. Ur ist auch
hier aus über zusammen gezogen.
Urfe (W3) [Adelung]
Die Urfe,
ein Fisch, S. Orf.
Urfehde (W3) [Adelung]
Die Urfehde,
plur. die -n, ein altes, jetzt nur noch in den Rechten übliches Wort,
das eidliche Versprechen zu bezeichnen, daß man sich wegen einer
Beleidigung, und besonders wegen eines erlittenen Verhaftes, nicht
rächen wolle, der Eid eines verwiesenen oder entlassenen Verhafteten,
sich nicht zu rächen. Die Urfehde schwören. Die Urfehde brechen, sich,
der geschwornen Urfehde ungeachtet, zu rächen suchen. Im Nieders.
Oorveithe, wo auch oorfeiden und verorfeiden, die Urfehde schwören
bedeutet, Schw. Urfecht, im mittlern Lat. Vrpheda. Die letzte Hälfte
dieses Wortes ist das alte Fehde, Krieg, thätliche Feindschaft; die
Partikel ur aber, bey welcher fast alle Wortforscher in diesem Falle
angestoßen sind, hat hier unstreitig die Bedeutung des un, welche aus
andern Beyspielen erweislich genug ist, S. Ur; so daß Ur- fehde, die
Unterlassung aller Fehde bedeutet. Die Gewohnheit, einen Missethäter
oder auch andern Verhafteten, bey Entlassung aus dem Verhafte, die
Urfehde schwören zu lassen, rühret noch von dem in den mittlern Zeiten
so üblichen Faustrechte und der damahls gangbaren Selbstrache her, und
hat auch noch jetzt ihren Nutzen. Ein anderes bey nahe gleich
bedeutendes, aber wenigstens im Hochdeutschen veraltetes Wort ist
Urfriede, oder das eidliche Versprechen eines Verhafteten, den Frieden
wegen des Verhaftes nicht zu brechen, welches in den Schriften der
mittlern Zeiten mehrmahls vorkommt, und wo ur freylich eine andere
Bedeutung haben muß, als ein Urfehde. Frisch vermuthet nicht
unwahrscheinlich, daß es so viel als Verfriede bedeute, und von dem
veralteten verfrieden, durch Frieden oder Befriedigung befestigen,
abstamme.
Urgeist (W3) [Adelung]
Der Urgeist,
des -es, plur. inus. der erste ursprüngliche Geist, ein nur bey den
Mystikern und Goldmachern übliches Wort, worunter die ersten, wenn sie
anders selbst einen Verstand damit verbinden, doch wohl nichts anders
als Gott verstehen können. Ein ähnliches, auch nur bey den Mystikern
gangbares Wort ist der Urgrund, der erste ursprüngliche Grund.
Urgicht (W3) [Adelung]
Die Urgicht,
plur. die -en, ein altes nur noch in den Rechten mancher Gegenden
übliches Wort, das Bekenntniß eines Missethäters, besonders dessen
Bekenntniß auf der Folter zu bezeichnen. Das einfache Gicht, von
gihan, gehan, bekennen, ist längst veraltet. Wachter glaubt, daß ur
hier so viel als vor, und Urgicht ein vor dem Richter abgelegtes
Bekenntniß bedeute; wahrscheinlicher, und der Analogie anderer Wörter
gemäßer, erklärt Frisch die Partikel hier durch ver, zumahl da
Vergicht für Bekenntniß in den vorigen Jahrhunderten, so wie verjahen
und vergichten für bekennen, mehrmahls vorkommt. Wer myn vergicht vor
den Lüten, des vergich ych vor mynen himlischen Vater, in einer alten
handschriftl. Übersetzung der Bibel bey dem Frisch. So daß Urgicht
eigentlich ein jedes Bekenntniß bedeutet. Siehe auch 1 Gicht.
Urgroßvater (W3) [Adelung]
Der Urgroßvater,
des -s, plur. die -väter, des Großvaters oder der Großmutter
Großvater, oder des Ältervaters, oder der Ältermutter Vater, Abavus.
So auch die Urgroßmutter, plur. die -mütter. Beyde zusammen werden mit
einem gemeinschaftlichen Nahmen die Urgroßältern, ohne Singular,
genannt. S. Urältern.
Urgrund (W3) [Adelung]
Der Urgrund,
des -es, plur. die -gründe, S. Urgeist.
Urhab,Urheb (W3) [Adelung]
* Der Urhab oder
Urheb, des -es, plur. car. ein veraltetes, nur im gemeinen Leben
einiger Gegenden übliches Wort. 1. Der Sauerteig und die Hefen, von
erheben, wo ur für er stehet. 2. Der Anfang, der Ursprung eines
Dinges, als eine Figur der Erhebung. S. Urheber.
Urhahn (W3) [Adelung]
Der Urhahn,
S. Auerhahn.
Urheber (W3) [Adelung]
Der Urheber,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Urheberinn, eigentlich
diejenige Person, welche ein Ding, eine Sache angefangen, angehoben
hat, so wohl in gutem als bösem Verstande, doch mehr im letzten, als
im ersten; der Anfänger. Der Urheber eines Streites, eines Krieges.
Der Urheber des Aufruhres ist noch nicht ausfindig gemacht worden, der
Anstifter, Rädelsführer. Der Urheber einer Religion. In weiterer
Bedeutung eine jede Person, in welcher ein anderes Ding seinem Wesen
und seinen Eigenschaften nach gegründet ist, eine Person, so fern sie
die wirkende Ursache eines Dinges ist; in welcher Bedeutung es
besonders in der philosophischen Schreibart der neuern Zeiten häufig
gebraucht worden. Gott, der Urheber aller Dinge. Sich streiten, ob
Gott der Urheber des Bösen in der Welt ist. Ein Gönner ist der Urheber
unsers Glückes. Der Urheber eines Buches, dessen Autor, besser der
Verfasser.
Anm. Das Wort ist alt, und ist zugleich eines von den
wenigen mit ur zusammen gesetzten Wörtern, welche allgemein gangbar
geblieben sind, besonders in der ersten engern Bedeutung. Es lautet
bey dem Hornegk, zu Anfange des 13ten Jahrhundertes Orthab, Orthaber,
bey seinen Zeitgenossen Urhab, Anhab u. s. f. und stammet von dem
alten Zeitworte urheben für erheben her, welches im eigentlichen
Verstande schon bey dem Raban Maurus vorkommt: urhephit, extollite;
hernach aber figürlich, so wie anheben, für anfangen gebraucht wurde,
in welcher Bedeutung erheben noch jetzt in manchen Fällen üblich ist.
Ur bedeutet hier also nicht eigentlich das erste eines Dinges,
gleichsam den ersten Anfänger, sondern hat die Bedeutung des auf, eine
Bewegung in die Höhe zu bezeichnen. Kero und Notker gebrauchen für
Urheber das völlig veraltete Ortfrummi, von dem noch Baierischen und
Oberpfälzischen fremman, friemen, anfangen, und ort, welches hier so
wie in Hornegks Orthab mit ur gleich bedeutend ist. Ulphilas gebraucht
für anfangen mit einer andern aber gleich bedeutenden Vorsylbe
ushafjan, im Dänischen aber heißt der Urheber nach einer sehr
buchstäblichen Übersetzung Ophavsmand, Aufheber.
Urian (W3) [Adelung]
Urian,
ein in den gemeinen Sprecharten als ein eigenthümlicher Nahme übliches
Wort, welches man mit dem Ehrenworte Herr, als eine Art eines
scherzhaften Schimpfwortes, von einem Manne gebraucht, vor welchem man
wenig Achtung an den Tag legen will, besonders, wenn man seiner in
einem Falle gedenkt, wo man ihn nicht erwartete. Als wir uns am besten
über ihn lustig machten, trat Herr Urian herein, der, über welchen wir
spotteten. Jetzt erblickte ich den Herrn Urian, den ich suchte. Mein
Herr Urian ist noch nicht da. Das Wort, welches auch im
Niederdeutschen gangbar ist, ist von unbekannter Bedeutung und
Abkunft. Des ehemahligen Bremischen Archivarii Post Ableitung, der es,
dem Bremisch-Nieders. Wörterbuche zu Folge, von Urbahn, genitale viri,
ableitete, ist so gezwungen als möglich, und noch dazu unanständig.
Allem Ansehen nach ist es ursprünglich ein eigenthümlicher Nahme eines
Mannes gewesen, der sich irgend etwa durch eine
possierlich-verächtliche Handlung verewigt hat; dergleichen Nahmen in
den gemeinen Sprecharten sehr viele vorkommen. Denn an den Urias der
Bibel ist wohl nicht zu gedenken.
Urin (W3) [Adelung]
Der Urin,
des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e,
diejenige unnütze wässerige Feuchtigkeit in den thierischen Körpern,
welche sich in der Blase sammelt, durch die untern Theile des Leibes
abgeführet wird, und in einer Art Lauge bestehet, welche nicht mit in
die Mischung des thierischen Körpers kommt, daher derselbe auch
Kammerlauge genannt wird, welche Benennung nicht bloß scherzhaft ist,
sondern in den Manufacturen, wo man den Urin nöthig hat, z. B. bey den
Tuchbereitern, als ein ernsthafter anständiger Ausdruck üblich ist.
Den Urin lassen, bey einigen urinieren. Urintreibende Arzneyen. Anm.
Es ist aus dem Lat. Vrina entlehnt, und zwar als ein anständigerer
Ausdruck für die im gemeinen Leben üblichen niedrigern. Indessen
werden auch Wasser (in der engern Bedeutung) und Harn in der
anständigen Sprechart gebraucht, obgleich das letzte mehr in
Schriften, als im Sprechen, üblich ist. Die gemeinen und niedrigen
Sprecharten haben eine Menge anderer Ausdrücke, den Urin und das
Lassen desselben zu bezeichnen, die ich hier nicht anführen mag. Nur
das Nieders. Mige und migen verdienen wegen seines Alters und wegen
seiner Verwandtschaft eine Ausnahme. Es lautet im Schwed. und Isländ.
gleichfalls Miga, im Angels. Migan und Mighta, und kommt mit dem Lat.
mejere und mingere, und dem Griech. - hier nichtlateinischer Text,
siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - genau
überein. Das Stammwort ist, dem Ihre zu Folge, das Dalekarlische
Megen, das männliche Glied, welches wieder von Megn, Macht, abstammen
soll. Nette, Nässe, ist auch im Niedersächsischen ein anständiger, und
Pinkel, pinkeln, eben daselbst ein vertraulich-anständiger Ausdruck.
Urin-Blase (W3) [Adelung]
Die Urin-Blase,
plur. die -n, die Blase in dem Unterleibe, worin sich der Urin
sammelt; in Schriften die Harnblase.
Urin-Blume (W3) [Adelung]
Die Urin-Blume,
S. Bergnägalein.
Urin-Geist (W3) [Adelung]
Der Urin-Geist,
des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -er, in der Chymie, ein
aus dem Urin abgezogener sehr flüchtiger Geist; der Harngeist.
Urin-Glas (W3) [Adelung]
Das Urin-Glas,
des -es, plur. die -gläser, ein Glas, den Urin zur Besichtigung für
den Arzt darin aufzubehalten; das Harnglas.
Urin-Salz (W3) [Adelung]
Das Urin-Salz,
des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e,
ein schmelzbares phosphorisches Salz, welches man erhält, wenn man den
Urin zu Krystallen anschießen lässet.
Urkraft (W3) [Adelung]
Die Urkraft,
plur. die -kräfte, die erste ursprüngliche Kraft eines Dinges. Die
Urkraft Gottes, so fern sie der Ursprung und der Grund aller übrigen
Kräfte ist. Die Urkräfte der Welt, die ersten, der Welt gleich bey
ihrer Entstehung mitgetheilten Kräfte.
Urkunde (W3) [Adelung]
Die Urkunde,
plur. die -n, ein sehr altes, in den neuern Zeiten oft mißverstandenes
Wort. Es bedeutet, 1. Ein Zeugniß, in welcher Bedeutung dieses Wort
sehr alt ist, und schon im Isidor Archundi, bey dem Kero aber Urchundi
lautet. Ther quam ci urkunde, der kam zum Zeugnisse, im Tatian.
Ottfried und seine Zeitgenossen gebrauchen es in dieser Bedeutung sehr
häufig. Darnach er zu Vrkunndt erschalt Sein Horen, Theuerd. Zum
Beweise, zum Zeugnisse. Da es denn auch wohl männlichen Geschlechtes
war. Tabernakel des Urkundes, die Hütte des Zeugnisses, des Stifts, in
einer alten Bibel-Übersetzung bey dem Frisch. Zi urchundi ziuho, in
der Monseeischen Glosse, ich ziehe oder bezeuge zum Zeugnisse. Man
gebraucht es in dieser Bedeutung nur noch in schriftlichen Zeugnissen
oder andern schriftlichen Verhandlungen, am Schlusse derselben. Zu
Urkunde dessen (des obigen) ist gegenwärtige Schrift - unterschrieben
- und untersiegelt worden u. s. f. Zu dessen Zeugniß, Beweis. Außer
welchem Falle es im Hochdeutschen veraltet ist. Sehr häufig bedeutete
es ehedem auch im männlichen Geschlechte einen Zeugen. Thie mugun
urkundon sin, die mögen Zeugen seyn, Ottfr. Ein warer Godes urkunde,
in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Und
alsdann hieß zum Unterschiede ein Zeugniß auch Urkundschaft (bey den
Handwerkern noch jetzt Kundschaft,) und Urchundituom, welches letztere
in den Monseeischen Glossen vorkommt. 2. In engerer Bedeutung, ein
schriftliches Zeugniß, besonders aber jede schriftliche, vornehmlich
öffentliche Verhandlung, so fern sie in spätern Zeiten zu einem
völligen Beweise dienet; wo dieses Wort von allen öffentlichen
Verhandlungen, besonders älterer Zeiten gebraucht wird, welche man mit
einem ähnlichen Lateinischen Ausdrucke auch Documente zu nennen
pflegt; eine Beweisschrift. Alte Urkunden sammeln. Urkunden heraus
geben, sie drucken lassen. Handschriftliche, geschriebene, gedruckte
Urkunden. Ein Urkundenbuch, Chartularium, in welches die Urkunden
eingetragen werden. Die Urkundensammlung, welche, so fern sie
öffentlich ist, ein Archiv heißt. Woraus erhellet, daß es von allen
Beweisschriften dieser Art gebraucht wird, ohne einen Unterschied
zwischen Originalen oder Copien zu machen. 3. In den neuern Zeiten
haben einige Schriftsteller angefangen, dieses Wort theils in engerer,
theils in weiterer Bedeutung für Original zu gebrauchen, so fern es so
wohl die Urschrift, im Gegensatze der Copie, als auch den Grundtext,
die Grundschrift, im Gegensatze der Übersetzung, bezeichnet. Ohne
Zweifel hat die Mißdeutung der Partikel ur in dieser Zusammensetzung
diesen Mißbrauch veranlasset, denn daß in derselben kein Grund zu
einer solchen Bedeutung vorhanden ist, indem Urkunde nichts mehr als
Beweisschrift bezeichnen kann, wird sogleich erhellen.
Anm. Denn es
ist erweislich genug, daß ur hier nicht das erste oder ursprüngliche
seiner Art bedeutet, sondern das bloß er nach der veralteten rauhen
Aussprache ist, und von dem alten arkunden, urkunden, erkunden,
bezeugen, beweisen, Kundschaft geben, abstammet. Mit gareuuem Bilidum
dher Heiligi chiscribes eu izs archundemes, wir wollen es mit
angezogenen Beyspielen der heiligen Schrift beweisen, im Isidor. Die
Regel habend wir geschrieben durch das, - das wir uns damit erzogen zu
haben ersam sitten oder ein anfang der bekerung erkunnen, wir haben
die Regel geschrieben, - damit wir dadurch beweisen, daß wir ehrsame
Sitten oder einen Anfang der Bekehrung haben. Also ich ouch
erchunneta, Notker Ps. 55. Und so in andern Stellen mehr, wo erkunden,
und nach einer gröbern Mundart urkunden, nichts anders als bezeugen,
beweisen bedeutet. S. auch das folgende.
Urkunden (W3) [Adelung]
Urkunden,
verb. reg. act. bezeugen, ein nur noch in den schriftlichen
öffentlichen Verhandlungen, z. B. in Verträgen aller Art,
Notariats-Instrumenten, u. s. f. übliches Wort, welche sich
gemeiniglich mit den Worten anzufangen pflegen: wir - urkunden und
bekennen u. s. f. wo es weiter nichts als bezeugen bedeutet, außer
diesem Falle aber im Hochdeutschen völlig veraltet ist. S. das vorige,
Anm.
Urkundlich (W3) [Adelung]
Urkundlich,
adj. et adv. von Urkunde 2, in Gestalt eines Zeugnisses, zu einem
Zeugnisse, besonders als ein Nebenwort, gleichfalls nur in
öffentlichen schriftlichen Verhandlungen. Zu mehrerer Sicherheit ist
gegenwärtiges urkundlich unterschrieben und besiegelt worden, d. i.
zum Zeugnisse, zum Beweise, wofür man auch sagt, zu dessen Urkunde.
Urlaub (W3) [Adelung]
Der Urlaub,
des -es, plur. car. ein ehedem sehr gangbares, jetzt bis auf einige
wenige Fälle veraltetes Wort. 1. * Eine jede Erlaubniß, eine jetzt
völlig veraltete Bedeutung; in welcher es ehedem auch ungewissen
Geschlechtes war. Schon bey dem Kero Vrlaubii, in dem alten Fragmente
auf Carln den Großen bey dem Schilter Orlof, Dän. Orlov, Nieders.
Verlöv, Schwed. Orlof, Isländ. Ordlof. Daz Vrlob gibt der Konig, im
Schwabenspiegel. Wir gebrauchen es, 2. nur noch in engerer Bedeutung,
von der Erlaubniß eines Höhern, wegzugehen, sich auf einige Zeit zu
entfernen, wo es doch auch nur im gemeinen Leben und in einigen Fällen
üblich ist. Man gebraucht es am häufigsten ohne Artikel. Wenn sich der
Schüler auf kurze Zeit aus der Lehrstunde entfernen will, so bittet er
den Lehrer um Urlaub. Am häufigsten ist es bey den Soldaten, von der
Erlaubniß, welche der Vorgesetzte seinem Untergebenen gibt, sich auf
eine gewisse Zeit aus dem Stand-Quartiere zu entfernen, oder auch nur
von dem gewöhnlichen Dienste befreyet zu seyn. Einem Soldaten Urlaub
geben. Urlaub nehmen, diese Erlaubniß suchen und erhalten. Urlaub
haben, im gemeinen Leben auch auf Urlaub seyn. Da es denn auch von der
Zeit gebraucht wird, auf wie lange diese Erlaubniß ertheilet wird, in
welchem Falle es auch den Artikel leidet. Der Urlaub ist aus, ist zu
Ende. Daher beurlauben, solchen Urlaub geben oder ertheilen. 3. Der
Abschied, die Abreise, Entfernung, und die Worte, mit welchen man sich
in der gesellschaftlichen Höflichkeit in diesem Falle einem andern
empfiehlet. Der sumer urloub hat genommen, Graf Kraft von Toggenburg.
Ouch wurden ir vil lichte ougen rot Do ich urlub nam und mich in ir
genade bot, Graf Otto von Bottenloube. Urlup der ritter do genam Von
der vil liben frowen sin, der Burgg. von Linnz. In dieser Bedeutung
ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet. Man sagt nur noch im
gemeinen Leben, Urlaub hinter der Thür nehmen, d. i. ohne Abschied zu
nehmen, weggehen. Indessen hat man davon noch das zusammen gesetzte
sich beurlauben, Abschied nehmen, S. dasselbe.
Anm. Aus dem obigen
erhellet, daß ur hier nichts anders ist, als die Vorsylbe er nach
einer rauhern Oberdeutschen Mundart, und daß Urlaub mit Erlaubniß
eigentlich gleich bedeutend ist, so wie das veraltete urlauben mit
erlauben.
Urlauben (W3) [Adelung]
* Urlauben,
verb. reg. act. erlauben, ein im Hochdeutschen völlig unbekanntes
Wort. Demetrius hatte allem Kriegsvolk geurlaubet, 1 Macc. 11, 55; wo
es in engerer Bedeutung für beurlauben stehet.
Urle (W3) [Adelung]
Die Urle,
plur. die -n, S. Ahorn.
Urmann (W3) [Adelung]
Der Urmann,
des -es, plur. die -männer, oder -leute, ein nur in einigen Gegenden
übliches Wort, einen Urbarmann zu bezeichnen, woraus es auch zusammen
gezogen ist. S. Urbar.
Urmaß (W3) [Adelung]
* Das Urmaß,
des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen unbekanntes, nur in der
Schweiz übliches Wort, das Aichmaß zu bezeichnen, gleichsam das erste
ursprüngliche Maß, welches allen übrigen zum Muster dieser dienet; von
ur, das erste seiner Art.
Urne (W3) [Adelung]
Die Urne,
plur. die -n, aus dem Lat. Vrna, ein Topf, Wassereimer. Man gebraucht
es im Hochdeutschen nur in den edlern Schreibart von den Töpfen der
Alten, besonders von denjenigen, gemeiniglich irdenen Gefäßen, worin
die Alten die Asche der verbrannten Körper beyzusetzen pflegten. Ihr
Nymphen, wenn ihr auf euren Urnen schlummert, Geßn. auf euren
Wasserbehältnissen. Wenn ich an deiner Urne steh' und weine,
figürlich, für bey deinem Grabe, als eine Anspielung auf die
Todtentöpfe der Alten. Im Oberdeutschen hingegen ist Urne, und nach
Oberdeutscher Aussprache Urn, in manchen Gegenden auch ein bestimmtes
Maß, so wohl flüssiger als fester Dinge. In Österreich kommt es in den
mittlern Zeiten als ein Weinmaß vor, und noch jetzt ist in Tirol Urn
oder Uern ein Maß, deren zwey ungefähr drey Wiener Eimer halten.
Urochs (W3) [Adelung]
Der Urochs,
S. Auerochs, welches im Hochdeutschen gangbar ist.
Urquell (W3) [Adelung]
Der Urquell,
des -es, plur. inus. der ursprüngliche Quell in figürlichen Verstande,
derjenige, in welchen, alles übrige gegründet ist; ein nur in der
höhern Schreibart übliches Wort, in welcher Gott zuweilen der Urquell
alles Guten, aller Kräfte u. s. f. genannt wird.
Ursache (W3) [Adelung]
Die Ursache,
plur. die -n, 1. * Eine Entschuldigung, in welcher Bedeutung es in
Lipsii Alemannischen Glossen schon Ursago lautet, im Schwed. Vrsake,
wo auch das Zeitwort ursäkta, entschuldigen bedeutet. In ähnlicher
Bedeutung ist daselbst ursaker, unschuldig. In beyden Bedeutungen
stehet ur für aus, un und ent, eine Beraubung zu bezeichnen, so daß
Ursache in dieser Bedeutung eine buchstäbliche Überzeugung von
Excusatio zu seyn scheinet, und mit Ausrede gleich bedeutend ist. Da
ur und ver sehr oft mit einander verwechselt werden, so gebraucht Kero
Farsaha und farsahhan, für Entschuldigung, und entschuldigen. Daß
Sache aber, wo nicht in allen, doch in vielen Bedeutungen, von sagen
abstammet, welche Ableitung auch hier angenommen werden muß, ist schon
bey diesem Worte bemerket. Übrigens ist es in diesem Verstande im
Hochdeutschen veraltet, außer wenn es mit der folgenden Bedeutung
zusammen schmilzt, indem dasjenige, was man zur Entschuldigung
anführt, oft die Ursache ist, warum es geschehen seyn soll. 2.
Dasjenige, warum etwas ist oder geschiehet. (1) In dem weitesten
Umfange dieses Begriffes ohne nähere Bestimmung des darin befindlichen
Mannigfaltigen; wo es oft mit Grund als gleich bedeutend gebraucht
wird, obgleich dieses eigentlich dasjenige bezeichnet, woraus wir
erkennen, warum etwas ist oder geschiehet. Ursache wird hier auf
mancherley Art verbunden, welche sich besser und kürzer an Beyspielen
als durch Regeln zeigen lässet. Du hast keine Ursache zu weinen, dich
zu beklagen. Viele Ursachen haben, jemanden nicht zu trauen. Ursache
zu etwas haben, geben. Du hast hohe (sehr gegründete, triftige)
Ursache, Gott zu bieten. Ich sehe keine Ursache zu diesem Verfahren.
Du hast mir Ursache dazu gegeben. Die Ursache der Traurigkeit, besser
zur Traurigkeit; indem der Genitiv nur in der folgenden engern
Bedeutung der wirkenden Ursache Statt findet. So auch; keine Ursache
des Todes wurde an Jesu funden, Luc. 23, 22; d. i. keine Ursache,
Jesum zum Tode zu verurtheilen. Das ist die Ursache davon. Überhaupt
wird Ursache mit dem Wörtchen zu verbunden, wenn der Bewegungsgrund
oder dasjenige angedeutet werden soll, warum man etwas thut oder
leidet. Die Ursache, welche ich dazu habe, oder auch, warum ich dieses
thue. Die Ursache, warum er nicht kam, war u. s. f. Ich habe es aus
der Ursache gethan. Aus etwas für Ursachen wollte er nicht kommen? Ich
verschweige es, um vieler Ursachen willen. Um dieser Ursache willen.
Um der Ursache willen habe ich euch gebethen, Apost. 28, 20. Um irgend
einer Ursache willen, Matth. 19, 3. Nach der Ursache fragen, die
Ursache wissen wollen. Der Tod will eine Ursache haben. Eine Ursache
von dem Zaune brechen, im gemeinen Leben, ungegründeten Anlaß zu etwas
suchen und nehmen. Das hat seine Ursachen. Es geschiehet nichts ohne
Ursachen. Ohne Ursache auf jemanden zürnen. Der Vater muß aber doch
seine Ursachen haben, Weiße. Nur im gemeinen Leben übliche
Verbindungsarten sind: er ist nicht gekommen, Ursache, weil er krank
war. Ich konnte nicht kommen, Ursache dessen, ich war krank. (2) In
einigen engern Fällen. (a) Dasjenige, wodurch etwas anders hervor
gebracht wird, ein Ding, welches durch seine Wirkung etwas Mögliches
wirklich macht, vollständiger die wirkende Ursache, Causa efficiens;
mit der zweyten Endung des Hauptwortes. Die Luft ist die Ursache des
Wachsthums der Früchte, die Sonne der Wärme. Die Unmäßigkeit war die
Ursache seines Todes. Du bist die Ursache alles meines Unglückes.
Alles Bösen Ursache ist, den schändlichen Götzen dienen, Weish. 14,
27. Christus ist eine Ursache zur ewigen Seligkeit worden allen, die
ihm gehorsam sind, Ebr. 5, 9; wo doch die Wortfügung mit zu in dieser
Bedeutung ungewöhnlich ist. Öfter gebraucht man es mit dem Vorworte
an. Du bist Ursache daran. Er ist Ursache an meinem Unglücke. (b) Die
bewegende Ursache, dasjenige, warum man etwas thut oder leidet, mit
dem Wörtchen zu, der Bewegungsgrund, welche Bedeutung schon bey der
vorigen allgemeinern da gewesen. (c) Ein Vorwand, eine ungegründete
vorgewandte Ursache. Simson suchte Ursach an die Philister, Richt. 14,
4: einen Vorwand, ihnen zu schaden. Eine an der edlern Schreibart
veraltete Bedeutung. (b) * Anlaß, Veranlassung; eine gleichfalls
veraltete Bedeutung. Ursach geben zur Abgötterey, Bar. 6, 47.
Anm. Das
Wort ist sehr alt, und kommt für Gelegenheit, Anlaß, schon im 9ten
Jahrhunderte vor. Im Nieders. lautet es Orsake, im Dänischen Aarsag,
im Schwed. Orsak. Die Partikel ur ist von den Sprachforschern hier auf
sehr verschiedene Art erkläret worden. Joh. Vorst ließ sich in seinen
Anmerkungen über die Deutsche Sprache durch Keros ersuahhen,
ursuahhen, untersuchen, verleiten, es von ersuchen abzuleiten. Nach
Wachtern bedeutet ur, hier das erste, und Ursache, diejenige Sache,
welche eher da ist als die Wirkung; eine Erklärung, welche ein wenig
zu viel Abstraction bey unsern Vorfahren des 7ten und 8ten
Jahrhundertes voraus setzt. Frischens Ableitung von ur, oder,
gleichsam Obersache, läuft eben darauf hinaus. Weit wahrscheinlicher
ist, daß die erste Bedeutung der Entschuldigung die ursprüngliche ist,
oder doch wenigstens, daß Ursache anfänglich diejenige Sage oder Worte
bedeutet habe, welche man zum Grunde eines Dinges anführet, und daß es
mit excusare, von ex, aus, und cusare, dem alten, noch hin und wieder
üblichen kusen, reden, und Ausrede, sich ausreden, gleich bedeutend
ist. Daher wurde so wohl im Lat. Causa, als auch im Deutschen Sache,
ehedem sehr häufig für Ursache gebraucht, und die Schweden gebrauchen
Saka noch jetzt in diesem Verstande. Auf ähnliche Art bedeuten - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image -, Ratio, (von reden,) das alte
Reden u. s. f. so wohl Worte, Rede, als auch Ausrede, Entschuldigung
und in noch weiterm Verstande Ursache. Notker muß in großer
Verlegenheit gewesen seyn, das Lat. causa zu geben, indem er an einem
Orte das abenteuerliche Hauptwort die Warumbe, das Warum, bildet, an
einem andern aber das dunkle Meinitiz hat; ein Beweis, daß Ursache zu
seiner Zeit noch nicht allgemein gangbar gewesen, und da, wo es
vorkommt nach dem Lat. excusatio gemodelt worden. Siehe auch
Verursachen.
Ursacher (W3) [Adelung]
Der Ursacher,
des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Ursächerinn, eine Person, so
fern sie die wirkende Ursache von etwas ist, der Urheber; eine im
Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung, welche nur zuweilen in den
Rechten von dem Urheber einer bösen Handlung gebraucht wird, und
alsdann auch wohl Ursächer lautet. Der Ursacher eines Streites, eines
Mordes, eines Aufruhres, der Anstifter, Urheber.
Urschlacken (W3) [Adelung]
Die Urschlacken,
sing. inus. in einigen Gegenden des Sächsischen Erzgebirges, besonders
in den Zinnbergwerken, diejenigen Schlacken, welche aus dem Vorherde
in die Schlackengrube laufen, und dem Eigenthumsherren der Hütte
gehören. Etwa für Vorschlacken? Oder bedeutet ur hier das erste seiner
Art?
Urschlag (W3) [Adelung]
* Der Urschlag,
des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -schläge, oder die
Urschlechte, plur. die -n, ein Oberdeutsches, im Hochdeutschen
unbekanntes Wort, den Ausschlag der Kinder zu bezeichnen, da denn
allerley Arten des Ausschlages, selbst Masern und Blattern, mit diesem
Nahmen belegt werden. Es ist von ur, aus, so daß Urschlag mit
Ausschlag gleich bedeutend ist. In andern Gegenden ist dafür Ansprung
üblich.
Urschrift (W3) [Adelung]
Die Urschrift,
plur. die -en, die erste ursprüngliche Schrift, so wohl das Original,
im Gegensatze der Abschrift oder Copie, als auch der Grundtext im
Gegensatze der Übersetzung. Es ist erst in den neuern Zeiten
eingeführet, und von andern ohne Noth getadelt worden, indem die
Bedeutung des ersten bey der Partikel ur zwar nicht die häufigste ist,
aber doch sonst ihre Erweislichkeit hat.
Ursprung (W3) [Adelung]
Der Ursprung,
des -es, plur. die -sprünge, welcher Plural doch seltener gebraucht
wird, ob er gleich sonst untadelhaft ist. 1. Der erste Anfang, das
Entstehen, Entspringen eines Dinges, und die Art und Weise, wie es
entstehet. Im eigentlichsten Verstande ward daher eine Quelle, ein
Ursprung genannt, in welcher Bedeutung es schon bey dem Notker
vorkommt, und noch im Schwedischen gangbar ist. Im Deutschen gebraucht
man es im weitesten Verstande, von dem ersten Entstehen eines jeden
Dinges. Der Ursprung eines Flusses, der Ort, wo er entspringet, dessen
Quelle. Der Ursprung einer Stadt, ihr erstes Entstehen. Seinen
Ursprung von etwas haben, herhaben, hernehmen. Alle Dinge haben ihren
Ursprung von Gott. Den Ursprung, auch wohl die Ursprünge einer Sprache
untersuchen, von welcher und wie sie entstanden ist. Den Ursprung
einer Krankheit erforschen. 2. Figürlich auch die wirkende Ursache
eines Dinges, wie Quell und Quelle. Gott ist der Ursprung alles Guten.
Du bist der Ursprung alles meines Unglücks.
Anm. Diejenigen, welche in
der Partikel ur keine andere Bedeutung als des ersten kannten, haben
auch dieses Wort durch den ersten Sprung oder Anfang erkläret. Allein,
diese Bedeutung hat sie zwar in einigen, aber bey weitem nicht in
allen Zusammensetzungen. Auch in dieser ist ur gewiß nichts anders als
er oder ent, und Ursprung stammet noch von dem veralteten Neutro
urspringen her, welches schon in dem Isidor aspringan lautet, und
wofür wir jetzt entspringen sagen. Daher heißt auch im Dänischen der
Ursprung Oprindelse.
Ursprünglich (W3) [Adelung]
Ursprünglich,
adj. et adv. 1. Von der ersten Bedeutung des vorigen Wortes, das erste
in seiner Art, den Anfang eines Dinges enthaltend, ingleichen, in der
Adverbial-Form, bey dem ersten Ursprunge. Die ursprüngliche Ursache
eines Dinges, die allererste. Ein ursprüngliches Wort, ein Stammwort.
Die Ursache bestehet ursprünglich darin, d. i. bey ihrem ersten
Anfange. 2. In der zweyten Bedeutung des Hauptwortes, ist es, den
Grund eines andern Dinges enthaltend. So sagt man, Gott sey die
ursprüngliche Güte, so fern er als der Grund, der Quell aller außer
ihm befindlichen Dinge, angesehen wird. Im engsten Verstande heißt
Gott ein ursprüngliches Wesen, so fern er den Grund seines Daseyns in
sich selbst hat, seinen Ursprung von keinem andern Dinge hat, in
welchem Verstande man ihm auch die Ursprünglichkeit zuschreibt, bey
den scholastischen Weltweisen, Principitas, Primitas absoluta.
Urstoff (W3) [Adelung]
Der Urstoff,
des -es, plur. die -e, ein in den neuern Zeiten gebildetes Wort, den
ersten ursprünglichen Stoff, die ersten Bestandtheile eines Dinges zu
bezeichnen; der Grundstoff. Die Erde ist eine von den Urstoffen,
woraus alle Körper bestehen.
Urtheil (W3) [Adelung]
Das Urtheil,
des -es, plur. die -e, ein altes, in verschiedenen nahe verwandten
Bedeutungen übliches Wort. 1. Der Ausspruch eines Richters über eine
streitige Sache, wodurch sie entschieden wird, so wohl in bürgerlichen
als peinlichen Sachen. Ein Urtheil fällen, ehedem finden. Das Urtheil
sprechen. Das Urtheil über jemanden fällen. Das Todesurtheil sprechen.
Der Richter spricht oder fället in peinlichen Sachen das Urtheil und
der Landesherr bestätiget oder unterschreibet es. Nach Urtheil und
Recht gestraft, hingerichtet werden. Das Urtheil an jemanden
vollziehen. Urtheil wird im weitesten Verstande von allen Aussprüchen
des Richters in rechtlichen Sachen gebraucht, in engerm Verstande
unterscheidet man dieselben noch nach ihren Arten. Der Ausspruch des
Richters in einer Streitsache wird oft auch der Spruch genannt. Ein
Spruch oder Urtheil, welcher die Hauptsache entscheidet, heißt das
Endurtheil, wenn es aber nur einen Nebenumstand entscheidet, ein
Beyurtheil. Das Gutachten oder Informat-Urtheil, welches in manchen
Fällen auch ein Bedenken heißt, ist bloß die außergerichtliche
Äußerung seines Urtheiles über eine Rechtssache. Die letzte Sylbe
dieses Wortes wird in dieser Bedeutung im gemeinen Leben sehr kurz
ausgesprochen, als wenn es Urtel geschrieben wäre, welches ohne
Zweifel von dem langen Gebrauche herrühret, und zugleich dem Satze in
der Anmerkung, daß diese Bedeutung allem Ansehen nach, die erste ist,
zur Bestätigung dienet. In einigen Gegenden ist es in dieser Bedeutung
weiblichen Geschlechtes, die Urtheil. 2. In weiterer Bedeutung, ein
jedes Gutachten, eine jede Meinung von der Beschaffenheit eines
Dinges, die Erkenntniß von der Beschaffenheit eines Dinges und deren
Äußerung. Ein Urtheil über etwas fällen. Sein Urtheil über eine Sache
zurück halten. Jemanden um sein Urtheil fragen. Etwas jemandes
Urtheile anheim stellen. Meinem Urtheile nach, ist es nicht rathsam.
Nach meinem Urtheile, ist es unmöglich. Wo es eigentlich die auf die
Verbindung der Umstände gegründete Meinung von der guten oder bösen
Beschaffenheit eines Dinges bezeichnet. 3. Im weitesten Verstande ist
dieses Wort in der Philosophie üblich, wo schon jede Verknüpfung oder
Trennung zweyer Begriffe, die Vorstellung des Verhältnisses zweyer
Begriffe, ein Urtheil genannt wird; z. B. das Eisen ist schwer, das
Feuer ist nicht groß. Ein durch Worte ausgedrucktes Urtheil heißt
alsdann ein Satz. Das Grundurtheil, Judicium intuitiuum, welches man
vermittelst der Erfahrung fället, zum Unterschiede von dem
Nachurtheile, wozu man durch Schlüsse gelangt. 4. Ehedem wurde dieses
Wort auch häufig von dem Vermögen der Seele zu urtheilen, d. i. das
Verhältniß zweyer Begriffe zu erkennen, gebraucht, wofür doch jetzt
Urtheilskraft und Beurtheilungskraft üblicher sind. Der ich mich
stürz' in Pein ohn Urtheil und Verstand, Opitz. Wenn Urtheil und
Verstand bey mir zu Rathe sitzen, eben ders. So sag' ich, du brauchst
recht' dein Urtheil und Verstand, eben ders. Du bist in dem Alter, da
die besten Reisegesellen, Wahl und Urtheil, mit dir ziehen, eben ders.
Anm. Schon im Isidor und Ottfried Urdeil, bey dem Kero und Notker mit
der Endsylbe de, Urteilida und Urteilda, im Nieders. Oordel, im Engl.
Ordaal, und selbst im Böhmischen, wo es vermuthlich aus dem Deutschen
entlehnet ist, Ortel. Unsere Sprachforscher, welche überhaupt sehr
geneigt sind, in der Sylbe ur allerley Geheimnisse zu suchen, und
darüber oft den leichtesten und natürlichsten Weg verfehlen, haben
auch dieses Wort auf sehr verschiedene, und oft seltsame Art erkläret.
Wachter führet die vornehmsten ältern Ableitungen an, wo man sie, wenn
man will, nachlesen kann; er selbst sahe in diesem Worte nichts, wie
Macht und Dunkelheit. Ihre leitet das Schwedische ordela, urtheilen,
vor or, ur her, so fern es die Endschaft einer Sache bezeichnet, und
von dem Schwed. dela, Engl. deal, streiten, und erkläret es durch,
einen Streit endigen. Allein, am natürlichsten bleibt man bey der
eigentlichen Bedeutung der Wörter stehen, und da ist urtheilen nichts
anders als ertheilen, so fern nähmlich er und ur hier so viel als ent
bezeichnet, und mit entscheiden und dem Lat. discernere gleich
bedeutend ist, indem in allen eine und eben dieselbe Figur herrscht.
Discretio wird im mittlern Lat. eine häufig für Urtheil, Beurtheilung
gebraucht, und Kero übersetzt es ausdrücklich durch Urteilida. In der
alten Übersetzung einer Schrift des Isidor bedeutet das ähnliche
Ursiita,
von schleißen, spalten, theilen, gleichfalls ein Urtheil in der ersten
gerichtlichen Bedeutung. Ein Urtheil in den beyden ersten und
eigentlichen Bedeutungen ist doch nichts anders, als eine Theilung
oder Scheidung streitiger Begriffe. ( S. auch das folgende.) Von eben
diesem Worte stammen auch die Ordalia der mittlern Zeiten her, welches
gewisse gerichtliche Beweise waren; wobey jedesmahl ein unmittelbares
Wunder angenommen wurde, daher man sie als Endurtheile Gottes ansahe,
und sie Gottesurtheile, kürzer Urtheile und Lat. Ordalia nannte.
Übrigens ist die Sylbe ur in diesem Worte und seinen Verwandten kurz,
dagegen sie in allen übrigen Zusammensetzungen lang ist.
Urtheilen (W3) [Adelung]
Urtheilen,
verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort
haben erfordert. Es bedeutet nach Maßgebung des vorigen Hauptwortes,
1. gerichtlich entscheiden, in einer streitigen Sache als Richter
erkennen, wo es ehedem sehr häufig als ein Activum mit der vierten
Endung der streitigen Sache gebraucht wurde. Noch sprechet ihr, der
Herr urtheilet nicht recht, da ich doch einen jeglichen nach seinem
Wesen urtheile, Ezech. 33, 20. Der seine Hand vom Unrechten kehrt, der
zwischen den Leuten recht urtheilet, Kap. 18, 8. Sey unerschrocken,
wenn du urtheilen sollst, Sir. 4, 9. Ottfried gebraucht es mehrmahls
mit der vierten Endung für verurtheilen. Als ein Activum ist es für
sich allein in dieser Bedeutung im Hochdeutschen völlig veraltet; man
gebraucht es nur noch zuweilen absolute und als Neutrum, obgleich auch
hier die Redensarten das Urtheil fällen, sprechen und so ferner,
üblicher sind. 2. In weiterer Bedeutung urtheilet man, wenn man sich
seiner Meinung von der Beschaffenheit einer Person oder Sache bewußt
ist, oder selbige äußert; wo es ehedem auch als ein Activum mit der
vierten Endung der Person oder Sache üblich war. Strafe dich vor
selbst, ehe du andere urtheilest, Sir. 18, 21; d. i. ehe du sie
beurtheilest, über sie urtheilest. Des Himmels Gestalt könnet ihr
urtheilen, könnet ihr denn auch nicht die Zeichen dieser Zeit
urtheilen? Matth. 16, 3. Wer bist du, der du einen andern urtheilest?
Jac. 4, 11, 12. Auch hier ist es als ein Activum veraltet, indem dafür
beurtheilen üblicher ist. Am häufigsten druckt man den Gegenstand mit
den Vorwörtern von und über aus. Unparteyisch von der Sache zu
urtheilen. Nach sich von andern urtheilen. Kennest du ihn, so würdest
du anders von ihm urtheilen. Warum sollte ich meine Freyheit lassen
urtheilen von eines andern Gewissen, 1 Cor. 10, 29. Ich will nicht
darüber urtheilen. Ich will andere darüber urtheilen lassen.
Ingleichen absolute. Ich will nicht selbst urtheilen. Andere mögen
urtheilen, ob es recht ist. 3. Im weitesten Verstande, der doch in der
philosophischen Schreibart am üblichsten ist, urtheilet man, wenn man
das Verhältniß zweyer Begriffe erkennet, und diese Erkenntniß äußert.
Ich urtheile, wenn ich mir vorstelle, daß das Eisen glühend ist, oder
daß es nicht glühend ist, weil ich alsdann die beyden Begriffe Eisen
und glühend verbinde oder trenne. Stelle ich mir aber ein glühendes
Eisen nur vor, so urtheile ich noch nicht, sondern ich habe nur einen
bloßen Begriff davon. So auch das Urtheilen für das ungewöhnliche
Urtheilung.
Anm. Dieses sehr alte Wort lautet bey unsern ältesten
Schriftstellern bald urdeilan, urteilan, bald aber auch ardeilan,
udeilan, irteilen, erteilen, in welcher letztern Gestalt es besonders
bey den Schwäbischen Dichtern üblich ist. Im Niedersächsischen lautet
es ordelen, im Schwedischen ordela. Es kommt in der gerichtlichen
Bedeutung des Richters, Rechtsprechens, Entscheidens am frühesten vor.
In dem alten Alemannisch. Glaubensbekenntisse der dem Goldasi heißt
es: ich geloub in dannan kunftig an dem jungesten Tag, ertailen viber
lebend unt viber tot. Woraus zugleich erhellet, das urtheilen so viel
als ertheilen ist, nicht zwar in der heutigen Bedeutung, sondern so
fern er für ent, dis, stehet, ertheilen aber mit entscheiden,
discernere, gleich bedeutend ist, welche beyden Wörter sich auf
einerley Figur gründen. Von dem gerichtlichen Urtheile ward dieses
Wort nachmahls auf die Erkenntniß des Verhältnisses einer Person oder
Sache, und endlich auf die Erkenntniß des Verhältnisses zweyer
Begriffe angewandt.
Urtheiler (W3) [Adelung]
Der Urtheiler,
des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort,
welches aber ehedem üblich war, nicht so wohl den Richter, als
vielmehr die Beysitzer eines Gerichtes, welche das Urtheil abfassen,
zu bezeichnen, wofür jetzt in einzelnen Fällen der Ausdruck
Urtheilsverfasser üblich ist, denjenigen Beysitzer zu bezeichnen,
welcher ein gewisses Urtheil verfasset hat, welcher in einigen
Gegenden auch wohl der Urtheilssprecher genannt wird. In dem weitern
Bedeutungen des Zeitwortes ist es im Hochdeutschen nicht gangbar.
Urtheilskraft (W3) [Adelung]
Die Urtheilskraft,
plur. inus. die Kraft, das Vermögen der Seele, zu urtheilen, d. i. das
Verhältniß zweyer Begriffe zu erkennen; wo dieses Wort nur in der
dritten weitesten philosophischen Bedeutung gebraucht wird, dagegen in
der zweyten Bedeutung des Zeitwortes, von dem Vermögen, das Verhältniß
der Dinge gegen einander, in Ansehung des Schädlichen und Nützlichen,
zu erkennen, Beurtheilungskraft üblicher ist.
Urtheilssprecher (W3) [Adelung]
Der Urtheilssprecher, Urtheilsverfasser,
S. Urtheilen.
Urwellen (W3) [Adelung]
Urwellen,
verb. reg. act. welches nur auf den Blech- und Eisenhämmern üblich
ist, wo es von einer besondern Art des Schmiedens gebraucht wird. Wenn
die Frischstücke daselbst zerschroten und unter dem Breithammer zu
Stäben geschmiedet worden, so werden diese Stäbe in kleine Kölbchen
gehauen, und diese Kölbchen werden nur geurwellet, d. i. dem Anfange
noch zu Blech geschmiedet, ob sie gleich in diesem Anfange nur die
Gestalt einer breitlichen Platte bekommen, worauf sie gebreitet, d. i.
noch brei- ter geschmiedet, und ferner bearbeitet werden. Daher der
Urwellhammer, ein Hammer von 2 bis 3 Zentnern, unter welchem diese
Kölbchen geurwellet, d. i. breit geschmiedet werden, und der Urweller,
derjenige Arbeiter, welcher dieses verrichtet. Das Wort ist dunkel und
scheint von hohem Alter zu seyn: indessen erhellet aus dem vorigen,
daß es ungefähr so viel als schlagen, schmieden, bedeuten müsse.
Matthesius sagt in seiner Berg-Postille Pred. 8. der gegrabene
Eisenstein werde gerennet, geschmelzet und hernach gewellet, d. i. mit
hölzernen Hämmern auf dem Rennherde in eine Masse zusammen gearbeitet.
Frisch, der das Wort urwellen nicht kannte, aber doch diese Stelle aus
dem Matthesius bey dem Worte Welle, fascis e ramis, anführet, scheinet
es zu diesem Worte gerechnet, und durch Masse erkläret zu haben.
Allein, es ist wahrscheinlicher, daß es zu walken, pelzen, - hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - u. s. f. gehöret, und schlagen
oder schmieden bedeutet, indem urwellen doch wohl nur allein von der
ersten Arbeit des Breitschmiedens gebraucht wird. ( S. Walken.) Die
Vorsylbe ur scheint auch hier für er zu stehen, da es denn ein Zeichen
einer Intension seyn könnte.
Urwesen (W3) [Adelung]
Das Urwesen,
des -s, plur. ut nom. sing. ein nur bey einigen Neuern befindliches
Wort, das erste ursprüngliche Wesen zu bezeichnen. So heißt Gott
zuweilen das Urwesen aller Dinge. Die Mystiker, Goldmacher und andere
pflegen auch wohl die Bestandtheile eines einzelnen Körpers,
ingleichen die bekannten Bestandtheile aller Körper, d. i. die
Elemente, Urwesen zu nennen.
Urwort (W3) [Adelung]
Das Urwort,
des -es, plur. die -wörter, bey einigen, ein ursprüngliches, von
keinem andern bekannten abgeleitetes Wort, ein Stammwort.
Urzeit (W3) [Adelung]
Die Urzeit,
plur. die -en, auch nur bey einigen Neuern, so wohl eine sehr alte,
lange verflossene Zeit, als auch der erste Anfang der Zeit. Wer kann
sich in diese Urzeit der Schöpfungs-Religion hinfühlen? Herd.
V
W
X
Y
Z