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XADE_s - Adelung - Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart
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Adelung: Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart




Erstellt: 2021-01

A

Adelung, Johann Christoph
Hochdeutsches Wörterbuch
Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart,
mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten,
besonders aber der Oberdeutschen [Adelung]


(E?)(L?) http://www.bastisoft.de/misc/adelung/

Zu den Daten

Hier finden Sie den vollständigen Text des "Grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen" von Johann Christoph Adelung. Er entspricht der Ausgabe von 1811, die vom Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek eingescannt und mit einem Texterkennungsprogramm in Textform überführt wurde. Text und Bilder hat die sogenannte Digitale Bibliothek auf Ihrem Web-Server verfügbar gemacht, jedoch nicht als fortlaufenden Text. Das ist die Lücke, die diese Datei füllen soll.

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Sebastian Koppehel


Erstellt: 2010-02

B

C

D

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

O

P

Q

R

S

S (W3) [Adelung]


S, der neunzehnte Buchstab des Deutschen Alphabetes und der funfzehnte unter den Mitlautern, welcher durch die Zähne ausgesprochen wird, und daher auch zu den Zähnbuchstaben gehöret. Nachdem dieser Buchstab gelinde oder hart ausgesprochen wird, hat man für ihn die Figuren s oder s, ß oder ss, und z, welches letztere doch immer als ein eigener Buchstab angesehen und an das Ende des Alphabetes verwiesen wird, ungeachtet er weiter nichts, als das härteste s ist. Wenn dieses s aber mit einem vollen Zischen ausgesprochen wird, welches besonders manchen Mundarten sehr gewöhnlich ist, so schreibt man es gemeiniglich sch. Ich will das vornehmste, was bey diesem Buchstaben anzumerken ist, auf dessen Aussprache, Schreibart und etymologischen Gebrauch einschränken. 1. Was die Aussprache betrifft, so wird das s oder f theils mit einem halben oder gelinden Zischlaute, theils aber auch mit einem vollen Zischer ausgesprochen. 1) Mit einem halben oder gelinden Zischlaute, wie in rasen, dem Lat. risus, mus u. s. f. Dieses s wird entweder einfach oder gedoppelt ausgesprochen. Das letztere wird allemahl ss und in einigen Fällen mit einem ß geschrieben. Das einfache s oder s aber hat wieder einen gedoppelten Laut, einen gelinden und einen scharfen. Gelinde lautet es am Anfange einer Sylbe, wo es auch mit einem langen s geschrieben wird. Säuseln, Rose, Ameise, Lesebuch. Wohin auch die Fälle gehören, wo der darauf folgende Vocal weggeworfen worden, da denn das s an das Ende der vorher gehenden Sylbe zu stehen kommt, und alsdann oft auch s geschrieben wird; Röschen, Lieschen, Bläschen, er rast oder ras't für raset, er bläs't oder bläset, welche Zusammenziehungen doch lieber vermieden werden. Eine Ausnahme machen diejenigen Wörter, in welchen ein d, t, th, b, p, g, k, und ch vorher gehet, wo das s einen scharfen Laut bekommt; Krebse, krebsen, Kebse, wachsen, Gewächse, drucksen, drechseln, klappsen, des Gypses u. s. f. Daher die Endsylbe -sen oder -seln in vielen Zeitwörtern auch in das noch härtere -zen und -zeln verwandelt worden. Die Endsylbe sam behält ihr gelindes s, was für ein Mitlauter auch vorher gehen mag. Stehet es in der Mitte, so lautet es scharf. Last, Wust, Wüste. Eben so scharf lautet es auch am Ende der Sylbe oder eines Wortes, da es denn allemahl s geschrieben wird. Aus, weislich, gottlos, Beweis, Ries, Maus, Aas, Eis. Ist die Aussprache am Ende eines Wortes gelinder, so wird ein e euphonicum angehängt, diesen gelindern Laut zu bezeichnen; böse, leise, Käse, Matrose, Franzose, Ameise u. s. f. wofür härtere Oberdeutsche Mundarten bös, leis, Käs, Matros, Franzos, Ameis schreiben und sprechen. Von denjenigen Fällen, wo dieses harte s durch ein ß ausgedruckt wird, wird sogleich geredet werden. 2) Mit dem ganzen oder rauschenden Zischer, wie ein sch. Hier sind die Deutschen Mundarten gar sehr von einander unterschieden. Einige Oberdeutsche, besonders die Schwäbische, zischen jedes s an, wenn es vor einem andern Mitlauter stehet, und oft vor einem Vocal, ist, bist, hast, Wespe, wie ischt, bischt, hascht, Weschpe; dagegen die Niederdeutschen mit diesem an und für sich freylich unangenehmen Zischlaute weit sparsamer sind, das s in sp und st niemahls zischend aussprechen, und in den übrigen Fällen statt des sch entweder ein bloßes s oder ein sg hören lassen, welches letztere besonders den Westphalen und Holländern eigen ist. Die Hochdeutsche Mundart, welche das Mittel zwischen beyden hält, pflegt es folgender Gestalt zu halten. Wenn das s zu Anfange eines Wortes vor einem c, k, m, p und t stehet, so lautet es wie sch; Scorpion, Sclave, skoptisch, Smyrna, Smaragd, spaßen, spinnen, Stand, stehen, Stern; welche Aussprache auch in den Zusammensetzungen bleibt, Gestirn, beständig, Verstand. In der Mitte der Wörter und am Ende bleibt der gewöhnlichere Laut des s, gestern, Vesper, lispeln, Wispel, Maske, fest, befestigen, erste, füßeste, Ast, Gäste, Bestie. Nach einem r wird das s, besonders aber in dem st, von dem meisten Hochdeutschen in sehr vielen Wörtern wie ein sch ausgesprochen; Mars, garstig, Durst, Fürst, erst, Borste, bersten u. s. f. wie Marsch, garschtig, Durscht u. s. f. Nur hörst, warst, wirst, Vers, Börse, du fährst, und andere mehr lauten nur in den niedrigen Sprecharten wie hörscht u. s. f. Diejenigen Fälle, wo besonders zu Anfange der Wörter statt dieses gezischten f wirklich ein sch geschrieben wird, gehören nicht hierher. Übrigens wird von dem sch an seinem Orte noch etwas gesagt werden. 2. Was die Schreibart dieses Buchstabens betrifft, so herrscht darin eine nicht geringere Verschiedenheit, indem die vier Figuren s, s, ß und ss fast von einem jeden anders gebraucht werden, welche indessen doch alle darin einig sind, daß das s und s zur Bezeichnung des einfachen, das ss aber zur Bezeichnung des doppelten s gebraucht werden müsse. Das ß (Eßzet) ist der Figur nach freylich auch nichts anders, als ein doppeltes ss, weil das z, welches dessen letzte Hälfte ausmacht, ehedem sehr häufig die Stelle des s vertreten mußte. Es wurde vor diesem auch beständig mit dem ss fast ohne allen Unterschied als gleichgültig gebraucht, und erst in diesem Jahrhunderte hat man angefangen, es noch von demselben zu unterscheiden, und ihm seine eigenen Verrichtungen anzuweisen, weil die Figur einmahl da war, und man es, wie billig, für unnöthig hielt, zwey völlig gleichgültige Zeichen für einen und eben denselben Laut zu haben. Man kann wirklich einen dreyfachen, sehr merklich verschiedenen Laut in dem s unterscheiden, einen sehr gelinden, wie in Rose, blasen; sausen, Muse, Maser, einen stärkern, wie in ich las, weislich, Haus, gottlos, Buße, Muße, das Roß, (im Bienenstocke,) das Maß, mensura, und den stärksten oder das doppelte ss, wie in Roß, lassen, Schloß, müssen, die Masse. 1) Das gelinde oder sanfte s stehet allemahl zu Anfange eines Wortes und sehr oft auch in der Mitte zu Anfange einer Sylbe, und wird ohne Ausnahme durch ein langes s ausgedruckt; Salz, säumen, selig, seltsam, rasen, Blase, summsen. 2) Das scharfe s findet sich in mehrern Fällen und wird nun einmahl bald durch s, bald aber auch durch ß ausgedruckt. (a) Durch s. (aa) Am Ende eines Wortes oder einer Sylbe, wenn es in dessen Verlängerung wieder in das vorige gelinde s übergehet, oder aus demselben entstanden ist; Haus; Häuser, böslich von böse, weislich von weise, Röschen von Rose, ich las, lies von lesen, Ries, Riese, Graus, grausen. Daß man aus, das, was und andere einsylbige Wörter auch nur mit einem s schreibt, ob man gleich außen, dessen und wessen schreibt und spricht, ist als eine Ausnahme anzusehen. (bb) Am Ende einer Sylbe oder eines Wortes, theils wenn noch ein anderer Mitlauter, theils aber auch, wenn ein ausgedehnter Selbstlaut vorher gehet; Dachs, Fuchs, Wachstafel, Gans, Wamms, Hals, es, des Mannes. (b) Durch ein s zu Anfange einer Sylbe nach b, p, ph, ch, g, k, d, t und th; wachsen, des Wachses, die Füchse, die Büchse. Die Endsylbe sam aber lautet allemahl gelinde, wachsam. Nach andern Mitlautern bleibt es gleichfalls gelinde; Gänse, Hälse, wammsen. (c) Durch ein ß, und zwar allemahl nach einem gedehnten Selbstlaute: der Fuß, die Füße, auf etwas fußen, füße, füßlich, groß, größer, Buße, boßeln, spaßen, Kloß, Klöße, Muße, müßig, fließen, Meißen, Preußen, Gruß, grüßen, ich saß, ich aß u. s. f. Die Fälle, wo dieses scharfe ß Statt findet, muß bloß die richtige Aussprache geben. Freylich gibt es Mundarten, z. B. die Schlesische, welche diesen gedehnten Selbstlaut beständig geschärft sprechen, und die müssen denn freylich auch, wenn sie ihrer Aussprache gemäß schreiben wollen, Füsse, grüssen, Busse u. s. f. schreiben, weil sie so sprechen. 3) Das gedoppelte s; dieses wird entweder durch ein ß oder durch ein ss ausgedruckt. (a) Durch ein ß. (aa) Am Ende eines Wortes oder einer Sylbe, wo es eine vorher gehende geschärfte Sylbe voraus setzet, und in der Verlängerung in ss übergehet; Schloß, Faß, Haß, häßlich, Flußwasser. (bb) In der Mitte einer Sylbe, wenn nach dem ss ein e weggeworfen worden, oder wenn es doch aus dem ss entstanden ist; er ißt von isset, heißt, beißt, haßt, gleißt, gewußt, ich wußte. (b) Durch ein ss, zwischen zwey Vocalen, wenn die Aussprache ein doppeltes s erfordert; lassen, hassen, fassen, Gasse, und so ferner. Dieses dreyfache, dem Laute nach verschiedene s ist in der Aussprache hinlänglich gegründet. Rose lautet doch anders, als das Roß (die Wachstafeln im Bienenstocke) und Roß, Muse, anders als Muße, und müssen, Maser anders als Maß und Masse, weise anders als weiß, Schöße anders als Geschosse u. s. f. Indessen gibt es doch Sprachlehrer, welche mit der Vertheilung der Schriftzeichen s, s, ß und ss unter diese drey Laute nicht zufrieden sind, und besonders wider den jetzt gedachten Gebrauch des ß sehr vieles einzuwenden haben. Wahr ist es freylich, daß diese Art, die vier Figuren des Lautes s zu schreiben, ihre Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten hat, besonders da das ß am Ende eines Wortes so wohl das scharfe, als auch das doppelte s ausdrucken muß; allein man hat doch nichts besseres an ihre Statt in Vorschlag gebracht. 3. Von dem etymologischen Gebrauche wäre sehr viel zu sagen; ich will mich aber nur auf einige Stücke einschränken. 1) Das s ist ein Sibilus, welcher in manchen Mundarten gern in das volle, gröbere sch übergehet, und vermöge seiner Natur, alle mit einer Art des Zischens verbundene Bewegungen ausdruckt, wie das Sausen und Säuseln des Windes, das Fließen des Wassers, die hastige Eile u. s. f. daher es denn auch in allen den Wörtern vorkommt, welche einen solchen Begriff ausdrucken, oder doch ursprünglich und eigentlich ausgedruckt haben. Es ist eine Grundregel in der Etymologie, daß, wenn sich ein Wort mit zwey oder mehrern Mitlautern anfängt, nur der letzte zum Stamme gehöret, die vorher gehenden aber nur zufällige Vorlaute sind, welche doch nicht allemahl als müßige Zusätze angesehen werden müssen, sondern die Hauptbedeutung auf mancherley Art bestimmen und abändern. Es gilt dieses besonders von allen denjenigen Wörtern, welche zu Anfange nach dem s noch einen oder mehrere Consonanten haben, wobey noch dieses voraus zu setzen ist, daß die weichen b und d allemahl in die verwandten härtern p und t, k und g aber in das weichere ch übergehen, der Blaselaut w aber, so wie l, m, n und r statt des einfachen s gemeiniglich das voller zischende sch bekommen. So findet man bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern sehr oft s was, swer, swie, swenn, für was, wer, wie, wenn. Spreiten ist von breiten, und dieß wieder von reiten; schlecken von lecken; schmelzen, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, von milde; Schnee, Nix, von dem noch bey den Jägern üblichen Neu; Stock, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, von Docke; der Stollen im Bergbaue, von dem Oberdeutschen Dohle, ein Canal; schließen, Nieders. fluten, von dem noch im Lat. üblichen cludere; das Nieders. Scharn, Mist, von Gahre, Mist, Dünger; sterben von derben; das Holländ. slink von unserm link; Schlamm, Schleim, von Lehm, Leim, Lat. Limus; schlüpferig von dem noch im Lat. befindlichen lubricus; scheren von kehren, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; schreyen von kreyen, Franz. crier; schreiten von gradi; schreiben von reiben, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, stumm und dumm; Specht, Picus, von bicken; Stier, Taurus, von tor, groß; das Stammwort von schwer ist noch in dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - befindlich. Mehrere werden im folgenden auf allen Seiten vorkommen. In manchen Wörtern ist das Anfangs s auch ein Zusatz vor dem Vocal. So sind Saal und Aula sondern und ohne, das Lat. super und über u. a. m. Eines Geschlechtes. Dieser Vorschlag ist nicht bloß den Deutschen Mundarten eigen, sondern er findet sich bey allen Völker schaften; ja es gibt Sprachen, welche fast keinen Mitlauter aussprechen können, ohne ihn mit einem s zu begleiten. So machten die Äolier aus Geten oder Kithen ihre Scythen, aus Kimber, Skimber. Für Servus sagten die ältesten Lateiner erst Erus, und hernach Eruus. Aus Dach machten die Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und aus Zinn, Nieders. Tinn, die Lateiner Stannum. Oft ist dieses s freylich wohl etwas Eigenes der Mundart, ohne eine bestimmte Bedeutung zu haben. Allein in sehr vielen Fällen kann man es doch als eine Intension ansehen, welche sich aus dem natürlichen Laute, den dieser Buchstab nachahmet, sehr wohl erklären läßt. Im mittlern Lateine lautet dieses intensive s häufig vollständig es- und ex- und es stehet dahin, ob es nicht auch im Deutschen aus zusammen gezogen worden. Die Italiäner sagen struccare für estruccare, ausdrucken; svellere, sminuire, stimare, scaldare, u. s. f. wo es überall die Bedeutung verstärkt. Das dieser Nation so eigene privative s zu Anfang der Wörter, ist wenigstens augenscheinlich, aus ex oder dis entstanden; sradicare, ausrotten, scalzare, die Schuhe ausziehen, sbrigare, der Mühe überheben, von Briga, sbendare, entbinden, von Benda, die Binde, sbaccellare, enthülsen, scallare, auspacken, sbarbare, des Bartes berauben, sbarcare, ausschiffen, sborsare, ausbeuteln, und hundert andere mehr. Das t ist dem s sehr nahe verwandt, daher es von vielen auch der halbe Zischer genannt, und von manchen Völkerschaften mit einem gelinden Zischlaute durch die Zähne gesprochen wird. Beyde Mitlauter wechseln daher in allen Sprachen sehr häufig mit einander ab; besonders gebrauchen die Niederdeutschen, und die mit ihnen verwandten Mundarten, in sehr vielen Fällen gern ein t, wo die dem s und sch günstigern Oberdeutschen diese letztern Mitlauter haben. Lassen, Nieders. laten, das, was, Nieders. dat, wat, schleißen, Nieders. sliten, reißen, Nieders. riten u. s. f. Unser es, Nieders. it, Engl. it, und das Lat. id, sind ursprünglich Ein Wort. R und s, h und s gehen in allen Sprachen gleichfalls oft in einander über, weil die Laute, welche sie bezeichnen, oft nur in den Graden verschieden sind. Ein sanfter Wind wehet, ein stärkerer säuselt, ein noch stärkerer sauset, raset und brauset. So lauten die Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bey den Lateinern Sus, Sol, Sylva und Sudor; für Zunder sagte man ehedem Hunuer; unser Hase lautet im Schwed. und Engl. Hare; verlieren und verliesen waren ehedem gleichbedeutend, wie köhren und kiesen, was und war. 2) In der Beugung und Ableitung der Wörter spielet dieser Buchstab eine nicht minder ansehnliche Rolle. Er hilft in vielen Hauptwörtern die zweyte einfache Endung des männlichen und ungewissen Geschlechtes bilden; des Mannes, des Hauses, des Trunkes oder Trankes. Bey den eigentlichen Hauptwörtern hat er hier gemeiniglich ein e vor sich, welches aber auch, wenn der Wohlklang es verstattet, weggelassen werden kann und oft wegbleiben muß. Nur die Infinitive, wenn sie als Hauptwörter gebraucht werden, leiden dieses e nicht; des Daseyns, des Wesens, des Essens. Es ist hier, so wie in allen folgenden Fällen, kein leerer willkührlicher Schall, obgleich das hohe Alterthum alle weitere Muthmaßungen verbiethet. Dieses s, welches eigentlich nur für die männlichen Hauptwörter bestimmt ist, bekommen auch die weiblichen eigenthümlichen Nahmen, wenn sie ohne Artikel in der zweyten Endung vor dem regierenden Hauptworte stehen; Marianens Tugend, Luisens Schönheit, Minervens Schild, Hedwigs Geist. So wie es auch in der Zusammensetzung vielen weiblichen Nennwörtern angehänget wird; hülfsbedürftig, Hülfsgelder, der Geburtstag, die Andachtsübung, hoffnungsvoll, anbethungswürdig, Liebesbriefe, Nahrungsmittel, die Frauensperson. Im Niederdeutschen bildet es auch in vielen Fällen den Plural ohne Unterschied des Geschlechtes, welchen Plural die Niedersachsen oft mit in die Hochdeutsche Mundart bringen, der er doch fremd ist; die Mädchens, Frauens, Jungens, die Schülers, die Dieners. Es scheinet, daß die heutigen Franzosen, so fern ihre Sprache durch die ehemahligen Franken verändert worden, ihren Plural auf s daher bekommen haben. Im Deutschen pflegt man ihn daher auch oft in solchen Wörtern beyzubehalten, welche zunächst aus dem Französischen entlehnet worden; die Ministers, Generals, Officiers, Grenadiers u. s. f. wofür man doch besser sagt, Minister, Generale, Officier, Grenadier. Ferner macht dieses s am Ende der Wörter auch Nebenwörter; allerdings, gleichfalls, theils, rechts, links, unversehens, flugs, erstens, zweytens, drittens, abends, mittags, nachts, montags, dienstags, nächstens, welche nicht selten eine unbestimmte Bedeutung haben, S. -mahls in 6 Mahl. In manchen Wörtern gehet dieses s in st über; einst, dereinst, längst, immittelst, vermittelst. Es scheinet hier aus der Endsylbe "-isch" zusammen gezogen zu seyn, welche in vielen solcher Wörter in den gemeinen Sprecharten noch deutlich gehöret wird. Auch Opitz sagt noch linkisch für links. Von dem sch und st wird noch an seinem Orte etwas gesagt werden.


Saal (W3) [Adelung]


1. Der Saal, S. Sahl.


Saal (W3) [Adelung]


2. Der Saal, des -es, plur. die Säle, Dimin. das Sälchen, ein Wort, welches ehedem eine Wohnung, einen Pallast, ein Zimmer u. s. f. bedeutet. 1) * Ein Behältniß, eine Wohnung; eine jetzt veraltete Bedeutung. In dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur heißt es noch: die heilig junkfrau was ein Arch und ein außerwelter Saal des obersten Gottes. Der Übersetzer Tatians gebraucht das verwandte Selida von den Nestern der Vögel, und bey dem Ulphilas ist saljan wohnen, sich aufhalten. 2) * Ein Haus; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher es in den Salischen und andern Gesetzen vorkommt. Mit der Ableitungssylbe de ist Selida in eben dieser Bedeutung bey dem Ottfried und andern alten Schriftstellern sehr häufig. 3) * In engerer Bedeutung, der Hof, der Pallast eines vornehmen Herren; eine gleichfalls ungangbar gewordene Bedeutung, in welcher die Palläste der Fränkischen Könige ehedem häufig Säle genannt wurden. Der Saal zu Ingelheim, zu Goßlar. Amos 9, 6 heißt es noch: Gott bauet seinen Saal im Himmel; und in einem alten Weihnachtsliede: und macht uns Erben in seinem Saal. Daher war Saalman ehedem ein Hofmann, Saalmeister der Hofmarschall u. s. f. Das Schwed. Sal hat diese Bedeutung gleichfalls. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und Lat. Aula unterscheiden sich bloß durch den Mangel des oft zufälligen Zischlautes, ( S. S. 3, und Halle.) Bey dem Ulphilas ist Alh ein Tempel. 4) Ein geräumiger Platz vor einem Hause, der Vorhof, ingleichen ein Platz vor den Zimmern eines Hauses oder eines Stockwerkes. Ehud ging den Saal hinaus, Richt. 3, 23; das Vorgemach, Michael. In Niederdeutschland nennet man den Flur im Hause, ehe man in die Zimmer tritt, die Diehle, welches gleich falls hierher gehöret, weil d und s immer abwechseln. In Meißen und einigen andern Gegenden heißt der Platz vor den Zimmern eines Stockwerkes, aus welchen man in die Zimmer tritt, der Vorsaal, er sey übrigens so klein er wolle. 5) Am gewöhnlichsten ist dieses Wort von einem großen geräumigen Zimmer, welches viele Personen fassen kann, und welches nach Verschiedenheit seiner Bestimmung allerley Beysätze bekommt. Der Eß- oder Speisesaal, der Tanzsaal, Bildersaal, Concert-Saal, Hochzeitsaal, Rittersaal u. s. f. Französ. Sale, Salon, Ital. Sala, Salone, Salette, Span. Sala, Salon, Pohln. Sala. 6) Im weitesten Verstande wurde es ehedem von den Dichtern in allerley Zusammensetzungen gebraucht, einen jeden Ort von einem beträchtlichen Umfange zu bezeichnen. Der Sternensaal, Freudensaal und so ferner. Anm. Die Bedeutung der Ausdehnung in die Weite, des bedeckten hohen Raumes scheinet in diesem Worte die herrschende zu seyn, obgleich in der ersten der Begriff der Stille, der Ruhe vorzustechen scheint. 1 Chron. 29, 11 lautet der Plural Saale, der aber im Hochdeutschen völlig ungewöhnlich ist. Ehedem schrieb man dieses Wort durchgängig Sal. Im vorigen Jahrhunderte, als man anfing, die gedehnten Selbstlauter in manchen Fällen durch Zeichen zu unterscheiden, fing man an, es Saale zu schreiben, und diese Schreibart hat sich seitdem beständig erhalten, ungeachtet die Verdoppelung des Vocals das unschicklichste Zeichen der Dehnung ist; daher man auch, wenn das a in ä übergehet, dieses nie gern verdoppelt.


Saalmann (W3) [Adelung]


* Der Saalmann, des -es, plur. die -männer, ein veraltetes, oder höchstens nur noch in einigen Gegenden übliches Wort. 1) Von Saal. der Hof, Pallast, war Saalmann ehedem ein Hofmann, Aulicus, wie es in einem alten Vocabulario aus dem 15ten Jahrhunderte ausdrücklich übersetzt wird. 2) So fern Saal das Gerichtshaus, Gericht bedeutete, wurden ehedem in Baiern die Vögte oder Advocati Saalmänner genannt, da denn oft ein jeder Sachwalter, ingleichen ein jeder Bürge diesen Nahmen bekam. Anderer Bedeutungen zu geschweigen.


Saame (W3) [Adelung]


Der Saame, S. Same.


Saar (W3) [Adelung]


Saar, S. Sahr.


Saat (W3) [Adelung]


Die Saat, plur. die -en, von dem Zeitworte säen. 1) Die Handlung des Säens, Lat. Satio, besonders des Getreides; ohne Plural. Die Zeit der Saat, 3 Mos. 26, 5; die Saatzeit. Zur Saat-ackern oder pflügen, einen Acker das letzte Mahl vor dem Säen pflügen, ( S. Staatsfurchen.) Die Saat vornehmen. Die Saat ist geschehen. Wir sind in der Saat, wir sind mit dem Säen des Getreides beschäftiget. Das Saatkorn, der Saatrocken, die Saatgerste, die Saaterbsen, welche gesäet werden sollen; wofür man im Hochdeutschen und in der anständigern Sprechart auch sagt Samenkorn, Samenrocken u. s. f. 2) Derjenige Same, welche gesäet wird, besonders von dem zum Säen bestimmten Getreide; am häufigsten in den Zusammensetzungen Ansaat, Einsaat, Frühsaat, Sommersaat, Wintersaat u. s. f. wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. Es ist in dieser Bedeutung im Niedersächs. am üblichsten; im Hochdeutschen gebraucht man auch hier das Wort Samen. Hoffnungsvoll verwes't die Saat Auf den Tag der Ernte; ein falscher Gedanke nach der übel verstandenen Stelle, 1 Cor. 15, 36, weil der ausgestreute Same in der Erde nicht verweset, sondern nur entwickelt wird. 3) Das aus dem Samen hervor gewachsene und noch auf dem Halme stehende Getreide; Lat. Satum. Das Einkommen deiner Saat, 5 Mos. 14, 32. Wenn du in die Saat deines Nächsten gehest, so magst du mit der Hand Ähren abrupfen, Kap. 23, 25. Von eurer Saat und Weinbergen wird er den Zehenten nehmen, 1 Sam. 8, 15. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung nicht üblich, wo man es in der Landwirthschaft nur noch dem jungen Getreide gebraucht, ehe es schosset. Die Saat stehet schön, schosset. Schön ists, wie die grüne Saat dort über das Feld hin die zarten Spitzen aus dem Schnee empor hebt, Geßn. Auf Saaten, die des Rosses Huf zertreten, Raml. Auch hier findet der Plural nur von mehrern Arten Statt. 4) In einigen Gegenden ist es auch ein Feldmaß, vermuthlich so viel Land, als man auf Ein Mahl, oder in Einem Gange zu besäen pflegt. So ist im Eiderstädtischen eine Saat ein Stück Feldes von 36 Quadrat-Ruthen. Sechs Saat machen ein Demat, und 360 Saat einen Pflug. Der Plural bleibt hier, so wie bey so vielen andern Wörtern dieser Art, unverändert.

Anm. Bey dem Ottfried Sat, im Tatian Sati und Sata, im Nieders. Saad und Saat, im Angels. Saed, im Engl. Seed, im Isländ. Säde, im Schwed. Säd; alle von einem jeden Samen; Nieders. Kohlsaat, Rübesaat u. s. f. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur von dem Getreide, für das gleichfalls übliche Samen. ( S. Säen.) In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es weiblichen Geschlechtes, die Saate. Die Saate gehet auf, Opitz. Die Saate soll hernach, wo Pergamus war, stehn, ebend. Des Cadmus Saate kann dir meine Macht bewähren, Lohenst. Die Alten schreiben in diesem Worte nur ein einfaches a, Sat, Ottfr. Erst in den neuern Zeiten hat man angefangen, ein doppeltes zu schreiben, ob es gleich besser gewesen wäre, man hätte hier nichts geändert. Schreibt man doch That. Bad, Rath, Pfad u. s. f. ohne daß das a Gefahr liefe, kurz ausgesprochen zu werden.


Saatbohne (W3) [Adelung]


Die Saatbohne, plur. die -n, Bohnen, welche man säen oder pflanzen will; Samenbohnen. So auch Saaterbsen, Saatgerste, Saathafer, Saatkorn, Saatlinsen u. s. f.


Saatfeld (W3) [Adelung]


Das Saatfeld, des -es, plur. die -er in der Landwirthschaft, ein bestelltes und besäetes Feld; zum Unterschiede von einem Brachfelde.


Saatfurchen (W3) [Adelung]


Saatfurchen, verb. reg. act. eben daselbst, das letzte Mahl pflügen, worauf sogleich gesäet wird. Daher das Saatfurchen, im Meklenburg. die Saatfahre, wo jedes Pflügen eine Fahre heißt. S. Ackern.


Saatgurke (W3) [Adelung]


Die Saatgurke, plur. die -n. 1) Bey einigen, die gewöhnlichen Gurken, welche in den Gärten gebauet werden, Cucumis lativus L. zum Unterschiede von den wilden Gurken. 2) Im gemeinen Leben auch die Samengurken, welche man zum Samen reif werden läßt.


Staathanf (W3) [Adelung]


Der Staathanf, des -es, plur. car. eine besonders im Nieders. übliche Benennung des weiblichen Hanfes, weil er nur allein Samen trägt, S. Hanf.


Saathuhn (W3) [Adelung]


Das Saathuhn, des -es, plur. die -hühner, S. Brache vogel.


Staatkrähe (W3) [Adelung]


Die Staatkrähe, plur. die -n, die gewöhnliche Krähe, welche sich gern auf den Saatfeldern aufhält.


Staatlerche (W3) [Adelung]


Die Staatlerche, plur. die -n, die gewöhnlichste Feld- oder Sanglerche, weil sie sich gern auf Saatfeldern finden läßt.


Staatwicke (W3) [Adelung]


Die Staatwicke, plur. die -n, in der Landwirthschaft, die gewöhnlichen zahmen Wicken, welche auf dem Felde gebauet werden; zum Unterschiede von den wilden.


Saatzeit (W3) [Adelung]


Die Saatzeit, plur. die -en, in der Landwirthschaft, die Zeit der Saat, die Zeit, da eine Getreideart gesäet zu werden pfleget; Nieders. Sadeltiet.


Sabbath (W3) [Adelung]


Der Sabbath, des -es, plur. die -e, bey den ältern und neuern Juden, der Hebräische Nahme des siebenten und letzten Tages in der Woche, welcher bey uns der Sonnabend heißt von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ruhen, weil er zugleich der Ruhetag von aller Arbeit war. Figürlich pfleget man auch wohl bey den Christen zuweilen den Sonntag, so fern er der gewöhnliche Feyer- und Ruhetag ist, den Sabbath zu nennen. Den Sabbath entheiligen, an dem zur Feyer bestimmten Wochentage muthwillig weltliche Arbeiten und Geschäfte verrichten. Bey dem Notker heißt der Sabbath der Juden Firrotak, Firtag, Viroo, Feyertag, im Angels. Sabbathum und Restedaeg, Rasttag.


Sabbather (W3) [Adelung]


Der Sabbather, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in Luthers Übersetzung des neuen Testamentes übliches Wort, einen Wochentag zu bezeichnen, weil die ältern Juden sie von dem Sabbathe an zu zählen pflegten. Der erste Sabbather, der Sonntag, der zweyte. der Montag u. s. f.


Sabbathin-Sache (W3) [Adelung]


Die Sabbathin-Sache, plur. die -n, an dem Kammergerichte zu Wetzlar, eine Sache, welche Sonnabends vorgenommen zu werden pflegt, wohin z. B. wichtige Interlocutorien gehören, welche einen Senat von vier Beysitzern erfordern.


Sabbath-Jahr (W3) [Adelung]


Das Sabbath-Jahr, des -es, plur. die -e auch bey den ältern Juden, jedes siebente Jahr, an welchem alle Felder u. s. f. ruhen und brach liegen mußten; das Feyerjahr, Ruhejahr.


Sabbaths-Frau (W3) [Adelung]


Die Sabbaths-Frau, plur. die -Weiber, bey den heutigen Juden, eine christliche Frau, welche sie am Sabbathe bedienet, weil Jüdisches Gesinde an diesen Tage kein Geschäft verrichten darf.


Sabbaths-Schänder (W3) [Adelung]


Der Sabbaths-Schänder, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sabbaths-Schänderinn, bey den Juden so wohl als Ebristen, eine Person, welche den gewöhnlichen Feyertag mit Vorsatz und aus Verachtung entheiliget.


Sabbath-Tag (W3) [Adelung]


Der Sabbath-Tag, des -es, plur. die -e, ein in der Deutschen Bibel für Sabbath gebräuchliches Wort.


Säbel (W3) [Adelung]


Der Säbel, des -s, plur. ut nom. sing. ein langes, breites und gekrümmtes Schwert, dergleichen unter andern auch die Türken, Ungarn und Husaren zu führen pflegen.

Anm. Im Nieders. Zabel, auch in andern gemeinen Mundarten Sabel und Saber, im Schwed. Sabel, im Engl. Sabre, im Ital. Sabra, Sable, im Böhm. Ssawle, im Finnländ. Sabeli. Wachter leitete es von dem Arab. Seif, ein Degen, Schwert, ab, vermuthlich ein krummes Schwert, denn daß der Begriff der Krümme in diesem Worte der herrschende ist, erhellet aus dem Neu - Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, krumm, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Säbel. Wir haben dieses Wort mit der Sache selbst ohne Zweifel aus Ungarn und der Türkey erhalten, weil die krummen Schwerter bey unsern Vorfahren nicht üblich waren. Die Ableitungssylbe -el oder -er, bedeutet ein Werkzeug, ein Subject. ( S. Säbelholz.) Sichel ist nur im Endkante der Stammsylbe verschieden.


Säbelbohne (W3) [Adelung]


Die Säbelbohne, plur. die -n, eine Art langer und breiter Türkischer Bohnen oder Schminkbohnen, welche wie ein Säbel gekrümmet sind.


Säbelfuß (W3) [Adelung]


Der Säbelfuß, des -es, plur. die -füße, krumme fehlerhafte Füße der Pferde, welche wie ein Säbel gekrümmet sind.


Säbelholz (W3) [Adelung]


Das Säbelholz, des -es, plur. inus. im Schiffsbaue, aus krummen Bäumen geschnittene Planken, welche die Figur eines Säbels haben, oder auf der hohen Kante gekrümmet sind.


Säbelklinge (W3) [Adelung]


Die Säbelklinge, plur. die -n, die Klinge eines Säbels, eine breite und lange gekrümmte Degenklinge.


Säbeln (W3) [Adelung]


Säbeln, verb. reg. act. mit dem Säbel hauen. Läßt Sophonisbe zu, daß man den Ehschatz sebelt? Lohenst. niederhauet, Wir gebrauchen es nur in herunter säbeln, und den Zusammensetzungen absäbeln und niedersäbeln.


Säbelschnäbler (W3) [Adelung]


Der Säbelschnäbler, plur. ut nom. sing. eine Art Vögel mit einem gekrümmten Schnabel, S. Sichelschnäbler.


Säbeltasche (W3) [Adelung]


Die Säbeltasche, plur. die -n, eine lederne, mit Tuch überzogene Tasche, welche die Husaren unter dem Säbel hangen haben.


Säbenbaum (W3) [Adelung]


Der Säbenbaum, des -es, plur. die -bäume, eine Art des Wachholders, der in Italien, Portugall und dem Morgenlande einheimisch ist; Juniperus Sabina L. Die Blätter haben einen starken widrigen Geruch und scharfen Geschmack. Der Nahme wird nicht nur in den gemeinen Sprecharten, sondern auch von den Schriftstellern gar sehr verderbt. Bald lautet er Sebenbaum, Sevenbaum, Siebenbaum, bald Sadebaum, Sadelbaum, Sadel, Sathebaum, bald gar Sagebaum und Segelbaum. Allein da alle diese Nahmen aus dem Lateinischen Sabina, Arbor Sabina, verderbt sind, so kann die wahre Schreib- und Sprechart nicht mehr zweifelhaft seyn. Im Englischen heißt dieser Baum Savin, im Französischen Sabine, Savinier.


Säch (W3) [Adelung]


Das Säch, am Pfluge, S. Sech.


Sache (W3) [Adelung]


Die Sache, plur. die -n, Diminutivum, welches doch nur in einigen Fällen üblich ist, Sächlein, in der vertraulichen Sprechart Sächelchen; ein sehr altes Wort von weitem Umfange, dessen vornehmste Bedeutungen folgende sind. 1) Ein Zank, lauter Wortstreit; eine veraltete Bedeutung, von welcher sich aber doch noch hin und wieder Spuren finden. Bey dem Ulphilas ist fakan, und bey dem Kero kisahhan, zanken, streiten. In engerer Bedeutung, eine vor Gericht angebrachte Klage und deren Gegenstand, und in weiterm Umfange, ein jeder Prozeß, ein jeder Rechtshandel; eine der ältesten Bedeutungen, welche noch nicht veraltet ist, obgleich diese Bedeutung sich in der folgenden der Angelegenheit, des Gegenstandes seiner Worte und Handlungen, zu verlieren scheinet. Eine Klagesache, Rechtssache, Streitsache. Wo einer den andern schuldiget - so sollen beyder Sache vor die Götter kommen, 2 Mos. 22, 9. Du sollt den Geringen nicht schmücken in seiner Sache, Kap. 23, 3. In dem Munde zweyer oder dreyer Zeugen soll die Sache bestehen, Kap. 19, 15. Und so in andern Stellen mehr; wo aber die Ausdrücke, eine Sache an, zu, mit, wider, jemanden haben, an, zu und wider jemanden finden, d. i. Klage, und Ursache der Klage, veraltet sind; wie es denn überhaupt für Klage nicht mehr, wohl aber für den ganzen Prozeß oder Rechtsstreit üblich ist. Eine gerechte Sache haben. In seiner eigenen Sache Richter seyn. In einer Sache sprechen. Geldsachen, Halssachen u. s. f. 2) Eine Angelegenheit, ein Geschäft. Haussachen, Staatssachen, Kriegessachen, Geldsachen. Eine große, wichtige und schwere Sache. Unverrichteter Sache abziehen müssen, im Oberd. unverrichteter Dinge. Ich kann nichts bey der Sache thun. Seiner Sache gewiß seyn. Seine Sachen mit Fleiß verrichten. Viele Sachen anfangen und keine ausführen. Der Sache ist nicht mehr zu helfen. Wie gehet die Sache? Sich einer Sache annehmen. Seine Sachen stehen schlecht. In wichtigen Sachen gebraucht werden. Seine Sachen verstehen. Sich in fremde Sachen mengen. Mit jemanden gemeine Sachen machen, sich mit ihm in einer Angelegenheit, in einem Geschäfte vereinigen, mit ihm gemeinschaftlich einerley Absicht zu erreichen suchen. Er hat seine Sache sehr schlecht gemacht, sein Geschäft schlecht ausgeführet. Die Sache Gottes, der Religion vertheidigen. Die Sache der Wahrheit führen, die Wahrheit vertheidigen. Das ist deine Sache, gehet dich an, ist deine Pflicht, kommt dir zu. Das ist meine Sache nicht, gehet mich nichts an, ich habe dazu weder Verbindlichkeit noch Fähigkeit. In der Geschwindigkeit eine gedeihliche Antwort zu finden, ist nicht seine Sache, er besitzt dazu nicht die nöthige Fähigkeit. Der Eigennutz ist nie seine Sache gewesen, er hat sich demselben nie ergeben. In solchen Fällen ist das Reden nicht meine Sache, rede ich nicht gern. Ich weiß lange, daß die seine Lebensart nicht eure Sache ist, Weiße. Es ist sonst nicht meine Sache, Daß ich Complimente mache, Zachar. In der vertraulichen Sprechart gebraucht man auch wohl das Diminutivum von geringen unerheblichen Angelegenheiten und Geschäften. Er dachte seine Sächelchen recht klug anzufangen. 3) Eine geschehene Begebenheit, ein Vorgang, die Art und Weise, wie eine Veränderung erfolget. Ich will ihnen die ganze Sache erzählen. Nach Gestalt der Sachen, der Umstände. Ich muß erst hinter die Sache kommen. Wie ist die Sache zugegangen? Ich kann ihnen noch andre Sächelchen erzählen, Weiße. Es könnten bey ihr eben solche Sächelchen vorgehen. 4) Vermuthlich als eine Figur der vorigen Bedeutung, wird Sache, doch nur im Plural allein, oft leeren Worten entgegen gesetzt. Eine Rede muß Sachen und nicht bloß Worte enthalten. 5) Ein jeder Gegenstand, wovon man spricht oder handelt, womit man sich beschäftiget; wo es in manchen Fällen nur im Singular allein gebraucht wird. In allen Sachen Maße halten. Der Sache zu viel thun. Das dient, gehört nicht zur Sache. Die Sache bestehet darin. Von einer Sache handeln. Zur Sache schreiten. Die Hauptsache, im Gegensatze der Nebensachen. Sich mit lauter Nebensachen beschäftigen. Von der Sache abweichen. Das beste zur Sache reden. Kurz von der Sache zu reden. Der Sache ein Ende machen. Das ist eine andere Sache. Einem tausend süße Sachen vorsagen. Du redest artige Sächelchen, wenn du allein bist, Weiße. Was ich gesagt habe, fließt aus der Natur der Sache, des Gegenstandes, wovon wir handeln. Wir wollen zur Sache kommen. Das thut nichts zur Sache, hat in den Gegenstand, von welchem wir handeln, keinen Einfluß. Sagen sie mir, was bey der Sache anzufangen ist. 6) Sehr oft gebraucht man dieses Wort auch als eine allgemeine Benennung von körperlichen beweglichen Dingen, wenn man sie mit keinem andern allgemeinen Nahmen zu benen- nen weiß. Was sind das für Sachen? Spielsachen, Zuckersachen, Zuckerwerk. Es fehlen mir noch die nöthigen Sachen zu dieser Arzeney. Allerley schöne Sachen. Besonders Geräthschaften, Kleidungsstücke u. s. f. Das sind nicht meine Sachen. Seine Sachen einpacken. Unordentlich in seinen Sachen seyn. Wem gehören diese Sachen? Wo es denn im Plural am häufigsten ist. 7) Oft wird die Sache der Person entgegen gesetzet, und da bedeutet es ein jedes Ding im Gegensatze der Person. Das Zeitwort geben erfordert die vierte Endung der Sache, und die dritte der Person. Auch in den Rechten sind Sachen und Personen einander entgegen gesetzt. Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart kommt es gleichfalls vor, ein jedes Ding, alles was ist, zu bezeichnen; wo es aber zunächst eine Figur der vorigen fünften Bedeutung eines Objectes zu seyn scheinet. Ein Buch früh bey dem Thee ist eine gute Sache, Gell. Es ist doch eine verzweifelte Sache um die liebe Tugend, Weiße. 8) * Eine Ursache; eine veraltete Bedeutung. Er ist ohne Sache aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn, Coloss. 2, 18. Um welcher Sache willen ich dich erinnere, 2 Timoth. 1, 6. Um welcher Sache willen ich solches leide, B. 12. Um der Sache willen strafe ich sie scharf, Tit. 1, 13.

Anm. Im Oberdeutschen wird: ist sach, noch jetzt häufig für wen gebraucht. Ist sach das der Held stürmen thut, So will ich ihn haben gewiß, Theuerd. Kap. 78. Ist sach das ihr solches nit irt, Kap. 95, wenn ihr solches nicht hindert. Seine Sachen verrichten, ist im gemeinen Leben ein höflicher Ausdruck für, seine Nothdurft verrichten, und in manchen Gegenden nennt man auch die monathliche Reinigung des andern Geschlechtes die Sache; wo es eine Figur der zweyten Bedeutung zu seyn scheinet. Schon in dem Salischen Gesetze ist Sack Klage, Rechtsstreit. In der alten Urkunde der Könige Ludwigs und Lothars aus dem 9ten Jahrhunderte bedeutet Sachu dingliches Eigenthum, im Isidor, Tatian und Ottfried ist Sahha, Sacha bald ein Rechtsstreit, bald eine Ursache, bald auch ein Geschäft, welche Bedeutungen auch das Nieders. Sake, das Schwed. Sak, und das Angels. Sac haben. Es ist dieses Wort die Klippe fast aller Wortforscher, auch der besten und gründlichsten, gewesen. Frisch leitet es von Zacke her, und erklärete es durch ein körperliches, handgreifliches Ding; Ihre aber siehet es als ein durch Versetzung der Buchstaben aus dem Lat. Caussa gebildetes Wort an. Allein, wenn man die Bedeutungen dieses Wortes aufmerksam erwäget, so wird man nicht in Abrede seyn können, daß es das Intensivum von Sage und sagen ist, und ursprünglich Wortgeräusch, Streit, Zank, und in weiterm Verstande eine jede Rede und deren Gegenstand bedeutet, ob es gleich durch die Länge der Zeit auf mancherley Art bestimmet worden. Im Nieders. ist saken noch jetzt klagen. Die gleichbedeutenden Wörter im Deutschen so wohl als in andern Sprachen bestätigen diese Ableitung. Unser Ding, welches im weitesten Verstande alles bedeutet, was da ist, bezeichnet ursprünglich auch Wortstreit, Wortgeräusch, und Rede überhaupt. Das Lat. Caussa, Ursache, stammet von cusare, klagen, in accusare, ab, welches wie unser kören und kösen ehedem reden überhaupt bedeutet hat. Dessen Töchter, das Italiänische Cosa und Französische Chose, bedeuten eine jede Sache, ein jedes Ding. Das gleichfalls Lat. Res gehöret zu dem Stamme unsers Rede, Recht, rauschen u. s. f. und noch Kero übersetzt res durch Rachono, welches jetzt veraltete Wort zu rechen, reden, gehöret, wovon unser rechnen abstammet. Das Schwed. Sak bedeutet auch Verbrechen und Strafe, und im Tatian kommt Sahha gleichfalls von einem Verbrechen vor.


Sachfällig (W3) [Adelung]


Sachfällig, adj. et adv. in den Rechten. Sachfällig werden, seine Sache, d. i. seinen Prozeß verlieren. Jemanden sachfällig erkennen. Nieders. nedderfällig, im Oberd. gleichfalls niederfällig. S. Sache 1.


Sachregister (W3) [Adelung]


Das Sachregister, des -s, plur. ut nom. sing. ein Register über die in einem Buche vorkommenden Sachen; zum Unterschiede von einem Wortregister. S. Sache 4.


Sachs (W3) [Adelung]


* Das Sachs, des -es, plur. die -e, eine veraltete, noch in einigen gemeinen Mundarten übliche Benennung eines Messers und jedes schneidenden, stechenden und hauenden Werkzeuges. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Sahs. Im Tatian ist Scribsachs ein Schreibegriffel. Scharsachs war ehedem ein Schermesser, Blutsachs eine Lanzette zum Aderlassen, Schramsachs ein kleiner Degen. Es ist mit sagen, Sech am Pfluge, Sichel, Sense, Nieders. Seiße, bey dem Ottfried Seche, Eines Geschlechtes. Siehe diese Wörter. Es ist eine alte Meinung, daß die Sachsen von ihren langen Messern, deren sie sich bedienet, den Nahmen haben. Wenn dieses Vorgeben einigen Grund haben sollte, so müßte das Wort haben mehr etymologische Veränderungen erlitten haben, als es erlitten hat. Wird man wohl ein Beyspiel anführen können, daß ein Volk ohne alle Veränderungen des Wortes den Nahmen des Dinges bekommen, dessen es sich bedienet? Und die Sachsen sollten seyn Messer genannt worden, weil sie sich langer Messer im Kriege bedienen? Es ist mit der Ableitung der Nahmen ganzer Völkerschaften allemahl sehr mißlich, weil man vorher wissen muß, ob ein Volk sich diesen Nahmen selbst gegeben, oder ob es solchen von seinen Nachbarn bekommt, von welchem Volke es denselben bekommen, und bey was für einer Gelegenheit u. s. f. Indessen ist unter allen Ableitungen diejenige noch die erträglichste, die ihn von Saß ableitet, ( S. dieses Wort.) Übrigens lautet Sachs, wenn es der Volksnahme ist, im Singular mit dem e euphonico, der Sachse, um die gelinde Aussprache des s zu sichern, und im weiblichen Geschlechte die Sächsinn, nicht Sachsinn. Daher das Bey- und Nebenwort Sächsisch, nicht aber Sachsisch, wie die Niederdeutschen sprechen.


Sacht (W3) [Adelung]


Sacht, -er, -este, adj. et adv. welches in allen seinen Bedeutungen nur im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, üblich ist. 1) Leise, dem Gehöre nach. Sacht gehen, sacht reden. Ich will es ihnen sachte sagen, Gell. leise, stille. Eine sachte Stimme haben. 2) Langsam. Gehe sachte. Sachte! sachte! eine gewöhnliche Formel, die Geschwindigkeit zu hemmen. Ein Zeiger an der Uhr kann nicht so sachte gehen, Lichtw. 3) Gemach, sanft. Jemanden sacht angreifen, sanft. Das thut sacht, sanft. 4) Leicht, nicht schwer zu bewerkstelligen; nur als ein Nebenwort. Das läßt sich sacht sagen, leicht. Das kannst du sacht thun, leicht.

Anm. Dieses der anständigen Hochdeutschen Sprechart fremde Wort lautet im Nieders. wo es eigentlich einheimisch ist, sage und sagte, im Schwed. lakta, mit einem andern Endlaute im Angels. und Engl. soft, mit dem Nasenlaute im Hochdeutschen sanft, ( S. das letztere.) Für sanftmüthig sagen die Niederdeutschen, Holländer und Schweden sachtmüthig.


Sachverständige (W3) [Adelung]


Der Sachverständige, des -n, plur. die -n, derjenige, welcher die Sache, d. i. das jedesmahlige Geschäft, das Object der Rede, verstehet. Ein Sachverständiger.


Sachwalter (W3) [Adelung]


Der Sachwalter, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Von Sache 1, eine Rechtssache, Prozeß, derjenige, welcher eines andern Rechtshandel vor Gericht verwaltet oder besorget. Der Anwalt, Rechtsfreund, Advocat, im Oberdeutschen Sachführer, Nieders. Sakewolt, welches ehedem auch theils eine der streitenden Parteyen, theils aber auch die Hauptperson in einem Prozesse, besonders in einem Criminal-Prozesse, bedeutet. Ehedem hatte man davon auch das Zeitwort sachwalten, theils prozessiren überhaupt, theils auch eines andern Sache vor Gericht führen, advociren. 2) Von Sache, Geschäft, Angelegenheit, ist der Sachwalter zuweilen derjenige, der eines andern Geschäfte oder Angelegenheit besorgt; ein Geschäftsträger, Agent, ehedem auch Sachwerber.


Sack (W3) [Adelung]


Der Sack, des -es, plur. die Säcke, Diminut. das Säckchen, Oberd. Säcklein. 1. Im weitesten Verstande, ein jeder hohler, an einem Ende verschlossener Raum; eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. So nennet man eine Gasse ohne Ausgang in vielen Städten einen Sack, in andern ein Kehrwieder. Der Pulversack an den Schießgewehren ist die Stelle hinten an der Schwanzschraube, wo das Pulver die größte Gewalt ausübt. In den chymischen Öfen ist der Kohlensack der mittelste Raum des Ofens, gleich über dem Roste, in welchem die Kohlen zu liegen kommen; und so vielleicht in andern Fällen mehr. 2. In engerer Bedeutung, ein aus einer biegsamen Materie verfertigter hohler Raum, der an dem einen Ende verschlossen ist, andere Dinge darin aufzubehalten, ohne Unterschied der Größe. Ein lederner Sack, ein leinener Sack. Der Filtrirsack, Watsack. Bettelsack, Mantelsack, Hodensack, Quersack oder Zwerchsack, Strohsack, Dudelsack, Klingelsäckchen, Kräutersäckchen u. s. f. Mit Sack und Pack ausziehen. Im Ober- und Niederdeutschen wird auch die Tasche der Sack, und zum Unterschiede der Schuhsack genannt, welches letztere auch im Hochdeutschen nicht ganz fremd ist. Etwas in den Sack stecken, in die Tasche. Der Hosensack, die Hosentasche. Die Sackuhr, die Taschenuhr. Überhaupt gebraucht man das Wort Sack im Oberdeutschen in den meisten Fällen, wo im Hochdeutschen Beutel üblicher ist. Der Haarsack, der Haarbeutel, der Geldsack, der Geldbeutel. 3. In einigen noch engern Bedeutungen. 1) Ein solches großes Behältniß von einer biegsamen Materie führet im Hochdeutschen im engsten Verstande den Nahmen eines Sackes, zum Unterschiede von dem kleinen Beutel. Ein Geldsack, ein großer Geldbeutel, Wollsack, Mehlsack, Malzsack, Getreidesack, Kornsack, Futtersack, Hopfensack, Kohlensack u. s. f. Jemanden in den Sack stecken, figürlich, ihn überwinden, es sey worin es wolle. Jemanden im Sacke haben, ihn in seiner Gewalt haben. So voll wie ein Sack seyn, im höchsten Grade trunken. Figürlich ist in einigen Gegenden der Sack ein solcher Sack von bestimmter Größe, da es denn zugleich als ein Getreidemaß gebraucht wird. Ein Sack Getreide hält in Basel acht Müdde oder Scheffel, im Meklenburgischen aber nur sechs Scheffel. In Florenz ist Moggio ein Getreidemaß, welches 8 Sacci hält. 2) Ein enges Trauerkleid, bey den ältern Juden, von groben oder härnen Zeuge; in welcher Bedeutung es nur in der Deutschen Bibel vorkommt, wo Luther das Wort Sack nach dem Muster des Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - beybehalten hat. Im Sack und in der Asche Buße thun, einen Sack um sich hüllen u. s. f. wo Michaelis das Wort Trauerkleid gebraucht. Das Lat. sagum scheinet damit verwandt zu seyn. 4. Figürlich. 1) Der Magen; doch nur im verächtlichen Verstande. Seinen Sack füllen. 2) Ein liederliches Weibsbild; doch nur in dem zusammen gesetzten Schleppsack. In Niedersachsen nennt man eine leichtfertige, verschmitzte und muntere weibliche Person im Scherze einen kleinen, oder losen Sack.

Anm. Im Nieders. gleichfalls Sack, bey dem Ulphilas Sakk, im Engl. Sack, im Schwed. Säck, im Ital. Sacco, Saccoccia, im Franz. Sac, im Span. Sacco, im Pohln. Sac, im Lappländ. Tsakes, im Ungar. Zsak, im Lat. Saccus, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Weil die große Übereinstimmung fast aller Sprachen in diesem Worte die Wortforscher von je her befremdete, so behauptete Soropius Becanus im Scherze, als bey dem Babylonischen Thurmbaue die Sprache verwirret worden, so hätten die Bauleute in der Bestürzung sich doch an ihre Schnappsäcke erinnert, hätten darnach gegriffen, und wären damit ihres Weges gegangen, und daher sey es denn gekommen, daß dieses Wort von der allgemeinen Sprachverwirrung verschont geblieben. Indessen ist Sack nicht das einzige Wort dieser Art, indem man bey einer genauen Untersuchung jedes Stammwort in fast allen Europäischen und Asiatischen Sprachen wieder finden wird. Sack bedeutet einen weiten, tiefen, an einem Ende verschlossenen hohlen Raum, entweder von einem veralteten sachen, sacken, ( S. Suchen,) sich bewegen, und in engerer Bedeutung, sich im Kreise, in die Runde bewegen, oder von sacken, sich senken, ( S. dasselbe,) oder auch als ein Verwandter von Dach, weil s und t oder d sehr oft gleichbedeutend sind.


Sackband (W3) [Adelung]


Das Sackband, des -es, plur. die -bänder, starke hänfene Schnüre, die Kornsäcke, Mehlsäcke u. s. f. damit zuzubinden.


Säckel (W3) [Adelung]


Der Säckel, S. Seckel.


Säckelkraut (W3) [Adelung]


Das Säckelkraut, S. Hirtentasche.


Sacken (W3) [Adelung]


1. Sacken, verb. reg. welches nur im gemeinen Leben, besonders Niederdeutschlandes, als ein Reciprocum üblich ist, sich sacken, sich senken, sich aus Antrieb eigener Schwere nach und nach unvermerkt niederwärts bewegen. Ein Haus hat sich gesackt, wenn es sich gesenkt hat. Das Wasser ist im Sacken, im Fallen, im Abnehmen. In den Niederdeutschen Gegenden wird es auch als ein Neutrum gebraucht, mit einem Schiffe langsam den Strom hinab treiben.

Anm. Es ist das Intensivum von siegen, in versiegen, und ein naher Verwandter von senken und sinken, welche nur das n, den gewöhnlichen Begleiter der Gaumenlaute, zu sich genommen haben. S. dieselben.


Sacken (W3) [Adelung]


Sacken, verb. reg. act. et neutr. welches zunächst von Sack abstammet. 1) In der Hauswirthschaft ist sacken in Säcke füllen oder fassen. Korn sacken, Malz sacken. 2) In weiterer Bedeutung ist sacken, gierig einfüllen, wie in einem Sack, besonders in den Zusammensetzungen einsacken, besacken. Darauf wenn jedermann den Wanst recht voll gesackte, Opitz. Bey den Jägern sagt man von einem Hirsche, er sey gut gesackt, wenn er einen starken Unterleib hat. So auch das Sacken.


Säcken (W3) [Adelung]


2. Säcken, verb. reg. act. welches das vorige Zeitworte ist, aber nur von derjenigen Art der Lebensstrafe gebraucht wird, da man einen Verbrecher in einen ledernen Sack steckt und darin ersäuft. Eine Kindermörderinn säcken. Daher die Säckung. Nieders. sacken.


Sackerfalk (W3) [Adelung]


Der Sackerfalk, S. Sakerfalk.


Sackfliege (W3) [Adelung]


Die Sackfliege, plur. die -n, S. Sackwespe.


Sackgans (W3) [Adelung]


Die Sackgans, plur. die -gänse, bey einigen, ein Nahme der Kropfgans, wegen des unter dem Schnabel hängenden Sackes oder Kropfes.


Sackgarn (W3) [Adelung]


Das Sackgarn, des -es, plur. die -e, ein länglich rundes Fischergarn, welches einen Sack oder Koffer vorstellet, und daher auch Koffergarn, Trommel, genannt wird.


Sackgeige (W3) [Adelung]


Die Sackgeige, plur. die -n, die kleine Geige der Tanzmeister, vermuthlich, weil sie selbige im Sacke, d. i. in der Tasche, bey sich tragen. Sie wird auch die Stockgeige genannt.


Sackgeschwulst (W3) [Adelung]


Die Sackgeschwulst, plur. die -schwülste, eine Geschwulst unter der Haut, deren Eiter in einer Art von Sacke befindlich ist. Arten davon sind die Speckgeschwulst und Honiggeschwulst.


Sackhase (W3) [Adelung]


Der Sackhase, des -n, plur. die -n, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, eine figürliche Benennung der fehlerhaften Stellen in einem gepflügten Acker, wenn der Pflüger die Pflugsterze nicht überall gleich fest hält. An andern Orten heißen sie Hafennester, Saunester, Schafböckinnen, Hanfböckinnen.


Sacklast (W3) [Adelung]


Die "Sacklast", plur. die -en, in einigen Gegenden, eine Art Last, d. i. Getreidemaßes. Z. B. in Danzig bedienen sich die Bäcker der Sacklast, welche 5 "Malter" oder 80 Scheffel hält, dagegen eine gewöhnliche Last nur 3 3/2 "Malter" oder 60 Scheffel hält.


Sackpfeife (W3) [Adelung]


Die Sackpfeife, plur. die -n, ein altes musikalisches Instrument, welches jetzt nur noch unter dem großen Haufen üblich ist, und aus einem ledernen Schlauche, mit einer daran befindlichen Pfeife bestehet; im gemeinen Leben auch der Dudelsack, ehedem die Lollepfeif, und in einem alten Vocabulario aus dem 15ten Jahrhunderte Kogelczypfel. Der Pohlnische Bock oder die Bockpfeife ist eine Art davon. Daher der Sackpfeifer, der dieselbe spielet.


Sackpistole (W3) [Adelung]


Die Sackpistole, plur. die -n, kleine Pistolen, welche man im Sacke, d. i. in der Tasche, bey sich trägt; die Taschenpistole, der Puffer, Nieders. Sackpuffer.


Sackpumpe (W3) [Adelung]


Die Sackpumpe, plur. die -n, im Bergbaue, eine Art Pumpen, welche einem ledernen Schuhsacke gleicht, und unten keinen Kolm, sondern einen Pumpenzug in Gestalt eines ledernen Sackes hat.


Sackträger (W3) [Adelung]


Der Sackträger, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art niedriger Arbeiter, deren Hauptgeschäft ist, mit Getreide gefüllte Säcke hin und wieder zu tragen. Figürlich nennt man auch wohl den Esel, wegen seiner ähnlichen Verrichtung, einen Sackträger.


Sackuhr (W3) [Adelung]


Die Sackuhr, plur. die -en, eine Oberdeutsche Benennung einer Taschenuhr; von Sack, die Tasche.


Sackwage (W3) [Adelung]


Die Sackwage, plur. die -n, eine Art bequemer Wagen, welche aus einer Röhre bestehet, in welcher eine Feder verborgen ist, welche durch die daran gehängte Last niedergedrückt wird, und ihr Gewicht vermittelst eines viereckten Stäbchens zeiget; weil man sie im Sacke, d. i. in der Tasche, bey sich tragen kann. In andern Gegenden heißt sie die Federwage.


Sackwespe (W3) [Adelung]


Die Sackwespe, plur. die -n, eine Art Wespen, deren gelber Leib hinten die Gestalt eines schwarzen Säckchens hat; die Sackfliege. In Holland wird sie Spinnentödter genannt, weil sie die größten Spinnen tödtet, sie in die Erde vergräbt und ihr Ey in dieselbe legt.


Sachzehente (W3) [Adelung]


Der Sachzehente, des -n, plur. die -n, der Zehente, welcher von reinem ausgebrochenen in Säcken befindlichen Korne gegeben werden; der Scheffelzehente, Dorfzehente, im Gegensatze des Garben- oder Mandelzehenten, Zugzehenten. Ingleichen dasjenige fest gesetzte reine Getreide, welches an einigen Orten anstatt des Garbenzehenten gegeben wird.


Sacristan (W3) [Adelung]


Der Sacristan, des -es, plur. die -e, aus dem mittlern Lat. Sacristanus, in einigen Gegenden, derjenige, welcher die Aufsicht über die Sacristey und die darin befindlichen gottesdienstlichen Geräthschaften hat; der Kirchner, Küster, im Oberdeutschen der Sigrist, Sacrist.


Sacristey (W3) [Adelung]


Die Sacristey, plur. die -en, aus dem mittlern Lat. Sacristia, für Sacrarium, ein Zimmer oder Behältniß an den Kirchen, worin die gottesdienstlichen Geräthschaften aufbewahret werden, und worin die Geistlichen die gottesdienstliche Kleidung anlegen; in Niederdeutschland noch die Gärbkammer, von gärben, sich zubereiten.


Säcularisiren (W3) [Adelung]


Säcularisiren, verb. reg. act. aus dem Barbarisch. Latein. saecularisare, geistliche Güter und Stiftungen in weltliche verwandeln. Daher die Säcularisation, diese Handlung. Der Französische Gesandte, Herzog von Longueville, hat diese Wörter auf dem Westphälischen Friedens-Convente zuerst gebraucht.


Sadebaum (W3) [Adelung]


Der Sadebaum, S. Säbenbaum.


Sadelhof (W3) [Adelung]


Der Sadelhof, S. Siedelhof.


Sadrach (W3) [Adelung]


Der Sadrach, des -es, plur. die -e, ein in den niedrigen Sprecharten übliches Scheltwort einer boshaften, grausamen und wüthenden Person. Wie führet denn der Teufel diesen Sadrach in die Küche! Hermes. Es ist entweder auf Satan verderbt, welches Wort in den gemeinen Niederdeutschen Mundarten auch Satrian lautet, oder auch aus der Deutschen Bibel entlehnet, wo Dan. 1 7 Hanania von den Babyloniern den Nahmen Sadrach bekam, welches Wort einen Fürsten der bösen Geister bedeutet.


Säemann (W3) [Adelung]


Der Säemann, des -es, plur. die -männer, derjenige, welcher den Samen säet, oder ausstreuet; Nieders. Saadsaier.


Säetuch (W3) [Adelung]


Das Säetuch, des -es, plur. die -tücher, ein vierecktes leinenes Tuch, in welchem der Säemann den Samen, welchen er säet, vor sich trägt.


Saffera (W3) [Adelung]


Saffera, ein Mineral, S. Safflor.


Saffian (W3) [Adelung]


Der Saffian, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein mit Sumach oder Galläpfellauge gar gemachtes Kalb-Ziegen- oder Bockleder, welches hernach roth, gelb oder blau gefärbt, und mit dem Krispelholze bearbeitet wird; Franz. Maroquin, weil dessen viel in Marocco gemacht wird. Der Corduan gleicht dem Saffiane sehr, nur daß er mit Gärberlauge zugerichtet wird. Der Nahme stammt, so wie das Leder selbst, aus der Türkey her, und ist vielleicht mit dem Nahmen des Saffranes verwandt, weil die Türken den gelben Saffian vor andern lieben.


Safflor (W3) [Adelung]


1. Der Safflor, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in den Blaufarbenwerken, eine Art Kobaltkalk von einer grauen und etwas röthlichen Farbe, welcher entstehet, wenn aller Mißmuth und Arsenik durch das Feuer aus den Kobalterzen geschieden ist; besonders wenn er zu einem seinen Mehle gemahlen und mit gewaschenen Kieseln oder geschlämmten Sande vermischet worden. Aus diesem Safflore wird durch Schmelzung hernach die Schmalte bereitet. Der Nahme lautet bald Zafflor, bald Zaffera, Saffera und Saffra, Franz. Safre. Er ist so ausländisch als der folgende; warum aber diese Masse denselben erhalten, ist mir unbekannt.


Safflor (W3) [Adelung]


2. Der Safflor, des -es, plur. inus. eine Art der Bürstenpflanze, welche zu den Distelgewächsen gehöret, und deren Blumen eine sehr schöne hochgelbe Farbe wie der Saffran geben; Carthamus tinctorius L. bey einigen, obgleich mit Unrecht, wilder Saffran, weil beyde Pflanzen sehr weit von einander unterschieden sind. In engerer Bedeutung werden nur die Blumenblät- ter in der Handlung Safflor, und abgekürzt Flor genannt, und von vielen sehr häufig mit dem ähnlichen Saffran verwechselt. Dieses Gewächs ist in Ägypten einheimisch, wird aber jetzt sehr häufig selbst in Deutschland gebauet. Es hat eigentlich einen stacheligen Stängel, welcher durch die Pflege glatt wird. Die gepflegten glatten Safflorstöcke nennt man Nonnen, die ausgearteten stacheligen aber Mönche. Der Nahme stammet, so wie das Gewächs selbst, aus den Morgenländern her, und ist vermuthlich mit dem folgenden verwandt.


Saffran (W3) [Adelung]


Der Saffran, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e. 1) Eigentlich, die rothgelben Blumenblätter oder vielmehr die drey Narben der Staubwege von der Blume eines gewissen Zwiebelgewächses, welche von den Färbern, Mahlern u. s. f. zu einer schönen hochgelben Farbe gebraucht werden, und dieses Gewächs selbst; Crocus L. Zahmer Saffran, Crocus sativus L. welcher in Spanien, England, Frankreich, Italien, Ungarn und Österreich häufig gebauet, und in den Herbstsaffran und Frühlingssaffran unterschieden wird. Gelb wie Saffran, saffrangelb. Wegen einiger Ähnlichkeit wird auch die gemeine Eberwurz, Carlina vulgaris L. von einigen wilder Saffran genannt. 2) Figürlich pflegt man auch gewisse, gemeiniglich gelbe Arten des Kalkes mancher Metalle, in der Chymie Saffran und Latein. Crocus, zu nennen. Eisensaffran, Crocus martis. Spießglassaffran oder Metallsaffran, eine mit Wasser gewaschene und getrocknete Spießglasleber.

Anm. Der Nahme dieses Gewächses lautet im Franz. und Engl. gleichfalls Saffran, im Ital. Zafferano, im Böhm. Ssaffran. Er stammet, wie das Gewächs selbst, aus den Morgenländern her, indem es im Arab. Sahafaran, im Persischen aber Zafferon, Zaffaranum heißt.


Saft (W3) [Adelung]


Der Saft, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die Säfte, Diminut. welches doch nur in der zweyten Bedeutung üblich ist, das Säftchen, Oberd. Säftlein. 1) Die in einem Körper befindliche und mit dessen festern Theilen vermengte Feuchtigkeit. Ein Apfel, eine Birn hat vielen Saft, wenn sie viele solche Feuchtigkeit enthalten. Der Braten hat weder Saft noch Kraft. Den Saft aus etwas drücken, saugen oder pressen. Im Frühlinge, wenn der Saft in die Bäume tritt. Die Bäume stehen in vollem Safte. Der Birkensaft, Rebensaft u. s. f. Der Nahrungssaft, Lebenssaft. Wenn alle Säfte in dem menschlichen Körper verdorben sind, alle flüssigen Theile. Ohne seine Flüchtigkeit würde der Überfluß seiner Säfte die Gliedmaßen des Körpers für die Befehle der Seele ungelenkig werden lassen, Gell. Verblühete Wangen, welche nur durch reinere Säfte wieder erfrischet werden können. 2) In engerer Bedeutung werden gewisse dickliche flüssige Körper, besonders die in den Apotheken bis zu einer gewissen Dicke eingesottenen flüssigen Körper, Säfte genannt, da man denn auch wohl das Diminut. Säftchen gebraucht. Mohnsaft, Hohlundersaft, Wachholdersaft, Möhrensaft u. s. f. Auch die dicklichen in der Erde befindlichen flüssigen Körper, z. B. Steinöhl, Bergtheer u. s. f. heißen bey einigen auch nach ihrer Erhärtung Erd- oder Bersäfte.

Anm. Im Nieders. Sapp, im Angels. Seaw, Saepe, im Engl. Sap, im Franz. Seve, im Latein. Sapa, Baumsaft, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ohne Zischlaut, S. S 3. Das Stammwort ist das noch im Niederdeutschen übliche siepen, langsam und tropfenweise fließen wovon das Nieders. sappen, den Saft gehen lassen, das Intensivum ist. Das Nieders. Sabbe, der Geister, und unser Suppe gehören gleichfalls dahin. Mit einem andern Endlaute ist auch das Latein. Succus, und Pohln. Sok, der Saft, damit verwandt, welche zunächst von saugen und siegen abstammen.


Saftbehältniß (W3) [Adelung]


Das Saftbehältniß, des -sses, plur. die -sse, an den Blumen, S. Honigkelch.


Saftfarbe (W3) [Adelung]


Die Saftfarbe, plur. die -n, bey den Mahlern Farben, welche aus den Säften des Pflanzen- oder Thierreiches bereitet worden; zum Unterschiede von den mineralischen Farben.


Saftholz (W3) [Adelung]


Das Saftholz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -hölzer, eine im Forstwesen übliche Benennung einer Art Holzes oder Bäume, wo man das lichte Holz in lebendiges oder Laubholz, in Trieb- oder Saftholz, und hauiges, Schlag- oder Weißholz eintheilet.


Saftig (W3) [Adelung]


Saftig, -er, -ste, adj. et adv. Saft, und in engerer Bedeutung, vielen Saft enthaltend. Saftiges Obst, saftige Birnen. Nieders. sappig, welches auch kothig bedeutet. Figürlich ist saftig im gemeinen Leben, auf eine grobe Art unkeusch, schmutzig. Ein saftiges Gespräch. So auch die Saftigkeit.


Saftlos (W3) [Adelung]


Saftlos, -er, -este, adj. et adv. des Saftes beraubend. Saftlose Früchte. Daher die Saftlosigkeit.


Saftröhre (W3) [Adelung]


Die Saftröhre, plur. die -n, in den Gewächsen, gewisse zarte Röhrchen, welche ihnen den nöthigen Nahrungssaft zuführen und von den Luftröhren noch verschieden sind.


Sage (W3) [Adelung]


Die Sage, plur. die -n, von dem Zeitworte sagen, was gesagt wird. 1) Im weitesten Verstande alles, was jemand sagt, wo es doch nur noch im gemeinen Leben von den Worten, dem Ausspruche u. s. f. gebraucht wird. Nicht bey einerley Sage bleiben, nicht einerley aussagen. Seiner Sage nach hätte er ihn nie gesehen. Wenn es seiner Sage nachgehet, so wird das nie geschehen. Vernehmt mein sag, Theuerd. was ich sage. Du bist mein Vater selbst, (wird seine Sage seyn,) Opitz. 2) In engerer Bedeutung ist die Sage die mündliche Fortpflanzung einer geschehenen Begebenheit von mehrern, ohne Bestimmung ihrer Glaubwürdigkeit, bloß daß man sie sagt. Es gehet die Sage, daß der Hof verreiset sey. Es ist eine allgemeine Sage, daß hier ehedem ein Schloß gestanden hat. Der Sage nach hat hier ein Schloß gestanden. Die Sage kam je weiter aus von ihm, Luc. 5, 15. Es wird eine Sage und Sprichwort seyn, Habac. 3, 6. Wenn der Sage zu trauen ist. Sage setzet nicht so viele Mäuler voraus, als Gerücht und Ruf, ohne sie doch eben auszuschließen. Anm. Bey dem Ottfried und im Tatian Saga, wo es auch von einer Erzählung gebraucht wird, im Angels. Saga, im Nieders. Sagge, im Schwed. Saga, wo es auch die Geschichte, die glaubwürdige Erzählung einer geschehenen Sache bedeutet. In Aussage, Zusage, Ansage, u. s. f. ist es von einem weitern Umfange.


Säge (W3) [Adelung]


1. Die Säge, plur. die -n, eine in einigen Gegenden übliche Benennung eines kleinen, vermuthlich tiefen Fischernetzes mit engen Maschen, besonders in dem zusammen gesetzten Krautsäge, ein solches Netz zu den Grühen, ( S. dieses letztere Wort.) Im Holländ. Saeghene, Segghene, Segne, Franz. Seine, Lat. Sagena, aus welchem letztern es, dem Frisch zu Folge, entlehnet seyn soll. Indessen gehöret doch auch dieses zu dem Geschlechte des Wortes Sack.


Säge (W3) [Adelung]


2. Die Säge, plur. die -n, ein mit Zähnen versehenes Werkzeug zum Sägen. Mit der Säge zerschneiden. Die Bogensäge, Holzsäge, Handsäge, Baumsäge, Gartensäge, Klobensäge, Laubsäge u. s. f. Figürlich wird auch die kegelförmige Tellmuschel, wegen ihres, wie eine Säge gekerbten Randes, von einigen die Säge oder Sägemuschel genannt.

Anm. In der Monseeischen Glosse Saga, im Angels. Sagu, Syge, im Schwed. Sag, im Ital. Sega, im Franz. Scie, im Engl. Saw. S. Sägen.


Sagebaum (W3) [Adelung]


Der Sagebaum, S. Säbenbaum.


Sägeblatt,Sägenblatt (W3) [Adelung]


Das Sägeblatt, oder Sägenblatt, des -es, plur. die -blätter, das Blatt, d. i. das lange dünne stählerne Blech, welches an der einen Kante mit Zähnen versehen ist, und den vornehmsten Theil einer Säge ausmacht.


Sägeblock (W3) [Adelung]


Der Sägeblock, des -es, plur. die -blöcke, ein Block, d. i. dicker Stamm eines Baumes, woraus Breter u. s. f. gesäget werden sollen; der Schrot, Sägeklotz.


Sägebock (W3) [Adelung]


Der Sägebock, des -es, plur. die -böcke, ein Bock, d. i. hölzernes Gestell, das Küchenholz, ehe es gespalten wird, daran zu zersägen; der Holzbock.


Sägefisch (W3) [Adelung]


Der Sägefisch, des -es, plur. die -e, eine Art Hayen, welche einen Rüssel hat, der sich in ein knochiges glattes Schwert endiget, welches an beyden Seiten wie eine Säge gezähnt ist; der Schwertfisch, Squalus Pristis L.


Sägemeister (W3) [Adelung]


Der Sägemeister, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher die Aufsicht über die Lohnsäger in den Wäldern hat, oder über diejenigen Arbeiter, welche die Breter und Pfosten aus freyer Hand schneiden.


Sägemehl (W3) [Adelung]


Das Sägemehl, des -es, plur. car. S. die Sägespäne.


Sägemühle (W3) [Adelung]


Die Sägemühle, plur. die -n, eine Mühle, d. i. eine von dem Wasser oder Winde getriebene Anstalt, wo die Sägeblöcke zu Bretern, Pfosten oder Latten zersäget werden; die Schneidemühle, Bretmühle. Daher der Sägemüller, der Eigenthümer oder Vorgesetzte einer solchen Mühle.


Sägen (W3) [Adelung]


Sägen, verb. reg. act. mit einer Säge, d. i. einem mit Zähnen versehenen Werkzeuge durch Hin- und Herziehen schneiden. Mit einer Säge sägen. Mit jemanden in Gesellschaft sägen. Ingleichen auf solche Art zerschneiden. Holz sägen, Knochen, Horn sägen. Wie auch auf solche Art hervor bringen. Breter, Bohlen, Pfosten, Latten sägen. Daher das Sägen.

Anm. Im Schwed. saga, im Engl. mit einem andern Endlaute, to saw, im Ital. segare. Es ist mit dem Lat. secare, schneiden, verwandt, und ahmet den mit dem Sägen und oft auch mit dem Schneiden verbundenen Laut genau nach. S. auch Sachs, Sech, Sichel u. s. f.


Sagen (W3) [Adelung]


Sagen, verb. reg. act. welches im weitesten Verstande einen gewissen Laut von sich geben bedeutet, dieser Laut oder Schall sey übrigens von welcher Art er wolle. Diese Bedeutung, in welcher es zugleich ein Neutrum ist, ist noch unter dem gemeinen Volke üblich, wo es von allen Arten der Laute oder Schäbe gebraucht wird. Er fiel hin, das sagte patsch! Er bekam eins hinter die Ohren, das sagte klapp! In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist sagen durch vernehmliche Töne, durch Worte zu erkennen geben, bekannt machen; wo es allemahl ein Activum ist, welches dasjenige, was bekannt gemacht oder ausgedruckt wird, entweder in der vierten Endung oder in anderer Gestalt bey sich hat, wodurch es sich zugleich von den Neutris reden und sprechen unterscheidet. Es kommen zwar einige Fälle vor, wo es ein neutrales Ansehen hat, und für reden oder sprechen zu stehen scheinet, z. B. du hast gut sagen, da hilft kein singen noch sagen; allein diese Fälle sind selten. 1. Eigentlich. Was sagtest du? Ich habe es schon zwey Mahl gesagt. Sagen sie etwas? Ich sage nichts. Er sagte, er sey nicht hier gewesen. Ich sage, daß ich es thun will. Die Wahrheit sagen. Was sagen sie dazu, davon? Davon wäre viel zu sagen. Sage es nicht weiter. Zu allem ja sagen. Ich habe ihnen etwas zu sagen, ich habe ihnen sehr viel zu sagen. Was sagt man von mir? Man sagt nicht viel Gutes von der Sache. Sage niemanden ein Wort davon. Sage es rund heraus, kurz und gut. Ich möchte doch wissen, was sie mir zu sagen hätte, Gell. Ich sage es ihnen frey heraus. Jemanden eine gute Nacht, einen guten Morgen sagen. Ich hätte es nicht gewußt, wenn man mir es nicht gesagt hätte. Sage mir nur, wie bist du dem bösen Menschen in die Hände gefallen? Weiße. Nicht verliebt, zärtlich, wollen sie sagen, Gell. Sagen sie ihr noch nichts von der Erbschaft. Sage es nur gerade heraus. Wohin auch folgende besondere R. A. gehören. Einem Dank sagen, ihm danken. Für jemanden gut sagen, Bürge für ihn werden. Das ist genug gesagt. Was wollen sie damit sagen, zu erkennen, zu verstehen geben? Wie gesagt, wie ich gesagt habe. Ich bin ihm, wie gesagt, nicht feind und auch nicht gut, Gell. Unter uns gesagt, wenn etwas eben nicht jedermann wissen soll. Und, zu dir gesagt, er war auch nicht der Mann, u. s. f. Weiße. Ich habe mir sagen lassen, man hat mir gesagt. Ich habe mir wohl sagen lassen, daß meine Frau Muhme sehr fromm ist, Gell. Wie, oder was ich ihnen sage, eine im gemeinen Leben übliche Art der Versicherung. Was ich ihnen sage, er ist wirklich. Was ich ihnen sage, sie können die Frau Muhme jetzt nicht sprechen, Gell. Nein, was ich ihnen sage, es ist mir unmöglich. Das will ich dir hiermit gesagt haben, eine Formel, jemanden etwas mit ausdrücklichem Ernste zu sagen. Du hast von Glück zu sagen, du kannst dich für glücklich halten. Sie haben von Glück zu sagen, daß sie es dabey bewenden läßt, bloß Sylphen zu lieben. Mich däucht, er habe von Glück zu sagen, daß er noch so davon gekommen ist. Ich sagte nur so, im gemeinen Leben, für, ich sagte es nur im Scherze, es war nicht mein Ernst. Das lasse ich nicht von mir gesagt werden, das lasse ich mir nicht nachsagen. Geitz lasset nicht von euch gesagt werden, Ephes. 5, 3. Jemanden todt sagen, sagen, daß er gestorben sey. Es sagte ohne alle Gnade Die ganze Stadt Nigrinen todt, Less. Einen etwas sagen, und zu einem etwas sagen, sind nicht ganz einerley. Die letzte R. A. gebraucht man besonders, wenn man die Worte, welche gesagt werden, anführet. Er sagte zu mir, er wolle kommen. Wer will zu ihm sagen: was machst du? Hiob 9, 12. Wer zu seinem Bruder saget Racha und Narr, Matth. 2, 22. 2. In engerer und figürlicher Bedeutung. 1) Bedeutende und nicht bloß vernehmliche Worte sagen. Man muß wenig reden, aber viel sagen. Er plaudert oder spricht den ganzen Tag und sagt doch nichts. 2) Befehlen. Ich sage dir, u. s. f. Jüngling, ich sage dir, stehe auf! Luc. 7, 14. Das laßt dir gesagt seyn. In einer Sache nichts zu sagen haben. Er hat hier nichts zu sagen. Wer hat mir was zu sagen? 3) Durch geschriebene Worte bekannt machen. Moses sagt u. s. f. Was sagt die Schrift? Röm. 10, 8. Man mag gern, wie Montagne sagt, große Männer bey Kleinigkeiten belauschen. 4) Nach einer noch weitern Figur, auf jede andere vernehmliche Art bekannt machen. Mein Herz hat es mir längst gesagt. Mein Gewissen sagt mirs. Und doch sagt mir eine Ahndung, die ich lieb gewinne, daß ich ihn einmahl wiedersehen werde, Hermes. Die Eitelkeit, die dir sagt, daß deine Reitzungen groß genug sind, einen unbeständigen Liebling getreu und beständig zu machen, Dusch. Das Siegel sagte mir, daß der Brief von meinem Freunde kam. 5) Bedeuten. Was will das sagen? Das will so viel sagen. Doch wenn die Natur Nur einmahl recht verstehen sollte, Und was ein Irrlicht sagen wollte, Gell. Augen vom schönsten Braun, die nichts mehr sagen. Mit einem Gesichte, das nichts sagte. Ingleichen, von Wichtigkeit seyn. Zehen Thaler wollen nicht viel sagen. Das will nichts sagen. Tausend Thaler wollen schon viel sagen. Es hat nichts zu sagen, es wird keine erhebliche Folgen haben. Das hat viel zu sagen. Daher das Sagen, besonders in der ersten eigentlichen Bedeutung. Die Sagung ist nur in einigen Zusammensetzungen üblich. Anm. Schon im Isidor sagan, bey dem Willeram gesagan, im Nieders. seggen, in den gemeinen Hoch- und Oberdeutschen Sprecharten sahn, er sahte, für er sagte, er seit, er sagt, im Engl. to say, im Angels. seegan, im Schwed. säga, im Isländ. seiga, im Wallis. sygaen, bey den ältesten Lat. seco, sequor, woraus vermittelst der gewöhnlichen Verwechselung des s und t nachmahls dico geworden, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es ist eine Onomatopöie, welche den Laut des Sagens nachahmet, und so fern dieser Schall auch andern Bewegungen gemein ist, gehören auch säen, sägen, zeigen u. s. f. dahin; so wie reden, sprechen, loqui, u. a. in verschiedene mit ähnlichen Schällen verbundene Veränderungen bezeichnen.


Sägenfliege (W3) [Adelung]


Die Sägenfliege, plur. die -n, eine Art Fliegen, mit einem messerartigen Stachel, welcher zwey vorstehende Blättchen in Gestalt zweyer Sägen hat; Tenthredo Eberh.


Sägenschmid (W3) [Adelung]


Der Sägenschmid, des -es, plur. die -schmiede ein Schmid, welcher vornehmlich Sägen und andere schneidende Werkzeuge verfertiget.


Säger (W3) [Adelung]


Der Säger, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher säget. Auch eine Art Vögel, S. das folgende.


Sägeschnäbler (W3) [Adelung]


Der Sägeschnäbler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art vierzehiger Patschfüße, deren Schnäbel an beyden Hälften lang und ausgezackt sind; Plotus serrator Klein. Säger, Stücksäger; wegen der Ähnlichkeit des Schnabels mit einer einfachen oder Stücksäge, der Kneifer.


Sägespäne (W3) [Adelung]


Die Sägespäne, sing. inus. kleine zarte Späne, welche durch das Sägen hervor gebracht werden; Sägemehl, im Oberd. Sägegeist, in Österreich. Sagschaten, in Baiern Schoaten, Scheiten, im Nieders. Sagespöne.


Sägetaucher (W3) [Adelung]


Der Sägetaucher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme der Biberänte, Mergus Castor L.


Säglich (W3) [Adelung]


Säglich, adj. et adv. von dem Zeitworte sagen was sich sagen, d. i. aussprechen läßt, welches aber nur in dem zusammen gesetzten unsäglich üblich ist. S. dasselbe.


Sago (W3) [Adelung]


Das Sago, subst. indeclin. plur. car. das zubereitete Mark des Sago-Baumes, welcher eine Art Palme mit gefiederten Blättern ist, und in Ostindien wohnet; Cycas L. Der Nahme welcher auch Sago und Sego lautet, ist gleichfalls Ostindisch.


Sahl,Saal,Sal (W3) [Adelung]


Sahl, Saal oder Sal, ein Wort, welches in einem sehr weiten Umfange der Bedeutung, oder vielmehr in mehrern verschiedenen Bedeutungen üblich ist, die aber doch insgesammt gewisse Veränderungen bezeichnen, welche mit einem ähnlichen und übereinstimmigen Laute verbunden sind, und von denen ich hier überhaupt etwas sagen will, damit man die Verwandtschaft derselben mit Einem Blicke übersehen könne. Ich nehme dieses Wort hier in seinem weitesten Umfange und mit den gewöhnlichen Veränderungen, Sahl, Sal, Sel, Ste, Sol, Schal u. s. f. Zahl, Zel, Ziel u. s. f. wo das härtere Z allenfalls eine Intension bezeichnet, Thal, Theil, weil t und s immer mit einander abwechseln, ingleichen mit den intensiven Endlauten Sall, Sell, Soll, Schall, Toll u. s. f. Sahl und das dazu gehörige Zeitwort sahlen ist, so wie ursprünglich alle Wörter, eine unmittelbare Nachahmung eines Lautes, und da dieses Laut mit mehrern verschiedenen Veränderungen verbünden ist, so ist dieses auch der erste Grund der Verschiedenheit in der Bedeutung. Es bezeichnet oder ahmet nach, 1. Einen gewissen eigenthümlichen Laut überhaupt, wie die Intensiva Schall, schallen, schellen. 2. Besonders, 1) Den Laut der menschlichen Stimme und verschiedene Arten derselben; daher das alte fellan, sagen, sprechen, zählen, erzählen, Psalm, Salm, thalen, schelten, das Nieders. schelen, zanken, schälen, plaudern, Skalde, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bitten, vielleicht auch solch und selbst. 2) Den Laut unarticulirter Bewegungen, und diese Bewegungen selbst. a) Gewisse starke heftige Bewegungen. (a) Eigentlich, wie salire, saltare, salax, Silanus, der Springbrunnen, das Nieders. sich fühlen, das veraltete sal, schnell, das in der Monseeischen Glosse befindliche zellan, weben, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ich bewege, das Schwed. sall, ein Sieb, und salla, sieben, roll, das Holländ. sollen, heftig hinwerfen, u. s. f. Daher denn, (b) Folgende figürliche Bedeutungen stammen. (1) Des Lichts, wie Sol, Silber, Sil, gelbe Erde, Sulphur, Schwefel, vielleicht auch Salmo, der Salm, wegen seiner glänzenden Schuppen, wenn er nicht wegen seiner heftigen Bewegungen, und besonders wegen seiner Gabe zu springen worden. (2) Des Gehens, entweder als eine unmittelbare Figur des Lichtes, oder auch der Bewegung, wie zielen. (3) Der Seele, deren Nahme in allen Sprachen eine Figur des Windes, des Athems, der Bewegung ist. (4) Der Zeugung, wie zielen, erzielen. (5) Gewisser Arten scharfer, heftiger Empfindungen; daher Salz, Sal, Salat, das alte Zala, Gefahr, das Pohln. Zal, Betrübniß, Schmerz, Solicitudo, Bekümmerniß, schal, abgeschmackt. b) Besonders des fließenden Wassers; daher der Meißner schollen, sein Wasser lassen, das Nieders. schälen, spülen, das alte Europäische Sal, das Meer, Lat. Salum, das Meer, das Niederdeutsche Siel, ein Canal, das Malab. Salam, Wasser, und so ferner. c) Ingleichen der schlüpfrigen Bewegung, wie das Holländ. sollen, auf dem Eise gleiten. Daher die Figuren des Fettes, der Schlüpfrigkeit, des Kothes; wie Salbe, Saliva, das alte Oberdeutsche sal, schmutzig, das Nieders. sählen, sich beschmutzen. d) Gewisse langsamer Bewegungen, wie das Schwed. Sele, ein sanfter Fluß. Daher die Figuren selten, solus, das Nieders. schelen, fehlen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Friede, Ruhe, filere, schweigen, solari, trösten, wie trösten von Rast, Ruhe, Schild; welche aber auch Figuren anderer Bedeutungen seyn können. Ingleichen der Begriff des Aufenthaltes, Exsul, das alte Sal, Wohnung, Aufenthalt, das Nieders. schillern, warten. e) Gewisser Bewegungen, ohne Rücksicht auf die Stärke und Schwäche des damit verbundenen Lautes, oder des Grades ihrer eigenen Heftigkeit. (a) Überhaupt. Daher das alte salen, sellan, übergeben, Sahl, Sal, Übergabe; das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, heraus ziehen, Schwed. sala, theilen, und unser Theil und theilen selbst, solvere, Nieders. schelen, unterschieden seyn, Schwed. Sal, ein Theil an den Strafgefällen, und nach allerley Figuren Sold, Schuld, sollen, Zoll. (b) Ins besondere nach Verschiedenheit der Richtungen. (1) Eine Bewegung und Ausdehnung in die Länge, ohne beträchtliche Breite und Dicke. Daher Seil, Sille, das Nieders. Siehle, das Pferdegeschirr, Zeile, Sahl, das Äußerste eines Dinges, in Sahlband, Sahlleiste, das Nieders. Suhl, Sugel, eine Ahle, Schilf, welches aber auch eine unmittelbare Beziehung auf die rauschende Bewegung haben kann, Schwed. Söl, Schilf. (2) In die Breite, wie das Nieders. Schelf und Diehle, ein Bret, die Scholle. Daher der Begriff der Ebene; Solum, der Boden. (3) In die Höhe, wie Säule, Söller, Schulter, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, erheben, Salebra, ein holperiger Weg, solox, grob, rauh, Solium, Thron. (4) In die Tiefe, wie Sohle, Solea, Thal, Solum, (5) Nach allen Seiten; daher die Figur den Biegsamkeit, wie Salix, Weide, Siler, Bachweide, Sahlweide. (6) In die Weite, mit den Bedeutungen des hohlen Raumes; daher Saal, Aula, Halle, Zelle, Cella, Zille, ein Kahn, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Korb, Schale, Siliqua. Daher die Figur der Bedeutung, Schale, und vielleicht auch das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Friede. (7) Nach allen Richtungen; daher die figürlichen Bedeutungen der Menge, der Zahl, wie Ottfrieds Zala, Zahl, vielleicht auch Saltus, Wald, Silva. Ingleichen der Verbindung, wie sälla, Schwed. versammeln, Gesell. Wie auch der Masse, Erdscholle, Eisscholle, solidus, wovon die Bedeutung der ganzen unverletzten Beschaffenheit wieder eine Figur ist; daher Salus, salvus, selig. Auf ähnliche Art bedeutet heil eigentlich ganz, unverletzt, und figürlich Wohlstand, Wohlfahrt. Zur Bedeutung der Masse scheinet auch die Ableitungssylbe -al, ein Ding, Subject, zu gehören, wenn es nicht, wie Ding und Sache, eine Figur der menschlichen Stimme ist. Mit mehrerer Gewißheit ist die Härte eine Figur der Masse, der Ausdehnung, vielleicht auch des Schalles, wie Silex, ein Kieselstein. (8) Nach einer schiefen Richtung, wie schäl, schielen. (9) In die Krümme; daher Nieders. schell, krumm, und so noch andere mehr.


Sahl (W3) [Adelung]


Der Sahl, Aula, S. Saal.


Sahlbader (W3) [Adelung]


Der Sahlbader, S. Salbader.


Sahlband (W3) [Adelung]


Das Sahlband, des -es, plur. die -bänder. 1) Im Bergbaue, diejenige Steinart, welche den Erzen auf den Gängen die Einfassung gibt, mit welcher sie am Rande gleichsam als mit einem Bande eingefasset sind; in der verderbten Aussprache der Bergleute Seilband, sonst auch der Saum, der Mantel. 2) An den Zeugen, ( S. Sahlleiste.) 3) In einigen Gegenden, z. B. in der Mark Brandenburg, ist der Sahlband ein Ring, welcher locker um den Pflugbalken liegt, an der Zunge, welche durch die Büchse gehet, befestiget ist, und zur Verbindung des Vordertheiles des Pfluges mit dem Pflugbalken dienet. In den beyden ersten Bedeutungen ist der Begriff der Ausdehnung in die Länge, und der nahe verwandte Begriff des Randes, des Äußersten, der herrschende. S. Sahl und Sahlkeiste.


Sahlbuch (W3) [Adelung]


Das Sahlbuch, des -es, plur. die -bücher, noch in vielen Gegenden, ein öffentliches Schatzungs- und Steuerregister, in welchem eines jeden Unterthanen liegendes Vermögen an Haus, Hof, Äckern u. s. f. mit allen Gränzen, Rainen u. s. f. und den davon schuldigen Steuern, Frohndiensten u. s. f. verzeichnet ist; das Erbbuch, Erbregister, Flurbuch, Lagerbuch, Urbarium, Catastrum. Die erste Sylbe kann auf mehrere Bedeutungen des Wortes Sahl Anspruch machen. Es kann hier zunächst den Besitz, die Wohnung, oder den Grund und Boden, oder die Gränze und Raine der Grundstücke, oder endlich auch die davon schuldigen Abgaben bezeichnen; S. Sahl.


Sahlgut (W3) [Adelung]


Das Sahlgut, des -es, plur. die -güter, ein Wort, welches noch in einigen Gegenden auf dem Lande üblich seyn soll, gewisse freye Güter zu bezeichnen, wo die eigentliche Bedeutung des Wortes Sahl aus der nähern Beschaffenheit solcher Güter bestimmet werden muß. Ehedem war Sahlhof, ein solcher freyer Hof, ( S. Siedelhof und Sahlland,) ein solches freyes, unzinsbares Land, Terra salica; wo doch die Ausleger noch bey weiten nicht einig sind, ob sich gleich der Begriff der Freyheit aus Sahl gar wohl herleiten läßt.


Sahlleiste (W3) [Adelung]


Die Sahlleiste, plur. die -n, der äußerste Rand an gewebten Zeugen der Breite nach; das Sahlband, in den gemeinen Sprecharten das Salbende, in Österreich das Tuchend, im Anhält die Tuchschrote. Von Sahl, so fern es eine Ausdehnung in die Länge und figürlich einen Rind bedeutet.


Sahlmann (W3) [Adelung]


Der Sahlmann, S. Saalmann.


Sahlweide (W3) [Adelung]


Die Sahlweide, plur. die -n, eine Art Weiden mit eyförmigen, runzeligen Blättern, welche auf der untern Fläche filzig und nach oben zugezähnt sind; Salix captea. L. Palmweide, Buschweide, Werftweide, Hohlweide, Streichpalme, Nieders. Salwied, im Hannöv. Beenwied, Franz. Saule, Engl. Sallow. Das Wort Sahlleidet hier mehrere Bedeutungen. Es kann zähe, biegsam, bedeuten, weil die Zweige dieser Art Weiden sehr zähe sind, und daher häufig zum Flechten gebraucht werden, daher sie im gemeinen Leben auch Seilweide heißt; es kann aber auch die weißgrünliche Schale ausdrucken, von dem Nieders. sahl, schmutzig weiß. Indessen kann es auch ein Überbleibsel des ältesten Nahmens der Weide überhaupt seyn, wozu in den spätern Zeiten, nur das Wort Weide zur Erklärung gesetzt worden; indem die Weide überhaupt im Angels Seal, im Engl. Sallow, im Irländ. Sail, und Saileog, im Schwed. Saig, im Finnländ. Salawa, und in den Florentinischen Glossen Salaha, im Lat. Salix, heißt; entweder ihre Biegsamkeit zum Binden, wie das gleichbedeutende Weide, auszudrucken, oder auch ihren Aufenthalt an den Sahlen, d. i. Flüssen.


Sahne (W3) [Adelung]


Die Sahne, plur. die -n, in einigen Gegenden, besonders in Obersachsen, der Milchrahm, besonders der süße, frische, zum Unterschiede von dem sauern, welcher auch in Obersachsen Rahm und Milchrahm heißt. ( S. Rahm, wo die in andern Gegenden übliche Benennungen angeführet worden.) Im Holländ. Saen, in Schlesien Sohn. Es kommt in andern Sprachen nicht vor, scheint aber eine jede dickliche Feuchtigkeit überhaupt bedeutet zu haben, da es denn mit dem Lat. Sanies, Eiter, Eines Geschlechtes seyn würde, wenn es nicht so wie Rahm zunächst die Erhebung ausdruckt. Frisch rechnet auch das Schweizerische Senne, Viehherde, hierher, welches aber allem Ansehen nach zu einem andern Stamme gehöret, S. dasselbe.


Sahnenbrezel (W3) [Adelung]


Die Sahnenbrezel, plur. die -n, eine Art Brezeln, wo der Teig mit süßer Sahne angemacht wird.


Sahnenkäse (W3) [Adelung]


Der Sahnenkäse, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Käse, wo der süßen Milch, aus welcher sie verfertiget worden, ihre Sahnegelassen wird; Süßkäse.


Sahrbache (W3) [Adelung]


Die Sahrbache, plur. die -n, in einigen Oberdeutschen Gegenden, besonders in der Schweiz, der schwarze Pappelbaum oder die Pappelweide, Populus nigra L. welche daselbst auch Sarbacke, Sarbauchbaum, Saare, Saarbaum genannt wird. Gelb stehen die Sarbachen und die Weiden um die Teiche her, Geßn. Die erste Hälfte kam mit Sahl in Sahlweide verwandt seyn, weil die Pappel der Weide sehr ähnlich ist, und l und r beständig mit einander abwechseln. Im Französischen heißt dieser Baum ohne Zischlaut Eard. In manchen Gegenden heißt auch der weiße Pappelbaum Sahrbaum oder Sarbaum.


Saiger (W3) [Adelung]


Saiger, Saigen, u. s. f. S. in Sei.


Saite (W3) [Adelung]


1. Die Saite, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden, in dem zusammen gesetzten Kohlensaite übliches Wort, einen großen Korbwagen zu bezeichnen, worin die Kohlen verrühret werden. Es hat den Begriff des hohlen, tiefen Raumes, und ist mit dem Lateinischen Diminut. Situla, ein Eimer, nahe verwandt. Siehet man s und t als gleichbedeutend an, so gehöret auch Tüte dahin.


Saite (W3) [Adelung]


2. Die Saite, plur. die -n, ein altes Wort, welches, 1) * ehedem einen jeden Faden, ein Seil, einen Strick u. s. f. bedeutete. Bey dem Kero ist Seid ein Strick, und in der Monseeischen Glosse Zata das Haar. Das mittlere Lat. Seta und unser Seide gehöret nebst dem bey den Webern üblichen Zettel, die Fäden des Aufzuges, gleichfalls dahin. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Saite entweder ein Draht, oder auch ein aus Gedärmen gedrehter Faden, so fern beyde zu Hervorbringung der Töne aus musikalischen Instrumenten gebraucht werden; die Darmsaite, Drahtsaite. Harfen von acht Saiten, Psalter von zehen Saiten, in der Deutschen Bibel. Ein Instrument mit Saiten beziehen. Neue Saiten aufziehen. Die Saiten spannen, stimmen u. s. f. Diese Saite muß man nicht berühren, figürlich diesen Punct, diese Sache. Die Saiten zu hoch spannen, seine Forderungen zu weit treiben. Er wird bald gelindere Saiten aufziehen, auch figürlich, er wird bald gelassener reden, von seinen Forderungen, von seinem Trotze nachlassen. In weiterer Bedeutung führen alle aus Därmen gedreheten Schnüre, die man in manchen Fällen auch Sehnen nennet, bey den Handwerkern den Nahmen der Saiten, wenn sie gleich nicht zu musikalischen Instrumenten bestimmt sind. ( S. Michaelis Anmerk. zu Richt. 16, 7) Luther gebraucht es auch einige Mahl für Saiten-Instrument in welchem Verstande es aber nicht gewöhnlich ist.

Anm. In der zweyten Bedeutung schon bey dem Ottfried Seito. Das Oberdeutsche ai ist in diesem Worte älter als in andern, und in den neuern Zeiten hat man es beybehalten, um es von Seite zu unterscheiden, indem wirklich Fälle vorkommen können, wo einerley Schreibart Dunkelheit und Mißverstand verursachen könnte.


Saitenhalter (W3) [Adelung]


Der Saitenhalter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Stück an den Violinen, unter welchem die Saiten oben befestiget werden.


Saiten-Instrument (W3) [Adelung]


Das Saiten-Instrument, des -es, plur. die -e, ein musikalisches Instrument, welches vermittelst der Saiten gespielet wird.


Saitenspiel (W3) [Adelung]


Das Saitenspiel, des -es, plur. die -e, 1) Ein veraltetes nur noch in der Deutschen Bibel, und zuweilen auch noch in der höhern Schreibart übliches Wort, ein Saiten Instrument zu bezeichnen. Bey dem Notker Seidspiele. 2) Das Spiel, die Musik auf Saiten-Instrumenten; ohne Plural.


Saitenspieler (W3) [Adelung]


Der Saitenspieler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Saitenspielerinn, eine Person, welche auf Saiten-Instrumenten spielet, besonders wenn sie daraus ein Geschäft macht; auch nur noch in der Deutschen Bibel und in der höhern Schreibart. Die schönen Gesänge künstlicher Saitenspieler entzücken da das Ohr, Geßn.


Sakerfalk (W3) [Adelung]


Der Sakerfalk, des -en, die -en, eine Art Falken, welcher dem Gierfalken am nächsten kommt, nur daß er etwas kleiner ist. Er hat himmelblaue Füße, einen aschgrauen Kopf, und geflochten Schwanz, ist sehr stark und hurtig, und wird vorzüglich zur Kranich und Reiherbeitze gebraucht; Falcosacer Klein Nach dem Frisch stammet dieser Nahme aus dem Russischen her, wo Sokol einen jeden Falken bedeutet, da denn aus Ankunde dieser Sprache so wohl die Griechische Benennung - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - als auch die Lateinische Falcosacer, und die Deutschen Sackerfalk, Sockerfalk, Stockerfalk u. s. f. entstanden seyn würden. Bey andern heißt er Großfalk.


-sal (W3) [Adelung]


-sal, eine Ableitungssylbe für Hauptwörter, welche zu dem Hauptworte Sahl gehöret aber doch nicht überall einerley Bedeutung hat. 1) In dem Oberdeutschen Rinnsal, das Bett eines Flusses, ist es ohne Zweifel noch das alte Sahl, ein Fluß, Canal, Rinne. ( S. Sohl.) 2) In dem veralteten Fluchtsal, welches in dem Sachsenspiegel vorkommt, und die Strafe wegen einer pflichtwidrigen Flucht bedeutet, gehöret es zu dem alten Sahl, Gabe, sahlen, geben, zahlen, Sold u. s. f. zumahl da Sala auch im Schwedischen noch die Strafe bedeutet. Das gleichfalls im Sachsenspiegel befindliche Ursal, was die Frau nach des Mannes Tode zum voraus bekommt, gehöret gleichfalls zu der Bedeutung der Gabe und des Gebens. 3) In einigen noch gangbaren Hauptwörtern ist die Bedeutung hingegen nicht so klar; z. B. Labsal, Scheusal, Schicksal, Drangsal und Trübsal, wozu noch die veralteten Irrsal, Irrthum, Zwangsal und Achtsal, Elend, u. a. m. gehören. Wachter leitete es hier sehr gezwungen von dem veralteten Sal, Gefahr, ab, Frisch aber und Schilter nicht viel besser von Sahl, Gabe, und fallen, geben. Alle drey kannten das Wort Sahl seinem ganzen Umfange nach nicht, und blieben daher an den ihnen bekannten Bedeutungen hängen. Es scheinet, daß man hier eine doppelte Bedeutung annehmen müsse; welche noch dazu durch das Geschlecht dieser Wörter unterstützet wird. In Labsal, Scheusal und Schicksal bedeutet es ein Subject, ein Ding, von welchem die erste Hälfte der Wörter etwas behauptet; Labsal, ein Ding, welches labet, Scheusal, ein Ding, welches Abscheu erwecket, Schicksal, was uns zugeschicket wird, und diese Wörter sind gemeiniglich ungewissen, in einigen Gegenden aber auch männlichen Geschlechtes. Diese Bedeutung fließt dem Worte Sahl, so fern es eine Masse, eine Ausdehnung nach allen Richtungen bedeutet. In Trübsal und Drangsal hingegen scheinet es zunächst Abstracta zu bilden, und den Zustand zu bezeichnen, daher sie auch weiblichen Geschlechtes sind. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur können sie auch, wie alle Abstracta, wieder Concreta bezeichnen, da denn die vorige Bedeutung eines Dinges, Subjectes, wieder mit eintritt. S. die Ableitungssylbe -selig, (wo noch einiges davon vorkommen wird.) Es könnte scheinen, daß diese Endsylbe in manchen Wörtern in -sel verändert worden; Mengsel, Höchsel, Fegsel, Schabsel, Überbleibsel, Räthsel, Einschiebsel u. s. f. Allein, wenn man diese Endsylbe genauer untersucht, so scheinet sie nicht damit verwandt zu seyn. -Sal ist allemahl lang, -sel aber kurz. Über dieß lauten alle die Wörter, welche im Hochdeutschen -sel haben, im Niederdeutschen -els, wie Mengels, Fegels, Schabels u. s. f. Es scheinet daher hier die Ableitungssylbe -el zu seyn, welche hier das s euphonicum vor sich genommen. Im Dänischen ist Angstelse Drangsal. Wer unser -sal eben daher leiten wollte, würde vielleicht doch nicht irren. Übrigens hat man diese Endsylbe jederzeit -sal geschrieben, und die Neuerung, das gedehnte a durch, aa oder ah zu schreiben, hat sich nicht bis auf dieselbe erstreckt.


Salamander (W3) [Adelung]


Der Salamander, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Eiden sen, deren Körper viele kleine Löcher hat, aus welchen sie einen Saft spritzen, welcher die Kohlen, welche auf sie geworfen werden, auf eine Zeit lang auslöschet, daher denn die alte Fabel entstanden, daß der Salamander im Feuer lebe; Lacerta Salamandra L. ehedem Feuerwurm. ( S. auch Molch) In der Dichtkunst der Neuern pflegt man von dem Vorgange des Abis von Villar seinem Comte de Gabalis, auch wohl ein Art erdichteter Feuergeisterchen Salamander zu nennen, so wie die Sylphen, Luftgeister, Gnomen, Erdgeister, und die Nymphen Wassergeister bezeichnen. Der Nahme ist aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - entlehnet, wo die erste Hälfte - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - entweder zu Sahl, Wasser, Feuchtigkeit gehöret, weil diese Eidechse im Feuer Wasser von sich spritzet, oder auch aus einer ältern Sprache herstammet, wo Sahl Feuer bedeutet hat, da es denn wieder eine Onomatopöie der zischenden Bewegung seyn würde.


Salamander-Baum (W3) [Adelung]


Der Salamander-Baum, des -es, plur. die -Bäume, bey den Neuern, ein Ostindischer Baum, dessen Dicke und saftige Rinde den Flammen des Feuers, so wie der Salamander, sehr lange widerstehet; Stilago L.


Salamander-Eidechse (W3) [Adelung]


Die Salamander-Eidechse, plur. die -n, eine Art Eidechsen, welche noch von den Salamander unterschieden wird; Lacerta Salamandrina L. Salamandrin. Ihr Kopf und Zunge gleicht dem Salamander, der Rumpf und Schwanz aber der Eidechse.


Salamander-Haar (W3) [Adelung]


Das Salamander-Haar, des -es, plur. inus. eine Art gediegenen Silbererzes, wo das Silber in Gestalt zarter Fäden oder Haare auf dem Gesteine befindlich ist; Federerz.


Salat (W3) [Adelung]


Der Salat, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e. 1) Eine jede Speise, welche mit darauf gegossenem Öhl und Essig genossen wird, besonders wenn sie kalt und ohne weitere Zubereitung gegessen wird. Daher Häringssalat. Sardellensalat, Krautsalat, Kräutersalat, Gurkensalat, Hopfensalat, Rapünzelsalat u. s. f. Etwas als einen Salat essen, wie einen Salat zurichten. 2) In engerer Bedeutung nennet man den Lattich oder Lactuf, Lactuca L. weil er am häufigsten als Salat gegessen wird, nur schlechthin Salat. Gartensalat oder zahmer Salat, Lactuca sativa L. wohin der krause Salat und Kopfsalat gehören; zum Unterschiede von dem wilden.

Anm. Im Nieders. zusammen gezogen Slaat, Slaut, im Engl. Sallad, im Franz. Salade, im Böhm. Salat. Es stammet zunächst aus dem Ital. Salata, Insalata, her, welches eigentlich ein Beywort ist, welches das Hauptwort Herba voraussetzt mit Salz und Essig zubereite Kräuter oder Speisen welche schon bey Columella Salgama heißen. Indessen kann das Ital. Salata auch aus dem morgenländischen herstammen, weil Salata im Albanischen, Wallachischen und Persischen gleichfalls einigen Salat, eine aus Salat zubereitete Speise bedeutet.


Salatbaum (W3) [Adelung]


Der Salatbaum, des -es, plur. die -bäume, bey einigen Neuern, ein Nahme der Canadischen Judasbaumes, Cercis Canadensis L. weil dessen junge Blumen in Amerika als ein Salat gegessen werden.


Salatkraut (W3) [Adelung]


Das Salatkraut, des -es, plur. die -kräuter, ein jedes Kraut oder Gewächs, dessen Blätter als ein Salat gegessen werden, wol in der Lattich, die Endivie, die Kresse u. s. f. gehören.


Salatwurm (W3) [Adelung]


Der Salatwurm, des -es, plur. die -würmer, gewisse weiße, graue und gelbliche Maden, welche die Wurzeln mancher Gewächse, besonders aber des Salates, abfressen, und auch Warren genannt werden. S. Werre.


Salbader (W3) [Adelung]


Der Salbader, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein alltäglicher Schwätzer, welcher andern mit unerheblichen Erzählungen lästig wird. 2) Ein Qucaksalber; wohl eigentlich ein unreinlicher Bader, der seine Kranken mit Salben curiret. Daher die Quacksalberey, plur. die -en, so wohl langweiliges ekelhaftes Geschwätz als auch Quacksalberey; langweilig schwatzen; ingleichen quacksalbern.

Anm. Beyde Bedeutungen sind gewisser Maßen sehr von einander unterschieden und doch, sind sie üblich. Das Wort selbst ist seiner ersten Hälfte nach noch dunkel, wie die meisten unter dem großen Haufen üblichen verächtlichen Benennungen, weil sie oft von unbekannten individuellen Umständen hergekommen sind; den Frischens Ableitung von einem schwatzhaften Vader, der zu Jena an der Sahle gewohnet, siehet einem Scherze sehr ähnlich. Die erste Sylbe kann aus Salbe zusammen gezogen seyn, sie kann aber auch von dem Ober- und Niederdeutschen, sal, schmutzig, unreinlich, abstammen.


Salbe (W3) [Adelung]


Die Salbe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, Diminut. das Sälbchen, Oberd. Sälblein, ein fettes Wesen, welches die Consistenz der Butter oder eines dicklichen Öhles hat, besonders wenn es durch die Kunst bereitet worden. Augensalbe, Brandsalbe, Haarsalbe, Wundsalbe u. s. f. In der Deutschen Bibel wird es häufig von einer wohlriechenden Salbe gebraucht, deren sich die Morgenländer noch bedienen. Wagen- oder Schmiersalbe ist in einigen Oberdeutschen Gegenden auch das Wagenschmier.

Anm. Schon bey dem Kero, Ottfried u. s. f. Salbu, Salbo, Nieders. Salve, im Engl. Salve, im Angels. Sealf, im Schwed. Salva. S. das folgende.


Salben (W3) [Adelung]


Salben, verb. reg. act. 1) * Im weitesten Verstande, mit einem schlüpfrigen flüssigen Körper bestreichen oder beschmieren; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Ehedem gebrauchte man es theils für mit Farben bestreichen, wovon Frisch ein Beyspiel aus dem Altensteig anführet, theils auch für beschmieren, mit einem fettigen schmierigen Körper besudeln, in welcher Bedeutung es noch im Niedersächsischen üblich ist. Mit dem Essen herum salben, sudeln, sich zusalben, besalben, beschmieren, besudeln, da denn auch Salberey Sudeley ist. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch, 2) in engerer Bedeutung, mit wohlriechenden Öhlen oder Salben bestreichen. Einen Stein salben, 1 Mos. 31, 13. Einen todten Leichnam salben, wofür wir jetzt balsamiren gebrauchen. Am häufigsten mit dem Salhöhle, dem symbolischen Zeichen der priesterlichen und königlichen Würde, bestreichen. Jemanden zum Priester, zum Könige salben; ein sehr alter Gebrauch, der sich in die ersten Zeiten der wahren Geschichte verlieret, und noch beobachtet wird, daher man regierende Herren, besonders königlichen Standes, in der edlen Schreibart auch gesalbte Häupter, Gesalbte, Gesalbte Gottes zu nennen pflegt. Daher das Salben und die Salbung. So fern in dem alten Testament mit der Salbung oft auch die Mittheilung übernatürlicher Gaben des Geistes verbunden war, ist, die Salbung bey einem theologischen Schriftsteller oft auch Inbrunst, hoher Grad der Einsicht und der eigenen Rührung. Mit vieler Salbung berhen, predigen. Anm. Schon im Isidor salben, wo auch das Hauptwort Salbunga und das veraltete Abstractum Salbidhu vorkommen, Nieders. salven, Schwed. salva. Der Grund der Benennung liegt in der Schlüpfrigkeit, daher auch das Lat. Saliva, Speichel, mit diesem Worte in dessen ersten weitesten Bedeutung verwandt ist. ( S. Sahl.) Wenn man das f als einen oft zufälligen Zischlaut betrachtet, so gehöret auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, salben, mit hierher.


Salbenbaum (W3) [Adelung]


Der Salbenbaum, des -es, plur. die -bäume, in einigen Gegenden, ein Nahme des schwarzen Pappelbaumes, Populus nigra L. weil dessen Knospen zu einer gewissen Art Salbe gebraucht werden.


Salbey (W3) [Adelung]


Die Salbey, plur. inus. ein Staudengewächs, welches einen starken gewürzhaften Geruch und einen scharfen bittern Geschmack hat; Salvia L. besonders die Salvia officinalis, welche in dem mittägigen Europa einheimisch ist. Der Nahme stammet ohne Zweifel aus dem Lat. und Ital. Salvia her, den dieses Gewächs mit aus Italien zu uns gebracht hat. Im Nieders. lautet es Selve, im Böhm. Ssalwey, im Holländ. mit einem andern Endlaute Salgie, und im Franz. ohne l Sauge, Engl. Sage. Die schmierige Beschaffenheit der Blätter scheint der Grund ihrer Benennung zu seyn, die denn zu dem vorigen Salbe gehören würde, wenn sie nicht viel- mehr wegen ihres medicinischen Nutzens von Salus, salvus, oder wegen der schmutzig weißen Farbe ihrer Blätter, von dem Ober- und Niederdeutschen sahl, bleich, schmutzig weiß, benannt worden. Es gibt derselben verschiedene Arten, wohin auch der Scharley, oder das Scharlachkraut gehöret.


Salbeybaum (W3) [Adelung]


Der Salbeybaum, des -es, plur. die -bäume, bey den Neuern, ein staudenartiges Gewächs der wärmern Länder, dessen Blätter den Blättern der Salbey gleichen; Phlomis L.


Salbeyweide (W3) [Adelung]


Die Salbeyweide, plur. die -n, eine Art Weiden mit länglichen, der Salbey ähnlichen, weißlichen Blättern, Salix aurita L. Kampfweide, Sandwerfweide.


Sälbing,Sälbling (W3) [Adelung]


Der Sälbing, oder Sälbling, eine Art Fische, S. Sälmling.


Salböhl (W3) [Adelung]


Das Salböhl, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein mit besondern Feyerlichkeiten zubereitetes Öhl, womit Priester und Könige bey Ertheilung oder bey dem Antritte ihrer Würde gesalbet werden.


Sälig (W3) [Adelung]


Sälig, S. Selig.


Saline (W3) [Adelung]


Die Saline, plur. die -n, aus dem Lat. Salinae, arum, ein hin und wieder übliches Wort, ein Salzwerk zu bezeichnen, eine Anstalt, wo Salz aus Sohle gesotten wird. Die Chursächsischen Salinen.


Saliter (W3) [Adelung]


Der Saliter, des -s, plur. inus. eine im gemeinen Leben übliche Benennung des Salpeters, wo es auch Salniter lautet, und aus Sal Nitrum verderbt zu seyn scheinet. S. auch Haarsalz, welches gleichfalls Saliter genannt wird.


Salle (W3) [Adelung]


Die Salle, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Sahlweide, S. dieses Wort.


Salm (W3) [Adelung]


Der Salm, des -es, plur. die -e, ein Nahme, welchen der Lachs in vielen Gegenden, besonders aber in Oberdeutschland führet, und welcher aus dem Lat. Salmo entlehnet ist. Andere machen einen Unterschied unter Salm und Lachs, und nennen einen noch nicht ausgewachsenen Lachs Salm, so wie andere alle Lachse im Frühlinge und Sommer Salme, im Winter aber Lachse genannt wissen wollen. Engl. Salmon, Franz. Saumon. Der Lateinische Nahme Salmo bezeichnet entweder seine glänzenden Schuppen, als ein Verwandter von Sol, Silber u. s. f. oder ist diesem Fische auch wegen seiner Geschicklichkeit im Springen gegeben werden, da er denn zu salire gehören würde. S. Sahl und Sälmling.


Salmgarn (W3) [Adelung]


Das Salmgarn, des -es, plur. die -e, eine Art dreymaschiger Garne, welche auf dem Rheine zum Lachsfange gebraucht werden.


Salmiak (W3) [Adelung]


Der Salmiak, des -es, plur. inus. ein flüchtiges Mittelsalz, welches aus der Säure des gemeinen Kochsalzes und einem flüchtigen Alkali bestehet, und einen dem Kochsalze ähnlichen, aber doch schärfern und urinösen Geschmack hat. Der natürliche kommt aus dem Lande der Kalmucken, wo er an den Felsen ausschlagen soll. Der künstliche wird in Ägypten aus dem Ruße des verbrannten Thiermistes bereitet. Der Nahme ist aus dem Latein. Sal Ammoniacus zusammen gezogen.


Salmiak-Blumen (W3) [Adelung]


Die Salmiak-Blumen, sing. inus. in der Chemie, sublimirter Salmiak. Eben daselbst pflegt man auch wohl die Krystallen von aufgelöseten und wieder angeschossenen Salmiak, Salmiak-Blumen zu nennen.


Sälmling (W3) [Adelung]


Der Sälmling, des -es, plur. die -e, eine in Oberdeutschland sehr bekannte kleine Art Salme, welche sich in den Flüssen und Seen aufhalten, sehr fett und schmackhaft sind, und daselbst bald Sälbinge, bald aber auch Sälblinge, im Berchtoldsgadischen aber Schwarzreuterle genannt werden; Salmo Salvelinus L.


Salniter (W3) [Adelung]


Der Salniter, S. Saliter und Salpeter.


Salomons-Siegel (W3) [Adelung]


Das Salomons-Siegel, des -s, plur. ut nom. sing. die Wurzel der Weißwarz, Convallaria Polygonatum L. auf deren Knoten man verschiedene einem Siegel ähnliche Eindrücke siehet.


Salpeter (W3) [Adelung]


Der Salpeter, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein laugenartiges oder alkalisches Salz, welches aus einem Alkali und seiner eigenen Säure bestehet, und sich in einer jeden fetten, schleimigen und lehmigen Erde erzeuget, aus der es mit Wasser ausgelauget, und durch Einkochung krystallisirt wird, welches man Salpeter sieden nennet; Nitrum, obgleich das Nitrum oder Natrum der Alten von anderer Art war. Im gemeinen Leben Saliter, Salniter, aus dem Latein. Sal Nitrum, im Pohln. Saletra, im Böhm. Sanytr. Der Nahme Salpeter ist aus dem Lat. Sal petrae, ob es gleich von dem eigentlichen Steinsalze gar sehr verschieden ist.


Salpeterdruse (W3) [Adelung]


Die Salpeterdruse, plur. die -n, im Bergbaue, eine Art Quarzdrusen, deren Krystallen abgestumpft, ungleich, winkelig und zusammen gedrückt sind, wie die Krystallen des Salpeters.


Salpetererde (W3) [Adelung]


Die Salpetererde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, eine Erde, welche Salpeter in sich enthält. Im gemeinen Leben hat man auch eine Erde, welche mit einem Kalke in Gestalt eines weißen Mehles vermischet ist, und bey den Salpetersiedern Schalk heißt, aus Irrthum mit diesem Nahmen belegt.


Salpeterfraß (W3) [Adelung]


Der Salpeterfraß, des -es, plur. doch nur von mehrern solchen schadhaften Stellen, die -e, ein Fehler der Wände und Mauern, wo der Kalk und die Steine in denselben bröcklich werden, sich verzehren und abfallen, welches man dem, dem Kalke beygemischten, Salpeter zuschreibt. Ingleichen solche schadhafte Stellen.


Salpetergeist (W3) [Adelung]


Der Salpetergeist, des -es, plur. inus. S. Salpetersäure.


Salpeterhütte (W3) [Adelung]


Die Salpeterhütte, plur. die -n, eine Anstalt, wo Salpeter aus der dazu dienlichen Erde gesotten wird; die Salpetersiederey.


Salpeterlauge (W3) [Adelung]


Die Salpeterlauge, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, in den Salpetersiedereyen, das mit aufgelösetem Salpeter geschwängerte Wasser, welches hernach eingekocht wird, damit der Salpeter darin anschieße.


Salpetermutter (W3) [Adelung]


Die Salpetermutter, plur. inus. eben daselbst, die Lauge, nachdem aller darin befindlicher Salpeter in Krystallen angeschossen ist, da sie denn eine braunrothe Farbe hat.


Salpetersäure (W3) [Adelung]


Die Salpetersäure, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, die durch die Hitze des Feuers in flüssiger Gestalt von dem Salpeter geschiedene Säure, welche einen starken unangenehmen Geruch hat, und sich mit dem brennbaren Wesen entzündet; Salpetergeist, Spiritus Nitri, im gemeinen Leben Scheidewasser.


Salpetersieder (W3) [Adelung]


Der Salpetersieder, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher ein Geschäft daraus macht, den Salpeter zu sieden. Daher die Salpetersiederey, so wohl diese Verrichtung selbst, als auch diejenige Anstalt, wo Salpeter gesotten wird.


Salpeterzeltlein (W3) [Adelung]


Das Salpeterzeltlein, des -s, plur. ut nom. sing. in den Apotheken, mit Schwefelblumen geschmolzener Salpeter, welche Masse hernach in Gestalt kleiner Zeltlein oder Küchlein auf eine Platte gegossen wird; Salpeterküchlein, Prunellsalz, Nitrum praeparatum, Lapis Prunellae.


Salpetrig (W3) [Adelung]


Salpetrig, -er, -ste, adj. et adv. Salpeter enthaltend. Salpetricht, dem Salpeter ähnlich. Im gemeinen Leben pflegt man ein jedes kalkartiges Wasser ein salpetriges Wasser zu nennen.


Salse (W3) [Adelung]


Die Salse, plur. die -n, ein im Hochdeutschen ungangbar gewordenes Wort, welches indessen noch im Oberdeutschen üblich ist, und eigentlich eine scharfe, salzige oder saure Tunke zu den Speisen bedeutet. Eine Knoblauchsalse, von zerstoßenem Knoblauch und Essig, ein Kräutersalse, von zerstoßenen Kräutern und Essig, Brunnkreßsalse, Löffelkrautsalse, Meerrettigsalse, Weinsalse, Johannisbeersalse, Kirschsalse, Hohlundersalse u. s. f. In einem 1501 zu Rom gedruckten Deutsch-Italiänischen Vocabul. wird eine Senfttunke Salse genannt. Nach 2 Mos. 12, 8, und 4 Mos. 9, 11 mußte das Osterlamm mit Salsen gegessen werden, welches eine solche Tunke von bittern Kräutern war, daher Michaelis hier auch statt des im Hochdeutschen unbekanntern Salse sie durch bittere Kräuter umschreibet. Ich schmecke von der ersten Wiege Nichts als ein bittres Salsenmahl, Gryph. In den Apotheken werden zuweilen verdickte Fruchtsäfte, welche mit dem 4ten oder 6ten Theile Zucker zu einem weichen Brey oder zu einer Gallerte gekocht werden, Salsen genannt; mit einem ausländischen Worte Rob. Daher Attichsalse, ein solcher verdickter Attichsaft u. s. f.

Anm. Im Ital. Salsa, woraus es die Deutschen mit der Sache selbst entlehnet haben. Die Franzosen haben vermittelst der ihnen gewöhnlichen Ausstoßung des l daraus ihr Sauce gemacht, eine jede Brühe zu bezeichnen. Salse und Salsa stammen unstreitig von Salz her; entweder so fern in den ältern ungekünstelter Zeiten das Salz der vornehmste Bestandtheil einer Tunke war, oder auch so fern Salz einen jeden Körper von scharfen und bittern Geschmack bedeutet, S. Salat.


Salsendorn (W3) [Adelung]


Der Salsendorn, des -es, plur. die -en, in einigen Gegenden ein Nahme der Berberisstaude, wegen des säuerlichen Geschmackes ihrer Beeren, welche daher in Oberdeutschland häufig zu Salsen gebraucht werden; Berberis dumetorum L.


Salter (W3) [Adelung]


Der Salter, in Niederdeutschen der Psalter, ingleichen der erste Magen des Rindviehes, S. Psalter.


Salvatell-Ader (W3) [Adelung]


Salvatell-Ader, S. Hauptader.


Salve (W3) [Adelung]


Die Salve, plur. die -n, die Abfeuerung mehrerer Feuergewehre oder Kanonen auf Ein Mahl, so fern sie eine Art der Begrüßung ist. Eine Salve geben, d. i. schießen. Drey Salven geben. In weiterer Bedeutung auch eine jede Abfeuerung mehrerer Gewehre oder Kanonen zugleich. Aus der lateinischen Grußformel salve! daher dieses Wort im Österreichischen auch ungewissen Geschlechtes ist, das Salve.


Salz (W3) [Adelung]


Das Salz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in der weitesten, aber nur in der Naturgeschichte und Naturlehre üblichen Bedeutung, ein jeder trockner Körper, welcher sich im Wasser auflösen läßt, und einen Geschmack hat, in welchem Verstande auch der Zucker ein Salz genannt wird. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung ist das Salz ein mineralischer Körper, welcher sich im Wasser auflösen läßt, und seinen eigenen scharfen Geschmack hat, der sich nur empfinden, nicht aber beschreiben läßt. Man hat sehr viele Arten des Salzes, welche insgesammt unter die drey Classen des alkalischen oder laugenartigen Salzes, des sauren Salzes und des Mittelsalzes gebracht werden können. Im engsten und gewöhnlichsten Verstande verstehet man unter Salz schlechthin dasjenige Mittelsalz, dessen man sich zur Würzung der Speisen bedienet, und welches zum Unterschiede auch Kochsalz, Küchensalz, Speisesalz und gemeines Salz genannt wird. 1) Eigentlich, wo dieses Salz wiederum entweder Steinsalz, oder Boj- und Seesalz, oder Quellensalz, Brunnensalz, gesottenes Salz ist, da man denn diejenige Art, deren man sich in einer Gegend oder zu einem Gebrauche gewöhnlich bedienet, nur Salz schlechthin heißt. Salz graben, das Steinsalz auf bergmännische Art aus der Ende gewinnen. Salz sieden, aus der Sohle oder dem natürlichen Salzwasser das Salz durch Einkochung und Abdünstung des Wassers und durch veranstaltete Krystallisation der Salztheilchen erhalten. Mit Salz würzen. Salz und Brot, eine Benennung der einfachsten und spärlichsten Kost. Fleisch in das Salz hauen, es in Stücke hauen, damit es eingesalzen werden könne; daher die im gemeinen Leben übliche figürliche R. A. jemanden bey einem andern in das Salz hauen, ihn bey demselben verleumden. 2) Figürlich. Eure Rede sey mit Salz gewürzet, Col. 4, 6, sie sey eindringend, damit sie die verlangte Wirkung thue. Ein sinnreicher und mit Salz gewürzter Scherz. In engerer Bedeutung ist Salz oft ein beißender Witz.

Anm. Schon bey dem Ottfried Salz, im Niederdeutschen mit dem t statt des z Solt, bey dem Ulphilas Salt, im Engl. Salt, im Holländ. Sout, im Schwed. und Isländ. Salt, in andern Sprachen ohne Endlaut, wie im Latein. Sal, im Engl. Sal und Salt, im Franz. Sel, im Pohln. Sol, im Böhm Sül, im Wallis. mit dem Hauchlaute statt des Zischlers Halen, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Nicht von dem nordischen Sal, Salt, das Meer, sondern wegen seines scharfen beißenden Geschmackes, daher auch saure Dinge in manchen Sprachen Sal genannt werden. ( S. Sahl, Salat, Salse, Sohle und Sülze.)


Salzader (W3) [Adelung]


Die Salzader, plur. die -n, eine Ader in der Erde, welche Salz enthält, sie enthalte nun Steinsalz oder auch Salzsohle.


Salzamt (W3) [Adelung]


Das Salzamt, des -es, plur. die -ämter, in denjenigen Ländern, wo der Salzhandel ein Regal des Landesherrn ist, ein Amt, d. i. Collegium dazu verordneter Personen, welches den Verkauf des Salzes besorget.


Salzbereiter (W3) [Adelung]


Der Salzbereiter, des -s, plur. ut nom. sing. ein obrigkeitlicher Diener, welcher die Straßen bereitet, die Unterschleife der Salzsuhrleute zu hindern; von reiten, equitare.


Salzberg (W3) [Adelung]


Der Salzberg, des -es, plur. die -e, ein Berg, welcher vieles Steinsalz enthält.


Salzblumen (W3) [Adelung]


Die Salzblumen, sing. inus. sublimirtes Salz. Auch zarte Salztheilchen, welche sich in den Salzkothen mit den Dünsten absondern, und sich wie ein zartes Eis an die Fenster hängen.


Salzbohne (W3) [Adelung]


Die Salzbohne, plur. die -n, eingemachte und eingesalzene Schminkbohnen; sauere Bohnen.


Salzbrodem (W3) [Adelung]


Der Salzbrodem, des -s, plur. inus. in den Salzkothen, der Dampf, welcher im Sieden der Salzsohle von derselben aufsteigt.


Salzbrühe (W3) [Adelung]


Die Salzbrühe, plur. die -n, eine Brühe, deren vornehmster Bestandtheil Salz ist. Die Salzbrühe von eingesalzenem Fleische u. s. f. wird im gemeinen Leben auch Lake, Bökel oder Pekel, und Sulze genannt, S. das letztere.


Salzbrunnen (W3) [Adelung]


Der Salzbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Brunnen, welcher Salzsohle oder salziges Wasser enthält.


Salzbund (W3) [Adelung]


* Der Salzbund, des -es, plur. car. eine ungewöhnliche, nur in der Deutschen Bibel 2 Chron. 13, 5, befindliche Benennung eines dauerhaften unvergänglichen Bundes; ohne Zweifel, weil das Salz die animalischen Körper und ihre Theile vor der Fäulniß bewahret.


Salzen (W3) [Adelung]


Salzen, verb. reg. act. nur daß es im Mittelworte nicht gesalzet, sondern gesalzen hat, mit Salz würzen, mit Salz bestreuen. Die Speisen salzen. Die Speise ist sehr gesalzen. Gesalzene Butter, im Gegensatze der ungesalzenen. Steinsalz salzet besser als Brunnensalz. Figürlich ist gesalzen im gemeinen Leben so viel wie sehr theuer. Daher das Salzen. Anm. Bey dem Ottfried salzan, im Tatian silzan, im Nieders. solten, bey dem Ulphilas saltan, im Schwed. salta, im Angels. syltan. Aus dem irregulären Mittelworte gesalzen erhellet, daß das Zeitwort selbst ehedem irregulär gewesen seyn müsse, wohin auch die jetzt gedachte Form silzan im Tatian und unser Sulze und Sülze gehören.


Salzerde (W3) [Adelung]


Die Salzerde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, die dem Salze beygemischte feine Erde. Ingleichen eine mit vielen Salztheilchen geschwängerte Erde.


Salzfaß (W3) [Adelung]


Das Salzfaß, des -sses, plur. die -fässer, Diminut, das Salzfäßchen, Oberd. Salzfäßlein. 1) Ein Faß, d. i. großes, rundes, aus Dauben verfertigtes hölzernes Gefäß. Salz darin aufzubehalten oder zu verführen. 2) Ein kleines Gefäß von Glas, Metall u. s. f. von mancherley Gestalt, das zu den Mahlzeiten nöthige Salz darin auf den Tisch zu setzen; in Thüringen, der Lausitz, u. s. f. die Salzmäste. 3) Auch ein vierecktes mit einem Deckel versehenes Behältniß, das in den Küchen nöthige Salz bey der Hand zu haben, wird so wohl ein Salzfaß, als eine Salzmäste genannt.


Salzfluß (W3) [Adelung]


Der Salzfluß, des -sses, plur. die -flüsse, ein Ausschlag auf der Haut, welcher eine salzige Feuchtigkeit von sich gibt, und wenn er abtrocknet, eine weiße, dem Salze ähnliche Rinde bekommt.


Salzgast (W3) [Adelung]


Der Salzgast, des -es, plur. die -gäste, eine in den Salzwerken und Salzkothen übliche Benennung derjenigen, welche das Salz daselbst kaufen und abhohlen, S. Gast.


Salzgeist (W3) [Adelung]


Der Salzgeist, des -es, plur. inus. in der Chemie, der durch das Feuer von dem Salze, besonders von dem Kochsalze in flüssiger Gestalt abgesonderte geistigte Theil; Spiritus Salis.


Salzgraf (W3) [Adelung]


Der Salzgraf, des -en, plur. die -en, in einigen Gegenden, der oberste Vorgesetzte eines Salzwerkes, welcher an manchen Orten auch der Salzgräfe heißt. S. Graf.


Salzgrube (W3) [Adelung]


Die Salzgrube, plur. die -n, ein Ort, wo Steinsalz aus der Erde gegraben wird; bey dem Notker Salzcruobe, in einigen Oberdeutschen Gegenden die Sille, S. Sohle.


Salzhandel (W3) [Adelung]


Der Salzhandel, des -s, plur. car. der Handel mit Salz; daher der Salzhändler, Fämin. die Salzhändlerinn.


Salzhaus (W3) [Adelung]


Das Salzhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Gebäude, in welchem das Salz zum weitern Verkaufe aufbewahret wird; die Salzniederlage.


Salzhecht (W3) [Adelung]


Der Salzhecht, des -es, plur. die -e, ein eingesalzener Hecht. Da man nur die großen Hechte einzusalzen pflegt, so werden zuweilen auch alle große Hechte Salzhechte, Bökelhechte und Tonnenhechte genannt.


Salzicht (W3) [Adelung]


Salzicht, -er, -ste, adj. et adv. dem Salze ähnlich, ein wenig salzig.


Salzig (W3) [Adelung]


Salzig, -er, -ste, adj. et adv. Salz, und in engerer Bedeutung, vieles Salz enthaltend, und solches durch den Geschmack verrathend. Salzig schmecken. Zu salzig seyn. Salziges Wasser. Von den Speisen gebraucht man dieses Wort nicht gern, wohl aber gesalzen. Im Nieders. nur solt. So auch die Salzigkeit.


Salzjunker (W3) [Adelung]


Der Salzjunker, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Salzwerken, diejenigen Patricii oder Adelige, welche einen eigenthümlichen Antheil an einem Salzwerke haben, und welche mit einem allgemeinen Ausdrucke auch Pfänner heißen.


Salzkloß (W3) [Adelung]


Der Salzkloß, des -es, plur. die -klöße, in der Landwirthschaft, Klöße von Salz, Ofenlehm und allerley Gesame, die Tauben damit anzulocken.


Salzknecht (W3) [Adelung]


Der Salzknecht, des -es, plur. die -e, geringe Arbeiter, welche in den Salzkothen den Wirkern als Knechte untergeordnet sind.


Salzkorb (W3) [Adelung]


Der Salzkorb, des -es, plur. die -körbe, in der Salzkothen, zugespitzte große Körbe, worein das gekörnte Salz geschlagen wird, damit das übrige Wasser davon ablaufen könne.


Salzkorn (W3) [Adelung]


Das Salzkorn, des -es, plur. die -körner, Diminut das Salzkornchen, Oberd. Salzkörnlein, ein kleiner fester Theil des Salzes, eines von denjenigen krystallinischen Körner, woraus das Salz bestehet.


Salzkothe (W3) [Adelung]


Die Salzkothe, plur. die -n, in den Salzwerken, eine Kothe, d. i. Hütte, in welcher das gemeine Küchensalz aus der Salzsohle bereitet wird; bey einigen im ungewissen Geschlechte, das Salzkoth, in einigen Oberdeutschen Gegenden das Sülzhaus, in Frankenhausen die Sölde, in einer alten Kaltenvornischen Klosterurkunde von 1179 Panstedhel, Pfannstädte zu Salzungen die Nap- pe, welches vermuthlich zunächst die Pfanne bedeutet, worin das Salz gesotten wird, und zu unsern Napf gehöret.


Salzkraut (W3) [Adelung]


Das Salzkraut, des -es, plur. inus. 1) Eine Pflanze, welche an dem Meerufer und andern salzigen Gegenden wächset, und aus deren Asche, das unter dem Nahmen der Pottasche und Soda bekannte alkalische Salz bereitet wird; Salsola L. besonders dessen Salsola Kali und Salsola Soda. Der Salzstrauch, Salsola fruticosa L. ist gleichfalls eine Art davon, nur daß er als ein aufrechter Strauch wächset. 2) Das Glasschmalz, Salicornia L. welches gleichfalls viele Salztheile enthält, und aus deren Asche ein feuerbeständiges Laugensalz bereitet wird, ist bey vielen gleichfalls unter diesem Nahmen bekannt; so wie 3) einige Arten des Gänsefußes, Chenopodium maritimum und hirfutum L. welche gleichfalls viel Salz bey sich führen.


Salz-Krystalle (W3) [Adelung]


Die Salz-Krystalle, plur. die -n, eine von denjenigen Krystallen, worin das Salz nach genugsamer Verdickung der Sohle anzuschießen, oder, wie man in den Salzkothen sagt, sich zu körnen pflegt.


Salzkuchen (W3) [Adelung]


Der Salzkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, eine Art Kuchen vom groben Weitzen- oder Rockenmehle, welche mit Salz bestreuet werden.


Salzlake (W3) [Adelung]


Die Salzlake, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, die salzige Brühe von eingesalzenem Fleische, Häringen u. s. f. welche auch nur die Lake schlechthin, ingleichen die Salzbrühe genannt wird. S. Lake.


Salzlecke (W3) [Adelung]


Die Salzlecke, plur. die -n, in dem Jagdwesen und der Landwirthschaft, der Ort, wo man dem zahmen Viehe oder dem Wildbrete Salz zu lecken gibt, und die Salzmasse, an welcher man sie zu ihrer Gesundheit lecken läßt; bey den Jägern auch die Sulze, die Beitze. Oft ist die Sulze ein Stück Steinsalz, am häufigsten aber eine Masse aus altem Lehm, welcher mit Salz oder Häringslake durchknetet ist.


Salzmarkt (W3) [Adelung]


Der Salzmarkt, des -es, plur. die -märkte, in einigen Städten, ein Marktplatz, wo Salz verkaufet wird.


Salzmäste (W3) [Adelung]


Die Salzmäste, plur. die -n, S. Salzfaß.


Salzmesser (W3) [Adelung]


Der Salzmesser, des -s, plur. ut nom. sing. im Salzhandel, eine verpflichtete Person, welche den Käufern das Salz zumißt.


Salzordnung (W3) [Adelung]


Die Salzordnung, plur. die -en, eine obrigkeitliche Verordnung, in Ansehung der Verfertigung des Salzes, des Handels mit demselben u. s. f.


Salzpfanne (W3) [Adelung]


Die Salzpfanne, plur. die -n, eine viereckte Pfanne, worin die Salzsohle bis zu einer gewissen Dicke eingekocht wird, damit sich das darin befindliche Salz krystallisiren könne.


Salzprobe (W3) [Adelung]


Die Salzprobe, plur. die -n, die Untersuchung des Salzerhaltes einer Sohle oder eines salzigen Wassers. Ingleichen das Werkzeug, womit dieser Gehalt erforschet wird. S. Salzwage.


Salzquelle (W3) [Adelung]


Die Salzquelle, plur. die -n, eine Quelle, welche Sohle, d. i. salziges Wasser, gibt.


Salzsäule (W3) [Adelung]


Die Salzsäule, plur. die -n, ein nur in der Deutschen Bibel befindliches Wort, wo Loths Weib nach 1 Mos. 19, 26, wegen ihres Ungehorsams in eine Salzsäule verwandelt ward. In Michaelis Übersetzung heißt diese Stelle begreiflicher: Loths Frau aber sahe zurück, und ihr ist ein Salzhaufen zum Denkmahl aufgerichtet, weil das Salz in dieser Gegend in überaus großer Menge befindlich ist.


Salzschank (W3) [Adelung]


Der Salzschank, des -es, plur. inus. der Verkauf des Salzes in Kleinen. Daher der Salzschenke, der es im Kleinen verkauft, Siehe Schenken.


Salzscheibe (W3) [Adelung]


Die Salzscheibe, plur. die -n, in dem Salzwerke zu Halle, ein hölzernes Gefäß in Gestalt eines halben Fasses von Böttcherarbeit, worin das Salz verführet wird. S. Scheibe.


Salzschlag (W3) [Adelung]


Der Salzschlag, des -es, plur. doch nur von mehreren Arten, die -schläge, ein von einigen Übersetzern Schwedischer Schriften ohne Noth aus dem Schwedischen bey behaltenes Wort, körnige Gesteinarten zu bezeichnen; Schwed. Saltslag, wegen der Ähnlichkeit mit den Salzkörnern.


Salzschmant (W3) [Adelung]


Der Salzschmant, des -es, plur. doch nur von mehreren Arten, die -e, in den Salzwerken, der Schmant, d. i. die Unreinigkeit in der Sohle, welche sich bey den Kochen als ein Schaum oben aufsetzet. S. Schmant.


Salzschöpp (W3) [Adelung]


Der Salzschöpp, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, S. Salzstein.


Salzschrape (W3) [Adelung]


Die Salzschrape, plur. die -n, in den Salzwerken, Schrapen in Gestalt der Pferdestriegeln, den Schmutz von den Stücken Salz, wenn sie lange auf den Trockenböden gestanden, damit abzuscharren. Vom Niederd. schrapen, scharren.


Salzschreiber (W3) [Adelung]


Der Salzschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige welcher bey einem Salzamte, oder einer Anstalt, wo Salz auf Rechnung der Obrigkeit verkauft wird, das Amt eines Schreibers verwaltet.


Salzschwaden (W3) [Adelung]


Der Salzschwaden, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut. nom. sing. ein in den Salzwerken auch für Salzbrodem übliches Wort.


Salzschweiß (W3) [Adelung]


Der Salzschweiß, des -es, plur. die -e, salziges oder mit Salztheilchen geschwängertes Wasser, welches nicht wie eine Quelle fließet, sondern nur aus den Klüften, Ritzen u. s. f. gleichsam aus schwitzet, daher es auch nicht den Nahmen der Sohle verdienet.


Salzsieder (W3) [Adelung]


Der Salzsieder, des -s, plur. ut nom. sing. diejenigen, deren Geschäft es ist, das Kochsalz durch Sieden aus der Sohle zu bereiten und welche auch Wirker oder Salzwirker, in Lüneburg Sülzer, in Halle Halloren genannt werden.


Salzsiederey (W3) [Adelung]


Die Salzsiederey, plur. die -en, eine Anstalt, wo Salz aus Sohle gesotten wird, welches doch am häufigsten ein Salzwerk genannt wird.


Salzsohle (W3) [Adelung]


Die Salzsohle, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, Quellwasser, welches mit Salz geschwängert ist, und in engerer Bedeutung, welches so viel Salz bey sich führet, daß dieses mit Vortheil daraus gesotten werden kann. S. Sohle.


Salzspindel (W3) [Adelung]


Die Salzspindel, plur. die -n, S. Salzwage.


Salzstätte (W3) [Adelung]


Die Salzstätte, plur. die -n, in den Salzwerken, ein erhöheter Ort von der Erde bey der Salzpfanne, auf welchem das Salzin Körben getrocknet wird.


Salzstein (W3) [Adelung]


Der Salzstein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, die der Salzsohle beygemischte Kalkerde, welche sich im Sieden in Gestalt eines Steines an die Pfannen anlegt, und auch Schepp, Schöpp oder Salzschöpp, Pfannenstein genannt wird.


Salzsteuer (W3) [Adelung]


Die Salzsteuer, plur. die -n, eine Steuer, welche von den Salzwerken, so fern sie Privatpersonen gehören, gegeben wird.


Salzstrauch (W3) [Adelung]


Der Salzstrauch, des -es, plur. die -sträuche, S. Salzkraut.


Salzstück (W3) [Adelung]


Das Salzstück, des -es, plur. die -e, in den Salzwerken, so viel Salz als in einer Pfanne auf Ein Mahl gesotten, welches auch ein Korb Salz heißt, aber nicht überall von einer und eben derselben Quantität ist. An einigen Orten hält ein solches Stück oder ein Korb zwey bis drey Scheffel, in Schöningen aber nur Eine Metze.


Salzwage (W3) [Adelung]


Die Salzwage, plur. die -n, ein Werkzeug, den Gehalt der Sohle damit zu erforschen, welches einer gewöhnlichen Bierwage gleicht; die Salzprobe, Salzspindel, Salzwage.


Salzwasser (W3) [Adelung]


Das Salzwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut. nom. sing. ein salziges, mit Salztheilchen geschwängertes Wasser, S. auch Sohle.


Salzwerk (W3) [Adelung]


Das Salzwerk, des -es, plur. die -e, 1) Eine Anstalt, wo das Steinsalz aus der Erde gefördert wird; das Salzbergwerk, die Salzgrube. 2) Eine Anstalt, wo Kochsalz aus der Salzsohle gesotten wird; die Salzsiederey, in Lüneburg die Sülze. In beyden Bedeutungen gebraucht man auch wohl das aus dem Lat. entlehnte Saline.


Salzwirker (W3) [Adelung]


Der Salzwirker, S. Salzsieder.


Sam (W3) [Adelung]


Sam, ein altes Wort, welches die Deutsche Sprache mit vielen andern gemein hat, und welches vornehmlich in einem doppelten Hauptverstande vorkommt. 1. Mit dem Begriffe der Menge, der Vielheit, und deren Verbindung; ein jetzt in dieser Form völlig veraltetes Wort, wovon aber so wohl das Lat. simul, als unser Samen, sammt, sammeln, zusammen, beysammen u. s. f. Abkömmlinge sind. Bey dem Notker ist samoso, zugleich, simul. ( S. die jetzt angeführten Wörter.) Da der Hauch und der Zischlaut mehrmahls in einander übergehen, so gehöret auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, zugleich, mit hierher. Sam ist hier eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, welchen mehrere neben einander befindliche, oder in einen Punct sich vereinigende Dinge verursachen, und wovon unser summen bloß ein Intensivum ist. 2. Mit dem Begriffe der Gleichheit, der Ähnlichkeit, welcher zunächst eine Figur des Lichtes, des Scheines ist, so wie dieses wieder eine von der schnellen Bewegung übertragene Bedeutung ist. Zu der Bedeutung des Lichtes, des Scheines, gehöret unser Sommer, und mit dem stärkeren Zischlaute das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - unser Schemen; ein Bild, Schein, Schatten, und Schimmer, und zu dem davon abstammenden Bilde der Ähnlichkeit das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Lat. similis, Simia, das Engl. to seem, scheinen, Franz. sembler u. a. m. Auf unser sam wieder zu kommen, so war es 1) Ehedem als eine Partikel am üblichsten, welche eine Vergleichung bezeichnete, und für als, wie und das nahe verwandte so gebraucht wurde. So samo stehet bey dem Kero für so wie. Ottfried gebraucht sama für so, also, gleichfalls, und Kero sam - sama für so wohl - als auch, Lat. tam - quam. Ir minneklicher mund Der duhte mih in solher roete Sam ein fuirig flamme entzunt, Markgr. Otto von Brandenburg. Teurdank saget uns alles sam Wie im damit wer geschehen, Theuerd. Will ich thun sam ich gar nit seh, Hans Sachs. Und urtheilt sam sey sie unsinnig, ebend. Doch in dieser Gestalt ist es im Hochdeutschen veraltet, und wir gebrauchen es 2) Nur noch in Zusammensetzungen, wo dieses sam gewissen Hauptwörtern, Zeitwörtern und Partikeln angehänget wird, Bey- und Nebenwörter daraus zu bilden, welche eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit mit dem in der ersten Hälfte bezeichneten Subjecte andeuten. Arbeitsam, bedachtsam, genügsam, achtsam, aufmerksam, betriebsam, behutsam, biegsam, folgsam, gewaltsam, wegsam, grausam, rathsam, sparsam, wachsam, sorgsam, erfindsam, tugendsam, ehrsam, mühsam, heilsam, friedsam, empfindsam, gleichsam, genugsam, langsam, seltsam, sattsam, bey welchen letztern, welche mit Partikeln zusammen gesetzt sind, es zunächst die Art und Weise bezeichnet, welche die Partikel an und für sich allein nicht ausdrucken können. In einsam ist es noch nicht ausgemacht, ob es hierher oder zu einem andern Stamme gehöre, S. dieses Wort. Ich sage, die Ableitungssylbe bedeute eigentlich und zunächst eine Ähnlichkeit; denn nach sehr bekannten Figuren, bekommt sie oft andere Bedeutungen. Denn sie bezeichnet zuweilen (1) eine Fertigkeit, dasjenige zu thun, oder eine Fähigkeit, dasjenige zu leiden, was das Subject in der ersten Hälfte der Zusammensetzung ausdruckt. Arbeitsam, Fertigkeit besitzend, zu arbeiten, mühsam, Fertigkeit besitzend, keine Mühe zu achten, genügsam, Fertigkeit besitzend, sich genügen zu lassen, erfindsam, geschickt etwas zu erfinden, biegsam, fähig sich biegen zu lassen u. s. f. (2) Dasjenige wirklich habend, mit demselben verbunden, was die erste Hälfte der Zusammensetzung besaget. Mühsam, mit Mühe verbunden, Mühe verursachend, bedachtsam, Bedacht nehmend oder anwendend, sorgsam, Sorge wagend, tugendsam, Tugend besitzend, tugendhaft u. s. f. Sam hat die Bedeutungen mit der Sylbe "-lich" gemein, von welcher es in der Bedeutung nicht verschieden ist, daher es auch häufig für dieselbe gesetzt wird. Friedsam und friedlich sind im Grunde doch einerley, für dienlich sagt man auch diensam, für gemächlich in einigen Bedeutungen gemachsam, für wunderlich in seiner veralteten eigentlichen Bedeutung auch wundersam, für empfindlich, so fern es Leichtigkeit im empfinden bedeutet, auch empfindsam, für nachdrücklich ist im Oberdeutschen nachdrucksam üblich, für löblich sagte man ehedem lobsam, lobesan u. s. f. Herr Ramler hatte diese Uebereinstimmung in seiner Ausgabe des Batteux bereits eingesehen; ein Recensent läugnete dieselbe in der neuen Hamburger Zeitung, und führete z. B. fürchterlich und furchtsam, gräulich und grausam, empfindlich und empfindsam, bildlich und bildsam an. Allein in den beyden ersten Beyspielen ist das Subject verschieden, wie schon aus den verschiedenen Formen erhellet, in dem dritten übersiehet derselbe die erste eigentliche Bedeutung des Wortes empfindlich, welche noch nicht veraltet ist, und im vierten findet wieder eine Verschiedenheit des Subjectes Statt, denn in bildlich ist die erste Hälfte das Hauptwort Bild, in bildsam aber, welcher doch wenig gebraucht wird, ist es das Zeitwort bilden. Freylich hat der Gebrauch die mit "-lich" und -sam gebildeten Wörter auf mancherley Art bestimmt und eingeschränkt, daher man nun nicht allemahl eines für das andere setzen kann; allein in der ersten eigentlichen Bedeutung kommen sie doch mit einander überein. Eben um deßwillen ist es auch nicht ohne alle Einschränkung erlaubt, neue Wörter vermittelst dieser Ableitungssylbe zu bilden, obgleich solches in einigen Fällen Statt finden kann. So hat das von einigen Neuern gebildete Wort überlegsam nichts, was die Analogie oder das Gehör beleidigte. Übrigens ist diese Sylbe in der Prosodie lang. Die dadurch gebildeten Beywörter leiden die Comparation, und lassen in derselben das a unverändert; mühsamer, mühsamste. Ehedem bildete man von diesen Beywörtern vermittelst des angehängten e sehr häufig Hauptwörter, das Abstractum, den Zustand, zu bezeichnen, welche denn ganz natürlich weiblichen Geschlechtes waren. Die meisten davon sind veraltet, einige sind im Hochdeutschen ungangbar, aber noch im Oberdeutschen üblich. Die Gerechtsame, die Gewahrsame, das Oberdeutsche Gewaltsame. Diese Hauptwörter kommen mit den auf - schaft überein, und da diese figürlich auch oft ein Concretum bedeuten, so geschiehet solches auch zuweilen mit jenen. Die Bauersame ist im Oberdeutschen die Bauerschaft, die sämmtlichen Bauern eines Dorfes, einer Gegend, die Genossame, die Genossenschaft, wohin auch unser Gerechtsame für Befugniß gehöret. Der Gehorsam macht hier jetzt eine Ausnahme von der Regel; allein ehedem war es rich- tiger im weiblichen Geschlechte üblich, die Gehorsame, welches Geschlecht den Abstractis ihrer Natur nach zukommt. Das Oberd. der Genossam, für ein Genoß, ein Glied einer Genossame, würde eine noch merkwürdigere Ausnahme machen, wenn es nicht verdächtig wäre. Statt dieser Hauptwörter, welche wie gesagt, größten Theils veraltet sind, sind die vermittelst der Nachsylbe -keit gebildeten Hauptwörter üblicher, welche die meisten Beywörter auf - sam annehmen können. Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Bedachtsamkeit, Rathsamkeit, Biegsamkeit, Folgsamkeit, Grausamkeit, Arbeitsamkeit, Sparsamkeit, Wachsamkeit, Erfindsamkeit, Empfindsamkeit, Mühsamkeit, Heilsamkeit, Einsamkeit, Langsamkeit, Seltsamkeit u. s. f. Einige wenige verstatten selbige nicht, besonders diejenigen, welche nur als Nebenwörter üblich sind, wie gleichsam, genugsam und sattsam. Von Gelehrsamkeit ist das Beywort gelehrsam ungangbar geworden, es war aber ehedem üblich.


Same (W3) [Adelung]


Der Same, des -ns, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n. 1. Eigentlich, diejenigen Theile der Gewächse, welche nach der Blüthe zum Vorschein kommen, und voraus wieder andere Gewächse eben derselben Art erzeuget werden. Samen bringen, tragen. In der weitesten Bedeutung können alle diese Theile, sie haben übrigens eine Gestalt welche sie wollen den Nahmen des Samens führen, und alsdann gehören auch die Nüsse, und besonders ihre Kerne, mit dahin. Allein in engerer und gewöhnlicherer Bedeutung wird nur der aus eigentlichen Körnern bestehende Same mit diesem Nahmen belegt, obgleich bey den eigentlichen Früchten und Beeren auch das Wort Kern üblich ist. 1) Im eigentlichen Verstande. Der Flachssame, Hanfsame, Kohlsame, Rübensame, u. s. f. Das Senfkorn ist das kleinste unter allen Samen, Matth. 13, 32. Einen Samen säen. Der Same gehet auf. Von den Getreidearten gebraucht man dieses Wort nur in so fern, als sie zur Fortpflanzung ihres Geschlechtes bestimmt sind. Den Samen ausstreuen, säen. Obgleich auch hier die zusammen gesetzten Samenkorn, Samengerste, Samenerbsen u. s. f. üblicher sind, wofür man auch Saatkorn, Saatgerste u. s. f. sagt. Same ist ein Collectivum; soll ein einzelnes Korn bezeichnet werden, so setzet man das Wort Korn daran, zwey Samenkörner. 2) Figürlich. (a) In einigen Gegenden wird auch das grüne Getreide, ehe es schosset, Samen genannt, wofür man in Ober- und Niedersachsen Saat sagt. Der Same stehet schön, das junge Getreide, die Frucht. (b) Der Same des göttlichen Wortes, der Samen guter Lehren, so fern sie nach ihrer Bekanntmachung Frucht bringen, d. i. heilsame Wirkungen haben können und sollen. Auch der erste Anfang zu sittlichen Veränderungen, die Fähigkeit dazu, die wirkende oder veranlassende Ursache derselben, wird oft ihr Same genannt. Kinder müssen den Samen einer frühen Tugend nicht unter dem Unkraute der falschen Meinungen - ersticken lassen, Gell. Der Same alles Bösen ist Finsterniß Herd. wo doch die Figur ein wenig hart ist. 2. In weiterer Bedeutung, diejenige flüssige Materie, wodurch das Geschlecht der Menschen und Thiere fortgepflanzet wird. 1) Eigentlich. Der männliche Same, diejenige Flüssigkeit, womit ein männlicher Körper den weiblichen befruchtet. Der weibliche Same, eine ihm ähnliche Flüssigkeit in den weiblichen Körpern, welcher aber keine befruchtende Kraft hat. 2) Figürlich. (a) Die junge Brut der Fische und mancher Insecten wird sehr häufig der Same genannt. Von den Fischen gebraucht man dieses Wort bis sie zwey Jahr alt sind. (b) In der Deutschen Bibel bezeichnet dieses Wort sehr häufig die Nachkommen. Im Deutschen ist diese morgenländische Figur ungewöhnlich.

Anm. 1. Im Hüttenbaue kommt dieses Wort noch in einer doppelten Bedeutung vor, wo es aber noch ungewiß ist, ob es nicht vielmehr zu andern Stämmen gehöret. Bey den Seigern werden diejenigen Schlacken, welche noch Metall enthalten, der Same genannt, wo es allenfalls eine Figur von der ersten Bedeutung seyn könnte. Eben daselbst heißt die flache Grube in den Pochwerken unter dem Planenherde, in welcher der abfallende Schlich aufgefangen wird, der Same, wo der Begriff eines hohlen Raumes der herrschende zu seyn scheinet, dessen dieses Wort, als ein ursprünglicher Ausdruck einer gewissen schnellen Bewegung, wie alle andere Wörter dieser Art, gar wohl fähig ist. 2. Dieses Wort lautet schon im Isidor Sami, bey dem Notker Samo, im Lat. Semen, im Böhm. Syme, Semeno, im Pohlnischen Siemie, im Dalmat. Szime, im Türkischen Sembil, und selbst in der alten Ägyptischen Sprache Dsom und Som. Es stammet von säen ab; welches den mit dieser Handlung verbundenen Laut nachahmet, daher auch Same ursprünglich das Geräusch, das Samen oder Sammen mehrerer bey einander befindlicher Dinge gewisser Art ausdruckt. ( S. Sam und Säen.) Mit einem andern Endlaute ist dafür im Nieders. und in den verwandten Sprachen Saat üblich, ( S. dasselbe,) das doppelte a, welches einige Neuere in diesem Worte einzuführen gesucht, hat nichts zu seiner Vertheidigung. Bey vielen lautet dieses Wort in der ersten Endung Samen. Im Hochdeutschen ist dieses ungewöhnlich, obgleich die folgende Endungen dieses n behalten.


Samenader (W3) [Adelung]


Die Samenader, plur. die -n, in der Anatomie, diejenigen Adern, welche den männlichen Samen in die Samengefäße bringen, oder das Blut zu denselben führen; in welchem Falle sie wieder in Blut- und Pulsadern getheilet werden.


Samenbaum (W3) [Adelung]


Der Samenbaum, des -es, plur. die -bäume, im Forstwesen, diejenigen Bäume, welche zur Besamung oder zur Fortpflanzung auf den Gehauen stehen bleiben, und auch Mutterbäume oder Schlaghüther genannt werden.


Samenblatt (W3) [Adelung]


Das Samenblatt, des -es, plur. die -blätter, die ersten Blätter, welche aus dem Kerne des vegetabilischen Samen hervor wachsen; Folia seminalia.


Samenbruch (W3) [Adelung]


Der Samenbruch, des -es, plur. die -brüche, in der Chirurgie, eine Art des Bruches; welche aus allzu starker Anhäufung des männlichen Samens entstehet.


Samenfluß (W3) [Adelung]


Der Samenfluß, des -sses, plur. doch nur von mehrern Arten, die -flüsse, der Abfluß des männlichen Samens. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist es eine Krankheit, bey welcher der Same wider Willen des Kranken beständig abfließet; Gonorrhea, im gemeinen Leben der Tripper.


Samengefäß (W3) [Adelung]


Das Samengefäß, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, alle Gefäße in dem menschlichen und thierischen Körper, welche den Samen in sich enthalten, und wovon einige auch Samenbehälter und Samenbläschen, Vesiculae seminales, genannt werden.


Samengehäuse (W3) [Adelung]


Das Samengehäuse, des -s, plur. ut nom. sing. an den Pflanzen und Gewächsen, dasjenige Gehäuse, welches den eigentlichen Samen in sich schließet, Pericarpium L. und welches entweder eine Capsel, Schote, Hülse, Nuß, Beere, Frucht oder ein Fruchtbalg ist.


Samenholz (W3) [Adelung]


Das Samenholz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -hölzer. Im Forstwesen, 1) Holz, welches zur Besamung auf den Gehauen stehen bleibt; ohne Plural. 2) Jede Holzart, welche weder Frucht noch Mast, sondern Samen im engsten Verstande trägt.


Samenkelch (W3) [Adelung]


Der Samenkelch, des -es, plur. die -e, an gewissen Pflanzen und Blumen, das äußerste Samengehäuse, wenn es die Gestalt eines Kelches hat, wie z. B. bey den Nelken.


Samenknopf (W3) [Adelung]


Der Samenknopf, des -es, plur. die -knöpfe, ein Samengehäuse der Pflanzen, in Gestalt eines Knopfes.


Samenkorn (W3) [Adelung]


Das Samenkorn, des -es, plur. die -körner. 1) Einzelne Körner des vegetabilischen Samens. 2) Korn, d. i. Getreide, und engerer Bedeutung, Rocken, welcher zum Säen bestimmt ist, ohne Plural, als ein Collectivum; Saatkorn. So auch Samengerste, Samenweitzen, Samenerbsen u. s. f.


Samenkraut (W3) [Adelung]


Das Samenkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche in den Seen, Flüssen und Wassergräben wächst, und auch Froschlactuk, Froschlattich genannt wird; Potamogeton L. Samkraut.


Samenlode (W3) [Adelung]


Die Samenlode, plur. die -n, im Forstwesen, Loden, d. i. junge Bäume, welche aus dem Samen aufgewachsen sind; Samenreiser. S. Lode.


Samenmilch (W3) [Adelung]


Die Samenmilch, plur. car. in den Apotheken, ein der Milch ähnliches flüssiges Wesen, welches aus zerstoßenen öhligen Samen mit einem wässerigen Wesen bereitet wird, dergleichen z. B. die Mandelmilch ist; Emulsio.


Samenmöhre (W3) [Adelung]


Die Samenmöhre, plur. die -n, bey den Gärtnern, Möhren, welche man zur Fortpflanzung, zur Besamung, oder auch um des Samens willen in der Erde stehen läßt. So auch Samenrüben, Samengurken, Samenzwiebeln, Samenkohl, Samennelken u. s. f. Die letztern werden auch Mutternelken oder Samenmütter genannt.


Samenreis (W3) [Adelung]


Das Samenreis, des -es, plur. die -er, S. Samenlode.


Samenschule (W3) [Adelung]


Die Samenschule, plur. die -n, bey den Gärtnern, eine Baumschule, in welcher man Obstbäume aus den Samen ziehet; zum Unterschiede von einer Pfropfschule.


Samenstängel (W3) [Adelung]


Der Samenstängel, des -s, plur. ut nom. sing. an den Gewächsen, derjenige Stängel, welcher den Samen trägt.


Samenstaub (W3) [Adelung]


Der Samenstaub, des -es, plur. car. an den männlichen Blumen der Pflanzen, ein zarter, an den Staubfäden befindlicher Staub, welcher die Staubwege der weiblichen Blumen befruchtet; Pollen L.


Samenthierchen (W3) [Adelung]


Das Samenthierchen, des -s, plur. ut nom. sing. sing. kleine, dem bloßen Auge unsichtbare, lebendige Thierchen, woraus der männliche Same der Menschen und Thiere bestehen soll; Animalcula spermatica.


Sämerey (W3) [Adelung]


Die Sämerey, plur. die -en, mehrere Arten vegetabilischen Samens; das Gesäme. Mit Sämmereyen handeln, mit allerley Arten von Samen.


Samig (W3) [Adelung]


Samig, adj. et adv. welches nur in einigen Zusammensetzungen üblich ist. Einsamige Beeren, welche nur Einen Kern, oder Ein Samenkorn enthalten.


Sämisch (W3) [Adelung]


Sämisch, adj. et adv. welches nur mit dem Hauptworte Leder üblich ist, oder doch dasselbe voraus setzet. Sämisches Leder, eine Art sehr weichen und geschmeidigen Leders, welches sich wie ein gewebter Zeug behandeln läßt, und auf der rauhen oder linken Seite getragen wird. Es wird von den Weißgärbern mit Mehl, Alaun und Weinstein, so wohl aus Schaf- Ziegen- Gems- und Kalbfellen, als auch aus Ochsen- Hirsch- Reh- und Elendshäuten zubereitet, und zu Colletten, Beinkleidern, Gewehrgehenken, Handschuhen u. s. f. verarbeitet. Man nennet es auch fettgares Leder, weil es nach dem Beitzen und Walken mit Öhl geschmieret und gewalket wird. Man hat es von allerley Farben; doch ist die weißgelbe die gewöhnlichste, und dieß hat vermuthlich Luthern veranlasset, Ezech. 16, 10, semische Schuhe zu setzen, wo bey den 70 Dolmetschern das Wort - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - steht, welches zwar bey uns jetzt einen blauen Edelstein bezeichnet, bey den Alten aber, dem Plinius zu Folge, aureo colore lucens pretiosus lapis war.

Anm. Im Holländ. Seem und Seemleder, im Schwedischen samsk, im Französ. als ein Hauptwort Chameau, im Pohln. zamesz, im Böhmischen als ein Hauptwort Zamis. Die Abstammung ist noch ungewiß. Junius leitete von Seim, seimig, her, und glaubte, daß die gelbe Farbe der herrschende Begriff wäre, daher es von dem Honigseim, wegen seiner Ähnlichkeit mit dessen Farbe, benannt worden, welcher Ableitung, so unwahrscheinlich sie auch ist, Frisch beypflichtet. Wahrscheinlicher nimmt man die sanfte, gelinde, weiche Beschaffenheit für den Stammbegriff an, indem Seim einen jeden schlüpfrigen, flüssigen Körper bedeutet. ( S. auch Sammet.) Wenigstens eben so wahrscheinlich ist die Ableitung von dem Französ. Chamois, Gems, Ital. Camoccia; weil man ehedem nur das Gemsleder auf diese Art so zugerichtet, daher sämisches Leder im Französ. überhaupt Chameau, Ital. Camozza, heißt. Indessen kommt es noch darauf an, von welchem Volke die Deutschen dieses Leder und dessen Zubereitung empfangen haben. Viele Nahmen der Lederarten und ihrer Zubereitung sind Morgenländisch oder Slavonisch, und es könnte mit diesem Worte auch wohl so seyn.


Sämischgärber (W3) [Adelung]


Der Sämischgärber, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Weißgärber, welche sämisches Leder verfertigen; Französ. Chamoisseur, Pohln. Zamesznik. In Deutschland sind sie von den Weißgärbern nicht verschieden.


Samkost (W3) [Adelung]


Die Samkost, plur. car. nur in einigen Gegenden, diejenige Kost oder Speise, welche ein Eigenthümer selbst bauet, und damit seine Arbeiter ablohnet. Es scheint hier von dem Wend. ssam, eigen selbst, abzustammen.


Samkosten (W3) [Adelung]


Die Samkosten, sing. car. auch nur in einigen Gegenden, gemeinschaftliche Kosten, wozu mehrere ihren Antheil beytragen. So wird die Zubuße im Bergbaue einiger Gegenden noch die Samkosten, und verderbt, die Saumkosten, genannt. Von sam, zusammen, gemeinschaftlich, S. Sam und Sammt.


Samkraut (W3) [Adelung]


Das Samkraut, S. Samenkraut.


Sammelkasten (W3) [Adelung]


Der Sammelkasten, des -e, plur. ut nom. sing. ein Kasten oder weites Behältniß, worin sich das Wasser sammelt, die Cisterne. Auch in den menschlichen und thierischen Körpern, ein Behältniß, in welches die großen Milchadern die Nahrungsmittel zusammen bringen; Cisterna lactea, das Milchbehältniß.


Sammeln (W3) [Adelung]


Sammeln, verb. reg. act. mehrere Dinge Einer Art einzeln zusammen bringen. Die Steine von dem Acker, die Ähren von dem Felde sammeln. Phrases sammeln. Steine auf einen Haufen sammeln. Die Bienen sammeln Honig. Der Mahler sammelt, wählt und ordnet. Der Dichter sammelt alle Heldentugenden und schafft daraus seinen Helden. Ingleichen in der dichterischen Schreibart: Hier kühl' ich meine Flügel im Rosenthau und sammle liebliche Gerüche, Geßn. In engerer Bedeutung, mehrere Dinge Einer einzeln, oder nach und nach in einen Besitz bringen. Geld sammeln, Schätze sammeln. Seltene Bücher, Mineralien, Kupferstiche sammeln. Sammeln für ernten, wie Matth. 25, 24, ist ungewöhnlich. Von lebendigen Geschöpfen und Personen ist das intensive versammeln üblicher, obgleich das einfachere sammeln in dieser Bedeutung in der Deutschen Bibel sehr häufig ist, und auch noch außer derselben in der höhern und dichterischen Schreibart gebraucht wird. Ich will meine Kinder um mich her sammeln, Geßn. So auch das Reciprocum, sich sammeln, einzeln, und nach und nach an einem Orte zusammen kommen. Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Örter, 1 Mos. 1, 9. Die Unreinigkeit sammelt sich auf dem Boden. Es sammelt sich, sagt man, wenn aus kleinen Schuldposten nach und nach eine beträchtliche Summe wird. Ingleichen von Personen, einzeln, nach und nach zusammen kommen. Sammlet euch. ihr Kinder Benjamin, Es. 48, 14. Sammlet euch alle und höret, Jer. 19, 9. Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler. Wo die schöne Welt beym Spieltische sich sammelt, Geßn. Indessen ist doch auch hier das intensive versammeln üblicher, außer wenn man ausdrücklich andeuten will, daß die Zusammenkunft nach und nach und in einzelnen Individuis geschehe, wo sich sammeln besser schickt, als versammeln. Es sammeln sich Leute auf dem Markte, wenn sie nach und nach und einzeln zusammen kommen; sie versammeln wenn sie in größerer Anzahl auf Ein Mahl zusammen kommen, von welchem Unterschiede der Grund in der intensiven Partikel verliegt. Hiernach muß dasjenige berichtiget werden, was Gottsched von dem Unterschiede beyder Zeitwörter behauptete, wenn er sammeln allein auf leblose und versammeln allein auf lebendige Geschöpfe einschränkte. Figürlich ist sich sammeln, seine Gedanken sammeln, sich fassen, vor einer Zerstreuung zu sich selbst kommen, sich seiner deutlich bewußt werden. So auch die Sammlung, für das ungewöhnliche Sammelung, S. solches an seinem Orte besonders

Anm. Bey dem Willeram samelen, im Schwed. samla, im Franz. sembler im assembler. Frisch kannte den Mechanismus der abgeleiteten Zeitwörter sehr schlecht, wenn er glaubte, daß das l aus dem Lat. simul herrührete. Sammeln ist ein abgeleitetes Zeitwort. Das Stammwort, welches im Hochdeutschen veraltet ist, hieß samen, welches noch im Isidor, bey dem Ulphilas und Ottfried vorkommt, und gleichfalls einzeln zusammen bringen bedeutete. In einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man noch besamen für versammeln. Von diesem samen hatte man das Intensivum sammen, in eben der Bedeutung, und von diesen stammet, vermittelst der Endsylbe "-eln", unser Frequentativum sammeln her. Hieraus erhellet zugleich die Unrichtigkeit der Schreibart sammlen, obgleich das e vor dem l um des Wohlklanges willen oft ausgestoßen wird; ich sammle für sammele, die Sammlung für Sammelung. Aber du sammlest, ich sammlete, für sammelst, sammelte, beleidigt das Gehör. Mit der gleichbedeutenden Endsylbe -nen sagte man für sammlen ehedem auch sammen, bey dem Ottfried samanon, im Angels. samnian, im Schwed. samna. Das alte Stammwort samen ahmet den Laut nach, welchen mehrere sich versammelnde Dinge machen. Das Lat. simul, Summa, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, u. s. f. sind nahe damit verwandt. S. Sam, Samen und Sammt.


Sammelplatz (W3) [Adelung]


Der Sammelplatz, des -es, plur. die -plätze, derjenige Platz, auf welchem sich mehrere lebendige Geschöpfte versammeln sollen; Franz. Rendez-vous.


Sammet (W3) [Adelung]


Der Sammet, zusammen gezogen Sammt, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein feinhaariges, seidenes Gewebe, dessen linke Seite einen Gros de Tour Grund bildet. Der Sammet bestehet aus doppelten einzelnen Fäden, welche man im Weben über der Oberfläche hervor gehen läßt, und sie hernach aufschneidet. Gerissener Sammet ist derjenige, woran die Fäden nicht aufgeschnitten sind. Geblümter oder geschorner Sammet, wo Blumen oder andere Figuren mit besondern Scheren hinein geschoren worden. Pelzsammet ist sehr langhärig, und wird zu Unterfutter statt des Pelzes gebraucht. Plüsch-Sammet hat einen leinenen Boden. Anm. Dieses Wort kommt in Deutschen Schriften schon seit dem 14ten Jahrhunderte vor, wo es Samit Tuch heißt. In den folgenden Jahrhunderten schrieb man es Sammelt und Samant. Im Schwedischen lautet es Sammet. Dietrich von Stade, Frisch und andere leiten es von sanft, ehedem samft, her, weil der Sammet weich und sanft anzufühlen ist; eine Ableitung, welche scheinbar genug wäre, wenn man nicht Spuren hätte, daß der Nahme eben so ausländisch ist, als dieses üppige Gewebe selbst. Es ist vermuthlich eine Griechische Erfindung wenigstens haben die übrigen Europäer dasselbe von den Griechen bekommen. Diese nannten ihn in den mittlern Zeiten - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, weil er mit sechs Fäden gewebet wurde, so wie - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Gewebe mit drey Fäden, Drillich, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Gewebe mit zwey Fäden, Zwillich bedeutet. Hieraus wurde im mittlern Lat. Exametum, Examitum, und mit Abkürzung der ersten Sylbe, Samitum, Sammitus, Samis u. s. f. und unser Sammet. Siehe des Du Fresne Gloss. v. Exametum. Um deßwillen heißt der Sammet im Böhmischen noch vollständiger Axamit.


Sammetbürste (W3) [Adelung]


Die Sammetbürste, plur. die -n, eine Bürste von seinen, weichen Haaren, den Sammet damit auszubürsten.


Sammeten (W3) [Adelung]


Sammeten, zusammen gezogen sammten, adj. von Sammet. Ein sammtenes Kleid.


Sammetgras (W3) [Adelung]


Das Sammetgras, des -es, plur. inus. eine Art Grases, mit weichen, dem Sammet ähnlichen Blättern, welches in den wärmern Ländern Europens einheimisch ist; Lagurus L.


Sammetmoos (W3) [Adelung]


Das Sammetmoos, des -es, plur. inus. eine Art des Knotenmooses, welches auf allen Dächern auf dem Lande wächst, und einem Sammet gleichet; Bryum argentinum L.


Sammetpappel (W3) [Adelung]


Die Sammetpappel, plur. die -n, ein Ostindisches, der Pappel ähnliches Gewächs, dessen Blätter so weich wie ein Sammet sind; Sida Abutilon L.


Sammetrose (W3) [Adelung]


Die Sammetrose, plur. die -n, S. Sammetblume.


Sammetschwarz (W3) [Adelung]


Das Sammetschwarz, subst. indeclin. plur. car. eine dem schwarzen Sammet ähnliche, glänzende schwarze Farbe. Auch ein Farbenkörper dieser Art. So wird das Elfenbeinschwarz, welches aus gebranntem Elfenbeine bereitet wird, bey den Mahlern auch Sammetschwarz genannt; Franz. Noir de velours.


Sammetweber (W3) [Adelung]


Der Sammetweber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Weber, welcher Sammet verfertiget.


Sammler (W3) [Adelung]


Der Sammler, für das ungewöhnliche Sammler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sammlerinn, eine Person, welche sammelt, und in engerer Bedeutung, deren vornehmstes Geschäft im Sammeln bestehet.


Sammlung (W3) [Adelung]


Die Sammlung, plur. die -en, anstatt des ungewöhnlichen Sammelung, von dem Zeitworte sammeln. 1) Die Handlung des Sammelns; ohne Plural. Die Sammlung seiner Gedanken. 2) Eine Menge mehrerer einzeln und nach und nach zusammen gebrachter Dinge. Die Sammlung der Wasser, 1 Mos. 1, 10. Eine Sammlung machen. Die Büchersammlung, Kupfersammlung, Münzsammlung, Naturalien-Sammlung, u. s. f. Eine Sammlung von Reisen, von Kupfern, von Münzen. Von mehrern zusammen gekommenen oder zusammen berufenen Personen kommt es zwar in der Deutschen Bibel noch mehrmahls vor; die Sammlung der Heiligen, Ps. 89, 8. Wie man prediget in ihrer Sammlung, Hos. 7, 12. Auch Opitz gebraucht es noch so. Allein im Hochdeutschen ist es in diesem Verstande veraltet, weil das intensive Versammlung dafür üblich geworden. Im Isidor, Ottfried u. s. f. kommt Samanunga, von dem veralteten samenen, sammen, in eben diesem Verstande vor.


Sammt (W3) [Adelung]


Sammt, ein Partikel, welche in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Nebenwort. 1) Für alle, insgesammt; eine nur noch in den Kanzelleyen in der R. A. sammt und sonders, alle insgesammt und jeder besonders, übliche Bedeutung. S. Allesammt, Insgesammt und Gesammt, wo es in diesem Verstande üblicher ist. 2) * Als ein vergleichendes Neben- oder Bindewort, für wie, als; eine im Hochdeutschen völlig veraltete Bedeutung, in welcher es ehedem für das gleichfalls veraltete sam gebraucht wurde. Dermaßen pflegt ihr hier, zu werden euern Mann, Sammt alles, was ihr thut, euch selber sey gethan, Scultet. Es scheinet hier bloß das schon gedachte sam mit dem angehängten t euphonico zu seyn. 2. Als ein Vorwort, welches die dritte Endung des Hauptwortes erfordert, und so viel als mit bedeutet, wenn dasselbe eine Gesellschaft bezeichnet, da es denn ehedem sehr oft für die bloße verbindende Partikel und Gebrauch wurde. Gott hat uns, da wir todt waren in Sünden, sammt Christo lebendig gemacht, und hat uns sammt ihm auferwecket, und sammt ihm in das himmlische Wesen gesetzt, Ephes. 2, 5, 6. Jacob kam sammt alle dem Volk, das mit ihm war, 1 Mos. 35, 5. Wer Unrecht hasset sammt dem Geitze, Es. 33, 15, Unrecht und Geitz. Laßt uns unser Herz sammt den Händen aufheben zu Gott, Klagel. 3, 41. Ihr könnet nicht Gott dienen sammt dem Mammon, Luc. 16, 17, und dem Mammon. Ihr werdet sammt eurem Kerle das Brot noch vor dem Thüren suchen müssen, Gell. Es ist in dieser Bedeutung zwar nicht veraltet; aber man gebraucht es im Hochdeutschen doch bey weiten nicht mehr so häufig, als ehedem, und scheinet sich dieses Vorwortes nur noch zu bedienen, um mit dem Vorworte mit abwechseln zu können, wenn dasselbe zu oft auf einander folgen sollte. Oft gebraucht man es auch, wenn man einer Rede mehr Nachdruck geben will, als ihr das bloße mit gewähret. In den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, pflegt man vor dem sammt gern noch ein müßiges mit vorher gehen zu lassen. Ein pyrin (Bärinn) mit sambt iren welftein klein, Theuerd. Du solltest dich der Luft mit sammt der Braut verzeichnen, Günth. Welcher Pleonasmus aber der anständigen Sprechart fremd ist.

Anm. Bey dem Ulphilas samath, im Schwed. samt, bey dem Notker sament, sament mir, bey den Schwäbischen Dichtern auch sant: Lieb und leit das teile ich sant dir, der von Kinrenberg. Unser sammt ist von dem intensiven samm, sammen, mit dem angehängten t, so wie das ältere samt von dem einfachern sam und sammen ist. ( S. Sam und Sammeln.) Man gebrauchte diese Partikel ehedem sehr häufig in Zusammensetzungen, so wohl mit Zeitwörtern, samath rinnan, Ulphilas, wofür jetzt zusammen üblich ist, zusammen laufen; theils mit Hauptwörtern, eine Handlung oder Sache zu bezeichnen, woran mehrere Theil haben, welche von mehrern gemeinschaftlich geschiehet. Die ersten sind völlig veraltet; von den letztern aber sind noch manche in der Schreibart der Kanzelleyen üblich. Sammtamt, Sammtbelehnung, Sammtgeleit, Sammtgut, Sammthändler, Sammtkauf, Sammtlehen u. s. f. welche Wörter insgesammt, und zwar am häufigsten, auch mit gesammt zusammen gesetzt werden, daher sie schon dort aufgeführet worden.


Sammtamt (W3) [Adelung]


Das Sammtamt, u. s. f. Siehe in Gesammt.


Sämmtlich (W3) [Adelung]


Sämmtlich, adj. et adv. alle zusammen genommen, alle insgesammt, gesammt. Die sämmtlichen königlichen Bedienten. Sie kamen sämmtlich zu Pilato, Matth. 27, 62. Das Beywort setzt so wie gesammt, seiner Bedeutung nach, entweder ein Collectivum im Singular, oder ein Hauptwort im Plural voraus; indessen gebraucht man im erstern Falle lieber gesammt, im letztern aber lieber sämmtlich; die gesammte Familie, die sämmtlichen Verwandten; die gesammte Armee, die sämmtlichen Truppen. Anm. Im Oberdeutschen sammentlich, im Niederdeutschen samentlik, im Schwed. samtligen. Es ist aus dem vorigen sammt und der Endsylbe "-lich" zusammen gesetzt. Hornegk gebraucht dafür auch samhaft.


Sammtregierung (W3) [Adelung]


Die Sammtregierung, Sammtschrift, Sammtstimme, u. s. f. Siehe in Gesammt.


Sampel (W3) [Adelung]


Der Sampel, S. Zampel.


Samstag (W3) [Adelung]


Der Samstag, des -es, plur. die -e, eine vorzüglich im Oberdeutschen übliche Benennung des letzten Tages in der Woche, des Sonnabends. Bey dem Ottfried Sambazdag, in den folgenden Zeiten Sammestag, im Franz. Samedi. Es ist, wie schon Wachter, Frisch und andere bemerkt haben, aus Sabbathstag verderbt worden, weil b und m sehr leicht in einander übergehen.


Samuel (W3) [Adelung]


Samuel, ein aus dem Hebräischen entlehnter männlicher Taufnahme, welcher einen von Gott erbethenen bedeutet, und in den gemeinen Sprecharten nicht selten im Schmuel, Nieders. Smuel, verkürzet wird.


Sanct (W3) [Adelung]


Sanct, ein aus dem Lat. sanctus entlehntes, und im gemeinen Leben übliches Wort, welches nur den eigenthümlichen Nahmen der Heiligen ohne Artikel vorgesetzt, und alsdann als ein unabänderliches Beywort behandelt wird. Sanct Paulus spricht. Das Bild Sanct Pauli. Sanct Petersburg, die Burg des heil. Petri. Nieders. sunt, sünte, Holländ. sint. Im schreiben wird dieses Wort gemeiniglich nur mit S. Sct. oder St. ausdruckt.


Sandaal (W3) [Adelung]


Der Sandaal, des -es, plur. die -e, 1) Siehe Sander. 2) Noch häufiger, eine Art kleiner Aale, mit fast unsichtbaren Schuppen, welcher sich im Sande am Ufer des Meeres aufhält, wo er sich in einen Kreis zusammen wickelt, und alsdann die Mitte desselben mit dem Kopfe durchbohret; Ammodites L. im gemeinen Leben wird er auch Sandilz, Tobiasfisch, Tobieschen genannt, Franz. Lanson, Alancon. Die letzte Hälfte in dem Nahmen Sandilz ist mit Aal verwandt, die lange dünne Gestalt dieses Fisches zu bezeichnen, wohin auch die Französischen Nahmen gehören. S. Aal, Ahle, Elle.


Sand-Allee (W3) [Adelung]


Die Sand-Allee, plur. die -n, in den Gärten, eine Allee, welche mit Sand ausgeschüttet ist.


Sandarach (W3) [Adelung]


Das Sandarach, des -e, plur. inus. das blaßgelbe Harz ausländischer Wachholderbäume, Wachholderharz, welches aus den- selben heraus fließet, wenn man den Stamm ritzet. Figürlich pflegt man mehrere Massen wegen einiger Ähnlichkeit diesem Nahmen zu belegen. Im Bergbaue nennet man ein jedes gummöse Mineral Sandarach. Besonders führet eine Art des rothen, mit Schwefel verbundenen Arsenikes, welcher einem Gummi gleicht, diesen Nahmen. Im Bienenbaue nennet man das mehlige, braune, weiße, gelbe oder rothe Wesen, welches die Bienen in die Brotwaben eintragen, und welches ihre Speise ausmacht, in manchen Gegenden gleichfalls Sandarach. In andern heißt es Bienenbrot, S. dieses Wort. Im gemeinen Leben sehr häufig auch Sandarack, Sandrack. Es ist ein ausländisches, und vermuthlich Morgenländisches Wort, welches, allem Ansehen nach, durch den häufigen Gebrauch des Sandarachs zum Räuchern in den Kirchen unter dem großen Haufen so bekannt geworden.


Sandauster (W3) [Adelung]


Die Sandauster, plur. die -n, eine Art Austern, welche sich auf Sandgründen aufhält, und zwar von ansehnlicher Größe, aber von mittelmäßigem Geschmacke ist.


Sandbad (W3) [Adelung]


Das Sandbad, des -es, plur. die -bäder. 1) In der Chirurgie, eine Art des Bades, wo das kranke Glied in warmen Sand gesteckt wird. 2) In der Chemie ist es eine Art der Destillation, wo das Gefäß mit dem zu destillirenden Körper in Sand gesetzet, und dieser durch das darunter gemachte Feuer erhitzet wird.


Sandball (W3) [Adelung]


Der Sandball, des -es, plur. die -bälle, S. Sandkloß.


Sandbank (W3) [Adelung]


Die Sandbank, plur. die -bänke, eine aus Sand bestehende Bank, d. i. Erhöhung des Bodens. Im Bergbaue nennet man alle die großen Lagen Sand, auf welche man im Absinken zuweilen trifft, Sandbänke. Die Sandgebirge bestehen aus über einander liegenden Sandbänken. Am häufigsten gebraucht man dieses Wort von einer aus Sand bestehenden Erhöhung des Bodens in dem Meere oder in einem Flusse, welche letztere man auch eine Klinge nennet, so wie eine Sandbank im Meere, besonders wenn sie eine Untiefe macht, im Nieders. auch eine Platte, ein Reff heißt. S. Sandhorst.


Sandbeere (W3) [Adelung]


Die Sandbeere, plur. die -n, die Frucht einer Art der Erdbeerenstaude, welche nur in dem kältesten Europa einheimisch ist, wo sie in sandigen, unfruchtbaren Gegenden wächst, und einen unangenehmen Geschmack hat; Arbutus Uva ursi L. Bärentraube. Franz. la Bousserolle.


Sandberg (W3) [Adelung]


Der Sandberg, des -es, plur. die -e, ein aus Sand bestehender Berg. Viele Berge dieser Art machen ein Sandgebirge.


Sandboden (W3) [Adelung]


Der Sandboden, des -s, plur. die -böden. 1) Ein Boden, auf welchem man Sand verwahret. 2) Die aus Sand bestehende Oberfläche der Erde; ohne Plural.


Sandbohrer (W3) [Adelung]


Der Sandbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Bohrer der Brunnengräber, den überflüssigen Sand einem Brunnen heraus zu Schaffen. Er bestehet aus einer langen hölzernen Stange, mit einem, wie eine Lichtputze geformten Eisen, und einem daran befindlichen Sacke.


Sandbörs (W3) [Adelung]


Der Sandbörs, des -es, plur. die -e, S. Sander.


Sandbruch (W3) [Adelung]


Der Sandbruch, des -es, plur. die -brüche, ein nur in einigen Gegenden, z. B. im Lüneburgischen, übliches Wort, einen mit Flugsand überschwemmten Platz zu bezeichnen; um Zelle eine Sandschelle. Von Bruch, ein weicher, anhaltbarer Boden.


Sandbüchse (W3) [Adelung]


Die Sandbüchse, plur. die -n, eine Büchse, worin man seinen Sand zum Streuen aufbewahret; die Streubüchse.


Sanddöbel (W3) [Adelung]


Der Sanddöbel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme, welchen die Döbel eine Art Fische, Cyprinus Dobula L. in einigen Gegenden führen; vermuthlich, weil sie sich gern im Sande der Flüsse aufhalten. S. Döbel.


Sandel (W3) [Adelung]


Der Sandel, des -s, plur. inus. 1) Der Nahme eines blauen Holzes, welches in den Apotheken gebraucht wird, und von dem Beennußbaum oder Behnnußbaum, Guilandina Moringa L. kommt, welcher in Zeylon, Amerika und Ägypten einheimisch ist; Grießholz, Sandelholz, wahrer Sandel, zum Unterschiede von dem folgenden. 2) Das Brasilien-Holz, welches von einer Art der Caesalpina L. kommt, ist in der Handlung und im gemeinen Leben gleichfalls unter dem Nahmen des Sandels und des Sandelholzes bekannt. Zum Unterschiede von dem vorigen wird es rother Sandel genannt. 3) Bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches wird noch ein dritter, gleichfalls in Ostindien einheimischer, aber von den vorigen ganz verschiedener Baum, weißer Sandelbaum genannt; Santalum album L. Im mittlern Lat. Santalum, welches so wie das Deutsche, ein ausländisches, und vermuthlich in Ostindien einheimisches Wort ist.


Sanden (W3) [Adelung]


Sanden, verb. reg. act. Sand streuen, und mit Sand bestreuen; ein nur in einigen Fällen übliches Wort. Die Deiche sanden, in den Niederdeutschen Marschländern, sie auf der Oberfläche mit Sand bestreuen. Die Schmiede sanden das Eisen, wenn es in der Schweißhitze ist, damit es nicht verbrenne, welche auch besanden genannt wird. S. auch Versanden.


Sander (W3) [Adelung]


Der Sander, des -s, plur. ut nom. sing. ein eßbarer Raubfisch, welcher sich in den großen Landseen mancher Gegend sehr häufig aufhält, und zu dem Geschlechte der Börse gehöret, welchen er auch in Ansehung seines Körpers gleicht, dagegen der Kopf dem Kopfe eines Hechtes ähnlich siehet. Er erreicht die Größe einer Elle, und hat ein weißes und schmackhafte Fleisch; Perca Lucioperca L. Zander, Zindel, Sandaal, Sandbörs, Seebörs, Schill, Nagemaul, Engl. Sandel, Dän. Sandart, Sandat. Er hat den Nahmen von dem Sande, weil er sich am häufigsten auf dem Grunde der Seen in dem Sande aufhält. Die letzte Sylbe ist die Ableitungssylbe -er. In dem Nahmen Sandaal ist die letzte Hälfte unstreitig auch die gleichbedeutende Sylbe -el indem er mit dem Aale keine Ähnlichkeit hat, daher man dieses Wort auch richtiger Sandel schreiben würde.


Sandfelch (W3) [Adelung]


Der Sandfelch, des -es, plur. die -e, eine Art schmackhafter Weißfische; Albula nobilis, S. Adelfisch.


Sandfeld (W3) [Adelung]


Das Sandfeld, des -es, plur. die -er, ein sandiges Feld, sandiger Acker.


Sandfluhe (W3) [Adelung]


Die Sandfluhe, S. Fluhe.


Sandgang (W3) [Adelung]


Der Sandgang, des -es, plur. die -gänge, in den Gärten, ein mit Sand ausgefüllter Gang.


Sandgebirge (W3) [Adelung]


Das Sandgebirge, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Sandberg.


Sandgries (W3) [Adelung]


Der Sandgries, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, so wohl eine Art grobkörnigen Sandes, dessen Körner doch noch nicht so grob sind, daß sie den Nahmen des Greises verdienen; als auch ein aus eigentlichem Sande, d. i. einer glasartigen Erde, bestehender Gries, zum Unterschiede von den Kalkgriese, welcher aus kleinen Kalkkörnern bestehet.


Sandgrube (W3) [Adelung]


Die Sandgrube, plur. die -n, eine Grube, aus welcher man Sand gräbet.


Sandgrund (W3) [Adelung]


Der Sandgrund, des -es, plur. die -gründe, ein aus Sand bestehender Grund.


Sandguß (W3) [Adelung]


Der Sandguß, des -sses, plur. die -güsse, das Gießen geschmolzener Metalle in Formen von Sand; ohne Plural. Ingleichen, Eisenwaaren, welche bey den hohen Öfen in Formen von Sand gegossen worden, z. B. Ofenplatten; zum Unterschiede von einem Lehmgusse.


Sandgut (W3) [Adelung]


Das Sandgut, des -es, plur. inus. im Tobaksbaue, ein Nahme der untersten Blätter an der Tobakspflanze, welche fahl werden, schlechter sind, und weil sie nahe an der Erde hängen, oft mit Sand beschmutzet sind; Erdgut.


Sandhafer (W3) [Adelung]


Der Sandhafer, des -s, plur. inus. 1) Ein Nahme des Sandgrases, Elymus arenarius L. weil es dem Hafer gleicht und in dem Sande an dem Strande wächst. 2) Auch eine Art des zahmen Hafers, welcher einen langen Bart, graue oder schwärzliche Schalen hat, und am liebsten an sandigen Orten wächst; Rauthhafer, Purrhafer. 3) S. Sandrohr.


Sandhäger (W3) [Adelung]


Der Sandhäger, des -s, plur. ut nom. sing. S. Sandhorst und Häger.


Sandhase (W3) [Adelung]


Der Sandhase, des -n, plur. die -n, eine Art der Feldhasen, welche sich auf den Alpen und in den nördlichen Ländern auf den Gebirgen und in sandigen Gegenden aufhält, und im Winter gemeiniglich weiß wird; Steinhase, Berghase.


Sandhaufen (W3) [Adelung]


Der Sandhaufen, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus Sand bestehender Haufen, ein Haufen Sand. Bey dem Notker Santhufso.


Sandhirsch (W3) [Adelung]


Der Sandhirsch, des -es, plur. die -e, die gewöhnlichen Hirsche, so fern sie sich in dürren, sandigen Gegenden aufhalten, da sie denn ein niedriges und schlechtes Geweih haben; zum Unterschiede von den Gebirghirschen, und Land- Au- oder Waldhirschen.


Sandig (W3) [Adelung]


Sandig, -er, -ste, adj. et adv. vielen Sand enthaltend, aus Sand bestehend. Ein sandiges Land. Sandige Ufer, Felder u. s. f.


Sandilz (W3) [Adelung]


Der Sandilz, des -es, plur. die -e, S. Sandaal.


Sandklinge (W3) [Adelung]


Die Sandklinge, plur. die -n, S. Sandhorst und Klinge.


Sandkloß (W3) [Adelung]


Der Sandkloß, des -es, plur. die -klöße, bey den Ärzten, ein entzündeter, aufgeschwollener Testikel, welche entweder von einem Stoße, einem heftigen Drucke, oder auch von unreinem Beyschlafe herrühret; Testiculus venereus, Sandball.


Sandknoblauch (W3) [Adelung]


Der Sandknoblauch, des -es, plur. inus. eine Art des Knoblauches, welcher in den sandigen Gegenden wächst; Allium arenarium L.


Sandkorn (W3) [Adelung]


Das Sandkorn, des -es, plur. die -körner, Dimin. das Sandkörnchen, Oberd. Sandkörnlein, eines von denjenigen kleinen Körnchen, welche den Sand ausmachen. Collective ist es Korn oder Rocken, welcher auf Sandfeldern erbauet worden.


Sandkraut (W3) [Adelung]


Das Sandkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche viel Salz bey sich führet; und deren Samen eine Sonne vorstellen; Arenaria L. Sie wächst an den sandigen Ufern des mitternächtigen Europa.


Sandläufer (W3) [Adelung]


Der Sandläufer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Vögel, welche den Schnepfen ähnlich sind, nur daß sie einen kürzern, kegelförmigen, engen Schnabel, hohe Füße, lange Schenkel und stärkere Vorderzehen haben; Glareola Klein. Wasserschnepfe, Strandläufer, Grieshuhn, weil man sie nur an den sandigen Ufern der Flüsse und Seen, und in sumpfigen Gegenden antrifft. Im gemeinen Leben werden sie häufig mit zu den Schnepfen gerechnet, obgleich ihr Fleisch oft einen wilden Fischgeschmack hat. Von einigen werden auch die Wasserhühner, Sandläufer genannt.


Sandlieschgras (W3) [Adelung]


Das Sandlieschgras, des -es, plur. inus. eine Art des Lieschgrases, mit einer eyförmigen, mit Haaren eingefaßten Blüthenkolbe, welches in den sandigen Gegenden wächst; Phleum arenarium L.


Sandmann (W3) [Adelung]


Der Sandmann, des -es, plur. die -leute. 1) Ein Mann, der Sand führet, Sand verkauft. Im Scherze sagt man auch zu den Kindern, wenn sie schläfrig werden, und sich die Augen reiben, als wenn man ihnen Sand hinein gestreuet hätte, der Sandmann komme; Nieders. Sandsaier, Sandsäer. 2) im Hollsteinischen heißen diejenigen Bonden oder Erdbauern, welche Beysitzer in den Feld- und Criminal-Gerichten sind, Sandleute, wo die erste Hälfte zu Send oder Zent zu gehören scheinet, siehe diese Wörter.


Sandmumie (W3) [Adelung]


Die Sandmumie, plur. die -n, ein menschlicher oder thierischer Körper, welcher in den heißen Ländern unter dem Sande zu einer Mumie ausgetrocknet worden; zum Unterschiede von den durch Einbalsamirung entstandenen Mumien.


Sandnelke (W3) [Adelung]


Die Sandnelke, plur. die -n, eine Art wilder Nelken, welche in dem Flugsande des mitternächtigen Europa Wächst; Dianthus arenarius L.


Sandpfanne (W3) [Adelung]


Die Sandpfanne, plur. die -n, bey den Kürschnern, eine viereckige eiserne Pfanne, den Sand darin heiß zu machen, womit die Haare der Felle getrocknet werden.


Sandpulver (W3) [Adelung]


Das Sandpulver, des -s, plur. ut nom. sing. in der Apotheken, ein Pulver wider den Sand oder Gries in dem menschlichen Körper, welches aus Austerschalen, und den Kraute der Sandbeerenstaude bereitet wird; Steinpulver, so fern es auch wider den Stein gebraucht wird.


Sandrach (W3) [Adelung]


Sandrach, Sandrack, S. Sandarach.


Sandrauke (W3) [Adelung]


Die Sandrauke, plur. inus. eine Art der Rauke, mit einem blätterigen, ästigen Stamme, und leyerförmigen, mit Borsten besetzten Blättern, welche in den sandigen Gegenden Deutschlands und der Schweiz wächst; Sisymbrium arenosum L.


Sandrechnung (W3) [Adelung]


Die Sandrechnung, plur. inus. in der Rechenkunst, eine von dem Archimedes erfundene Rechnung, d. i. Art und Weise, eine ungeheure Zahl, welche größer ist, als die Zahl aller Sandkörner, wenn auch der ganze Weltraum bis an die Fixsterne damit ausgefüllet wäre, mit einer außerordentlichen Leichtigkeit auszusprechen.


Sandreiter (W3) [Adelung]


Der Sandreiter, des -s, plur. ut nom. sing. in Scherze ein Reiter, welchen sein Pferd abgeworfen, und auf den Sand gesetzet hat; der Sandritter, Nieders. Sandrider.


Sandriethgras (W3) [Adelung]


Das Sandriethgras, des -es, plur. inus. eine Art des Riethgrases mit einer zusammen gesetzten Blüthenähre, welches in den sandigen Gegenden Europens wächst, und zur Dämpfung des Flugsandes dienet; Carex arenaria L.


Sandrohr (W3) [Adelung]


Das Sandrohr, des -es, plur. inus. eine Art des Rohres, welches an den sandigen Meerufern wächst und den Flugsand zurück hält; Arundo arenaria L. Sandschilf, Sandhafer, in Holland Helm, Halm.


Sandschelle (W3) [Adelung]


Die Sandschelle, plur. die -n, S. Sandbruch.


Sandschiefer (W3) [Adelung]


Der Sandschiefer, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein aus verhärtetem Sande bestehender Schiefer, Sandstein in Gestalt des Schiefers.


Sandschilf (W3) [Adelung]


Der Sandschilf, des -es, plur. inus. S. Sandrohr.


Sandschimmel (W3) [Adelung]


Der Sandschimmel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Schimmel, d. i. weißer Pferde, welche gleichsam mit Sand bestreuet zu seyn scheinen.


Sandschwalbe (W3) [Adelung]


Die Sandschwalbe, plur. die -n, ein Nahme der Erd- oder Rheinschwalbe, Hirundo riparia Klein, weil sie in den Sandufern an den Flüssen zu überwintern pflegt.


Sandstein (W3) [Adelung]


Der Sandstein, des -es, plur. die -e, 1) Eine Art glasartige Steine, welche aus zusammen gebackenen Sandkörnern bestehet, und wie der Sand selbst von verschiedener Feinheit und Farbe ist. 2) Im Bernsteinhandel, wird die kleinste und schlechteste Sorte Bernsteines Sandstein genannt, vermuthlich, weil diese Sorte aus kleinen dem großen Sande ähnlichen Körnern bestehet. Hier ist der Plural ungewöhnlich.


Sandtorf (W3) [Adelung]


Der Sandtorf, des -es, plur. von mehrern Quantitäten, die -e, ein mit Sand vermengter, bröcklicher Torf, welcher auf einem sandigen Grunde liegt.


Sandtorte (W3) [Adelung]


Die Sandtorte, plur. die -n, eine Art der Mandeltorten, welche wie Sand im Munde zerfällt.


Sanduhr (W3) [Adelung]


Die Sanduhr, plur. die -en, eine Art gläserner Uhren, in welchen der ausgelaufene Sand die Stunde und ihre Theile andeutet.


Sandweide (W3) [Adelung]


Die Sandweide, plur. die -n, eine Art Weiden, welche auf der obern Seite ein wenig rauch, auf der untern aber filzig sind; Salix arenaria L. Sie wächst an Sümpfen, und wird daher auch kleine Bruchweide genannt, weil sie klein bleibt. In einigen Gegenden führet auch die Buchweide, welche auf den sandigen Ufern der Bäche wächst, Salix Helix L. den Nahmen der Sandweide, im gemeinen Leben Sandwichel.


Sandwüste (W3) [Adelung]


Die Sandwüste, plur. die -n, eine große wüste Gegend, welche aus dürren unfruchtbaren Sande bestehet.


Sanft (W3) [Adelung]


Sanft, -er, -este, adj. et adv. welches in seinen meisten Bedeutungen dem rauh entgegen gesetzet ist, und so wie alle Wörter zunächst eine in das Gehör fallende Eigenschaft ausdruckt. 1. Im eigentlichsten Verstande, da er von dem Laute gebraucht wird, und die gelinde, leise, und doch dabey angenehme Eigenschaft eines Tones oder Lautes bezeichnet, diejenige Eigenschaft, da er nur schwach in das Gehör fällt; im Gegensatze des heftig, laut, stark. 1) In der engsten Bedeutung, für das niedrigere sacht. Ein sanftes Saufen, 1. Kön. 19, 12. Sanft reden, sprechen, leise, schwach. Eine sanfte Stimme haben. Ich höre das sanfte Geschwätz eines nahen Baches. Das sanfte Murmeln der Quelle. 2) Da Laut und Bewegung unzertrennlich verbunden sind, so wird es in weiterer Bedeutung auch sehr oft von einer angenehmen gelinden Bewegung, im Gegensatze einer starken oder heftigen, gebraucht. (a) Eigentlich, wo es in der anständigeren Sprechart für das niedrigere facht gebraucht wird. Machet Bahn dem der da sanft herfähret, Ps. 68, 5. Sanfte gehen, reiten; wofür doch theils leise, theils langsam üblicher sind. Sanft wandelnd, Klopft. Sanft spielt ein leichter Wind auf dem vergoldten Teich, Willam. Wie sanft rieselst du vorüber, kleine Quelle! Geßn. Ihr Wellen hüpfet sanft ums Schiff, ebbend. Nach dem Maße als die Donau sanfter floß. (b) Figürlich, wo es aa) allen heftigen, starken, und im hohen Grade lebhaften, aber dabey angenehmen Gemüthsbewegungen, Empfindungen und Eindrücken entgegen gesetzet ist, auf eine angenehme Art schwach. Ein sanftes Licht. Sanft wie das Morgenlicht, Das über frische Rosen gleitet, Uz. Laß uns den Glanz des Abendrothes und den sanften Schimmer der Mondes betrachte, Geßn. Sanfte und zärtliche Empfindungen. Dieß Herz, das so sanft schlägt. Sanfte Entzückungen, ein sanftes vergnügen, eine sanfte Freude. Unschuld lächelt sanft auf ihren Wangen, Geßn. In deinen Augen quillt die sanfte Zähre, Schleg. Sanft umfängt die Nacht ihn mit süßem Schlummer, Geßn. Sanft schlafen. Ein sanfter Tod. Besonders in Ansehung des Betrages gegen andere, alle lebhafte unangenehme Empfindungen, gegen andere vermeidend. Sanft regieren, im Gegensatze des strenge. Sanfte Sitten haben, im Gegensatze der rauhen. Ein sanftes Betragen. Sanft mit jemanden umgehen. Wenn ungezähmte Bosheit der sanften Warnung lacht, Dusch Jemanden einen sanften Verweis geben. Ein gutes und sanftes Herz. bb) Sich nach und nach erhebend, sich in einem weiten Raume erhebend; im Gegensatze des jäh und prallig. Ein sanftes Gebirge, im Bergbaue, welches nur nach und nach erhebet. Eine sanfte Anhöhe. Im Bergbaue auch sanftig. 2. Nach einer noch weitern Figur wird dieses Wort besonders von dem Gefühle gebraucht, wegen seiner Schwäche einen angenehmen Eindruck auf das Gefühl machend; wo es von mehrern Arten dieser Empfindung gebraucht wird. Eine sanfte Luft, welche einen schwachen aber dabey angenehmen Eindruck macht. Sanfte Hände, eine sanfte Haut haben, eine weiche, gelinde, im Gegensatze der harten. Jemanden sanft anrühren. Sanft liegen. Ein sanftes Bett, ein sanftes Küssen, ein sanfter Stuhl. Jemanden sanft streicheln. Ich will mein Haupt nicht eher sanft legen, bis ich meine Absicht erreiche. Das fühlt sich sanft an, weich und gelinde. Anm. Dieses Wort hat in allen Bedeutungen den Nebenbegriff des angenehmen bey sich. Es lautet schon bey dem Kero, Notker und Willeram samft, semfte, die es theils für möglich, theils auch für leicht und weich gebrauchen, und es dem unsamft, entgegen setzen; bey der Winsbeckinn senft, und noch in vielen gemeinen Sprecharten sanft. Da m und n oft nur müßige Begleiter der Blaselaute sind, so lautet dieses Wort im Engl. und Angels. soft, im ital. soffice, und selbst in einer Oberdeutschen Urkunde von 1400 sewft, seuft. Junius leitete es von Soft, succus, her, Wachter von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Frisch aber von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, berühren. Allein es ist erweislich genug, daß der Begriff der langsamen, gleitenden Bewegung in diesem Worte der herrschende ist, in welcher Betrachtung es denn allerdings mit Saft verwandt ist, ( S. dieses Wort.) Der Begriff der Stille, der Ruhe, fließt ganz natürlich daraus, daher das Gothische Sef, das Angels. Sib. beyde für Ruhe, und das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ruhen, ( S. Sabbath,) gleichfalls mit hierher gehören. Mit einem andern Endlaute hat das Niederdeutsche sacht vieles mit sanft gemein, ob es gleich den Nebenbegriff des Angenehmen nicht bey sich führet.


Sänfte (W3) [Adelung]


Die Sänfte, plur. die -n, 1) * Das Abstractum des vorigen Zeitwortes, die sanfte Beschaffenheit zu bezeichnen, die Sanftheit; ohne Plural; eine veraltete Bedeutung. Min lib in grosser Senfte lebt Des tages so si min ouge siht, Reinmar der Alte. Im Bergbaue wird es noch zuweilen von der sanften Erhebung der Erdfläche gebraucht; wofür aber doch auch Sänftigkeit üblicher ist. 2) Ein verschlossener Stuhl, worin man von Menschen oder Thieren getragen wird; Franz. Porte-chaise. Sich in einer Sanfte tragen lassen. Eine von Pferden oder Mauleseln getragene Sänfte, welche in dem mittägigen Deutschlande auf Reisen gewöhnlich ist, heißt bey den ältern Schriftstellern ein Reitbarn, Reitbahre, von reiten, reisen, ein Roßbarn, in der Monseeischen Glosse, Paro, Bahre, Tragestuole. Die sanfte Bequemlichkeit, welche derjenige empfindet, welcher sich in einem Sänfte tragen läßt, ist vermuthlich der Grund ihrer Benennung, ob sie gleich nicht sagen läßt, wenn oder wo diese Benennung aufgekommen ist. Übrigens ist noch jeder Tragsessel sogleich eine Sänfte, weil die letztere gemeiniglich verschlossen ist.


Sänftenträger (W3) [Adelung]


Der Sänftenträger, des -s, plur. ut nom. sing. diejenigen, deren Geschäft oder Pflicht es ist, andere in Sänften zu tragen.


Sanftheit (W3) [Adelung]


Die Sanftheit, plur. inus. das Abstractum von sanft, die sanfte Beschaffenheit, in allen Bedeutungen, besonders in der moralischen, für die veralteten Sänfte und Sanftigkeit.


Sänftig (W3) [Adelung]


Sänftig, adj. et adv. welches nur in einigen Fällen des gemeinen Lebens für sanft üblich ist. So nennen die Bergleute ein Gebirge welches sich sanft, d. i. nach und nach, erhebet, nicht jäh oder hrallig ist, ein sänftiges Gebirge. Daher die Sänftigkeit, auch nur noch im Bergbaue, von der sänftigen Beschaffenheit eines Gebirges.


Sanftmuth (W3) [Adelung]


Die Sanftmuth, plur. car. 1) Ein sanfter Muth; eine von allen heftigen Leidenschaften oder Empfindungen entfernte Stellung des Gemüthes. 2) In engerer und gewöhnlicher Bedeutung ist die Sanftmuth die tugendhafte Mäßigung des Zornes, und in noch engerm Verstande, die Fertigkeit, den Zorn auf eine tugendhafte Weise zu mäßigen, anderer Beleidigungen nicht leicht zu empfinden. Viele Sanftmuth haben, besitzen, zeigen. Jemanden mit aller Sanftmuth begegnen. Nieders. Sachtmood, Sachtsinn.


Sanftmüthig (W3) [Adelung]


Sanftmüthig, -er, -ste, adj. et adv. Sanftmuth besitzend, in derselben gegründet. Nieders. sachtmodig, sachtsinnig, sinnig, Schwed. saktmodig, im Oberd. im 14ten Jahrhunderte nur sewft, sanft.


Sanftmüthigkeit (W3) [Adelung]


Die Sanftmüthigkeit, plur. inus. die Fertigkeit, sanftmüthig zu seyn, und in engerer Bedeutung, nicht leicht Beleidigungen zu empfinden; wie Sanftmuth in der engsten Bedeutung. Für Sanftmuth in weiterm Verstande, d. i. von der bloßen jedesmahligen sanften Stellung des Gemüthes, ist es ungewöhnlich.


Sang (W3) [Adelung]


* Der Sang, des -es, plur. die Sänge, ein für sich allein veraltetes Wort, wofür jetzt Gesang üblich ist, welcher aber noch in einigen Zusammensetzungen beybehalten wird, obgleich selbige auch mit Gesang - gebraucht werden. bey dem Ottfried Sango.


Sange (W3) [Adelung]


Die Sange, plur. die -n, eine Art kleiner Fische, welche auch Sängel, Sänglein, Sengle genannt werden, S. Grühe und Gründlich.


Sangen (W3) [Adelung]


* Die Sangen, sing. inus. ein im Hochdeutschen völlig unbekanntes Wort, welches mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt, wo es gesengte oder geröstete Ähren bedeutet. Willt du ein Speiseopfer dem Herrn thun von den ersten Früchten, sollt du die Sangen, am Feuer gedörret, klein zerstoßen - opfern, 3 Mos. 2, 14. Und sollt kein neu Brot, noch Sangen, noch Korn zuvor essen, Kap. 23, 14. Sie Aßen andern tage des Passah ungesäuert Brot und Sangen, Jos. 5, 11. Boas legte der Ruth Sangen vor, Ruth 2, 14. Eine Epha Sangen, 1 Sam. 17, 17. In welchen Stellen Michaelis dafür geröstet Korn setzt. im Hebräischen befindet sich das Wort - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rösten, und Ludolf glaubte, daß es in diesen Stellen den Kaffeh bedeute, welchen man gemeiniglich für ein Getränk von weit jüngerer Erfindung hält. Das Wort Sangen ist so wohl im Ober- als Niederdeutschen selten, und es scheint, daß Luther es bloß aus ältern Übersetzungen entlehnet habe: denn nach dem Frisch heißt es in der alten 1483 gedruckten Deutschen Bibel, Jos. 5, 11: sie aßen von den Sangen der Erden, wo die Vulgata setzt: comederunt de frugibus terrae. Man leitet gemeiniglich von sengen ab, weil die Sangen eigentlich ein Büschel Ähren sind, die man am Feuer abgesenget, und die Körner auf diese Art geröstet hat. Allein, es scheinet, daß dieses Wort ein Bündel oder Büschel überhaupt bedeute. Frisch selbst führet aus Fritsch Var. Tract. die Stelle an: wenn jemand aus den Hopfenbergen die Sangen wegtrüge oder sonst dem Hopfen Schaden zufügete; wenn hier anders nicht durch einen Schreib- oder Druckfehler Sangen für Stangen gesetzt worden. Im Killians Holländ. Wörterbuche wird Sangh, Sanghe durch Fasciculus spicarum erkläret, allein von Hoogstratens Woordboeck findet sich dieses Wort nicht.


Sänger (W3) [Adelung]


Der Sänger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sängerinnen, von dem Zeitworte singen, eine Person, welche singet, und in engerer Bedeutung, welche nach den Regeln der Kunst zu singen weiß, und diese Kunst ausübet. Der Opern: Sänger, Kirchensänger, Vorsänger u. s. f. Wie sollt ich hören, was die Sänger oder Sängerinnen singen; 2 Sam. 19, 35. Sey mir gegrüßt Mykon, du lieblicher Sänger! Geßn. in der dichterischen Schreibart führen auch die Sang- oder Gesangvögel diesen Nahmen. Ihr kleinen frohen Sänger, wie lieblich tönt euer Lied von hoher Bäume Wipfeln! Geßn. Es hüpfen die Sänger des Waldes fröhlich empor und putzen die Schwingen, Zachar. So wie man in eben dichterischen Schreibart zuweilen auch einen Dichter einen Sänger zu nennen pflegt, wofür Opitz das veraltete Singer gebraucht. Im Isidor wird Psalmista, Psalmendichter, durch Sangheri übersetzt, und Kero nennet einen Cantor Sangari.


Sangherd (W3) [Adelung]


Der Sangherd, des -es, plur. die -e, bey den Vogelstellern eine Art Vogelherde, auf welchen man nur die großen Sangvögel zu stellen pflegt.


Sanglerche (W3) [Adelung]


Die Sanglerche, plur. die -n, S. Feldlerche.


Sangmeister (W3) [Adelung]


* Der Sangmeister, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, denjenigen zu bezeichnen, welcher im Singen Unterricht gibt, und die Vocal-Musik regieret. 1 Chron. 16, 22 heißt Chenanja, der Leviten Oberster, der Sangmeister. Jetzt ist in manchen Fällen dafür das Wort Cantor üblich. Bey dem Notker bedeutet Sangmeister einen Sänger, einen Meister in der Geschicklichkeit zu singen.


Sangschwalbe (W3) [Adelung]


Die Sangschwalbe, plur. die -n, S. Gesangschwalbe.


Sangvogel (W3) [Adelung]


Der Sangvogel, S. Gesangvogel.


Sanikel (W3) [Adelung]


Der Sanikel, des -s, plur. inus. eine Pflanze, welche einen rauhen Samen in Gestalt kleiner Kletten bringet, und einen bittern Geschmack aht, auch eines der vornehmsten Mundkräuter ist; Sanicula L. Der Deutsche Nahme ist zunächst aus dem Latein entlehnet. Wegen ihrer heilenden Kraft scheinet die erste Hälfte zu sanus zu gehören, da denn icula dir Ableitungssylbe seyn würde.


Saphier,Sapphier (W3) [Adelung]


Der Saphier, oder Sapphier, des -es, plur. die -e, ein Edelstein, welcher nach dem Rubin der härteste ist, dessen Farbe sich aber im Feuer verändert. Der hoch- und dunkelblaue ist der seltenste und theuerste. Der Luxsapphier ist ein mit Flecken versehener Sapphier. Außer diesem Edelsteine wurde bey den Alten auch der Lasurstein mit diesem Nahmen belegt, welchen auch Michaelis, 2 Mos. 27, 18 verstehet. Im Latein Sapphirus, im griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, alles aus dem hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schön seyn, weil uns die Edelsteine aus den Morgenländischen bekannt geworden sind, und sie daselbst noch jetzt am schönsten gefunden werden.


Sappe (W3) [Adelung]


Die Sappe, plur. die -n, zunächst aus dem Franz. Sappe, im Kriegswesen, ein in und durch die Erde gegrabener Weg, um durch die Contrescarpe in den graben der Festung zu kommen. Daher sappiren, Franz. sapper, einen solchen Weg graben; wofür man auch, obgleich seltener, sappen gebraucht. Zunächst stammen diese Wörter freylich aus den Französ. her; allein sappen ist doch ein altes Europäisches Wort, welches graben, schneiden, Hauen u. s. f. überhaupt bedeutet zu haben scheinet, und das Intensivum von einem veralteten saben ist, von welchen auch Säbel abgeleitet werden kann. Im Heldenbuche und bey dem Kaisersberg kommt sappen mehrmahls in verwandter Bedeutung, für raffen, reißen, vor, und im Ital. ist Zappa eine Haue. Auch im Wallach. ist sapu ich grabe.


Saraß,Sarraß (W3) [Adelung]


Der Saraß, oder Sarraß, des -sses, plur. die -sse, ein nur in den gemeinen Sprecharten übliches Wort, einen Degen, besonders größerer Art, einen Säbel zu bezeichnen. Das Wort ist ausländisch. Vielleicht ist es das Pohln. Zarraz, gleich alsbald. Wenn sich Pohlen zum Zweykampfe ausfordern, pflegt der eine Theil, indem er den Säbel ziehet, dem andern zarraz! zuzurufen, um anzuzeigen, daß er bereit sey. Das hörten vielleicht Deutsche, und bedeuteten es auf den Säbel. In dessen war schon bey den Macedoniern und Geten Sarissa eine Art langer Spieße.


Sarbache (W3) [Adelung]


Die Sarbache, S. Sahrbache.


Sardelle (W3) [Adelung]


Die Sardelle, plur. die -n, eine Art kleiner Häringe, welche im Mittelländischen Meere, besonders in der Gegend der Insel Sardinien, sehr häufig gefangen und eingesalzen zu uns gebracht werden; Clupea Sprattus L. Besonders diejenigen, welche aus Italien zu uns kommen, dagegen die noch kleinern, welche aus Frankreich und Portugall gebracht werden, gemeiniglich Anschoven heißen, ( S. dieses Wort.) Geräucherte Sardellen sind unter dem Nahmen der Sprotten bekannt, ( S. dieses Wort.) In einigen Oberdeutschen Gegenden werden die Sardellen auch Spieringe, Spierlinge, und im Norwegischen Breislinge genannt. Der Nahme Sardelle stammt aus dem Ital. Sardella her; im Franz. lautet dieses Wort Sardine, daher auch in einigen Deutschen Gegenden Sardine üblich ist. Beyde Nahmen sind von der Insel Sardinien, wo diese Fische am häufigsten gefangen werden.


Sarder (W3) [Adelung]


Der Sarder, des -s, plur. ut nom. sing. ein ungewöhnlich gewordener Nahme eines Edelsteines, der noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt, und mit unserm heutigen Sardonyr, d. i. einem mit rothen Streifen vermischten Onyx verwandt zu seyn scheinet. Derjenige Stein, welchen Luther 2 Mos. 28, 17, und 29, 10 Sarder nennet, heißt bey Michaelis Carniol. Der Sardonyr, welcher bey einigen auch Sardonier heißt, kommt auch Offenb. 21, 20 vor, wo er Sardonich geschrieben wird. Das Wort Sarder ist aus dem Hebräischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -


Sarg (W3) [Adelung]


Der Sarg, des -es, plur. die Särge. 1) * Ein Kasten, ein längliches vierecktes Behältnis; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird noch eine Cisterne ein Sarg oder Regensarg. Bey dem Dasypodius heißt ein steinerner Wassertrog am Brunnen der Sarch und Faust nennt in der Frankenb. Chronik bey dem Frisch, ein vierecktes gemauertes Behältnis in dem Boden eines Weinkellers, den Wein aufzufangen, wenn etwa ein Faß springen sollte, einen Sarg. Wir gebrauchen es, 2) nur noch in engerer Bedeutung, denjenigen Kasten zu bezeichnen, worin man einen todten Körper zu begraben pflegt, und der in einigen Gegenden auch die Todtenruhe, Todtenlade genannt wird, ehedem aber auch Leichkahr hieß, ( S. 1 Kahr.) Ein hölzerner, zinnerner, steinerner Sarg. Die Leiche in den Sarg legen.

Anm. In der heutigen Bedeutung schon bey dem Stryker Sarich, im Oberdeutschen in einigen Gegenden das Sarg, da es denn im Plural auch die Särger hat. Frisch leitet es auf eine seltsame Art von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ab, da ihm doch die weitere eigentliche Bedeutung eines Kastens oder Behältnisses nicht unbekannt war. Zu derselben gehöret auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gefäß, das Lat. Sarracum, ein Lastwagen, und Seria, ein Faß, so wie das Franz. Cercueil, ehedem Sarcueil, ein Sarg, von einem veralteten Lat. sarculus, sarcus, abzustammen scheinet. Siehet man das s als einen müßigen Zischlaut an, wie es denn solches oft ist, so gehören auch Arca und Arche, Orcus u. s. f. dahin. S. auch Zarge, und 1 Sorge.


Sarge (W3) [Adelung]


Die Sarge, S. Zarge.


Sarraß (W3) [Adelung]


Der Sarraß, S. Saraß.


Sarsaparilla (W3) [Adelung]


Die Sarsaparilla, plur. inus. eine Art der Stechwinde, mit einem dornigen eckigen Stamme, welche so wohl im mittägigen als nördlichen Amerika einheimisch ist, und deren mehlige bittere Wurzel in der Medicin gebraucht wird; Smilax Sarsaparilla L. im gemeinen Leben oft Sassaparille. Der Nahme ist so ausländisch als das Gewächs selbst.


Sarsche (W3) [Adelung]


Die Sarsche, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, eine Art wolligen Gewebes, wo die wollenen Fäden zuweilen mit leinenen, zuweilen auch mit seidenen vermischet werden. Aus dem Franz. Sarge, Ital. Sargia, Engl. Serge, Nieders. Sarse, im mittlern Lat. Sargium, welche wiederum von dem Lat. Sericum, Seide, abstammen, weil die Sarsche ehedem vermuthlich ein seidenes Gewebe war. Man hatte ehedem mehrere Wörter im Deutschen, wo die Sylbe Sar von diesem Sericum abstammet; z. B. das veraltete Särge, eine gewirkte Decke, Tapete, Sartuch, eine unbekannte Art eines Zeuges, Sarewat, eine Art seidener Zeuge u. s. f. von welchen Frischens Wörterbuch nachgesehen werden kann.


Sarter (W3) [Adelung]


Der Sarter, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur im Schiffsbaue übliches Wort, wo das Modell eines Schiffes, der schriftliche Entwurf dazu, die ganze Bauart, und das ganze Verhältniß aller Theile gegen einander, der Sarter genannt werden. Jede Nation hat ihren eigenen Sarter, die Russischen Kriegsschiffe, welche in dem vorigen Kriege in das Mittelländische Meer kamen, waren nach dem alten Holländischen Sarter gebauet. Ein erfahrner Seemann kennet jedes Schiff an seinem Sarter. Dieses Wort wird im Schiffsbaue und Seewesen sehr häufig gebraucht, und dennoch ist es in keinem Wörterbuche, weder in einem Deutschen noch in einem mir bekannten Wörterbuche einer fremden Sprache, zu finden. So fern es eigentlich ein schriftliches Verzeichnis der Theile eines Schiffes, der dazu nöthigen Materialien und Kosten bedeutet, kann es mit dem größten Theils veralteten Zerter, eine Art ausgezahnter Urkunden, ein und eben dasselbe Wort seyn, welches hernach in weiterer Bedeutung auch eine jede Urkunde, einen jeden Vertrag bedeutete, und denn besonders von dem Vertrage über den Bau eines Schiffes kann seyn gebraucht worden. Die Bedeutung der Bauart würde alsdann eine nicht ungewöhnliche Figur dieser Bedeutung seyn. Man findet für Sarter auch wirklich Zarter und Zerter geschrieben. S. das letztere.


Saß (W3) [Adelung]


Der Saß, des -sses, plur. die -ssen, von dem Zeitworte sitzen, der da sitzet, und figürlich in gewöhnlicherm Verstande, ein Einwohner, Besitzer. Es ist für sich allein veraltet, kommt aber noch in vielen Zusammensetzungen vor. ( S. Amtssaß, Beysaß, Kanzelleysaß, Erbsaß, Freysaß, Hintersaß, Haussaß, Holzsaß, Kothsaß, Landsaß, Schriftsaß, Untersaß u. s. f.) wo die nähere Beschaffenheit des Einwohners oder Besitzers durch die erste Hälfte des Wortes bestimmet wird. Im Nieders. ist Sate, im Angels. Saeta, im Schwed. Sate, gleichfalls ein Einwohner. S. Sasse.


Sassaparille (W3) [Adelung]


Die Sassaparille, S. Sarsaparilla.


Sasse (W3) [Adelung]


Die Sasse, plur. die -n, ein bey den Jägern für Sitz übliches Wort, wo es doch nur von den Hasen gebraucht wird, denjenigen Ort zu bezeichnen, wo ein Hase sitzt oder lieget. Der Hase drücket sich in seiner Sasse.


Saßjagen (W3) [Adelung]


Das Saßjagen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Jagen, oder eine Jagd, welche nur auf Thiere oder Wildbret geschiehet, und wobey kein Hirsch geschossen wird. Die Saßjagen gehen nach der Hirschbrunft an, und werden, theils wie ein Laufjagen, theils wie ein Contra-Jagen, theils auch wie ein Schützenjagen angestellet.


Satan (W3) [Adelung]


Der Satan, des -s, plur. die -e, der oberste unter den Teufeln, das Haupt unter den gefallenen Engeln, wo es auch als ein eigenthümlicher Nahme ohne Artikel gebraucht wird. Der Herr sprach zu dem Satan: o kommest du her? Satan antwortete u. s. f. Hiob 1, 6. In weiterer Bedeutung wird auch wohl ein jeder gefallener Engel oder Teufel, ein Satan, oder auch als ein eigenthümliches Wort Satan genannt. So denn ein Satan den andern austreibet, Matth. 12, 26. In beyden Fällen ist dieses Wort auch mit der ausländischen Endung as üblich, Satanas, so wohl mit als ohne Artikel. Im gemeinen Leben ist Satan häufig ein Scheltwort boshaften, widerwärtigen oder verhaßten Dinges. So einen Satan vom Pferde habe ich nie geritten, Herm.

Anm. Schon bey dem Ottfried Satanas, im gemeinen Leben Niedersachsens auch Satrian. Es ist aus dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches einen Feind oder Widersacher überhaupt bedeutet.


Satanisch (W3) [Adelung]


Satanisch, -er, -te, adj. et adv. dem Satan gehörig, dessen boshaften Eigenschaften gemäß oder ähnlich, darin gegründet. Eine satanische Bosheit.


Satin (W3) [Adelung]


Der Satin, (sprich Sateng,) des -s, plur. die -s, aus dem Franz. Satin und Ital. Satino, eine Art halb seidener Zeuge, deren im Deutschen schon im 16ten Jahrhunderte gedacht wird. Es gehöret zu dem Ital. und mittlern Lat. Seta und unserm Seide.


Satt (W3) [Adelung]


Satt, -er, -este, adj. et adv. dem Magen nach voll, so daß die Eßlust durch genossene Speise und Trank befriediget ist; denn die bloße Abwesenheit des Hungers macht noch nicht satt. 1. Eigentlich. Satte Gäste. Ein satter (voller) Bauch, in der niedrigen Sprechart. Ein Satter weiß nicht, wie dem Hungrigen zu Muthe ist. Am häufigsten als ein Nebenwort. Satt seyn. Satt werden. Sich satt essen, sich satt trinken, sich nur halb essen. Jemanden satt machen. Nicht satt zu essen haben, nicht so viel haben, daß man sich satt essen könne. In der anständigen Sprechart gebraucht man für dieses, seiner eigentlichen Bedeutung der Fülle wegen, oft weniger edle Worte lieber gesättigt, gesättigt seyn, für satt seyn, und sich sättigen, für sich satt essen. Ist ein Hauptwort haben, so stehet solches in der edlern Sprechart nach dem Muster der Oberdeutschen gern in der zweyten, übrigens aber auch in der vierten Endung. In beyden Fällen kann satt vor oder hinter dem Hauptworte stehen. Brot satt zu essen haben, Klagel. 5, 6; oder Brotes satt, satt Brotes zu essen haben. Sie werden des Brotes nicht satt haben, Hiob 27, 14. S. die folgenden Bedeutungen, wo diese Verbindungsart häufiger vorkommt. 2. Figürlich. 1) Durch hinlänglichen Genuß der Begierde nach befriediget, gestillet. Ein Satter, der seine Begierden, sein Verlangen befriediget hat, und daher keine Begierde weiter empfindet. Am häufigsten auch hier als ein Nebenwort. Das Auge stehet sich nimmer satt, das Ohr höret nimmer satt, Pred. 1, 8. Sich an etwas nicht satt sehen können. Sich satt lachen, schlafen, spielen u. s. f. seinen Trieb zum Lachen, sein Verlangen zu schlafen, zum Spielen völlig befriedigen. Etwas satt werden, nach dem hinlänglichen Genusse, nach vieler Übung einer Sache, sein Verlangen darnach befriediget haben. Er kann es nicht satt werden. Doch wurdet ihrs nicht satt, Gell. Auch hier mit der zweyten Endung des Hauptwortes, welches aber vorher gehen muß. Des Reichthumes nicht satt werden, Pred. 4, 8. 2) Durch häufigen Genuß oder Gebrauch Überdruß empfindend; nur als ein Nebenwort, welches hier gern ein Hauptwort in der zweyten Endung vor sich hat. Seines Lebens satt seyn, überdrüssig. Hingegen alt und Lebens satt seyn, bedeutet auch nur, daß man sein Verlangen zu leben gestillet habe, kein lebhaftes Verlangen nach einem längern Leben weiter empfinde. Ich bin des armen Lebens, So wie der Wünsche satt, Günth. überdrüssig. Man wird seiner bald satt. Sie sind meiner schon satt, Gell. Bey einigen auch mit der vierten Endung. Da würde ich meine Frau bald satt werden, Gell. Und wenn er alsdann das schöne Gesicht satt wäre, Less. 3) Für genug; Lat. satis. Satte Nahrung haben, Opitz, genug. Im Hochdeutschen nur als ein Nebenwort. Ich habe nicht satt Zeug dazu. Satt zu thun haben. 4) Zuweilen wird es auch von Farben gebraucht, und bedeutet alsdann dunkel, gleichsam eine völlig gesättigte Farbe. Ein sattes Gelb, sattgelb, dunkelgelb. Sattgrün u. s. f. So wie es Haller von dem Glanze gebraucht: Die unzählbaren Heere, Die ungleich satt von Glanz des mitgetheilten Lichts In langer Ordnung stehn von Gott zum öden Nichts.

Anm. Schon bey dem Notker und Ottfried sat, bey dem Ulphilas sad, im Nieders. gleichfalls satt, im Engl sated, im Pohln. syt, im Böhm. syty, im Lat. sat, satur. Da dieses Wort doch eigentlich die Empfindung des mit hinlänglicher Speise angefüllten Magens bedeutet, so scheinet es zunächst zu schütten zu gehören, so fern es ehedem überhaupt füllen, anfüllen bedeutet hat.


Sattel (W3) [Adelung]


Der Sattel, des -s, plur. die Sättel, ein Ort, wo man sitzet, ein Werkzeug oder Gestell, worauf eine Person oder ein Ding sitzet. 1. * In der eigentlichen und weitern Bedeutung, wo es ehedem von einem jeden Stuhle üblich war; bey dem Ulphilas Sitl, Angels. Setl, Nieders. Setel. ( S. Sessel und Siedel.) In dieser Bedeutung ist es längst veraltet, und wir gebrauchen es, 2. Nur im engern Verstande, von einer Art eines Stuhles oder Sitzes, vermittels desselben bequem und sicher zu Pferde zu sitzen. Sattel und Zeug, wo unter dem letzten Worte das übrige zum Reiten gehörige Geschirr verstanden wird. Einem Pferde den Sattel auflegen. Das Pferd that einen Satz und rückte seinen Reiter aus dem Sattel. Jemanden aus dem Sattel heben oder werfen, eine von den ehemaligen Turnieren entlehnte figürliche R. A. ihn mit Geschicklichkeit, Geschwindigkeit oder List eines Vortheiles berauben. Fest im Sattel sitzen, sich seines Vortheiles nicht berauben lassen, seiner Sache gewiß seyn. Sich in den Sattel schwingen, auch zuweilen figürlich, durch seine Geschicklichkeit einen Vortheil erhalten. Jemanden in den Sattel helfen, ihm zu einem Amte, zu einem Vortheile behülflich seyn. In alle Sättel gerecht seyn, sich in alle Umstände zu schicken wissen. Ein Urtheil, das in alle Sättel gerecht ist, welche auf alle Fälle paßt. In der Oberlausitzischen Unterthanenordnung ist, sich auf den Sattel legen, müßig leben. Gemeiniglich verstehet man unter Sattel schlechthin einen Reitsattel, wie man diesen auch nennet, wenn man ihn von einem Saumsattel unterscheiden will. Von jenem gibt es mehrere Arten. Die Englischen Sättel sind leicht und ganz glatt, die Pohlnischen sind klein und leicht, die Deutschen schwer und tief. Zu den letztern gehören der Tummelsattel, der Kleppersattel u. s. f. Der Quer- oder Weibersattel ist für das weibliche Geschlecht. 3. Figürlich. 1) Oft bekommen viele Dinge und Theile anderer Werkzeuge den Nahmen eines Sattels, entweder wegen einiger Ähnlichkeiten mit einem Reitsattel, oder auch so fern ein anderes Ding darauf sitzet oder ruhet; in welchem letztern Falle denn das Wort zur erstern weitern Bedeutung gehöret. So wird an einer Malzdarre das Gewölbe, welches die Darre eigentlich ausmacht, und auf den Seitenmauern ruhet, wegen seiner Ähnlichkeit der Sattel genannt, um welcher Ähnlichkeit willen auch eine Art Austern diesen Nahmen führet, ( S. Sattelmuschel.) Bey den Vogelstellern ist der Sattel eine Art des Vogelfanges, wo mit Schlingen von Pferdehaaren auf einer lebendigen Taube nach den Raubvögeln gestellet wird, welches man auf dem Sattel fangen nennet, wo aber der Grund der Benennung noch dunkel ist. In der Anatomie ist der Sattel oder das Sattelbein, Sella equina, ein Theil des siebförmigen Beines der Hirnschale, welches mit der dazwischen gelegenen Höhle einen Pferdesattel vorstellet. In den Wälschen Nüssen wird die Scheidewand, welche den Kern in vier Theile theilet, im gemeinen Leben der Sattel genannt, ohne Zweifel, weil er dem Kerne zum Spitze und zur Befestigung dienet. Im Bergbaue ist der Sattel an den Kunstgestänge ein Stück harten Holzes mit einem Loche in der Mitte, wodurch man eine Spindel steckt, damit sich derselbe mit dem darauf liegenden Kunstgestänge hin und wieder bewegen könne. Am Knechte Tischler ist der Sattel ein Klötzchen, welches bald hoch, bald niedrig gehänget wird, und worauf das Bret, welches man bearbeitet, mit der hohlen Kante ruhet. Der Sattel der Tuchbereiter ist ein Galgen von Holz, der die Tuchschere in ihrer Lage erhält. An den Pressen der Kupferdrucker sind die Sättel vier Büchsen, worin die beyden Walzen mit ihren Zapfenenden ruhen, und deren ausgeschweifte Ecken mit Eisenblech überzogen sind. An den Gieß-Instrumenten der Schriftgießer ist es derjenige Theil, worauf die Matritze ruhet. Und so in andern Fällen mehr. 2) * Ein Sitz auf dem Lande, d. i. ein Wohnhaus mit den dazu gehörigen Grundstücken, ein Gut; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, wovon aber doch noch verschiedene Spuren vorkommen. In der Kärnthischen Gerichtsordnung bedeutet die R. A. dem Kläger in den Satel weisen, ihn in den Besitz des Gutes setzen. S. auch Siedel und einige der folgenden Zusammensetzungen.

Anm. In der zweyten engern Bedeutung eines Pferdesattels, schon bey dem Stryker und im Schwabens. Satil, im Nieders. und Schwed. Sadel, im Angels. Sadl, Sadol, im Engl. Saddle, im Isländ. Sadul, im Wallis. Sadell, bey den Krainern Sedlu, im Pohln. Siodlo, im Böhm. Sedlo. Andere Sprachen stoßen nach Art der Niedersachsen das d oder rt aus, wie das Latein. und Ital. Sella, das Franz. Selle, das Span. Silla. Die Endsylbe ist die Ableitungssylbe -el, welche so wohl ein Werkzeug, als auch ein Subject, von welchem etwas gesagt wird, ein Ding, bedeuten kann. Die erste Hälfte gehöret ohne Zweifel zu sitzen, Nieders. sitten, welches in seinen verschiedenen Formen fast alle Selbstlaute durchläuft; Sattel bedeutet also ein Ding, worauf ein anderes sitzet, ob es gleich auch ein Ding bedeuten kann, welches auf einem andern sitzet. Wenn es in einigen eigenthümlichen Nahmen der Berge ehedem einen Berg überhaupt bedeutet zu haben scheinet, so kann diese Benennung auch eine Figur der Ähnlichkeit mit einem Sattel seyn, obgleich auch der Begriff der Erhöhung überhaupt dem Worte gar wohl zukommen könnte.


Sattelbaum (W3) [Adelung]


Der Sattelbaum, des -es, plur. die -bäume, an den Reit- und Pferdesätteln, zwey krumme Stücken Holz, welche auf den Rücken des Pferdes passen, und das Geripp des Sattels ausmachen, und auch Sattelbogen, bey den Sattlern in der Grafschaft Schönburg aber die Äfter genannt werden.


Sattelbein (W3) [Adelung]


Das Sattelbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, S. Sattel 3 1).


Sattelbogen (W3) [Adelung]


Der Sattelbogen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Sattelbaum.


Satteldach (W3) [Adelung]


Das Satteldach, des -es, plur. die -dächer, in der Bau- und Zimmermannskunst, ein Dach, welches zwey gerade in die Höhe gehende Gibel hat, und daher einem Sattel gleicht; ein zweyhängiges Dach, Giebeldach, zum Unterschiede von einem einhängigen oder Pultdache, einem Zeltdache, Kuppeldache und so ferner.


Satteldecke (W3) [Adelung]


Die Satteldecke, plur. die -n, eine Decke, womit der Sattel auf dem Pferde bedeckt wird.


Sattelfrey (W3) [Adelung]


Sattelfrey, adj. et adv. welches nur als ein Beywort von gewissen Landgütern in einigen Gegenden gebraucht wird. Ein sattelfreyer Hof, ein freyer Hof, ein Sattelhof, zum Unterschiede von einem dienstbaren oder unterthänigen. Ein Sattelfreyer, der Besitzer eines solchen sattelfreyen Gutes, der im Niederdeutschen auch ein Sattelhöfer heißt. Nieders. sadelfrij. Das Wort Sattel wird hier auf verschiedene Art erkläret. In dem Bremisch-Nieders. Wörterbuche heißen sattelfreye Güter, welche von Ritterdiensten frey sind, und nach dieser Erklärung würde Sattel, figürlich das Reitpferd bedeuten. Allein die sattelfreyen Güter sind in Niedersachsen keine Ritter- sondern Bauergüter, welche ohnehin kein Ritterpferd geben, daher Sattel hier wohl unmittelbar sitzen gehören muß, einen freyen Sitz zu bezeichnen. s. Sattelhof und Sattellehen.


Sattelgurt (W3) [Adelung]


Der Sattelgurt, des -es, plur. die -e, derjenige Gurt, womit der Sattel auf dem Pferde fest geschnallet wird.


Sattelgut (W3) [Adelung]


Das Sattelgut, des -es, plur. die -güter, S. Sattelhof.


Sattelhammer (W3) [Adelung]


Der Sattelhammer, des -s, plur. die -hämmer, ein langer schmaler Hammer der Sattler, die gelben Nägel damit einzuschlagen; der Sattlerhammer.


Sattelhof (W3) [Adelung]


Der Sattelhof, des -es, plur. die -höfe. 1) Ein sattelfreyer Hof; Nieders. Sadelhof, im Oberdeutschen auch Siedelhof. Ein Gut, welches einen sattelfreyen Hof hat, oder selbst von allen Diensten frey ist, wird daher auch ein Sattelgut oder sattelfreyes Gut genannt. ( S. Sattelfrey.) 2) Ein Hof dessen Besitzer in gewissen Fällen mit einem gesattelten Pferde Dienste leisten; das Sattelgut.


Sattelkammer (W3) [Adelung]


Die Sattelkammer, plur. die -n, eine Kammer, ein Zimmer, in welchem die Sättel und anderes Reitzeug verwahret werden.


Sattelknecht (W3) [Adelung]


Der Sattelknecht, des -es, plur. die -e, ein Knecht, welcher nur mit Reitpferden zu thun hat, dieselben sattelt und absattelt. In den Marställen hat der Sattelknecht die Sattelkammer unter seiner Aufsicht und ist des Herrn erster Reitknecht. Zuweilen hat er noch den Leibknecht vor sich.


Sattelknopf (W3) [Adelung]


Der Sattelknopf, des -es, plur. die -knöpfe, der erhöhete Knopf vorn in der Mitte des vordern Sattelbaumes an einem Reitsattel, der bey einigen Sattlern der Äfterknopf genannt wird.


Sattelküssen (W3) [Adelung]


Das Sattelküssen, des -s, plur. ut nom. sing. der mit Haaren in Gestalt eines Küssens ausgestopfte Theil eines Sattels. Ingleichen eine Art weicher Sättel, welche kein Holzwerk haben, sondern nur aus einem ausgestopften Küssen bestehen.


Sattellehen (W3) [Adelung]


Das Sattellehen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Lehengut, welches statt der Dienste dem Lehensherren ein gesatteltes Pferd stellet, da denn ein solches Gut von einem Rittergute nicht sehr verschieden seyn würde. Nach andern ist es ein Lehengut, welches statt der Lehenwaare ein gesatteltes Pferd gibt.


Sattelmuschel (W3) [Adelung]


Die Sattelmuschel, plur. die -n, eine Art Austern, wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem Sattel; Ostrea Ephippium L. bey einigen auch der Englische Sattel.


Satteln (W3) [Adelung]


Satteln, verb. reg. act. dem Pferde den Sattel auflegen und denselben an ihm befestigen. Ein Pferd satteln. Es ist noch nicht gesattelt. Nieders. sadeln, Schwed. sadla, Engl. to saddle.


Sattelpferd (W3) [Adelung]


Das Sattelpferd, des -es, plur. die -e, unter den Wagenpferden, dasjenige Pferd, welches den Sattel träget, auf welchem der Fuhrmann reitet, und dem das Handpferd zur rechten Hand gehet. In der Monseeischen Glosse heißt Satalrosso ein Reitpferd, in welchem Verstande es aber veraltet ist.


Sattelrücken (W3) [Adelung]


Der Sattelrücken, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern, der erhabene Theil des Rückens eines wilden Schweines, der bey ihnen auch der Krammenruck oder Krammenrücken genannt wird.


Sattelsteg (W3) [Adelung]


Der Sattelsteg, des -es, plur. die -e, an einem Reitsattel, der Steg, d. i. das lange Holz zu beyden Seiten zwischen den Bäumen.


Satteltasche (W3) [Adelung]


Die Satteltasche, plur. die -n, Taschen an einem Sattel, allerley Bedürfnisse darin zu verwahren.


Sattelzeug (W3) [Adelung]


Das Sattelzeug, des -es, plur. inus. der Sattel und dessen sämmtliches Zugehör.


Sattelzwecke (W3) [Adelung]


Die Sattelzwecke, plur. die -n, Zwecken, deren sich die Sattler bey Beschlagung eines Sattels bedienen.


Sattheit (W3) [Adelung]


Die Sattheit, plur. car. von dem Bey- und Nebenworte satt, der Zustand, da man satt ist, so wohl eigentlich, als figürlich. Das größte Übel der Sattheit an allen Dingen, die erfreuen können, hat seine Seele ganz eingenommen. Bey dem Kero mit einer andern Ableitungssylbe Setii.


Sättig (W3) [Adelung]


Sättig, -er, -ste, adj. et adv. 1) Sättigend, was bald und leicht satt macht; im gemeinen Leben. Der Reiß ist sehr sättig. Die Mehlspeisen sind sättig. 2) * Leicht zu sättigen; eine veraltete Bedeutung, in welcher Luther Sprichw. 27, 20 den Gegensatz unsättig für unersättlich gebraucht.


Sättigen (W3) [Adelung]


Sättigen, verb. reg. act. satt machen. 1. Eigentlich. Mehlspeisen sättigen sehr, sind sehr sättig, machen bald satt. Einen Hungrigen sättigen. Er ist nicht zu sättigen. Sich sättigen, für das niedrigere sich satt essen; daher man auch das Mittelwort gesättigt in der anständigen Sprechart für das gemeinere satt gebraucht. Sich mit etwas sättigen. Sich an einem Gerichte sättigen. 2. Figürlich. 1) Eine Begierde durch den Genuß befriedigen. Des Harpax Geitz ist nicht zu sättigen. Die biblische Wortfügung mit der zweyten Endung, sich nicht des Gutes sättigen, Pred. 6, 3 ist im Hochdeutschen ungewöhnlich, so wie die R. A. seinen Eifer an jemanden sättigen, Ezech. 16, 42, und die Bedeutung für erquicken: die bekümmerte Seele sättigen, Jerem. 31, 25. 2) In der Chemie sättigt man einen Körper mit dem andern, wenn man von diesem so viel zu jenem thut, als er nur annehmen kann. Ein mit Silber gesättigtes Scheidewasser, welches so viel Silber aufgelöset hat, als es nur auflösen kann. Wasser mit Salz, Weinessig mit Silberglätte sättigen. Man gebraucht es auch wohl von den Farben, so viel von einer Farbe zu einer andern thun, als sie in einem gewissen Verhältnisse davon an sich nehmen kann. So auch die Sättigung.

Anm. Die Endsylbe -igen zeiget schon an, daß dieses ein abgeleitetes Zeitwort ist, welches entweder von dem Beyworte sättig gebildet worden, oder noch wahrscheinlicher das Intensivum von dem veralteten satten ist, welches noch bey dem Hornegk, Ottfried u. s. f. vorkommt; setan, Ottfried satan, Notker. Auch im Nieders. sagt man so wohl saden als sadigen und sädigen. Latein satiare und saturare.


Sättigkeit (W3) [Adelung]


Die Sättigkeit, plur. inus. 1) Die Eigenschaft einer Speise, da sie sättig ist, leicht sättiget; im gemeinen Leben. 2) * Die Eigenschaft einer Person, da sie leicht zu sättigen ist; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. 3) Der Zustand, da man satt ist; wofür doch, wenigstens in der anständigen Sprechart, Sattheit üblicher ist.


Sattler (W3) [Adelung]


Der Sattler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher vornehmlich Sättel verfertiget, dessen Gattinn, die Sattlerinn. Nieders. Sadeler, Sadelmaker, Böhm. Sedlar.


Sattlerahle (W3) [Adelung]


Die Sattlerahle, plur. die -n, eine Art Ahlen mit einem Loche zum Durchziehen, deren sich die Sattler bedienen; das Sattlereisen.


Sattlerarbeit (W3) [Adelung]


Die Sattlerarbeit, plur. die -en, Arbeit, welche die Sattler verfertigen.


Sattlereisen (W3) [Adelung]


Das Sattlereisen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Sattlerahle.


Sattlergare (W3) [Adelung]


Die Sattlergare, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, die Art und Weise, wie die Sattler ihre Felle gar machen.


Sattlerhammer (W3) [Adelung]


Der Sattlerhammer, S. Sattelhammer.


Sattlerzwecke (W3) [Adelung]


Die Sattlerzwecke, plur. die -n, Zwecken, deren sich die Sattler bedienen, und wovon die Sattelzwecken eine Art sind.


Sättlich (W3) [Adelung]


Sättlich, -er, -ste, adj. et adv. leicht zu sättigen; doch nur in den Zusammensetzungen ersättlich und unersättlich. Siehe dieselben.


Sattsam (W3) [Adelung]


Sattsam, adj. et adv. von satt und der Ableitungssylbe -sam, hinreichend, zu einer Absicht zulänglich, genugsam. Sattsamen Grund, sattsame Ursache zu etwas haben. Sich sattsam entschuldigen. Einen sattsamen Vorrath von etwas haben. Ich habe sattsame Nachricht davon. Die Stirn muß sattsam gewölbet seyn.


Sattsamkeit (W3) [Adelung]


Die Sattsamkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da eine Sache zu einer Absicht hinreichend und zulänglich ist; welches doch nur selten gebraucht wird. Die Sattsamkeit eines Beweises.


Saturey (W3) [Adelung]


Die Saturey, plur. car. 1) Eine Pflanze, welche in den wärmern Gegenden Europens einheimisch ist; Satureia L. woraus auch der Deutsche Nahme entlehnet ist, der im gemeinen Leben nach einer verderbten Aussprache auch Zatrey, Sengenkraut lautet; Engl. Savory. Die Garten-Saturey, Satureia hortensis L. ist auch unter dem Nahmen des Gartenisoppes und der Bohnenkölle bekannt. 2) In einigen Gegenden wird auch der Quendel oder Hühnerkohl, Thymus Serpillum L. Saturey genannt.


Satzhase (W3) [Adelung]


Der Satzhase, des -n, plur. die -n, bey den Jägern, ein Hase weiblichen Geschlechtes, welcher Junge setzet oder bringet; der Setzhase, die Häsinn, der Mutterhase, zum Unterschiede von dem Rammler.


Satzmeißel (W3) [Adelung]


Der Satzmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Schlössern, ein Meißel, womit die Nietnägel angetrieben werden.


Satzmöhre (W3) [Adelung]


Die Satzmöhre, plur. die -n, bey den Gärtnern, zum Samen bestimmte Möhren, welche den Winter über im Keller verwahret, und im Frühlinge wieder in den Garten ausgesetzet werden; die Samenmöhre. So auch die Satzrübe.


Satzstock (W3) [Adelung]


Der Satzstock, des -es, plur. die -stöcke, im Landbaue, Weidenstäbe, welche zur Fortpflanzung in die Erde gesetzt werden.


Satzstück (W3) [Adelung]


Das Satzstück, des -es, plur. die -e, in den Rechten einiger Gegenden, die Artikel einer gerichtlichen Schrift. Siehe Satz 2 2) (a).


Satzteich (W3) [Adelung]


Der Satzteich, des -es, plur. die -e, Teiche, worein die schon erwachsenen Fische gesetzet, und daselbst bis zum weitern Gebrauch ernähret werden; Besetzteich, Gewächsteich, Hauptteich, zum Unterschiede von den Streich- und Streckteichen.


Satzung (W3) [Adelung]


Die Satzung, plur. die -en, von dem veralteten Zeitworte satzen für setzen. 1. Die Handlung des Setzens; doch nur in einigen Fällen und am häufigsten auch nur in einigen Gegenden, besonders in einigen Zusammensetzungen. So ist im Oberdeutschen die Tagesatzung die Bestimmung eines Tages, besonders zu einer öffentlichen Versammlung, die Fleischsatzung, Brotsatzung, Mehlsatzung, die obrigkeitliche Schätzung oder Taxation des Fleisches, Brotes, Mehles, und oft auch die Taxe selbst. 2. Was gesetzet wird; doch nur in einigen Fällen. 1) * Ein versetztes Pfand hieß ehedem sehr häufig eine Satzung, welche Bedeutung schon im Schwabenspiegel vorkommt, aber jetzt völlig veraltet ist. 2) Ein Befehl, eine Verordnung, ein Gesetz. In der Deutschen Bibel kommt es in diesem Verstande von Befehlen und Gesetzen aller Art sehr häufig vor. Nach meinen Rechten sollt ihr thun, und meine Satzungen sollt ihr halten, 3 Mos. 18, 4. Wandelt nicht in den Satzungen der Heiden, Kap. 20, 23. Opitz gebraucht es in den Psalmen beständig für Gesetz, und im Niederdeutschen sind Settinge, Satunge, die Statuten. Doch auch in dieser Bedeutung ist es im Ganzen veraltet und man gebraucht es nur noch in wenigen engern Fällen. (a) Von den Vorschriften des äußern Gottesdienstes bey den ältern Juden, nach dem Vorgange der Deutschen Bibel. (b) In dem zusammen gesetzten Reichssatzung, Landtagssatzung u. s. f. bedeutet es verbindliche Verordnungen, wodurch die Glieder einer Gesellschaft sich und ihre Committenten verbinden; da es denn von den Gesetzen im engern Verstande, so fern diese eigentliche Unterthanen verpflichten, unterschieden wird. Menschensatzungen sind solche Gesetze in Glaubens- und gottesdienstlichen Sachen, wodurch Menschen sich selbst verpflichten.


Satzweide (W3) [Adelung]


Die Satzweide, plur. die -n, in der Landwirthschaft, Weiden, welche zur Fortpflanzung in die Erde gesetzt werden, Satzstöcke.


Satzzeit (W3) [Adelung]


Die Satzzeit, plur. die -en, bey den Jägern, die Zeit, wenn das Wild zu setzen, d. i. Junge zu werfen, pflegt. Die Satzzeit der Hasen u. s. f.


Satzzwiebel (W3) [Adelung]


Die Satzzwiebel, plur. die -n, bey den Gärtnern, Zwiebeln, welche versetzet werden, und auch Stechzwiebeln genannt werden; zum Unterschiede von denen, welche man da, wo sie gesäet worden, stehen läßt.


Sau (W3) [Adelung]


1. Die Sau, plur. die Säue, ein nur in einigen wenigen Fällen, besonders im Hüttenbaue übliches Wort. 1) Eine Masse Schwarzkupfer wird daselbst eine Sau oder Kupfersau genannt. Wenn aber im Seigern und Kupferschmelzen diejenigen Schlacken, welche noch viel Erz in sich enthalten, Säue genannt werden, so scheinet hier die figürliche Bedeutung des folgenden Wortes, eines Fehlers, zum Grunde zu liegen. Eine Sau machen oder das Silber in die Sau jagen, ist eben daselbst, wenn das Silber den Treibeherd aufhebt, und unterkriecht, da es sich denn in den Schlacken verlieret. 2) Bey den Planenherden ist die Sau eine flache Grube unter dem Herde, in welcher der Schlich, der mit der Trübe abfällt, aufgefangen wird. Im ersten Falle bedeutet es eine Masse, und in zweyten eine Vertiefung, einen hohlen Raum. Die Übereinstimmung mit dem folgenden Worte ist gewiß nur zufällig. Allem Ansehen nach stammet es hier von einem Zeitworte her, welches eine gleichlautende schnelle Bewegung bedeutet hat, wovon unser säen ein Ast ist, und wovon mit verschiedenen Endlauten auch Same sauber u. s. f. abstammen. Nach sehr gewöhnlichen Figuren bedeuten alle diese Zeitwörter eine Bewegung theils in eine Masse, theils aber auch in die Tiefe. Das Lat. sus in susque, so wie die Sylbe su in super, supra u. s. f. gehören gleichfalls dahin, so wie in suere eigentlich auch der Begriff der Verbindung Statt findet, wovon der Begriff der Masse eine nahe Figur ist.


Sau (W3) [Adelung]


2. Die Sau, plur. die Säue, und bey den Jägern so wohl, als im Oberdeutschen die Sauen. 1. Ein erwachsenes Schwein überhaupt, ohne Unterschied des Geschlechtes; zum Unterschiede von einem Ferkel und Frischlinge. 1) Eigentlich. (a) Bey den Jägern wird ein jedes erwachsenes wildes Schwein ohne Unterschied eine Sau und im Plural die Sauen genannt. Soll das Geschlecht näher bestimmt werden, so heißt eine Sau männlichen Geschlechtes ein Sauschwein, eine Schweinesau, ein hauend Schwein, ein Hauer oder Keiler, und eine Sau weiblichen Geschlechtes eine Bache. (b) Von den zahmen Schweinen wird es gleichfalls sehr häufig von beyden Geschlechtern, oder vielmehr von dieser Art Thiere gebraucht, wenn man ihr Geschlecht nicht näher bezeichnen will oder kann. Der Plural hat hier gemeiniglich die Säue in vielen gemeinen Sprecharten aber gleichfalls die Sauen. Die Säue hüthen, die Schweine. Eine Herde Säue. Die Teufel fuhren in die Säue, Matth. 8, 32. Indessen ist es in dieser allgemeinen Bedeutung niedriger als das gleichbedeutende Schwein, daher man in der anständigen Sprechart dieses jenem allemahl vorziehet. In den gemeinen Sprecharten aber gebraucht man es statt dessen auch in den Zusammensetzungen Saubraten, Saufleisch u. s. f. für Schweinsbraten, Schweinefleisch. 2) Figürlich. (a) Eine unreinliche, schmutzige Person, besonders weiblichen Geschlechtes, doch nur in den niedrigsten Sprecharten und im verächtlichen Verstande, von der bekannten unreinlichen Eigenschaft dieser Thiere. ( S. auch Sauen und säuisch.) (b) Ein Klecks, besonders ein Tintenklecks, heißt im gemeinen Leben häufig so wohl eine Sau als ein Schwein, welchen Nahmen in den niedrigen Sprecharten auch wohl ein jeder Fehler bekommt. Eine Sau machen, Ital. Porco. 2. In engerer Bedeutung, eine Sau oder ein Schwein weiblichen Geschlechtes, besonders wenn sie schon geworfen hat, die man auch eine Fährmutter, ein Mutterschwein, im Nieders. eine Mutte, in andern Gegenden eine Mocke, in der Schweiz eine Mohr, in Österreich eine Zaucke, in Schlesien eine Ranze und Range zu nennen pflegt, um sie dem Eber, Bär oder Hacksch entgegen zu setzen. In dieser eingeschränkten Bedeutung wird es nur von zahmen Schweinen gebraucht, denn eine weibliche wilde Sau heißt am gewöhnlichsten eine Bache oder Leene.

Anm. Schon in dem Galischen Gesetze ist Suden ein Schweinstall. In dem alten Gedichte auf den heil. Anno lautet dieses Wort Su, im Engl. Sow, im Schwed. So, und im Lat. Sus, welches von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - abstammet, weil s und h immer in einander übergehen. Mit dem Endlaute g oder ch heißt eine Sau im Nieders. Söge, im Fries. Siugge, im Westphäl. Sugge, im Österr. Zaucke, im Angels. Sugu und Syge, im Finnländ. Sica, im Estnischen Siga, in der Lakonischen Mundart der Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, mit dem Hauche statt des s im Armenischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Wallis. Hvvch, im Bretagnischen Houch, im Engl. Hog; wohin auch unser Hacksch, ein Eber, gehöret. Alle diese Wörter bedeuten theils ein Schwein überhaupt, theils aber auch ein weibliches Schwein. Ihre hält das alte Nordische Saur, Koth, im Deutschen Hor und Gor, für das Stammwort, ohne zu erwägen, daß der Begriff der Unreinlichkeit erst eine von diesem unreinlichen Thiere entlehnte Figur ist. Wachter und die meisten übrigen Wortforscher sehen den eingeschränkten Begriff eines weiblichen Schweines für den Stammbegriff an, legen die Niederdeutsche Form Söge zum Grunde, und leiten es von säugen ab. Keinem ist es eingefallen, daß dieses Wort eine Nachahmung des diesem Thiere, und besonders dem weiblichen Geschlechte desselben, so eigenthümlichen Lautes ist, welchen schon stammelnde Kinder durch hüs, hüs, ausdrucken, und so wie die Griechen ihr - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - zu Benennung eines Schweines gebrauchen. Eben darin liegt auch der Grund, warum dieses Wort nur von erwachsenen Schweinen gebraucht wird. Das Niederdeutsche und verwandte Söge ist der durch ein Suffixum verstärkte Ausdruck dieses Lautes, den auch die Lateiner in ihrem Diminut. Sucula haben, so wie ihr Endlaut s in suarius, suatim, suillus ganz wegfällt, in subare und surire aber in andere übergehet. S. auch Schwein. In den folgenden Zusammensetzungen bedeutet es theils ein Schwein überhaupt, wo er zuweilen, aber nicht immer, mit Schwein - vertauschet werden kann, theils aber auch ein wildes Schwein.


Sauaß (W3) [Adelung]


Das Sauaß, des -es, plur. car. von Aß, Speise, in einigen Gegenden, alles was den Sauen oder Schweinen zur Nahrung dienet. In engerer Bedeutung wird das Geringste von dem geschrotenen Getreide, womit man die Schweine zu füttern pflegt, bey den Müllern und Bäckern sowohl Sauaß als Schweinaß genannt.


Sauauge (W3) [Adelung]


Das Sauauge, des -s, plur. die -n, eine in einigen Gegenden übliche figürliche Benennung der Ein- oder Wolfsbeere, Paris L. S. diese Wörter.


Saubär (W3) [Adelung]


Der Saubär, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein männliches Schwein oder Eber, der an manchen Orten auch Saubätz genannt wird. Siehe Schwein, ingleichen Bär und Eber.


Saubeere (W3) [Adelung]


Die Saubeere, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Beeren des gemeinen Nachtschattens, und diese Pflanze selbst; Solanum nigrum L. Hintschkraut, Schlafkraut.


Saubeller (W3) [Adelung]


Der Saubeller, des -s, plur. ut nom. sing. im Jagdwesen, eine Art abgerichteter zotiger Mittelhunde, welche nur allein auf Sauen, d. i. wilde Schweine, suchen, und eher keinen Laut von sich geben, als bis sie eines gefunden haben; der Saufinder.


Sauber (W3) [Adelung]


Sauber, -er, -ste, adj. et adv. rein, von allem Schmutze, oder Unreinlichkeit befreyet und dabey zierlich. 1) Eigentlich. Das Glas ist sehr sauber, rein. Eine saubere Kleidung. Ein sauberes Hemd. Sich sauber und reinlich halten. Sauber gekleidet gehen. Man hat dich nicht mit Wasser gebadet, daß du sauber würdest, Ezech. 16, 4. Im Hochdeutschen verbindet man mit dem Begriffe der Reinlichkeit allemahl auch dem Begriff der Zierlichkeit; allein im Oberdeutschen gebraucht man es auch für rein überhaupt. Saubere Wäsche, ein sauberer Teller ist daselbst, weiter nichts, als ein reiner. Im Hochdeutschen ist der Gegensatz unsauber in eben diesem Verstande üblich. 2. Figürlich. 1) * Unverfälscht, unvermischt, ingleichen unbefleckt, im moralischen Verstande; eine nur im Niederdeutschen übliche Benennung, wo eine saubere Jungfer eine reine Jungfer, sauberes Gold, reines, unvermischtes Gold ist. 2) Fein und zierlich. Eine saubere Arbeit. Ein sauberes Uhrgehäuse. Das ist sehr sauber. 3) Behuthsam und vorsichtig; im gemeinen Leben. Sauber mit etwas umgehen. Jemanden sehr sauber angreifen. (Siehe Säuberlich.) 4) Nach einer gewöhnlichen Ironie bezeichnet es zuweilen auch den Gegensatz, und wird alsdann ironisch überhaupt von Dingen gebraucht, welche die gehörige Beschaffenheit nicht haben. Ein sauberer Vogel, ein leichtfertiger, ausschweifender, lasterhafter Mensch. Das ist mein sauberer Sohn, mein ungerathener. Anm. Schon bey dem Kero für rein, subro, im Tatian heißt die Reinigung Mariä Subarnesse, im Nieders. suver, im Angels. sifer. Die sonst verwandten Sprachen haben dieses Wort nicht, man müßte denn das Lat. sobrius als eine figürliche Bedeutung davon ansehen, wie denn Notker dieses Wort wirklich durch suber übersetzet. Die Endsylbe -er ist die gewöhnliche Ableitungssylbe so vieler Beywörter. Die Stammsylbe saub gehöret zu einem Zeitworte, welches mit säen und stehen verwandt ist, und eine heftige, hin und her gehende Bewegung überhaupt, dergleichen mit dem Reinigen und Säubern gemeiniglich verbunden ist, bedeutet hat. Rein und andere gleichbedeutende Wörter haben einen ähnlichen Ursprung. S. Säubern und das folgende.


Sauberkasten (W3) [Adelung]


Der Sauberkasten, des -s, plur. ut nom. sing. in den Mühlen, ein Kasten, in welchen das gesiebte Mehl gethan wird; wo die Verwandtschaft mit sieben sehr deutlich ist.


Sauberkeit (W3) [Adelung]


Die Sauberkeit, plur. inus. der Zustand einer Sache, da sie sauber ist, in der ersten eigentlichen und zweyten figürlichen Bedeutung.


Säuberlich (W3) [Adelung]


Säuberlich, adv. dem was sauber ist, ähnlich, auf eine saubere Art. 1) * In der ersten Bedeutung des Beywortes sauber, wo es für dieses Wort selbst stehet, aber im Hochdeutschen veraltet ist. Der euch kleidete säuberlich, 2 Sam. 1, 24. 2) In der dritten figürlichen Bedeutung, behuthsam, vorsichtig, gelinde, sanft. Säuberlich mit etwas umgehen. Etwas sehr säuberlich angreifen, behuthsam und sanft. Fahrer mit säuberlich mit dem Knaben Absalom, 2 Sam. 18, 5. Darum strafest du säuberlich, die da fallen, Weish. 12, 2. In der anständigen Schreibart fängt es auch in dieser Bedeutung an zu veralten.

Anm. In der zweyten Bedeutung im Schwedischen säfverlig. Sauber und säuberlich scheinen in dieser Bedeutung der behuthsamen, sanften Behandlung, von sauber, rein, noch verschieden zu seyn; dieses setzt ein Zeitwort der Bewegung voraus, jenes aber der Ruhe. Im Schwed. ist Sef, Sefe, Ruhe, sefa beruhigen, im Angels. Sib, und bey unsern alten Oberdeutschen Schriftstellern Sibba, gleichfalls die Ruhe, die Stille. Dieses ist allem Ansehen nach das Stammwort von säuberlich in dieser Bedeutung, so wie auch sanft, welches sich nur durch das oft zufällige n von dem Angels. soft, sanft, unterscheidet, damit verwandt ist.


Säuberling (W3) [Adelung]


Der Säuberling, des -es, plur. die -e, ein gutes, aber nur in einigen Gegenden übliches Wort, einen Menschen zu bezeichnen, welcher sich mit übertriebener Sorgfalt der Sauberkeit in der Kleidung befleißiget, und der ungefähr das ist, was man im Französ. einen Petit-Maitre und im Deutschen auch einen süsten Herren nennet.


Säubern (W3) [Adelung]


Säubern, verb. reg. act. sauber machen, von allem Schmutze, von aller Unreinigkeit befreyen; in der Oberdeutschen Mundart saubern. Das Essen von dem Koste säubern. Die Bäume säubern, sie von den dürren Ästen und von dem Moose reinigen. Die Zähne die Ohren säubern. Das Getreide säubern, durch Sieben oder Worfeln. Sich säubern, so wohl sich von dem Ungeziefer befreyen, als auch für sich reinigen. Das Geschirr säubern, es scheuern. Im Oberdeutschen säubert man auch ein Zimmer und die schwarze Wäsche, wenn die Hochdeutschen im ersten Falle lieber auskehren, und im zweyten lieber waschen sagen. Überhaupt werden sauber und säubern im Oberdeutschen als gleichbedeutend mit rein und reinigen gebraucht, dagegen man im Hochdeutschen säubern am häufigsten von der Art der Reinigung gebraucht, welche mit einem Reiben verbunden ist. Die Bienen säubern sich, wenn sie an einem hellen Tage vor dem Stocke auf und nieder fliegen, welches man auch sich auswittern oder sich verwittern nennet. Von böser Art des Volkes will ich sorgen, Das ganze Land zu säubern alle Morgen, Opitz. Im Bergbaue säubert man, wenn man den Schutt vor Ort wegräumet. So auch die Säuberung.

Anm. Bey dem Notker seuueren, subern, im Tatian subirin, im Nieders. süvern. Entweder unmittelbar von sauber, oder auch als das Intensivum eines veralteten Zeitwortes sauben, welches eigentlich hin und her bewegen, reiben, bedeutet hat, und womit stehen nahe verwandt ist.


Saubersieb (W3) [Adelung]


Das Saubersieb, des -es, plur. die -e, in den Mühlen, ein Sieb, womit das Mehl gesäubert, d. i. gesiebet wird.


Saubohne (W3) [Adelung]


Die Saubohne, plur. die -n. 1) Eine Art der Feldbohnen, welche nicht so schmackhaft sind als Puffbohnen, und gemeiniglich nur als ein Futter für die Schweine gebraucht werden; Vicia Faba L. Feigbohnen mit weißer Blüthe. 2) In einigen Gegenden ist auch das Bilsenkraut oder Tollkraut, Hyoscyamus L. unter diesem Nahmen bekannt.


Sauborg (W3) [Adelung]


Der Sauborg, des -es, plur. die -e, vornehmlich im Nieders. ein verschnittenes Mutterschwein. S. Borg und Schwein.


Sauborste (W3) [Adelung]


Die Sauborste, plur. die -n, Borsten, d. i. starke Rückhaare, von einem Schweine; Schweinsborsten.


Saubrot (W3) [Adelung]


Das Saubrot, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme der Erd- oder Grundbirnen; Helianthus tuberosus L. welche auch Schweinsbrot genannt werden. S. Erdapfel. 5.


Saubruch (W3) [Adelung]


Der Saubruch, des -es, plur. die -brüche, bey den Jägern, ein Ort, welchen die Sauen, d. i. wilden Schweine, umgebrochen, oder umgewühlet haben.


Saudistel (W3) [Adelung]


Die Saudistel, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Gänsedistel oder des Hasenkohles, Sonchus cleraceus L. Schweinsdistel, Engl. Sowthistle, Nieders. Sögedistel, weil sie eine angenehme Speise der Schweine ist.


Sauen (W3) [Adelung]


Sauen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in den harten und niedrigen Sprecharten üblich ist, unreinlich mit etwas umgehen, besonders mit flüssigen Körpern unbehuthsam umgehen, so daß man viel davon verschüttet. Entweder von Sau, eine unreinliche Person, oder auch von dem alten Saw, Set, Wasser. Daher versauen, durch Unreinlichkeit verderben, ingleichen verschütten.


Sauer (W3) [Adelung]


Sauer, -er, -ste, (nicht säurer, säuerste,) adj. et adv. ein Wort, welches eine Art der Empfindung in Ansehung des Geschmackes ausdruckt, und dem, was süß ist, entgegen stehet. 1. Eigentlich der Essig ist sauer. Sauer seyn, sauer schmecken, sauer werden. Saurer Wein, saures Bier, saure Kirschen, saure Milch. Geistige Körper werden sauer, wenn sie nach der ersten geistigen Gährung in eine nochnahlige Gährung gerathen, in welchen die Säure entwickelt wird. Wenn ein saurer Körper zugleich den Mund zusammen ziehet so heißt er herbe. In einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in Baiern, wird es auch sehr häufig für salzig gebraucht, in welchem Verstande es aber den Hochdeutschen fremd ist. 2. Figürlich. 1) In einem hohen Grade beschwerlich, viele Mühe kostend und verursachend. Saure Arbeit. Sich es sauer werden lassen. Diese Arbeit ist mir überaus sauer, blutsauer geworden. Jemanden das Leben sauer machen, beschwerlich. Diese Rolle wird mir sehr sauer werden, Gell. Sie wendet noch die letzte Bemühung an, der Liebe den Sieg sauer zu machen, ebend. Das Stehen wird mir gar zu sauer werden. ebend. Das kommt mir sauer an, fällt mir zu thun beschwerlich. Mich däucht, es kommt ihnen weit säurer (saurer) an, eine Sache zu verschweigen, als auszuschwatzen, Gell. 2) Unangenehm, im Gegensatze des gleichfalls figürlichen süß; in welcher Bedeutung es doch seltener ist. Geht es gleich sauer ein, Opitz, geschiehet es gleich mit Widerwillen mit unangenehmer Empfindung. 3) Mürrisch, verdrießlich. Sauer sehen, sauer aussehen. Ein saures Gesicht, saure Mienen machen. Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen, wie die Heuchler, Matth. 6, 16. Du sahst so sauer aus, als wäre dirs nicht recht, Rost. So sauer auch die liebe Mutter sah, Gel. Etwas Saures in seiner Gemüthsart haben, etwas Mürrisches, Verdrießliches.

Anm. Bey dem Ottfried suar; bey der Winsbeckinn sur, im Nieders. suur, im Angels. sur, im Engl. sour, im alt Französ. und Bretagnischen sur, im Schwed. sur, im Pers. sciur, im Pohln. surowy, im Slavon. seron. Die Sylbe er ist hier entweder die gewöhnliche Ableitungssylbe, da denn sau die Stammsylbe seyn würde, oder das r gehöret, wie noch wahrscheinlicher ist zu dem Stamme, so daß das e vor demselben nur um des Wohllautes willen eingeschaltet worden. In diesem Falle würde es zu scharf, dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rauch, unserm sehr, in versehren, zu Sorge u. s. f. vielleicht auch zu dem Lat. severus, gehören, in welchen allen eine sehr lebhafte unangenehme Empfindung zum Grunde liegt, welche allemahl eine Figur einer heftigen Bewegung ist. Nach dem Pelletier bedeutet auch - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - im Hebr. sauer; gewisser ist, daß - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - in dieser Sprache den Sauerteig bedeutet. In Bannetois heißt hüero sauer, welches mit unserm herb überein kommt, zumahl da h und s sehr oft in einander übergehen. In Boxhorns Glossen heißt ohne f Virlust die Säure, und urlusthihho sauer. In den gemeinen Sprecharten ist für säuerlich auch serblich üblich. Da das e vor dem r allem Ansehen nach um des Wohllautes willen eingeschaltet ist, so fällt dasselbe oft wieder weg, wenn in der Verlängerung des Wortes ein e auf das r folgt; ein saurer Wein, für sauerer, die Säure, für Säuere; aber für säuren sagt man lieber säuren.


Sauer (W3) [Adelung]


Der Sauer, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein nur im gemeinen Leben übliches Wort, einen sauern Körper zu bezeichnen. Der Sauerteig heißt bey den Bäckern nur der Sauer schlechthin. In Mecklenburg heißt der Essig der Suer, d. i. der Sauer, und in einigen Gegenden führet das Sauerkraut diesen Nahmen.


Sauerach (W3) [Adelung]


Der Sauerach, eine Pflanze, S. Saurach.


Sauerampfer (W3) [Adelung]


Der Sauerampfer, des -s, plur. inus. eine Art des Ampfers, mit länglichen, pfeilförmigen Blättern, welche einen sehr merklichen säuerlichen Geschmack haben, und daher sehr gut wider den Scharbock sind; Rumex acetosa L. Der Wiesensauerampfer und Bergsauerampfer sind Arten davon. Im gemeinen Leben abgekürzt Sauerampf. In manchen Gegenden heißt er Spitzampfer, Säuerling, im Nieders. Sürken, Süring, im Dän. und Norweg. Syre, Suurkale. S. Ampfer.


Sauerblau (W3) [Adelung]


Sauerblau, adj. et adv. welches nur in Franken von einer Art rother Weintraube üblich ist, welche nur allein um Mergentheim angetroffen werden, sauerblauer Zeug genannt werden, und einen dunkelrothen, sauern Most geben. Sie werden auch Tauber Schwarz genannt, weil sie an der Tauber wachsen, und an den meisten Orten als ein wilder Wein ausgerottet.


Sauerbraten (W3) [Adelung]


Der Sauerbraten, des -s, plur. ut nom. sing. in den Küchen, ein eine Zeit lang in Essig gelegtes, und hernach gebratenes Stück Fleisch; besonders ein auf solcher Art zugerichtetes Stück Rindfleisch, welches entweder am Spieße gebraten, oder auch als ein Boeuf a la mode gedämpft wird.


Sauerbrunnen (W3) [Adelung]


Der Sauerbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Brunnen oder eine Quelle, deren Wasser einen säuerlichen, zusammen ziehenden, vitriolischen Geschmack hat, welcher die Gegenwart eines seinen Eisen-Vitrioles verräth. Auch das Wasser dieser Art, welches auch Eisenwasser, Sauerwasser und Stahlwasser genannt wird, führet gleichfalls diesen Nahmen; in welchem Falle der Plural aber nur von mehrern Arten üblich ist. Daher das Sauerbrunnensalz, welches daraus erhalten wird, und auch Bittersalz heißt. Das so genannte Englische Salz ist eine Art davon.


Sauerdorn (W3) [Adelung]


Der Sauerdorn, des -es, plur. die -en, ein in einigen Gegenden sehr üblicher Nahme der Berberis Staude, Berberis vulgaris L. wegen des angenehmen säuerlichen Geschmackes ihrer Beeren, daher sie an andern Orten auch Saurach und Salsendorn heißt. S. Berberis.


Säuere (W3) [Adelung]


Die Säuere, S. Säure.


Sauerey (W3) [Adelung]


Die Sauerey, plur. die -en, von dem Zeitworte sauen, in den niedrigen Sprecharten, die unreinliche Behandlungsart anderer Dinge, besonders unvorsichtiges Verschütten flüssiger Körper. Eine Sauerey machen.


Sauerhonig (W3) [Adelung]


Der Sauerhonig, des -es, plur. inus. in den Apotheken, Weinessig mit Honig eingekocht; Oxymel.


Sauerklee (W3) [Adelung]


Der Sauerklee, des -s, plur. inus. ein Nahme verschiedener, dem Klee ähnlicher Pflanzen, deren Blätter einen säuerlichen Geschmack haben. 1) Des Schafampfers, Rumex Acetosella L. welcher auch Guckgucksklee genannt wird. 2) Am vorzüglichsten, des Buchampfers oder Hasenampfers, Oxalis Acetosella L. dessen Blätter eine erfrischende, angenehme Säure haben. Siehe Buchampfer.


Sauerkraut (W3) [Adelung]


Das Sauerkraut, des -es, plur. car. klein geschnittenes und mit Essig, oder auch nur, wie am häufigsten geschiehet, mit Salz allein eingemachtes Weiß- oder Kappiskraut; Zettelkraut, im Nieders. sauerer Kohl, Sauerkohl.


Säuerlich (W3) [Adelung]


Säuerlich, -er, -ste, adj. et adv. ein wenig sauer. Säuerlich schmecken. Ein säuerlicher Geschmack. Im Nieders. ansuur, im Österr. anzückt. S. Ähnlich.


Säuerling (W3) [Adelung]


Der Säuerling, des -es, plur. die -e, ein hin und wieder übliches Wort, einen sauern Körper zu bezeichnen. Ein Sauerbrunnen wird in vielen Gegenden Säuerling genannt. Saure Weintrauben, saure Äpfel sind unter eben demselben Nahmen bekannt, ohne daß es eben ein Spottnahme seyn dürfe, wie Frisch will. Auch der Sauerampfer heißt in manchen Gegenden Säuerling. S. -Ling.


Sauern (W3) [Adelung]


Sauern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, sauer werden. Der Sauerteig hat nicht hinlänglich Zeit gehabt zu sauern. Es ist noch nicht in dem Fasse, worin es sauern muß, im gemeinen Leben figürlich, die Sache ist noch nicht zu Ende. Die Milch sauert, wird sauer. Nieders. suuren, Angels. mit der intensiven Endung surigan. In dem zusammen gesetzten versauern, in einem Amte versauern, bedeutet es figürlich veralten und verderben.


Säuern (W3) [Adelung]


Säuern, verb. reg. act. sauer machen, welches aber nur allein von dem zum Brote bestimmten Teige gebraucht wird. Der Sauer- teig säuert gut, wenn er dem Teige die gehörige Säure mittheilet. Ingleichen, den Teig säuern, ihn mit Sauerteige vermengen und dadurch zum Gähren bringen; einsauern, in einigen Gegenden hebeln, ( S. Hebel,) im Tatian theisman, von Theisme, Hefen, Sauerteig. Nieders. süern. Gesäuertes Brot, im Gegensatze des angesäuerten.


Sauerort (W3) [Adelung]


Der Sauerort, des -es, plur. die -örter, bey den Bäckern der von dem Mehle abgesonderte Ort im Backtroge, wo der Sauer, d. i. der Sauerteig, mit Wasser eingeweichet wird.


Sauersichtig (W3) [Adelung]


Sauersichtig, -er, -ste, adj. et adv. sauer d. i. mürrisch, verdrießlich, aussehend. Sauersichtig seyn. Ein sauersichtiger Mensch. S. Sauertopf.


Sauerteig (W3) [Adelung]


Der Sauerteig, des -es, plur. inus. ein durch die Gährung sauer gemachter Teig, womit die übrige zum Brote bestimmte Masse Teiges zur Gährung gebracht, und gesäuert wird; bey den Bäckern nur der Sauer, im Österr. Vrel, bey dem Dasypodius Deissem, bey dem Kero Deismin, im Tatian Theisma, sonst auch Hefel, ehedem Urhab, wo die letzte Sylbe gleichfalls zu Hefel gehöret, bey den Krainerischen Wenden Quas.


Sauertopf (W3) [Adelung]


Der Sauertopf, des -es, plur. die -töpfe, im gemeinen Scherze, eine sauersichtige, d. i. mürrische, verdrießliche Person, besonders, wenn diese Gemüthsart bey ihr zur Fertigkeit geworden ist. Schau an den Sauertopf, der sich so fromm kann zieren, Opitz. Nieders. Suursnute, Suurpulle, Suurkruke.


Sauertöpfisch (W3) [Adelung]


Sauertöpfisch, adj. et adv. im gemeinen Leben, für sauersichtig, mürrisch, verdrießlich. Nieders. suurmulsk, suursnutsk.


Sauerwasser (W3) [Adelung]


Das Sauerwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. S. Sauerbrunnen.


Saufang (W3) [Adelung]


Der Saufang, des -es, plur. die -fänge. 1) Das Fangen einer Sau, d. i. eines wilden Schweines; ohne Plural. 2) Der Ort, wo man wilde Schweine lebendig fängt. 3) Der Fang, d. i. Stich mit dem Fangeisen, welchen man einem wilden Schweine beybringet.


Saufaus (W3) [Adelung]


Der Saufaus, subst. indecl. plur. die -e, in den niedrigen Sprecharten, ein Mensch, der dem Trunke auf eine ausschweifende Art ergeben ist: von aussaufen.


Saufbruder (W3) [Adelung]


Der Saufbruder, des -s, plur. die -brüder, eben daselbst, eine dem Trunke auf eine lasterhafte Art ergebene Person männlichen Geschlechtes. Die Saufschwester, eine solche Person weiblichen Geschlechtes.


Saufen (W3) [Adelung]


Saufen, verb. irreg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, ich saufe, du säufst, er säuft, (Oberd. du saufst, er sauft;) Imperf. ich soff; Mittelw. gesoffen; Imperat. sauf oder saufe. 1) Einen flüssigen Körper als einen Theil seiner Nahrung in sich ziehen, eigentlich, denselben mit starken Zügen, mit einem merklichen Laute in sich ziehen; daher es für trinken, besonders von solchen Thieren gebraucht wird, welche mit lautem Geräusche trinken. Dem Viehe zu saufen geben. Das Vieh säuft Wasser. Bis der Löwe das Blut der Erschlagenen saufe, 4 Mos. 23, 24. Von Menschen in dieser allgemeinen Bedeutung für trinken überhaupt ist es nur im harten und verächtlichen Verstande üblich. Das sie ihren eigenen Mist fressen und ihren Harn saufen, Es. 36, 12. Ein Mensch der Unrecht säuft wie Wasser, Hiob. 15, 16. Figürlich zuweilen in der dichterischen Schreibart von leblosen Dingen, einen flüssigen Körper reichlich in sich ziehen; wofür aber auch das anständigere trinken üblich ist. 2) In engerer Bedeutung, auf eine ausschweifende Art trinken, mehr trinken, als die Natur zur Stillung des Durstes bedarf; auch nur im harten, verächtlichen Verstande. So wohl absolute und als ein Neutrum, saufen, die lasterhafte Fer- tigkeit haben, mehr zu trinken, als die Natur bedarf, und als der Verstand ertragen kann, als auch mit dem Accusativ der Sache. Fressen und saufen. Die ganze Nacht durch saufen. Sich das Saufen angewöhnen. Dem Saufen ergeben seyn. Sich toll und voll saufen. Mit jemanden saufen. Wein, Bier u. s. f. saufen. Lauter im gemeinen Leben, oder doch nur im harten verächtlichen Verstande, übliche Redensarten. Man säuft sich von Verstand bloß auf ihr Wohlergehn, Zachar. Daher das Saufen. S. auch der Soff.

Anm. Bey dem Kero suuffen, bey dem Notker soufen, der es auch für ersaufen gebraucht, in den gemeinen Oberdeutschen Mundarten soaffen, seefen u. s. f. im Angels. supan, sypan, im Nieders. supen, im Schwed. supa. Selbst im Hebr. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ingurgitavit. Das Wort selbst ist eine Onomatopöie, und ahmet den mit dem lauten Einziehen eines flüssigen Getränkes verbundenen Laut genau nach. Und da dieser Laut sich im Ganzen immer ähnlich bleibt, wenn gleich die Nebenumstände verschieden sind, so wird es bey verschiedenen Völkerschaften auch mit allerley Nebenbedeutungen gebraucht. Hornegk gebraucht saufen noch in der veralteten Bedeutung für schlürfen, und zuweilen auch für hinterschlucken, welche Bedeutung auch das Angels. supan und das Schwed. supa haben, und wovon unser Suppe abstammet. Das Angels. supan bedeutet auch kosten. Bey dem Ulphilas ist supan würzen, welches aber zu einem andern, obgleich verwandten Stamm zu gehören scheinet. Das Bretagnische souba ist befeuchten, beitzen, das Französ, souper und Engl. to sup zu Abend speisen, und das Schwed. supa und Engl to sup, sip, bedeutet auch mit kleinen Zügen trinken. Unser saufen drückt zunächst das Einschlürfen mit starken Zügen aus, und dieß ist auch die Ursache, warum es mit seinem ganzen Geschlechte für die anständige Sprechart in den meisten Fällen zu niedrig ist. Die Bedeutung des unmäßigen Trinkens war den Alten unbekannt. Die Oberdeutsche Mundart druckte diesen Begriff im 8ten Jahrhunderte durch ubardrin kann, übertrinken aus. Die gemeinen Sprecharten haben von diesem Worte noch allerley Zeitwörter, welche im Hochdeutschen fremd sind. Dergleichen sind das Oberdeutsche Desiderativum säufern für dursten, das Nieders. Intensivum sobben, immer saufen, das Oberdeutsche Intensivum supfen, mit lautem Schalle in sich schlürfen, das Nieders. Diminut. sipken, mit kleinen Zügen kosten, pitissire, und das gleichfalls Nieders. Activum söpen, zu saufen geben, tränken, wovon wir nur die Zusammensetzungen ersäufen und besaufen haben.


Saufenchel (W3) [Adelung]


Der Saufenchel, des -s, plur. inus. eine Pflanze; Englisch Hogs-Fennel. S. Haarstrang.


Säufer (W3) [Adelung]


Der Säufer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Säuferinn, ohne Person, welche die lasterhafte Fertigkeit besitzet, im Trinken unmäßig zu seyn; im gemeinen Leben auch ein Saufaus, eine Saufgurgel Nieders. Sobbe, Sobber.


Sauferey (W3) [Adelung]


* Die Sauferey, plur. car. ein im Hochdeutschen unbekanntes Wort, die lasterhafte Fertigkeit des unmäßigen Trinkens, und die Handlung des Saufens zu bezeichnen; die Völlerey. Es kommt nur 1 Petr. 4, 3 vor; in Sauferey wandeln.


Saufgelach (W3) [Adelung]


Das Saufgelach, des -es, plur. die -e, ein der Völlerey gewidmetes Gelach.


Saufhaus (W3) [Adelung]


Das Saufhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, in welchem auf eine unmäßige Art getrunken wird, ein der Völlerey gewidmetes Haus; im harten und verächtlichen Verstande.


Sauffinne (W3) [Adelung]


Die Sauffinne, plur. die -n, Finnen im Gesichte, so fern sie von dem Saufen, d. i. unmäßigen Trinken, herrühren.


Saufinder (W3) [Adelung]


Der Saufinder, des -s, plur. ut nom. sing. S. Saubeller.


Sauflied (W3) [Adelung]


Das Sauflied, des -es, plur. die -er, ein Lied, welches in unmäßigen Trinkgesellschaften gesungen wird.


Säugamme (W3) [Adelung]


Die Säugamme, plur. die -n, eine Amme, welche fremde Kinder säuget, besonders wenn sie selbige um Lohn säuget, und die man auch nur die Amme schlechthin nennet; zum Unterschiede von einer Hebamme. In einigen Gegenden auch die Stillamme.


Saugarn (W3) [Adelung]


Das Saugarn, des -es, plur. die -e, im Jagdwesen, Garne, welche in den Jagden auf Sauen, d. i. wilde Schweine gebraucht werden; Saunetze.


Saugarten (W3) [Adelung]


Der Saugarten, des -s, plur. die -gärten, eben daselbst, ein Garten, d. i. eingeschlossener Ort, in welchen die wilden Schweine zwar hinein, aber nicht wieder hinaus können, folglich daselbst lebendig gefangen werden; der Saufang.


Sauge (W3) [Adelung]


Die Sauge, plur. die -n, ein nur bey den Malzdarren übliches Wort, die ausgemauerte Röhre zu bezeichnen, welche aus dem hintern Theile des Ofens in die Höhe steiget; vielleicht weil sie die Luft an sich saugen muß, den Zug der Luft befördert. In Nieder. ist Sog die Zugluft. *


Saugebruder (W3) [Adelung]


Der Saugebruder, des -s, plur. die -brüder, eine veraltete Benennung eines, der mit einem andern von einerley Mutter gesäuget worden, wofür Milchbruder üblicher und bequemer ist.


Saugeferkel (W3) [Adelung]


Das Saugeferkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein junges Ferkel, welches noch sauget; im gemeinen Leben Sogferkel.


Saugefisch (W3) [Adelung]


Der Saugefisch, des -es, plur. die -e. 1) Eine Art Stichlinge, welche auch Pilotfisch, Franz. Pilotin, genannt wird; Gasterosteus Ductor L. 2) S. Sauger.


Saugehorn (W3) [Adelung]


Das Saugehorn, des -es, plur. die -hörner, in einigen Gegenden, ein mit Milch gefülltes Horn, woran man die Kinder saugen läßt, wenn sie nicht von Menschen gesäuget werden können; in den niedrigen Spracharten, eine Ludel. Ein solches Gefäß von Glas heißt ein Saugeglas, und von Holz das Säugekännchen.


Saugekalb (W3) [Adelung]


Das Saugekalb, des -es, plur. die -kälber, ein Kalb, welches noch saugt; im gemeinen Leben ein Sogkalb.


Saugelamm (W3) [Adelung]


Das Saugelamm, des -es, plur. die -lämmer, ein Lamm, welches noch sauget; im gemeinen Leben Soglamm.


Saugeloch (W3) [Adelung]


Das Saugeloch, des -es, plur. die -löcher, das Loch, welches der Dachs zwischen dem Hinten und dem Schwanze hat, und aus welchem er den Winter über das im Sommer angelegte Fett aus sich selbst heraus sauget, und sich damit nähret.


Saugen (W3) [Adelung]


Saugen, verb. irreg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt; ich sauge, du saugst, er saugt; Imperf. ich sog, Conjunct. ich söge; Mittelw. gesogen; Imperat. sauge. Den Saft, die Flüssigkeit mit dem Munde langsam und nach und nach in sich ziehen; wo es so wohl als ein Neutrum, als auch active mit der vierten Endung der Flüssingkeit gebraucht wird. Den Honig aus dem Felsen saugen, 5 Mos. 32, 13. Den Saft aus einem Apfel saugen. Die Bienen saugen Honig aus den Blumen. Am Hungertuche saugen; wofür doch am Hungertuche nagen üblicher ist. Der Bär saugt im Winter an seinen Bratzen. Daher die figürliche, im gemeinen Leben übliche R. A. etwas aus den Fingern saugen, es von sich selbst her haben, und im engern Verstande, es erdichten. In engerer Bedeutung, von jungen Kindern und Thieren, die Muttermilch aus der Mutter Brust in sich saugen. Das Kind will saugen, hat schon gesogen. An der Brust saugen. Die Brust saugen, die darin befindliche Milch. Selig sind die Brüste, die du gesogen hast! Luc. 11, 27. Ein saugendes Kind, wofür man im gemeinen Leben unrichtig mit dem folgenden Factitivo sagt, ein säugendes Kind. Ein saugendes Lamm, ein saugendes Kalb u. s. f. im gemeinen Leben ein Soglamm, ein Sogkalb, für Saugelamm, Saugekalb von dem Nieders. Sog, das Saugen. In weiterer Bedeutung auch von leblosen Dingen; wenn sie einen flüssigen Körper vermittelst enger Röhren langsam in sich ziehen. Der Schwamm saugt das Wasser in sich. Die Röhre hat sich vollgesogen. ( S. Saugeröhre.) So auch das Saugen, wofür im Nieders. der Sog üblich ist. Anm. Schon im Isidor saughan, im Tatian, Notker u. s. f. sugan, im Nieders. sugen, im Angelsächs. sucan, im Engl. to suck, im Wallisischen mit der intensiven Endung -nen, sugno, im Schwed. suga, im Isländ. siuga, im Irländ. sugham, im Lat. sugere, im Franz. sucer, im Pohln. ssack, im Böhm. cucati. Es ahmet den mit dieser Handlung verbundenen Laut nach, und da dieser Laut mehrern Veränderungen gemein ist, so gehören auch ziehen, Zug, seigen, seihen, Succus u. s. f. hierher. Im gemeinen Leben hat von saugen die Intensiva sugeln, sutzeln, zutscheln, womit das niedrigere nutscheln gleichbedeutend ist. Da das g in diesem Zeitworte seinen gelinden Laut nicht verlieren darf, so ist es im Hochdeutschen nothwendig, demselben auch in den Zusammensetzungen das e euphonicum nachtreten zu lassen; Saugelamm, Saugefisch u. s. f. für die härtern Sauglamm, Saugfisch.


Säugen (W3) [Adelung]


Säugen, verb. reg. welches das Factitivum des vorigen ist, saugen lassen, zu saugen geben, aber nur in engerer Bedeutung von der Darreichung der Brust an junge Kinder und Thiere gebraucht wird. Ein Kind säugen. Seine Kinder selbst säugen. S. auch Stillen. Eine säugende Kuh. Ein säugendes Schaf. Wie kommt es, da sie säugen sollen, Daß Obrigkeiten saugen wollen? Logau. In der Stelle Matth. 23, 24; die ihr Mücken seiget, und Kameele verschlucket, haben die meisten Herausgeber das seigen, seihen, aus Unkunde dieses Wortes, in säugen verwandelt, und dadurch zu unrichtigen Auslegungen Anlaß gegeben. S. Seihen. Daher das Säugen und die Säugung.

Anm. Schon bey dem Ottfried. sougan, im Nieders. sögen, im Angels. sican, im Engl to suckle. Saugen und säugen sind eben so verschieden wie saufen und säufen, schallen und schällen oder schellen, trinken und tränken, sinken und senken und so ferner.


Sauger (W3) [Adelung]


Der Sauger, des -s, plur. ut nom. sing. ein Ding, welches saugt; doch nur in engerer Bedeutung als ein Nahme eines Seefisches, welcher von einer Spanne bis zu drey Fuß lang wird, und sich an die Schiffe und andere Körper so fest saugt, daß man ihn eher zerreißen, als davon abreißen kann; Echeneis Remora L. der Schiffsauger, Schiffhalter ungeachtet es eine Fabel ist, daß er ein Schiff sollte anhalten können. In dem zusammen gesetzten Blutsauger ist es in weiterer Bedeutung üblich. In der Landwirthschaft wird ein Lamm, welches noch saugt, ein Säuger, richtiger Sauger, genannt.


Säugerinn (W3) [Adelung]


Die Säugerinn, plur. die -en, eine Person weiblichen Geschlechtes, welche säuget. Wehe den Schwangern und Säugern (Säugerinnen) zu der Zeit! Math. 24, 19. Welche ungewöhnliche Zusammenziehung auch Marc. 13, 17, und Luc. 21, 23 angetroffen wird.


Saugeröhre (W3) [Adelung]


Die Saugeröhre, plur. die -n, eine jede Röhre, welche flüssige Körper in sich sauget, d. i. selbige nach und nach in sich ziehet, von welcher Art gewisse Röhren in den Wasserkünsten, die Vasa lymphatica oder bibula in den thierischen Körpern, und die Saströhren in dem Gewächsreiche sind.


Saugerüssel (W3) [Adelung]


Der Saugerüssel, des -s, plur. ut nom. sing. ein hohler Rüssel gewisser Insecten, den Saft dadurch zu ihrer Nahrung an sich zu ziehen.


Säugethier (W3) [Adelung]


Das Säugethier, des -es, plur. die -e, in der Naturgeschichte, mit Brüsten oder Eutern versehene Thiere, welche ihre Jungen säugen.


Saugewerk (W3) [Adelung]


Das Saugewerk, des -es, plur. die -e, eine Art Wasserkünste, wo das Wasser vermittelst der in der Röhre verdünnten Luft von derselben eingesogen, und dadurch in die Höhe gebracht wird; zum Unterschiede von einem Druckwerke. Alle Pumpen sind solche Saugewerke.


Säugling (W3) [Adelung]


Der Säugling, des -es, plur. die -e, ein noch saugendes Kind, in der edlen Schreibart, und von Kindern beyderley Geschlechtes. Eine Amme verpflegt ihren Säugling, 4 Esr. 1, 28. Ingleichen figürlich. Ein Säugling am Verstande. Nieders. Sögling. Es stammet entweder von säugen her, da es denn ein Kind, welches gesäugt wird, bedeuten würde, oder auch von saugen, ein saugendes Kind, da denn der reine Vocal, um der Ableitungssylbe willen, in das unreinere ä verwandelt worden, wie Jüngling von jung, Günstling von Gunst. S. Ling.


Sauglocke (W3) [Adelung]


Die Sauglocke, plur. die -n, ein figürlicher, nur in den harten und niedrigen Spracharten üblicher Ausdruck. Mit der Sauglocke läuten, Zoten, im höchsten Grade grobe und ungesittete Scherze, vorbringen; von Sau, dem bekannten unreinlichen Thiere.


Saugras (W3) [Adelung]


Das Saugras, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Porsches, Ledum palustre L. welcher auch Schweineporsch. Schweinepost, um Dresden aber Saugrenze heißt.


Sauhatz (W3) [Adelung]


Die Sauhatz, plur. die -en, im Jagdwesen, eine Art der Saujagd, wo Sauen oder wilde Schweine aufgehetzet und von Hunden gefangen werden; die Sauhetze.


Sauhirt (W3) [Adelung]


Der Sauhirt, des -en, plur. die -en, derjenige, welcher zahme Säue hüthet; noch häufiger der Schweinshirt.


Sauhund (W3) [Adelung]


Der Sauhund, des -es, plur. die -e, Hunde, welche auf Sauen, d. i. wilde Schweine, gearbeitet oder abgerichtet sind, wohin denn so wohl die Saubeller als Rüdenhunde gehören. In engerer Bedeutung bekommen nur die allein zu Sauen gewöhnten Leithunde diesen Nahmen.


Sauigel (W3) [Adelung]


Der Sauigel, S. Schweinigel.


Säuisch (W3) [Adelung]


Säuisch, -er, -te, adj. et adv. im höchsten Grade unreinlich, im harten Verstande, als eine von der Sau, einem äußerst unreinlichen Thiere, entlehnte Figur; schweinisch. Säuisch mit etwas umgehen. Eine säuische Person.


Saujagd (W3) [Adelung]


Die Saujagd, plur. die -en, eine Jagd auf Sauen, d. i. auf wilde Schweine; die wilde Schweinsjagd, bey den Jägern das Saujagen.


Saukasten (W3) [Adelung]


Der Saukasten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kasten, wilde Schweine darin lebendig von einem Orte zum andern zu bringen.


Saukraut (W3) [Adelung]


Das Saukraut, des -es, plur. inus. 1) Eine Pflanze, welche auf den Wiesen und in den Wäldern wild wächst; Hypochaeris L. 2) In einigen Gegenden, auch ein Nahme des Nachtschattens, S. dieses Wort.


Saulache (W3) [Adelung]


Die Saulache, plur. die -n, eine Lache, d. i. Pfütze, worin sich die Sauen oder wilden Schweine abzukühlen pflegen; bey den Jägern die Suhllache.


Säulbaum,Säulenbaum (W3) [Adelung]


Der Säulbaum, oder Säulenbaum, des -es, plur. die -bäume, im Forstwesen, ein Baum, welcher Säulen für die Zimmerleute abgeben kann. Ein einfacher Säulbaum muß 16 bis 18 Zoll im Durchmesser halten, und 35 bis 40 Ellen lang seyn; ein doppelter ist 19 bis 21 Zoll dick, und 40 bis 45 Ellen lang.


Säule (W3) [Adelung]


Die Säule, plur. die -n, Diminut. das Säulchen. 1. Im weitesten Verstande, ein jeder senkrecht stehender Körper, der um ein beträchtliches länger ist, als dick; in welchem weitesten Verstande noch sehr viele Körper dieser Art, wenn sie keinen andern Nahmen haben, Säulen genannt werden. Besonders gehören dahin die Zusammensetzungen Bildsäule, Spitzsäule, eine Pyramide, Feuersäule, Wolkensäule, Salzsäule u. s. f. Vornehmlich werden gewisse zierliche, senkrecht stehende Pfähle noch mehrmahls Säulen genannt, dergleichen die Wegesäulen, Hägesäulen, Gränzsäulen, Schandsäulen u. s. f. sind. 2. In engerer Bedeutung. 1) In der Zimmermannskunst wird ein jedes aufrecht stehendes Zimmerholz, besonders so fern es etwas träget, eine Säule, in einigen Gegenden auch ein Ständer, genannt. Auch in kleinern Maschinen sind die Säulen oder Säulchen solche senkrecht stehende Hölzer, wie z. B. die Säulen an einem Bettgestelle. In manchen Fällen werden solche Säulen Pfosten und Studel genannt. 2) In der Baukunst ist die Säule ein zierlicher, senkrecht stehender, runder Pfeiler oder Stütze, wo so wohl diese ganze Stütze mit ihrem Zugehör, als auch in engerer Bedeutung, nur der runde Schaft allein mit diesem Nahmen belegt wird. Figürlich nennt man eine Person oder Sache eine Säule des Landes, der Kirche, der Familie u. s. f. so fern die Erhaltung und Sicherheit derselben auf ihr beruhet.

Anm. Bey dem Notker Siula, bey dem Willeram Sule, bey dem Stryker im männlichen Geschlechte der Seul, in den gemeinen Sprecharten die Saule, im Nieders. Süle, im Angels. Syl, im Wallis. Sail. Es hat hier die Bedeutung der Bewegung und Ausdehnung in die Höhe, und ist vermittelst des Endlautes e von dem veralteten sal, sul, hoch, gebildet, (siehe Sahl.) Im alt Schwed. bedeutet daher Sula einen Berg, und im Lat. ist salire springen, und saltare tanzen. Da Sahl aber auch eine Ausdehnung in die Länge bedeutet, so ist Syll im Schwed. und Süll im Nieders. eine Schwelle, so wie das Böhmische Sula, die Stärke, eine Figur des Masse, der Ausdehnung nach allen Seiten ist. S. Sahl.


Sauleder (W3) [Adelung]


Das Sauleder, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Das Leder von einer Sau, wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird; Schweinsleder. 2) In den niedrigsten Sprecharten, das verächtlichste Scheltwort auf eine unreinliche, grobe, ungesittete und lasterhafte Person.


Säulenfuß (W3) [Adelung]


Der Säulenfuß, des -es, plur. die -füße, in der Baukunst, der untere Theil einer Säule über dem Untersatze, welcher unten allezeit viereckt, übrigens aber rund ist, und auch das Schaftgesimse heißt. Von einigen wird auch, obgleich nicht so richtig, das Postement oder der Säulenstuhl mit diesem Nahmen beleget, S. das letztere.


Säulengang (W3) [Adelung]


Der Säulengang, des -es, plur. die -gänge, in der Baukunst, mehrere unter einem Hauptgesimse neben einander gestellte Säulen, vornehmlich wenn sie durch keine Bogen oben mit einander verbunden werden; in welchem Falle ein solcher Gang ein Bogengang heißt; die Säulenlaube, die Säulenstellung, nach dem Französ. die Colonnade.


Säulenordnung (W3) [Adelung]


Die Säulenordnung, plur. die -en, in der Baukunst, das Verhältniß der sämmtlichen Theile einer Säule, so wohl gegen einander als gegen Säule oder den Schaft selbst, welches auch nur die Ordnung schlechthin genannt wird. Die Toskanische, Dorische, Ionische, Korinthische und Römische Ordnung oder Säulenordnung.


Säulenschaft (W3) [Adelung]


Der Säulenschaft, des -es, plur. die -schäfte, der Schaft einer Säule, der Theil zwischen dem Capitale und dem Säulenfuße, welcher auch die Säule im engsten Verstande genannt wird.


Säulenspath (W3) [Adelung]


Der Säulenspath, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art Spathes, welcher in Gestalt vieleckiger Säulen bricht.


Säulenstein (W3) [Adelung]


Der "Säulenstein", des -es, plur. die -e, ein schwerer, harter und glänzender thonartiger Stein, welcher in vier bis achteckigen Säulen, die 1 1/2 Fuß dick, und 12 bis 14 Fuß hoch sind, gefunden wird; "Eisenmarmor", "Probierstein". Er gleicht einer Eisenschlacke und ist von Farbe bald schwarz, bald braun, bald grün. Von dem Äthiopischen "Basal", "Eisen", wird er auch "Basalt" genannt, weil man ihn zuerst aus Äthiopien zu uns brachte, ehe man entdeckte, daß er auch in Deutschland an vielen Orten gefunden wird.


Säulenstellung (W3) [Adelung]


Die Säulenstellung, plur. die -en, S. Säulengang.


Säulenstuhl (W3) [Adelung]


Der Säulenstuhl, des -es, plur. die -stühle, in der Baukunst, der zierliche viereckte Körper, worauf eine Säule mit ihrem Fuße stehet, und der ihr so wohl zur Erhöhung als zur Fertigkeit dienet; das Postement, bey einigen, obgleich irrig, der Säulenfuß.


Säulenweite (W3) [Adelung]


Die Säulenweite, plur. die -n, eben daselbst, die Entfernung zweyer Säulen von einander, welche durch eine horizontale Linie von der Achse der einen bis zu der Achse der andern Säule gemessen wird.


Saum (W3) [Adelung]


1. Saum, ein Wort, welches ursprünglich mit Sam einerley ist, und in einem eben so weiten Umfange der Bedeutung gebraucht wird, als Sahl; von welchem hier etwas überhaupt bemerkt werden muß, damit man den Zusammenhang der folgenden Wörter und ihrer Verwandten desto besser übersehen könne. Es ist so wie alle Wörter 1. eigentlich eine Nachahmung eines gewissen eigenthümlichen Lautes, von welchem schon bey den verwandten Sam, Same und Säen etwas gesagt worden. Summen und das Nieders. semmeln, ein langsames, albernes Geschwätz vorbringen, sind Intensiva davon, wo doch in dem ersten das tiefe u den groben, dumpfigen Laut bezeichnet. 2. In weiterer Bedeutung ist es ein Ausdruck der Bewegung, besonders einer solchen, als der durch Sam und Saum ausgedruckte Laut voraussetzt, wo es wieder sehr mancherley Arten der Bewegung bezeichnet. 1) Überhaupt; wohin der Begriff des Nehmens, an sich Reißens gehöret, daher das Lat. sumere, obgleich dieses auch zu sammeln, in einen Haufen vereinigen, gehören kann. Ferner Begriff des Zermalmens, daher das Lat. Simila, Semmelmehl; der Begriff des Nachahmens, similis, Simia, unser sam; der Begriff der schnellen Bewegung, wovon die Bedeutung des Lichts eine Figur ist, Engl. to seem, scheinen, und unser Sommer; der Begriff der sich in Einen Punct sammelnden Menge, daher Same, sammeln, Summa u. s. f. der Begriff der glatten, gleitenden Bewegung, daher Seim, Sumen, Schmer, sanft, ehedem samft, Sumpf; der Begriff der Langsamkeit, der Ruhe, daher säumen, Somnus, zahm u. s. f. obgleich dieser Begriff auch eine Figur der Aushöhlung, des Daches, des Schutzes seyn kann. 2) Besonders in Ansehung der Richtungen. (a) Der Ausdehnung in die Länge, daher der Begriff des Randes, wie 2 Saum, Sims, Gesims, Lat. Sima, Ziemer. Und die Figur der Zeitdauer, semper. (b) In die Höhe, wie summus, das Schlesische Saum, Milchrahm. (c) In die Krümme; daher der Begriff des Biegens, wie 3 Saum, ein umgebogener Rand, das Lat. simare, umbiegen, simus; vielleicht auch der Begriff des Verbindens, wie das Isländ. semja, verbinden, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gürtel, welches aber auch zum Begriff der Länge gehören kann. Daher ferner der Begriff eines hohlen Raumes, eines Gefäßes, wie das Oberdeutsche Simmer, ein Fruchtmaß, unser Zimmer u. a. m. und die gewöhnlichen Figuren der Ruhe, des Aufenthaltes u. s. f. wie säumen, zahm, Somnus. (d) Die Ausdehnung nach allen Richtungen; daher die Figur der Masse, der Quantität, der Menge, wie 4 Saum, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - der Leib, Summa, und nach neuen Figuren vielleicht auch das alte und noch jetzige Engl. so me, jemand, etwas, das Lat. sum, ich bin, u. s. f. S. auch Sahl, welches nur im Endlaute von diesem Worte verschieden ist, daher sich jenes sämmt- liche Bedeutungen auch bey diesem wieder finden, wo nicht in der Deutschen; doch gewiß in andern Sprachen.


Saum (W3) [Adelung]


2. Der Saum, des -es, plur. die Säume, Diminut. das Säumchen, Oberd. das Säumlein, ein Wort, welches zunächst den Begriff der Ausdehnung in die Länge gewähret aber nur in engerer Bedeutung von dem Rande, vom Ende der Ausdehnung eines Dinges gebraucht wird. Ehedem war es sehr üblich, den äußersten Rand der Kleidungsstücke zu bezeichnen, in welchem Verstande es in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt; z. B. deine Säume sind dir aufgedeckt, Jer. 13, 22. Wenn es hier einen umgeschlagenen Rand bedeuten soll, so würde es zunächst zu dem folgenden Worte gehören. Indessen wird es auch in andern Fällen noch mehrmahls von einem Rande gebraucht. Der Saum an einem gestrickten Garne ist eine Schnur, ein starker Faden, welcher durch die Maschen am Rande des Garnes gezogen wird. An den Segeln der Schiffe sind die Säume Seile oder Taue, welche zur Verstärkung der Segel längs dem Segelende befestiget werden. An einem Pferdehufe wird der Streifen, welcher oben um den Huf zwischen dem Horne und dem Fleische herumgehet, so wohl der Saum, als auch der Preis und die Krone genannt. Indessen ist Saum hier nur in einigen Fällen, Rand aber fast in allen üblich. Nur in der dichterischen Schreibart ist jenes von einem weitern Umfange. Ein goldner Saum verliert sich am Ende der Flügel (des Schmetterlinges) ins Grüne, Geßn. Hier steh ich an dem Saum einer Felsenwand, und seh ins niedere Thal, ebend. Wolken, die Gebirgen gleich, am Saume des Meeres aufsteigen, ebend. Auf einem perlenhellen Wagen Wird der Monarch der Wasserwelt Hoch auf dem Saum der Fluth getragen, Raml.

Anm. Zu dem Begriffe der Bewegung in die Länge überhaupt, gehören unser Sims, (welches aber auch den Begriff der Hervorragung leidet,) das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gürtel, das Nieders. Sömer, ein langer schlanker Pfahl u. a. m. Das Schlesische Saum, Sahne, Milchrahm, gehöret gleichfalls zu der Bedeutung des Randes. S. das vorige.


Saum (W3) [Adelung]


3. Der Saum, des -es, plur. die Säume, Diminut. das Säumchen, Oberd. Säumlein, ein mit dem vorigen sehr nahe verwandtes Wort, welches vornehmlich den Begriff der Bewegung in die Krümme hat, von welchem die Bedeutung der Umbiegung eine gewöhnliche Figur ist. Ein umgebogener oder umgeschlagener Rand, so wohl an den Zeugen, als an andern nur einiger Maßen biegsamen Körpern, bekommt beständig den Nahmen eines Saumes. Die Nähterinnen machen einen Saum, wenn sie den Rand eines Stückes Zeug umschlagen und fest nähen; ( S. 1. Säumen.) Bey den Hufschmieden ist der Saum der umgeschlagene Rand an einem Pferdehufe. Einen solchen Rand machen heißt bey ihnen, ein Hufeisen einsäumen oder einräumen, wo das letztere zu dem Geschlechte des Wortes Rand gehöret. Auf den Blechhämmern ist der Saum die zusammen geschlagene Seite der Stürzlein oder geschmiedeten Eisenplatten, welche von dem Saum aus gleicher breiter geschmiedet wird.

Anm. Im Nieders. Soom, im Angels. und Engl. seam, im Schwed. Söm, welches aber auch eine jede Fuge bedeutet. Der Begriff der Verbindung ist eine nahe Figur davon, und im Isländ. ist daher semja noch jetzt verbinden. S. 1 Saum.


Saum (W3) [Adelung]


4. Der Saum, des -es, plur. die Säume, in manchen Gegenden auch Saume, ein Wort, welches zunächst den Begriff der Masse, der Ausdehnung nach allen Seiten, der Last hat, aber nur noch im Handel und Wandel vieler Gegenden als ein Nahme eines Maßes, eines Gewichtes gebraucht wird. Zunächst scheinet es wohl so viel von einer Waare zu bezeichnen, als man auf ein gewis- ses Lastthier laden kann; daher dieses Wort auch im Oberdeutschen am häufigsten ist, wo man sich wegen der gebirgigen Gegenden der Pferde, Maulesel und Esel zum Lasttragen häufiger bedienet, als in Niederdeutschland. Pictorius erkläret Saum ausdrücklich durch so viel Last, als ein Roß trägt, und im Schwed. ist Some, onus Jumenti. In weiterer Bedeutung wird es aber auch überhaupt von einer gewissen bestimmten Menge und Schwere gebraucht, welche ungefähr so viel ist, als ein Lastthier tragen kann; wo es aber auch nur in einigen Gegenden, und von einigen Waaren üblich ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist Saum, und in Italien Soma, Salma, ein Maß flüssiger Dinge, welches zuweilen einen halben Eimer beträgt. Zu Gallipoli in Italien ist Salma ein Öhlmaß, welches 290 Pfund wiegt. Im Basel hält ein Saum drey Ohm oder Ahm, ein Ahm aber 32 alte, oder 40 neue Pott. In Zürich ist ein Saum 1 1/2 Eimer, in Bern aber 4 Eimer oder Breuten, welches zusammen 100 Maß machen. Vier Saum machen in Bern ein Faß, sechs Saum aber ein Landfaß. In Österreich ist Saum ein Handlungsgewicht, welches 275 Pfund wieget; in Botzen aber wieget es 400 Pfund. Am häufigsten werden die wollenen Tücher fast durch ganz Deutschland nach Säumen gerechnet, und da hält ein Saum in Wien, Nürnberg, Ulm, Frankfurt am Main, Sachsen, Berlin u. s. f. allemahl 22 Tücher oder Stücke Tuches, jedes von 32 Ellen. Im Braunschweigischen heißt ein solcher Saum, ein Stück. Wenn dieses Wort eine Zahl vor sich hat, so bleibt es nach dem Vorgange der meisten Wörter dieser Art im Plural unverändert; sechs Saum. Auf dem Harze ist Sahm ein Kohlenmaß, deren zwey ein Pferd tragen kann.

Anm. Es ist in dieser Bedeutung ein überaus altes Wort, welches mit dem Griech. und Lat. Sagma genau überein kommt. Schon in der Kirchenversammlung zu Metz vom Jahre 753 kommen Carri et Saumi vor. Im Ital. lautet es Soma, im Franz. Some, im mittlern Lat. Sauma, im Angels. und Engl. Seam, im Schwed. Some, im Bretag. Sam. Das Lat. Summa, das Bretagnische samma, niederdrücken, haben gleichfalls den Begriff der Menge, der Last, so wie in dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, der Leib, der Begriff der Masse der herrschende ist. Wenn bey dem Kero ein Lastthier Sonaz heißt, so muß dafür wohl Somaz, oder vielleicht noch besser Somar gelesen werden. S. Saumer, Saumthier und 1 Saum.


Säumen (W3) [Adelung]


1. Säumen, verb. reg. act. von 3 Saum, der umgebogene Rand, mit einem solchen Saume versehen, am häufigsten bey den Nähterinnen, den Rand eines Zeuges umschlagen und fest nähen, damit es sich nicht ausfase. Ein Schnupftuch säumen. Nieders. inbördken, sömen, von Bord, ein Rand. In weiterer Bedeutung von 2 Saum, der Rand überhaupt, ist ein Baum, einen Bretblock säumen, bey den Zimmerleuten und im Forstwesen, ihn beschlagen, ihn viereckig hauen, oder die Schwarten auf allen vier Seiten absägen. Daher gesäumte Breter, welche aus einem solchen Blocke geschnitten werden, im Gegensatze der ungesäumten.


Säumen (W3) [Adelung]


2. Säumen, verb. reg. welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, langsam in einer Bewegung oder in einer Handlung seyn, und in engerer Bedeutung fehlerhaft langsam seyn, langsam seyn, da man eilen sollte, welches man auch mit größten Theils gleichbedeutenden Wörtern zögern und zaudern nennet; im Gegensatze des Eilens. Ich will es thun und nicht säumen, Ezech. 24, 14 Der Tod säumet nicht, Sir. 14, 12. Häufet euch und säumet nicht, Jer. 4, 6. Ich habe nicht gesäumet. Ich fürchte doch, daß du säumen möchtest. 2. Als ein Activum, säumen machen, in der Bewegung, in einer Veränderung hindern, wo es ehedem für hindern überhaupt gebraucht wurde. Säume mich nicht mit dem Reuten, 2 Kön. 2, 24. Im Hochdeutschen ist es in dieser thätigen Gestalt wenig mehr üblich, doch gebraucht man es noch reciproce für das vorige Neutrum; sich säumen, säumen, zaudern, langsam seyn. Komm herab und säume dich nicht, 1 Mos. 45, 9. Der Herr säumet sich nicht, zu vergelten, 5 Mos. 7, 10. Ihre Tage werden sich nicht säumen, Es. 23, 22. Daher das Säumen, und obgleich seltener, die Säumung.

Anm. Bey dem Kero suuman, bey den Schwäbischen Dichtern sumen, in dem Buche Belial von 1483 samen, bey den heutigen Oberdeutschen saumen, im Nieders. sumen, im Franz. chomer, im Schwed. suma, im Isländ. söma; welche bey den letztern doch nur in dem zusammen gesetzten försuma und forsuma, versäumen, üblich sind. Das Wort ist alt, und schon in dem Galischen Gesetze ist Sonnis (richtiger Somnis) Versäumniß, Grund des Außenbleibens. Man siehet leicht, daß die heutige Bedeutung dieses Wortes eine Figur einer ältern eigentlichern ist. Aber welche diese ältere ist, läßt sich nicht mit Gewißheit bestimmen. Es kann solches, wie Wachter will, der Begriff der Last, der Schwere, seyn, ( S. 4 Saum.) Es kann aber auch von der Bedeutung der sanften, schleichenden, gleitenden Bewegung abstammen, und ein Verwandter von sanft, Seim u. s. f. seyn. Endlich kann auch der Begriff der Ruhe, der Muße, der Stätigkeit, der herrschenden seyn, welcher gemeiniglich eine Figur der Bedeckung, des hohlen Raumes ist. In den beyden letzten Fällen sind das Lat. Somnus, Schwed. Sömn, der Schlaf, sömnig, schläferig, das Schwed. Tom, Muße, das Säumen, (weil s und t oft mit einander abwechseln,) und unser zahm, Nieders. taam, damit verwandt. Ehedem hatte man auch das Nebenwort sam, für träge, faul, langsam, wovon Frisch verschiedene Beyspiele anführet. Das zusammen gesetzte versäumen hat so wohl die neutrale, als die active Bedeutung. S. 4 Saum, Säumig, Säumniß und Saumselig.


Saumer (W3) [Adelung]


Der Saumer, des -s, plur. ut nom. sing. von 4 Saum, Last; ein nur im Oberdeutschen übliches Wort. 1) Der Saumthiere hält, und selbige Lasten zu tragen vermiethet, ingleichen, der sie führet; im Österr. Samer, Ital. Somiere, Someggino, Someggiaro. Eben daselbst hat man auch das Zeitwort saumen, mit Saumthieren Waaren und Lasten verführen. Mit Eseln, mit Pferden saumen. 2) Ein Saumthier, besonders ein Saumroß; im Ital. Somaro, im Franz. Somier, im mittlern Lat. Somarius. Weil der Esel vornehmlich zu dieser Verrichtung gebraucht wird, so heißt er im Ital. Somaro, im Ungar. Szamur, und im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, wenn er diese Nahmen nicht vielmehr wegen seiner Trägheit hat, von dem vorigen 2 Säumen.


Saumesel (W3) [Adelung]


Der Saumesel, des -s, plur. ut nom. sing. im Oberdeutschen, ein Esel, welcher zum Lasttragen gebraucht wird; ein Packesel. S. 4 Saum und das vorige.


Saumhaft (W3) [Adelung]


Saumhaft, -er, -este, adj. et adv. säumig, saumselig; ein im Hochdeutschen wenig mehr übliches Wort.


Säumig (W3) [Adelung]


Säumig, -er, -ste, adj. et adv. von dem Zeitworte 2 Säumen, langsam in seinen Bewegungen und Verrichtungen, und darin gegründet; ingleichen in engerer Bedeutung, auf eine fehlerhafte Art langsam, zaudernd, zögernd. Mit der Bezahlung säumig seyn. Ein säumiger Schuldner. Sich in Verrichtung seiner Dienste säumig erweisen. Nieders. sümig. S. Saumselig.


Säumigkeit (W3) [Adelung]


Die Säumigkeit, plur. inus. der Zustand, die Eigenschaft einer Person, da sie säumig ist; die Saumseligkeit.


Saumlatte (W3) [Adelung]


Die Saumlatte, plur. die -n, an den Windmühlen, diejenige Latte, welche der Länge nach mitten durch jede Fläche des Flügels gehet. Vielleicht von Saum, so fern es den Begriff der Ausdehnung in die Länge hat, S. 1 und 2 Saum.


Säumniß (W3) [Adelung]


Die und das Säumniß, plur. die -sse, von dem Zeitworte 2 Säumen. 1) Von dessen neutralen Bedeutung, die Säumung, der Verzug. Ohn alle Säumniß eilen, Opitz. ( S. auch Versäumniß) 2) Von dessen activen Bedeutung, die Hinderung, und was uns hindert, das Hinderniß; da es zugleich ungewissen Geschlechtes ist, das Säumniß. In beyden Bedeutungen wird es im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht. In der ersten lautet es schon in den Galischen und Ripuarischen Gesetzen Sumnis, Sunnis.


Saumpferd (W3) [Adelung]


Das Saumpferd, des -es, plur. die -e, ober das Saumroß, des -sses, plur. die -sse, ein Pferd oder Roß, welches nicht zum Ziehen, sondern Lasten zu tragen gebraucht wird; eine vorzüglich im Oberdeutschen übliche Benennung, wofür man im Hochdeutschen den Ausdruck Packpferd gebraucht.


Saumsattel (W3) [Adelung]


Der Saumsattel, des -s, plur. die -sättel, ein hölzerner Sattel, worauf die Saumthiere ihre Lasten tragen.


Saumschicht (W3) [Adelung]


Die Saumschicht, plur. die -en, bey den Mäurern, diejenige Schicht oder Reihe Ziegel auf einem Dache, welche über den Sims des Hauses heraus lieget, und gleichsam den Saum des Daches ausmacht.


Saumselig (W3) [Adelung]


Saumselig, -er, -ste, adj. et adv. ein auch für säumig übliches Wort, besonders in engerer Bedeutung, auf eine fehlerhafte Art langsam, die pflichtmäßige Eilfertigkeit und den pflichtmäßigen Gebrauch der Gelegenheit aus Trägheit unterlassend. Saumselig seyn. Ein saumseliger Schuldner. Das im Hochdeutschen veraltete Hauptwort Saumsal, wovon dieses Beywort abstammet, ist noch in Baiern üblich, so wie auch Logau es noch gebraucht.


Saumseligkeit (W3) [Adelung]


Die Saumseligkeit, plur. doch nur von dieser Beschaffenheit in einzelnen Fällen, die -en, der Zustand, da eine Person oder Sache saumselig ist, die Unterlassung der pflichtmäßigen Geschwindigkeit, besonders im Gebrauche der Gelegenheit; die Säumigkeit, ehedem der Saumsal.


Saumtau (W3) [Adelung]


Das Saumtau, des -es, plur. die -e, auf den Schiffen, diejenigen Taue, womit die Segeltücher, Hangematten u. s. f. am Rande eingefasset werden. Ingleichen ein solches Tau, womit die Fischernetze eingefasset werden. S. 2 Saum.


Saumthier (W3) [Adelung]


Das Saumthier, des -es, plur. die -e, eine im Oberdeutschen übliche Benennung eines Thieres, welches zum Lasttragen gebraucht wird, dergleichen der Saumesel, das Saumroß, und in einigen Gegenden auch der Saumochs sind; das Lastthier, der Saumer.


Saumutter (W3) [Adelung]


Die Saumutter, plur. die mütter, eine Sau weiblichen Geschlechtes, wenn sie Junge hat, oder doch gehabt hat, S. Sau 2.


Saunest (W3) [Adelung]


Das Saunest, des -es, plur. die -er, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, ein im Pflügen aus Versehen oder Ungeschicklichkeit stehen gebliebenes Stück Erde, S. Sackhase.


Saunetz (W3) [Adelung]


Das Saunetz, des -es, plur. die -e, ein Netz, mit welchem auf Sauen, d. i. wilde Schweine, gestellet wird; das Saugarn.


Saurach (W3) [Adelung]


Der Saurach, des -es, plur. inus. eine in vielen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, übliche Benennung der Berberisstaude, wegen der angenehmen Säure ihrer Beeren, daher sie auch Säuerling, Sauerdorn, und in Österreich Weinschädling genannt wird. ( S. Berberis.) Die Endsylbe ach ist die Ableitungssylbe -ich.


Säure (W3) [Adelung]


Die Säure, plur. die -n, das Abstractum des Bey- und Nebenwortes sauer, für das schleppende Säuere, die saure Beschaffenheit eines Dinges. 1) Eigentlich, und ohne Plural, außer von mehrern Arten. Die Säure des Essiges, des Weines u. s. f. Dem Weine seine Säure benehmen. 2) Ein saurer flüssiger Körper, als ein allgemeiner Ausdruck. Die Salzsäure, Vitriolsäure u. s. f. Die Säure im Magen, sauer gewordene Säfte.


Saureißke (W3) [Adelung]


Der Saureißke, des -n, plur. die -n, eine Art Reißken von schwarzer und bläulicher Farbe, welche eine schlechte Speise der Menschen, aber eine bessere der Säue sind. S. Reißke.


Säuren (W3) [Adelung]


Säuren, S. Säuern.


Saurüde (W3) [Adelung]


Der Saurüde, des -n, plur. die -n, bey den Jägern, eine Art zotiger starker Hunde, welche ein wildes Ansehen haben und zu den Sauhatzen oder wilden Schweinsjagden gebraucht werden; der Rüdenhund. S. Rüde.


Saurüssel (W3) [Adelung]


Der Saurüssel, des -s, plur. ut nom. sing. der Rüssel einer Sau, oder eines Schweines.


Saus (W3) [Adelung]


Der Saus, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte sausen, ein sausender Laut, ein sausendes Getöse. 1) * Eigentlich, wo es doch im Hochdeutschen veraltet ist, wo man dafür lieber das Sausen, oder Gesause gebraucht. Thewrdank der Held hört den Saus, Theuerd. In einem stillen Suysse, Jeroschin. 2) Figürlich, das Getöse mit wilder Freude schmausender oder zechender Personen. Im Sause leben, oder auch im Sause und Brause, im Sause und Schmause leben. Sie lebten all mit ihm in Saus, Theuerd. Kap. 75. Der reiche Mann lebte alle Tag in dem Suß, Kaisersb. S. Sausen.


Sausack (W3) [Adelung]


Der Sausack, des -es, plur. die -säcke, ein mit zerschnittenem Specke, Schwarten, Semmel und Schweinsblut als eine Wurst gefüllter und hernach geräucherter Schweinsmagen; der Schweinsmagen, Schwartenmagen, die Magenwurst.


Sauschneider (W3) [Adelung]


Der Sauschneider, des -s, plur. ut nom. sing. der Schweinschneider.


Säuseln (W3) [Adelung]


Säuseln, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle des Hülfswort haben erfordert. Es ist das Diminut. des folgenden sausen, ein gelindes sanftes Sausen von sich geben und hervor bringen. Besonders von dem sanften Sausen eines gelinden angenehmen Windes. Der Weste Säuseln, Der Lerche Kräuseln, Weiße. Laß mit säuselndem West den Abend den Weltkreis erfrischen, Zachar. Wie säuselten die Lüste so gelinde Zu jener Ruh, Haged. Die Haine säuselten, Dusch. Ingleichen von einem ähnlich lautenden Tone der menschlichen Stimme, der eine Art eines leisen Singens ohne Worte ist. Ein Kind durch Säuseln in den Schlaf bringen, es einsäuseln, welches man im Niederdeutschen nach einer andern, aber ähnlichen Onomatopöie, hüssen, hüsseken nennet.


Sausen (W3) [Adelung]


Sausen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und einen gewissen starken, mit einem Zischen verbundenen Laut nach ahmet, den ein starker Wind oder eine schnell und heftig bewegte Luft am häufigsten von sich gibt; diesen Schall von sich geben und hervor bringen. Der Wind sauset um die Dächer. Du hörest das Sausen des Windes wohl, Joh. 3. 8. Nach dem Feuer kam ein stilles sanftes Saussen, (Sausen,) 1 Kön. 19, 12. ( S. Säuseln.) Das Meer sauset. Eine Kanonenkugel sauset, wenn sie schnell durch die Luft fähret, kleinere Kugeln pfeifen. Das Sausen und Brausen der Ohren, diejenige Empfindung in den Ohren, als wenn man einen starken Wind sausen und brausen höret. Ingleichen figürlich, sich auf eine wilde lärmende Art vergnügen. Es soll heute alles in Sausen und Schmausen bey mir gehen, Weiße. ( S. Saus.) So auch das Sausen.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern susen, im Nieders. susen, (welches auch von einer Art des Singens ohne Worte gebraucht wird, wofür im Hochdeutschen säuseln üblicher ist,) im Schwed. susa. Es ist eine unmittelbare Nachahmung der Natur.


Sausewind (W3) [Adelung]


Der Sausewind, des -es, plur. die -e, eigentlich ein heftiger sausender Wind. Man gebraucht es nur im figürlichen Scherze, von einer wilden unruhigen Person, welche theils ihre Geschäfte mit einem lärmenden Geräusche verrichtet, theils auch wilden lärmenden Vergnügungen ergeben ist. S. Saus.


Sauspieß (W3) [Adelung]


Der Sauspieß, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein starker Spieß mit einem Knebel, die Sauen oder wilden Schweine daran auflaufen zu lassen; das Fangeisen, die Schweinsfeder.


Saustall (W3) [Adelung]


Der Saustall, des -es, plur. die -ställe, ein Schweinstall.


Sautanne (W3) [Adelung]


Die Sautanne, plur. die -n, S. Bärlapp.


Sauwurz (W3) [Adelung]


Die Sauwurz, plur. inus. ein Nahme der großen oder knotigen Braunwurz, Scrophularia nodosa L. deren Wurzel und Blätter einen widrigen Geruch und bittern Geschmack haben.


Savoyer-Kohl (W3) [Adelung]


Der Savoyer-Kohl, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des weißen Wirsinges oder Berschkohles, Brassica oleracea Sabauda L. ohne Zweifel, weil er aus Savoyen zu uns gekommen.


Scapulier (W3) [Adelung]


Das Scapulier, des -es, plur. die -e, ein nur noch in der Römischen Kirche übliches Wort. 1) Das Scapulier der Mönche ist ein kurzes Oberkleid, welches nur die Schultern bedeckt, oder wie es gemeiniglich erkläret wird, in armos tantum clausa est, daher es im mittlern Lat. auch Armisausa hieß. Hier ist es aus Vestis scapularis, von Scapula, das Schulterblatt, entlehnet, und wurde im mittlern Lat. Scapulare genannt. 2) Der Rosenkranz wird daselbst gleichfalls noch das Scapulier genannt; ehedem der Schapel, welches auch einen Kranz überhaupt bedeutet, Franz. Chapelet. S. Schapel.


Scene (W3) [Adelung]


Die Scene, plur. die -n, S. Auftritt.


Scepter (W3) [Adelung]


Scepter, S. Zepter.


Sch (W3) [Adelung]


Sch, der volle oder grobe Zischlaut, welcher vornehmlich der Oberdeutschen Mundart, und auch hier manchen Provinzen mehr als andern eigen ist, obgleich die Niederdeutschen ihn auch nicht ganz vermissen. Indessen gebrauchen ihn diese nur vor einem Selbstlaute und vor dem r, dagegen sie sich vor dem l, m, n, und w, wie ihre Nachbarn, die weiter gegen Norden wohnenden Völkerschaften, mit einem bloßen einfachen s begnügen, und um deßwillen in dem Wohlklange vieles vor den Oberdeutschen voraus haben; smeken für schmecken, swart für schwarz, sniden für schneiden. Auch da, wo die Oberdeutschen das einfache s wie ein sch hören lassen besonders vor dem p und t, sprechen die Niederdeutschen nur ein einfaches s; ob es gleich auch gröbere Mundarten unter ihnen gibt, welche sogar das s vor der verkleinernden Endung chen, in ein sch verwandeln; Röschen für Röschen. ( Siehe S. wo von dieser Aussprache mehr gesagt worden. Die Westphalen haben nebst den Holländern und einigen nördlichen Völkerschaften dieses Besondere, da sie auch da, wo sie ein sch haben, es doch nicht zischend aussprechen können, sondern das s und den Gaumenlaut besonders hören lassen: Sgall für Schall, Fleisg für Fleisch, Sginken für Schinken. Ottfried und seine Zeitgenossen schreiben das sch gleichfalls häufig durch sg, frenkisga zungun, Fränkische Sprache. Dieser Zischlaut ist sehr oft unmittelbar aus der Natur entlehnet; rauschen ist ein anderer und stärker zischender Schall als rausen in brausen. In diesem Falle ist es freylich sehr unbequem, daß wir diesen einfachen Laut durch drey Buchstaben s, c und h ausdrucken müssen, welches bey dem Buchstabiren sehr viele Unbequemlichkeiten hat. Es haben daher schon mehrere ein eigenes Schriftzeichen für diesen Laut in Vorschlag gebracht, welches desto mehr zu billigen wäre, da uns unter andern auch schon die Hebräer mit ihrem - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Schin, darin vorgegangen sind. Allein, so nützlich ein solches eigenes Schriftzeichen für den jetzt gedachten Fall seyn würde, da dieser Laut wirklich einfach und aus der Natur entlehnet ist, so würde es doch in einer andern Betrachtung wieder seine Unbequemlichkeit haben. Denn in vielen Wörtern ist dieses sch wirklich aus zwey verschiedenen Lauten zusammen geschmolzen, nähmlich aus dem Gaumenlaute ch oder g, und aus dem vorgesetzten Zischer s, welcher entweder die Bedeutung verstärket, oder auch nur ein bloßes Eigenthum der Mundart ist. So ist Schall allem Ansehen nach aus Gall, gällen, und dem verstärkendem s gebildet, schehen in geschehen aus gehen u. s. f. wovon im folgenden häufige Beyspiele vorkommen werden. In diesem Falle würde es die Ableitung erschweren, weil man alsdann das s nicht so leicht von dem Gaumenlaute würde absondern können. Daß unsere Ableitungssylbe "-isch" auf eben diese Art, nähmlich durch den Zusatz des Zischlautes aus -ig, oder -icht, entstanden, ist schon an seinem Orte bemerket worden. In der Comparation solcher Beywörter, welche sich auf sch und isch endigen, wird im gemeinen Leben, und selbst bey vielen Sprachlehrer nicht genug für das Ohr gesorgt; närrischste, bübischste, keuschste, klingen überaus rauh und widrig. Die sich auf ein bloßes sch endigen, nehmen daher zu Milderung dieses Übelklanges ein e vor der Endsylbe an, welches auch die auf ß, st, und z thun; keuscheste, gewisseste. Aichinger und andere wollen dieses e auch bey denen auf isch eingeführet wissen; närrscheste, hämischeste u. s. f. wo aber bloß ein Übelklang durch den andern ersetzet wird. Am sichersten vermeidet man diese Superlativen; ist solches aber nicht möglich, so läßt sich der Übellaut sehr dadurch vermindern, daß man von der Endung ste das s verheißet, närrischte, bübischte, hämischte, parteyischte, schelmischte, höhnischte, knechtischte u. s. f.


Schaaf (W3) [Adelung]


Schaaf, Schaam, Schaar, S. Schaf, Scham, Schar.


Schabaas (W3) [Adelung]


Das Schabaas, des -es, plur. inus. bey den Gärbern, dasjenige Aas, d. i. Fleisch und Haut, was von der inwendigen Seite der Felle abgeschabet wird.


Schabab (W3) [Adelung]


Das Schabab, subst. indecl. plur. inus. ein nur im gemeinen Leben einiger Gegenden übliches, von dem Zeitworte abschaben gebildetes Wort, das Unnütze oder Unreine zu bezeichnen, was von einem andern Dinge abgeschabet, und in weiterer Bedeutung, abgesondert wird; das Schabsel, Abschabsel, Nieders. Schabels. Dem Frisch zu Folge wird der Raden in einigen Gegenden Schabab genannt, weil er als untauglich von dem Getreide abgesondert werden muß. Daher gebrauchte man es ehedem auch figürlich für Auswurf, Ausschuß, Scheusal u. s. f. Er mußte von jedermann bey der Pfaffheit Schabab seyn, Hedion in der Kirchenhist. bey dem Frisch. Ich zeuch dahin du bist Schabab, Hans Sachs. Wo es in unsern jetzigen Bibel-Ausgaben, 1 Cor. 4, 13, heißt, und ein Fegopfer aller Leute, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, da hieß es in den Ausgaben von 1522, 1524 und 1527, und eyns ydermans schabab. In dem alten Reimspruche hingegen, da man von einem Verstorbenen sagt; Ein Tuch ins Grab, damit schabab, scheinet es aus abschieben, Nieders. abschuven, sich abführen, fortmachen, entstanden zu seyn.


Schabatte (W3) [Adelung]


Die Schabatte, plur. die -n, ein nur in den Kupferbämmern übliches Wort, wo das Gestell, worin ein Amboß stehet, mit diesem Nahmen beleget wird. Das Wort ist allem Ansehen nach ausländisch.


Schabbelschnabel (W3) [Adelung]


Der Schabbelschnabel, eine Art Vögel. S. Schapelschnabel.


Schabe (W3) [Adelung]


Die Schabe, plur. die -n, von dem Zeitworte schaben. 1. Ein Ding welches schabet, ein Werkzeug zum Schaben. 1) Ein Ding welches schabet. So führen verschiedene Arten von Insecten, welche andere Körper zerfressen oder zernagen, den Nahmen der Schaben. Dahin gehöret die Motte, Phalaena Tinea L. die Milbe, Blatta L. die Assel, welche nicht nur Kellerschabe, sondern auch nur Schabe schlechthin genannt wird, ( S. Assel.) Die Bäckerschaben sind eine Art schwarzer, breiter Mehlwürmer, welche sich gern bey den Bäckern in dem Mehle aufhalten. Auch der Riehwurm, welcher sich in den Bienenstöcken aufhält, wird so wohl Schabe als Motte genannt. In allen diesen Fällen lautet das Wort in vielen Gegenden Schwabe, ( S. dasselbe.) 2) Ein Werkzeug zum Schaben. So heißt die Thonschneide der Töpfer bey ihnen auch die Schabe. Hierher scheinet auch das unter dem Nahmen der Schabe bekannte Fischnetz zu gehören, welches in den meisten Gegenden verbothen ist, und der Raffel ähnlich zu seyn scheinet, ( S. dieses Wort.) Das Nachtfischen mit Schaben oder Schiefern, heißt es in der Sächsischen Fischerordnung. Wenn es nicht vielmehr von schieben abstammet. 2. Der Zustand, da man sich schabet oder schaben muß, ohne Plural; in welchem Verstande die Krätze im gemeinen Leben häufig die Schabe genannt wird. Lat. Scabies, Ital. Scabbia, Engl. Scab, Angels. Scacb. S. Schäbig.


Schäbe (W3) [Adelung]


Die Schäbe, plur. die -n, ein nur in dem Salzwerke zu Halle, in dem zusammen gesetzten Bortschäbe übliches Wort, diejenigen Bleche zu bezeichnen, womit der Rand der Salzpfannen erhöhet wird. Vielleicht von schieben, weil diese Bleche gewisser Maßen angeschoben werden.


Schabebaum (W3) [Adelung]


Der Schabebaum, des -es, plur. die -bäume, ein Baum, welcher vorn zwey Füße hat, hinten aber auf der Erde liegt, auf und über welchen die Gärber, Pergamenter u. s. f. die Häute so wohl rein, als dünne schaben. S. Schabebock.


Schabeblech (W3) [Adelung]


Das Schabeblech, des -es, plur. die -e, bey den Schustern, eine spitzige stumpfe Messerklinge, das überflüssige Wachs damit aus den weißen Nähten zu schaben; die Schabeklinge.


Schabebock (W3) [Adelung]


Der Schabebock, des -es, plur. die -böcke, ein Bock oder Gestell der Kammmacher, welches dem Schabebaum der Gärber vollkommen gleich ist, das behauene Horn darauf gleich zu schaben.


Schabebret (W3) [Adelung]


Das Schabebret, des -es, plur. die -er, ein Bret der Lederarbeiter, das Leder darauf zu beschaben.


Schabedegen (W3) [Adelung]


Der Schabedegen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug von Stahl der Zinngießer, in Gestalt eines flachen Dolches mit einem Hefte, ihre Arbeiten damit zu beschaben.


Schabeeisen (W3) [Adelung]


Das Schabeeisen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Eisen, oder eisernes Werkzeug, andere Dinge damit zu beschaben, dergleichen mehrere Künstler und Handwerker haben. Bey den Klämpenern ist ein Messer, das Messing rein zu schaben; bey den Schwertfegern ein Eisen mit einem Hefte, die Metalle vor dem Polieren damit zu beschaben, wo es auch der Schaber heißt; bey den Böttchern ein scharfer Halbzirkel mit zwey Griffen, das Inwendige der Fässer glatt zu schaben; bey den Kupferstechern ein Werkzeug, in die zur schwarzen Kunst aufgeackerte Platte die Achter einzuschaben, die Schabebrücke, der Schabekrug; bey den Lohgärbern eine krumme Klinge mit zwey Griffen, die Haare und das Fleisch damit von den Fellen zu schaben, das Haareisen, Streicheisen u. s. f.


Schabehobel (W3) [Adelung]


Der Schabehobel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Hobel der Instrumentmacher, feste Materien damit zu schaben.


Schabeklinge (W3) [Adelung]


Die Schabeklinge, plur. die -n, eine Klinge verschiedener Handwerker und Künstler, andere Dinge damit zu beschaben. S. Schabeblech.) Auch die Beindrechsler haben eine solche Klinge, das Bein auf den Boden glatt zu schaben, welche bey ihnen der Schabklinger heißt.


Schabekrücke (W3) [Adelung]


Die Schabekrücke, plur. die -n, S. Schabeeisen.


Schabekrug (W3) [Adelung]


Der Schabekrug, des -es, plur. die -krüge, S. eben daselbst.


Schabemesser (W3) [Adelung]


Das Schabemesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Messer zum Schaben, dergleichen besonders die Pergamenter und andere Handwerker haben.


Schaben (W3) [Adelung]


Schaben, verb. reg. act. 1) Stark, und mit einem diesem Zeitworte eigenthümlichen Geräusche reiben. Die Thiere schaben sich, wenn sie sich den Leib an Bäume, Wände u. s. f. reiben. Hiob schabete sich mit Scherben, Hiob 2, 8. In den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, hat man in dieser Bedeutung auch die Intensiva schabben und schubben, welche im Gebrauche noch niedriger sind, als das einfachere Zeitwort; Schwed. skubba. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, mit einer scharfen und schneidenden Fläche reiben, um dadurch etwas wegzuschaffen, oder einem Dinge eine Zubereitung zu geben. Den Koth von etwas schaben. Den Käse schaben, das Äußere davon abschaben. Möhren, Rüben schaben, durch Schaben reinigen. Jemanden ein Rübchen schaben, ( S. Rübe.) Mit einem Messer, mit einem Stücke Glas u. s. f. schaben. Im Nieders. bedeutet es auch die Flächen eines Deiches eben und glatt abstechen. Bey den Fischern ist das Schaben und Schiefern eine verbothene Art des Fischens, ( S. Schabe.) Figürlich, doch nur in den niedrigen Sprecharten, ist schaben, Geld zusammen schaben, es durch den niedrigsten, ängstlichen Geitz zusammen bringen. Daher das Schaben.

Anm. Bey dem Notker scaben, im Nieders. schaven, im Angels. scafan, sceafan, im Engl. to shave, im Schwed. skafva, im Lat. scabere, im Griech. intensive - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es ist eine Onomatopöie, und bedeutet in den verwandten Sprachen allerley verwandte Handlungen. So ist z. B. im Holländischen schaeven hobeln, und Schaeve ein Hobel. Unser scheuern ist nahe damit verwandt, nur daß es vermöge der Endsylbe -ern, ein Intensivum oder Iterativum ist. S. auch Schieben, welches einen ähnlichen, aber wegen des gedehntern ie langsamern Laut ausdruckt.


Schabengift (W3) [Adelung]


Das Schabengift, S. Schwabengift.


Schabenkraut (W3) [Adelung]


Das Schabenkraut, des -es, plur. inus. eine Art der Königskerze, welche im mittägigen Europa wächst; Verbascum Blattaria L. Mottenkraut; vielleicht weil es die Schaben und Motten vertreibt.


Schaber (W3) [Adelung]


Der Schaber, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein Werkzeug zum Schaben, ( S. Schabeeisen.) 2) Im gemeinen Leben, eine verächtliche Benennung einer geitzigen, habsüchtigen Person. Daher die Schaberey.


Schaberusch (W3) [Adelung]


Der Schaberusch, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Schachtelhalmes oder Kannenkrautes, weil Holz u. s. f. damit geschabet oder gerieben und auf solche Art geglättet wird. Die letzte Sylbe ist das Wort Rusch, S. dasselbe.


Schabewolle (W3) [Adelung]


Die Schabewolle, plur. car. diejenige Wolle, welche die Weißgärber von den Schaf- und Hammelfellen schaben.


Schabsel (W3) [Adelung]


Das Schabsel, des -s, plur. doch nur im gemeinen Leben, ut nom. sing. dasjenige, was abgeschabet wird; Niedersächsisch Schavels.


Schach (W3) [Adelung]


1. Der Schach, der Raub, S. Schächer.


Schach (W3) [Adelung]


2. Der Schach, ein Viereck, S. Schacht.


Schach (W3) [Adelung]


3. Schach, ein in dem bekannten Schachspiele übliches Wort, welches daselbst in folgenden Bedeutungen vorkommt. 1) Der vornehmste Stein dieses Spieles führet bey den Morgenländern, wo dieses Spiel einheimisch ist, den Nahmen des Schaches, welches noch jetzt in den Morgenländern sehr bekannte Wort einen König oder Fürsten bedeutet. Im Deutschen ist es in dieser Bedeutung unbekannt, weil dieser Stein bey uns der König genannt wird. 2) Von diesem Könige, dem vornehmsten Steine, wird dieses Spiel selbst zuweilen Schach genannt, wo es doch nur ohne Artikel üblich ist. Schach spielen. Zwey Spiele Schach spielen. Zuweilen höret man es alsdann auch mit dem ungewissen Artikel; das Schach ist ein scharfsinniges Spiel. 3) In der Schweiz nennet man auch das Schachbret nur Schach schlechthin, und daher kommt die noch nicht ganz veraltete Redensart, im Schach spielen, für Schach spielen. Endlich 4) ist es auch in diesem Spiele ein sehr übliches Wort, den König zu nennen. Schach dem Könige! Dem Könige Schach biethen, ihn durch einen andern Stein nöthigen, seine Stelle zu verlassen. Den König schachmatt machen, ( S. Schachmatt.) Wo es üblich ist, da biethet man auch der Königinn Schach. In dieser Bedeutung ist es ein bloßer Mißbrauch, der aus Unkunde der wahren Bedeutung dieses Wortes entstanden. Wenn die Morgenländer den König durch einen Stein bedrohen, so rufen sie z. B. Schach Ruch, das heißt, der König wird von dem Rochen bedrohet oder gewarnet. Hierdurch sind die Europäer verleitet worden, den Ausdruck in der jetzt gedachten Bedeutung einzuführen.

Anm. Im Franz. Echec, im Ital. Scacco, im Engl. Chess. Sehr viele Wortforscher haben es von dem veralteten Schach, Raub, das Rauben, ( S. Schächer) ableiten wollen; allein der nur bey ausländischen Wörtern übliche indeclinable Gebrauch des Wortes Schach hätte sie schon belehren können, daß das Wort ausländisch seyn müsse. Die Geschichte dieses Spieles wird solches noch mehr erhärten. Dieses Spiel ist in ganz Asien gewöhnlich, und ist dem übereinstimmigen Zeugnisse aller Morgenländer zu Folge in ganz Indien, und wie die Perser behaupten, von einem gewissen Zezeh Eben Daher erfunden worden. Es ist ein Kriegsspiel, und bildet die alte Indianische Art zu kriegen sehr deutlich ab. Die Römer lerneten es vermuthlich bey ihren Kriegen in Asien kennen, und nannten es Ludum latronum oder latrunculorum, nicht von latro, ein Räuber, sondern so fern dieses Wort ehedem einen Soldaten, einen Krieger, in gutem Verstande bedeutete. Nachmahls scheinet es in Europa in Vergessenheit gerathen zu seyn, bis es durch die Araber in Spanien wieder bekannt geworden, da es denn unter andern an Carls des Großen Hofe sehr üblich war, wie denn auch die von ihm gebrauchten Schachsteine noch zu St. Denis gezeiget werden. Die Perser und meisten Morgenländer nennen das Spiel Setrenge, d. i. tausend Sorgen, wegen des dazu nöthigen Nachdenkens, ( S. Angeli a S. Josepho Gazophylac. linguae Pers. S. 370,) wovon auch die neuern Griechen ihr - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - entlehnet haben; die Chineser das Elephantenspiel u. s. f. Bey allen aber heißt der erste und vornehmste Stein, der die Seele des Spieles ist, Schach, Pers. Cha, d. i. König oder Fürst; und diesen Nahmen haben die Europäer beybehalten, ob sie ihm gleich manche ihm fremde Bedeutungen beygelegt haben. Die Franzosen nennen auch alle Schachsteine les Echecs. In Deutschland sind nach und nach dreyerley Arten dieses Spieles üblich gewesen; das große, das kleine, und dasjenige, welches jetzt überall gespielet wird. Das große, welches dasjenige ist, von welchem die Schriftsteller des 12ten und 13ten Jahrh. reden, hat sich noch bis auf unsere Zeiten in dem Halberstädtischen Dorfe Ströpke erhalten, dessen Einwohner von undenklichen Zeiten her den Ruhm geschickter Schachspieler haben. Sie nennen es das Courier-Spiel, und spielen es auf einer länglichen Tafel von 96 Feldern, wovon 12 auf der langen und 8 auf der kurzen Seite sind. Jeder Spieler hat 24 Steine, nähmlich außer den 16 gewöhnlichen zwey Courier, einen Rath für den König, welchen sie den Alten oder des Königs Mann nennen, einen Narren für die Königinn, der den Nahmen Schleich führet, und vier Bauern. Das kleine Schach wird noch in eben diesem Dorfe beybehalten, und mit 16 Steinen in 64 Feldern eben wie das große gespielet. Sie nennen es das alte Spiel, dagegen unser gewöhnliches Schachspiel bey ihnen den Nahmen des Wälschen Schachs führet. Ein Mehrers würde hier am unrechten Orte stehen; doch ist bey den Nahmen der Steine dieses Spieles noch manches hierher gehörige bemerket worden. S. Thom. Hyde de iudis orient. Oxford 1694 in 8.


Schachbret (W3) [Adelung]


Das Schachbret, des -es, plur. die -er, ein in viereckige Felder getheiltes Bret, worauf Schach gespielet wird; im Oberd. auch nur der Schach, ingleichen die Schachtafel.


Schachen (W3) [Adelung]


Schachen, in Vierecke theilen, S. Schachten.


Schächer (W3) [Adelung]


Der Schächer, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes, aber noch in einigen Oberdeutschen Gegenden übliches Wort, einen Räuber und Mörder zu bezeichnen. Man gebraucht es nur noch zuweilen in der theologischen Schreibart, wenn von den zwey mit Christe gekreuzigten Übelthätern die Rede ist, welche Luther Mörder nennet. Das Wort ist alt und kommt schon bey dem Ottfried vor, der einen Räuber und Mörder mehrmahls Scaher nennet. Scahero luag ist bey ihm eine Räuberhöhle oder Mördergrube. Sich legt an den Weg als ein schacher, heißt es in einer alten Übersetzung der Sprüche Salomo von 1400, Kap. 23, 28. Es stammet von dem veralteten Zeitworte schachen, Franz. saccager, her, welches überhaupt eine schnelle Bewegung machen, in engerm Verstande aber rauben, tödten, niedermachen bedeutet hat, ( S. Schächten,) und sich von jagen nur durch den Zischlaut unterscheidet. Es ist noch im Niederdeutschen üblich, wo es schaken lautet, und besonders von der Entführung eines Frauenzimmers gebraucht wird. Das Hauptwort Schach, im mittlern Lat. Scacus, Holl. Schaek, war für Raub, Rauberey, ehedem gleichfalls sehr üblich, und kommt bey unsern alten Oberdeutschen Schriftstellern häufig vor. Die erste und ursprüngliche Bedeutung ist, wie in Raub und andern ähnlichen Wörtern, die heftige Bewegung, daher die Verwandtschaft mit Schäker, schicken, Schal, schaukeln, dem Angels. scacan, dem Engl. to shock, stoßen, schütteln, dem Franz. chocquer u. s. f. leicht kenntlich ist. Wenn Schächer im vertraulichen Scherze zuweilen als ein Scheltwort gebraucht wird, ein armer Schächer, ein armer Mensch, so hat es dieses mit Schelm und andern Ausdrücken gemein, ob es gleich auch hier für Schäker stehen kann.


Schächerkreuz (W3) [Adelung]


Das Schächerkreuz, des -es, plur. die -e, in der Wapenkunst, ein wie ein großes Y gebildetes Kreuz, weil die mit Christo hingerichteten Schächer an ein solches sollen seyn gehenket worden; das Gabelkreuz. Andere belegen das Andreas-Kreuz, welches einem X gleicht, mit diesem Nahmen.


Schachkraut (W3) [Adelung]


Das Schachkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Pfriemenkrautes, Spartium scoparium L. ( S. Geniste.) Ohne Zweifel von dem veralteten schachen, welches unter andern auch in eine scharfe Spitze zulaufen, ingleichen stechen, bedeutet hat, wegen der spitzigen Ruthen und Blätter. S. Schächer und Schächten.


Schachmatt (W3) [Adelung]


Schachmatt, adj. et adv. welches eigentlich im Schachspiele üblich ist. Der König ist schachmatt, wenn ihm alle Zugänge so besetzt sind, daß er keinen Zug thun kann, sondern sich ergeben muß. In weiterer Bedeutung wird es auch für völlig entkräftet und kraftlos gebraucht. Schachmatt seyn. Es ist als ein Nebenwort am üblichsten, wird aber doch auch zuweilen als ein Beywort gebraucht. Ein schachmatter König.

Anm. Ital. Scacco-matto, Franz. Echec et mat, richtiger Echec est mat. so deutsch auch dieses Wort aussiehet, so morgenländisch ist es doch. Die erste Hälfte ist das Arab. Schach, der König, und die letzte das morgenländische mat todt, Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Wenn der König im Schachspiele in diesem Zustande der Ohnmacht ist, der dem ganzen Spiele ein Ende macht, so sagen die Araber Schach mat, die Perser aber Scia-mat, d. i. der König ist todt, oder überwunden. Von diesen ist es mit dem Schachspiele selbst nach Europa gekommen. S. Matt und Metzeln.


Schachspiel (W3) [Adelung]


Das Schachspiel, des -es, plur. die -e, das unter dem Nahmen des Schachs bekannte morgenländische Spiel, dasjenige Spiel, worin der Schach oder König der vornehmste Stein ist, das Königsspiel; ohne Plural. Ingleichen ein einzelnes Spiel in dieser Art zu spielen. S. Schach.


Schachstein (W3) [Adelung]


Der Schachstein, des -es, plur. die -e, ein Stein, oder Körper, in dem Schachspiele, womit dieses Spiel gespielet wird.


Schacht (W3) [Adelung]


Der Schacht, des -es, plur. die Schächte, ein Wort, welches besonders in einer dreyfachen Hauptbedeutung gebraucht wird, welche dem Ansehen nach sehr verschieden sind, aber doch darin überein kommen, daß sie insgesammt ausgedehnte Räume oder ausgedehnte Körper bedeuten. 1. Einen bloß in die Länge ausgedehnten Körper. In diesem Verstande ist im Nieders. Schacht und Schecht eine hölzerne Stange, Hopfenschächte, Hopfenstangen u. s. f. Auch der Schaft an einem Spieße heißt im Nieders. und Holländ. Schacht und Schicht. Wir gebrauchen dafür in vielen Fällen Schaft, welches auf eben die Art von schaffen abstammet, wie Schacht von schachen. 2. Eine in die Länge und Breite ausgedehnte Fläche. 1) Überhaupt; in welchem Verstande es besonders im Forstwesen für Gegend üblich ist. Dieß ist ein schöner Schacht Holz, eine schöne mit Holz bestandene Gegend, ein schönes Holz. Feldschächte sind daselbst die Feldhölzer, oder kleinen auf dem Felde mit Holz bewachsenen Gegenden. 2) In engerer Bedeutung. (a) Ein Körper, welcher beynahe so lang als breit, aber nach dem Verhältniß der Länge und Breite sehr dünn ist, ( S. Schicht.) In diesem Verstande ist es in der Feldmeßkunst u. s. f. eine körperliche Größe, woran die Breite und Länge einander gleich ist, die Dicke aber nur den zweyten Theil der Länge beträgt. Ein Schacht oder Schiffschuh ist ein Körper, der z. B. eine Ruthe lang und breit und einen Fuß dick ist, welcher denn zur nähern Bestimmung ein Ruthenschacht genannt wird. Ein Schuhschacht ist ein Körper, der einen Schuh lang und breit, aber nur einen Zoll dick ist. So auch Zollschacht, Linienschacht u. s. f. Daher das Schachtmaß, die Art und Weise, die Körper auf diese Art zu messen, die Schachtruthe, eine solche Ruthe, der Schachtschuh oder Schachtfuß, der Schachtzoll, die Schachtlinie u. s. f. (b) Ein jedes Quadrat, d. i. ein gleichseitiges Viereck, ohne den Nebenbegriff der Dicke. In dieser Bedeutung lautet es in einigen Gegenden auch Schach, Ital. Scacco; daher einige den Nahmen des Schachspieles daher leiten wollen, weil es auf einer in solche Schache oder Schächte getheilten Fläche gespielet wird. 3. Ein in die Tiefe ausgedehnter Raum; in welchem Verstande es ehedem eine jede Grube bedeutete. Hornegk gebraucht es noch für eine Grube oder einen Graben, im mittlern Lat. Schachta; in Golii Onomast heißt ein Abtritt der Schacht. In der Hochdeutschen Mundart kommt es wenig mehr vor, doch haben die Bergleute es noch aufbehalten, bey welchen es in einem doppelten Verstande üblich ist. 1) Der oberste Theil der viereckten Höhlung eines hohen Ofens, durch welchen die Kohlen und Eisensteine eingestürzet werden, heißt der Schacht, im Gegensatze des Herdes. 2) Ein von der Dammerde gerade in die Tiefe gemachtes Loch, wodurch man in die Erzgruben aus- und einfähret, Erz, Berge und Wasser hinauf schaffet u. s. f. Gemeiniglich gehen die Schächte senkrecht, aber nach Beschaffenheit der Umstände werden sie auch nach einer schiefen Richtung geführet. Am häufigsten sind sie viereckt, obgleich auch dieß nicht wesentlich ist. Nach Maßgebung ihres Endzweckes bekommen sie verschiedene Nahmen; daher hat man Fahrschächte, Förderschächte, Kunstschächte u. s. f. Einen Schacht abteufen oder absinken, ihn graben, verfertigen; ihn austonnen, mit Bretern ausschlagen; ihn auswechseln, mit frischem Holze anstatt des faulen auszimmern u. s. f. Der Plural lautet im Hochdeutschen beständig Schächte, im Oberdeutschen aber auch Schachte. Du hast Der Schachten Erz aus Sand geschmelzt, Hall.

Anm. In dieser letzten Bedeutung im Schwed. Skackt, im Böhm. Ssachta, im mittlern Lat. Xasetus, nach einer gewöhnlichen Verwechselung der Hauch- und Blaselaute, daher auch im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - graben ist. Schacht stammet von schachten, oder vermittelst des intensiven t unmittelbar von dem veralteten schachen, her, welches eine schnelle Bewegung überhaupt, und eine Bewegung nach verschiedenen Arten von Richtungen besonders bedeutet. Im Nieders. ist schechten schnell hin und her laufen. Zu der zweyten Bedeutung der Tiefe, der Höhlung, gehöret auch unser Schachtel. S. dasselbe, ingleichen Schächer.


Schachtafel (W3) [Adelung]


Die Schachtafel, plur. die -n, eigentlich, eine Tafel, auf welcher Schach gespielet wird, wofür jetzt Schachbret üblicher ist. Ehedem nannte man auch das Schachspiel selbst Schachtafel, und nach der Mundart einiger Oberdeutschen Gegenden auch Schachzabel, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Scazable, bey dem Hornegk Geschachezabel, Schwed. Skafttafvel.


Schachtbühne (W3) [Adelung]


Die Schachtbühne, plur. die -n, im Bergbaue, Bühnen oder Absätze, welche in einem Fahrschachte angebracht werden, die Fahrten zu befestigen und den Bergleuten das Ein- und Ausfahren zu erleichtern.


Schachtel (W3) [Adelung]


Die Schachtel, plur. die -n, Diminut. das Schächtelchen, Oberd. Schächtellein, ein Behältniß von dünnen Seitenwänden, mit einem darüber passenden Deckel. Gemeiniglich sind die Schachteln aus dünnen Bretern zusammen gebogen, aber man hat sie auch von Pappe, Metall u. s. f. Die Figur und Tiefe ist gleichgültig; man hat runde, ovalrunde, viereckte mit rund gebogenen Ecken, ganz viereckte u. s. f. Schachteln. Die dünnen Seitenwände und der darüber passende Deckel scheinen die wesentlichsten Eigenschaften zu seyn. Nach dem Unterschiede ihrer Bestimmung bekommen sie allerley Nahmen; Haubenschachtel, Puderschachtel, Perrückenschachtel, Latwergenschachtel u. s. f. Ein Satz Schachteln, oder ein Einsatz, mehrere Schachteln von verschiedener Größe, wovon immer eine in die andere passet.

Anm. Im Ital. Scatola. Die Endsylbe -el bezeichnet hier kein Diminutivum, sondern ist die Ableitungssylbe -el oder -er, ein Ding, Subject. Die erste Sylbe gehöret ohne Zweifel zu dem vorigen Worte Schacht in dessen dritten Bedeutung, so daß Schachtel eigentlich ein hohles Ding, einen hohlen Raum bedeutet. Das Ital. Scatola bedeutet auch einen kleinen Schrank.


Schachtelborste (W3) [Adelung]


Die Schachtelborste, plur. die -n, diejenigen Schweinsborsten, welche die Schuster, Sattler, Riemer u. s. f. an ihren Draht machen, damit sie solchen desto leichter durch die mit der Ahle gemachten Löcher ziehen können; weil man sie in Schachteln einmacht und verkauft.


Schachteldeckel (W3) [Adelung]


Der Schachteldeckel, des -s, plur. ut nom. sing. der Deckel auf einer Schachtel.


Schachtelhalm (W3) [Adelung]


Der Schachtelhalm, des -es, plur. inus. eine Art des Katzenschwanzes oder Kannenkrautes, Equisetum L. welche zur Glättung allerley Holzwerkes gebraucht wird; Schafthalm, Schachtelheu, Schaftheu, Nieders. Duwock. Der Nahme Schachtelhalm scheinet hier von Schacht 1, ein langer dünner Körper, abzustammen, und so Schafthalm, die gerade, lange, dünne Beschaffenheit der Stiele zu bezeichnen, oder auch von Schacht 3, um der hohlen Beschaffenheit der Stängel willen.


Schachtelmacher (W3) [Adelung]


Der Schachtelmacher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher vornehmlich hölzerne Schachteln auf den Kauf verfertiget.


Schachtelmahler (W3) [Adelung]


Der Schachtelmahler, des -s, plur. ut nom. sing. eine an einigen Orten übliche Benennung einer Art geringer Mahler, welche die hölzernen Schachteln bemahlen und auch Briefmahler genannt werden.


Schachteln (W3) [Adelung]


Schachteln, verb. reg. act. mit Schachtelhalm reiben, polieren. Elfenbein schachteln.


Schachtelstock (W3) [Adelung]


Der Schachtelstock, des -es, plur. die -stöcke, der hölzerne Klotz, über welchen die Schachteln geformt werden; die Schachtelform.


Schachtelzarge (W3) [Adelung]


Die Schachtelzarge, plur. die -n, die Seitenwände einer Schachtel; die Schachtelschiene. S. Zarge.


Schachten (W3) [Adelung]


Schachten, verb. reg. act. von Schacht, ein Quadrat, in gleichseitige Vierecke theilen. Ein geschachtetes Feld in einem Wapen, welches wie ein Schachbret in lauter gleiche Quadrate getheilet ist. Bey einigen auch schachen. S. Schacht 2.


Schächten (W3) [Adelung]


Schächten, verb. reg. act. welches nur bey den Juden für schlachten üblich, und augenscheinlich aus dem Hebräischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schlachten, entlehnet ist. Daher der Schächter, derjenige, der das Vieh schlachtet. Das im gemeinen Leben übliche jemanden schächten, welches so wohl für bevortheilen, als auch für ausprügeln gebraucht wird, ist keine Figur davon, sondern allem Ansehen nach ein Intensivum von dem veralteten schachen, schnelle Bewegungen machen, ingleichen jagen, treiben. S. Schächer und Schacht.


Schachtfuß (W3) [Adelung]


Der Schachtfuß, des -es, plur. die -füße, und wenn ein Zahlwort vorher gehet, plur. ut nom. sing. S. Schacht 2.


Schachtholz (W3) [Adelung]


Das Schachtholz, des -es, plur. die -hölzer, im Bergbaue, so wohl diejenigen Hölzer, womit ein Schacht inwendig ausgezimmert wird, als auch diejenigen, womit er zugedecket wird.


Schachthut (W3) [Adelung]


Der Schachthut, des -es, plur. die -hüte, Diminut. das Schachthütchen, Oberd. Schachthütlein, kleine Hüte von Filz ohne Rand, deren sich die Bergleute bedienen, besonders wenn sie durch den Schacht in die Grube fahren.


Schachtkraut (W3) [Adelung]


Das Schachtkraut, des -es, plur. inus. ein Nahme des Behen, oder Gliedkrautes, Cucubalus Behen L.


Schachtlatte (W3) [Adelung]


Die Schachtlatte, plur. die -n, im Bergbauen, Latten, welche senkrecht an die Seiten des Schachtes befestiget werden, und woran die Kübel auf und niedergehen, die Schachtstangen.


Schachtmeister (W3) [Adelung]


Der Schachtmeister, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, der Vorgesetzte und Vornehmste unter denjenigen Arbeitern, welche einen Graben, Teich u. s. f. graben. Bey einem großen Graben, wo viele Arbeiter sind, theilet man sie in kleine Banden, d. i. Gesellschaften von Hackern, Ladern und Schubkärrnern. Der geschickteste Lader von jeder Bande wird zum Schachtmeister ernannt, der denn die übrigen seiner Bande regieret. Ohne Zweifel von Schacht, so fern es eigentlich einen jeden Graben, eine jede Grube bedeutet.


Schachtnagel (W3) [Adelung]


Der Schachtnagel, des -s, plur. die -nägel, im Bergbaue, große starke Nägel womit die Schachtlatten an die Seiten eines Schachtes befestiget werden.


Schachtruthe (W3) [Adelung]


Die Schachtruthe, plur. die -n, S. Schacht 2.


Schachtschiene (W3) [Adelung]


Die Schachtschiene, plur. die -n, im Bergbaue, starke eiserne Bleche, welche an den Stellen, wo zwey Schachtlatten zusammen stoßen, über dieselben geschlagen werden, alle Hervorragung zu vermeiden.


Schachtschuh (W3) [Adelung]


Der Schachtschuh, des -es, plur. die -e, S. Schacht 2.


Schachtstämpel (W3) [Adelung]


Der Schachtstämpel, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, auf beyden Seiten eingeschnittene Hölzer, welche zwischen die Wandruthen und Anfälle eines Schachtes getrieben werden.


Schachtstange (W3) [Adelung]


Die Schachtstange, plur. die -n, S. Schachtlatte.


Schachtstätte (W3) [Adelung]


Die Schachtstätte, plur. die -n, im Bergbaue, die Stätte, der Ort, wo sich ein Schacht befindet, oder wo er abgesunken werden soll.


Schachtsteuer (W3) [Adelung]


Die Schachtsteuer, plur. die -n, eben daselbst, diejenige Steuer, welche dem Eigenthümer eines Schachtes von fremden Gewerken entrichtet wird, wenn sie sich desselben zugleich mit bedienen wollen.


Schachtstoß (W3) [Adelung]


Der Schachtstoß, des -es, plur. die -stöße, eben daselbst, der Stoß, d. i. die kurze Seite eines Schachtes, wenn derselbe keinem Quadrate, sondern einem länglichen Vierecke gleicht. S. Stoß.


Schachttonne (W3) [Adelung]


Die Schachttonne, plur. die -n, eben daselbst, diejenigen Tonnen, d. i. Breter, womit ein Schacht ausgeschlagen wird. S. Tonne.


Schachtzoll (W3) [Adelung]


Der Schachtzoll, des -es, plur. die -zölle, und wenn ein Zahlwort vorher gehet, plur. ut nom. sing. S. Schacht 2.


Schäcke (W3) [Adelung]


Schäcke, Schäckig, S. Schecke u. s. f.


Schadbar (W3) [Adelung]


Schadbar, -er, -ste, adj. et adv. einen Schaden, eine Verletzung habend, beschädiget; wofür doch schadhaft üblicher ist.


Schadbürge (W3) [Adelung]


Der Schadbürge, des -n, plur. die -n, nur noch in einigen Gegenden, ein zweyter Bürge, welcher sich verbindet, den Hauptbürgen im Nothfalle schadlos zu halten; der Schadlosbürge, Rückbürge.


Schade (W3) [Adelung]


Die Schade, plur. die -n, in einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, ein Nahme der Alose, Clupea Alosa L. welche auch im Engl. Shadde heißt.


Schade (W3) [Adelung]


Der Schade, des -ns, plur. die Schäden, von dem Zeitworte schaden. 1. Eigentlich, eine jede körperliche Verletzung, die Verletzung so wohl eines leblosen als lebendigen Körpers. Ein Glas hat einen Schaden, wenn es einen Riß oder Sprung hat. Das Vieh thut den Feldfrüchten Schaden, wenn es dieselben zertritt oder abfrißt. Feuerschade, Wetterschade, Wasserschade, die durch Feuer, Wetter oder Wasser geschehene Verletzung unsers Eigenthumes. Am häufigsten von der Verletzung eines lebendigen Körpers. Einen Schaden am Auge, am Fuße haben. Ein offener Schade. Ein innerer Schade. Ein Schade am Leibe, ein Leibesschade. Ein frischer Schade heilet leicht. Schade um Schade, Auge um Auge u. s. f. 3 Mos. 24, 20. Es ist hier ein allgemeiner Ausdruck, welcher eigentlich alle körperliche Verletzungen und daraus entstehende Unvollkommenheiten in sich schließt, sie seyn nun Wunden oder Geschwüre u. s. f. Indessen hat der Gebrauch es auch hier in manchen Fällen eingeschränkt; besonders wird es nur mit gewissen einmahl eingeführten Zeitwörtern gebraucht. Man sagt nicht, jemanden einen Schaden machen, ihm einen Schaden zufügen, ihn an seinem Leibe oder an seiner Gesundheit verletzen; wohl aber Schaden nehmen, zu Schaden kommen, an seinem Leibe verletzet werden, besonders wenn es gewisser Maßen von ungefähr geschiehet. Es soll dir kein Schade geschehen, du sollst auf keine Weise an deiner Gesundheit verletzet werden, welche R. A. auch von leblosen Körpern gebraucht wird; es soll kein Schade daran geschehen. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Alles was den Zustand so wohl eines Dinges als einer Person unvollkommen macht, und die Verletzung in diesen Zustand; auch hier nur mit gewissen Zeitwörtern. (2) Im weitesten Verstande. Schaden an seiner Gesundheit, an seinem guten Nahmen, an seinem Vermögen, an seiner Seele leiden, wo man nicht Schaden nehmen oder zu Schaden kommen sagt, welche beyde R. A. nur von körperlichen Verletzungen gebraucht werden. Durch Schaden wird man klug. Jemanden Schaden thun, ihm Schaden zufügen. Das wird dir an deiner Ehre Schaden thun. Seiner Gesundheit Schaden thun. Seine Gewalt zu anderer Schaden mißbrauchen. Das wird dein Schade seyn, wird deinen Zustand unvollkommner machen. Dem Feinde im Kriege Schaden thun, Abbruch. (b) In engerer Bedeutung, Verminderung des Eigenthumes, so fern sie unvollkommener macht, Verlust am Vermögen; in welchem Verstande es beynahe am üblichsten ist. Nach ihrem Munde sollen alle Schäden gehandelt werden, 5 Mos. 21, 5. Jemanden Schaden thun, zufügen. Das thut mir vielen Schaden. Schaden bey einer Sache leiden. Eine Waare mit Schaden verkaufen. Schaden bey etwas haben. Einen Schaden ersetzen. Jemanden in Schaden bringen, setzen. Ein unersetzlicher Schade. Es ist für mehr als tausend Thaler Schade geschehen. Andern mit seinem Schaden dienen. Daraus könnte mir ein Schade erwachsen. Durch Schaden wird man klug, aber nicht reich. In Schaden gerathen. Etwas mit seinem Schaden lernen. Ich diene gern, aber ohne meinen Schaden. Einen Schaden tragen, den Verlust über sich nehmen. Das Verzeichniß der verursachten Schäden war zu hoch angerechnet. Daher es denn auch wohl überhaupt für einen jeden nachtheiligen Verlust gebraucht wird. Der Tod eines großen Mannes ist ein unersetzlicher Schade für ein Land. 2) Ohne Zweifel ist hieraus auch der elliptische Gebrauch dieses Hauptwortes entstanden, da man es als ein Zwischenwort gebraucht, sein Bedauern über etwas an den Tag zu legen. Das ist Schade! das ist ein bedauerlicher Verlust. Ist das nicht Schade? Ey Schade! Schade! Das ist ewig Schade, Mord Schade, Jammer Schade! im gemeinen Leben. Der Gegenstand, welchen man bedauert, bekommt, wenn er ein Hauptwort ist, das Vorwort um, sonst aber die Partikel daß, und von einer künftigen Sache wenn. Es ist Schade um ihn! er ist zu bedauern, ingleichen, der Verlust seiner Person ist zu bedauern. Es ist kein Schade um ihn, an ihm ist nichts verloren. Es ist Schade um das Mädchen, daß sie nicht zu leben weiß, Gell. Es ist Schade, daß ich nicht eher gekommen bin. Es war Schade, daß er nicht da war, es war zu bedauern. Es wäre Schade, wenn es nicht geschehen sollte. Nach einer noch weitern Ellipse wird auch das Zeitwort mit dem Artikel häufig verbissen. Schade, daß sie das Gedicht nicht vollendet haben. Schade, daß ich kein Gleichniß dazu finden kann, Less. Schade, sprach er, solltest du Baum in dies wilde Wasser stürzen! Geßn. d. i. es wäre Schade. Da es denn mit dem Vorworte für auch häufig ironisch gebraucht wird, anzudeuten, daß an einer Sache nichts gelegen ist. Schade für den Kranz: Schade für das Glück berühmt zu seyn, wenn es nicht beliebt macht! Gell. Ey Schade für die Schafe, Und für Tirenen mit! Ich lobe mir das Band, Rost. Doch Schade, dacht er, für die Ehre, Wenn ich kein zärtlich Wort aus ihrem Munde höre, ebend.

Anm. 1. In manchen Mundarten lautet dieses Wort in der ersten einfachen Endung der Schaden. In der Hochdeutschen Mundart ist diese Form, welche auch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt, zwar nicht ganz ungewöhnlich, aber doch eben nicht die beliebteste, ob das n gleich in allen übrigen Endungen bleibt. Da dieses Wort eigentlich ein Abstractum ist, so ist es auch im Singular allein am gewöhnlichsten, daher es denn auch so oft absolute und ohne Artikel gebraucht wird. Den Plural gebraucht man zwar auch, aber doch wohl nur allein in der zweyten engern Bedeutung des Verlustes an zeitlichem Vermögen; denn die Feuerschäden, Wetterschäden u. s. f. beziehen sich zunächst auf den durch das Feuer und Wetter verursachten nachtheiligen Verlust des Vermögens. Indessen leidet es auch hier kein eigentliches Zahlwort vor sich. In einigen Gegenden scheinet es Mängel, Unvollkommenheit überhaupt zu bedeuten. Darf keine neue Welt mit tausend Schäden schauen, Opitz. Und Gryphius scheint es für Streitigkeiten, Händel, zu gebrauchen: Wer sich mischt in fremde Schäden.

Anm. 2. In der Fränkischen Mundart schon im 8ten Jahrhunderte Scadhe, bey dem Ottfried Scado, im Nieders. Schade, Schae, im Angels. Scathe, im Engl. Scath, im Schwed. Skada, im Isländ. Skade, im Böhm. und Wend. Skoda, im Pohln. Szkoda. Wachter leitete es von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Schade, her, welches allenfalls ein weitläufiger Seitenverwandter davon seyn kann. Noch näher ist das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches bey dem Scholiasten des Homer für unverletzt vorkommt, damit verwandt. Der nächste Begriff ist der der körperlichen Verletzung, welcher wieder eine Figur der ersten ursprünglichen Bedeutung der heftigen Bewegung ist. Im Isländ. ist daher Manskiaed Todtschlag, Menschenmord. S. Schaden.


Schadegeld (W3) [Adelung]


Das Schadegeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, nur in einigen Gegenden, Geld, welches zur Ersetzung eines verursachten Schadens erleget wird; der Ersatz.


Schädel (W3) [Adelung]


Der Schädel, S. Schedel.


Schaden (W3) [Adelung]


Schaden, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben bekommt, Schaden zufügen, in der weitesten Bedeutung, den Zustand eines Dinges oder einer Person unvollkommner machen, mit der dritten Endung der Person. Vieles Wachen schadet der Gesundheit. Das wird dir schaden, wird deiner Gesundheit, deinem guten Nahmen, deinem Wohlstande, deinem Vermögen nachtheilig seyn. So sie etwas tödtliches trinken, wird es ihnen nicht schaden, Marc. 16, 15. Der Mund des Narren schadet ihm (sich) selbst, Sprichw. 18, 5. Wer ist der euch schaden könnte? 1 Petr. 3, 13. Das kann meinem Glücke schaden. Ich würde mir auf immer bey ihm geschadet haben, würde seine mir nöthige Gunst auf immer vermindert oder verloren haben. Was schadet es? was kann es für nachtheilige Folgen haben? Das kann ihm nicht schaden, oder das schadet ihm nicht, ein gewöhnlicher Ausdruck, seinen Mangel des Bedauerns über eines andern Unfall an den Tag zu legen. Die Hauptwörter das Schaden und die Schadung sind nicht üblich.

Anm. Bey dem Ulphilas mit der intensiven Endung, die wir noch in beschädigten haben, scathjan, bey dem Notker scadon, im Angels. scathan, im Engl. to scath, im Nieders. schaden, im Schwed. skada. Ursprünglich bedeutet es eine heftige Bewegung machen, welche es durch seinen Laut nachahmet, und figürlich durch solche heftige Bewegung verletzen; daher es ein naher Verwandter von schießen, Nieders. scheten, scheiden, Scheit, Schedel, in der Oberdeutschen Bedeutung der Trümmer, schütten, dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, verwüsten, dem Lat. caedere, (der Römischen Aussprache nach kaedere,) dem nur der Zischlaut mangelt, dem alten Latein. scidere, für scindere u. s. f. ist. Schaden ist nur in der weitesten Bedeutung üblich. In der eigentlichen engern, körperlich verletzen, ist das Intensivum beschädigen eingeführet.


Schadenfreude (W3) [Adelung]


Die Schadenfreude, plur. car. die Freude über den Schaden anderer, das Vergnügen, welches man bey dem Schaden anderer empfindet.


Schadenfroh (W3) [Adelung]


Schadenfroh, -er, -este, adj. et adv. Schadenfreude empfindend und darin gegründet. Ein schadenfrohes Gemüth. Ein schadenfrohes Gelächter. Der Schadenfrohe, eine Person, welche über den Schaden anderer ein Vergnügen empfindet.


Schadhaft (W3) [Adelung]


Schadhaft, -er, -este, adj. et adv. einen Schaden habend; doch nur in der Bedeutung einer körperlichen Verletzung. Ein schadhaftes Glas. Ein schadhaftes Bein, woran man einen Schaden hat. Schadhaft seyn, werden. Ein schadhaftes Gebäude. Das Dach ist schadhaft. Schon in dem alten Fragmente auf Carln den Großen beym Schilter, scadhaft.


Schädigen (W3) [Adelung]


Schädigen, verb. reg. act. welches das Intensivum von schaden ist, aber nur noch in dem zusammen gesetzten beschädigen gebraucht wird, S. dasselbe.


Schädlich (W3) [Adelung]


Schädlich, -er, -ste, adv. et adj. Schaden bringend, die Unvollkommenheit anderer Dinge befördernd, und in dieser Eigenschaft gegründet; im Gegensatze des nützlich. Schädliche Kräuter, eine schädliche Speise, ungesunde. Der Frost ist den Bäumen, die Erkältung der Gesundheit schädlich. Ein schädlicher Nebel, eine schädliche Luft; wofür doch ungesund üblicher ist. Schädliche Gewohnheiten, schädliche Rathschläge. Ein schädliches Thier. Ein schädlicher Mensch, in engerer Bedeutung, die Neigung und Fertigkeit besitzen, andern Schaden zu thun. In der Deutschen Bibel kommt es in diesen Verbindungen vor, wie man jetzt lieber gefährlich, boshaft u. s. f. sagt. Bey dem Notker nur scadal, bey den Schwäbischen Dichtern schedelich, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Schädlichkeit (W3) [Adelung]


Die Schädlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es schädlich ist.


Schadlos (W3) [Adelung]


Schadlos, -er, -este, adj. et adv. keinen Schaden leidend, unbeschädigt. So wohl in Ansehung der unverletzten körperlichen Beschaffenheit, wo es in der dichterischen Schreibart zuweilen von Personen und Sachen gebraucht wird. O, vertraun sie mir ihn, ich bring' ihn schadlos zurück, Zachar. ohne Schaden, unbeschädigt. Wenn er Die Geisel eurer Treu, euch schadlos wieder sendet, Schleg. Als auch, und zwar am üblichsten in der engern Bedeutung des Wortes Schade, so fern dasselbe Verlust an zeitlichem Vermögen bedeutet; wo es doch nur in engerm Verstande und als ein Nebenwort üblich ist, wegen eines erlittenen oder doch möglichen Schadens Ersatz habend, und bekommend. Ich bin noch nicht schadlos, habe noch nicht Ersatz meines Verlustes. Jemanden schadlos halten, ihn vor einem möglichen Verlust sicher stellen; ingleichen, wie entschädigen, ihm seinen Verlust ersetzen. Ingleichen in weiterm Verstande, von dem Ersatze eines jeden Verlustes. Die Vorsicht hält den ehrlichen Mann immer schadlos, und öfters schon voraus, Less. Die Freundschaft, so vortrefflich sie ist, hält uns doch nie wegen der Liebe schadlos, Gell.


Schadlosbürge (W3) [Adelung]


Der Schadlosbürge, S. Schadbürge.


Schadloshaltung (W3) [Adelung]


Die Schadloshaltung, plur. die -en, die Handlung, da man jemanden schadlos hält, im Oberd. die Schadlosung.


Schadlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Schadlosigkeit, plur. car. der Zustand, da man schadlos ist, besonders in der engern Bedeutung.


Schaf (W3) [Adelung]


1. Das Schaf, in einigen Gegenden, ein Nahme eines Gefäßes, S. Schaff.


Schaf (W3) [Adelung]


2. Das oder der Schaf, des -es, plur. die -e, auch nur in einigen Gegenden, ein Hobel, Holländ. Schaef, Schaefe, wo es von schaben, Nieders. schaven, in dessen weitern Bedeutung abstammet, ( S. dieses Wort.) Bey dem Apherdian kommt es in diesem Verstande vor.


Schaf (W3) [Adelung]


3. Das Schaf, des -es, plur. die -e, Dimin. das Schäfchen, Oberd. Schäflein, der Nahme eines vierfüßigen, zweyhufigen Thieres, welches wegen seiner Wolle geschätzet wird, und wovon das männliche Geschlecht rückwärts gewundene Hörner hat. 1) Im weitesten Verstande, wo man, besonders im Plural, und in vielen der folgenden Zusammensetzungen dieses Thier überhaupt, ohne Unterschied des Geschlechtes, ein Schaf nennet. Schafe halten. Viele Schafe haben. Schafvieh, so wohl weibliche Schafe, als Widder, Hämmel und Lämmer. Besonders ein solches erwachsenes Thier; zum Unterschiede von einem Lamme. Eine große Herde Schafe. Sprichw. Ein räudig Schaf steckt die ganze Herde an. Geduldiger Schafe gehen viele in einen Stall. Der Wolf frißt auch die gezählten Schafe. Er hat sein Schäfchen geschoren, hat den gehofften Nutzen, den verlangten Gewinn, reichlich erhalten. Sein Schäfchen in das Trockne bringen, sich und das Seinige in Sicherheit bringen. Es kann in dieser R. A. auch aus Schiffchen verderbt seyn, gleichsam seinen Kahn auf das Trockne ziehen und ihn auf solche Art in Sicherheit bringen; zumahl da man in Niedersachsen in dieser R. A. das Wort Schepken gebraucht, von Schep, ein Schiff, dagegen ein Schäfchen daselbst Schäpken und Schapken heißt. 2) In engerer Bedeutung wird nur das weibliche tragbare Individuum dieser Thiere ein Schaf genannt, zum Unterschiede von dem Widder und Hammel; ein Mutterschaf oder Trageschaf. Schafe, Widder und Hämmel. Sehr häufig wird dieses wehrlose und unschädliche Thier als ein Sinnbild so wohl der Sanftmuth und Geduld, als auch der Einfalt und Dummheit gebraucht. Ein gutes, frommes, geduldiges Schaf, eine solche Person. Ein einfältiges, albernes, dummes Schaf. Das Schaf von einem Manne schwieg zu allen ihrem Unwesen still, der feige, einfältige Mann. 3) Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der dicken wolligen Gestalt, werden so wohl die Kätzchen oder Palmen an manchen Arten von Bäumen, als auch die Kellerwürmer, ( S. Assel) im gemeinen Leben Schäfchen genannt.

Anm. Im Isidor Scaap, bey dem Ottfried Scaf, bey dem Notker Scaff, im Nieders. Schaap, im Angels. Sceap, im Engl. Sheep. Es ist nicht leicht mit Gewißheit zu bestimmen, von welcher Eigenschaft dieses Thier seinen Nahmen habe. Vielleicht ist es sein wolliges, weiches Fell, ( S. Schopf); vielleicht sein eigenthümliches Geschrey; vielleicht auch seine nagende Eigenschaft, siehe Schabe und Schaben. Es sey welche es wolle, so ist Schöpps, und wenn man den Zischlaut als zufällig ansiehet, auch das Latein. Ovis und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - damit verwandt. Im Nieders. heißt ein Schaf weiblichen Geschlechtes auch Euve, Uewwe, Auwe, Angels. Eowu, Engl. Ewe, welches dem Lat. Ovis noch näher kommt, aber gewiß nicht daraus entlehnet ist. Übrigens wird ein weibliches Schaf im Mecklenburgischen auch Tajie, und in andern Gegenden Zade, Snucke genannt. Enterik ist im Nieders. ein Mutterschaf, welches im ersten Jahre nicht trächtig wird, und Overenterik, welches auch im zweyten Jahre nicht unfruchtbar bleibet. Eine Art kleiner Schafe, welche auf der hohen Heide oder Geest geweidet werden, heißen in Niedersachsen Heidesnacken, Heidesnucken und Geestknabben. In einigen Gegenden heißt ein Schaf mit einem andern Endlaute auch eine Schacke, eine Schafherde ist alsdann eine Schackenherde, und im Meklenburgischen nennen die Schäfer ihre Schafe nur Dinger, so wie sie in Meißen mit einer eben so allgemeinen Benennung auch Nößer und Schafnößer heißen.


Schafampfer (W3) [Adelung]


Der Schafampfer, des -s, plur. inus. eine Art des Ampfers, welcher auf den Wiesen und sandigen Feldern wächst; Rumex Acetosella L. Sauerklee, Hasenklee, Guckgucksklee.


Schafbau (W3) [Adelung]


Der Schafbau, des -es, plur. inus. der Schafmist, Schafdünger; doch nur in denjenigen Gegenden, wo Bau für Dünger oder Mist üblich ist.


Schafblattern (W3) [Adelung]


Die Schafblattern, sing. inus. eine ansteckende Krankheit der Schafe, welche den Kinderblattern gleicht, und eben solche Ver- wüstung unter den Schafen anrichtet, als diese unter den Kindern; im Nieders. die Schafpocken, Franz. le Clavin, le Claveau.


Schafbock (W3) [Adelung]


Der Schafbock, des -es, plur. die -böcke, der Bock, das männliche Individuum unter den Schafen, besonders wenn er schon zur Zucht gebraucht wird; der Widder, in Obersachsen der Stähr. In der engsten Bedeutung eines zur Zucht tauglichen Widders wird er dem Bock- oder Hammellamme, dem Jährlinge und Zeitbocke entgegen gesetzet. Im Niedersächs. heißt er Ramm, Angels. und Engl. Ram, S. Rammeln.


Schafböckinn (W3) [Adelung]


Die Schafböckinn, plur. die -en, S. Saunest und Hasennest.


Schafen (W3) [Adelung]


Schafen, adj. et adv. von einem Schafe; doch nur in einigen Fällen und in einigen Gegenden, wo es auch wohl schäfen lautet. Schafenes Pergament, Schafpergament. Schafenes Leder, Schafleder. Schafenes Fleisch, im Oberd. für Schafleisch. Scafine giuuati sind bey dem Ottfried Schaffskleider.


Schäfer (W3) [Adelung]


Der Schäfer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schäferinn, eine Person, welche die Schafe weidet, deren Geschäft es ist, die Schafe zu weiden; der Schafhirt, die Schafhirtinn. In engerer Bedeutung ist der Schäfer der vornehmste unter den Schafhirten einer Herde, dessen Untergebene den Nahmen der Schafknechte oder Schäferknechte führen. In der Dichtkunst, wo man das Schäferleben der ersten jugendlichen Welt, aus dichterischer Freyheit, überaus unschuldig, geistreich und vergnügt schildert, sind die Schäfer und Schäferinnen die zärtlichsten, schuldlosesten und reizendsten Geschöpfe unter der Sonne; daher diese Ausdrücke denn auch von einem zärtlichen Liebhaber und einer zärtlichen Liebhaberinn überhaupt gebraucht werden. Wenn in einigen Gegenden im Zehentwesen diejenigen Hocken am Ende des Ackers, deren weniger als zehen sind, und wovon also der Zehente nicht gegeben werden kann, Schäfer heißen, so ist es ohne Zweifel eine Figur, zumahl da man sie in einigen Gegenden auch Rinder nennt. Minder figürlich heißen sie Freyhocken, Endehocken. Im Nieders. Schäper, Schöper, im Österreich. Schäfler.


Schäferey (W3) [Adelung]


Die Schäferey, plur. die -en, eine Anstalt, wo Schafe in Menge gehalten und gewartet werden, ingleichen der Ort, wo sie gehalten werden, und zuweilen auch die ganze Herde Schafe mit den dazu gehörigen Personen. Opitz gebraucht es auch auf eine jetzt ungewöhnliche Art von einem Schäfergedichte, oder Schäfergespräche.


Schäfergedicht (W3) [Adelung]


Das Schäfergedicht, des -es, plur. die -e, in der Dichtkunst, eine poetische Nachahmung des mit allen Reitzen verschönerten Schäfer- oder Hirtenlebens der alten Welt; das Hirtengedicht, mit fremden Wörtern die Ekloge, die Idylle.


Schäferhund (W3) [Adelung]


Der Schäferhund, des -es, plur. die -e, Hunde, deren sich die Schäfer zur Bewachung ihrer Herden zu bedienen pflegen, und welche Hiob 30, 1 Schafhunde heißen.


Schäferkarre (W3) [Adelung]


Die Schäferkarre, plur. die -n, S. Schafhütte.


Schäferknecht (W3) [Adelung]


Der Schäferknecht, S. Schafknecht.


Schäferlied (W3) [Adelung]


Das Schäferlied, des -es, plur. die -er, ein Lied, so fern es die Empfindungen der schuldlosen, zärtlichen Schäfer der Vorwelt schildert.


Schäferspiel (W3) [Adelung]


Das Schäferspiel, des -es, plur. die -e, ein Schauspiel, in welchem die handelnden Personen aus dieser erdichteten Schäferwelt sind; mit einem fremden Ausdrucke eine Pastorelle oder Pastorale.


Schäferstunde (W3) [Adelung]


Die Schäferstunde, plur. die -n, diejenige Stunde, derjenige Augenblick, welcher Verliebten günstig ist, die günstige Gesinnung des geliebten Gegenstandes zur Befriedigung der Liebe; nach dem Franz. Heure du Berger.


Schaff (W3) [Adelung]


Das Schaff, des -es, plur. die -e, und im Oberdeutschen auch Schäffer, ein altes, sehr weit ausgebreitetes, aber in dieser Gestalt nur noch im Oberdeutschen übliches Wort, welches ursprünglich einen jeden hohlen Raum, ein jedes Gefäß bedeutet, aber daselbst nur noch von gewissen hölzernen Gefäßen gebraucht wird, die man in andern Gegenden Wannen, Tinen, Standen, Gelten u. s. f. nennet. Ein Schüsselschaff oder Scheuerschaff, worin das Küchengeschirr aufgewaschen wird, das Spülschaff, worin es gespület wird. Wegen dieser und anderer ähnlichen hölzernen Gefäße werden die Böttcher oder Faßbinder in einigen Gegenden auch Schäffler genannt. In engerer Bedeutung ist es ein Oberdeutsches Getreidemaß, welches mehr als unser Scheffel zu halten scheinet. Wenigstens ist ein Regensburgisches Schaff so viel wie ein Hamburgischer Wispel. In Augsburg hält das Schaff 8 Metzen, 32 Vierlinge, 128 Viertheile oder 512 Mäßle; in Regensburg aber 4 Mäß, 16 Vierlinge oder 32 Metzen.

Anm. Im Schwed. ist Skäppa der sechste Theil einer Tonne. Zu der großen Familie dieses Wortes gehören unser Scheffel, Schiff, Schoppen, Schuppen, schöpfen, die Nieders. Schapp, ein Schrank, und Schapen, eine Pfanne, das Angels. Sciop, ein Gefäß, das Lat. Scapha, ein Kahn, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Becher, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , ein Becken, und ohne Zischlaute unser Kübel, Kufe, Koben, Käfter, Hafen, das mittlere Lat. Hava, ein Getreidemaß, das Lat. cavus, und hundert andere mehr. Siehe Scheffel.


Schäffel (W3) [Adelung]


Der Schäffel, S. Scheffel.


Schaffen (W3) [Adelung]


Schaffen, verb. reg. et irreg. act. et neutr. welches im letzten Falle das Hülfswort haben bekommt, und der Form nach ein Intensivum von einem veralteten Zeitworte schafen ist, von dem noch das irreguläre ich schuf herstammet, sich aber doch wie dieses auf eine Onomatopöie gründet, welche vornehmlich von doppelter Art ist. 1. * Als eine Nachahmung und ein Ausdruck der menschlichen Stimme, wo es nur noch in der Bedeutung des Befehlens üblich ist, aber auch hier nur im Oberdeutschen bekannt ist, indem den Hochdeutschen diese Bedeutung seltsam klinget. Was schaffen sie? was befehlen sie? Thue, was ich dir schaffe. Er hat mir nichts zu schaffen. Haben sie etwas geschafft? befohlen? Der darf so hoch nicht traben, Der solchen Feinden dient, die ihm zu schaffen haben, Opitz. Es ist hier im Oberdeutschen von regelmäßiger Conjugation, ehedem war es auch irregulär, und in manchen Gegenden ist es solches wohl noch. Wenigstens heißt es in diesem Verstande im Theuerdanke ich schuff, für, ich schaffete. Als eine Onomatopöie der menschlichen, besonders befehlenden Stimme, fehlt es demselben nicht an Verwandten in andern Sprachen, und im Deutschen ist ohne Zischlaut auch keifen von einer Art der Stimme üblich. Indessen läßt sich diese Bedeutung auch als eine Figur einer der folgenden betrachten, besonders der des Anordnens. Im Schwed. ist skipa, welches alle Bedeutungen mit unserm schaffen gemein hat, deren aber noch mehrere besitzet, nicht nur befehlen, sondern auch richten, Recht sprechen, so wie im Nieders. schippen, regieren, und im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - richten ist. ( S. Schöppe.) Man erinnere sich, daß richten und dessen altes Stammwort rechen eben auch so wohl von der Stimme, als von dem Laute einer unarticulirten körperlichen Bewegung gebraucht wird. 2. Als eine Nachahmung einer schnellen geschäftigen Bewegung. 1) Überhaupt, mit regulärer Conjugation, wo es doch nur im gemeinen Leben und auch hier nur im Infinitiv üblich ist. Den ganzen Tag zu schaffen haben, immer in geschäftiger Bewegung seyn. Im gemeinen Leben hat man davon auch das neue Intensivum oder Iterativum schäften, wovon Geschäft und geschäftig abstammen. Viel zu schäften haben, immer in geschäftiger Bewegung seyn. 2) In engerer Bedeutung von verschiedenen besondern Arten der pflichtmäßigen, mit Bewegung verbundenen Wirkungen; wo es gleichfalls regulär abgewandelt wird, ehedem aber auch hier irregulär war, und es in einigen Oberdeutschen Gegenden noch ist. (a) * Arbeiten; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, welche aber in Schwaben, in der Pfalz u. s. f. noch gangbar ist. An einem Baue schaffen. Bey einem Meister als Gesell schaffen. Jemanden zu schaffen geben. (b) * Bilden; eine gleichfalls im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber sehr alt ist. Bey dem Ruodebert im 9ten Jahrhunderte ist Scaffelosa Zimber ein ungebildeter Stoff, informis materia. Ottfried und Notker gebrauchen scaffen gleichfalls in dieser Bedeutung so wie in derselben auch das Intensivum schöpfen üblich war. Im Nieders. ist schippen, im Angels. scipan, im Engl. to shape, und im Schwed. skipa, gleichfalls formen, bilden, eine Gestalt geben. Unser schaffen in der letzten engsten Bedeutung, Geschöpf, rechtschaffen, beschaffen, und die Ableitungssylbe -schaft sind genau damit verwandt. Im Oberd. ist geschaffen wohl gebildet, ungeschaffen, Nieders. wahnschaffen, übel gebildet. (c) * In Ordnung bringen und erhalten, anordnen; ein mit der Bedeutung des Befehlens verwandter Gebrauch, der aber im Hochdeutschen gleichfalls veraltet ist. Die Nieders. schäffen und schippen haben indessen diese Bedeutung noch, so wie das Schwed. skipa und skaffa. Im Nieders. ist schaffen auch die Speisen anrichten und auftragen, und in der Pfalz heißt schaffen seinen letzten Willen bekannt machen, und jemanden etwas verschaffen, es ihm vermachen. Siehe auch Schaffer und Schaffner. (d) * Ausrichten, besorgen, ein aufgetragenes Geschäft zur Wirklichkeit bringen; auch nur in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes. Daß die Wolken schaffen, alles was er ihnen gebeut, Hiob 37, 12. Im Schwed. auch hier skipa und skaffa. (e) * Die verlangte Wirkung haben; eine den Hochdeutschen gleichfalls fremde Bedeutung. Pilatus sahe, daß er nichts schaffte, Matth. 27, 24, nichts ausrichtete. Das schafft nichts, hat keine Wirkung. Ungeschafft weggehen, unverrichteter Sachen. Im Schwed. skaffa und skapa. (f) Machen, daß etwas gegenwärtig werde oder zur Wirklichkeit komme, zur Wirklichkeit bringen, so wohl als die wirkende Ursache, als auch, und zwar am häufigsten, als die Mittelsperson. Es ist hier zwar noch im Oberdeutschen gangbar, aber nur in einigen Fällen. Jemanden Geld schaffen. Ihm Rath, Hülfe, Beystand schaffen. Er weiß sich keinen Rath zu schaffen. Jemanden Ruhe, Friede schaffen. Schaffe uns Brot. 1 Mos. 47, 15. Schaffe mir Kinder, Kap. 30, 1. Ich will es dir für einen billigen Preis schaffen, machen, daß du es bekommest. Ich habe es ihm geschafft, habe gemacht, daß er es bekommen hat. Das ist wohl noch zu schaffen. Etwas herbey schaffen, machen, daß es gegenwärtig werde. Jemanden fortschaffen, ihn aus dem Hause schaffen machen, daß er fortgehe, das Haus räume; wo es zunächst zu schieben gehöret, und vielleicht gar das Intensivum davon ist. So üblich es in diesen und andern Fällen ist, so ist es doch nicht ohne Einschränkung. Jemanden Bestes schaffen, 2 Macc. 11, 19, sagt man im Hochdeutschen eben so ungern, als, ich will dir viel Schmerzen schaffen, 1 Mos. 3, 16. Ich zweifle, daß man davon eine andere Ursache werde angeben können, als den Gebrauch. Denn es erhellet aus allen Umständen, daß dieses Zeitwort im Hochdeut- schen gewisser Maßen ein Defectivum ist, zumahl da es in manchen Bedeutungen nur im Infinitiv allein gebraucht wird. In engerer Bedeutung, durch Mühe erwerben, und zuweilen auch für laufen. Sich Kleider schaffen, sie erwerben und kaufen. Er kann sich nichts schaffen. Sich schöne Bücher schaffen. Sich ein Haus, einen Garten schaffen. (g) Im weitesten Verstande, machen, thun, Veränderungen hervor bringen, wirken; doch nur am häufigsten im Infinitiv allein. Was hast du hier zu schaffen? zu thun. Ich habe da nichts zu schaffen. Bey mir hat er nichts zu schaffen. Mit jemanden zu schaffen haben, zu thun, in Verbindung mit ihm stehen, Geschäfte mit ihm haben. Ich habe nichts mit dir zu schaffen. In engerer Bedeutung, mit Mühe und vieler Bewegung und Anstrengung verbundene Veränderungen vornehmen, wo es sich der ersten Bedeutung des Arbeitens wieder nähert; auch nur im Infinitiv. Sich viel zu schaffen machen, viel Geschäfte. Das wird mir viel zu schaffen machen, viel Mühe. In den übrigen Modis ist es zwar im Oberdeutschen, aber nicht im Hochdeutschen, üblich. Schaffe damit was du willt, Richt. 3, 4, d. i. thue, mache. 3) Im engsten Verstande ist schaffen etwas hervor bringen, welches vorher noch nicht da war; wo es doch nur im theologischen Verstande von Gott gebraucht, und alsdann irregulär abgewandelt wird; Imperf. ich schuf, Conj. ich schüfe; Mittelw. geschaffen; Imperat. schaffe. Es ist in dieser Bedeutung kein anderes als das vorige Zeitwort, welches hier nur die auch in den vorigen Bedeutungen im Oberdeutschen ehedem übliche irreguläre Form behalten hat. Man gebrauchte vor diesem auch das Intensivum schöpfen in eben diesem Verstande, bey dem Stryker schephen, im Nieders. scheppen, im Angels. sceppan, welches im Hochdeutschen zwar veraltet ist, aber uns doch sein Schöpfung, Schöpfer und Geschöpf zurück gelassen hat. (a) Eigentlich und im strengsten Verstande, ein Ding seiner Substanz nach hervor bringen, etwas hervor bringen, was vorher ein Nichts war; in welchem Verstande es denn freylich nur von Gott gesagt werden kann. Gott hat die Welt geschaffen, so wohl, er hat die vorher nicht da gewesenen einfachen Dinge hervor gebracht, als auch, er hat aus diesen einfachen Dingen die Welt zusammen gesetzet. Schon bey dem Ulphilas skapan, im Isidor skaffan, und im Imperf. giscuaf, bey dem Willeram scaffen, im Angels. sceopan, im Schwed. und Isländ. skapa, im Nieders. schaffen und scheppen. (b) Figürlich. (1) Im theologischen Verstande, und gleichfalls nur von Gott gebraucht, zufällige Beschaffenheiten, einen Zustand und die dazu nöthigen Veränderungen hervor bringen. Schaffe in mir Gott ein reines Herz. Es ist hier nur in der biblischen Schreibart üblich, wo diese Bedeutung unmittelbar mit der vorigen sechsten engern zusammen hängt. (2) Für hervor bringen überhaupt; doch nur in der dichterischen Schreibart. Der epische Dichter sammelt alle Heldentugenden und schafft daraus seinen Helden. Meine Brust klopft mir voll Unmuth, daß mich die Natur nicht männlich schuf, Weiße. Ernstlich ist sie bemühet, auf ihren verblichenen Wangen Künstliche Rosen zu schaffen, Zach. Daher das Schaffen, und in der dritten engsten Bedeutung die Schöpfung von dem veralteten schöpfen für schaffen.

Anm. Ehedem hatte dieses Wort noch weit mehrere Bedeutungen, welche aber veraltet, und nur noch in den verwandten Sprachen üblich sind. Ottfried gebraucht es für geben, einem Dinge einen Nahmen schaffen; ingleichen, erhalten, bekommen, sie heili thar io scuafun. Im Nieders. theilen sich schaffen und schippen, und im Schwed. scaffa, skapa und skipa, in die Bedeutungen unsers Zeitwortes, welche doch eigentlich nur verschiedene Mundarten sind. Das mittelste bedeutet daselbst auch theilen, verändern, schicken, und mit einem Zaune einschließen, welche letztere Bedeutung sich unserm Schaff, so fern es einen hohlen Raum bezeichnet, nähert. Aus allen erhellet, daß dieses Zeitwort ursprünglich der Ausdruck einer lebhaften Bewegung ist, und in seinen Ableitungen und Verwandten durch alle die Bedeutungen und Figuren durch gehet, welche allen Wörtern dieser Art gemein sind, und wobey bey Sahl und 1 Saum eine kleine Probe gegeben worden. Zu der Bewegung in die Krümme, in die Tiefe, gehören unser Schaff, Scheffel, Schiff, Schoppen, mit allen ihren Verwandten; zu der Ausdehnung in die Länge aber unter andern auch Schaft, S. auch Schöpfen und die Ableitungssylbe -Schaft.


Schaffer (W3) [Adelung]


Der Schaffer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, für das folgende Schaffner, unmittelbar von Schaffen. So werden in Nürnberg die ältesten Diaconi an den beyden Hauptkirchen Schaffer genannt, weil sie alle Pfarrverrichtungen in der Stadt anzuordnen haben.


Schaffner (W3) [Adelung]


Der Schaffner, des -s, plur. ut nom. sing. im Oberd. auch Schaffer, Fämin. die Schaffnerinn, Oberd. auch Schafferinn, von dem vorigen Zeitworte, eine Person, welche schafft; wo es doch nur noch von der im Hochdeutschen veralteten Bedeutung des Veranstaltens, der Besorgung häuslicher Geschäfte gebraucht wird, und da ist der Schaffner derjenige, welcher die häuslichen wirthschaftlichen Geschäfte im Nahmen eines andern verwaltet, einer Haushaltung vorgesetzet ist. Auf den Oberdeutschen landesherrlichen Ämtern hat man Amtsschaffner, welche am Rheine Amtskeller heißen, und vermuthlich eben das sind, was in Obersachsen Amtsverwalter sind, diejenigen nähmlich, welche die ökonomischen Angelegenheiten eines Amtes besorgen. Auch in großen Häusern Oberdeutschlandes ist der Schaffner derjenige, welcher die häuslichen Angelegenheiten im Nahmen des Herrn besorget, und vornehmlich die Aufsicht über die Küche und den Keller hat; der Haushofmeister, Hofmeister. Da es Abend ward, sprach der Herr des Weinberges zu seinem Schaffner, Math. 20, 8. In den Oberdeutschen Klöstern wird der Pater Ökonomus häufig Pater Schaffner genannt. Auch auf den Landgütern ist der Schaffner daselbst derjenige, welchen man in Obersachsen einen Verwalter, und in Meißen einen Hofmeister, in Pommern aber auch einen Statthalter nennet, der seinen bestimmten Gehalt bekommt, und dagegen die Einkünfte des Gutes dem Eigenthümer berechnet, übrigens aber für die gehörige Verwaltung desselben sorget. In den Oberdeutschen Gast- und Weinhäusern ist der Schaffner ein Bedienter, welcher die Gäste besorget, und an andern Orten der Kellner oder Küper genannt wird. In Niederdeutschland ist es derjenige, welcher die Anordnung und Besorgung einer Mahlzeit oder eines Schmauses hat; da denn auf den Bauerhochzeiten auch derjenige diesen Nahmen führet, welcher den Tisch besorget und die Gäste bedienet, und gemeiniglich der nächste Verwandte ist. Der Schaffertanz ist daselbst der erste Tanz, weil derselbe den Schaffern gebühret. Im Hochdeutschen ist dieses Wort nur in einigen Fällen üblich. So ist bey den Land- und Postkutschen der Schaffer derjenige, welcher mit der Kutsche an den bestimmten Ort fähret, die Aufsicht über dieselbe hat, und die unter Weges vorfallenden Kosten und Einkünfte dem Eigenthümer berechnet. In Leipzig ist der Schaffner, der den Fuhrleuten Fracht verschaffet. In allen diesen Fällen sticht die Bedeutung der Besorgung, der Veranstaltung, der Anordnung des vorigen Zeitwortes merklich hervor. Das im Oberdeutschen und Niedersachsen übliche Schaffer ist unmittelbar davon gebildet, so wie das in Hochdeutschen gangbare Schaffner ein ungewöhnliches intensives Zeitwort schaffnen voraus setzet. Keller und Kellner sind auf gleiche Art üblich. In den Tirolischen Bergwerksurkunden bey dem Herrn von Spergg lautet dieses Wort 1208 im mittlern Lat. Scaffiator. In der letzten engsten Bedeutung des Zeitwortes schaffen, für Creator, gebraucht man es zuweilen nur in dem zusammen gesetzten Erschaffer. Übrigens ist dafür Schöpfer eingeführet.


Schaffnerey (W3) [Adelung]


Die Schaffnerey, plur. die -en, das Amt eines Schaffners, ingleichen dessen Wohnung, wie auch, der einem Schaffner untergebene District, eine Gegend, ein Kammeramt, welches von einem Schaffner verwaltet wird; im Oberdeutschen auch die Schafferey.


Schafgarbe (W3) [Adelung]


Die Schafgarbe, plur. inus. eine Art des Achillenkrautes, welches auf den Wiesen und Triften wohnet und ein heilsames Wundkraut ist; Achillea Millesolium L. Vermuthlich ist sie eine angenehme Speise der Schafe. Die letzte Hälfte des Nahmens bezeichnet die vielen geraden Stängel dieser Pflanze, welche mit unzähligen kleinen steifen Blättern besetzt sind, daher sie auch Garbe genannt wird, in der Monserischen Glosse Garva. In andern Gegenden heißt sie Tausendblatt, Feldgarbe, Garbe, im Nieders. Roleg, um Hamb. Röhlke, im Hannöv. Releke, im Dän. und Norweg. Rölliker, vielleicht wegen der Rillen oder Furchen an den Stängeln, oder auch wegen der hohlen Stängel. In weiterer Bedeutung führet auch wohl das ganze Geschlecht aller Achillenkräuter, Achilleae L. diesen Nahmen. In einigen Gegenden wird auch die Wasser-Aloe, Stratiotes Aloides L. Schafgarbe genannt.


Schafgarte (W3) [Adelung]


Die Schafgarte, plur. inus. ein Nahme der Akeley, siehe dieses Wort.


Schafgras (W3) [Adelung]


Das Schafgras, des -es, plur. inus. eine Art des Schwingels, mit einer zusammen gezogenen, mit Grannen versehenen Rispe, deren Ährchen nach einer Seite gerichtet sind, mit einem viereckigen Halme und borstigen Blättern; Festuca ovina L. Schafschwingel. Es wächst auf dürren Hügeln und wird von den Schafen allen andern Gräsern vorgezogen.


Schafhäutchen (W3) [Adelung]


Das Schafhäutchen, des -s, Oberd. das Schafhäutlein, plur. ut nom. sing. diejenige zarte Haut, welche im Mutterleibe die Frucht unmittelbar umgibt, Amnios; etwa wegen einiger Ähnlichkeit mit einer Schafhaut?


Schafhirt (W3) [Adelung]


Der Schafhirt, des -en, plur. die -en, der Hirt der Schafe, S. Schäfer.


Schafhürde (W3) [Adelung]


Die Schafhürde, plur. die -n, Hürden, so fern sie den Schafen des Nachts unter freyem Himmel statt eines Stalles dienen.


Schafhusten (W3) [Adelung]


Der Schafhusten, des -s, plur. ut nom. sing. ein trockner aber doch nur schwacher Husten, dergleichen die Schafe gemeiniglich zu haben pflegen; zum Unterschiede von dem stärkern Keichhusten.


Schafhütte (W3) [Adelung]


Die Schafhütte, plur. die -n, eine kleine breterne Hütte auf einem Karren, worin der Schäfer über Nacht bey den Schafhürden bleibet; die Schäferhütte, die Schäferkarre, Pferchhütte, der Pferchkarren.


Schafkamehl (W3) [Adelung]


Das Schafkamehl, des -es, plur. die -e, in der Naturgeschichte der Neuern, eine in Peru einheimische Art Kamehle, welche am ganzen Leibe wollig ist, wie ein Schaf; Pacos.


Schafkäse (W3) [Adelung]


Der Schafkäse, des -s, plur. ut nom. sing. aus Schafmilch bereiteter Käse; zum Unterschiede von den Kuh- und Ziegenkäsen.


Schafknecht (W3) [Adelung]


Der Schafknecht, des -es, plur. die -e, die dem Schäfer in der engsten Bedeutung in der Aufsicht über die Schafe untergeordneten Knechte, welche wieder in Meisterknechte, Hämmelknechte und Lämmerknechte getheilet und auch Schäferknechte genannt werden.


Schaflamm (W3) [Adelung]


Das Schaflamm, des -es, plur. die -lämmer, in der Landwirthschaft, ein weibliches Lamm, im Nieders. Aulamm, Zibbe oder Kibbe; zum Unterschiede von einem Hammel- oder Bocklamme.


Schaflaub (W3) [Adelung]


Das Schaflaub, des -es, plur. car. eben daselbst, das eingesammelte und gedörrete Laub der Bäume, so fern es im Winter zum Futter für die Schafe dienet.


Schaflaus (W3) [Adelung]


Die Schaflaus, plur. die -läuse, eine Art Läuse, welche besonders die Schafe plaget; Pediculus ovis L. Die Schafzäcke ist davon ganz verschieden.


Schaflecke (W3) [Adelung]


Die Schaflecke, plur. die -n, in der Landwirthschaft, dasjenige, woran man die Schafe zu Erhaltung ihrer Gesundheit lecken läßt. So werden die Salzlecken, so fern sie für die Schafe bestimmt sind, auch Schaflecken genannt. Auch die Pulver von heilsamen Kräutern, welche man in Rinnen streuet, und die Schafe daran lecken läßt, führen diesen Nahmen.


Schaflinse (W3) [Adelung]


Die Schaflinse, plur. die -n, eine Art der Kronwicke, welche krautartig wächst, zahlreiche Hülsen und eine bunte Frucht träget, aber von dem Viehe nicht berühret wird, ob man sie gleich für ein gutes Futter halten sollte; Coronilla varia L. Auch der Linsenbaum, welcher in Italien wild wächst, führet in einigen Gegenden diesen Nahmen, weil man mit seiner Frucht die Schafe mästen soll. Ingleichen der Blasenbaum oder die falsche Senne, Colutea arborescens L.


Schaflorbeere (W3) [Adelung]


Die Schaflorbeere, plur. die -n, im Scherze, der Koth der Schafe, weil er in der Gestalt einige Ähnlichkeit mit den Lorbeeren hat.


Schafmaul (W3) [Adelung]


Das Schafmaul, des -es, plur. car. oder auch im Plural, die Schafmäuler, sing. car. in einigen Gegenden, ein Nahme des Feldlattiches oder Ackersalates, vermuthlich auch wegen einiger Ähnlichkeit, S. Feldlattich.


Schafmeister (W3) [Adelung]


Der Schafmeister, des -s, plur. ut nom. sing. der Schäfer, als Meister, d. i. rechtmäßiger Vorgesetzter der Herde, betrachtet, besonders bey großen Schäfereyen.


Schafmilbe (W3) [Adelung]


Die Schafmilbe, plur. die -n, S. Schafzäcke.


Schafmist (W3) [Adelung]


Der Schafmist, des -es, plur. inus. der Mist von den Schafen, die mit Schafkoth vermengte Schafstreu; der Schafdünger, im Oberdeutschen der Schafbau.


Schafmühle (W3) [Adelung]


Die Schafmühle, Schafmülbe, Schafmulle, plur. die -n, in einigen, besonders Oberdeutschen, Gegenden, ein Nahme des Keuschbaumes. S. dieses Wort.


Schafmutter (W3) [Adelung]


Die Schafmutter, plur. die -mütter, in der Landwirthschaft, ein weibliches Schaf vom dritten bis zum sechsten Jahre, da es Junge zu werfen pflegt, und zur Fortpflanzung tauglich ist. Es. 40, 11. Im Nieders. auch Snucke. S. Schaf.


Schafnoß (W3) [Adelung]


Das Schafnoß, des -es, plur. die -nößer, nur in einigen Gegenden; z. B. in Meißen, ein Individuum des Schafviehes, ohne Unterschied des Geschlechtes; ein Schaf, in dem weitesten Verstande dieses Wortes. S. Noß.


Schafnuß (W3) [Adelung]


Die Schafnuß, plur. die -nüsse, die größte Art Wälscher Nüsse, welche auch Polternüsse, Pferdenüsse und Roßnüsse genannt werden.


Schafott (W3) [Adelung]


Das Schafott, des -es, plur. die -e, aus dem Franz. Echafaud, eine Bühne, ein Gerüst, worauf ein Bluturtheil vollzogen wird; die Blutbühne, das Blutgerüst, ehedem und noch 1596 in Meißen eine Pocherte.


Schafpelz (W3) [Adelung]


Der Schafpelz, des -es, plur. die -e, ein Pelz von Schaffellen, ein mit Schaffellen gefütterter Rock; in Luthers Deutscher Bibel ein Schafskleid, welches doch außer dem nicht gewöhnlich ist.


Schafpilz (W3) [Adelung]


Der Schafpilz, S. Birkenpilz.


Schafpocken (W3) [Adelung]


Die Schafpocken, sing. inus. S. Schafblattern.


Schafribbe (W3) [Adelung]


Die Schafribbe, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme der Schafgarbe; vermuthlich wegen der Riefen oder Furchen in den Stängeln.


Schafrüde (W3) [Adelung]


Der Schafrüde, des -n, plur. die -n, ein Rüde, d. i. ein großer, starker, zotiger Hund, welcher zur Sicherheit der Schafe und Schafherde gehalten wird; der Schafhund, in den niedrigen Sprecharten der Schafrekel.


Schafsalbe (W3) [Adelung]


Die Schafsalbe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, diejenige Salbe, womit die Schäfer die räudigen Schafe schmieren; die Schmiere, die Schmiersalbe.


Schafschatz (W3) [Adelung]


Der Schafschatz, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, der Schatz, d. i. die Abgabe, welche von den Schafen, die man hält, gegeben wird.


Schafschere (W3) [Adelung]


Die Schafschere, plur. die -n, eine große Schere ohne Nieth, deren Arme hinten durch einen stählernen biegsamen Bügel, der die Stelle einer Feder vertritt, verbunden sind, den Schafen damit die Wolle abzunehmen.


Schafscherer (W3) [Adelung]


Der Schafscherer, des -s, plur. ut nom. sing. diejenigen, welche die Schafe scheren, ihnen die Wolle mit der Schere abnehmen; gemeiniglich von beyden Geschlechtern. 1 Sam. 25, 7; 2 Sam. 13, 23. f.


Schafschur (W3) [Adelung]


Die Schafschur, plur. inus. die Handlung, da die Schafe geschoren werden. Die Schafschur vornehmen. Ingleichen die Zeit, wenn ihnen gewöhnlich die Wolle mit der Schere abgenommen wird; die Wollschur.


Schafschwingel (W3) [Adelung]


Der Schafschwingel, des -s, plur. inus. S. Schafgras.


Schafskleid (W3) [Adelung]


Das Schafskleid, des -es, plur. die -er, S. Schafpelz.


Schafskopf (W3) [Adelung]


Der Schafskopf, des -es, plur. die -köpfe, eigentlich der Kopf eines Schafes. Figürlich. 1) Eine Art der Köpfe an den Pferden, welcher dem Kopfe eines Schafes ähnlich siehet, und von dem Rammskopfe noch verschieden ist. Ingleichen, ein Pferd mit einem solchen Kopfe. 2) In der niedrigen Sprechart ist Schafskopf oder Schafkopf ein Scheltwort, einen dummen, einfältigen Menschen zu bezeichnen.


Schafstall (W3) [Adelung]


Der Schafstall, des -es, plur. die -ställe, ein Stall für die Schafe, ein Gebäude, worin die Schafe gefüttert und gehalten werden.


Schafstand (W3) [Adelung]


Der Schafstand, des -es, plur. inus. das an einem Orte befindliche Schafvieh. Ein Gut hat einen beträchtlichen Schafstand, wenn es viel Schafvieh halten kann. S. Stand.


Schaft (W3) [Adelung]


Der Schaft, des -es, plur. die Schäfte, ein von dem Zeitworte schaffen in dessen weitesten Bedeutungen abstammendes Wort, welches daher auch auf verschiedene Art gebraucht wird. 1. * Mit dem herrschenden Begriffe des hohlen Raumes ist Schaft in einigen Gegenden ein Behältniß, ein Schrank; Nieders. Schapp. Bücherschaft, ein Bücherschrank oder Bücherbret. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung ungewöhnlich; nur daß bey den Jägern noch das Geburtsglied der Hündinnen und weiblichen Raubtiere der Schaft genannt wird. S. auch Schaff. 2. Mit dem Begriffe der Ausdehnung in die Länge. 1) Überhaupt, wo der lange, gerade und glatte Theil eines Dinges, ingleichen ein langes, gerades, dünnes Ding in sehr vielen Fällen ein Schaft, Nieders. mit der gewöhnlichen Verwechselung der Hauch- und Blaselaute, ein Schacht oder Schecht genannt wird. So ist im Nieders. Schecht eine Stange. Im Hebr. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Stecken, die Ruthe eines Baumes, ein Zepter. Im Schwed. Skap, das männliche Glied an Menschen und größern Thieren, welches auch wohl im Deutschen ein Schaft genannt wird. Die lange, gerade Stange an einem Spieße heißt noch hin und wieder ein Schaft, z. B. 1 Sam. 17, 7; daher dieses Wort ehedem auch wohl für den Spieß selbst gebraucht wurde. Der Schaft des Leuchters, 2 Mos. 25, 31, der gerade, auf dem Fuße senkrecht stehende Theil desselben. Ein gerader langer Stamm eines Baumes heißt im Forstwesen der Schaft, und ein Baum ist daselbst gut geschäftet, wenn er einen schönen geraden Stamm hat. Oft wird auch ein jeder Stamm im Reiche der Pflanzen und Bäume der Schaft genannt, Lat. Scapus. In engerer und in der Botanik üblicher Bedeutung ist es ein glatter Stamm, welcher nur Blumen aber keine Blätter trägt. Der Schaft einer Säule, der gerade glatte Theil zwischen dem Fuße und Capital, die Säule im engsten Verstande. Der Schaft am Stiefel, der Theil zwischen dem Fuße und den Stulpen. Bey den Jägern heißt ein Hund wohl geschäftet, wenn er einen langen, schlanken Leib hat. An einem Federkiele wird der obere, mit Mark angefüllete Theil der Schaft genannt. Bey den Nadlern ist der Schaft einer Nadel dem Kopfe entgegen gesetzet, und die Schäfte sind daselbst die noch nicht mit Knöpfen versehenen Stecknadeln. An den Weberstühlen sind die Schäfte die Stäbe an den Kämmen, da denn auch wohl das Ganze dazu gehörige Gerüst, mit Einschluß der Schämel, wodurch sie auf- und niedergezogen werden, unter diesem Nahmen begriffen sind. Drey- vier- oder fünfschäftig arbeiten, mit so vielen Schämeln oder Schäften. Auch der Theil einer Mauer zwischen zwey Öffnungen, oder auch zwischen der Ecke und einem Fenster oder einer Thür, heißt ein Schaft, Französ. Trumeau; daher man einen Spiegel, mit welchem eine solche Wand bekleidet wird, auch wohl einen Schaftspiegel heißt. 2) In engerer Bedeutung, so daß der Begriff des Schaffens, d. i. des Handhabens, mit eintritt, wo Schaft in vielen Fällen so viel als Heft oder Häft ist, welches nur durch den Mangel des Zischlautes von dem vorigen unterschieden wird. Im Schwed. und Isländ. ist Skapt ein jeder Heft, eine jede Handhabe. Der schon gedachte Schaft an einem Spieße kann auch hierher gerechnet werden. An einem Schießgewehre ist der Schaft die ganze hölzerne Einfassung des Laufes und Schlosses, welche zur bequemern Handhabung dienet. Der Vorderschaft, der hintere dicke Theil desselben, welcher auch der Anschlag, die Kolbe heißt, zum Unterschiede von dem langen Schafte unter dem Laufe. Ehedem nannte man auch die Laffeten an den Kanonen Schäfte, und eine Kanone schäften war, sie auf die Laffete legen. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es in dieser Bedeutung noch üblich. Anm. Bey dem Stryker Schaft, im Nieders. Schecht, im Angels. Sceaft, im Engl. Shaft, im Schwed. Skap und Skaft, im Isländ. Skapt, im Böhm. Ssyfft, im Latein. Scapus, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Alle von schaffen, so fern es überhaupt sich schnell bewegen, und in engerer Bedeutung, sich in die Tiefe, Länge u. s. f. ausdehnen bedeutet. Siehe dasselbe, ingleichen Schäften. In einigen, vielleicht nur wenigen Gegenden, ist es ungewissen Geschlechtes, das Schaft. Im Hochdeutschen kennet man es nur allein im männlichen.


Schaftdraht (W3) [Adelung]


Der Schaftdraht, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, bey den Nadlern, Draht, woraus die Schäfte der Stecknadeln geschnitten werden.


Schäften (W3) [Adelung]


Schäften, verb. reg. act. welches theils von Schaft herstammet, theils aber auch ein unmittelbares Intensivum von schaffen zu seyn scheinet. 1) Mit einem Schafte versehen. Ein Gewehr schäften, es mit hölzernen Schafte bekleiden, in den gemeinen Sprecharten schiften und schüften. Daher ist der Büchsenschäfter ein eigener Handwerker, welcher die Schäfte zu den Feuergewehren verfertiget. Schwed. skafta. In einigen Fällen ist nur allein das Mittelwort geschaftet üblich. ( S. das vorige Schaft 2 1). 2) Im Jagdwesen ist schäften, eine zersprungene Leine ohne einen Knoten wiederum zusammen machen, welches durch aufdrehen, in einander stoßen und zusammen nähen beyder Theile geschiehet, wo so wohl der Begriff des Verbindens, als des in einander Fügens der herrschende seyn kann. Eben diese Handlung wird auch spießen genannt. 3) Im Schiffbaue sagt man z. B. ein Schiff ist auf funfzehen Kanonen geschäftet; wenn es so viel Kanonen führet. Gleich stark geschäftete Schiffe sind die, welche gleich viel Kanonen führen. Weil man in diesem Falle auch sagt, ein Schiff ist auf so viel Kanonen gebohret, vermuthlich in Rücksicht auf die Stückpforten, so scheinet auch hier die Bedeutung der Öffnung zum Grunde zu liegen. Siehe Schaft 1, und Schaff. So auch die Schäftung.


Schaftgesimse (W3) [Adelung]


Das Schaftgesimse, des -s, plur. ut nom. sing. das unterste Gesimse an dem Schafte einer Säule, worauf dieselbe ruhet, unmittelbar über dem Säulenfuße.


Schafthalm (W3) [Adelung]


Der Schafthalm, des -es, plur. inus. S. das folgende.


Schaftheu (W3) [Adelung]


Das Schaftheu, des -es, plur. inus. ein Nahme des Schachtelhalmes, ( S. dieses Wort,) welcher auch Ackerroßschwanz, Katzenzahl, Schafthalm u. s. f. genannt wird; Equisetum hiemale L. und in den neuern Ausgaben desselben Hippuris. Den Nahmen des Heues hat es wegen der Ähnlichkeit seiner harten graugrünen Stängel mit dem Heue; die erste Hälfte aber bezeichnet entweder die gerade glatte, oder auch die hohle Beschaffenheit dieser Stängel, und scheinet mit Schachtelhalm gleichbedeutend zu seyn, indem das Hochdeutsche Schaft im Niederdeutschen Schacht und Schecht lautet. Im Engl. heißt es Shavegrass. Daher Schaft - und Schachtel - hier auch aus schaben entstanden seyn können, zumahl da es in einigen Gegenden auch Schaberusch heißt.


Schaftholz (W3) [Adelung]


Das Schaftholz, des -es, plur. inus. dasjenige Holz, woraus die Büchsenschäfter die Schäfte zu den Feuergewehren verfertigen.


Schäftig (W3) [Adelung]


1. * Schäftig, adj. et adv. welches im Hochdeutschen veraltet ist, seitdem geschäftig dafür üblich geworden. Sprichw. 14, 4 kommt es noch in der ungewöhnlichen Bedeutung für arbeitsam vor: der Ochse ist schäftig.


Schäftig (W3) [Adelung]


2. Schäftig, adj. et adv. welches unmittelbar von Schaft herstammet, aber nur in einigen Zusammensetzungen üblich ist. Dreyschäftig u. s. f. ( S. Schaft 2, 1).


Schaftmodel (W3) [Adelung]


Der Schaftmodel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Radlern, ein längliches Bretchen, die Schäfte zu den Stecknadeln vermittelst desselben alle gleich lang zu schroten.


Schaftmodell (W3) [Adelung]


Das Schaftmodell, des -es, plur. die -e, bey den Büchsenschäftern, ein nach dem Umfange des Schaftes ausgeschnittenes Bret, um dem Schafte seine gehörige Form zu geben.


Schaftrieb (W3) [Adelung]


Der Schaftrieb, des -es, plur. inus. das Recht, seine Schafe auf und über die Felder und Grundstücke anderer zu treiben.


Schaftrift (W3) [Adelung]


Die Schaftrift, plur. die -en, diejenige Trift, worauf Schafe getrieben werden.


Schaftschneider (W3) [Adelung]


Der Schaftschneider, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Nadlern, derjenige Arbeiter, welcher den zugespitzten Draht zu Schäften schrotet oder schneidet.


Schaftspiegel (W3) [Adelung]


Der Schaftspiegel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Trumeau, Spiegel. ( S. Schaft 2 1).


Schafvieh (W3) [Adelung]


Das Schafvieh, des -es, plur. car. ein Collectivum, Schafe als Vieh betrachtet, Schafe ohne Unterschied des Geschlechtes und des Alters.


Schafweide (W3) [Adelung]


1. Die Schafweide, plur. die -n, S. Baumwollenweide.


Schafweide (W3) [Adelung]


2. Die Schafweide, plur. die -n, ein Ort, wo die Schafe weiden oder weiden können, ein zur Weide für die Schafe bequemer oder bestimmter Ort.


Schafzäcke (W3) [Adelung]


Die Schafzäcke, plur. die -n, eine Art Milben oder Zäcken, welche sich in den Wäldern aufhält, und sich fest an die Schafe ansauget; Acarus reduvius, Ricinus L. Schafmilbe, S. Zäcke.


Schafzunge (W3) [Adelung]


Die Schafzunge, plur. inus. eine figürliche, in einigen Gegenden übliche Benennung des breiten Wegeriches; vermuthlich wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt, S. Wegerich.


Schakal (W3) [Adelung]


Der Schakal, des -s, plur. die -s, der Nahme eines in den Morgenländern sehr gewöhnlichen Thieres, welches einem Fuchse sehr ähnlich ist, und daher auch im Hebräischen mit dem Fuchse nur einen und eben denselben Nahmen hat. Indessen ist es nicht so beißig und gefährlich als der Fuchs, und hält sich oft in Herden von mehrern Hunderten zusammen. Simsons Füchse Richt. 15 waren dem Hofr. Michaelis zu Folge solche Schakals. Niebuhr hat diese Thiere in seiner Beschreibung von Arabien umständlich beschrieben. Der Nahme ist Morgenländisch, besonders Persisch, und vermuthlich eine Nachahmung des ihm eigenthümlichen Lautes, der eine Art des Bellens ist. Im Hebräischen lautet er Schugal. Nach dem Vorgange Französischer und Engländischer Schriftsteller wird dieses Wort von einigen in Jackal und Jackhals verderbt.


Schakan (W3) [Adelung]


Der Schakan, des -es, plur. die -e, oder der Schakaner, des -s, plur. ut nom. sing. so wohl die Krücke, als auch der obere krumm gebogene Theil an einem Spazierstocke, und ein solcher oben mit einer Krücke oder einem krumm gebogenen Theile versehener Spazierstock selbst, dergleichen die Heiducken zu tragen pflegen. Das Wort ist ausländisch, vermuthlich Ungarisch.


Schake (W3) [Adelung]


Die Schake, plur. die -n, ein vornehmlich bey den Nadlern übliches Wort, eine Art Ketten zu bezeichnen, woran ein jedes Gelenk ein einfacher, an beyden Enden umgebogener Draht ist, dergleichen man zu den Wageschalen, an den Deckeln der Tobakspfeifen, für die Affen und andere kleine Thiere u. s. f. gebraucht, und auch Schakenkette nennet. Vermuthlich bedeutet das Wort Schake eigentlich ein auf solche Art umgebogenes Glied der Kette. Das Schakenholz ist bey den Nadlern ein Holz mit zwey Stiften, die Glieder zu solchen Ketten darauf zu verfertigen. Es ist allem Ansehen nach ein Niederdeutsches Wort. Im Nieders. ist Schake ein Bein, Schenkel, Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Chald. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; vielleicht auch ein jedes Gelenk oder Glied.


Schäker (W3) [Adelung]


Der Schäker, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person, welche schäkert, besonders muntere, auf eine lärmende Art scherzende Kinder. ( S. Schäkern.) Das in einigen Gegenden, z. B. in Meißen, übliche Schäker oder Schächer, ein untaugliches, ungesundes Pferd zu bezeichnen, ist von einem andern Stamme und vielleicht Schwedischen oder Slavonischen Ursprunges, welche Sprachen noch verschiedene Überbleibsel unter den Meißnischen Landleuten zurück gelassen haben. In Liefland ist Tschuker eine Schindmähre.


Schäkerey (W3) [Adelung]


Die Schäkerey, plur. die -en, in den vertraulichen Sprechart, ein lauter mit einem Geräusche verbundener Scherz, und in weiterer Bedeutung, ein jeder Scherz. Es war eine bloße Schäkerey, ein bloßer Scherz. S. das folgende. Ich geb' ihm Brot, mit Schäkereyen Mich, eh' ich schlafe, zu erfreuen, Uz.


Schäkerhaft (W3) [Adelung]


Schäkerhaft, -er, -este, adj. et adv. zur Schäkerey, d. i. lautem Scherze, geneigt und darin gegründet. So auch die Schäkerhaftigkeit.


Schäkern (W3) [Adelung]


Schäkern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, laut scherzen und lachen, kurzweilen, in einigen Mundarten schökern. Daher das Schäkern. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, und das Diminutivum und zugleich Intensivum des Nieders. und Holländ. "schachen" und "schachern", welche wegen ihres breiten a laut und unanständig lachen bedeutet, und sich von dem Lat. cachinnari nur durch den Zischlaut un- terscheiden, der auch dem Nieders. jachern, und im Lat. jocari fehlet, ( S. Jachern und Geck.) Im Engl. ist Joke der Scherz, to joke scherzen.


Schal (W3) [Adelung]


Schal, -er, -este, adj. et adv. welches besonders von geistigen flüssigen Körpern gebraucht wird, wenn sie den gehörigen kräftigen Geruch und Geschmack verloren haben, geistlos, kraftlos, wässerig. Schales Bier, schaler Wein. Der Wein ist schal geworden. Ingleichen figürlich, wie geistlos, kraftlos. Ein schaler Kopf, ein geistloser. Ein schaler Ausdruck, ein kraftloser. Blendender Witz unsinniger schaler Romane, Zach. Romanen stiegen hier gethürmet in die Höh Voll schaler Zärtlichkeit und süßem Liebesweh, ebend. Und leert den schalen Witz, den er bey manchem Schmaus Gesammelt hat, bey diesem Anlaß aus. Wiel. Anm. Im Nieders. schaal, im Schwed. skäll. Kilian und andere lassen es von Schale abstammen, und erklären es, freylich so gezwungen als möglich, von Wein oder Bier, welches durch langes Stehen in einer Schale unschmackhaft geworden. Erträglicher ist die Ableitung von dem Nieders. schälen, spülen, ingleichen unachtsam, nachlässig gekleidet gehen, wovon schälig, unachtsam, nachlässig, ist. Schal würde alsdann der ersten Bedeutung zu Folge so viel wie wässerig bedeuten.


Schäl (W3) [Adelung]


Schäl, S. Schel.


Schalaune (W3) [Adelung]


Die Schalaune, plur. die -n, ein kurzer Mantel, dergleichen z. B. die Schüler auf den Fürstenschulen in Meißen zu tragen pflegen; aus dem Lat. Seholana, nähmlich Vestis.


Schälbe (W3) [Adelung]


Die Schälbe, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden in der Landwirthschaft übliches Wort, eine Kuh zu bezeichnen, welche noch nicht gekalbet hat, und die man an andern Orten eine Färse und Kalbe nennet, aus welchem letztern es durch den vorgesetzten Zischlaut entstanden zu seyn scheinet.


Schälblase,Schälblatter (W3) [Adelung]


Die Schälblase, oder Schälblatter, plur. die -n, S. Hitzblatter.


Schalblech (W3) [Adelung]


Das Schalblech, des -es, plur. die -e, ein eisernes plattes Beschläge, welches auf die Achsen eines Rüst- oder Bauerwagens gelegt, und auch eine Schale und Schwarte genannt wird.


Schalbret (W3) [Adelung]


Das Schalbret, des -es, plur. die -er, von den aus einem Baume oder Blocke geschnittenen Bretern, das äußerste Bret an der Seite des Baumes, unmittelbar unter der Rinde, dessen eine Seite daher uneben und gemeiniglich halb rundlich ist; das Schalstück, die Schwarte, Nieders. Schelldele, Schaaldele.


Schale (W3) [Adelung]


Die Schale, plur. die -n, Diminut. das Schälchen, ein Wort, welches noch in mehr als Einer Hauptbedeutung gebraucht wird. 1. Mit dem herrschenden Begriffe der Höhlung, des hohlen, tiefen Raumes, scheint es ehedem einen jeden hohlen Raum, und in engerer Bedeutung ein Gefäß bedeutet zu haben. Im Griech. sind - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Arten von Trinkgeschirren. Auf der Oder sind gewisse Fahrzeuge unter dem Nahmen der Schalen bekannt, ( S. auch Chaluppe.) Wir gebrauchen es nur noch in engerer Bedeutung von gewissen Gefäßen, deren hohler Raum eine Halbkugel vorstellet oder doch dieser Figur am nächsten kommt. Die Pochschale ist im Bergbaue eine eiserne Platte einer halben Elle dick mit einer fast eben so tiefen runden Grube, das Erz darin zu pochen. Die Wageschalen sind halb kugelförmige dünne Gefäße an einer Wage. Besonders ein solches Gefäß für Speise und Trank, ohne Rücksicht auf die Größe. Eine Theeschale, Kaffehschale, wofür das ausländische Tasse in den meisten Gegenden üblicher ist. Eine Schale Thee, ein Schälchen Thee trinken. Eine Zuckerschale, Obstschale, Punschschale, Trinkschale u. s. f. Eine Schale Obst, wo es auch für Schüssel stehet, obgleich eine Schüssel gemeiniglich theils größer, theils flacher ist, als eine Schale. Goldene Äpfel in silbernen Schalen. Die kalte Schale, eine figürliche Benennung einer kalten flüssigen Speise, Brot, Semmel u. s. f. in Bier, Wein, Milch u. s. f. gebrockt, welche aus einer Schale gegessen wird; Schwed. gleichfalls Kallskal. In dieser Bedeutung lautet es im Nieders. gleichfalls Schale, im Engl. Shell, im Schwed. Skal, im Wallis. Ysgal, im Böhm. Ssal und Ssalek. Es ist in dem weitesten Verstande des hohlen Raumes mit Schilf, und wenn man den Zischlaut abrechnet, auch mit Kelch, Gölle, Hohl u. s. f. verwandt. 2. Mit dem Begriffe der Bedeutung, der gewöhnlichen Figur des hohlen Raumes. 1) In engern Verstande, ein hohler Körper, welcher einen andern weichern umgibt und bedecket, wo es am häufigsten von solchen harten und festen, zuweilen aber auch von weichen und biegsamen gebraucht wird. (a) Von harten und festen, wo es fast in allen Fällen üblich ist, wo kein anderer Nahme eingeführet worden. Die Hirnschale, die beinerne hohle Bedeckung des Gehirnes; bey dem Stryker nur Scal, Schwed. Skalle, Engl. Skull. Die Nußschale, welchen Nahmen so wohl die weichere grüne und äußerste Bekleidung der Wälschen Nuß am Baume, als auch die harte Bedeckung des Kernes so wohl an den Wälschen, als an den Haselnüssen bekommt. Die Eyerschale, Mandelschale, Austerschale, Krebsschale, Schildkrötenschale u. s. f. Die hornartige Bekleidung des untersten Theiles der Füße an manchen Arten von Thieren heißt, besonders bey den mit gespaltenen Klauen, die Schale. Bey denen Thieren, welche keine gespaltenen Klauen haben, heißt diese Bekleidung am häufigsten der Huf, in manchen Gegenden aber doch auch die Schale. An den Gießformen, besonders auf den hohen Öfen, heißt die äußere Form so wohl die Schale, als der Mantel, zum Unterschiede von dem Kerne oder der innern Form. Die Schale eines Baumes, welche doch noch häufiger die Rinde genannt wird. Die Schale von einem Buche ist der Einband, nachdem das Buch heraus geschnitten worden. So fern aber auch die steifen Seitentheile eines Bücherbandes die Schalen heißen, gehöret es zu der folgenden Bedeutung einer flachen ebenen Bedeckung. Die Schale an einem Messerhefte, sind Bekleidungen des Heftes von Bein u. s. f. welche gemeiniglich eine halb runde Gestalt haben, oft aber auch flach sind; Nieders. Schulpe. In dieser Bedeutung einer hohlen Bedeckung lautet es im Nieders. Schelle, im Angels. Sceala, Scyll, im Engl. Shell, Shale, im Schwed. Skalme. Rechnet man den Zischlaut ab, so sind auch Hülle, Hülse das mittlere Lat. Culea, Helm u. a. m. damit verwandt. (b) Von biegsamen, weichen und dünnen Bekleidungen; in welchem Falle es doch seltener gebraucht wird, weil dafür Haut und andere Benennungen üblicher sind. Äpfelschalen, Birnschalen, die äußere Bekleidung der Äpfel und Birnen, welche im gemeinen Leben auch Schelfen genannt werden. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Haut, das Fell. 2) Im weitern Verstande, wo sich der Begriff der Höhlung verlieret und allein der Begriff der Bedeckung übrig bleibt, da denn dieses Wort in vielen Fällen auch von ebenen, gemeiniglich aber dünnen und festen Bedeckungen gebraucht wird. So werden die Schalbleche und Schalbreter auch nur Schalen genannt. Bey dem Ulphilas ist Skalja ein Ziegel, nach dem Latein. Tegula. 3) In noch weiterm Verstande verlieret sich auch der Begriff der Bedeckung, und da ist die Schale in vielen Fällen die Benennung eines in die Länge und Breite ausgedehnten festen aber dünnen Körpers. Die Kammschale ist der Nahme eines schwarzen harten Kupferschiefers. Die Erzschale oder eine Schale Erz ist im Bergbaue ein flaches oder dünnes Stück Erz, welches sich von dem übrigen los gegeben, wo aber auch der Begriff der Absonde- rung Statt findet. Vielleicht ist auch dieß der Grund, warum die Fleischer gewisse Stücken Fleisch von der Keule eines Rindes die Ober- und Unterschale nennen. Im Schwed. ist Skolla Blech. S. auch Scholle. Anm. Der Begriff der Höhlung, und figürlich der Bedeckung, ist in den meisten Bedeutungen dieses Wortes der herrschende, und da stammt es von dem noch im Schwed. üblichen skyla, decken, bedecken, her, von welchem auch unser Schild abgeleitet werden muß. Das Engl. Scale und Franz. Ecaille, Fischschuppe, gehöret gleichfalls dahin. S. das folgende.


Schalen (W3) [Adelung]


Schalen, verb. reg. act. mit Schalen versehen. Die Messer schalen, die Schalen an dem Hefte befestigen. Das Ufer eines Deiches oder Dammes schalen, die Seiten mit Bretern oder Bohlen bekleiden. In dem Jagdwesen heißt ein Hirsch hoch geschalt, wenn er hohe Schalen an den Läuften hat. Anm. In dieser Bedeutung stammet es zunächst von Schale ab. Allein, ehedessen muß es, wie aus den Abgeleiteten erhellet, ein Zeitwort von einem sehr weiten Umfange gewesen seyn, welches ursprünglich eine Nachahmung eines gewissen Lautes war, und wovon unser schallen das Intensivum ist. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur bedeutete es hernach auch allerley Bewegungen und Veränderungen, welche mit diesem Laute bekleidet sind, wie noch das Nieders. schälen, welches nicht nur plaudern, sondern auch spülen, anspülen, ingleichen einen flüssigen Körper rütteln, wie auch unachtsam und nachlässig gekleidet gehen, bedeutet. Das verwandte schelen bedeutet in Niedersachsen zanken u. s. f. Nach einer andern Figur bezeichnet es eine jede Bewegung oder Ausdehnung, und zwar so wohl überhaupt, als auch nach besondern Richtungen, wohin denn auch der Begriff der Bewegung in die Ründe, in die Tiefe gehöret, wovon die Bedeutung des hohlen Raumes, und der Bedeckung gewöhnliche Figuren sind.


Schälen (W3) [Adelung]


Schälen, verb. reg. act. der Schale berauben, wo es doch nur von weichen biegsamen Schalen gebraucht wird. Äpfel, Birnen schälen. Geschälte Äpfel. Die Bäume schälen, die Rinde von denselben abziehen oder absondern. Jakob schälete Stäbe, 1 Mos. 30, 37. In einigen Gegenden schälet man einen Boden, welcher urbar gemacht werden soll, wenn man den Rasen mit der Schälhacke oder dem Schälpfluge absticht und hernach verbrennet, welche Arbeit im Badenschen schorben genannt wird. Von harten Schalen gebraucht man dieses Wort nicht, außer von den Eyerschalen; wohl aber ist es in manchen Fällen auch von solchen weichen und dünnen Bedeckungen üblich, welche unter dem Nahmen der Häute und Hülsen bekannt sind. Z. B. Nüsse schälen, nicht der harten festen Schale berauben, sondern das weiche Häutchen von dem Kerne absondern. Daher es auch als ein Reciprocum gebraucht wird, sich schälen, sich in Gestalt einer Schale oder Haut absondern. Die Haut im Gesichte schälet sich, oder das Gesicht schälet sich, wenn sich die Haut in Gestalt einer trocknen biegsamen Schale absondert. So auch das Schälen.

Anm. Im Nieders. schellen, im Schwed. skala. Das Engl. to scale bedeutet schuppen, abschuppen. Es kann seyn, daß dieses schälen nicht so wohl unmittelbar von Schale abstammet, sondern eine eigene Onomatopöie des Theilens, Schneidens ist, da es denn nur eine einzelne Bedeutung des vorigen Wortes schalen seyn würde. Im Schwed. ist skälla in dünne Blätter schneiden, und skilja theilen, absondern. Daß bey dem vorigen Worte gedachte Nieders. schälen, spülen, und schälen, befeuchten, in beschälen, gründen sich auf ähnliche Onomatopöien.


Schalenmehl (W3) [Adelung]


Das Schalenmehl, des -es, plur. car. bey den Müllern, dasjenige Mehl, welches noch in den zermalmeten Schalen, d. i. in der Kleye, sitzet, und davon gebeutelt wird.


Schalenschröter (W3) [Adelung]


Der Schalenschröter, des -s, plur. ut nom. sing. in den Messer-Fabriken, derjenige Arbeiter, welcher die Schalen zu den Messerheften verfertiget; von schroten, schneiden.


Schalfisch (W3) [Adelung]


Der Schalfisch, des -es, plur. die -e, S. Schalthier.


Schälfisch (W3) [Adelung]


Der Schälfisch, S. Schellfisch.


Schälgang (W3) [Adelung]


Der Schälgang, des -es, plur. die -gänge, in den Mühlen, ein Gang, worin das zu Graupen bestimmte Getreide geschälet, d. i. seiner Hülsen, beraubt wird; der Graupengang.


Schalgebirge (W3) [Adelung]


Das "Schalgebirge", des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, der Nahme einer steinartigen Flötzlage, oder Schicht in einem Flötzgebirge, weil sie sich schälet, oder in dünne Blätter absondert. So ist in den Thüringischen Flötzgebirgen das blaue Schalgebirge ein Steinflötz, welches aus Thon, Schiefer und Kalk bestehet. Das darüber liegende rothe Schalgebirge ist ein rother, eisenschüssiger, mit Thon und Quarz vermengter "Marmor". Darüber liegt das weiße Schalgebirge, welches eine Mischung aus thonartigem Schiefer, Jaßpiß und "Marmor" ist.


Schälhacke (W3) [Adelung]


Die Schälhacke, plur. die -n, S. Schälen.


Schalhaut (W3) [Adelung]


Die Schalhaut, plur. die -häute, diejenige Haut, womit die Flügeldecken der Käfer überzogen sind.


Schälhengst (W3) [Adelung]


Der Schälhengst, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Hengst, welcher zum Beschälen gehalten wird. S. dieses Wort.


Schalholz (W3) [Adelung]


Das Schalholz, des -es, plur. die -hölzer. 1) Ein auch für Schalbret übliches Wort, ( S. dasselbe.) 2) Hölzer, womit ein Deich oder Damm geschälet, d. i. an den Seiten bekleidet, wird. 3) In dem Bergbaue sind es gespaltene Bäume, welche in den Schächten hinter die Geviere geleget werden.


Schalk (W3) [Adelung]


Der Schalk, des -es, plur. die Schälke, ein altes Wort, welches, 1. * ehedem einen Diener, einen Bedienten, einen Knecht, kurz eine jede Person bedeutete, welche einem andern zu gewissen Dienstleistungen verbunden ist. Es war in diesem Verstande ehedem sehr üblich, und wurde nicht nur von Knechten und Bedienten geringer, sondern auch von Dienern höherer Art, von Vasallen und Hofbedienten gebraucht, und da sagte man auch im weiblichen Geschlechte, die Schälkinn. Es ist in dieser Bedeutung, vermuthlich unter der Zweydeutigkeit mit der folgenden willen, veraltet, und nur noch in einigen Zusammensetzungen üblich; wohin der eigenthümliche Nahme Gottschalk, und die Benennung Marschall, ehedem Marschalk, und das Franz. Senechal, im mittlern Lateine Senechalcus, gehören. Im Nieders. gebraucht man es noch zuweilen figürlich, eine Stütze, einen Träger, einen leblosen Körper zu bezeichnen, worauf ein andere ruhet, welchen man im Hochdeutschen auch wohl einen Knecht zu nennen pfleget. 2. Eine Person, welche die Fertigkeit besitzet, andern bey einem unschuldig scheinenden Verhalten zu schaden; wo es von beyden Geschlechtern gebraucht wird, und ein so genanntes Mittelwort ist, welches so wohl einen groben arglistigen Betrieger bezeichnen kann, als auch eine Person, welche andere durch ein unschuldig scheinendes Betragen nur im Scherze zu hintergehen sucht. 1) Eigentlich. Die Propheten sind Schälke, Jer. 23, 11, Betrieger. Halte deine Feyertage, Juda - denn es wird der Schalk nicht mehr über dich kommen, er ist gar ausgerottet, Nabum. 2, 1. Es ist mancher scharfsinnig, und ist doch ein Schalk, Sir. 19, 22. Der Schalk kann den Korf hängen und ernst sehen, und ist doch eitel Betrug, V. 23. Dieweil der Bösen Maul im Lügen, Der Schalk im Schmähen sucht Genügen, Opitz Ps. 109, 1. Am üblichsten ist es jetzt von kleinen unbedeutenden Hintergebungen, eine Person zu bezeichnen, welche Leichtfertigkeit, scherzhafte Arglist hinter ein unschuldiges äußeres Betragen zu verbergen weiß; wenigstens hat es viel von dem ehemahligen harten Begriffe verloren, welcher andern Wörtern dieser Art anklebet. Ein durchtriebener, ein abgesäumter Schalk. Einen Schalk hinter den Ohren haben, ein Schalk seyn. Er weiß den Schalk fein zu bedecken, er weiß sich sehr unschuldig, sehr ernsthaft zu stellen. Je ärger Schalk, je besser Glück. Schälke muß man mit Schälken fangen. 2) Figürlich. (a) Bey den Salpetersiedern wird eine weiße Kalkerde, welche sich zuweilen unter der schwarzen Erde befindet, und von Unverständigen oft für Salpetererde gehalten wird, Schalk genannt. (b) In der Landwirthschaft einiger Gegenden sind die Schälke Kohlstöcke, welche einen guten Wuchs, aber doch dabey kein so genanntes Herz haben. In beyden Fällen ohne Zweifel, weil diese Dinger durch ihr gutes äußeres Aussehen Unwissende hintergehen.

Anm. In der ersten, allem Ansehen nach ältesten Bedeutung, lautet dieses Wort bey dem Ulphilas Skalks, bey dem Kero Scalcha, bey dem Ottfried Scalc, der auch scalclih für knechtlich gebraucht, im Nieders. Schalk, im Schwed. Skalk. Im Isidor wird es Scaalih geschrieben, woraus wahrscheinlich wird, daß das k am Ende aus der Ableitungssylbe -ig oder -ich entstanden ist; Schalich, eine Person, welche dienet, zusammen gezogen Schalch und Schalk. Es kommt also bey der Ableitung nur auf die Sylbe Schal an. Diese gehöret allem Ansehen nach zu dem schon gedachten alten Stammworte schalen, welches unter andern auch allerley geschäftige Bewegungen vornehmen, arbeiten, dienen bedeutet haben kann, ( S. Schalten,) welches nahe damit verwandt ist. Bey dem Ulphilas kommt auch das Zeitwort skalkinon für dienen vor. Frisch leitete es sehr gezwungen von dem Slavonischen Slug, ein Knecht, her, Wachter auf eine mehr erträgliche Art von sollen. Die zweyte Bedeutung wird gemeiniglich als eine Figur der ersten angesehen, weil Knechte gemeiniglich betriegerisch sind, und man an Dieb, dem Latein. Fur und andern schon ähnliche Beyspiele solcher Figuren hat. Allein diese Erklärungsart wird hier um deßwillen unwahrscheinlich, weil Schalk ehedem am häufigsten einen Diener höherer Art bedeutete, bey welchem dergleichen Gesinnung nicht immer vermuthet werden kann. Es ist also wahrscheinlicher, daß diese Bedeutung von einem andern, längst veralteten Gebrauche des Zeitwortes schalen abstammet; denn daß dieses ehedem alle die vielen Bedeutungen gehabt haben müsse, welche Zeitwörter dieser Art gemeiniglich haben, erhellet aus dem Hamburg. Schalk, der Mund, welches mit Schale von schalen abstammet, so fern es ehedem eine Richtung und Bewegung in und nach der Tiefe bedeutet hat. Eben dieser Begriff scheinet auch in dem Baierischen Schalkel, ein Weiber-Corset ohne Schöße, der herrschende zu seyn, wenn es nicht vielmehr vermittelst des Zischlautes aus Jacke gebildet worden. In dem Schwed. Skalk, das erste Stück von einem angeschnittenen Brote, welches im Oberdeutschen der Ranft, der Schärzel, und im Niederdeutschen der Knuust heißt, scheinet der Begriff des Abschneidens, vielleicht auch der Masse, zum Grunde zu liegen. Siehe Schälken. Im Pictorius ist Schalk Hader, Zank, und schelken, schalken, zanken, welches eine unmittelbare Onomatopöie des Zankens ist, und zu unserm schelten gehöret. Übrigens hatte man ehedem auch das Zeitwort schalken für hintergehen, betriegen, welches aber, wenigstens im Hochdeutschen, veraltet ist. Die Lieb ist jederzeit Begabt mit Freundlichkeit; Läßt bösen Eifer bleiben. Die Liebe schalket nicht, Sie denkt an ihre Pflicht, Opitz. Im Schwed. ist skalkas gleichfalls betriegen. Eben so ungewöhnlich sind die ehemahligen Zusammensetzungen Schalksauge, Schalksknecht, Schalksrath, Schalksohr, Schalkschrift, Schalks- liebe u. s. f. geworden, arglistige, verstellte betrügliche Dinge zu bezeichnen.


Schalken (W3) [Adelung]


Schalken, verb. reg. act. welches nur im Schiffbaue, besonders in den zusammen gesetzten zuschalken, zunageln, mit Nägeln zuschlagen, üblich ist. S. das folgende.


Schälken (W3) [Adelung]


Schälken, verb. reg. act. welches nur im gemeinen Leben einiger Gegenden, besonders Niedersachsens, üblich ist, und eigentlich schlagen, hauen bedeutet, aber nur von dem Beschlagen oder Behauen der Bäume und des Bauholzes gebraucht wird. Einen Baum schälken, ihn behauen, beschlagen. So auch in dem zusammen gesetzten Anschälken.


Schalkhaft (W3) [Adelung]


Schalkhaft, -er, -este, adj. et adv. einem Schalke ähnlich, in dessen Gesinnung und Fertigkeit gegründet. Deine Missethat lehret deinen Mund also, und hast erwählet eine schalkhaftige Zunge, Hiob 15, 3; d. i. arglistig. In dieser harten Bedeutung ist es veraltet, und es bedeutet nur noch, Fertigkeit besitzend, unter einem unschuldigen äußeren Ansehen auf eine scherzhafte Art zu hintergehen, und darin gegründet. Schalkhaft seyn. Einige Neuere haben dafür ohne Noth das ungewöhnliche und das Ohr beleidigende schalkisch einzuführen gesucht. So auch die Schalkhaftigkeit.


Schalkheit (W3) [Adelung]


Die Schalkheit, plur. die -en. 1) Der Zustand, die Fertigkeit, da jemand ein Schalk ist, ohne Plural; ehedem besonders im harten Verstande, für Arglist, betriegerische Gesinnung, in welcher Bedeutung es in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt. Die Schlange verführete Evam mit ihrer Schalkheit, 2 Cor. 11, 3. Jetzt hat es auch hier den harten Nebenbegriff verloren, und man gebraucht es am häufigsten von der Fertigkeit, andere unter einem unschuldigen Scheine auf eine scherzhafte Art zu hintergehen. Voller Schalkheit stecken. 2) Ein in dieser Fertigkeit gegründetes Betragen; auch nur in der letztern gelinden Bedeutung. Jemanden eine Schalkheit erweisen. In allen Schalkheiten erfahren seyn. Notker gebraucht Scalcheit noch für Dienstbarkeit, von Schalk, ein Diener.


Schalksauge (W3) [Adelung]


Das Schalksauge, des -s, plur. die -n, ein nur in der Deutschen Bibel und biblischen Schreibart übliches Wort, ein betriegerisches, arglistiges Auge zu bezeichnen, Marc. 7, 22.


Schalksdeckel (W3) [Adelung]


Der Schalksdeckel, des -s, plur. ut nom. sing. eine scherzhafte figürliche Benennung des Hutes, so fern er den Schalk, d. i. schalkhafte, arglistige Fertigkeit, bedecket.


Schalksfreund (W3) [Adelung]


Der Schalksfreund, des -es, plur. die -e, ein falscher, arglistiger Freund, der uns unter dem Scheine der Freundschaft zu hintergehen sucht; ein im Hochdeutschen wenig gebräuchliches Wort. Der Schalksfreund, Filz und Menschenhasser, Haged.


Schalksnarr (W3) [Adelung]


Der Schalksnarr, des -en, plur. die -en, ein Mensch, der sich aus List oder Arglist als ein Narr stellet, sich als einen Narren gebrauchen läßt, ohne es wirklich zu seyn; zum Unterschiede von einem gebornen Narren; einem von der Natur am gesunden Verstande verwahrloseten Menschen.


Schalksohr (W3) [Adelung]


Das Schalksohr, des -es, plur. die -en, nur in der Deutschen Bibel, das Ohr eines arglistigen, auf den Betrug anderer bedachten Menschen. Sir. 19, 24.


Schalksrath (W3) [Adelung]


Der Schalksrath, des -es, plur. die -räthe, auch nur in der Deutschen Bibel, ein betrüglicher, arglistiger Rath. Nahum 1, 11.


Schall (W3) [Adelung]


Der Schall, des -es, plur. die Schälle. 1) Überhaupt, die zitternde Bewegung der Luft, so fern sie sich dem Ohre nähert, und als solche von dem Ohr empfunden wird, wo man es oft im weitesten Verstande, von einer jeden auf solche Art empfundenen Bewegung der Luft gebraucht, sie führe nun von der Summe oder von andern Veränderungen her, sie sey nun schwach oder stark, tönend und klingend, oder auf andere Art bestimmt. Man kennet die Schälle überhaupt unter dem Nahmen der Töne. Ein angenehmer Schall heißt ein Klang. Papagey und Stahr haben genug menschliche Schälle gelernt, aber auch ein menschliches Wort gedacht? Herd. Kinder sprechen Schälle der Empfindung, wie die Thiere, ebend. Der Wiederschall, das Echo. 2) In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, welche zugleich dem Laute, der Onomatopöie dieses Wortes am angemessensten ist, ist der Schall ein heller Laut, eine sehr helle empfundene zitternde Bewegung der Luft. Der Schall der Glocken, der Trompeten, der Trommeln. Gott donnert mit großem Schall, Hiob 17, 4. Und in dieser engern Bedeutung wird der Plural seltener gebraucht. Anm. Bey dem Notker Scall, im Schwed. Skall. S. Schallen.


Schallänte (W3) [Adelung]


Die Schallänte, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Löffelänte, Anas latirostra Klein. Schall scheinet hier aus Schale verderbt zu seyn, und den weiten und tiefen Schnabel, welcher die Gestalt eines Löffels hat, zu bezeichnen, daher sie in einigen Gegenden auch Schildänte genannt wird.


Schallen (W3) [Adelung]


Schallen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, einen Schall von sich geben und verursachen, doch nur in der engern eigentlichern Bedeutung des Hauptwortes, einen hellen lauten Schall von sich geben. Die Posaune wird schallen, 1 Cor. 15, 52. Der Herr wird seine herrliche Stimme schallen lassen, Es. 30, 30. Der Wiederschall schallet aus den hohen Bergen, Weish. 17, 19. Die Gesellschaft ging mit einem schallenden Gelächter aus einander. In weiterer, sonst ungewöhnlicher Bedeutung schallet bey den Jägern ein Thier, wenn es einen Laut von sich hören läßt, welches auch schalten, schelten und melden genannt wird. Daher das Schallen.

Anm. Bey dem Notker schillen, schellen und skellen, im Nieders. gleichfalls schallen, im Schwed. skalla. Ehedem war es ein irreguläres Zeitwort, und bey dem Notker lautet das Imperfectum schull. Diese irreguläre Form hat sich noch in dem zusammen gesetzten erschallen erhalten, dagegen das einfache jetzt völlig regulär ist. Das Activum schällen, schallen machen, wird am gewöhnlichsten mit einem e geschrieben, ( S. Schelle und Schellen.) Übrigens ist dieses Zeitwort eine Onomatopöie eines hellen, schallenden Lautes, der Form nach aber das Intensivum des alten Zeitwortes schallen, welches unter andern auch einen gewissen Laut von sich geben bedeutet that. Hall, hallen, Gall und gällen, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Stimme, und andere unterscheiden sich bloß durch den Mangel des verstärkenden Zischlautes, daher sie auch geringere Arten von Schällen bezeichnen.


Schallhorn (W3) [Adelung]


Das Schallhorn, des -es, plur. die -hörner, eine ehemahlige, jetzt veraltete Benennung, so wohl einer Posaune, als auch einer Schalmeye. Jetzt wird nur bey den Jägern noch der weite Theil des Hiefhornes, aus welchem der Schall heraus fähret, das Schallhorn, noch häufiger aber das Schallstück genannt.


Schallloch (W3) [Adelung]


Das Schallloch, des -es, plur. die -löcher, ein Loch, so fern es dazu da ist, dem Schalle einen Ausgang zu machen. So werden die Öffnungen in den Glockenthürmen, durch welche sich der Schall der Glocken verbreitet, Schalllöcher genannt.


Schallstück (W3) [Adelung]


Das Schallstück, des -es, plur. die -e, eine weite Öffnung unten an den Waldhörner, Trompeten, Posaunen u. s. f. durch welche den Schall heraus fähret. An den Pauken es durch Trichter über dem runden Loche an dem Paukenkessel, wo es auch die Stimme genannt wird.


Schallung (W3) [Adelung]


Die Schallung, plur. die -en, ein nur in den Niederdeutschen Marschländern übliches Wort, das mit Schilfrohr bewachsen oder auf andere Art befestigte Ufer eines Deiches oder Dammes zu bezeichnen. Es wird von vielen, und wie es scheinet, richtiger, Schalung und Schals geschrieben und gesprochen, da es eigentlich die Bekleidung mit Schalen oder Bretern bezeichnen würde.


Schalm (W3) [Adelung]


Der Schalm, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, einen abgesonderten Theil, einen Theil eines Ganzen zu bezeichnen. So ist in der Land- und Forstwirthschaft einiger Gegenden, der Schalm ein gewisser bestimmter Theil, so wohl eines Waldes, als auch einer Weide. Es scheinet in dieser Bedeutung besonders in der Mark Brandenburg üblich zu seyn. S. das folgende.


Schalmen (W3) [Adelung]


Schalmen, verb. reg. act. welches gleichfalls nur in einigen Gegenden gehöret wird, die Schale oder Rinde abhauen. Einen Baum schalmen, ihn durch Abhauung eines Stückes der Rinde oder äußern Schale zeichnen, in welcher Bedeutung auch abschalmen und anschalmen gebraucht werden. da man in den Wäldern die Gränzen gewisser Bezirke auf solche Art zu bezeichnen pflegt, so wird schalmen, besonders im Forstwesen, zuweilen auch überhaupt für zeichnen, absondern, abtheilen gebraucht. So auch die Schalmung.

Anm. Es ist von dem Nieders. Schälken, hauen, schlagen, nur im Endlaute verschieben, und vermittelst der Endsylbe -men, entweder von Schale und schälen gebildet, oder stammet auch unmittelbar von schalen ab, den mit dem Hauen verbundenen Schall zu bezeichnen. Im mittlern Lateine ist Eschalmamentus der obere Theil eines Baumes, wo er anfängt, sich in Äste zu schalmen oder zu theilen.


Schalmeye (W3) [Adelung]


Die Schalmeye, plur. die -n, der Nahme eines musikalischen Blase-Instrumentes, welches im Ganzen einer Röhre gleicht, wovon es aber mehrere Arten gibt. So wird die Pfeife an einem Dudelsacke auch die Schalmeye genannt. Am üblichsten ist es von einem Blase-Instrumente, welches der Haut-Bois gleicht, nur daß es größer ist, und noch hin und wieder auf dem Lande, von den Schäfern u. s. f. gebraucht wird. Zuweilen pflegt man auch wohl die kleinern Haut-Bois Schalmeyen zu nennen. Ehedem hieß die Schalmeye auch das Schallhorn, und auf dem Lande einiger Gegenden führte sie noch den Nahmen der Tatter, vermuthlich wegen ihres schnarrenden Klanges.

Anm. Im Schwed. Skalmeja, im Böhm. Ssalamage, im Engl. nur Shalm. Frisch bemerket, daß schon in einer 1483 gedruckten Deutschen Bibel Schalmei für Pfeife gesetzt worden. Das Wort ist ohne Zweifel aus dem Franz. Chalumeau entlehnet, welches wieder von Calamus abstammet, und nicht nur einen Halm, eine Röhre von Stroh oder Rohr, sondern auch eine daraus verfertigte Pfeife, und in engerer Bedeutung die ländliche Schalmeye, welche letztere auch Chalemie genannt wird. Im Ital. heißt sie auf ähnliche Art Cannamela, Cennamela, Ciaramela. Indessen könnte ihr Nahmen auch ganz füglich von dem Schalle oder Galine abgeleitet werden.


Schalmuschel (W3) [Adelung]


Die Schalmuschel, plur. die -n, eine Art einschaliger Muscheln, deren Muschel oder Schale einem Napfe oder einer Schale in der ersten Bedeutung gleicht, daher sie auch Schüsselmuschel genannt wird; Patella.


Schalohr (W3) [Adelung]


Das Schalohr, des -es, plur. die -en, ein fehlerhaftes weites Ohr eines Pferdes, welches einer Schale gleicht; daher auch ein mit solchen Ohren begabtes Pferd selbst ein Schalohr genannt wird.


Schalotte (W3) [Adelung]


Die Schalotte, plur. die -n, eine Art Lauches, welcher keinen so strengen und widerwärtigen Geruch und Geschmack hat, als andere Arten des Lauches, Allium ascalonium L. Äschlauch, Eschlauch, Franz. Echalotte, Escalotte, Ital. Scalogna, Span. Escalona, Engl. Scallion. Alle von dem Nahmen der Stadt Askalon in Palästina, wo dieser Lauch sehr häufig wächset und auch aus diesen Gegenden zu uns gebracht worden. Schon Plinius nennet ihn Ascalonia und Cepa Ascalonia. In der Monseeischen Glosse heißt dieser Lauch Hynnilaee.


Schälpflug (W3) [Adelung]


Der Schälpflug, des -es, plur. die -pflüge, eine Art eines Pfluges, einen wilden, noch nicht artbar gemachten Boden damit gleichsam abzuschälen und zu entrasen. S. Schälen.


Schalstück (W3) [Adelung]


Das Schalstück, des -es, plur. die -e, S. Schaltbret.


Schalten (W3) [Adelung]


Schalten, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Fall das Hülfswort haben erfordert, aber schon seit geraumer Zeit sehr ungewöhnlich geworden ist. Es bedeutet noch, 1) Schieben; in welchem Verstande es nur noch in dem zusammen gesetzten einschalten üblich ist, und das Latein. calare in intercalare als seinen Verwandten erkennet. 2) Hantieren, behandeln, und figürlich die Veränderungen eines Dinges nach Gutdünken bestimmen. Mit etwas nach eigenem Belieben schalten, nach einigem Belieben damit umgehen, verfahren. Schalte damit, wie du willst. Am häufigsten gebraucht man es in Verbindung mit dem gleichbedeutenden walten. Mit etwas schalten und walten, die Veränderungen eines Dinges nach eigener Willkühr bestimmen. Die Hauptwörter das Schalten und die Schaltung sind im Hochdeutschen nicht gewöhnlich.

Anm. Dieses Zeitwort ist der Figur nach das Intensivum von dem schon gedachten veralteten schalen, und bedeutet eigentlich gewisse mit einem eigenthümlichen Schalle verbundene Handlungen vornehmen. Daher wurde es ehedem für stoßen gebraucht. Scalt thaz Shef in Tiuffi, stoße das Schiff auf die Höhe, im Tatian. Du scaltest ze rukke, du stößest oder treibest sie zurück, Notker. Bey dem Dasypodius und Frischlin ist, dem Frisch zu Folge, ein Schiff schalten, es fortsteuern, die Schalte eine Stange, womit die Schiffe gehalten, vielleicht richtiger, womit sie gesteuert werden, und Schalter der Steuermann. Jemanden von sich schalten, heißt bey dem Kaisersberg, ihn von sich jagen, davon schalten, fortgehen. Schalten in der zweyten Bedeutung darf eben keine Figur davon seyn, sondern kann auch als eine unmittelbare Onomatopöie des Hantirens mit körperlichen Dingen angesehen werden. Im Hebräischen ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - gleichfalls herrschen, beherrschen. Die von der ersten Bedeutung gebildeten Oberdeutschen Schaltfürst, Schaltkönig, Schaltpfarrer u. s. f. einen Vice-König, Vice-Pfarrer zu bezeichnen, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich, auch wegen der Zweydeutigkeit des darin herrschenden Begriffes der Einschiebung nicht anzurathen.


Schalthier (W3) [Adelung]


Das Schalthier, des -es, plur. die -e, von Schale, in der Naturgeschichte, ein mit einer harten Schale bedecktes Thier; in welchem Verstande auch die Schildkröte mit diesem Nahmen beleget werden könnte. Am üblichsten ist es in engerer Bedeutung, von Gewürmen, welche in kalkartigen Schalen wohnen, da denn nur die Schnecken und Muscheln die Classe der Schalthiere, ausmachen. Diejenigen von ihnen, welche allein im Wasser leben, pflegt man auch wohl Schalfische zu nennen.


Schaltjahr (W3) [Adelung]


Das Schaltjahr, des -es, plur. die -e, in der Chronologie und dem Kalenderwesen. 1) Ein Jahr, welches in die Reihe mehrerer Jahre über die gewöhnliche Zahl eingeschaltet wird. Am gewöhnlichsten, 2) ein Jahr, welches durch einen Schalttag um einen Tag länger gemacht wird, in welches ein Tag eingeschaltet wird. Schwed. Skottar, von skjutta, stoßen, schieben, schießen, schalten.


Schaltmonath (W3) [Adelung]


Der Schaltmonath, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein Monath, welcher über die gewöhnliche Zahl der Monathe eingeschaltet wird. So wird in einem Mondenjahre der dreyzehnte Monath, welcher über die gewöhnliche Zahl eingerücket wird, damit der Anfang eines Jahres immer zu einer und eben derselben Jahreszeit erhalten werde, der Schaltmonath genannt; Mensis embolismicus embolimaeus.


Schalttag (W3) [Adelung]


Der Schalttag, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein Tag, welcher über die gewöhnliche Anzahl der Tage in der Zeitrechnung eingeschaltet wird, damit das bürgerliche Jahr mit dem astronomischen überein komme; Dies intercalaris, bissextilis. So ist nach unserer Zeitrechnung alle vier Jahre der 24ste Februar ein Schalttag, da denn der Februar statt seiner gewöhnlichen 28 Tage, deren 29 hat.


Schaluppe (W3) [Adelung]


Die Schaluppe, S. Chaluppe.


Schalwerk (W3) [Adelung]


Das Schalwerk, des -es, plur. die -e, besonders in den Niederdeutschen Marschländern, eine wasserdicht geschlagene Wand von Pfählen oder dicken Bohlen; von Schale, die Bekleidung eines Deiches oder Dammes.


Schälzahn (W3) [Adelung]


Der Schälzahn, des -es, plur. die -zähne, ein schadhafter Zahn, besonders bey den Pferden, welcher sich abschälet; ein Schieferzahn, Blätterzahn.


Scham (W3) [Adelung]


Die Scham, plur. car. ein Wort, welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Der Zustand, da man sich schämet. 1) Eigentlich, die mit Schamröthe verbundene Unlust, oder unangenehme Empfindung über die Sichtbarkeit unserer Blöße, und in weiterm Verstande, unserer Unvollkommenheit. Vor Scham roth werden. Scham empfinden. Vor Scham die Augen nicht aufschlagen können. Sich in Scham verhüllen, in der dichterischen Schreibart. 2) In weiterer Bedeutung. (a) Das Vermögen, die Fähigkeit, Unlust über die Sichtbarkeit unserer Blöße, unserer Unvollkommenheit, zu empfinden. Wo keine Scham ist, da ist keine Ehre. Weder Scham noch Schande haben. Aller Scham den Kopf abgebissen haben, in der niedrigen Sprechart, die Fähigkeit sich zu schämen verloren haben. (b) * Die Fertigkeit, alles zu vermeiden, was die Blöße des Leibes zeigen, und in weiterer Bedeutung, Neigung zur Unkeuschheit verrathen kann: eine jetzt veraltete Bedeutung, in welcher es ehedem sehr häufig zur Zucht, Züchtigkeit, Schamhaftigkeit u. s. f. gebraucht wurde. Scham ist eine Krone Die zieret frowen schone, Burkhard von Hohenfels. Diu Scham alsam ein reines kint in schoner frowen schozen spilt; Schame zieret reiniu wib und wirdet edelen man; Schame kan leiden of den ban, Da nie schandentrit kam an; der Marner. Die Schwäbischen Dichter sind voll von Lobsprüchen dieser Scham, besonders bey dem weiblichen Geschlechte. Scham machet große Gunst, Sir. 32, 14. Die Weiber sollen sich mit Scham und Zucht schmücken, 1 Tim. 2, 9. 3) * Figürlich, dasjenige, dessen man sich zu schämen hat, die Sichtbarkeit unserer Blöße, und in weiterm Verstande, unserer willkührlichen Unvollkommenheiten; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher es ehedem für Schande und das nahe verwandte Schimpf sehr üblich war. Ihre Scham war offenbar, Ezech. 23, 18. Mit Scham bekleidet werden, Ps. 35, 26. Du weißest meine Schmach, Schande und Scham, Ps. 69, 20. Mit Scham unten an sitzen, Luc. 14, 9. 2. Die Blöße des Leibes. 1) Überhaupt, wo man es nur noch in der im gemeinen Leben üblichen R. A. gebraucht, seine Scham nicht bedecken können, seine Blöße, halb nackend gehen. 2) In engerer Bedeutung ist es eine ehrbare und anständige Benennung der Geburtsglieder beyder Geschlechter, derjenigen Theile des Leibes, welche die Schamhaftigkeit zu bedecken besichtet, deren Blöße vornehmlich Scham erwecket, und welche man auch die Schamglieder, die Schamtheile zu nennen pfleget. In diesem Ver- stande, in welchem es schon bey dem Winsbeck die Schame lautet, ist es in der Deutschen Bibel und bey andern Schriftstellern sehr gangbar, für die anständige Schreibart aber schon zu unedel. In engerer, besonders in der Anatomie üblichen Bedeutung, ist die Scham, Latein. Pubes, die unterste Gegend des untern Schmerbauches unmittelbar über den Geburtsgliedern. In einer gegen das Ende des 15ten Jahrhundertes gedruckten Deutschen Bibel, welche Schelhorn im 8ten Bande der kritischen Beyträge (S. 1. f. beschreibt,) kommen dafür die Ausdrücke Schnödigkeit und Laster vor.

Anm. In der ersten Hauptbedeutung schon bey dem Kero Scamu, bey dem Notker Scama, im Nieders. Schaam, und mit einem andern Endlaute Schämte, im Angels. Scame, im Engl. Shame, im Schwed. Skam. ( S. Schämen.) In der zweyten Hauptbedeutung wird es gemeiniglich als eine Figur der ersten angesehen, und dadurch dasjenige erkläret, dessen man sich zu schämen hat. Allein es ist wahrscheinlicher, daß der Begriff der Blöße hier der herrschende ist, der wieder eine Figur des Lichtes ist, daher es in dieser Bedeutung unmittelbar mit dem veralteten Schämen oder Schemen, das Bild, der Schatten, Schein, und den Intensivis Schimmel und Schimmer er zusammen hängt. Auch die Scham, als eine Empfindung betrachtet, setzet im eigentlichsten Verstande die unanständige Blöße voraus. Das Wort Blöße selbst wird in der edlen Sprechart zuweilen von denjenigen Theilen gebraucht, welche der Wohlstand zu entblößen verbiethet. Siehe Schämen.


Schambein (W3) [Adelung]


Das Schambein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, der kleinste Theil des ungenannten oder Hüftbeins, welches die Scham im engern anatomischen Verstande bilden hilft; Os pubis.


Schämel. (W3) [Adelung]


Der Schämel. des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schämelchen, ein Wort, in dessen noch hin und wieder üblichen Bedeutungen mehrere Hauptbegriffe vorstehen. 1) * Mit dem Begriffe der Masse, der Ausdehnung in die Länge, Breite und Dicke, ist der Schämel in einigen Oberdeutschen Gegenden ein Klumpen, ein Stück. So ist bey dem Wurstisen ein Eisschämel ein großes Stück Eis, eine Eisscholle. Es kann hier auch von dem veralteten, noch bey dem Kero befindlichen skemman, abkürzen abstammen, so daß es ein abgesondertes Stück bedeuten würde. ( S. die Anmerk. zu dem Zeitworte Schämen) 2) In manchen Fällen ist der Schämel ein Gerüst, ein Gestell, welches etwas träget, wobey zuweilen der Begriff der Beweglichkeit mit eintritt. Ein breterner Stuhl heißt Schämel. Der Reitschämel ist in den Sägemühlen das Gestell, worauf der Sägeklotz lieget, und auf demselben gleichsam reitet, d. i. sich vorwärts beweget. In der Artillerie ist der Schämel eines Mörsers ein an den Mörser gleich angegossener Fuß, ( S. Schämelmörser.) In der Landwirthschaft ist der Wendeschämel, Lenkschämel, Rungenschämel, ein auf der Asche bewegliches Holz, worin die Rungen befestiget sind, und welches die Wendung des Wagens erleichtert. Die Schämel der Weber sind bewegliche Tritte unter den Füßen des Webenden. 3) In der engsten und ungewöhnlichsten Bedeutung ist der Schämel ein kleines niedriges Gestell, die Füße im Sitzen darauf zu stellen, daher auch, zum Unterschiede von den vorigen Arten, der Fußschämel genannt wird. Im gemeinen Leben Obersachsens und Oberdeutschlandes heißt er die Hütsche.

Anm. In der letzten Bedeutung schon im Tatian Scamal, im Oberdeutschen Schamel, und im Nieders. Schemmel. Kero nennet alle Sitze oder Bänke Scamelu. Das Lat. Scamnum und Scabellum ist genau damit verwandt. Um des männlichen Geschlechtes willen kann die Endsylbe hier nicht eine Verkleinerung bezeichnen, sondern sie muß die Ableitungssylbe -el seyn, welches so wohl ein Werkzeug, als ein Subject andeutet. Es kommt hier also auf die Sylbe Schäm - an, welche ihre Erläuterung in der Anmerkung zu dem Worte Schämen finden wird.


Schämeleisen (W3) [Adelung]


Das Schämeleisen, des -s, plur. ut nom. sing. an den Weberstühlen, diejenigen Eisen, in welchen sich die Weberschämel bewegen.


Schämelmörser (W3) [Adelung]


Der Schämelmörser, des -s, plur. ut nom. sing. in der Artillerie, ein mit einem Schämel, d. i. angegossenen Fuße, versehener Mörser; ein Fußmörser.


Schämen (W3) [Adelung]


Der Schämen, der Schein, Schatten, S. Schemen.


Schämen (W3) [Adelung]


Schämen, verb. reg. act. welches doch nur als ein Reciprocum gebraucht wird, sich schämen. 1) Eigentlich, Scham empfinden; im eigentlichen Verstande so wohl über die von andern entdeckte Blöße des Leibes erröthen, und in weiterer Bedeutung, Unlust über die von andern entdeckte Unanständigkeit und Unvollkommenheit an uns empfinden. Adam und Eva waren beyde nacket, und schämeten sich nicht, 1 Mos. 2, 25. Ich schäme mich es zu sagen. Sich vor jemanden schämen, Unlust empfinden, daß er unsere Unanständigkeiten entdecket habe, oder entdecken werde. Sich vor sich selbst schämen. Pfui, schäme dich in dein Herz! im gemeinen Leben. In weiterer Bedeutung wird es auch zuweilen für scheuen, Scheu empfinden, gebraucht. Schäme dich nicht, das Recht zu bekennen, Sir. 4, 24. Besonders, wenn man wegen übler Erziehung bey rechtmäßigen oder unschuldigen Dingen Scheu empfindet. Wenn die Sache, wegen welcher man sich schämet, durch ein Hauptwort ausgedruckt wird, so steht dasselbe auch wohl in der zweyten Endung. Sich eines Wortes schämen, sich schämen, dasselbe zu sagen oder auszusprechen. Es ist eine elende Scham, wenn man sich einer höhern Hülfe schämet, Gell. Indessen ist diese Verbindung bey der folgenden Bedeutung gewöhnlicher, als bey dieser. 2) In weiterer Bedeutung, vielleicht von Scham, so fern es ehedem auch Schande bedeutet, sich für unanständig, für Schande halten. Schäme dich nicht, deinen Freund zu schützen, Sir. 22, 30. Er schämet sich nicht, sie Brüder zu heißen, Ebr. 2, 11. Die Sache, welche man seiner unanständig hält, stehet, wenn sie ein Haupt- oder Fürwort ist, in der zweyten Person. Ich schäme mich des Evangelii von Christo nicht, Röm. 1, 16. Gott schämet sich ihrer nicht, Ebr. 14, 16. Ich muß mich deiner schämen. Ich schäme mich meiner Zärtlichkeit nicht einen Augenblick. Du hast ein Herz, dessen sich die Tugend selbst nicht schämen dürfte, Gell. Ich schäme mich der süßen Schwachheit nicht, ebend. Daher das Schämen.

Anm. Schon im Isidor, bey dem Ottfried und Willeram schamen, in den gemeinen Sprecharten noch jetzt schamen, im Angels. sceaman, bey dem Ulphilas skama, im Schwed. skämmas. Frisch hatte den sonderbaren Einfall, es von dem Ital. scemare, nehmen, abstammen zu lassen, weil Adam und Eva sich nicht eher zu schämen anfingen, als bis ihnen das göttliche Ebenbild genommen war. Scham und schämen sind Veränderungen, welche nicht in das Gehör fallen, und daher nothwendig Figuren einer sich unmittelbar auf das Gehör beziehenden Bedeutung seyn müssen. Schämen oder schamen ist von samen, ( S. Sam, Sammeln und Saum,) nur in dem stärkern Zischlaute unterschieden, und es sind noch Spuren genug vorhanden, daß es ehedem mehrere Arten einer mit einem gewissen Geräusche verbundenen Bewegung bedeutet habe. Dahin gehöret theils unser schimpfen, welches Intensivum davon ist, theils das Isländ. skima, hin und wieder laufen, Schwed. skimpa, Nieders. schummeln, theils unser schäumen, Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches so wohl schäumen, als zürnen bedeutet, theils das veraltete noch bey dem Kero befindliche skemman, abkürzen, stutzen, Schwed. skämma, Keros Skemmi, die Kürze, das Schwed. skam, kurz, welche von unserm alten hammeln nur in dem Zischlaute verschieden sind, anderer zu geschweigen. Von der rauschenden Bewegung ist der Begriff der schnellen Bewegung eine sehr gewöhnliche Figur, und von diesem wieder der Begriff des Lichtes, des Scheines, der hellen lebhaften Farbe. Daher das Schemen, ein Bild, der Schein, der Schatten, das Engl. to seem, scheinen, unser Schimmel, ein weißes Ding, Schimmer, blasser Schein u. s. f. Welche Bedeutung in unserm Scham und schämen zum Grunde liege, läßt sich nur muthmaßen. In der Bedeutung der Schamtheile scheinet es die Blöße zu seyn, welche wieder von dem Lichte abstammet. Eine ähnliche Bedeutung scheinet in Scham, pudor, zum Grunde zu liegen, indem dasselbe ursprünglich die mit dieser Empfindung verbundene Röthe des Gesichtes bedeutet haben kann, daher auch im Latein. sich schämen durch erubesoere ausgedruckt wird. Die hochrothe Farbe hat ihren Nahmen in mehrern Fällen von dem Lichte entlehnet, wie Blut von blühen, welches mit Licht, bloß, Blitz u. s. f. nahe verwandt ist. Eine Art rother Äpfel heißt im gemeinen Leben einiger Gegenden wirklich Schämapfel, d. i. rother Apfel.


Schamhaft (W3) [Adelung]


Schamhaft, -er, -este, adj. et adv. eigentlich, Fertigkeit besitzend, über alle unanständige Entblößung vor andern Unlust zu empfinden, und darin gegründet. In weiterer Bedeutung, Fertigkeit, über allen Schein der Unkeuschheit Unlust zu empfinden, und darin gegründet. Schamhaft seyn. Ist deine Tochter nicht schamhaftig, so halte sie hart, Sir. 26, 13. Welches ohne Noth verlängerte schamhaftig doch in Vergessenheit zu gerathen anfängt. In den gemeinen Sprecharten ist dafür auch verschämt, im Oberdeutschen geschamig, im Nieders. schämerig, schämern üblich.


Schamhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Schamhaftigkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da man schamhaft ist; bey dem Logau Verschämlichkeit.


Schamkraut (W3) [Adelung]


Das Schamkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme der stinkenden Melde oder Hundsmelde; Chenopodium vulvaria L. von Scham 2.


Schamlefze (W3) [Adelung]


Die Schamlefze, plur. die -n, in der Anatomie, die Lefzen an der weiblichen Scham.


Schamlos (W3) [Adelung]


Schamlos, -er, -este, adj. et adv. der pflichtmäßigen Scham im hohen Grade beraubt, ohne Scham, und darin gegründet, in der ersten Bedeutung des Hauptwortes. Ein schamloses Betragen. Schamlose Worte, Geberden. Ein schamloser Wollüstling. Nieders. unschämlich. Unser Unverschämt hat noch eine weitere Bedeutung.


Schamlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Schamlosigkeit, plur. die -en. 1) Der Zustand, die Fertigkeit, da eine Person schamlos ist; ohne Plural. 2) Schamlose Worte, Handlungen oder Geberden. Bey dem Notker in der ersten Bedeutung mit einer andern Endsylbe Scamelosi.


Schamroth (W3) [Adelung]


Schamroth, adj. et adv. welches nur im Positivo üblich ist, im Gesichte roth vor Scham. Schamroth werden, seyn. In weiterer Bedeutung wird man auch über ein ertheiltes Lob schamroth. Jemanden schamroth machen, durch ein ertheiltes Lob.


Schamröthe (W3) [Adelung]


Die Schamröthe, plur. inus. die Röthe, rothe Farbe im Gesicht, so fern sie von der Scham herrühret. Die Schamröthe stieg ihm in das Gesicht. Jemanden eine Schamröthe abjagen, ihn schamroth machen. Der Schamröthe eines Gebrechlichen spotten, Gell.


Schamseite (W3) [Adelung]


Die Schamseite, plur. die -n, die Seiten des menschlichen Leibes zu beyden Seiten der Scham, welche im gemeinen Leben auch die Weichen, die Leisten genannt werden.


Schamtheile (W3) [Adelung]


Die Schamtheile, sing. inus. die Scham mit allen dazu gehörigen Theilen, die Geburtsglieder bey beyden Geschlechtern; die Schamglieder.


Schandaltar (W3) [Adelung]


Der Schandaltar, des -es, plur. die -äre, in der Deutschen Bibel, ein Altar, auf welchem die Götzen geopfert, und folglich Schande darauf getrieben wird. Ier. 11, 13.


Schandbalg (W3) [Adelung]


Der Schandbalg, des -es, plur. die -bälge, in der harten Sprechart, ein schändlicher Balg, d. i. eine lasterhafte Person weiblichen Geschlechtes. Ingleichen ein in Schande und Unehren erzeugtes Kind; ein Bastard.


Schandbar (W3) [Adelung]


Schandbar, -er, -ste, adj. et adv. Schande bringend, schändlich. Schandbare Worte, Ephef. 5, 4. Ein schandhares Leben führen, ein schändliches, lasterhaftes. Schandbare Dinge. zuweilen auch für lasterhaft. Ein schandbarer Mensch, ein schändlicher, lasterhafter.


Schandbarkeit (W3) [Adelung]


Die Schandbarkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es schandbar ist.


Schandbube (W3) [Adelung]


Der Schandbube, des -n, plur. die -n, in der harten Sprechart, ein schändlicher Bube, eine im höchsten Grade lasterhafte Person männlichen Geschlechtes.


Schanddeckel (W3) [Adelung]


Der Schanddeckel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Dasjenige, was die Schande, d. i. Blöße bedecket, in welchem Verstande der Hut in den gemeinen Sprecharten zuweilen diesen Nahmen führet. 2) Was die Schande, d. i. ein begangenes öffentliches Verbrechen, bedecket. So ist zuweilen die Copulation, der Ehestand, ein Schanddeckel einer vorher gegangenen Entehrung.


Schande (W3) [Adelung]


Die Schande, plur. inus. ein Wort, welches vermittelst der Ableitungssylbe -de von einem veralteten Zeitworte schanen, schenen u. s. f. abstammet, welches uns noch eine zahlreiche Nachkommenschaft hinterlassen hat, daher hier etwas davon überhaupt gesagt werden muß, damit die Verbindung der mancherley Bedeutungen des Wortes Schande und seiner Verwandten desto deutlicher werde. Schanen und das sanftere sanen war, wie alle Zeitwörter, eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, so wohl einer menschlichen Stimme. als auch einer gewissen Art einer Körperlichen Bewegung. Zur menschlichen Stimme gehöret das Lat. Sonus, das Nieders. schünden, hetzen, anreißen, unser schänden, so fern es im gemeinen Leben mit Worten beschimpfen bedeutet, und das Latein. Sanna, Verspottung u. a. m. Zum unartikulierten Laute, so wohl das Latein. Sonus, als auch figürlich mancherley mit diesem Laute verbundene Bewegungen; daher unser schenken, geben, schanzen, das Latein. scindere, unser schinden, schänden und Schande, so fern es körperliche Verletzung bedeutet, das Angels. skunian, meiden, vermeiden, unser schonen, das Schwed. skena, ausreißen von Pferden, skynda, eilen, unser schon u. s. f. Von der schnellen Bewegung ist die Bedeutung des Lichtes eine gewöhnliche Figur; daher schön, scheinen, Schande, so fern es Blöße bedeutet, Sonne, zünden, Candela, im Deutschen ehedem Schandel u. s. f. Besonders bedeutete es allerley Bewegungen nach verschiedenen einzelnen Richtungen. 1) In die Höhe; wie scandere, und unser Sahne, vielleicht auch Schanze. 2) In die Tiefe; daher die Lat. Sinus, ein Napf und der Schoß, Sentina, die Grundsuppe, das Schwed. Skänk, ein Becher, unser senken, sinken, das veraltete Schande, eine Cloak, Schundgrube. Von der Tiefe, der Höhlung, ist die Bedeckung eine gewöhnliche Figur; daher das alte Nieders. Schin, die Haut, Engl. Skin, Schwed. Skinn, vielleicht auch unser schinden, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gezelt, unser Scheune. 3) In die Länge, wie Schiene, und in die Spitze, wie das Latein. Sentis, der Dorn. 4) Nach einer schiefen Richtung, wie das Nieders. schüns, schief. 5) In die Länge, Breite und Dicke, daher die Figuren der Masse, zuweilen auch der Verbindung, wie Schinken, Sohn, sanus, eigentlich ganz, und unser gesund. Wenn man erwäget, daß das n oft ein mäßiger Laut ist, welcher sich manchen andern Mitlautern gern anhänget, und daß m und n wegen ihres geringen Unterschiedes sehr oft mit einander verwechselt werden, so wird man sich nicht befremden lassen, daß Schade, Schande und Scham sich in ihren Bedeutungen mehrmahls durchkreuzen, daher denn auch besonders die beyden letzten sehr oft für einander gesetzet werden. Was nun besonders unser Schande betrifft, so bedeutet es, 1. Eine Tiefe, einen hohlen tiefen Raum. Hierher gehöret nur das noch in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Schande, eine Cloak, wofür im gemeinen Leben der Hochdeutschen Schundgrube üblich ist. S. Scheune. 2. Eine Bedeckung; ein nur noch in einigen Gegenden und in einigen Fällen üblicher Gebrauch. Der Lappen, welchen die Schneider um den Griff des heißen Bügeleisens wickeln, um die Hand nicht zu verbrennen, heißt in manchen Gegenden, besonders Niedersachsens, die Schande. In dem Salzwerke zu Halle ist die Schande ein rundes Tuch von Haaren oder Filz, welches die Arbeiter vor die Brust legen, wenn sie die vollen Salzkörbe tragen. In manchen Niedersächsischen Gegenden ist die Schande oder Schande ein in der Mitte ausgehöhltes Holz, welches man auf die Achseln legt, zwey Eimer, Fässer u. s. f. daran zu tragen, wo aber auch der Begriff der Schiene Statt findet. In andern Gegenden ist es ein zwey Finger breites Band, dessen beyde Enden mit einem kleinen Stricke an der Sense befestiget werden, welches dem Mäher die Sense tragen hilft. Ehedem bedeutete Schin, im Deutschen auch die Haut, und das Schwed. Skinn und Engl. Skin haben diese Bedeutung noch, S. Schinden. 3. Die Blöße; eine Figur der veralteten Bedeutung des Lichts, wovon noch scheinen, schön u. a. m. zeugen. In der weitesten Bedeutung ist es hier veraltet, und man gebraucht es nur noch zuweilen im gemeinen Leben von einer unanständigen Blöße. Seine Schande nicht bedecken können, seine Blöße, keine Kleider haben. S. Schanddeckel. 4. Die Schamröthe; so wie bey Scham, eine Figur des Lichtes. 1) Eigentlich. Auch hier wird es nur noch zuweilen im gemeinen Leben von der Fähigkeit zu erröthen, sich zu schämen, gebraucht. Aller Schande den Kopf abgebissen haben, alle Scham abgeleget haben, sich nicht mehr schämen können, in welcher Bedeutung man auch wohl sagt, weder Scham noch Schande mehr haben. Im Englischen bedeutet Shame so wohl Scham als Schande, und das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bedeutet gleichfalls Scham. 2) Der Zustand da man schamroth wird, da man sich schämet, welche aber auch zur folgenden Bedeutung gehören kann. Man gebraucht es hier nur noch im gemeinen Leben mit dem Vorworte zu und in der alten Oberdeutschen Form, Schanden für Schande. Jemanden zu Schanden machen, machen, daß er schamroth werden muß, ihn einer Unvollkommenheit überführen, deren er sich zu schämen Ursache hat. Im gemeinen Leben macht man auch jemanden zu Schanden, wenn man ihn durch Lob schamroth macht, da denn der Erröthende alsdann zu Schanden wird. 5. Körperliche Verunstaltung und Verstümmelung, eine Verletzung, wodurch ein Ding seine gehörige Gestalt auf eine sehr merkliche Art verlieret, und der Zustand, da ein Ding auf solche Art verunstaltet wird, wo es mit scindere und dem Schwed. Skena, die Wunde, genau verwandt ist. 1) Eigentlich, wo es nur noch im gemeinen Leben in der vorigen Form mit dem Vorworte zu in weiterm Verstande gebraucht wird. Ein Ding zu Schanden machen, es verunstalten, verderben, unbrauchbar machen. Ein Pferd zu Schanden reiten. Sich zu Schanden arbeiten, fallen, laufen. Jemanden ganz zu Schanden prügeln. Ein Schiff zu Schanden schießen. Durch den Hagel ist für viel tausend Thaler zu Schanden gegangen. Um das Vergnügen zu haben, einen armen Hasen zu fangen, reiten sie mehr als fünfzig Hufen Feldes zu Schande, Weiße. 2) Figürlich, wo es so wie Laster, welches auch eigentlich körperliche Verstümmelung ist, einen hohen Grad der moralischen Verunstaltung bedeutet, wo es denn wieder in verschiedenen Beziehungen üblich ist. (a) Hoher Grad der Unehre, das Urtheil anderer von uns, so fern es mit Unehre und Erniedrigung in der bürgerlichen Gesellschaft verbunden ist, und der Zustand, da man einem solchen Urtheile unterworfen ist; wo es der Ehre entgegen stehet, Schande von etwas haben. Mit Schande, mit Schande und Spott bestehen, auch wohl in der Oberdeutschen Form, mit Schanden bestehen. Das ist dir eine Schande, gereicht dir zur Schande. Pfui, der Schande! Sich etwas für eine Schande halten. Jemanden Schande machen, machen, daß er Schande mit uns einlege. Seine Schande an jemanden erziehen. Thue mir die Schande nicht an. Sie ist elend, weil sie ihre Schande fühlet. Armuth bringt keine Schande. Zu Schanden werden, für in Schande gerathen, welches in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt, ist nur noch in der vorigen Bedeutung der Beschämung üblich. In der engsten Bedeutung ist die Schande das gegründete Urtheil anderer von unserer lasterhaften Beschaffenheit, Unehre wegen böser Thaten. (b) Die thätige Erweisung dieses Urtheiles, die Beschimpfung. Jemanden alle Schande anthun, ihn thätig beschimpfen. Im Lat. ist Sanna Verspottung. (c) Was dieses Urtheil wirkt, grobe, mit öffentlicher Unehre verbundene Verbrechen, wo es mit Scandalum, sons, und unserm Sünde verwandt ist. Der Plural ist auch hier nicht üblich, ungeachtet er dem Anscheine nach Statt finden könnte. Schande und Laster begehen. Am üblichsten ist es von den mit öffentlicher Unehre verbundenen Verbrechen der Unkeuschheit. Wenn jemand bey seiner Schnur schläft, so sollen sie beyde des Todes sterben, denn sie haben eine Schande begangen, 3 Mos. 20, 12. Sie haben Mann mit Mann Schande getrieben, Röm. 1, 27. S. auch Blutschande.

Anm. Bey dem Ottfried Scantu, im Nieders. gleichfalls Schande, im Angels. Scande, im Böhmischen nur Handa, welcher Zischlaut auch dem Franz. Honte und unserm verwandten Hohn fehlet. Es stammet vermittelst der Ableitungssylbe -de, welches Abstracta bildet, von dem schon gedachten veralteten Zeitworte schanen her. Die Gewohnheit, diesem Worte in manchen R. A. ein n anzuhängen, wenn die Vorwörter mit und zu vorher gehen, mit Schanden, zu Schanden, scheinet aus einigen Oberdeutschen Gegenden abzustammen, wo dieses Wort so wie Glaube, Erde und andere weibliche auf e, die Schanden heißt. Gott hat die Schanden der Christen kund gemacht, sagt noch Opitz. Im Hochdeutschen läßt man dieses n am richtigsten weg; mit Schande bestehen, zu Schande werden. Im gemeinen Leben wird es mit vielen Wörtern zusammen gesetzet, nicht nur ihre Schändlichkeit, sondern auch eine gewisser Maßen entehrende niedrige Zahl zu bezeichnen. Ein Schandgeld, ein unerhörtes geringes Geld, welches mit dem Werthe der Sache in keinem Verhältnisse stehet, ein Schandgeboth, Schandpreis u. s. f.


Schänden (W3) [Adelung]


Schänden, verb. reg. act. Schande zufügen, in der fünften Bedeutung dieses Hauptwortes. 1. Eigentlich, so fern Schande ehedem körperliche Verletzung bedeutet, ist schänden verletzen überhaupt; in welcher Bedeutung es doch nur in einigen Oberdeutschen Gegenden üblich ist. Die Rinde eines Baumes schänden, verletzen. Der Blitzstrahl fuhr den Tourm hinunter und schändete die Sacristey, Bluntschli, ein Zürcher. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur im engern Verstande, so verletzen, daß daraus eine völlige Verunstaltung erfolge. Wer sich die Nase abschneidet, der schändet sein Gesicht. Ein Bild, ein Gemählde schänden. Einen Braten schänden, ihn auf eine unschickliche Art anschneiden. Im gemeinen Leben in allen diesen Fällen auch verschänden. 2. Figürlich. 1) Schande, d. i. thätige Beschimpfung zufügen; wo es in engerer Bedeutung häufig für schmähen, schimpfen gebraucht wird, und in der niedrigen Sprechart mit der ausländischen Endung auch wohl schändiren lautet. Jemanden schänden, schmähen. Er hat geschändet den Zeug des lebendigen Gottes, 1 Sam. 17, 36. Es lobe mich ins Gesicht, es schändet mich im Rücken, Logau. ( S. auch Ausschänden.) 2) In weiterer Bedeutung ist schänden oft grobe Unvollkommenheiten überhaupt andichten, zufügen; entehren. Wie lange soll meine Ehre geschändet werden? Ps. 4, 3. Wenn mich mein Feind schändete, Ps. 55, 13. Der Gottlose schändet sich selbst, Sprichw. 13, 5. Armuth schändet nicht, bringt keine wahre Schande oder Unehre. Seine Familie schänden, ihr durch sein Betragen Unehre, Schande bringen. Den Sabbath schänden, ihn vorsetzlich und auf eine grobe Art entheiligen. So trotzen Freund und Feind und schänden die Gesetze, Weiße. 3) In der engsten Bedeutung ist eine Person weiblichen Geschlechtes schänden, sie der weiblichen und jungfräulichen Ehre berauben; wo es doch jetzt schon unter die Harten und minder anständigen Ausdrücke gehöret, wofür entehren üblicher ist. Eine Jungfrau schänden, sie entehren. So fern Schande jedes grobe Verbrechen wider das sechste Geboth bedeutet, wird auch wohl schänden in dieser Bedeutung gebraucht. Zu schänden ihre eigene Leiber an ihnen selbst, Röm. 1, 24. Knaben schänden. So auch das Schänden und die Schändung.

Anm. Schon bey dem Kero scantan, der es aber für beschämen gebraucht, bey dem Notker schenden, für zu Schanden machen, beschämen, im Nieders. schennen, im Schwed. skända, im Engl. to shend. Es stammet entweder unmittelbar von Schande her, oder es ist auch das Intensivum von dem veralteten Zeitworte schanen; schänden für schännen. ( S. Schande.) Opitz gebraucht es Ein Mahl, in einer sonst ganz ungewöhnlichen Bedeutung: Die Pein mit der ich mich bey Nacht und Tage schände. Wo es für kränken zu stehen scheinet.


Schänder (W3) [Adelung]


Der Schänder, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher schänder. Ja der Deutschen Bibel wird es einige Mahl in der ungewöhnlichen Bedeutung eines Verleumders gebraucht. Die Schänder muß ich hören, Ps. 44, 17. Die Menschen werden seyn Schänder. 2 Tim. 2, 3. Am üblichsten ist es in den Zusammensetzungen Ehrenschänder, Sabbathschänder, Knabenschänder u. s. f.


Schandfleck (W3) [Adelung]


Der Schandfleck, des -es, plur. die -en, eigentlich ein Schmutzfleck, so fern er ein Ding entstellet, eine verunstaltende Stelle an einem Dinge. Figürlich, eine jede Person oder Sache, welche einer andern wahre Schande bringet oder macht. Die Lügen ist ein häßlicher Schandfleck, Sir. 20, 25. Seiner Ehre einen Schandfleck anhängen, Kap. 47, 23. Sie sind Schandflecken und nicht seine Kinder, 5 Mos. 32, 5. Der Schandfleck seiner Familie seyn. Schandfleck stehet hier für Schandflecken.


Schandgeboth (W3) [Adelung]


Das Schandgeboth, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, ein ungewöhnliches niedriges Geboth, welches mit dem Werthe der Sache, auf welche es geschiehet, in keinem Verhältnisse stehet, in einigen Gegenden das Schandboth.


Schandgeld (W3) [Adelung]


Das Schandgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er. 1) Ein durch schändliche Mittel erworbenes Geld. 2) Im gemeinen Leben, ein ungewöhnlich geringes Geld, welches mit dem Werthe der Sache in keinem Verhältnisse stehet.


Schandgemählde (W3) [Adelung]


Das Schandgemählde, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein schändliches Gemählde, welches schändliche Vorstellungen enthält. 2) Ein Gemählde, so fern es jemanden grobe persönliche Unvollkommenheiten andichtet, ein Pasquill in Gestalt eines Gemähldes.


Schandglocke (W3) [Adelung]


Die Schandglocke, plur. die -n, in einigen Gegenden, eine Glocke, unter deren Läutung ein Verbrecher des Landes verwiesen wird.


Schandhure (W3) [Adelung]


Die Schandhure, plur. die -n, eine öffentliche Hure von der niedrigsten, schändlichen Art.


Schändiren (W3) [Adelung]


Schändiren, verb. reg. neutr. S. Schänden 2.


Schandkauf (W3) [Adelung]


Der Schandkauf, des -es, plur. die -käufe, im gemeinen Leben, ein Kauf für einen ungewöhnlich niedrigen Preis, dessen sich so wohl der Käufer, als der Verkäufer zu schämen hat.


Schändlich (W3) [Adelung]


Schändlich, -er, -ste, adj. et adv. von dem Hauptworte Schande 5, und der Ableitungssylbe "-lich". 1. Verunstaltet, durch Verletzung seiner Gestalt nach verderbt; in welcher Bedeutung es doch nur im gemeinen Leben üblich ist. Ein schändliches Gesicht, ein verunstaltetes. Schändlich aussehen. schändlich verstöret werden, Dan. 2, 5. 2. Figürlich. 1) * So fern Schande ehedem mit Scham gleichbedeutend war, ist schändlich, beschämt; in welchem Verstande es doch nur noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Wie schändlich hängen sie die Köpfe, Jer. 48, 39. 2) Mit Schande, d. i. Unehre in der bürgerlichen Gesellschaft, verbunden, Schande und Unehre habend. Ein schändlicher Mensch. Eine schändliche Lebensart. Noch mehr, 3) Schande bringend; schandbar. Eine schändliche Hantirung. Schändlich leben. Schändliche Gewohnheiten. Ein Verleumder ist schändlicher als ein Dieb, Sir. 5, 17. Ein schändlicher Tod. Da es denn im weitern Verstande im gemeinen Leben häufig von allem gebraucht wird, dessen man sich zu schämen hat. 4) In der engsten Bedeutung ist schändlich, im hohen Grade wider die Ehrbarkeit und den Wohlstand laufend. Schändliche Reden führen. Sich schändlich betragen. Ein schändlicher Mensch. Schon bey dem Willeram scantlih.


Schändlichkeit (W3) [Adelung]


Die Schändlichkeit, plur. die -en. 1) Die Eigenschaft eines Dinges, da es schändlich ist; ohne Plural. Da wo die Schändlichkeit In menschlicher Gestalt jetzt herrscht, Weiße. 2) Schändliche Handlungen, Worte u. s. f.


Schandlüge (W3) [Adelung]


Die Schandlüge, plur. die -n, eine grobe, schändliche Lüge, deren man sich im hohen Grade zu schämen hat.


Schandmahl (W3) [Adelung]


Das Schandmahl, des -es, plur. die -mähler, ein jemanden zur Schande, zur öffentlichen Beschimpfung verursachtes Mahl, dergleichen z. B. Brandmarken sind.


Schandmaul (W3) [Adelung]


Das Schandmaul, des -es, plur. die -mäuler, im gemeinen Leben, ein schändliches Maul, d. i. die Fertigkeit, so wohl an und für sich schändliche Sachen zu reden, als auch andere auf eine grobe Art mit Worten zu verunglimpfen. Ein Schandmaul haben. Ingleichen eine mit dieser Fertigkeit begabte Person.


Schandpfahl (W3) [Adelung]


Der Schandpfahl, des -es, plur. die -pfähle. 1) Ein Pfahl, an welchem die Verbrecher zur öffentlichen Beschimpfung ausgestellet werden; der Pranger, das Halsreifen, die Schandsäule. 2) Ein zu jemandes Schande errichteter Pfahl; die Schandsäule.


Schandsack (W3) [Adelung]


Der Schandsack, des -es, plur. die -säcke, im gemeinen Leben, eine im höchsten Grade schändliche oder unzüchtige Weibesperson. Ein Biederweib im Angesicht, ein Schandsack in der Haut Ist manche, Logau.


Schandsäule (W3) [Adelung]


Die Schandsäule, plur. die -n, S. Schandpfahl.


Schandschrift (W3) [Adelung]


Die Schandschrift, plur. die -en. 1) Eine schändliche, ihren Verfasser schändende, der Schande werthe Schrift. 2) Eine Schrift, welche darauf abzielet jemanden grobe persönliche Unvollkommenheit anzudichten; ein Pasquill, eine Schmähschrift.


Schandstein (W3) [Adelung]


Der Schandstein, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, zwey in Form einer Flasche ausgehauene Steine, welche gewisse Verbrecher ehedem auf eine gewisse Zeit, oder in eine gewisse Entfernung zur öffentlichen Schande tragen mußten, die auch Lastersteine genannt wurden. An manchen Orten wird denen, welche am Pranger stehen, auch noch ein solcher Schandstein angehänget; daher dieses Wort auch zuweilen für den Pranger selbst gebraucht wird.


Schandthat (W3) [Adelung]


Die Schandthat, plur. die -en, eine schändliche That, eine That, welche den, der sie begehet, der öffentlichen Unehre aussetzet.


Schank (W3) [Adelung]


Der Schank, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte schenken, im Kleinen verkaufen, der Verkauf im Kleinen, und das Recht, gewisse Waaren im Kleinen verkaufen zu dürfen; wo es doch nur in denjenigen Fällen üblich ist, in welchen das Zeitwort schenken gebraucht wird. Der Bierschrank, der Weinschrank, der Salzschrank, der öffentliche Verkauf des Bieres, Weines oder Salzes im Kleinen, und das Recht sie verkaufen zu dürfen. Das Oberdeutsche Schrank, ein Schrank, gehöret zu einem andern, aber verwandten Stamme.


Schanzgräber (W3) [Adelung]


Der Schanzgräber, des -s, plur. ut nom. sing. im Festungsbaue und Kriegswesen, diejenigen Arbeiter, welche Schanzen im weitesten Verstande, d. i. alle zur Vertheidigung gehörigen Werke, graben; ehedem die Schanzer.


Schanzkleid (W3) [Adelung]


Das Schanzkleid, des -es, plur. die -er, auf den Kriegsschiffen, eine grobe Leinwand, welche vermittelst aufgerichteter Hölzer im Gefechte um ein Kriegsschiff gezogen wird, theils die kleinen Kugeln abzuhalten, theils auch dem Feinde die Arbeiten auf dem Schiffe zu verbergen. (Siehe Schanze 2.) Oft bedienet man sich statt der Leinwand in eben dieser Absicht auch der Schanzkörbe.


Schanzkorb (W3) [Adelung]


Der Schanzkorb, des -es, plur. die -körbe, im Kriegswesen, ein geflochtener und mit Erde gefüllter Korb, die Soldaten und Arbeiter dadurch vor dem groben Geschütze des Feindes zu bedecken. Entweder von Schanze, so fern es noch am Niederrhein ein Reisbündel bedeutet, oder auch von Schanze, Bedeckung, oder endlich auch von schanzen, graben, weil ein solcher Korb so wohl mit ausgegrabener Erde gefüttert wird, als auch zur Bedeckung der Schanzgräber dienet. In Niederdeutschland werden auch die mit Erde gefüllten Körbe, womit man den Bruch in einem Deiche oder Damme ausfüllet, Schanzkörbe genannt.


Schanzzeug (W3) [Adelung]


Das Schanzzeug, des -es, plur. car. alles zum Schanzen, d. i. Graben der Vertheidigungswerke, im Kriege gehörige Zeug oder Geräth.


Schapel (W3) [Adelung]


* Der Schapel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches ehedem unter andern auch einen Kranz bedeutete. Mir ist von strowe ein Schapel und mien vrier muot Lieber danne ein rosenkranz, so ich bin behuot, Burkh. von Hohenfels. Ein Schapel ist bald gemacht, wenn man die Blumen beysammen hat, Kaisersb. bey dem Frisch. Auch der Rosenkranz führete ehedem diesen Nahmen, und im Französ. heißt er noch Chapelet. Die letzte Sylbe ist die Ableitungssylbe -el, ein Subject, ein Ding, ingleichen ein Werkzeug. Die erste Sylbe, auf welche es hier allein ankommt, gehöret zu dem Zeitworte schaffen, und kann wegen des weiten Umfangs der Bedeutungen desselben, eine Bewegung in die Ründe, in die Tiefe, und figürlich auch eine Bedeckung bedeuten, daher so wohl das Ital. Capello, ein Hut, als auch unser Schaube, u. a. m. damit verwandt sind. S. auch Scapulier.


Schapelschnabel (W3) [Adelung]


Der Schapelschnabel, des -s, plur. die -schnäbel, eine Art Wasservögel oder Patschfüße, welche zu den Platten des Klein gehöret, und den Nahmen von ihrem krummen, einer umgekehrten Sichel oder einem kurzen Säbel ähnlichen Schnabel hat; Plotus recurviroster Klein. von Schapel, ein krummes Ding. Da aber dieser Nahme in einigen Gegenden Schabbelschnabel lautet, so kann derselbe auch von Säbel abstammen, und Säbelschnabel bedeuten.


Schaquerille (W3) [Adelung]


Die Schaquerille, S. Cascaville.


Scharbe (W3) [Adelung]


1. Die Scharbe, plur. die -n, ein nur im Bergbaue in dem zusammen gesetzten Korbscharbe übliches Wort, einen der starken, senkrechten Stäbe zu bezeichnen, aus welchen der Korb am Göpel, bestehet. Die erste Hälfte gehöret vermuthlich zu Schar, so fern die Ausdehnung in die Länge der herrschende Begriff daselbst ist. ( S. 1 Schar.) Das Lat. Scirpus leidet eben dieselbe Ableitung.


Schärben (W3) [Adelung]


"Schärben", verb. reg. act. mehrere zusammen gefaßte Dinge in schmale, lange Stückchen zerschneiden. Petersilie, Kohl u. s. f. werden in den Küchen geschärbet. Nieders. "scharven", Holländ. "scherven". Es ist hier eine unmittelbare Nachahmung des mit dieser Art des Schneidens verbundenen Lautes, und ist mit "kerben", dem nur der Zischlaut mangelt,genau verwandt. Im Angels. ist "scearpan" "schneiden", im lat. "sarpere" "beschneiteln", im Franz. "echarper" "zersetzen", und "Sarpe", "Serpe", ein "Schnittmesser", Slavon. "Sirp". S. 1 "Schar" und "Scheren".


Scharbock (W3) [Adelung]


Der Scharbock, des -es, plur. inus. 1) Der Nahme einer Krankheit, welche aus sehr verderbten, besonders salzigen, Säften des menschlichen Leibes entstehet, und sich durch vielerley sonderbare Wirkungen und unter andern auch durch scharfe, salzige Ausschläge äußert; Scorbutus, der Scorbut. 2) Eine Art des Hahnenfußes, welche wegen ihres scharfen und bittern Geschmackes ein Heilmittel des Scharbockes ist, Ranunculus Ficaria L. wird figürlich gleichfalls Scharbock genannt. In andern Gegenden heißt es Feigwarzenkraut.

Anm. Da die Einwohner der Seeküsten, wegen der salzigen Seeluft, und die Seefahrer, wegen der vielen salzigen Speisen, dieser Krankheit am häufigsten und schrecklichsten ausgesetzet sind, so ist dieses Wort auch aus den nördlichen Gegenden zu uns gekommen, und die ältesten Beyspiele, welche Frisch in dem inländischen Deutschlande gefunden, sind aus dem 15ten Jahrhunderte. Im Niedersächs. heißt diese Krankheit Schärbuk, im Holländ. Scheurbuik, im Schwed. Skörbjugg, im Engl. Scurvy, woraus denn auch das neuere Lat. Scorbutus gemacht worden. Man hat von diesem Worte mehrere Ableitungen. Wachter leitet es von Schärfe her, weil die Schärfe des Geblütes die wirkende Ursache dieser Krankheit ist, andere von Schorf, der Rinde eines Ausschlages, Engl. Scurf, wovon im Englischen auch scurvy räudig, ist. Frisch, Ihre und andere leiten es aus dem Holländ. her, von scheuern und Bauch, Holländ. Buik, und erklären es durch eine Krankheit, wobey besonders der Unterleib leidet. Diese Ableitung wird dadurch bestätiget, daß die Holländer diese Krankheit, wenn sie sich vornehmlich im Munde äußert, und eine Art der Mundsäule ist, Scheuermond, und wenn sie von andern Theilen die Beine angreift, Scheurbeen nennen. Indessen kann die letzte Hälfte auch aus der Ableitungssylbe -ig oder -icht verderbt seyn.


Scharbocksklee (W3) [Adelung]


Der Scharbocksklee, des -s, plur. inus. S. Fieberklee.


Scharbockskraut (W3) [Adelung]


Das Scharbockskraut, des -es, plur. die -kräuter, ein jedes Kraut, welches wegen seiner Bitterkeit ein gutes Heilmittel wider den Scharbock ist. Besonders, und ohne Plural, führet das Löffelkraut in einigen Gegenden diesen Nahmen, welches in andern auch wohl Scharbocksheil genannt wird.


Scharde (W3) [Adelung]


Die Scharde, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme einer Art Schollen, mit scharfen Seitenlinien und kleinen Stacheln an den Wurzeln der Finnen, welche vermuthlich auch zu der Benennung Anlaß gegeben. Im Nieders. heißt dieser Fisch Flünder; Pleuronectes Flesus L. Passer sordidi coloris Klein. Siehe 1 Schar und Scharbe.


Schäre (W3) [Adelung]


Die Schäre, eine Klippe in der See, S. 1 Schere.


Scharen (W3) [Adelung]


Scharen, verb. reg. act. versammeln, sich scharen, sich versammeln, zusammen kommen. Die gedanke min si luket Die vliegent zuo zir geschart, Burkhard v. Hohenfels Do sich die unerforchten Heden paidenthalben geschart, Hornegk. d. i. versammelt. Tho seareten sich thie haithene, in dem alten Fragmente auf Carln des Großen, bey dem Schilter. Es ist im gemeinen Sprachgebrauche veraltet, und nur noch im Bergbaue üblich, wo sich zwey Gänge scharen, wenn sie sich mit einander vereinigen, und eine Zeit lang in dieser Vereinigung fortgehen. Ein Gang scharet dem andern zu, wenn er sich mit dem andern vereiniget. Daher denn auch diejenigen Gänge, welche sich auf solche Art vereinigen, und besonders die Nebengänge, welche sich mit einem Hauptgange vereinigen, Schargänge genannt werden. S. 1 und 2 Schar.


Scharf (W3) [Adelung]


Scharf, schärfer, schärfeste, adj. et adv. welches vermittelst des Endlautes f von scharen, scheren, abstammet, so fern es ehedem schneiden überhaupt bedeutete.

1. Eigentlich, schneidend; im Gegensatze des stumpf. Ein Messer ist scharf, wenn es gut oder gehörig schneidet. Ein scharfes Messer, ein scharfes Schwert, eine scharfe Art, eine scharfe Sichel u. s. f. Ein scharfer Stein. Scharfe Ecken haben, gleichsam schneidende, im Gegensatze des stumpfen. Ein Messer, eine Art scharf machen, sie schärfen.

2. In weiterer Bedeutung ist scharf oft dem runden entgegen gesetzt. Bey den Mahlern und Bildhauern müssen die Muskeln an männlichen Körpern scharf seyn, dagegen sie an weiblichen Figuren kaum merklich seyn müssen.

3. Figürlich.

1) Auf eine wirklich verletzende Art. Ein Gewehr scharf laden, mit Kugeln, im Gegensatze des blind. Scharf feuern. Ein scharfer Schuß, Scharfschuß. das Scharfrennen, eine ernstliche Art des Turniers mit scharfem Gewehre. Im Kriege gehet es scharf her.

2) Eine beißende Empfindung verursachend. Ein scharfer Wind, ein rauher, schneidender. Ein scharfes Geblüt, welches viele salzige und saure Theilchen hat. Eine scharfe Lauge. Besonders in Ansehung des Geschmackes. Das Bier ist scharf, wenn dessen geistige Stärke eine Art einer schneidenden Empfindung auf der Zunge macht; Nieders. schrell, dergleichen etwas auch die Oberdeutschen durch hantig und räß ausdrucken. Ein scharfer Essig. Der Senf, der Rettig, der Käse ist scharf.

3) Nach einer noch weitern Figur für strenge; im Gegensatze des gelinde. Jemanden in scharfer Zucht halten. Einem scharf seyn. Ein scharfer Vater. Scharf mit jemanden verfahren. Alles auf das schärfste beurtheilen, untersuchen. Etwas auf das schärfste verbiethen. Ein scharfer Befehl. Jemanden scharf anreden, hart, auf eine empfindliche Art. Die scharfe Frage, in den Rechten, die Tortur. Scharf an einander kommen, hitzig.

4) Für genau, enge. Jemanden scharf bewachen. Scharf geschlossen seyn. Eine scharfe Nachfrage halten. Das Gewehr scharf schultern, fest an die Schultern anlegen.

5) Mit genauer Bemerkung aller Umstände und Kleinigkeiten. Besonders von dem Sinne des Gehöres und Gesichtes. Ein scharfes Gehör haben, scharf hören. Scharf sehen, ein scharfes Gesicht haben. ( S. Scharfsichtig.) Du hörst so scharf als sie, Haged. Jemanden scharf ansehen, starr, als wenn man alle Kleinigkeiten in seinem Gesichte beobachten wollte. Haarscharf, im gemeinen Leben, überaus scharf, so daß man auch kein Haar übersiehet. Ingleichen von gewissen Fähigkeiten des Geistes. Ein scharfes Gedächtniß, welches alle Kleinigkeiten fasset und behält. Eine scharfe Beurtheilungskraft, einen scharfen Verstand haben. Scharf auf etwas merken. Scharf denken, alle kleine Umstände an einer Sache überdenken. Bey Leuten, die nicht scharf denken können, thun witzige Blendwerke oft gute Dienste, Gell.

6) Von dem Schalle oder Tone ist scharf zuweilen durchdringend und zugleich hell; Nieders. schrell. Einen scharfen Ton haben. In einem etwas andern Verstande ist in der Sprachkunst ein scharfer Ton, der ungedehnte Ton, mit welchem eine Sylbe zwar kurz aber deutlich und mit merklicher Erhebung der Stimme ausgesprochen wird. So haben die ersten Sylben von machen, sterben, Hölle, einen scharfen, oder geschärften, in leben, stehen, fließen aber einen gedehnten Ton.

7) In manchen Fällen, besonders des gemeinen Lebens, wird es für schnell, und figürlich von einem merklichen Grade der innern Stärke gebraucht. Scharfe Wasser, schnell fließende. Scharf zugeben, scharf zufahren, schnell. Scharf arbeiten. Es gehet hier scharf her. Der "Weihrauch" dampfte scharf, Günth.

Anm. Bey dem Kero sarf, bey dem Ottfried sarph, bey dem Notker sarf, in dem alten Gedichte auf dem heil. Anno sceirph, im Nieders. scharp, im Angels. scearp, im Engl. sharp, im Holländ. scharp, scherp, wo es auch rauh bedeutet, im Schwed. skarp. Da Dinge, welche trocken sind, sich gemeiniglich scharf anfühlen lassen, so ist skarp im Schwed. auch trocken, wohin auch das Nieders. sor, das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, austrocknen, und ohne Zischlaut das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, austrocknen, gehören. Scharf stammet von 1 Schar her, und kann alle die Bedeutungen haben, deren dieses Wort fähig ist, daher die oben angeführten nicht eben alle Figuren der schneidenden Beschaffenheit seyn dürfen, obgleich einige es wirklich sind. Ehedem wurde es auch für schroff, jäh, steil, gebraucht, in welchem Verstande es noch im Theuerdanke vorkommt. Opitzens schärflich für scharf, etwas schärflich gebiethen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.


Schärfe (W3) [Adelung]


Die Schärfe, plur. die -n, von dem vorigen Beyworte. 1. Als ein Abstractum, und ohne Plural, die Eigenschaft, der Zustand eines Dinges, da es scharf ist, in allen Bedeutungen des Beywortes. Die Schärfe eines Messers, eines Schwertes, des Geblütes, des Essiges, des Meerrettiges, des Gesichtes, des Verstandes, des Gesetzes, eines Vaters u. s. f. Die Schärfe des Richters, wenn er alle Umstände auf das genaueste untersucht, und die Strafe darnach bestimmt, ohne etwas zu übersehen oder nachzulassen. Die Schärfe des Nachdruckes, des Verstandes, da man alle Kleinigkeiten an einer Sache und ihr Verhältniß gegen das Ganze gewahr wird. Bey dem Willeram Scarfe, bey dem Ottfried mit einem andern Endlaute Sarphida. In mehr eigentlichem Verstande ist bey den Müllern die Schärfe die Art und Weise, die Mühlsteine zu schärfen. Die Märkische Schärfe, die Art, die Mühlsteine mit Hauschlägen zu schärfen. 2. Als ein Concretum. 1) Der scharfe, schneidende Theil eines Dinges. Jemanden mit der Schärfe schlagen, des Degens, im Gegensatze der Fläche. In die Schärfe fallen, des Messers. Sich an der Schärfe eines Pfeilers stoßen, an der scharfen Ecke. 2) Ein scharfes Verfahren, die Strenge. Schärfe gebrauchen, Schärfe anwenden. Einen Missethäter mit der Schärfe angreifen, mit der Tortur. 3) Eine scharfe, ätzende Flüssigkeit. Die Schärfe im Geblüte, verdorbene, salzige oder saure Theile.


Schärfen (W3) [Adelung]


1. Schärfen, verb. reg. act. welches nicht so wohl von scharf, als vielmehr mit demselben und mit schärben von 1 Schar abstammet, und schneiden bedeutet, aber nur in einigen Fällen üblich ist. Die Jäger gebrauchen dieses Wort und dessen Zusammensetzung abschärfen, aufschärfen u. s. f. durchgehends für schneiden, und es würde ein Fehler wider die weidemännische Sprache seyn, dieses letztere Zeitwort zu gebrauchen. Bey den Buchbindern wird das Leder geschärfet oder abgeschärfet, wenn es auf dem Schärfsteine am Rande dünner geschnitten oder vielmehr geschärbet wird. In einigen Gegenden schärfet man sich an etwas, schärfet man sich die Haut auf, wenn man sich ritzet, wund stößet, daran schneidet u. s. f. Wo es denn auch wohl für streifen ohne Verletzung gebraucht wird. Mit der Hand ein wenig die Mauer anschärfen. S. auch das Schärfen.


Schärfen (W3) [Adelung]


2. Schärfen, verb. reg. act. welches unmittelbar von scharf abstammet, scharf oder schärfer machen. 1) Eigentlich, wo es in der anständigen Sprechart als ein allgemeiner Ausdruck für die gemeinern scharf machen und wetzen u. s. f. gebraucht wird. Ein Messer schärfen, wetzen. Die Art, ein Beil zu schärfen. Die Sensen und Sicheln schärfen, so fern es durch Hämmern geschiehet, dängeln, und in Niedersachsen Haaren genannt wird, welches letztere gleichfalls mit schärfen verwandt ist. Einen Mühlstein schärfen, bey den Müllern, scharfe Fugen in denselben hauen. Einem Pferde die Hufeisen schärfen, auch wohl ein Pferd schärfen, die Stollen schärfen und spitziger machen, damit es auf dem Eise nicht ausgleite. In manchen Fällen wird es auch für spitzen gebraucht, obgleich scharf für spitzig im Hochdeutschen nicht üblich ist. Die Bohnenstangen schärfen, sie zuspitzen. 2) Ingleichen in verschiedenen figürlichen Bedeutungen. Eine Strafe schärfen, sie schärfer, empfindlicher machen. Einen Befehl schärfen, ihn mit mehrerm Nachdruck mit drohenden Clauseln ertheilen. Einem etwas schärfen, es ihm scharf, mit Nachdruck anbefehlen, oder auch nur empfehlen. Du sollst die Worte, die ich dir heute gebiethe, deinen Kindern schärfen, 5 Mos. 6, 7; wofür doch jetzt im Hochdeutschen einschärfen üblicher ist. Einen Beweis schärfen, ihn bündiger machen, ihn auf alle einzelne Umstände der zu beweisenden Sache ausdehnen. Das Gesicht, das Gehör, die Aufmerksamkeit schärfen, sie schärfer machen, auf alle einzelne Merkmahle eines Dinges erstrecken. Seine Einsicht, seinen Verstand schärfen. Viel denken schärft den Sinn, Opitz. Da es denn zuweilen auch von der Erhöhung des Grades der innern Stärke gebraucht wird. Ihr schadenfrohes Gelächter schärfte den Schmerz, den ich empfand. Mit der Empfindlichkeit für das Schöne schärft sich auch Ekel und Widerwillen vor allem Schlechten. Eine Sylbe schärfen, in der Sprachlehre, sie mit einem scharfen, oder geschärften Tone aussprechen; im Gegensatze des Dehnens. So auch das Schärfen und die Schärfung. Im Niedersächs. scharpen, im Angels. scearpan, im Schwed. skärpa.


Schärfhobel (W3) [Adelung]


Der Schärfhobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel mit einem etwas bogenförmigen Eisen, welches tiefer in das Holz eingreifet, und die rauhe Fläche des Holzes für den Schlichthobel zubereitet; in andern Gegenden der Schrothobel, Schrupphobel.


Schärfkammer (W3) [Adelung]


Die Schärfkammer, plur. die -n, auf den Papiermühlen, diejenige Kammer, wo das fertige und gebundene Papier beraspelt wird; Holländ. Scherpkammer.


Scharfkraut (W3) [Adelung]


Das Scharfkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche auf den fetten Europäischen Rainen wächst; Asperugo L. in einigen Gegenden auch Frauenkrieg.


Scharfrichter (W3) [Adelung]


Der Scharfrichter, des -s, plur. ut nom. sing. dessen Gattian, die Scharfrichterinn, der Nachrichter, welcher die zuerkannten Leib- und Lebensstrafen an den Verbrechern vollziehet, weil er scharf, d. i. an Leib und Leben richtet; eine Benennung, welche vermuthlich noch aus denjenigen Zeiten herstammet, da noch der jüngste Richter oder Beysitzer eines Gerichtes die Todesurtheile an den Verbrechern zu vollziehen pflegte. Schwed. Skarprättare. In einem andern Verstande des Wortes scharf heißt in Graubünden der Censor Scharfrichter, dessen Beysitzer oder Gaumer, von dem veralteten Gaum, Sorge, Aussicht.


Scharfschuß (W3) [Adelung]


Der Scharfschuß, des -sses, plur. die -schüsse, ein scharfer, d. i. mit einer Kugel geladener, Schuß.


Scharfschütze (W3) [Adelung]


Der Scharfschütze, des -n, plur. die -n, ein Schütze, welcher scharf schießet. 1) Ein Schütze, zuweilen auch ein Jäger, welcher nur allein mit gezogenem Gewehr schießet, und daher in allen Fällen schärfer oder genauer trifft, als ein anderer. Die Scheidenschützen sind gleichfalls solche Scharfschützen. 2) Ein Schütze, oder Jäger, welcher ein Wild so wohl im Fluge als im Laufe trifft. 3) Auch ein Gränzjäger, welcher alles über die Gränze tretende Wild wegschießen darf.


Scharfsichtig (W3) [Adelung]


Scharfsichtig, -er, -ste, adj. et adv. von dem für sich allein veralteten sichtig, sehend, scharf sehend, so wohl eigentlich, alle Merkmahle an einem Dinge deutlich erkennend, als auch und noch mehr figürlich, von dem Verstande, Fertigkeit besitzend, die einzelnen Merkmahle an einer Sache mit Deutlichkeit und Richtigkeit zu erkennen und zu unterscheiden, und darin gegründet.


Scharfsichtigkeit (W3) [Adelung]


Die Scharfsichtigkeit, plur. sing. am häufigsten im figürlichen Verstande, die Fertigkeit, auch die kleinsten Umstände, die geringsten Merkmahle an einer Sache deutlich und richtig zu erkennen.


Scharfsinn (W3) [Adelung]


Der Scharfsinn, des -es, plur. car. 1) * Eigentlich, ein scharfer Sinn, in welchem jetzt ungewöhnlichen Verstande ein scharfes Gesicht, ein scharfes Gehör u. s. f. ein Scharfsinn seyn würde. Man gebraucht es 2) nur im figürlichen Verstande, und da ist Scharfsinn die Eigenschaft des Verstandes, die verbogenen Unterschiede der Dinge oder Verschiedenheiten an einem Dinge zu erkennen und zu entdecken, da es denn zuweilen auch für Scharfsinnigkeit, d. i. die Fertigkeit dieser Eigenschaft, gebraucht wird. Der Scharfsinn ist in diesem Verstande eigentlich eine Art der Scharfsichtigkeit. Indessen wird doch diese mehr von den Merkmahlen eines Dinges überhaupt, jener aber mehr von den Unterschieden mehrerer Dinge gebraucht.


Scharfsinnig (W3) [Adelung]


Scharfsinnig, -er, -ste, adj. et adv. Scharfsinn habend und darin gegründet. Es ist mancher scharfsinnig und doch ein Schalk, Sir. 19, 22; wo es in der veralteten Bedeutung für verständig überhaupt stehet.


Scharfsinnigkeit (W3) [Adelung]


Die Scharfsinnigkeit, plur. inus. der Scharfsinn, als eine Fertigkeit betrachtet.


Scharfstein (W3) [Adelung]


Der Scharfstein, des -es, plur. die -e, bey den Buchbindern, ein Stein, worauf das Leder geschärfet, d. i. seiner scharfen Ecken beraubt wird. S. 1 Schärfen.


Schargang (W3) [Adelung]


Der Schargang, des -es, plur. die -gänge, im Bergbaue, 1) ein Gang, welcher dem andern zuscharet, d. i. sich mit demselben vereiniget, ( S. Scharen.) 2) Auch diejenigen Gänge, welche nicht gerade nach einer der vier Hauptgegenden, nach Morgen, Mittag, Abend und Mitternacht, sondern nach einer Zwischengegend streichen, werden daselbst Schargänge genannt. Auf dem Harze hingegen führen die Morgengänge diesen Nahmen.


Schärge (W3) [Adelung]


Der Schärge, S. Scherge.


Schärgen (W3) [Adelung]


Schärgen, S. Schergen.


Scharhaufen (W3) [Adelung]


Der Scharhaufen, S. Ameisenhaufen.


Scharkluft (W3) [Adelung]


Die Scharkluft, plur. die -klüfte, im Bergbaue, eine Kluft, welche einer andern zuscharet, sich mit derselben vereiniget. Siehe Scharen.


Scharkramme (W3) [Adelung]


Die Scharkramme, plur. die -n, eine Kramme oder Krampe an dem untern Theile des Pfluges, woran die Pflugschar vermittelst eines eisernes Keiles befestiget ist.


Scharkübe (W3) [Adelung]


Die Scharkübe, S. Scherküse.


Scharlach (W3) [Adelung]


Der Scharlach, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e. 1) Eine Pflanze, ( S. Scharley). 2) Ein hellrothes, feines Tuch, von einer brennenden Röthe, welche sich ein wenig in das Gelbe ziehet, und Carmoisinroth mit etwas Zitronengelb gemischt zu seyn scheinet. Das Weib war bekleidet mit Scharlacken (Scharlach) und Rosinfarb, Offenb. 17, 3. Der Scharlacken, den sie umhaben, wird von den Motten zerfressen werden, Bar. 6, 71. Sich in Scharlach kleiden.

Anm. In der zweyten Bedeutung im Nieders. Scharlaken, im Schwed. Skarlakan, im Ital. Scarlato, im Engl. Scarlet, im Französ. Ecarlate, im Böhm. Ssarlat, im Isländ. Skarlat. Unser Deutsches Scharlach würde sich leicht von Deutschen Stämmen ableiten lassen, indem Laken, Oberdeutsch Lachen, Tuch bedeutet, Schar aber, wie aus mehrern Spuren erhellet, auch durch hell, feuerfarben, erkläret werden kann. Allein es ist wohl wahrscheinlicher, daß dieses Wort Morgenländischen Ursprungs ist, und mit diesem kostbaren Tuche zugleich mit aus den Morgenländern, dem Vaterlande der Künste und der Üppigkeit, zu uns gebracht worden. Im Arabischen heißt der Scharlach Yxquerlat, im Türkischen Iskerlet, im Persischen aber Sagallat; man müßte denn erweisen können, daß die Morgenländer diese Wort von den Europäern entlehnet hätten. Indessen scheinet es eigentlich eine brennend rothe Farbe zu bezeichnen, und im Slavonischen ist escarlyen gleichfalls roth. Voß bemerkt, daß dieses Wort schon 1134 bey dem Matth. Paris. vorkomme. In einer alten, im 15ten Jahrhunderte gedruckten Deutschen Bibel, welche Schelhorn in den Beyträgen zur krit. Historie der Deutschen Sprache S. 1 f. beschreibt stehet für Scharlach allemahl Samatt azwir gedunkt, vielleicht zweymahl eingedunkter oder gefärbter Sammet.


Scharlachbaum (W3) [Adelung]


Der Scharlachbaum, des -es, plur. die -bäume, eine Art des Eichbaumes, mit eyförmigen, ungetheilten, stachelig gezähnten Blättern, welcher in den Morgenländern und dem südlichen Europa einheimisch ist, und auf welchem sich die Scharlachbeeren erzeugen; Quercus coccifera L. Kermesbaum.


Scharlachbeere (W3) [Adelung]


Die Scharlachbeere, plur. die -n, kleine, runde, rothe Beeren, oder vielmehr Nester einer Art Schildläuse, welche sich auf der vorhin gedachten Eiche aufhalten, und mit der unechte Scharlach gefärbet wird; Scharlachkörner, S. Kermes.


Scharlachen (W3) [Adelung]


Scharlachen, adj. von Scharlach. Ein scharlachenes Kleid. Eine scharlachene Weste. In der Deutschen Bibel nach der Niederdeutschen Mundart scharlacken oder vielmehr scharlaken.


Scharlachfarbe (W3) [Adelung]


Die Scharlachfarbe, plur. inus. die dem Scharlach ähnliche hellrothe, ein wenig in das Gelbe spielende Farbe.


Scharlachfieber (W3) [Adelung]


Das Scharlachfieber, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit Ausschlägen verbundenes Fieber, besonders der Kinder, wobey der ganze Körper so roth wie ein Scharlach wird; Scarlatina.


Scharlachkehlchen (W3) [Adelung]


Das Scharlachkehlchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art der Rothkehlchen mit einer scharlachrothen Kehle; Silvia gula Phoenicea Klein.


Scharlachkessel (W3) [Adelung]


Der Scharlachkessel, des -s, plur. ut nom. sing. ein zinnerner Kessel, woraus die Färber den Scharlach färben.


Scharlachkorn (W3) [Adelung]


Das Scharlachkorn, des -es, plur. die -körner, Körner, womit der Scharlach gefärbet wird; welchen Nahmen daher zuweilen die Cochenille und das Johannisblut, am häufigsten aber die Scharlachbeeren führen. S. Kermes.


Scharlachkraut (W3) [Adelung]


Das Scharlachkraut, des -es, plur. inus. eine Art der Salbey, welche in Griechenland und in Apulien wild wächst, und deren Blätter eine andere als grüne Farbe haben; Salvia Horminium L. Gartenscharlach, Römische Salbey; vielleicht weil sie oft eine Scharlachfarbe haben. S. auch Scharley.


Scharlachroth (W3) [Adelung]


Scharlachroth, adj. et adv. roth wie der Scharlach, der rothen Farbe des Scharlaches gleicht; zinnoberroth.


Scharlachröthe (W3) [Adelung]


Die Scharlachröthe, plur. inus. die Röthe des Scharlachs, die hellrothe, ein wenig in das Gelbe spielende Farbe.


Scharlachtaube (W3) [Adelung]


Die Scharlachtaube, plur. die -n, die schönste unter allen Taubenarten, welche sich in Ostindien aufhält, kleiner als unsere Turteltaube ist, und mit den vornehmsten Farben, vornehmlich aber mit der scharlachrothen spielet.


Scharley (W3) [Adelung]


Der Scharley, des -es, plur. inus. ein Nahme verschiedener Pflanzen. 1) Des Scharlachkrautes, oder der Römischen Sal- bey, Salvia Horminium L. welche auch Scharlach, Gartenscharlach genannt wird; vermuthlich wegen der scharlachrothen Blätter. 2) Einer Art des Alantes mit länglichen ungetheilten zotigen Blättern und einem haarigen Stamme, welcher in Österreich wild wächst; Inula Oculus Christi L. Christauge, wilder Scharley. 3) Der Borago, Borago L. 4) In einigen Gegenden auch der Scharte, oder des Schartenkrautes, Serratula L.

Anm. Die Sylbe -ley ist die Ableitungssylbe. In dem letzten Falle gehöret die Sylbe Schar zu scheren, schneiden, theilen, ( S. Scharte.) In dem zweyten und dritten Falle scheinet die haarige Beschaffenheit der Stängel und Blätter der Grund der Benennung zu seyn, indem Haar und Schar nur durch den Zischlaut verschieden sind, S. 1 Schar.


Scharmützel (W3) [Adelung]


1. Das Scharmützel, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur im Oberdeutschen, besonders in Baiern, Österreich und Böhmen, übliches Wort, eine paplerne Tüte zu bezeichnen. In den Obersächsischen Bergwerken, wo dieses Wort gleichfalls üblich ist, lautet es Scornitzel, in Nürnberg Schnaritzel, in einigen Niedersächs. Gegenden Scharnute. Frisch leitet es seltsam genug von dem Ital. Scaramuccio, ein Pickelhäring, her, weil sich diese zwey zuweilen Halskrägen von Papiertüten machen. Es scheinet Slavonischen Ursprunges zu seyn.


Scharmützel (W3) [Adelung]


2. Das Scharmützel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gefecht unter mehrern als zweyen, wo es besonders im Kriege von Gefechten unter kleinen Hausen üblich ist, welche man noch keine Schlacht oder kein Treffen nennen kann. Unter den leichten Trappen fielen häufige Scharmützel vor, statt des ungewöhnlichen, ein Scharmützel halten, und liefern, wofür im Theuerdanke Kap. 89 das noch ungewöhnlichere Scharmützel pflegen vorkommt.

Anm. Im Oberdeutschen auch ohne die Endsylbe -el, der Scharmutz, in der Schweiz Schalmütz, im Ital. Scaramuccia und Scarmiglia, im Franz. Escarmouche. Wachter leitet es von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gefecht, her, Frisch von dem Böhm. Ssermir, ein Fechter, Junius und Ihre von dem veralteten Oberdeutschen schirmen, fechten, Franz. escrimer, Ital. scrimare, im Schwed. ehedem skirma, welche doch insgesammt Eines Geschlechtes sind, und vermittelst des Endlautes m von 1 Schar, so fern es der nachahmende Ausdruck einer heftigen Bewegung ist, abstammen. Alsdann wäre die Sylbe -itz aus der Endsylbe -iß verderbt, welche in dem Engl. Skirmiss und Skirmish noch unverändert vorhanden ist. Allein um der Endsylbe -el willen ist es wahrscheinlicher, daß unser Scharmützel aus Schar, ein Haufen, und metzeln zusammen gesetzt ist, und daher ein Gemetzel, ein Gefecht, unter mehrern bedeutet, obgleich andere es auch Schar und mischen erklären, da es denn ein "Handgemenge" unter mehrern bedeuten würde. In einigen Gegenden ist es männlichen Geschlechtes, der Scharmützel.


Scharmützeln (W3) [Adelung]


Scharmützeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, ein Scharmützel liefern, fechten, von kleinern Haufen. Mit einander scharmützeln. Mit der fremden Endung -iren ist dafür auch scharmutziren üblich.


Scharre (W3) [Adelung]


Die Scharre, plur. die -n, von dem Zeitworte scharren. 1) Ein Werkzeug zum Scharren; das Scharreisen, in einigen Mundarten die Schore, der Schorrer. So ist die Pflugscharre ein kleines scharfes Eisen an einem langen Stiele, die Erde damit von der Pflugschar abzustoßen, welches auch der Reitel heißt. Die Pech- Harz- oder Holzscharre, das Harz damit von den Bäumen zu scharren. Die Rußscharre der Schornsteinfeger u. s. f. 2) Was gescharret wird. Si ist im gemeinen Leben dasjenige, was sich von dem Breye und andern Speisen an die Töpfe anhängt, die Scharre, welche in andern Gegenden das Schwärtchen genannt wird. 3) Die Oberdeutsche Benennung einer Art Krammesvögel, S. Schnarre.


Scharren (W3) [Adelung]


Der Scharren, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, der beschränkt Ort in den Städten, wo Brot oder Fleisch verkaufet wird, im Oberdeutschen die Schranne; der Brotscharren, der Fleischscharren, im Hochdeutschen die Brotbank, die Fleischbank, in Oberdeutschland die Brotschranne, die Fleischschranne, in einigen Niederdeutschen Gegenden auch die Schrange. Es scheinet damit auf das Pfahl- oder Gitterwerk gesehen zu seyn, womit dergleichen öffentliche Plätze ehedem versehen waren, und es an einigen Orten noch sind. In den Niederdeutschen Marschländern sind die Scharren breite Pfähle, welche zur Abhaltung des Wassers von den Deichen in die Erde geschlagen werden. S. 1 Schar, besonders so fern es eine Ausdehnung in die Länge bezeichnet.


Scharren (W3) [Adelung]


Scharren, verb. reg. act. et neutr. welches im letzten Falle das Hülfswort haben erfordert, der Form nach das Intensivum von dem veralteten scharen, und eigentlich eine unmittelbare Nachahmung eines gewissen Lautes ist. Im gemeinen Leben ist das Scharren mit dem Halse eine Art des Räusperns. Eine Art Krammesvögel, die wir unter dem nahmen der Schnarre kennen, heißt daher im Oberdeutschen die Scharre. Besonders ahmet es den Laut nach, welcher durch eine heftige Art des Reibens oder Kratzens verursacht wird, da es denn auch diejenigen Handlungen ausdruckt, welche mit diesem Schalle verbunden sind. Mit den Füßen scharren, mit den Fußsohlen auf einem festen, besonders mit Sande bestreuten Boden, stark hin und her fahren, wodurch dieser Laut hervor gebracht wird. Darum daß du mit deinen Händen geklitschet, und mit den Füßen gescharret und - so höhnisch dich gefreuet hast, Ezech. 25, 6. ( S. auch Ausscharren.) Die Hühner scharren mit den Füßen in den Mist. Auch die Pferde scharren, wenn sie mit den Vorderfüßen die Erde aufkratzen. Das Roß tobet und scharret in die Erde, Hiob 39, 24. (Siehe auch Ausscharren, Einscharren, Verscharren.) Das auf dem Tische liegende Geld zusammen scharren, zusammen raffen oder schieben. Figürlich ist Geld zusammen scharren, Geld auf jede nur mögliche Art, ohne Wahl der Mittel, mit ängstlicher Begier zusammen zu bringen suchen. Ingleichen mit gewissen Werkzeugen, wo es eine heftige Art des Reibens, Schabens, oder Kratzens ist. Das Harz von den Bäumen scharren, mit einer Art eines Messers. Die Feuermäuerkehrer scharen den Ruß aus den Schornsteinen. Im Oberdeutschen scharret man auch die Rüben, welche man in Ober- und Niedersachsen schabet. Daher das Scharren.

Anm. Schon bey dem Kero ist skerran auskratzen, und bey dem Ottfried scerran ausreißen, welches aber zunächst zu dem verwandten zerren gehöret. Scheuern, schürfen, schurren, u. a. m. sind gleichfalls damit verwandt, weil sie ähnliche Laute bezeichnen. Im Niederdeutschen ist für scharren schragen üblich, und im Oberdeutschen hat man auch die Hauptwörter Scharrsal und Scharricht, was ab- oder ausgescharret wird. In einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, gehet dieses Zeitwort irregulär. Dieweil du uns so arg mit Drohen angeregt, Durchschorren wir den Sand, Opitz; für durch scharren. Will mit der Aschen mich, wie er, verschorren seyn, ebend. In andern Stellen hat er dagegen richtiger verscharrt und eingescharret. Im Hochdeutschen ist es ohne Ausnahme regulär. Indessen sagt man doch in einigen Gegenden schoren für scharren, S. Scharrende.


Scharrer (W3) [Adelung]


Der Scharrer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige welcher scharret, besonders in den zusammen gesetzten Harzscharrer oder Pechscharrer, wofür auch nur Scharrer, Harzer und Pecher üblich sind. S. Harzscharrer.


Scharrerde (W3) [Adelung]


Die Scharrerde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, Erde, welche auf den Wegen und Straßen zusammen gescharrte, und als Dünger gebraucht wird; in einigen Gegenden Schurerde, Schorerde, von dem provinziellen schoren, für scharren.


Schar-Riegel (W3) [Adelung]


Der Schar-Riegel, des -s, plur. ut nom. sing. von Schar, Pflugschar, an einem Pfluge, einem Stückchen Eisen, welches in den Bolzen gesteckt wird, die Pflugschar zu halten.


Scharstock (W3) [Adelung]


Der Scharstock, des -es, plur. die -stöcke, auf einigen Flußschiffen, Hölzer, welche unten zur Befestigung des Mastes dienen, denselben einschließen, und nach dessen Ründung ausgeschnitten sind. Ohne Zweifel von Schar, Aushöhlung, oder auch Verbindung. S. 1 Schar.


Scharte (W3) [Adelung]


Die Scharte, plur. die -n, ein vermittelst des verstärkenden Endlautes t von 1 Schar, und dem daselbst zum Grunde liegenden Zeitworte scharen, abstammendes Wort, welches daher auch aller dort bemerkten Bedeutungen fähig ist. Im Hochdeutschen kommen davon noch folgende vor. 1. Mit dem Begriffe des hohlen Raumes, eines Gefäßes, ist die Scharte oder Schar, in einigen Gegenden, selbst Obersachsens, ein großer runder küpferner Tiegel auf Füßen, mit einer küpfernen einschließenden Decke, welche eben mit glühenden Kohlen beleget wird, Pasteten darin zu backen, oder andere Speisen darin zuzurichten. In einem von dem Frisch angeführten alten Vocabulario von 1482 ist Schart eine jede Pfanne. 2. Mit dem Begriffe des Schneidens, Brechens, Theilens u. s. f. der sich auf eine unmittelbare Onomatopöie gründet, ist die Scharte, 1) * Ein abgebrochenes, abgeschnittenes, abgesprungenes Stück, ein Span, Splitter, ein Stück; eine noch in den gemeinen Sprecharten, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes gangbare, im Hochdeutschen aber unbekannte Bedeutung. So gebraucht Jeroschin Schart für einen Span. ( S. auch Heftscharte.) Im Nieders. ist Schaard in engerer Bedeutung ein Stück eines zerbrochenen Topfes; eine Scherbe, Angels. Sceard, Engl. Shard, Sheard, Sherd. 2) Ein Einschnitt, eine durch Schneiden, Reißen, Brechen u. s. f. verursachte Öffnung. Bey dem Stryker kommt schart für verwundet vor. Im Engl. ist Scar eine Narbe, Franz. Escarre. In den Alemannischen Gesetzen bedeutet Lidiscarti die Verstümmelung eines Gliedes, und Orscarti die Verletzung des Ohres. Das Schwed. skarda bedeutet gleichfalls verletzen, das Isländ. skord vermindern, und unser kurz ist nur durch den Mangel des Zischlautes davon verschieden. Es kommt hier noch in folgenden Fällen vor. (a) In dem zusammen gesetzten Hasenscharte bedeutet es eine angeborene Spalte in der Lippe, dergleichen die Hasen haben, ( S. dieses Wort.) (b) An scharfen schneidenden Werkzeugen ist die Scharte eine fehlerhafte Öffnung an der Schärfe, welche durch ein ausgesprungenes Stück verursacht worden; Niedersächsisch Schaard, Isländisch Skard. Das Messer hat Scharten, bekommt Scharten. Eine Scharte auswetzen, so wohl eigentlich als auch figürlich, einen Fehler wieder gut machen, einen Schaden ersetzen. Du hast kein scharfes Schwert mit Scharten stumpf gemacht, Opitz. (c) Ein Einschnitt in die Oberfläche der Mauern oder Brustwehren, dadurch zu schießen, ist unter dem Nahmen einer Schießscharte bekannt. Schwed. Skard, Franz. Escarre. In den Niederdeutschen Marschländern wird auch die in die Oberfläche eines Deiches oder Dammes eingeschnittene Durchfahrt eine Scharte genannt. Ohne Zischlaut ist im Nieders. Kart eine Kerbe. (d) Eine gewisse Pflanze, wird wegen ihrer zackigen gekerbten Blätter so wohl Scharte, als Schartenkraut, und mit einer andern Endsylbe Scharley genannt; Serratula L. welcher Lateinische Nahme sich auf eben diesen Umstand beziehet, von Serra, eine Säge. Es gibt mehrere Arten derselben, worunter besonders diejenigen diesen Nahmen führet, welche zum Färben gebraucht wird und eine mittelmäßige gelbe Farbe gibt; Serratula tinctoria L. Färberscharte. Im Nieders. heißt sie nur Schar.

Anm. ( S. 1 Schar.) Das a wird im Hochdeutschen in diesem Worte gemeiniglich gedehnt ausgesprochen, andere Mundarten brechen es kurz ab. Aber es, wenn Scharte die Lücke in einer Schneide bedeutet, lang, und wenn es der Einsicht in einer Brustwehre ist, kurz aussprechen, wie einige wollen, ist eine sehr willkührliche Regel.


Schartenschnäbler (W3) [Adelung]


Der Schartenschnäbler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Angler, (Hamiota Klein.) welcher außer den sechs schwarzen Ruderfedern ganz roth von Farbe ist, und wenn er aufgerichtet wie ein Reiher stehet, über fünf Englische Fuß hoch ist; Phoenicopterus Plin. et Klein. Er hat den nahmen von seinem sonderbaren Schnabel, welcher an der Wurzel eine tiefe Scharte oder Höhle hat. In einigen Oberdeutschen Gegenden heißt er Flambart, im mittlern Lat. Flambardus, wo die letzte Sylbe die Ableitungssylbe art oder hard ist, die erste aber seine feuerrothe Farbe bezeichnet; Franz. Flamant.


Schartig (W3) [Adelung]


Schartig, -er, -ste, adj. et adv. Scharten habend, doch nur in der Bedeutung der Lücken in der Schärfe eines schneidenden Werkzeuges. Ein schartiges Messer. Sprichw. Allzu scharf macht schartig.


Scharwache (W3) [Adelung]


Die Scharwache, plur. die -n, eine Wache, so fern sie aus einer Schar, d. i. aus mehrern wachthabenden Personen, bestehet, im Gegensatze der einzelnen Schildwachen. So werden die in der Scharwache fliehen, Judith 14, 3. Da solches die in der Scharwache sahen, V. 8. Wo es einen Vorposten, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bezeichnet; in welchem Verstande es doch, so wie von einer jeden aus mehrern Soldaten bestehenden Wache, veraltet ist, und nur noch hin und wieder von einem Haufen bewaffneter bürgerlicher Wächter gebraucht wird, welchen die Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit auf den Gassen oblieget; wo es aber auch eine herum gehende, patrullirende Wache bedeuten kann, von dem veralteten scheren, gehn, S. 1 Schar.


Scharwächter (W3) [Adelung]


Der Scharwächter, des -s, plur. ut nom. sing. ein einzelnes Glied der Scharwache.


Scharwage (W3) [Adelung]


Die Scharwage, plur. die -n, im Festungsbaue, ein hölzernes Werkzeug in Gestalt eines rechten Winkels, woran sich ein viereckiges Bret befindet, auf welchem die Böschungen abgetheilet sind; das Pocier-Bret, richtiger Dossier-Bret. Ohne Zweifel von 1 Schar, so fern es ehedem auch eine Bewegung nach einer schiefen Richtung bedeutete, daher Schargänge im Bergbaue auch solche Gänge sind, welche nicht nach einer der vier Hauptgegenden, sondern nach einer schiefen Zwischengegend streifen. Ohne Zischlaut gehöret auch der Gehren hierher.


Scharweise (W3) [Adelung]


Scharweise, adv. in Gestalt einer Schar, d. i. mehrerer einzelner lebendiger Geschöpfe. Scharweise herbey eilen.


Scharwerk (W3) [Adelung]


Das Scharwerk, des -es, plur. die -e, und das Zeitwort scharwerken, welches ein Neutrum ist, und das Hülfswort haben erfordert, zwey aus Schar und Werk zusammengesetzter Wörter, welche noch im gemeinen Leben mancher Gegenden üblich sind. 1) In einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in Baiern, ist das Scharwerk ein jeder Frohndienst, eine Frohnarbeit, eine Fröhne, und scharwerken fröhnen. Es ist in dieser Bedeutung, sehr alt, noch früher aber kommt Schar, im mittlern Lat. Scara, in der Bedeutung der Frohne, und Scararius von einem Fröhner, Frohnbauer vor, wovon des Du Fresne Glossarium nachgesehen werden kann. Frisch und andere nehmen Schar hier in der Bedeutung eines Haufens von mehrern, und erklären es durch Arbeiten, welche mehrere zugleich verrichten müssen. Allein für das einfache Scara ist diese Figur viel zu hart und ungewöhnlich, daher hier vielmehr die erste eigentliche Bedeutung einer heftigen Bewegung zum Grunde zu liegen scheinet, so daß Schar und Scharwerk eine schwere Handarbeit bedeuten würde. In Baiern ist scharen noch wirklich arbeiten. ( S. 1 Schar) obgleich selbiges auch die Bedeutung des Zwanges leidet, so daß Scharwerk eine Handarbeit, im mittlern Lat. Angaria, ist. Ohne Zischlaut kann auch das mittlere Latein. Corbata und heutige Franz. Courvee dahin gerechnet werden. Zu der Bedeutung der heftigen Bewegung gehöret auch das Mecklenburgische scharwachen, sich im Bette schlaflos herum wälzen. 2) Bey den Mäurer, Zimmerleuten und andern Handwerkern und Arbeitern ist Scharwerk, theils eine Nebenarbeit, theils aber auch diejenige Arbeit, welche sie nach und außer den gewöhnlichen Arbeit verrichten, und scharwerken solche Arbeit verrichten. Hier scheinet der Begriff der Kleinheit, der Verminderung, der Verkürzung zum Grunde zu liegen, so daß Scharwerk hier eine jede kleine Handarbeit bedeutet. S. 1 Schar.


Schatt (W3) [Adelung]


Schatt, Schatten, ein Wort, welches ursprünglich eine Nachahmung eines gewissen Lautes ist, und hernach die mit solchem Laute verbundenen Veränderungen bezeichnet, und zugleich in seinen Ableitungen und mit der gewöhnlichen Veränderungen durch alle die Figuren gehet, deren schon bey 1 Schar, Schaffen, 1 Saum, Sahl u. s. f. gedacht worden. ( S. auch Satt, Schade, Scheiden, Schatz, Schotten, Schote, Schütten, Schutz u. s. f.) welche insgesammt zu dieser Verwandtschaft gehören. Im Oberdeutschen, besonders im Österreichischen, werden die Sägespäne Sagschatten genannt, wo es zu scheiden in dessen weitester Bedeutung gehöret. In einigen Gegenden wird auch die Scharte, das Färbekraut, Serratula L. genannt, gleichfalls wegen der geschiedenen oder eingekerbten Blätter. Im Lüneburgischen ist Schatt ein Honigmaß, deren 32 auf eine Tonne gehen, wo es den Begriff des hohlen Raumes hat, und zum Nieders. Schottel, eine Schüssel, Seidel u. a. m. gehöret. Wenn der Nachtrabe in einigen Gegenden Nachtschatten heißt, so scheinet es hier für Nachtschade zu stehen, welchen Nahmen er an einigen Orten wirklich führet, ( S. Nachtrabe.) Ob das unter dem Nahmen des Nachtschattens bekannte Gewächs denselben gleichfalls wegen der Schädlichkeit des Geruches seiner Blüthe bey der Nacht habe, oder ob sich der Nahme auf den nächtlichen Geruch beziehe, da denn Schatten, wie andere Nahmen des Geruches, eine Figur der schnellen Bewegung seyn würde, ist so ausgemacht noch nicht.


Schatten (W3) [Adelung]


Der Schatten, des -s, plur. ut nom. sing. 1 Eigentlich, das dunkele Bild eines Körpers, so fern dasselbe durch die Auf- haltung der Lichtstrahlen entstehet. Seinen Schatten im Wasser sehen. Nach einem Schatten greifen. Der Thurm wirft seinen Schatten gegen Abend. Du siehest die Schatten der Bäume für Leute an, Richt. 9, 36. Es will Abend werden und die Schatten werden groß, Jer. 6, 4. Abends, wenn die Schatten länger werden. Gegen den Mittag werden die Schatten kürzer. Sprichw. Ein krummer Stecken kann keinen geraden Schatten werfen. Seinen eigenen Schatten fliehen, figürlich, sich ohne Ursache fürchten. Der Mensch fleucht wie ein Schatten, Hiob 14, 2. Unser Leben ist wie ein Schatten, 1 Chron 30, 15. Ich fahre dahin wie ein Schatten, Ps. 109, 23. Lauter Morgenländische, theils von der Vergänglichkeit, theils von der beständigen Bewegung des Schattens hergenommene Bilder. In einer andern Rücksicht ist der Schatten ein sehr gewöhnliches Bild einer entkräfteten äußern Gestalt. Er vergehet wie ein Schatten. Er siehet aus wie ein Schatten. Er ist einem Schatten ähnlicher als einem Menschen. In dieser Bedeutung des durch die Beraubung des Lichtes entstandenen dunkeln Bildes, sagt man nicht, einen Schatten machen oder geben, welche R. A. nur in der folgenden Bedeutung üblich sind, sondern einen Schatten werfen. 2. Figürlich. 1) Ein schwaches Bild, ein einem andern nur auf eine unvollkommene Art ähnliches Ding. Die Physik der Alten ist kaum ein Schatten von der neuern. Das Gesetz (das Ceremonial-Gesetz des alten Testamentes) ist der Schatten von dem, das zukünftig war, Col. 2, 17, eine unvollkommene sinnbildliche Vorstellung; daher man in dieser Rücksicht auch den ganzen Jüdischen Gottesdienst des alten Testamentes einen Schattendienst, ein Schattenwerk u. s. f. nennet. 2) Eine abgeschiedene Seele, der Geist eines verstorbenen Körpers, heißt in der dichterischen Schreibart häufig ein Schatten, Lat. Umbra. Laß deinen Schatten mir erscheinen. Der Tod steht keinen Vorzug an, Und stellt den allergrößten Mann Zum Pöbel der gemeinen Schatten, Haged. Das Reich der Schatten, das Schattenreich, der Aufenthalt der abgeschiedenen Seelen. 3. In weiterer Bedeutung, der Mangel des Lichtes in einem erleuchteten Orte, so fern derselbe durch die von Körpern aufgehaltenen Lichtstrahlen verursacht wird; wo der Begriff des Bildes verschwindet und nur der Begriff der Dunkelheit übrig bleibt. 1) Eigentlich. Einen Schatten machen, durch seine körperliche Masse die Lichtstrahlen aufhalten, welches in dieser Bedeutung üblicher ist, als Schatten geben. Ein Körper stehet im Schatten, auf der Seite, welche kein Licht empfängt. Bey den Mahlern ist der Schatten im Gegensatze des Lichtes, dunkle Partien und Züge, welche den natürlichen Schatten nachahmen, und zur Erhöhung der beleuchteten oder hellen dienen. Große Lichter erfordern große Schatten, weil sie die Rubestellen für das Auge sind. ( S. Schattiren. Halbschatten und Schlatzschatten.) In einigen biblischen Stellen wird es auf eine sonst ungewöhnliche Art für Finsterniß überhaupt gebraucht. Die da saßen am Ort und Schatten des Todes, Matth. 4, 16. 2) In engerer Bedeutung, Schatten vor den Sonnenstrahlen, mit dem Nebenbegriffe der Kühle. (a) Eigentlich. Schatten geben, oder einem Schatten geben, durch seine körperliche Masse die heißen Sonnenstrahlen abhalten; in welcher Bedeutung man nicht gern Schatten machen, Schatten werfen aber gar nicht sagt. Im Schatten sitzen. Sich in den Schatten setzen. In den Schatten treten. Laß uns einen kühlen Ort suchen, und in den Schatten uns lagern, Geßn. Ihr Büsche schließet mich in heil'ge Schatten ein, Cron. (b) Figürlich. aa) Ein Schatten gebendes Gewächs; doch nur in der dichterischen Schreibart. Oft besucht die Muse bemooste Hütten, um die der Landmann stille Schatten pflanzet, Geßn. Wie wenn ich einen kühlen Schatten von fruchtbaren Bäumen hier pflanzte, ebend. bb) Schutz, Schirm, Erquickung; eine besonders Morgenländische Figur, wo der Schatten in der brennenden Hitze des Tages eine größere Wohlthat ist, als in den gemäßigten Zonen. Beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel, Ps. 17, 8. Der Herr ist dein Schatten, Ps. 121, 5. Es nähert sich hier zugleich dem Begriffe des verwandten Schutzes, wohin ohne Zischlaut auch Hütte und hüthen gehören.

Anm. Bey dem Willeram Scade, bey dem Notker Scato, Scatue, bey dem Ulphilas Skadau, im Angels. Sceadu, im Engl. Shade, Shadow, im Holländ. Schaduwe, im Wallisischen Ysgod, im Bretagnischen Skeut. Es scheinet, daß in diesem Worte zwey verschiedene Hauptbegriffe liegen, die aber doch aus Einer gemeinschaftlichen Quelle fließen, der Begriff eines Bildes, und der Begriff der Dunkelheit; jener ist eine Figur des Lichtes, dieser aber des hohlen Raumes, beyde aber stammen von dem Begriffe der Bewegung und ihrer Richtung her. Zu der Bedeutung der Dunkelheit gehöret das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; Finsterniß. Was die Bedeutung eines Bildes betrifft, so gehöret es hier zunächst zu schauen, und allen Wörtern dieser Art, welche den Begriff des Lichtes voraus setzen; denn daß es hier am Ende nur auf die Sylbe Scha ankommt, und daß das t oder n nur der Endlaut ist, erhellet aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, dem Irländischen Ska, dem Holländ. Skuwe, dem alten Alemannischen im Tatian befindlichen Scuwen, dem Schwedischen Skugga, dem Niederdeutschen Schemen und Schemel, und dem Osnabrückischen Schär, welche aller Verschiedenheit der End-Consonanten ungeachtet, insgesammt den Schatten bedeuten, besonders so fern er ein dunkles Bild ist, aber alle ursprünglich Licht bezeichnen. Der Schatte, für Schatten, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.


Schatten (W3) [Adelung]


Schatten, verb. reg. act. et neutr. im letzten Falle mit dem Hülfsworte haben. 1) Einen Schatten werfen, Schatten gehen, Schatten machen, doch nur in den Zusammensetzungen beschatten, umschatten und überschatten. 2) Für schattiren, in welcher Bedeutung es doch nur von einigen Neuern versucht worden, welche aber ohne Nachfolger geblieben sind.


Schattenbild (W3) [Adelung]


Das Schattenbild, des -es, plur. die -er, die Abbildung eines Körpers nach dem Schatten.


Schattendienst (W3) [Adelung]


Der Schattendienst, des -es, plur. inus. Siehe Schatten 2 1).


Schattenfarbe (W3) [Adelung]


Die Schattenfarbe, plur. die -n, in der Mahlerey, diejenige Farbe, womit der Schatten in einem Gemählde und dessen Theilen angedeutet wird.


Schattengang (W3) [Adelung]


Der Schattengang, des -es, plur. die -gänge, ein schattiger Gang, in der dichterischen Schreibart.


Schattenhufe (W3) [Adelung]


Die Schattenhufe, plur. die -n, ein nur in der Mark Brandenburg übliches Wort, eine eingebildete oder Scheinhufe zu bezeichnen. Um in den Contributions-Anlagen einerley Haupttitel zu führen, werden auch andere Grundstücke als Äcker, z. B. fischreiche Wasser, und sogar die Arten der Gewerbe nach Hufen versteuert, da denn solche Scheinhufen daselbst Schattenhufen heißen, weil sie wahre Hufen abbilden oder vorstellen.


Schattenhut (W3) [Adelung]


Der Schattenhut, des -es, plur. die -hüte, in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Hut des andern Geschlechtes, welcher von der Sonne Schatten gibt, ein Sonnenhut, Strohhut, in andern Gegenden ein Schaubhut.


Schattenmasse (W3) [Adelung]


Die Schattenmasse, plur. die -n, in der Mahlerey, mehrere Schatten in einem Theile eines Gemähldes, als ein Ganzes betrachtet; im Gegensatze der Lichtmasse.


Schattenriß (W3) [Adelung]


Der Schattenriß, des -sses, plur. die -sse, die Abbildung eines Körpers, und in engerer Bedeutung eines Gesichtes, nach dem Schatten; Franz. Silhouette.


Schattenspiel (W3) [Adelung]


Das Schattenspiel, des -es, plur. die -e, eine Art Pantomime, wo Figuren und Handlungen durch den an die Wand geworfenen Schatten vorgestellet werden.


Schattenweiderich (W3) [Adelung]


Der Schattenweiderich, des -s, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme so wohl des großen, als des kleinen Weiderichs, vielleicht weil beyde gern an feuchten schattigen Örtern wachsen.


Schattenwerk (W3) [Adelung]


Das Schattenwerk, des -es, plur. die -e, S. Schatten 2 1).


Schätter (W3) [Adelung]


Der Schätter, S. Schetter.


Schattig (W3) [Adelung]


Schattig, -er, -ste, adj. et adv. Schatten habend oder enthaltend, doch nur in dem zweyten engern Falle der zweyten Bedeutung des Hauptwortes, Schatten vor den Sonnenstrahlen enthaltend. Ein schattiger Ort, ein schattiger Wald, ein schattiger Gang, eine schattige Gegend.


Schattiren (W3) [Adelung]


Schattiren, verb. reg. act. welches vermittelst der ausländischen Endung iren ( S. dieselbe) von Schatten gebildet worden, aber nur in dem ersten Falle der zweyten Bedeutung des Hauptwortes üblich ist, den Schatten, d. i. dunkeln Stellen, in einer Figur durch Züge oder dunkele Farben anzeigen und ausdrucken. Eine Figur, einen Umriß schattiren. Einige Neuere haben statt dieses Worts das freylich bessere schatten und verschatten versucht, aber vermuthlich wegen der Zweydeutigkeit des erstern Wortes wenig Nachfolger gefunden. Daher die Schattirung, nicht nur von der Handlung des Schattirens, sondern auch von den schattirten Stellen einer Zeichnung, von dem Schatten. Figürlich ist die Schattierung zuweilen die allmähliche stufenweise eingerichtete Abnahme oder Veränderung der Dinge Einer Art; Franz. Nuance, die Verflößung. Es gibt viele Schattirungen der Empfindungen, als es Gesichter gibt. Nach einer andern Figur ist in der Mahlerey eine Schattirung Stifte, Farbenstifte von Einer Farbe, doch nach verschiedenen Graden der Höhe derselben.


Schatulle (W3) [Adelung]


Die Schatulle, plur. die -n. 1) Ein gemeiniglich kleiner Kasten, vorräthiges Geld darin zu verwahren, und das darin befindliche Geld. 2) An den Höfen ist die Schatulle das zu den zufälligen persönlichen Ausgaben des Fürsten bestimmte Geld. Daher das Schatullen-Gut, des -es, plur. die -güter, ein Gut, dessen Einkünfte für die Schatulle bestimmt sind; ingleichen, ein aus der Schatulle erkauftes, und dem Fürsten unmittelbar unterworfenes Gut; zum Unterschiede von einem Kammergute, Tafelgute u. s. f. Es ist aus dem ital. Scatola, und dieß aus dem Lat. Scatula.


Schatz (W3) [Adelung]


Der Schatz, des -es, plur. die Schätze, ein Wort, welches das Intensivum eines veralteten Schad oder Schar ist, und so wie dieses vieler Bedeutungen fähig ist, ( S. Schatt,) von welchen noch folgende vorkommen. 1) * Mit dem Begriffe des hohlen oder tiefen Raumes, ist Schatz in einigen Oberdeutschen Gegenden ein Maß trockner Dinge, welches vielleicht mit dem Fränkischen Gescheid, der achte Theil einer Metze überein kommt. Im Angels. ist Scath ein Behältniß, im Nieders. Schatt gleichfalls ein gewisses Maß, ( S. dasselbe.) Unser Scheide und ohne Zischlaut 8 Katze, ( S. dasselbe.) Kasten, und andere mehr gehören gleichfalls dahin. 2) * Mit dem Begriffe des Habens, Besitzens, Haltens, war Schatz ehedem so viel wie Habe, sie mochte nun beweglich oder unbeweglich seyn. Varanter Scaz bedeutet in der Monseeischen Glosse fahrende Habe, bewegliches Gut, und Scaza, Substantia, Vermögen. Das Schwed. Skatt bedeutet noch jetzt Habe. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet. 3) Eine Menge mehrerer Dinge einer Art, ein Vorrath; eine jetzt veraltete Bedeutung, welche nur noch zuweilen im gemeinen Leben üblich ist. Aus seinem Schatze und altes hervor langen, aus seinem Vorrathe, Matth. 13, 52. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es in dieser Bedeutung gangbarer, denn da ist ein Kunstschatz eine Sammlung von Kunstsachen, ein Gemähldeschatz, eine Bilder-Gallerie, ein Kornschatz ein Vorrath von Getreide, ein Weinschatz, ein Vorrath von Wein. Der herrschende Begriff ist hier der Begriff der Verbindung, der Versammlung, daher auch ohne Zischlaut auch gatten und 2 Katze damit verwandt sind. Daß Magazin seiner letzten Hälfte nach hiervon abstammet, ist schon bey diesem Worte bemerket worden. 4) Mit dem Begriffe des Behüthens, Bewahrens, der sorgfältigen Aufsicht, ist Schatz ein jedes Ding, welches man mit vorzüglicher Sorgfalt bewahret. Dein Geboth ist ewiglich mein Schatz, Ps. 119, 98. Schaffet, daß euer Schatz nicht verlästert werde, Röm. 14, 16. In engerer Bedeutung Schatz ein schmeichelhaftes Anredewort geliebter Personen, wo auch das Diminutivum Schätzchen üblich ist, da es denn auch wohl als ein allgemeines Nennwort einer geliebten Person gebraucht wird. Einen Schatz haben, eine Liebste oder einen Liebsten. indessen ist es wegen des häufigen Gebrauches in der anständigen Sprechart in dieser Bedeutung veraltet, und dem großen Haufen überlassen geblieben. Es lautet in dieser Bedeutung schon bey den alten Alemannischen Schriftstellern Scaz, im Nieders. Schatt, und ohne Zischlaut im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Pers. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, wovon im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Schatzmeister, ist. Das Stammwort ist ein veraltetes schaten, bewahren, wovon noch unser Schutz abstammet, so wie das schon gedachte Morgenländische Gaza, ein Schatz, zu dem Schwed. gata, bewahren, gehöret. Bey dem Ulphilas heißt der Schatz gleichfalls ohne Zischlaut Huzl, welches augenscheinlich von unserm huthen abstammet. Im Nieders. ist verhutzen noch als einen Schatz beylegen. 5) In engerer Bedeutung und in Verbindung mit der vorigen dritten Bedeutung der Menge, des Vorrathes, ist der Schatz ein Vorrath kostbarer, oder für kostbar gehaltener Dinge, ein Vorrath von Dingen, welche man mit besonderer Sorgfalt zu erhalten und zu bewahren bemühet ist. Etwas in den Schatz legen, zu dem Vorrath kostbarer Dinge. Schätze sammeln. Ein vergrabener Schatz. Einen Schatz heben, einen vergrabenen Schatz in seinen Besitz bekommen. Einen Schatz finden. Besonders ein Vorrath von Geld, welches nicht zum täglichen Gebrauche, sondern zum Aufheben bestimmt ist. Etwas in den Schatz legen. Schätze sammeln, vieles geld. Seinen Schatz angreifen. Der richtigste und beste Verstand ohne Anwendung auf das Herz, ist ein Schatz, der seinen Besitzer darben läßt, Gell. Figürlich bedeutet es collective einen Vorrath, einen Reichthum kostbarer, achtungswerther Dinge und Eigenschaften. Die Blume, die ihre Schätze der kommenden Sonne entfaltet. 6) * Geld, als ein Collectivum ohne daß eben der Nebenbegriff der Menge und der Kostbarkeit dabey Statt fände; in welcher Bedeutung es doch veraltet ist. Bey dem Ottfried ist Scazz Geld, und das Schwed. Skatt hat diese Bedeutung noch. So war ehedem der Klagschatz die Gerichtssporteln, der Miethschatz das Miethgeld, der Kaufschatz das Kaufgeld, der Schlageschatz der Münz- oder Prägelohn u. s. f. Wir haben es nur noch in den Zusammensetzungen Brautschatz, Mithabe und Mahlschatz, in welchem letztern doch auch der Begriff einer Kostbarkeit mit eintritt. In beyden findet auch die Bedeutung einer Gabe Statt. Auch war es ehedem individualiter von einzelnen Münzsorten sehr üblich. Im Tatian sind dreyßig Scazze dreyßig Silberlinge. Eben daselbst wird aber auch ein Häller Scazz genannt. Bey dem Ulphilas ist Skatt nicht nur ein Groschen, Denarius, sondern auch ein Gewicht, Mina, und das Pers. Gaza bedeutet gleichfalls Denarium. Welches hier das eigentliche und herrschende Begriff ist, ist nicht leicht zu bestimmen. Vielleicht ist es der Begriff des Werthes, indem das Schwed. Skatt noch den Werth, den Preis, bedeutet, ( S. Schätzen.) Vielleicht ist es der vorige zweyte Begriff der Habe, vielleicht aber auch der Begriff eines Stückes, eines Theiles, weil die älteste Art des Geldes in einzelnen Stücken Metall bestehend. 7) Eine öffentliche Abgabe, sie sey nun von welcher Art sie wolle, Steuer, Zoll u. s. f. Nieders. Schatt, Schott, Angels. Skeat, Skeot. In dieser Bedeutung ist es zwar im Hochdeutschen ungangbar, aber in den Provinzen, besonders Oberdeutschlandes, kommt es so wohl allein, als in vielen Zusammensetzungen, von einer jeden Abgabe an die Obrigkeit häufig vor. Es ist in dieser Bedeutung mit Schoß und schießen, so fern dasselbe geben, zusammen schießen, zusammen legen, bedeutet, Eines Geschlechtes, so daß es hier so viel als eine Gabe zu bedeuten scheinet. S. auch Schatzung.

Anm. Man wird leicht einräumen, daß diese verschiedenen Bedeutungen von verschiedenen Stämmen abgeleitet werden müssen, und nicht allemahl als Figuren von einander angesehen werden können; obgleich alle diese verschiedenen Stämme wieder von der ersten Bedeutung des Lautes und der damit verbundenen Handlung oder Bewegung abgeleitet werden müssen.


Schatzbar (W3) [Adelung]


Schatzbar, adj. et adv. von Schatz 7. doch nur in einigen Gegenden, verpflichtet, Schatz, d. i. Steuern u. s. f. zu geben, wofür in einigen Gegenden auch schatzpflichtig üblich ist. Schatzbare Güter. steuerbare.


Schätzbar (W3) [Adelung]


Schätzbar, -er, -este, adj. et adv. von dem Zeitworte schätzen, was geschätzet, d. i. hoch geachtet zu werden verdienet. Schätzbare Eigenschaften. Er ist mir jetzt noch eben so schätzbar, als von einem Jahre, Gell. In dem zusammen gesetzten unschätzbar hat es noch die sonst ungewöhnliche mehr eigentliche Bedeutung, was geschätzet werden kann, d. i. dessen Preis oder Werth bestimmet werden kann.


Schätzbarkeit (W3) [Adelung]


Die Schätzbarkeit, plur. die -n, die Eigenschaft eines Dinges, da es schätzbar ist, d. i. einen vorzüglichen Grad der Achtung verdienet; ohne Plural. Zuweilen auch, obgleich seltener, eine schätzbare Eigenschaft.


Schatz-Collegium (W3) [Adelung]


Das Schatz-Collegium, des -ii, plur. die -gia, in einigen Ländern, ein Collegium, welches den öffentlichen Schatz, d. i. die Einnahmen und Ausgaben eines Reiches, verwaltet, welches in manchen von einer Schatz-Commission u. s. f. geschiehet. In dem Herzogthum Braunschweig Wolfenbüttel werden die zum engern Ausschusse verordneten Stände, welche sich mit den öffentlichen Einnahmen und Ausgaben beschäftigen, der Schatz-Convent genannt. S. Schatz 5 und 7.


Schatzen (W3) [Adelung]


Schatzen, verb. reg. act. 1) Schatz, d. i. eine öffentliche Abgabe, eine Schatzung fordern, Mit Schatzung belegen; Nieders. schatten, Schwed. skatta. Es ist im Hochdeutschen veraltet, und nur noch in den Zusammensetzungen beschatzen und brandschatzen üblich. 2) Schatz oder Schatzung geben; Nieders. schatten und schotten. Auch hier ist es nur in einigen Gegenden in dem zusammen gesetzten verschatzen gangbar. Daher die Schatzung. S. solches hernach besonders.


Schätzen (W3) [Adelung]


Schätzen, verb. reg. welches nicht unmittelbar von Schatz abstammet, wohl aber ein Seitenverwandter von demselben ist. 1. Dafür halten, aus wahrscheinlichen Gründen urtheilen. Etliche, die uns schätzen, als wandelten wir fleischlicher Weise, 2 Chor. 10, 2. Ich schätze mich selbst noch nicht, daß ichs ergriffen habe, Phil. 3, 13. In dieser Veränderung ist es im Hochdeutschen veraltet. Man sagt nur noch, ich schätze es mir für eine Ehre u. s. f. für ich halte; ob man gleich nicht gern mehr sagt, sich etwas für eine Schande schätzen. 2. Im engern Verstande, ein Ding seiner Zahl, seinem Gewichte, seinem Werthe nach aus wahrscheinlichen Gründen bestimmen. 1) Überhaupt. Ich schätze ihn ungefähr fünfzig Jahre alt. Man schätzt es nicht so hoch. Man schätzte ihn auf Eine Tonne Goldes, man glaubt, daß er so reich ist. Ich schätze das Gut auf 10000 Thaler, glaube, daß es so viel werth ist. Das ist dem nicht gleich zu schätzen. Etwas sehr hoch schätzen, er werth, geringe schätzen, einem Dinge einen hohen, einen geringen Werth beylegen, und dieses Urtheil thätig erweisen. 2) In einigen engern Bedeutungen. (a) Hoch schätzen, doch halten, einem Dinge einen hohen Werth beylegen, und solches thätig erweisen. Er weiß den Werth des Lebens zu schätzen, hoch zu schätzen, oder auch nur, es seinem ganzen Werthe nach zu beurtheilen. Der hassenswürdige Charakter, da man das Gute an niemanden als an sich schätzet, Gell. Das von einigen Neuern in dieser Bedeutung gebrauchte Mittelwort geschätzt, z. B. geschätzter Freund, für hoch oder werth geschätzter, hat wegen der vorstehenden Zweydeutigkeit mit der vorigen Bedeutung wenig Beyfall gefunden, ob es gleich in der dichterischen Schreibart mehrmahls vorkommt. Geschätztes Nichts der eiteln Ehre, Hall. (b) Den Werth, den Preis eines Dinges bestimmen, so daß sich der Begriff der Muthmaßlichkeit, des wahrscheinlichen Grundes verlieret; taxiren, in einigen Gegenden schatzen. Das Fleisch schätzen, den Preis bestimmen, um welchen die Fleischer dasselbe verkaufen sollen. Das Brot schätzen u. s. f. Jemanden schätzen, den Theil bestimmen, welchen er nach Maßgabe seines Alters, seines Vermögens u. s. f. zu öffentlichen Anlagen beyzutragen hat; ihn schatzen. Luc. 2, 1. Daher die Schätzung. Anm. Im Nieders. scharren, im Schwed. skatta, wie das vorige. Bey unsern alten Oberdeutschen Schriftstellern kommt es nicht vor, ob es gleich alles Ansehen eines alten Wortes dar. Die erste Bedeutung ist entweder der Werth, der Preis, der im Schwed. noch jetzt skart heißt, oder auch das Urtheilen, Meinen, dafür Halten, überhaupt. Im letztern Falle ist es eine unmittelbare Figur der Bewegung, weil alle ähnliche, ähnliche Veränderungen des Geistes bezeichnende Wörter sich auf dieselbe Figur gründen.


Schätzer (W3) [Adelung]


Der Schätzer, des -s, plur. ut nom. sing. eine obrigkeitliche Person, deren Pflicht es ist, gewisse Waaren und Lebensmittel zu besichtigen und den Preis derselben zu bestimmen, der Schätzmeister, und wenn es ein Glied des Rathes ist, in einigen Gegenden der Schätzherr, im Oberdeutschen der Schatzherr. Der Fleischschätzer, Brotschätzer u. s. f.


Schatzfrey (W3) [Adelung]


Schatzfrey, adj. et adv. nur in einigen Gegenden, frey von dem Schatze, d. i. von der Schatzung oder Steuer; im Gegensatze des schatzbar. Schatzfreye Güter, S. Schatz 7.


Schatzgeld (W3) [Adelung]


Das Schatzgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er. 1) Geld, so fern es als ein Schatz oder eine Schatzung erleget wird oder erleget worden; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. ( S. Schatz 7.) 2) Geld, welches man als eine Kostbarkeit oder Seltenheit aufhebet, im Gegensatze dessen, welches man zu seinen gewöhnlichen Bedürfnissen gebraucht. So pflegt man z. B. die Medaillen im gemeinen Leben Schatzgeld zu nennen. S. Schatz 5.


Schatzgräber (W3) [Adelung]


Der Schatzgräber, des -s, plur. ut nom. sing. der ein Geschäft macht, nach den in der Erde verborgenen Schätzen zu graben.


Schatzgut (W3) [Adelung]


Das Schatzgut, des -es, plur. die -güter, in einigen Gegenden, schatzbare, schatzpflichtige Güter, welche der Schatzung unterworfen sind; im Gegensatze der schatzfreyen. S. Schatz 7.


Schatzhaus (W3) [Adelung]


* Das Schatzhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, so fern es zur Aufbewahrung eines Schatzes dienet. ( S. Schatz 5.) In weiterer Bedeutung, ein jedes Vorrathshaus, ein Magazin. In beyden Fällen ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich, ob es gleich in der Deutschen Bibel noch in derselben vorkommt. Man bauete Städte zu Schatzhäusern, 2 Mos. 1, 11; und so in andern Stellen mehr.


Schätzherr (W3) [Adelung]


Der Schätzherr, in einigen Gegenden Schatzherr, des -en, plur. die -en, S. Schätzer.


Schatzkammer (W3) [Adelung]


Die Schatzkammer, plur. die -n, eine Kammer, d. i. ein Zimmer, und in weiterer Bedeutung, ein Gehäuse, worin man seinen Schatz verwahret. Die königliche Schatzkammer. In einigen Gegenden ist es auch dasjenige Collegium, welches die öffentlichen Einkünste verwaltet, und welches am häufigsten nur die Kammer schlechthin genannt wird.


Schatzkasten (W3) [Adelung]


Der Schatzkasten, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schatzkästchen, Oberd. Schatzkästlein. 1) Eigentlich, ein Kasten, so fern er zur Aufbewahrung eines Schatzes, d. i. so wohl des Geldes, als auch einer jeden kostbaren Sache, bestimmt ist. In der Deutschen Bibel kommt es auch in der sonst ungewöhnlichen Bedeutung eines Vorrathskastens, ja eines Vorrathshauses vor. In der Bedeutung eines Ortes, wo die öffentlichen Einkünste verwahret werden, ingleichen der zu ihrer Verwaltung verordneten Personen, ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet. 2) Eine figürliche Benennung mehrerer entweder auf einzelne Blätter oder in Gestalt eines Buches zusammen gedruckter erbaulicher Stellen, wovon man durch das Ungefähr eine zu seiner Erbauung aufschläget oder ziehet; wo es doch nur im Diminutivo allein üblich ist.


Schätzmeister (W3) [Adelung]


Der Schätzmeister, S. Schätzer.


Schatzmeister (W3) [Adelung]


Der Schatzmeister, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schatzmeisterinn, eine Person, welche einem Schatze, in den drey letzten Bedeutungen dieses Wortes, vorgesetzet ist, wo dieses Wort noch in vielen Fällen üblich ist, besonders diejenige Person zu bezeichnen, welche dazu bestimmt ist, die Geldeinnahmen in Empfang zu nehmen und selbige an die bestimmten Orte wieder auszuzahlen; da denn der Schatzmeister oft eben das ist, was in andern Fällen ein Rentmeister, Cassier, Seckelmeister, Pfennigmeister, Zahlmeister u. s. f. ist, oft aber noch von demselben unterschieden wird.


Schatzpflichtig (W3) [Adelung]


Schatzpflichtig, -er, -ste, adj. et adv. nur in einigen Gegenden, verpflichtet, Schatz oder Schatzung zu geben, schatzbar; im Gegensatze des schatzfrey. So auch die Schatzpflichtigkeit. S. Schatz 7.


Schatzrath (W3) [Adelung]


Der Schatzrath, des -es, plur. die -räthe, in einigen Provinzen, 1) ein Beysitzer eines Schatz-Collegii; ein Kammerrath. 2) Ein ganzes zur Verwaltung der öffentlichen Einkünste niedergesetztes Raths-Collegium; die Kammer.


Schätztafel (W3) [Adelung]


Die Schätztafel, plur. die -n, bey den Fleischern, Bäckern u. s. f. diejenige Tafel, worauf der von den Schätzern bestimmte Preis des Fleisches oder Brotes geschrieben wird.


Schatzung (W3) [Adelung]


Die Schatzung, plur. die -en, von dem Zeitworte schatzen, aber auch unmittelbar von dem Worte Schatz und der Ableitungssylbe -ing, oder ung, ein Schatz, öffentliche Abgabe, doch nur diejenige, welche ein Unterthan nach Maßgabe seines Vermögens, seiner Grundstücke, seines Alters, oder seines Standes zu den öffentlichen Bedürfnissen entrichtet; die Steuer, der Schoß, Tribut. Eine Schatzung ausschreiben. Schatzung entrichten. Nieders. Schattung, im mittlern Lat. Aestimum, Extimum. In einigen Gegenden wird das Abzugsgeld in engerer Bedeutung die Schatzung genannt. S. auch Brandschatzung.


Schatzung (W3) [Adelung]


1. Die Schatzung, plur. die -en, ein nur in der Seefahrt übliches Wort, wo diejenige Flagge, womit die Fahrzeuge vom Lande an das Schiff gerufen werden, und welche man an dem Stocke hinauf und zusammen ziehet, die Schau genannt wird.


Schau (W3) [Adelung]


2. Die Schau, plur. inus. von dem Zeitworte schauen. 1) Der Zustand, da man gesehen wird; wo es doch, als ein ursprünglich Oberdeutsches Wort, im Hochdeutschen nur in einigen Redensarten und ohne Artikel üblich ist. Etwas zur Schau ausstellen, daß es von jedermann gesehen und besehen werden kann. Die Leichen werden zur Schau ausgestellet, wenn man sie von jedermann sehen läßt. Die Missethäter werden am Pranger zur öffentlichen Schau ausgestellet. Jemanden zur Schau herum führen. Der königliche Pfau Trägt seinen Schweif zur Schau, Haged. Nur zur Schau da stehen, nur um gesehen zu werden. 2) Die Handlung des Besehens oder Besichtigens, als ein ursprünglich Oberdeutsches Wort; gleichfalls nur in einigen Fällen. Ehedem war die Heerschau die Besichtigung eines Kriegsheeres, die Revue. Die Deichschau oder Deichschauung ist in den Niederdeutschen Marschländern die obrigkeitliche Besichtigung der Deiche. Besonders die von gewissen verpflichteten Personen vorgenommene Besichtigung gewisser Waaren, ihre gehörige Güte zu erkennen; wo es gleichfalls zunächst aus dem Oberdeutschen herstammet. Die Schau halten oder vornehmen. Auf Schau und Probe arbeiten, seine Arbeit beschauen und probieren lassen. Figürlich werden an einigen Orten so wohl die zur Besichtigung gewisser Waaren verordneten Personen, welche auch wohl das Schauamt heißen, als auch der Ort, das Gebäude, wo diese Besichtigung geschiehet, die Schau genannt. In den Niederdeutschen Marschländern führet diesen Nahmen auch der ganze District, welchen ein Deichgräve zu beschauen oder zu besichtigen hat. S. Schauen.


Schau (W3) [Adelung]


* Schau, adv. auf eine jedermann sichtbare Art, und um von jedermann gesehen zu werden; ein sehr ungewöhnliches, nur noch in einigen wenigen Fällen gebräuchliches Ort. Christus hat die geistlichen Feinde öffentlich schau getragen, Col. 2, 15, sie zur Schau getragen.


Schauamt (W3) [Adelung]


Das Schauamt, des -es, plur. die -ämter, in einigen Gegenden. 1) Die Verbindlichkeit, gewisse Dinge und Waaren zu beschauen, um ihre gesetzmäßige Güte zu erkennen. 2) Ein Collegium dazu verordneter Personen; in einigen Gegenden nur die Schau.


Schaub (W3) [Adelung]


Der Schaub, des -es, plur. die -e, ein nur im gemeinen Leben einiger Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, übliches Wort, welches ein Bündel, in ein Bund zusammen gefaßte mehrere Dinge bedeutet. Man gebrauchte es am häufigsten in der Landwirthschaft von einem kleinern Bunde glatten Strohes welches man in Obersachsen mit einem andern Endlaute eine Schütte, im Niedersächs. aber ein Schoof, in Weißen auch wohl einen Schob, im Plural Schöbe, nennet. Ein Schaub Stroh. Auch diejenigen Bündel Strohes, womit in einigen Gegenden die Dächer gedeckt werden, heißen daselbst Schaube, daher ein Strohdach oft auch ein Schaubdach genannt wird. In einigen Gegenden heißt der auf den Wegen, den Feldern u. s. f. zur Warnung aufgesteckte Strohwisch, der Heuschaub.

Anm. Im Nieders. Schoof, im Angels. Sceaf, im Engl. Sheaf, im Holländ. Schoof und Schoove, alle in der Bedeutung eines Strohbundes. Der Begriff der Verbindung, vielleicht auch der Masse, der Ausdehnung in die Länge, Breite und Dicke, ist der herrschende Begriff, daher es mit Schober, ein Haufe, Franz. Javelle, und Schopf, zu den Zeitworte schaffen gehöret, so fern es ehedem eine schnelle Bewegung bezeichnete, von welcher die jetzt gedachte Bedeutung eine gewöhnliche Figur ist. Ohne Zischlaut gehören auch unser Kopf, das mittlere Latein. Covis, Cova, ein Bündel, Schaub, das Lat. Intensivum oder Frequentativum copulare, kuppeln, u. a. m. dahin. S. auch Schaube.


Schaubar (W3) [Adelung]


Schaubar, -er, -ste, adj. et adv. welches von dem Zeitworte schauen nur in einigen Gegenden üblich ist, was beschauet werden kann. In engerer Bedeutung heißt in den Niederdeutschen Marschländern ein Deich schaubar, wenn er in solchem Stande ist, daß er von dem Deichgräven beschauet oder besichtiget werden kann.


Schaube (W3) [Adelung]


Die Schaube, plur. die -n, Diminut. das Schäubchen, gleichfalls nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Nahme eines langen Mantels, und eines demselben ähnlichen Kleides, welches den ganzen Leib bedeckt, und von beyden Geschlechtern getragen wird. Eine Schaube tragen. Die Regenschaube, der Regenmantel, die Nachtschaube, der Schlafrock, die Doctor-Schaube, der Doctor-Mantel, die Kinderschaube, ein langes Kinderkleid; lauter nur allein im Oberdeutschen übliche Ausdrücke. In einigen Gegenden heißt auch der Rock des andern Geschlechts eine Schaube.

Anm. Im Ital. Giubba, im Böhmischen Czuba. Hier ist die Bedeckung und der hohle tiefe Raum der herrschende Begriff, daher es mit Schaff, Scheffel, Schoppen oder Schuppen, dem Schwed. Sköfve, eine Decke, und hundert andern gleichfalls von schaffen in dessen weitesten Bedeutung einer schnellen Bewegung herstammet. Ohne Zischlaut gehören auch unser Jope, Haube, das mittlere Latein. Cupha, ein Hut, u. a. m. dahin. Siehe Schaubhut.


Schauber (W3) [Adelung]


Der Schauber, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Fischern, ein Hamen, welcher vor sich hin geschoben wird, aber keine Gabel hat; Franz. Bouteux. Hat er eine Gabel, so heißt er ein Setzhamen, wird er aber nicht so wohl vorwärts geschoben, als vielmehr nach sich gezogen, ein Kratzhamen. Es stammet von dem Zeitworte schieben ab.


Schaubhut (W3) [Adelung]


Der Schaubhut, des -es, plur. die -hüte, ein großer runder Strohhut in Gestalt eines Siebes mit einer Höhlung für den Kopf in der Mitte der Decke, welcher den ganzen Kopf vor der Sonne und den Leib vor dem Regen bedecket. Er ist bey dem weiblichen Geschlechte auf dem Lande sehr gewöhnlich. In einigen Gegenden Schobhut, Schaubert, Scheppert. Gleichfalls von dem veralteten schauben, schaffen, sich in die Tiefe bewegen und figürlich bedecken. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bedeutet bedecken, und das Böhm. schowati verbergen. S. Schaube und Schaffen.


Schaubrot (W3) [Adelung]


Das Schaubrot, des -es, plur. die -e, nur in den Deutschen Bibel und bey den ältern Juden, Brote von feinem Mehle, welche in der Stiftshütte und in dem Tempel zur Schau vor dem Angesichte Gottes liegen mußten, und hernach von den Priestern gegessen wurden.


Schaubühne (W3) [Adelung]


Die Schaubühne, plur. die -n, gleichfalls von dem Zeitworte schauen, eine Bühne, auf welcher ein Ding zur Schau ausgestellet, oder eine Handlung zur Schau verrichtet wird; doch nur noch in engerer Bedeutung von derjenigen Bühne, auf welcher Schauspiele vorgestellet werden, und welche oft auch nur die Bühne, mit einem Griechischen Ausdrucke aber das Theater genannt wird. S. Schauplatz und Schauspiel.


Schauder (W3) [Adelung]


Der Schauder, des -s, plur. ut nom. sing. ein vermittelst des intensiven d von Schauer gebildetes Wort, einen höhern Grad des Schauers, einen von strenger Kälte, von einem hohen Grade des Abscheues, des Grauens, gewirkten Schauer zu bezeichnen. Aber auf einmahl verjagt die triumphirende Sonne Schatten und Schauder und Schlaf zum Niedergange zurück, Zachar. Der Schauder kommt mich an, wenn ich daran gedenke. Diese Worte, dieser Ton, die Wendung dieser grausenden Romanze drangen in unserer Kindheit mit einem Heere von Nebenbegriffen des Schauders, der Feyer, des Schreckens in unsere Seele, Herd. S. Schauer.


Schauderhaft (W3) [Adelung]


Schauderhaft, -er, -este, adj. et adv. fähig, Schauder zu erwecken oder zu verursachen. So auch die Schauderhaftigkeit.


Schaudern (W3) [Adelung]


Schaudern, verb. reg. welches das Intensivum von schaudern ist, und auf doppelte Art gebraucht wird. 1) Als ein Activum, Schauder, einen hohen Grad des Schauers verursachen; wo es doch nur unpersönlich gebraucht wird, und der Regel nach die vierte Endung der Person erfordert, weil es eigentlich für schütteln stehet. Es schaudert mich, wenn ich daran denke. Es schaudert mich vor Kälte. Wenn aber, die Haut, der eigentliche Sitz des Schauders und Schauers, ausdrücklich mit genannt ist, so stehet die dritte Endung der Person. Es schaudert mir die Haut. Die Haut schauderte mir vor Kälte. Und dieses Hauptwort scheinet auch darunter verstanden zu werden, wenn dieses unpersönliche Zeitwort, wie von den meisten geschiehet, ohne dasselbe mit der dritten Endung der Person verbunden wird. Es schaudert mir vor Kälte. Es schaudert mir, wenn ich daran denke. Es schaudert ihm vor dem Tode, er empfindet einen hohen Grad der Furcht, des Abscheues vor dem Tode. Es schaudert der bangen Natur, Zach. Man kann nicht ohne Schaudern davon reden. 2) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, Schauder empfinden; in welcher Gestalt es doch nur im gemeinen Leben einiger Gegenden üblich ist. Ich schauderte vor Entsetzen.

Anm. Im Nieders. schudern, schrudern, im Engl. to shudder, und mit einem andern Endlaute to shiver. S. Schauen und Schauern.


Schauen (W3) [Adelung]


Schauen, verb. reg. act. et neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und mit sehen einerley Abstammung und Bedeutung hat, nur daß es der Oberdeutschen Mundart, in welcher es eigentlich einheimisch ist, mehr angemessen ist, als den übrigen, welches so wohl aus dem stärkern Zischer, als auch aus dem hohen Doppellaute au erhellet. 1) Mit scharfer Aufmerksamkeit sehen, genau sehen, ingleichen besichtigen; in welcher Bedeutung es eigentlich ein Intensivum von sehen ist, welche Intension von dem stärkern Zischlaute sch herrühret. In dieser Bedeutung ist es besonders in einigen Fällen im Oberdeutschen üblich. Das Fleisch schauen, es besichtigen. Das Brot schauen, besichtigen. In den Niederdeutschen Marschländern hält man ein Schauen, wenn die Deiche von der dazu gesetzten Obrigkeit besichtiget werden. ( S. auch Schau.) 2) In weiterer Bedeutung wird es im Oberdeutschen durchgehends für das Zeitwort sehen gebraucht, es sey nun ein Neutrum oder ein Activum. Ich habe es geschauet, gesehen. Schau, siehe. Abraham wandte sein Angesicht gegen Sodom - und schauete, und siehe, da ging ein Rauch auf, 1 Mos. 19, 28. Schaue gen Himmel, und siehe, und schaue an die Wolken, Hiob 35, 5. Schaut, daß ihr sie bewegt, Opitz; sehet zu. Die Alten wollten nicht verstehn Die Wunder im Ägyptenlande, So sie geschaut durch dich ergehn, ebend. Ps. 106. In der gemeinen Sprechart der Hochdeutschen ist es in keiner von beyden Bedeutungen üblich, wohl aber in der höhern, besonders poetischen, wo es sehr häufig für sehen gebraucht wird. Auf seinen Wangen ist zu schaun Anstatt der Jugend Milch, ein lebhaft männlich Braun, Haged. Eine bloß biblische, vermuthlich auf eine Morgenländische Figur gegründete Bedeutung ist es, wenn dieses Wort für vorher sehen und vorher verkündigen, weißagen, gebraucht wird. Ihr sollt uns nicht schauen die rechte Lehre, Es. 30, 10. Schauet uns Täuscherey, ebend. Daher Luther auch die Propheten so wohl Schauer als Seher nennet, weil sie gleichsam in die Zukunft schauen oder sehen. Daher das Schauen, und die Schauung, welches letztere doch nur in Zusammensetzungen üblich ist.

Anm. Schon bey dem Kero, Ottfried u. s. f. scouuon, bey dem Willeram skouuen, im Nieders. doch nur in einigen aus dem Oberdeutschen entlehnten Fällen, schauen, im Schwed. mit einem intensiven Endlaute skada, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Griech. mit dem gleichbedeutenden th, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Kero gebraucht es noch in der ersten intensiven Bedeutung, denn bey ihm scauuon forschen. Im Angels. ist sceavian, und im Engl. to shew, factitive, sehen machen, d. i. zeigen. Die Bedeutung des Sehens ist nur eine von den vielen, welche diesem Zeitworte, wenn es in seiner ursprünglichen Bedeutung und in seinem ganzen Umfange betrachtet wird, zukommt. Der stärkere und schwächere Sibilus s und sch sind in der Natur gegründete Ausdrücke eines zischenden Lautes und der damit verbundenen, gemeiniglich schnellen und gelinden Bewegung, und vermittelst der Endung -en, entstehen daraus die Zeitwörter schaen, scheen, schauen, saen, seen u. s. f. welche ursprünglich gewisse mit diesem Laute verbundene Bewegungen bedeuten, und in allen Sprachen noch eine große Menge Nachkommen hinterlassen haben. Davon stammen denn See, Schau, eine Flagge, so, schehen in geschehen u. a. m. her. Mit den gewöhnlichen intensiven und frequentativen Endungen bezeichnen schauern, schaudern, scheuern, schütten, schütteln u. s. f. allerley Abänderungen dieser Bewegung. Die Bedeutung des Lichtes ist in allen Sprachen eine Figur der schnellen Bewegung, daher kommt bey den Schwäbischen Dichtern noch Schowe für Gestalt, Aussehen, eigentlich Schein vor, welches letztere selbst hierher gehöret, indem es so wie Sonne, Sol, Schemen, Schatten, schier u. s. f. sich nur in Endlaute unterscheidet. Die Bedeutung des Scheinens, Leuchtens, gehet sehr leicht in die Bedeutung des Sehens über, welches doch nichts anders ist, als das Scheinen empfinden, und so bekommen wir unser sehen und dessen Oberdeutsches Intensivum schauen, nebst dem Engl. Factitivo to shew, zeigen. Alle Zeitwörter, welche eine schnelle Bewegung bedeuten, bezeichnen sie auch in engerm Verstande nach verschiedenen Richtungen. So fern schauen auch diese Bewegung in die Tiefe, oder in einem hohlen Raume bedeutet, stammet daher die Bedeutung eines Behältnisses, Gefäßes, einer Bedeckung u. s. f. Daher das veraltete Schauer, ein Becher, Schauer, ein bedeckter Ort, unser Scheuer oder Scheure, und mit verschiedenen Endlauten Schaube, Schutz, Schaff, Schauffel u. s. f.


Schauer (W3) [Adelung]


1. Der Schauer, des -s, plur. ut nom. sing. unmittelbar von dem vorigen Zeitworte, derjenige welcher schauet oder siehet. Es ist nur in einigen Zusammensetzungen üblich, so wohl in der intensiven Bedeutung des Besichtigens, wie Fleischschauer, Brotschauer, Deichschauer u. s. f. als auch für sehen überhaupt, wie in Zuschauer. Luther gebraucht es auch nach einer sonst ungewöhnlichen Morgenländischen Figur von einem Propheten, der die Zukunft siehet und vorher verkündiget, welchen er in andern Stellen einen Seher nennet. Gad der Schauer, 1 Chron. 22, 9. Deine Schauer sollen zu Schanden werden, Mich. 3, 7.


Schauer (W3) [Adelung]


2. Der Schauer, des -s, plur. ut nom. sing. welches vermittelst der Ableitungssylbe -er von schauen abstammet, so fern es ehedem sich in die Tiefe oder in die Ründe bewegen bedeutete, und einen tiefen oder hohlen Raum, ein Behältniß, und figürlich einen bedeckten Ort, Bedeckung, Schutz, Sicherheit bedeutet. 1. * Einen hohlen Raum, ein Behältniß. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - eine Höhle. Im Nieders. war Schauer ehedem ein großer Becher, ein Pokal, welches im Hochdeutschen ganz fremde Wort noch Sir. 50, 10 vorkommt, ein güldener Schäuer, wo es von vielen irrig von schauen, sehen, abgeleitet, und durch einen Schaubecher erkläret wird. Schirr in Geschirr ist auf das genaueste damit verwandt, ( S. Schar.) 2. Eine Decke, Bedeckung, und einen bedeckten Ort. 1) * Eine Decke; eine veraltete Bedeutung, in welcher im Nieders. nur noch Schuur, die Haut, das Fell bedeutet, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ( S. Schar.) 2) Ein Ort, wo man von der rauhen Witterung bedeckt ist, in welchem Verstande es noch häufig vorkommt. Im Schauer stehen, an einem Orte, wo die Winde, der Regen u. s. f. ein Ding nicht treffen können, in der Geduld stehen. Die Schauer einladender Schatten, Klopst. Nieders. Schuur, Schwed. Skur. Im mittlern Lateine ist daher Escuare Sicherheit, und selbst unter Schirm ist nahe damit verwandt. In einer Thüringischen Urkunde von 1385 kommen Schur für Schutz und Schürer für Beschirmer, Beschützer, Vogt, vor. 3) In engerer Bedeutung, eine Wetterhütte, Regenhütte, ein leichtes Gebäude, worin man vor den Witterungen in Sicherheit ist, welches auch ein Schuppen genannt wird. Ein Hüther (Wächter) macht sich einen Schauer, Hiob. 27, 18. Ein Wagenschauer, ein solcher bedeckter Ort, wo Wagen vor der Witterung bedeckt stehen; so auch Bienenschauer u. s. f. Es ist in dieser Bedeutung im Nieders. am üblichsten, wo es Schuur lautet, Schwed. Skur, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Unser Scheuer oder Scheure ist nahe damit verwandt, so wie das mittlere Lat. Scuria, ein Stall, Franz. Ecurie, eben dasselbe Wort ist.

Anm. Ich habe oben gesagt, daß es vermittelst des Endlautes -er von schauen abstamme, so fern es im weitesten Verstande sich schnell bewegen bedeutet; allein es kann auch, wenigstens in einigen Fällen, nur eine Ausdehnung von Schauer seyn, da es denn zunächst zu Schar gehören würde, welches wenigstens alle die Bedeutungen leidet, deren schauen fähig ist. S. das folgende.


Schauer (W3) [Adelung]


3. Der Schauer, des -s, plur. ut nom. sing. welches mit dem vorigen Eines Geschlechtes ist, aber noch in mehr eigentlicher Bedeutung gebraucht wird. Es bezeichnet eine schnell vorüber gehende, gemeiniglich zitternde oder doch rauschende Bewegung, deren Laut es eigenthümlich nachahmet und wird noch in folgenden Fällen gebraucht. 1) Ein schnell vorüber gehender Sturm, ein schnell vorüber gehender Platzregen oder Hagel, eine vorüber gehende Erschütterung der Erde, wird noch häufig ein Schauer genannt. Skura windis ist schon bey dem Ulphilas ein Windsturm, und Jeroschin nennet eine vorüber gehende Erschütterung der Erde einen Schauer. Am üblichsten ist es von einem vorüber gehender Platzregen oder Hagel, welche man so wohl einen Schauer schlechthin, als auch einen Regenschauer, einen Hagelschauer nennet. Der Schaur heißt im andern Teutsch der Hagel, Buch der Natur von 1483. Eben hatte der weichende Winter von stürmischer Schwingen Seine letzten Spure (Schauer) von rieselndem Hagel geschüttelt, Zachar. Im Nieders. Schuur, im Angels. Scur, im Engl. Shower, im Schwed. Skur, alle entweder von einem Platzregen, oder von einem Hagel. Das Nieders. Schuur bedeutet auch eine dunkle Regen- oder Gewitterwolke, wo aber auch der Begriff der Dunkelheit, des Schattens, Statt findet. Im Tatian heißt Scouwen der Schatten. 2) Eine schnell vorüber gehende Erschütterung der Haut, dergleichen man bey einem plötzlichen Anfalle der Kälte, bey einem hohen Grade des Schreckens, des Abscheues, der Angst u. s. f. empfindet. Es läuft mir ein Schauer über die Haut. Der Schauer kommt mich an. Überläuft sie nicht ein Schauer bey diesen Frechheiten? Der Schauer, welcher mich mit kalter Angst durchläuft, Weiße. Schon bey dem Stryker ist Schawr Schrecken, Horror, welches letztere selbst hierher gehöret, indem ihm nur der Zischlaut mangelt. Ein höherer Grad des Schauers heißt Schauder, vermittelst des intensiven d, und in Franken hat man das noch mehr verstärkte Schütter für Schauder und Schauer. Oft ist der Schauer eine Wirkung des höchsten Grades der Ehrfurcht, der mit einer Art von Furcht und Schrecken verknüpften Empfindung der Größe, der Majestät, daher es bey den Dichtern häufig für diese Empfindungen gebraucht wird. Ein mächt'ger Schauer rauscht Durch das erschrockne Thal, in dem kein Waldgott lauscht, Cron. O, senkt euch herab von rauschenden Wipfeln, Heilige Schauer, die ganz die Seele des Dichters empfindet! Zachar. Wo sich aber der Begriff der feyerlichen Stille mit einschleicht, welche eine Figur der vorigen Bedeutung der Bedeckung seyn kann. 3) Eine jede schnell vorüber gehende mit einer Art eines Rauschens verbundene Veränderung. Ein Fieberschauer, ein Fieber-Paroxismus. Im Niederdeutschen heißt der Anfall der Epilepsie der Schauer, welchen Nahmen daselbst auch ein jeder vorüber gehender Anstoß, ja eine jede Zwischenzeit bekommt. Seinen tollen Schauer haben, seinen gewöhnlichen Anfall von Raserey. Der schlafende Schauer, der Anfall der Schlafsucht, der weinende Schauer, der Anfall der Lust zu weinen u. s. f. S. das Bremisch-Niedersächsische Wörterbuch.

Anm. Gleichfalls vermittelst der Endsylbe -er von schauen, so fern es ursprünglich eine schnelle gelinde rauschende Bewegung bezeichnet, deren verstärkte Grade durch schauden, scheiden, schütten, und zitternde Abänderung durch schauern, schäuern, schaudern, schüttern, schütteln u. s. f. ausgedruckt werden. S. Schauen Anmerk. und Schauder.


Schauerig (W3) [Adelung]


Schauerig, adj. et adv. welches von den beyden vorigen Wörtern nur im gemeinen Leben üblich ist. 1. Von 2 Schauer, Schutz vor den Witterungen, ist schauerig vor den Witterungen bedeckt; in welcher Bedeutung es doch am seltensten gebraucht wird. 2. Von 3 Schauer, vorüber gehende Erschütterung der äußern Haut. 1) Einen Schauer empfindend, besonders so fern er durch Kälte verursacht wird. Es ist mir schauerig, ich empfinde einen oder mehrere Schauer. 2) Schauer verursachend; doch auch nur von der Kälte. Schaueriges Wetter, naßkaltes, welches Schauer verursacht.


Schauern (W3) [Adelung]


Schauern, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, und das Intensivum oder Frequentativum von schauen ist, so fern es ursprünglich eine schnelle rauschende Bewegung bedeutet. Es kommt nach Maßgebung des Hauptwortes 3 Schauer noch in folgenden Bedeutungen vor. 1. Es schauert, ist im gemeinen Leben einiger Gegenden als ein Impersonale für es hagelt üblich. Noch häufiger gebraucht man es, 2. von der zitternden vorüber gehenden Erschütterung der äußern Haut, welche durch Kälte, einen hohen Grad des Abscheues, des Schreckens, der Furcht u. s. f. verursacht wird. 1) Einen solchen Schauer empfinden. (a) Als ein persönliches Neutrum, in welcher Gestalt es doch nur von einigen Neuern gewagt worden. Sie würden schauern, wenn sie es hören sollten. Der junge Baum weht und schauert und fühlet die Glieder im Morgen oder der erweckten Schöpfung, Herd. Verleihe mir auch Kraft zu dieser Bürde, Die Helden oft zu tragen schauerten, Schleg. (b) In der dritten Person, mit ausdrücklicher Benennung der Haut, welche erschüttert wird, wo es mit der dritten Endung der Person verbunden wird. Ich fürchte mich, daß mir die Haut schauert, Ps. 119, 120. Ingleichen unpersönlich mit Auslassung des Wortes Haut. Es schauert mir, oder mir schauert, wenn ich daran denke. Es schauert ihm vor dem Tode, oder ihm schauert vor dem Tode. Der Unsterblichen (nämlich Seele) schauert vor ihrer Zernichtung, Klopst. Doch würde mir vor solchen Buben schauern, Schleg. 2) Schauer verursachen. Eine schauernde Stille herrscht umher, Geßn. nur in der dichterischen Schreibart. Hierher gehöret auch das unpersönliche es schauert, wenn es von einigen mit der vierten Endung verbunden wird. Es schauret (schauert) mich das Fleisch und auch er Sinn, Opitz Ps. 119. Welche Wortfügung doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. So auch das Schauern. Einen höhern Grad des Schauerns druckt man durch schaudern, und den stärksten durch schüttern, erschüttern aus.


Schauervoll (W3) [Adelung]


Schauervoll, -er, -este, adj. et adv. einen hohen Grad des mit Furcht, Schrecken und Abscheue verbundenen Schauers erweckend. Eine schauervolle Geschichte.


Schauessen (W3) [Adelung]


Das Schauessen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Essen, d. i. ein Gericht, welches nicht wirklich gegessen werden soll, sondern nur zur Schau aufgesetzet wird; ein Schaugericht.


Schaufel (W3) [Adelung]


Die Schaufel, plur. die -n, Diminut. das Schäufelchen, Oberd. Schäuflein, ein Wort, welches so wohl den Begriff der Fläche, der Breite, als auch den Begriff der Tiefe, des hohlen Raumes hat, mit welchen bey den sich gemeiniglich der Begriff des Schöpfens, Auffassens und Fortschiebens verbindet. 1) Mit dem Begriffe des hohlen Raumes ist die Schaufel ein flach vertieftes Behältniß an einem Stiele, andere Körper damit aufzufassen und fortzuschaffen, eine Art eines großen Löffels; im Tatian Scuuala, in einigen Hochdeutschen Gegenden die Schuffe, im Nieders. Schufel und Schüppe, im Angels. Scofl, im Engl. Shovel und Scoop, im Schwed. Skofvel und Skyffel, im Pohln. Szufla. Dahin gehöret die Backschaufel, die Kornschaufel, die Wurfschaufel, die Ladeschaufel, die Feuerschaufel u. s. f. Schaufeln von Erz, 2 Mos. 27, 2. 2) Oft verlieret sich der Begriff des hohlen Raumes, so daß der Begriff des Fortschiebens oder Fortschaffens allein übrig bleibt. Die Malzschaufel ist ein flaches Bret an einem schief stehenden Stiele. Die Schaufel an einem Ruder ist der flache dünnere Theil am Ende, womit das Fahrzeug im Wasser gleichsam fortgeschoben wird. An einem Wasserrade sind die Schaufeln die Breter zwischen den Kränzen, worauf das Aufschlagewasser fällt und das Rad in Bewegung setzet. 3) Oft verlieret sich dieser Begriff, und es bleibt nur die breite ebene Fläche übrig. So nennet man die breiten, dünnen, spitzig zulaufenden Theile an den beyden Ankerarmen, welche bey andern die Fliegen und Flunken heißen, auch die Schaufeln. Die breiten Äste an den Geweihen der Damhirsche, Elendthiere u. s. f. welche anstatt zackig zu seyn, sich auf eine breite Fläche endigen, heißen gleichfalls Schaufeln, welchen Nahmen auch die zwey vordersten Zähne in dem Munde des Hirsches führen, weil sie breiter sind, als die übrigen. Unser Scheibe ist mit dieser Bedeutung verwandt. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird der Schämel ein Trittschäufelein genannt, wo vermuthlich auch die Bedeutung eines Bretes die herrschende ist, und schon Raban Maurus nennet das Bret, welches auf der Thürschwelle befestiget wird, Düscufle, richtiger Dürscufle.

Anm. Die Endsylbe ist hier kein Merkmahl eines Diminutivi, sondern die Ableitungssylbe -el, welche ein Werkzeug, ein Subject, bedeutet. Die Stammsylbe schauf gehöret zu schaffen, schieben, schöpfen u. s. f. so daß die Schaufel eigentlich ein Werkzeug zum Auffassen, Fortschieben u. s. f. oder so fern der Begriff des hohlen Raumes der herrschende ist, ein tiefes, hohles Ding bedeutet, in welchem Falle es mit Schaff, Scheffel, Schaube u. s. f. verwandt ist. Ohne Zischlaut gehöret auch das Oberdeutsche Gauffel, die flache und hohle Hand dahin. Die dritte Bedeutung eines in die Breite ausgedehnten Dinges fließet gleichfalls von schaffen her, so fern es auch eine Bewegung und Ausdehnung nach allen Richtungen bedeutet hat.


Schaufelbein (W3) [Adelung]


Das Schaufelbein, des -es, plur. die -e, ein Bein in Gestalt einer Schaufel. Besonders werden an den Bienen das dritte Paar Beine die Schaufelbeine genannt, weil in denselben eine Höhlung befindlich ist, worein das Blumenmehl packen.


Schaufelbürger (W3) [Adelung]


Der Schaufelbürger, des -s, plur. ut nom. sing. ein in einigen Gegenden ehedem für Pfahlbürger, so wohl in dessen weitern als engern Bedeutung, übliches Wort, ( S. dasselbe.) Frisch erkläret es durch einen, der eigentlich zur Schaufel- und Feldarbeit gehöret, und zum Nachtheil seiner Grundherrschaft Bürger in der Stadt wird. Es kann aber auch überhaupt einen mit der Schaufel arbeitenden Tagelöhner bedeuten, dergleichen in den Vorstädten noch jetzt wohnen, wenn nicht mit dem Worte Schaufel vornehmlich auf die Befriedigung der Vorstädte gesehen wird, da es denn mit Pfahlbürger im eigentlichsten Verstande gleichbedeutend seyn würde. So fern schüfeln aber im Nieders. auch unredlich handeln, Unterschleif machen, Schüfeler einen Betrieger, und Schüfelije Betriegerey bedeutet, leidet es auch die von Frischen gegebene Erklärung.


Schaufelgehörn (W3) [Adelung]


Das Schaufelgehörn, des -es, plur. die -e, ein Gehörn, welches statt der Zacken breite, schaufelförmige Äste hat, dergleichen das Gehörn der Damhirsche und Elendthiere ist; das Schaufelgeweih. Auch ein Hirschgeweih, welches oben in der Krone breite Enden hat, und auch ein Handgehörn heißt; im Gegensatze eines Gabelgehörnes.


Schaufelhirsch (W3) [Adelung]


Der Schaufelhirsch, des -es, plur. die -e, ein mit einem Schaufelgehörne versehener Hirsch. Besonders werden die Damhirsche von den Jägern mit diesem Nahmen beleget.


Schaufelhose (W3) [Adelung]


Die Schaufelhose, plur. die -n, in dem Salzwerke zu Halle, eine Hofe, d. i. kleines Faß, mit süßem Wasser, worin man die in der Siedepfanne gebrauchten Salzschaufeln abkühlet.


Schaufelkunst (W3) [Adelung]


Die Schaufelkunst, plur. die -künste, eine Art eines Wasserkunst, einen Teich u. s. f. vermittelst vieler von dem Winde getriebenen Schaufeln auszuschöpfen; das Schaufelwerk.


Schaufeln (W3) [Adelung]


Schaufeln, verb. reg. act. 1) Mit der Schaufel arbeiten. Den ganzen Tag schaufeln müssen. Erde, Getreide zusammen schaufeln, mit der Schaufel auf einen Haufen werfen. Etwas hinaus schaufeln, fortschaufeln, umschaufeln u. s. f. Da grub er tief und schwitzt' und keichte Und fand im Schaufeln einen Schatz, Haged. 2) Mit Schaufeln versehen. Die Wasserräder anders schaufeln, sie mit andern Schaufeln versehen.

Anm. Im Nieders. schüfeln und schüppen. Das erste bedeutet daselbst auch mischen, mengen, Engl. to snuffle, besonders wenn es mit einer Art des Schiebens verbunden ist, wie bey den Karten, ingleichen, unredlich handeln, Unterschleif machen; in welchen bey den Bedeutungen es zunächst das Diminutivum von schieben ist.


Schaufelrad (W3) [Adelung]


Das Schaufelrad, des -es, plur. die -räder, ein mit Schaufeln versehenes Wasserrad, ein jedes Wasserrad, welches durch den Stoß oder Druck des Wassers beweget wird.


Schaufelrecht (W3) [Adelung]


Das Schaufelrecht, des -es, plur. inus. 1) Das Recht, eines andern Acker vorzüglich und mit Ausschließung anderer für einen gewissen Zins zu bauen; entweder, so fern die Feldarbeit ehedem mehr mit der Schaufel geschahe, als jetzt, oder auch, so fern schaufeln das Frequentativum oder Diminutivum von schieben ist, da es denn mit dem Abtriebrechte gleichbedeutend seyn würde. 2) In Elsaß verstehet man unter Schaufelrecht das Recht, die Zinsgüter zu bessern. 3) S. auch das folgende.


Schaufelschlag (W3) [Adelung]


Der Schaufelschlag, des -es, plur. die -schläge, auf dem Lande vieler Gegenden. 1) Das Recht, einen Graben oder Fluß zu reinigen oder zu räumen, ohne Plural, weil man sich dazu der Schaufeln bedienet; das Fegerecht, Räumungsrecht. Den Schaufelschlag haben, dieses Recht. 2) Das Gebieth, die Gegend, wo jemand dieses Recht hat. Auf der Gemeine Schaufelschlag. 3) Der mit der Schaufel auf solche Art aus einem Graben oder Flusse geworfene Schlamm, und der Bezirk, welchen derselbe einnimmt; ohne Plural. Die Bäume stehen auf dem Schaufelschlage des Baches. Wenn der Graben breit ist, so gehören wohl sechzehn Schuh zum Schaufelschlage.


Schaufelwerk (W3) [Adelung]


Das Schaufelwerk, des -es, plur. die -e, siehe Schaufelkunst.


Schaufelzahn (W3) [Adelung]


Der Schaufelzahn, des -es, plur. die -zähne, ein Zahn in Gestalt einer Schaufel. So werden die breiten Vorderzähne der Hirsche, Pferde u. s. f. so wohl Schaufeln als Schaufelzähne genannt. Auch die breiten Zähne, welche die Schafe, so wie die an Alter zunehmen, anstatt der spitzigen Zähne bekommen, führen diesen Nahmen. Daher heißt ein Jährling oder jähriges Schaf, wenn es die zwey mittlern Hundszähne verloren und dafür Schaufelzähne bekommen hat, ein Zweyschaufler; am Ende des zweyten Jahres, wenn es vier Schaufelzähne bekommen hat; ein Vierschaufler, und nach dem dritten Jahre, wenn es mit sechs solchen Zähnen versehen ist, ein Sechsschaufler.


Schaufler (W3) [Adelung]


Der Schaufler, des -s, plur. ut nom. sing. S. das vorige.


Schaufrey (W3) [Adelung]


Schaufrey, adj. et adv. in den Niederdeutschen Marschländern, nicht so wohl von der Schau oder Besichtigung, als vielmehr von allen bey der Schau entdeckten Mängeln frey, fehlerfrey. Einen Deich schaufrey zu machen, ihn in solchen Stand setzen, daß nichts daran zu tadeln ist.


Schaugeld (W3) [Adelung]


Das Schaugeld, des -es, plur. inus. Geld, welches nicht zum Ausgeben im Handel und Wandel, sondern zur Schau, d. i. zum Ansehen, zum Denkmahl einer merkwürdigen Begebenheit geschlagen worden, dergleichen die Medaillen sind. Einzelne Stücken solches Schaugeldes werden Schaumünzen, ehedem auch Schaugroschen und Schaupfennige genannt, so fern Pfennig und Groschen ehedem eine jede Münze bedeuteten.


Schaugerüst (W3) [Adelung]


Das Schaugerüst, des -es, plur. die -e, ein Gerüst, auf welchem eine Handlung, welche von mehrern gesehen werden soll, vorgestellet wird.


Schaugroschen (W3) [Adelung]


Der Schaugroschen, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Schaugeld.


Schauherr (W3) [Adelung]


Der Schauherr, des -en, plur. die -en, in einigen Gegenden, ein Rathsherr oder eine obrigkeitliche Person, welche zur Beschauung gewisser Waaren und Dinge verordnet ist. Gerin- gere verpflichtete Personen dieser Art werden nur Schauer, Beschauer u. s. f. genannt.


Schauhaus (W3) [Adelung]


* Das Schauhaus, des -es, plur. die -häuser, ein ungewöhnliches Wort, welches Opitz für Amphitheater und Schauspielhaus einzuführen suchte.


Schaukel (W3) [Adelung]


Die Schaukel, plur. die -n, ein jeden Ding, womit man sich schaukelt, d. i. sich schwebend hin und her, oder auf und nieder beweget. Ein in der Mitte aufliegendes Bret, vermittelst dessen sich zwey auf den beyden Enden sitzende Personen auf und nieder bewegen, ein herab hängendes, einfaches oder doppeltes Seil, woran man sich hin und her schwinget, heißet eine Schaukel, in einigen Mundarten eine Schockel, ein Schockeler, und so fern es ein Seil ist, im Nieders. ein Schockreif, Schockregen. Im Oberdeutschen ist es männlichen Geschlechtes, der Schaukel. S. das folgende.


Schaukeln (W3) [Adelung]


Schaukeln, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, schwebend hin und her, auf und nieder bewegen. Das Schiff schaukelt, es beweget sich auf dem Wasser von einer Seite zur andern, auf und nieder, wo es ein Neutrum ist. Noch häufiger als ein Activum. Jemanden schaukeln, ihn schwebend hin und her, auf und nieder bewegen, so wohl vermittelst eines in der Mitte aufliegendes Bretes, als auch eines herab haugenden Seiles. Sich schaukeln. Daher das Schaukeln.

Anm. In den gemeinen Mundarten schockeln und schuckeln, im Engl. to joggle, im Ital. cioccolare. Es ist das Diminutivum von dem noch im Ober- und Niederdeutschen üblichen schocken, welches nicht nur stoßen, sondern auch heftig rütteln und schütteln bedeutet, Ital. scoccare, cioccare, Franz. choquer, Engl. to shake; dieses aber ist wieder das Intensivum von dem veralteten schachen, und von schauen, so fern beyde eine gewisse schnelle Bewegung bedeuten, S. Schächer und Schauen. Darob mein Geist sich hat erquicket, Daß er im Jubel schwebt und schocket, Hans Sachs. Unser schuckeln und das Nieders. suckeln, rütteln, schütteln, ist genau damit verwandt, nur daß es vermöge des kurzen u und verdoppelten k eine schnellere hin und her gehende Bewegung bezeichnet, dagegen das lange au und einfache k in schaukeln eine schwebende langsame Bewegung andeutet. Übrigens ist für schaukeln in Baiern auch schützen; im Dithmarsischen hüschen und hüsken, und in andern Nieders. Gegenden vielen üblich, welches letztere zu regen gehöret.


Schaukunst (W3) [Adelung]


* Die Schaukunst, plur. inus. ein ungewöhnliches, von dem Gryphius für Perspective versuchtes Wort.


Schaum (W3) [Adelung]


Der Schaum, des -es, plur. car. ein durch eine heftige Bewegung in zusammen hangende Blasen verwandelter flüssiger Körper. Der Schweiß setzet sich oft in Gestalt eines Schaumes auf den Pferden. Schaum vor dem Munde haben, ein Zeichen einer heftigen innern Bewegung. Im höchsten Grade wüthenden und zornigen Personen pflegt der Schaum vor den Mund zu treten. Besonders auf der Oberfläche flüssiger oder flüssig gemachter Körper, wenn sich die in denselben befindliche Luft entwickelt, und die leichtern, oft unreinen Theile in Gestalt vieler zusammen hängender Blasen mit in die Höhe nimmt. Schaum geben. Zu Schaum werden. Der Schaum des Bieres, welcher in Nieders. Mood und Riem genannt wird, letzteres von Rahm, Rand, das Oberste. Der Schaum des Bleyes, Goldes, Silbers u. s. f. So fern der Schaum oft der leichtere, unreinere Theil mancher Körper ist, gebraucht man dieses Wort in manchen Gegenden auch von dem schlechtesten, untauglichsten seiner Art, wofür doch im Hochdeutschen Abschaum üblicher ist.

Anm. Im Nieders. Schuum, im Engl. Seum, im Isländ. Skuum, im Schwed. Skumm, im Ital. Schiuma, im Franz. Escume, Ecume, im Alban. Skiumpa, im Pohln. Szum. Mit einem andern Vorlaute heißt der Schaum im Oberdeutschen Saum, Sahm, Böhm. Pena, wohin mit vorgesetztem Zischlaute auch das Lat. Spuma gehöret. S. Schäumen.


Schaumdiehle (W3) [Adelung]


Die Schaumdiehle, plur. die -n, an dem Steuerruder eines Schiffes, eine Diehle oder ein Bret, welches bis zum Schwerte des Ruders senkrecht stehet. Vielleicht von Schaum, so fern es figürlich auch das Oberste eines Dinges bedeuten kann, ( S. Saum,) welches sich in dieser Bedeutung nur durch den sanftern Zischlaut unterscheidet.


Schaumeister (W3) [Adelung]


Der Schaumeister, des -s, plur. ut nom. sing. bey einigen Handwerkern einiger Gegenden, ein Meister, welcher dazu verordnet ist, die von den übrigen Meistern seiner Zunft verfertigten Waaren zu beschauen; der Schauer. In andern Oberdeutschen Gegenden, z. B. Straßburg, wird ein Visitator Schaumeister genannt.


Schäumen (W3) [Adelung]


Schäumen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, Schaum von sich geben. Vor Wuth, vor Zorn schäumen. Mit dem Munde schäumen. Das Bier schäumet. Das Meer schäumet. Sieh, wie lieblich die Quelle aus meinem Felsen schäumt, Geßn. schäumend hervor bricht. Figürlich. Der Mund der Gottlosen schäumet Böses, Sprichw. 15, 28. 2. Als ein Activum. 1) In Gestalt eines Schaumes hervor treiben. Wie ein gereitztes Thier, das Zorn und Geifer schäumt, Schleg. 2) Von dem Schaume befreyen. Das Fleisch schäumen, den Schaum, welcher sich im Kochen obenauf setzet, wegschaffen. Den Honig, das Wachs schäumen. ( S. auch Abschäumen.) Daher das Schäumen in beyden Formen.

Anm. Im Nieders. schümen, im Engl. to scum und skim, im Schwed. skuma, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es ahmet den zischenden Laut genau nach, welchen ein durch heftige innere Bewegung zum Schäumen gebrachter flüssiger Körper von sich gibt. Da dieser Laut auch andern Arten schneller Bewegungen eigen ist, so bedeutet schäumen, Nieders. schümen, Engl. to skim, schnell laufen, sich schnell hin und her oder fortbewegen; wegschümen ist im Nieders. schnell fortlaufen. Daher ist das Meer schäumen, in der Seefahrt, auf Raub auf demselben hin und her streifen, und ein Meerschäumer eine gelinde Benennung eines Seeräubers. Ein Intensivum davon ist das Nieders. schummeln, so wohl scheuern, als auch nachlässig hin und her laufen. ( S. auch Schämen.) Die Oberdeutsche Mundart unterscheidet das Neutrum von dem Activo sehr richtig; jenes heißt daselbst schaumen, dieses aber schäumen. Die Hoch- und Niederdeutschen haben diesen nützlichen Unterschied vernachlässiget, und sagen in beyden Fällen ohne Unterschied schäumen, Niederdeutsch schümen.


Schaumig (W3) [Adelung]


Schaumig, adj. et adv. Schaum habend, enthaltend. Schaumiges Bier. Schaumicht würde bedeuten, dem Schaume ähnlich.


Schaumkelle (W3) [Adelung]


Die Schaumkelle, plur. die -n, eine Kelle, den Schaum damit von schäumenden, flüssigen Körpern abzuschöpfen; der Schaumlöffel, in einigen Gegenden der Schäumer, im Oberdeutschen der Saumlöffel.


Schaumkette (W3) [Adelung]


Die Schaumkette, plur. die -n, an einem Pferdegebisse, die Kinnkette, weil sich der Schaum aus dem Munde des Pferdes am ersten daran setzet.


Schaumlöffel (W3) [Adelung]


Der Schaumlöffel, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Schaumkelle.


Schaumünze (W3) [Adelung]


Die Schaumünze, plur. die -n, S. Schaugeld.


Schaumwurm (W3) [Adelung]


Der Schaumwurm, des -es, plur. die -würmer, die Larven einer Art Cicaden, welche sich auf den Zweigen der Bäume unter einer Menge von Schaum aufhalten, welchen sie blasenweise aus dem Hintern lassen, und daher auch Speywürmer genannt werden; Cicada spumaria L. Flöhheuschrecke.


Schaupfennig (W3) [Adelung]


Der Schaupfennig, des -es, plur. die -e, S. Schaugeld.


Schauplatz (W3) [Adelung]


Der Schauplatz, des -es, plur. die -plätze, ein jeder Platz, auf welchem eine Handlung vorgestellet wird, welche von jedem oder doch von vielen gesehen werden soll; in engerer Bedeutung, derjenige Platz, auf welchem von den Schauspielern ein Schauspiel vorgestellet wird, welcher Platz auch die Schaubühne, das Theater heißt. In noch weiterer Bedeutung, ein jeder Ort, auf welchem eine Handlung vorgenommen wird. Die Demuth tritt mit Gefälligkeit und Leutseligkeit in das gesellschaftliche Leben ein, so wie der Stolz mit Selbstliebe und Geringschätzung anderer auf dem Schauplatze erscheinet, Gell. Der große Schauplatz der Welt.


Schauprahm (W3) [Adelung]


Der Schauprahm, des -es, plur. die -e, von Schau und Prahm, in der Schifffahrt einiger Gegenden, ein Prahm oder plattes Fahrzeug in Gestalt eines Floßes, welches so wohl zum Überfahren über schmale Wasser, als auch zum Kalfatern der Schiffe, zur Aushebung und Einsetzung der Masten u. s. f. gebraucht wird. Schau scheinet hier zu schieben oder einem ähnlichen Worte zu gehören.


Schauspiel (W3) [Adelung]


Das Schauspiel, des -es, plur. die -e. 1. Eine jede Handlung, so fern sie zur Belustigung anderer zuschauender Personen unternommen wird; in welchem Verstande ein Thiergefecht, das Spiel des Seiltänzers, des Taschenspielers u. s. f. ein Schauspiel genannt werden könnte. Indessen wird es doch in dieser weitern Bedeutung seltener gebraucht, als in der noch weitern eines Anblickes, einer Sache, welche man mit besonderer Empfindung siehet. Ein erbärmliches Schauspiel, 3 Marc. 5, 21. Ein angenehmes Schauspiel. 2. In engerm Verstande. 1) Eine nach gewissen Regeln eingerichtete Nachahmung menschlicher Handlungen, so fern sie zur Belustigung anderer unternommen wird; in welchem gewöhnlichsten Verstande dieses Wort so wohl das Lustspiel als das Trauerspiel unter sich begreift. Daher die Schauspielkunst, die Kunst, nicht so wohl Schauspiele zu verfertigen, als vielmehr, sie auf eine geschickte Art vorzustellen. Das Schauspielhaus, das Komödien Haus. 2) * Ein Gegenstand des Hohnes, der Verspottung anderer, vermuthlich als eine Anspielung auf die erste und älteste Art Schauspiele, welche gemeiniglich persönliche Anzüglichkeiten enthielten; eine veraltete Bedeutung, welche noch einige Mahl in der Deutschen Bibel vorkommt. Ich will ein Schauspiel aus dir machen, Ezech. 28, 17. Wir sind ein Schauspiel worden der Welt, 1 Cor. 4, 9.


Schauspieler (W3) [Adelung]


Der Schauspieler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schauspielerinn, eine Person, welche die Schauspielkunst ausübet; ein anständiger Ausdruck für das niedrigere Komödiant und Komödiantinn.


Schaustück (W3) [Adelung]


Das Schaustück, des -es, plur. die -e, S. Schaugeld.


Schaustufe (W3) [Adelung]


Die Schaustufe, plur. die -n, eine Stufe, d. i. Stück Erz, so fern es nicht zum Verschmelzen, sondern zur Aufbewahrung in einem Kabinette, bestimmet ist.


Schautag (W3) [Adelung]


Der Schautag, des -es, plur. die -e, derjenige Tag, da eine Sache feyerlich beschauet wird; doch nur in einigen Gegenden. Z. B. der tag, da gewisse Waaren, Arbeiten u. s. f. von den dazu gesetzten Schauherren beschauet werden.


Schauteufel (W3) [Adelung]


* Der Schauteufel, des -s, plur. ut nom. sing. eine in einen Teufel verkleidete Person. Schauteufel laufen, ein in Niederdeutschland ehedem sehr üblicher Mißbrauch, da sich junge Leute in den Weihnachtstagen in Teufel verkleideten, und in die- ser Gestalt vielfachen Unfug trieben. Durch strenge Verbothe ist Sache und Wort nunmehr veraltet.


Schebe (W3) [Adelung]


Die Schebe, S. Schepe.


Schebeke (W3) [Adelung]


Die Schebeke, plur. die -n, ein besonders in der Mittelländischen See übliches Wort, ein Fahrzeug zu bezeichnen, welches mit Segeln und Rudern getrieben wird; Franz. Chebeque, Span. und Portug. Xebeque.


Schech (W3) [Adelung]


Das Schech, des -es, plur. die -e, im Schiffbaue einiger Gegenden, das an den Vordersteven befestigte Holz, worauf das vordere Bild am Schiffe ruhet. Es stehet vorn heraus, macht die vordere Schneide des Bauches aus, und wird auch das Kriech, das Krech, die Griechsäule genannt. Schech ist ohne Zweifel mit Schacht 1 verwandt, so fern es einen in die Länge ausgedehnten Körper bedeutet, daher Schecht im Nieders. eine Stange ist. S. Schacht.


Schecke (W3) [Adelung]


1. Die Schecke, plur. die -n, ein Nahme, welchen in einigen Gegenden der Gras- oder Wiesenläufer, Rallus terrestris Ortygometra Klein. führet. Da es nicht scheinet, daß dieser Wasservogel weiß geflecket ist, so scheinet er den Nahmen von seiner besondern Stimme zu haben, daher er in andern Gegenden auch Schrick genannt wird.


Schecke (W3) [Adelung]


2. Die Schecke, plur. die -n, ein mit weißen Flecken auf einem gefärbten Grunde, oder mit farbigen Flecken auf einem weißen Grunde, versehenes Thier. So werden eine Art wilder Schweine, welche weiße Flecken haben, bey den Jägern Schecken genannt. Besonders gebraucht man es von den Pferden, wenn sie viele farbige Flecken auf einem weißen Grunde oder weiße Stellen auf einem farbigen Grunde des Körpers haben, da man sie denn wiederum in Achatschecken, Blauschecken, Braunschecken, Schwarzschecken, Fuchsschecken, Gelbschecken u. s. f. unterscheidet. Anm. Bey dem Pictorius Schäggy, ein weiß geflecktes Roß, im Schwed. Skäk. Die meisten leiten es von Schach, Schacht, ein vierecktes Feld von mehrern Farben, her, siehe Schacht 2; allein es scheint vielmehr mit dem Isländ. skackr, unähnlich, ungleich, Skacki, Ungleichheit, skeckia, ungleich machen, verwandt zu seyn, oder auch, da dieses Wort allemahl die Beymischung der weißen Farbe voraus setzet, den Begriff des Lichtes zu haben, einer gewöhnlichen Figur der schnellen Bewegung, welche Schach, Schacht, Schak in mehrern Verwandten hat, siehe Schicken und Schaukeln.


Schecken (W3) [Adelung]


Schecken, verb. reg. act. mit weißen Flecken auf einem farbigen Grunde, oder mit farbigen Flecken auf einem weißen Grunde versehen; von welchem doch das Mittelwort gescheckt für scheckig am üblichsten ist.


Scheckig (W3) [Adelung]


Scheckig, -er, -ste, adj. et adv. mit weißen Flecken auf einem farbigen Grunde, oder mit farbigen Flecken auf einem weißen Grunde versehen. Ein scheckiges Pferd, ein geschecktes, eine Schecke. In weiterer Bedeutung, mit Flecken oder abwechselnden Stellen von mehrern abstechenden Farben versehen, ohne daß eben der Begriff der weißen Farbe herrsche; besonders in dem zusammen gesetzten buntscheckig.


Schedel (W3) [Adelung]


Der Schedel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches vermittelst der Ableitungssylbe -el, ein Werkzeug, Subject, Ding, von schad, schäd abstammet, und vermöge dieses Ursprunges gar vieler Bedeutungen fähig ist. Es kommt noch in einer gedoppelten Art vor. 1) * Trümmer, zerbrochene Stücke; nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in der Schweiz, wo die Mauernschedel eines Schlosses dessen Trümmer, Ruinen, Überreste sind. Es gehöret in diesem Verstande zunächst zu schaden, so fern es überhaupt verletzen bedeutete, und dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, verwüsten, ( S. Schaden.) 2) Mit dem Begriffe des hohlen Raumes wird die Hirnschale noch zuweilen, vorzüglich aber im Oberdeutschen, der Schedel genannt, ob es gleich in Hochdeutschen in dieser Bedeutung auch nicht ganz fremd ist. Ein Weib warf ein Stück von einem Mühlsteine Abimelech auf den Kopf und zerbrach ihm den Schädel, Richt. 9, 53. Da sie hingingen Jesebel zu begraben, fanden sie nichts von ihr, denn den Schedel und die Füße, 2 Kön. 9, 35. Da es denn auch zuweilen im verächtlichen Verstande für den ganzen Kopf gebraucht wird.

Anm. In Ansehung der letzten Bedeutung sind die meisten Sprachforscher bey der Ähnlichkeit zwischen Schedel und Scheitel stehen geblieben. Allein obgleich beyde Wörter ursprünglich Eines Stammes sind, so sind sie doch in ihren nächsten Ahnherren gar sehr verschieden. Das erstere hat ohne allen Zweifel den Begriff des hohlen Raumes, und gehöret zu Schatt, Schatten, Scheide, Schatz 1, und andern dieser Art. Das Nieders. Schedel, die kleine Elbogenröhre, stammet wieder von einem andern Begriffe ab, welcher vermuthlich die Ausdehnung in die Länge ist. Viele halten die Schreibart Schädel für die richtigste, weil viele Verwandte dieses Wortes ein a haben; allein es gibt deren wenigstens eben so viele, welche ein e, ja einen jeden andern Vocal haben, und da das ä und e in so viel hundert andern Fällen beständig mit einander abwechseln, so kommt es bloß auf den Gebrauch an, welcher Buchstab den Vorzug verdienet, und dieser spricht ohne Zweifel für das e.


Schedelbohrer (W3) [Adelung]


Der Schedelbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein chirurgischer Bohrer, den Schedel, d. i. Hirnschale, damit zu durchbohren; der Hauptbohrer, am häufigsten aber mit einem ausländischen Kunstworte, der Trepan.


Schedelstätte (W3) [Adelung]


Die Schedelstätte, plur. die -n, ein nur von Luthern in der Deutschen Bibel gebrauchtes Wort, den Berg Golgatha bey Jerusalem auszudrucken, Lat. Calvaria, Mons calvariae, ohne Zweifel, weil er der gewöhnliche Richtplatz war, und daher viele Hirnschedel von den daselbst hingerichteten Übelthätern auf demselben zerstreuet lagen. Und da sie an die Stätte kamen mit Nahmen Golgatha, das ist verdeutschet Schedelstätte, Matth. 27, 33. Notker nennet ihn Chaffe dero Chalinut und Chaloberge, als eine buchstäbliche Übersetzung des Lat. Calvaria, der Übersetzer Tatians aber Hamalstat, von dem veralteten hammeln, zerstümmeln, hauen u. s. f. da es denn mit Richtplatz gleichbedeutend seyn würde, S. Hammel.


Scheffe (W3) [Adelung]


Der Scheffe, S. Schöppe.


Scheffel (W3) [Adelung]


Der Scheffel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches ursprünglich einen hohlen Raum, ein Behältniß bedeutet, aber nur noch als ein gewisses Maß trockner Dinge gebraucht wird. 1) Ein viereckiger Kasten ohne Boden, womit man in Obersachsen die Pflas=tersteine zu überschlagen und zu bezahlen pflegt, führet daselbst den Nahmen eines Scheffels. Er ist daselbst 1 1/2 Elle breit, 2 Ellen lang und 1/2 Elle hoch, so daß sein körperlicher Inhalt 12 Kubik-Schuh ausmacht. 2) Noch häufiger wird es so wohl in Ober- als Niederdeutschland von einem Getreidemaße gebraucht, welches zwar nicht überall gleich, aber doch gemeiniglich der 3te oder 4te Theil einer Tonne, der 12te Theil eines "Malters", und der 30ste, 40ste bis 60ste Theil einer Last ist. In Obersachsen, Schlesien u. s. f. wird der Scheffel wieder in 4 Viertel und 16 Metzen getheilt; in Hamburg, Bremen u. s. f. hält der Scheffel 2 Faß, 4 Himten, oder 16 Spint; in Thüringen 4 Metzen oder 16 Mäßchen; im Osnabrückischen 4 Viertel oder 16 Becher, in andern Gegenden Westphalens 4 Viertel oder 48 Kannen; in Ostfriesland 18 Kruß; in Lübeck 4 Fuß; im Würtembergischen 8 Simri, 32 Unzen oder Vierlinge oder 128 Achtel; in Basel, wo er auch Müdde heißt, und ein kleineres Maß zu seyn scheinet, 4 Küpstein oder 8 Becher, acht Scheffel machen daselbst einen Sack u. s. f. In Westphalen rechnet man 4 Scheffel auf ein "Malter", in Danzig 16, in Thüringen, Obersachsen, Ostfriesland u. s. f. 12. In Danzig hat eine Last 60 Scheffel, in Lübeck 96, in Bremen 40, in Hamburg 30 u. s. f. In der Landwirthschaft einiger Gegenden wird es auch als ein Feldmaß gebraucht, so viel Acker zu bezeichnen, als man mit einem Scheffel Getreide besäen kann; zwölf Scheffel Landes.

Anm. Im mittlern Lateine als ein Getreidemaß und zwar schon zu Carls des Großen Zeiten Scapilus, Scopellus, Scaphula, im Nieders. Schepel, im Schwed. Scäppa, welches daselbst der sechste Theil einer Tonne ist, im Ital. Eschepa, Sceppa. Gemeiniglich siehet man es als ein Diminutivum von dem Oberdeutschen Schaff an, welches unter andern auch ein größeres Maß trockner Dinge ist. Das Baierische das Schäffel kann, weil es ungewissen Geschlechtes ist, eher für ein Diminutivum davon gehalten werden; allein unser männliches Scheffel stammet vielmehr vermittelst der Ableitungssylbe -el, ein Werkzeug, Ding, Subject, mit Schaff aus Einer Quelle her, und bezeichnet eigentlich ein Behältniß, ein hohles Ding, da es denn so wohl mit unserm Schiff, Schoppen, Schuppen, als auch mit dem Griechischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gefäß, verwandt ist, und um dieser und anderer Verwandtschaften willen eben so richtig Scheffel als Schäffel geschrieben wird, zumahl da das erstere den Gebrauch vor sich hat, auf welchen es hier allein ankommt. S. Schaff.


Scheffeln (W3) [Adelung]


Scheffeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur im gemeinen Leben üblich ist. Das Getreide scheffelt gut, wenn es viele Körner gibt, den Scheffel reichlich füllet. Der Weitzen hat recht gut gemandelt und wird auch gut scheffeln.


Scheffelschatz (W3) [Adelung]


Der Scheffelschatz, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, ein Schatz, d. i. eine Abgabe, eine Steuer, welche der Herrschaft von jedem Scheffel Getreide gegeben wird; die Scheffelsteuer.


Scheffelzehnte (W3) [Adelung]


Der Scheffelzehnte, des -n, plur. die -n, in der Landwirthschaft, der Zehnte, so fern er nicht in Garben, sondern in ausgebrochenem Getreide gegeben wird; der Sackzehnte, Dorfzehnte, im Gegensatze des Mandel- Garben- oder Zugzehnten.


Scheibe (W3) [Adelung]


Die Scheibe, plur. die -n, Dimin. das Scheibchen, Oberd. Scheiblein, im gemeinen Leben Scheibel, ein Wort, welches von dem veralteten Zeitworte scheiben abstammet, welches eigentlich eine Nachahmung eines gewissen Lautes ist, und vermöge einer sehr gewöhnlichen Figur mehrere Arten der mit diesem Laute verbundenen Bewegungen bedeutet hat, wohin denn auch schaben, schieben, schaffen u. a. m. gehören. Dergleichen Bewegungen sind z. B. die Bewegung in die Ründe, und die damit verbundene Bewegung in die Tiefe; noch im 14ten Jahrhunderte kommt scheiben häufig für drehen vor. Ferner die Bewegung des Schneidens oder Spaltens, ( S. Säbel,) besonders in dünne Blätter, wie das Isländ. skysa, in dünne Blätter schneiden; der Begriff der Ausdehnung in die Länge und Breite ohne Dicke, daher Scheibe und das Intensivum Schiefer und schiefern, welche sich auch als Figuren von schieben ansehen lassen, und andere sehr gewöhnliche Figuren mehr. Dieß voraus gesetzt, ist Scheibe 1) ein um den Mittelpunct beweglicher, flacher, dünner, runder Körper, der in manchen Fällen auch eine Rolle heißt. Von dieser Art sind z. B. die Scheiben in einem Kloben, welche an der äußern runden Fläche mit einer Rinne versehen sind, das Seil zu fassen; Nieders. Schive. Ferner die Drahtzieherscheibe, die Töpferscheibe, die Radscheibe u. s. f. 2) In vielen Fällen verlieret sich der Begriff der Beweglichkeit, und da ist die Scheibe ein runder oder rundlicher, auf beyden Seiten ebener, dünner Körper. Bey den Markscheidern ist die Scheibe derjenige Zirkel des Compasses, auf welchem die Stunden abgezeichnet sind. Die Sonnenscheibe, die Mond- scheibe, die Sonne und der Mond, so fern sie sich dem Auge als dünne, flache, runde Körper darstellen. Die Schießscheibe oder Scheibe schlechthin, ein rund geschnittenes Bret, nach welchem geschossen wird. Nach der Scheibe schießen, nach einem solchen Brete. ( S. Scheibenschießen.) Die Salzscheibe, in den Salzhütten, eine dünne, runde und flache Masse Salzes. ( S. die folgende vierte Bedeutung.) Im Bergbaue sind die Scheiben rund geschnittene Stücken Leders, so wie sie zu den Kunstzeugen gebraucht werden. Einen Apfel, eine Wurst in Scheiben schneiden. Ein Scheibchen von einem Apfel. Das Scheibchen oder Scheibel ist bey den Jägern das dünne, flache, rundliche Stück Erde, welches der Hirsch im Gehen mit den Schalen auffasset und von sich wirft. Im Niedersächsischen heißt ein rundes Tischblatt, und in weiterer Bedeutung, ein jeder Tisch, eine Scheibe. Die Kniescheibe ist ein erhabenes, rundliches, flaches Bein, welches das Schenkelbein mit dem Schienbeine verbindet. Die Jäger nennen das Hintertheil eines Hirsches so wohl die Scheibe, als auch den Schirm und den Schurz, wo aber auch ein anderer Begriff zum Grunde liegen kann. In allen diesen Fällen lautet es im Nieders. Shive, im Engl. Shive. Vermuthlich von der Ausdehnung in die Länge und Breite ohne Dicke, oder auch von theilen, schneiden. Im Schwed. ist skifva in dünne Blätter schneiden, und im Isländ. skysa theilen; im Pohln. Skiba ein Stück. ( S. auch Schiefer und Schiefern.) 3) In manchen, obgleich nicht so vielen Fällen, verlieret sich auch der Begriff der Ründe, und da ist die Scheibe ein flacher, dünner, in die Länge und Breite ausgedehnter Körper. Die Fensterscheibe oder Glasscheibe, Pohln. Szyba, welche so wohl rund als viereckt seyn kann, ob es gleich auch hier zu der vorigen Bedeutung gehören kann, weil die runden Scheiben doch wohl die ältesten sind. Die flachen, langen, breiten und dünnen, aus lauter Zellen bestehenden Körper von Wachs, worein die Bienen das Honig sammeln, werden häufig Scheiben, Honigscheiben, und wenn sie von Honig leer sind, Wachsscheiben genannt. An andern Orten heißen sie Waben, Wefel, das Gewebe, die Mahrten, die Tafeln, das Rooß, die Gehren u. s. f. Im Hüttenbaue heißt der obere erkaltete Theil des geschmolzenen Kupfers oder Steines nach abgehobenen Schlacken, der die Gestalt eines Kuchens hat, die Scheibe. Scheiben reißen, diese Masse abheben. Bey den Tuchbereitern ist die Scheibe ein längliches Bretchen mit zwey Griffen, welches mit Hausenblase und Mauersande übergossen ist, womit die nach dem Scheren noch übrigen langen Haare völlig los gerissen werden. 4) In einigen Fällen tritt auch der Begriff der Tiefe, es hohlen Raumes mit ein, welcher unmittelbar aus der Ründe fließet. So ist bey den Papiermachern die Scheibe ein Sieb von Pferdehaaren in dem Löcherbaume, wodurch das Wasser und der Schmutz von den gestampften Lumpen abfließen. Die Salzscheibe ist in den Salzhütten ein hölzernes Gefäß von Böttcherarbeit, in Gestalt eines halben Fasses, worin das Salz verführet wird.


Scheibel (W3) [Adelung]


Das Scheibel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Scheibe 2.


Scheibenapfel (W3) [Adelung]


Der Scheibenapfel, des -s, plur. die -äpfel, eine Art Äpfel, welche man in Scheiben zu schneiden, und Küchlein daraus zu backen pflegt.


Scheibenbirn (W3) [Adelung]


Die Scheibenbirn, plur. die -en, eine Art schmackhafter, strohgelber und rother Birnen, welche platt wie eine Scheibe ist, und in August reifet.


Scheibenbohrer (W3) [Adelung]


Der Scheibenbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit einer Scheibe versehener Drell- oder Drillbohrer; der Zugbohrer, weil er vermittelst einer um die Scheibe gehenden Schnur gezogen wird.


Scheibenbüchse (W3) [Adelung]


Die Scheibenbüchse, plur. die -n, eine Büchse, damit nach der Scheibe zu schießen; das Scheibenrohr.


Scheibenhonig (W3) [Adelung]


Das Scheibenhonig, des -es, plur. car. Honig in Scheiben, S. Scheibe 3.


Scheiben-Instrument (W3) [Adelung]


Das Scheiben-Instrument, des -es, plur. die -e, bey einigen, ein Nahme des Astrolabii, weil der vornehmste Theil desselben aus einer runden Scheibe bestehet. S. Winkelmesser.


Scheibenkeule (W3) [Adelung]


Die Scheibenkeule, plur. die -n, in den Glashütten, die durch das Rohr geblasenen Glaskeulen oder Ballen, woraus die gemeinen Spiegelscheiben geformet werden.


Scheibenkönig (W3) [Adelung]


Der Scheibenkönig, des -es, plur. die -e, derjenige, welcher bey einem Scheibenschießen König geworden.


Scheibenkopf (W3) [Adelung]


Der Scheibenkopf, des -es, plur. die -köpfe, bey den Perrückenmachern, ein gespaltener Formkopf, welcher vermittelst hölzerner Scheiben dicker und dünner gemacht werden kann.


Scheibenkrücke (W3) [Adelung]


Die Scheibenkrücke, plur. die -n, bey den Böttchern, siehe Reifbeuge.


Scheibenpulver (W3) [Adelung]


Das Scheibenpulver, des -s, plur. inus. feines, kleinkörniges Schießpulver, dessen sich die Schützen bey dem Schießen nach der Scheibe bedienen.


Scheibenrohr (W3) [Adelung]


Das Scheibenrohr, des -es, plur. die -e, ein Rohr, d. i. eine gezogene Büchse, mit welcher man nach der Scheibe schießet.


Scheibenrennen (W3) [Adelung]


Das Scheibenrennen, des -s, plur. ut nom. sing. eine ehemahlige Art einer Lustbarkeit, wo nach einer aufgehängten Scheibe gerannt wurde. Ein Scheibenrennen halten.


Scheibenschießen (W3) [Adelung]


Das Scheibenschießen, des -s, plur. ut nom. sing. das feyerliche Schießen nach einer Scheibe, so wohl zur Übung, als auch zur Lust; zum Unterschiede von dem Vogelschießen. Der Plural wird in diesem und dem vorigen Worte nur von mehrern feyerlichen Anstalten dieser Art gebraucht.


Scheibenschütz (W3) [Adelung]


Der Scheibenschütz, des -en, plur. die -en, so wohl in weiterer Bedeutung, derjenige, welcher eine Fertigkeit im Schießen nach der Scheibe besitzet, als auch in engerer, ein Mitglied einer Gesellschaft, welche sich im Schießen nach der Scheibe übet.


Scheibig (W3) [Adelung]


Scheibig, adj. et adv. die Gestalt einer Scheibe habend. Etwas scheibig schneiden zu Scheiben.


Scheid (W3) [Adelung]


Scheid, ein für sich allein im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches in gescheid in Gestalt eines Beywortes, in Bescheid, Entscheid, Erbscheid, Halbscheid und Unterscheid aber als ein Hauptwort vorkommt, in vielen auch Schied lautet, z. B. in Abschied und Unterschied, und halb männlichen, bald weiblichen Geschlechtes ist. Es stammet von dem Zeitworte scheiden her. ( S. die jetzt angeführten Wörter.) Das Scheit, welches viele um der Abstammung willen Scheid schreiben, sich aber dadurch an der Aussprache verkündigen. S. an seinem Orte.


Scheidbar (W3) [Adelung]


Scheidbar, -er, -ste, adj. et adv. fähig geschieden zu werden. So auch die Scheidbarkeit.


Scheide (W3) [Adelung]


1. Die Scheide, plur. die -n, ein Nahme, welchen in Oberdeutschen der Wels, ein bekannter Stromfisch, führet, wo er nach Oberdeutscher Art Schaide geschrieben wird, und auch wohl im männlichen Geschlechte der Schaiden lautet. Sein Nahme scheint mit dem gleichfalls Oberdeutschen Worte Schade, welches ein Nahme der Alose ist, verwandt zu seyn.


Scheide (W3) [Adelung]


2. Die Scheide, plur. die -n, von dem Zeitworte scheiden, der Ort, wo sich zwey Dinge scheiden. Es ist in den Zusammensetzungen Gränzscheide, Landscheide, Wegscheide und Wetterscheide am üblichsten, für sich allein aber seltener.


Scheide (W3) [Adelung]


3. Die Scheide, plur. die -n, ein Wort, welches nur in einigen Fällen von der hohlen, länglichen Bekleidung anderer Körper üblich ist. Besonders werden die langen, hohlen Futterale schneidender und stechender Werkzeuge mit diesem Nahmen beleget. Die Scheide eines Degens, die Degenscheide. Den Degen aus der Scheide ziehen, ihn in die Scheide stecken. Die Scheide einer Gabel, eines Messers, die Messerscheide, einer Stricknadel u. s. f. Aber auch von der ähnlichen Bekleidung anderer Dinge ist es in manchen Fällen nicht ungewöhnlich. So befinden sich zwey Scheiden an einem Kutschkasten, die ledernen Trageriemen aufzunehmen und zu bekleiden. Die Seilscheiden an den Pferdegeschirren sind lederne Bekleidungen der Zugstränge, damit sie das Pferd am Bauche nicht reiben. Die Mutterscheide, in der Anatomie, ist eine längliche, häutige Röhre am Halse der Bärmutter, welche das männliche Glied aufnimmt.

Anm. von der Scheide eines Schwertes schon bey dem Stryker Schaide, im Nieders. Schede, Schee, im Angels. Scaethe, im Engl. Sheath, im Schwed. Skida, welches aber auch eine Hülfe bedeutet. Ihre und andere leiten es von schützen her; so fern es überhaupt bedecken, bekleiden, bedeutet. Allein es scheinet hier überhaupt den Begriff des hohlen Raumes zu haben. Im Oberdeutschen ist das Gescheid ein Maß trockner Dinge, bey den Jägern das Gescheide, das Gedärm des Wildbrets, vermuthlich auch wegen der hohlen Röhren, woraus es bestehet, im Niederdeutschen die Schüte eine Art Fahrzeuge, und im Schwed. Sked ein Löffel. ( S. auch Schedel, Schacht, Schachtel u. s. f.) Beyde Begriffe, so wohl des hohlen Raumes, als auch der Bekleidung, sind indessen sehr nahe verwandt, indem der letzte bloß eine Figur des ersten ist.


Scheidebank (W3) [Adelung]


Die Scheidebank, plur. die -bänke, im Bergbaue, die Bank oder der Tisch, worauf das aus den Gruben gezogene Erz geschieden, d. i. mit dem Scheidefäustel zerschlagen, und das gute Erz von dem tauben abgesondert wird.


Scheideberg (W3) [Adelung]


* Der Scheideberg, des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort, einen Berg oder Fels mit gespaltenen Spitzen zu bezeichnen, welches nur Hohel. 2, 17 vorkommt: Kehre um, werde wie ein Rehe, mein Freund, oder wie ein junger Hirsch auf den Scheidebergen.


Scheideböckchen (W3) [Adelung]


Das Scheideböckchen, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Böckchen oder kleines Gestell, worauf der Scheidekolben zu den Goldproben gesetzt wird.


Scheidebrief (W3) [Adelung]


Der Scheidebrief, des -es, plur. die -e, bey den ältern Juden, eine Urkunde, durch welche ein Mann, wenn er sich von seiner Ehegattinn scheiden wollte, sie von sich entließ, und ihr erlaubte einen andern zu heirathen. Im Tatian kommt dafür der Ausdruck Buch thanatribes vor. Ehedem wurde auch das schriftliche Endurtheil des Richters, wodurch der Streit zwischen zwey Parteyen entschieden wurde, der Scheidebrief genannt.


Scheideeisen (W3) [Adelung]


Das Scheideeisen, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, der Hammer, womit das Erz auf der Scheidebank geschieden wird, und welcher auch der Scheidefäustel heißt.


Scheideerz (W3) [Adelung]


Das Scheideerz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, eben daselbst, das geschiedene, d. i. von dem tauben abgesonderte, gute Erz.


Scheidefäustel (W3) [Adelung]


Der Scheidefäustel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Scheideeisen.


Scheideglas (W3) [Adelung]


Das Scheideglas, des -es, plur. die -gläser, in der Chemie, ein gläsernes Gefäß in Gestalt eines Trichters, flüssige Körper vermittelst desselben von einander zu scheiden; der Scheidetrichter.


Scheidehaken (W3) [Adelung]


Der Scheidehaken, des -s, plur. ut nom. sing. an der Degenscheide, derjenige Haken, vermittelst dessen die Scheide an dem Gehänge fest sitzet.


Scheidejunge (W3) [Adelung]


Der Scheidejunge, des -n, plur. die -n, im Bergbaue, Knaben, welche zum Scheiden des Erzes gebraucht werden.


Scheidekamm (W3) [Adelung]


Der Scheidekamm, des -es, plur. die -kämme, bey den Kattunwebern, ein viereckiger, länglicher, hölzerner Rahmen, mit engen, parallelen Sprossen, wodurch die Kette auf den Weberstuhl aufgebaumet wird; der Riethkamm.


Scheidekolben (W3) [Adelung]


Der Scheidekolben, des -s, plur. ut nom. sing. in der Chemie und im Hüttenbaue, ein Kolben, d. i. ein weitbauchiges, langhälfiges, gläsernes Gefäß, das Gold darin von dem Silber vermittelst des Scheidewassers zu scheiden.


Scheidekunst (W3) [Adelung]


Die Scheidekunst, plur. inus. die Kunst, die natürlichen Körper durch Hülfe des Feuers oder anderer Auflösungsmittel von einander zu scheiden, sie in ihre Bestandtheile aufzulösen, und sie mit einander zu verbinden; die Chymie, oder wie andere lieber wollen, die Chemie. Allein Scheidekünstler für Chymicus ist noch nicht so üblich, noch weniger aber das unschickliche scheidekünstlerisch für chymisch.


Scheidelatte (W3) [Adelung]


Die Scheidelatte, plur. die -n, im Bergbaue, Staugen oder Latten, welche in der Mitte eines Schachtes auf die Tonnenbreter geheftet werden, damit die Kübel im Auf- oder Niedergehen einander nicht hindern, weil sie dadurch von einander gleichsam geschieden werden.


Scheidemann (W3) [Adelung]


* Der Scheidemann, des -es, plur. die -männer, ein ungewöhnliches Wort, welches für Schiedsrichter Hiob 9, 33 vorkommt. S. Scheidemeister.


Scheidemehl (W3) [Adelung]


Das Scheidemehl, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, im Bergbaue, dasjenige, was bey dem Scheiden des Erzes in Gestalt eines Mehles oder Staubes abgehet.


Scheidemeister (W3) [Adelung]


Der Scheidemeister, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Salzwerke zu Halle, derjenige, welcher die Thalleute, wenn sie bey ihren Ergetzlichkeiten in Streit gerathen, verträget, und ihren Streit auf der Stell entscheidet; der Schiedsrichter.


Scheidemünze (W3) [Adelung]


Die Scheidemünze, plur. die -n, kleine Münze, im Gegensatze der harten, groben; vermuthlich weil sie erst nach Einführung der letztern geschlagen wurde, um den Käufer und Verkäufer im Handel und Wandel in Kleinigkeiten zu scheiden. Es gehören dahin die kleinen Münzen von dem Häller an bis zu den Doppelgroschen, oder nach andern gar bis zu den ein Sechstel Stücken.


Scheiden (W3) [Adelung]


Scheiden, verb. irreg. act. et neutr. Imperf. ich schied; Mittelw. geschieden; Imper. scheide. Um die sämmtlichen, dem Anscheine nach so sehr verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes und seiner Abkömmlinge begreiflich zu machen, muß man bis auf den ersten Ursprung zurück gehen, da es, so wie alle Wörter, eine unmittelbare Nachahmung eines gewissen Lautes ist, der aber mehrern ganz verschiedenen Handlungen zukommt. 1) Dem Sprechen, Reden, Urtheilen u. s. f. von welcher veralteten Bedeutung noch sehr viele Überreste vorhanden sind, wie aus unserm Bescheid, dem Zeitworte bescheiden, entscheiden u. a. m. erhellet. Bey dem Notker heißt ein Traumdeuter Troum sceidere, und die Traumbedeutung Troum sceith. 2) Des Laufens, des Rennens; eine im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Bedeutung, von welcher im Schwed. noch Skede, und im Isländ. Skeith, den Lauf, die Reife, bedeutet. Skeida war im Schwed. ehedem auf der Rennbahn laufen. Unser schießen, Nieders. scheten, ist genau damit verwandt, und nur das Intensivum davon. 3) Des Schneidens, Spaltens, Theilens, Zerbrechens u. s. f. in welcher es ehedem für spalten gebraucht wurde, welche Bedeutung noch in unserm Scheit übrig ist. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und Lat. scindo, scidi, sind genau damit verwandt, so wie unser scheitern, welches das Frequentativum oder Intensivum davon ist. Vermuthlich gehöret auch schaden dahin. Von dieser letzten Bedeutung stammen zunächst die noch heutigen Arten des Gebrauches dieses Zeitwortes ab. Es ist aber

I. Ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, sich auf lange oder doch geraume Zeit von jemanden entfernen; eine Bedeutung, welche in dem gemeinen Sprachgebrauche zu veralten anfängt, und von den Dichtern noch am häufigsten gebraucht wird. Der Engel schied von ihr, Luc. 1, 38. Da er sie segnete, schied er von ihnen, Luc. 24, 51. Darnach schied Paulus von Athen, Apostelgesch. 18, 1. ( S. Abschied.) "Aus diesem Leben scheiden", "von hinnen scheiden", zwey noch in der feyerlichen Schreibart für "sterben" übliche Ausdrücke. (Siehe Abscheiden und Verscheiden.) Man kann diese Bedeutung füglich als eine Figur der folgenden des Trennens, Absonderns, ansehen; allein sie kann auch von der vorhin gedachten veralteten Bedeutung des Laufens abstammen, wovon der Begriff der Entfernung gleichfalls eine Figur seyn kann. Noch ein anderer neutraler Gebrauch, welcher Ein Mahl in Luthers Bibel vorkommt, ist jetzt im Hochdeutschen ungewöhnlich: das Loos scheidet zwischen den Mächtigen, Sprichw. 18, 18; wo es für entscheiden zu stehen scheinet, und alsdann zu der oben gedachten ersten Bedeutung gehören würde.

II. Ein Activum, zwey Dinge oder die Theile eines Dinges dem Raume nach von einander entfernen. Da dieses auf verschiedene Art geschehen kann, so wird dieses Zeitwort auch in mehrern Fällen gebraucht. 1. Durch gewaltsame Trennung des Zusammenhanges; eine jetzt veraltete Bedeutung, in welcher es aber ehedem für schneiden, spalten u. s. f. üblich gewesen seyn muß, welche Handlungen es durch Nachahmung des damit verbundenen Schalles ausgedrucket hat. Das alte Lat. scido für scindo, wovon noch das Perfect. scidi abstammet, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und unser schaden selbst, sind genau damit verwandt. Es scheinet auch, daß ehedem ein Intensivum scheiten gangbar gewesen seyn muß, wovon noch Scheit und das Frequentativum oder neue Intensivum scheitern übrig sind. 2. In jetzt gewöhnlicherm Verstande scheidet man jetzt: 1) Was einem andern Dinge örtlich oder räumlich nahe ist. (a) Durch örtliche Entfernung. Dahin gehöret besonders das Reciprocum sich scheiden, wenn sich zwey Personen auf geraume Zeit, oder in einem weiten Raume von einander entfernen; wo es zunächst von dem vorigen Neutro abzustammen scheinet. Freunde scheiden sich, wenn sie von einander reifen. Wir müssen uns scheiden. ( S. Abschied.) In einigen wenigen Fällen auch als ein Activum, wohin auch der figürliche Gebrauch gehöret; eure Untugenden scheiden euch und euern Gott von einander, Es. 59, 2. (b) Durch Setzung einer Gränze, Bestimmung der Schranken; nur noch zuweilen. Wie der Herr Israel und Egypten scheide, 2 Mos. 11, 7. Hier scheidet sich das Land, hier hat es seine Gränzen. Die Alpen scheiden Italien von Deutschland. Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht, 1 Mos. 1, 14. Die Wand scheidet ein Zimmer von dem andern. 2) Was mit einem andern Dinge verbunden ist; wo es doch nur im figürlichen Verstande gebraucht wird. Was Gott zusammen fügt, soll der Mensch nicht scheiden, Matth. 19, 8. Der Tod muß mich und dich scheiden, Ruth. 1, 17. Da nun Loth sich von Abraham geschieden hatte, 1 Mos. 13, 14; wo zugleich die örtliche Entfernung mir eintritt. Zwey Eheleute von einander scheiden, die eheliche Verbindung zwischen ihnen aufheben. Ein Ehepaar von Tisch und Bett scheiden. Daher die Ehescheidung. Zwey Kauffleute scheiden sich, wenn sie vorher gemeinschaftlich gehandelt haben, und diese Verbindung aufheben. Wir sind geschieden Leute. Wenn sich Leib und Seele scheidet.

3) Was nur eine und eben dieselbe Masse ausmacht. (a) Durch bloße Trennung des Zusammenhanges; nur noch in einigen Fällen für trennen. Die dicken Wolken scheiden sich, daß es helle werde, Hiob 37, 11. Die Milch scheidet sich, sagt man in vielen Gegenden, wenn sie gerinnet, wofür man in andern das Intensivum sich schütten gebraucht. (b) Durch Trennung des Zusammenhanges uns Absonderung der fremdartigen Theile; in welchem Verstande es am häufigsten gebraucht wird, da man denn das scheidet, was vermischt war, welches wieder auf mancherley Art geschehen kann. Gott scheidete (schied) das Licht von der Finsterniß, 1 Mos. 1, 4, 18. In dem Bergbaue wird das Erz geschieden, wenn das gute Erz mit dem Hammer von dem tauben Gesteine oder geringhaltigen Erze abgeschlagen wird. Das Gold von dem Silber, das Bley von dem Kupfer scheiden, so wohl durch Schmelzung, als auch durch Scheidewasser oder andere Auflösungsmittel. (Siehe Scheidekunst.) (c) Durch Theilung in mehrere Theile; eine veraltete Bedeutung. Du sollst die Gränze deines Landes in drey Kreise scheiden, 5 Mos. 19, 3. Doch sagt man noch, hier scheidet sich der Weg; wo aber zugleich der Begriff der räumlichen Entfernung mit eintritt. S. Scheideweg und Wegescheide. 4) Was vorher nur einen und eben denselben Haufen, eine und eben dieselbe Menge ausmachte, von fremdartigen, mit einander vermischten Dingen. Die Schafe von den Böcken scheiden, Matth. 25, 32. Das Gute von dem Bösen scheiden. 5) * Was verworren war; eine im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher man im Niedersächsischen noch im figürlichen Verstande sagt, einen Streit scheiden, für entscheiden. Das Recht soll uns scheiden. S. Schiedsrichter. So auch die Scheidung in den thätigen Bedeutungen, dagegen das Hauptwort von dem Neutro und Reciproco das Scheiden heißt. Anm. 1. Luther gebraucht dieses Zeitwort einige Mahl regulär. Da scheidete Gott das Licht von der Finsterniß, 1 Mos. 1, 4. Also scheidete sich ein Bruder von dem andern, Kap. 13, 11. Da scheidete Jacob die Lämmer, Kap. 30, 4. Stosch leitet daraus die Regel her, daß dieses Zeitwort, wenn es im eigentlichen Verstande von körperlichen Dingen gebraucht wird, regulär, im figürlichen Verstande aber irregulär abgewandelt werde. Allein diese Regel ist so wohl wider die Analogie, als auch wider den Gebrauch. Luther selbst beobachtet sie nicht. Da nun Loth sich von Abraham geschieden hatte, 1 Mos. 13, 14; in welchem Verstande er doch V. 11, scheidete gebraucht hatte. Mit mehrerm Rechte könnte man behaupten, daß das Activum regulär, das Neutrum aber irregulär gehe, welches bey mehrern andern Zeitwörtern Statt findet. Indessen ist doch der Gebrauch auch dawider, denn im Hochdeutschen wird dieses ganze Zeitwort durchgängig irregulär abgewandelt.

Anm. 2. Schon bey dem Kero kommt keskeidan für unterscheiden vor. Unser einfaches scheiden lautet bey dem Ulphilas skaidan, bey dem Ottfried skeiden und sciadan, von welcher letztern jetzt veralteten Form so wohl unser schied, geschieden, als auch die Abteilungen Abschied, Unterschied, Schiedsrichter u. s. f. übrig sind; im Nieders. scheden und mit der dieser Mundart gewöhnlichen Ausstoßung des d scheen, im Angels. scadan, sceaden. Im Lettischen ist skaitau ich lese aus, wähle.


Scheidepresse (W3) [Adelung]


Die Scheidepresse, plur. die -n, bey den Schwertfergern, eine Presse die schwarzen Degenscheiden damit bunt zu pressen.


Scheider (W3) [Adelung]


Der Scheider, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Scheiderinn, eine Person, welche scheidet. So werden im Bergbaue diejenigen Arbeiter, welche das Erz mit dem Scheidefäustel scheiden, Scheider genannt. In einigen Gegenden hat man auch auf den Mahlmühlen Scheider, welche vermuthlich das gemahlene Mehl sieben. So auch die Zusammensetzungen Markscheider, Gränzscheider, Landscheider.


Scheidestube (W3) [Adelung]


Die Scheidestube, plur. die -n, im Bergbaue, eine Stube, worin das Scheiden des Erzes verrichtet wird.


Scheidetrichter (W3) [Adelung]


Der Scheidetrichter, des -s, plur. ut nom. sing. S. Scheideglas.


Scheidewand (W3) [Adelung]


Die Scheidewand, plur. die -wände, eine Wand, welche zwey Zimmer von einander scheidet. Im Bergbaue hingegen ist es ein großer flacher Stein, oder eine eiserne Platte, auf welcher das Erz geschieden wird.


Scheidewasser (W3) [Adelung]


Das Scheidewasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. ein Wasser, d. i. flüssiger Körper, zwey mit einander vermischte Metalle durch die Auflösung von einander zu scheiden. Im engsten und gewöhnlichsten Verstande führet ein aus der Vitriol- und Salpeter-Säure zusammen gesetzter Spiritus den Nahmen des Scheidewassers, weil er sehr häufig zur Scheidung des Silbers von andern Metallen gebraucht wird; Lat. Aqua fortis.


Scheideweg (W3) [Adelung]


Der Scheideweg, des -es, plur. die -e, der Ort, wo sich zwey oder mehrere Wege scheiden, wo sich ein Weg in zwey oder mehrere auf verschiedene Orte führende Wege theilet. In Boxhorns Glossen Kiwicki.


Scheidewerk (W3) [Adelung]


Das Scheidewerk, des -es, plur. inus. im Bergbaue, eine taube Steinart, welche in den Gängen mit einbricht, und vornehmlich von dem Erze geschieden werden muß.


Schein (W3) [Adelung]


Der Schein, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte scheinen, 1. Der Zustand des Scheinens, doch nur zuweilen in engerer Bedeutung, von dem Zustande, da ein leuchtender Körper sichtbar ist. So sagt man z. b. wir haben Mondschein, Sonnenschein, wenn das helle Licht dieser Himmelskörper ohne Hinderniß gesehen wird. Dahin gehöret denn auch die bey den Astrologen übliche Bedeutung, wo der Schein der Stand eines Planeten im Verhältniß gegen andere ist, die Art und Weise, wie er mit und gegen andere gesehen wird; der Aspect. Der gedritte Schein, wenn zwey Planeten 120 Grad von einander stehen; der gevierte Schein, wenn die Entfernung 90 Grad beträgt; der gesechste Schein, wenn sie 60 Grad ist. ( S. auch Gegenschein.) In weiterer und figürlicher Bedeutung sagte man ehedem Schein werden, für entstehen, Schein thun, erzeigen, erweisen; woraus die Verwandtschaft mit seyn und geschehen erhellet. S. auch Vorschein und Erscheinen. 2. Dasjenige, was an einem Körper gesehen wird; doch nur in einigen Fällen. 1) Eigentlich. Das helle Licht eines leuchtenden Körpers, so fern es durch das Gesicht empfunden wird. Einen Schein von sich geben. Sonne und Mond werden ihren Schein verlieren, Matth. 24, 29. Der Mondenschein, Sonnenschein. Bey dem blassen Scheine einer Lampe. Der Schein des Feuers, des Lichtes. Das Licht gibt einen hellen, einen schwachen Schein. Ein Schein am Himmel, ein leuchtendes, übrigens unbekanntes Wesen. Der Nordschein, Wiederschein. In den meisten Fällen, die Zusammensetzungen ausgenommen, hat das Wort Schein etwas unedles an sich; wenigstens gebraucht man in den edlern Schreibarten dafür oft lieber Licht und Glanz, obgleich dieses letztere nur zuweilen mit Schein gleichbedeutend ist. Ehedem gebrauchte man aber Schein auch für Glanz von nicht leuchtenden Körpern. Der Bluomen Schin, einer der Schwäbischen Dichter. In engerer Bedeutung wird die veränderliche Gestalt des Mondes in einigen Gegenden der Schein genannt, der in andern das Licht heißt. Der neue Schein, der Neumond, das neue Licht. So auch der alte Schein, der volle Schein. Im engsten Verstande ist in der Astrologie Schein der Neumond, doch nur in den Zusammensetzungen Jännerschein, Hornschein, Märzschein u. s. f. der Neumond im Jänner, im Hornung, im März. 2) In weiterer Bedeutung, die Gestalt eines Dinges. (a) Im eigentlichsten Verstande, die Figur eines Dinges, im Gegensatze seines Wesens; eine veraltete Bedeutung, in welcher es ehedem von dem Bilde, dem Schatten der Körper gebraucht wurde. Mir ist geschehen als einem kindeline Das sin schoenes Bilde in einem glase gesach Vnde greif dar nach sin selbes Schine, Heinr. von Morungen. In einigen Gegenden sagt man noch, wie ein Schein einher gehen, wie ein Schatten, wie ein Bild ohne körperliches Wesen. Das alte Schemen, ein Schatten, ist genau damit verwandt. In der noch im gemeinen Leben üblichen R. A. sich mit dem Scheine begnügen müssen, d. i. mit dem bloßen Ansehen, hat es die gleichfalls veraltete Bedeutung des Sehens. (b) Figürlich, das was von einem Dinge in die Sinne fällt, die Art und Weise, wie ein Ding empfunden wird, gemeiniglich, so fern diese Art von der wahren Beschaffenheit noch unterschieden, oder derselben entgegen gesetzet ist. Die Sache hat einen guten, einen bösen Schein. Der äußere Schein gibts. Allen bösen Schein meiden, sich hüthen, damit eine Handlung nicht böse scheine. Der Schein ist betrüglich. Sich von dem Scheine hintergehen lassen. Etwas nur zum Scheine thun, bloß damit es von andern dafür gehalten werde, ohne daß es wirklich das sey, was es zu seyn scheinet. Unter dem Scheine Rechtens. Unter dem Scheine des Guten. Der Schein ist sehr wider dich. ( S. auch Anschein.) Eben diese Bedeutung findet auch in vielen Zusammensetzungen Statt, wo der Schein allemahl der Wahren Beschaffenheit entgegen gesetzet ist. Ein Scheingut, Scheinchrist, Scheingrund u. s. f. was nur den Schein, die äußere Gestalt eines Gutes, eines Christen, eines Grundes hat, es aber nicht wirklich ist. 3. Dasjenige, was ein anderes Ding sichtbar macht, doch nur, in einem einzigen figürlichen Falle, von einem schriftlichen Zeugnisse einer geschehenen Sache, wo es im gemeinen Leben von kleinen, ohne viele Formalitäten ausgefertigten schriftlichen Zeugnissen am üblichsten ist. Jemanden einen Schein geben, eine Quittung über eine bezahlte Geldpost. Einen Schein geben, ausstellen. Ein Taufschein, ein schriftliches Zeugniß, daß ein Kind getauft sey, mit Bestimmung der Zeit, wenn solches geschehen. Der Trauschein, Postschein, Zollschein, Todtenschein u. s. f. ( S. diese Wörter.) Zuweilen ist der Schein im gemeinen Leben auch ein schriftliches Zeugniß des Wohlverhaltens, so wie bey den Kaufleuten auch ein schriftliches Verzeichniß abgelieferter Waaren zuweilen ein Schein heißt. In dieser ganzen Bedeutung, in welcher Schein eigentlich einen Beweis bedeutet, ist im gemeinen Leben auch das Diminutivum Scheinchen üblich. S. auch Bescheinigen und Scheinen.

Anm. Bey dem Ottfried Skim, woraus die Verwandtschaft mit Schimmer und Schemen erhellet, bey dem Notker Skuno, im Engl. Shine, im Schwed. Sken, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Im Pohln. ist Dzin der Tag. S. Scheinen.


Scheinbar (W3) [Adelung]


Scheinbar, -er, -ste, adj. et adv. welches nach Maßgebung des Hauptwortes Schein verschiedene Bedeutungen hat. 1. Was sehr merklich gesehen wird, für augenscheinlich; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher Scimbar schon bey dem Notker vorkommt. Liebt nicht mit Worten nur allein Laßt eure Liebe scheinbar seyn, Durch wahren Mund und rechte Thaten, Opitz. Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist das verlängerte scheinbarlich noch in diesem Verstande gangbar. Gott hat ihn scheinbarlich gestraft. Ein scheinbarliches Wunder. Beydes für augenscheinlich. Ottfried gebraucht dafür das gleichfalls veraltete scinhaft. 2. Was einen Schein, d. i. ein helles Licht hat. 1) Eigentlich; wo es gleichfalls veraltet ist. 2) Figürlich, ein gutes äußeres Ansehen habend; in welchem Verstande es noch hin und wieder gebraucht wird. Eine Waare scheinbar machen, ihr ein gutes äußeres Ansehen geben. So auch der Gegensatz unscheinbar. Nach einer noch weitern Figur gebraucht Notker scinbar für berühmt. 3. Den Schein von etwas habend, ohne es wirklich zu seyn, und in engerer Bedeutung, den Schein der Wahrheit habend. Die scheinbare Unschuld des Spieles verleitete ihn zur Sicherheit. Sie stand in einer scheinbaren Verlegenheit auf. Ein scheinbarer Vorwand, eine scheinbare Entschuldigung, scheinbare Gründe. Eine scheinbare Tugend. Der scheinbare Ort eines Sternes, der Ort, wo der Stern gesehen wird, aus welchem er uns in die Augen fällt; im Gegensatze des wahren Ortes, wo er wirklich befindlich ist. In allen diesen Fällen wird Schein, dem was die Sache wirklich ist, mehr oder weniger entgegen gesetzet.


Scheinbarkeit (W3) [Adelung]


Die Scheinbarkeit, plur. inus. der Zustand, die Eigenschaft, da ein Ding scheinbar ist, in allen obigen Bedeutungen.


Scheinbegriff (W3) [Adelung]


Der Scheinbegriff, des -es, plur. die -e, ein Laut, welcher einen Gedanken bey sich zu führen scheinet, aber nicht wirklich hat.


Scheinbehelf (W3) [Adelung]


Der Scheinbehelf, des -es, plur. die -e, eine Entschuldigung, einer bösen Sache einen guten Schein zu geben.


Scheinbeweis (W3) [Adelung]


Der Scheinbeweis, des -es, plur. die -e, ein Satz, welcher den Schein eines richtigen Beweises hat, aber im Grunde das nicht beweiset, was er beweisen soll. Ingleichen, ein Beweis, welcher nur zum Scheine geführet wird.


Scheinchrist (W3) [Adelung]


Der Scheinchrist, des -en, plur. die -en, ein Mensch, welcher sich bloß im Äußern den Vorschriften des Christenthumes gemäß bezeiget; im Gegensatze des wahren Christen.


Scheinding (W3) [Adelung]


Das Scheinding, des -es, plur. die -e, was nur den Schein der Möglichkeit hat, in der That aber nicht seyn kann.


Scheinehre (W3) [Adelung]


Die Scheinehre, plur. inus. ein Vorzug, welcher den Schein einer Ehre hat, ohne es wirklich zu seyn.


Scheinen (W3) [Adelung]


Scheinen, verb. irreg. neutr. Imperf. ich schien; Mittelw. geschienen; Imperat. scheine. Es wird mit dem Hülfsworte haben abgewandelt, und bedeutet, 1. Ein helles bleibendes Licht um sich geben, oder in engerm Verstande, wegen seines hellen bleibendes Lichtes sichtbar seyn. In diesem Verstande sagt man, der Mond scheinet, wenn er mit hellem Lichte sichtbar ist; die Sonne kann vor dem Nebel nicht scheinen. Gott machte Lichter, daß sie schienen auf Erden, 1 Mos. 1, 15, 17. Die Sonne scheinet warm. Die Sonne schien durch das Glas. Das Mittelwort scheinend, ein scheinend Licht, Joh. 1, 35, ist in dieser Bedeutung im Hochdeutschen ungewöhnlich. Das ganze Zeitwort wird jetzt nicht mehr in dem Umfange gebraucht, in welchem es wohl ehedem üblich war. Von dem Feuer, von dem Blitze, von den Sternen, von einem Lichte wird es, einige gemeine Sprecharten ausgenommen, nicht mehr gesagt, ob man gleich das Hauptwort Schein noch von denselben gebraucht. Ehedem war es anders. In schinentemo Fiure, Ottfr. bey flammenden Feuer. Der Blitz scheint vom Aufgang bis zum Niedergang, Matth. 24, 17, für leuchten. Sein Blitz scheinet auf die Erden der Erden, Hiob 37, 3. Wohin auch die figürlichen Ausdrücke gehören, die Seligen werden helle scheinen, Offenb. 3, 7; meine Lehre scheinet ferne, Sir. 24, 44; für leuchten, glänzen. 2. Figürlich. 1) * Deutlich, erweislich werden: eine veraltete Bedeutung, für welche jetzt erscheinen, noch mehr aber erhellen üblich ist. Wie aus den Büchern scheint, Opitz. 2) Auf eine gewisse Art unmittelbar empfunden werden, ohne daß eben die Sache so sey, wie sie unmittelbar empfunden wird; ja oft wird dieses Scheinen oder diese unmittelbare Empfindung dem Seyn, der wahren Beschaffenheit, entgegen gesetzt. Es ist in dieser Bedeutung auf eine doppelte Art üblich; in beyden stehet die Person, wenn solche ausgedruckt wird, in der dritten Endung. (a) Als ein persönliches Zeitwort. Die Sonne scheinet uns klein zu seyn, und ist doch sehr groß. Ein anders ist etwas scheinen, und ein anders etwas seyn. Die Pastete scheint gut zu seyn. Gelehrt scheinen wollen. Auf daß sie vor den Menschen scheinen, daß sie fasten. Matth. 6, 16. Ein fromm scheinender Mensch. Jede Stunde scheint ihm eine traurige Winternacht, Geßn. Daß ich einige Augenblicke ganz fühllos geschienen habe, Gell. Die Freundschaft scheint mir in der That besser, ebend. In welcher persönlichen Form nur harte und unrichtige Verbindungen vermieden werden müssen. Z. B. Die Streitigkeiten scheinen noch so bald nicht beygelegt zu werden; für: es scheinet, daß die Streitigkeiten noch so bald nicht werden beygelegt werden. (b) Als ein unpersönliches Zeitwort. Es scheinet, daß es regnen wolle, oder als wollte es regnen. Es scheinet, daß es nichts helfen werde, oder es werde nichts helfen, als wenn es nichts helfen werde, als werde es nichts helfen. Es scheinet, mir nicht so. Wie es scheinet, so befindet er sich noch wohl.

Anm. In der ersten Bedeutung schon im Isidor, bey dem Kero, Ottfried u. s. f. scheinan, skinan, (von welcher letztern Form unser Imperfect und Mittelwort ist,) bey dem Ulphilas skeinan, im Nieders. schinen, im Engl. to shine, im Schwed. skina. Unser schön, Sonne, sehen, (im Schwed. ist skönja sehen,) schimmern, das Griech - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Lat. Scintilla, das Ital. sembiare, sembrare, u. a. m. sind genau damit verwandt. Ehedem war es auch als ein Activum üblich, welches eigentlich sichtbar machen, hernach zeigen, weisen und beweisen bedeutete, in welchem Verstande es noch bey dem Ottfried und Willeram vorkommt. Das Isländ. skina bedeutet noch jetzt zeigen, und unser Schein, ein schriftliches Zeugniß, und bescheinigen, sind noch Überbleibsel davon; das letztere ist vermöge der Endung -igen, ein Intensivum von scheinen. Unser scheinen selbst ist nur eine, vermittelst der gewöhnlichen intensiven Endung -nen, abgeleitete Form von einem veralteten scheien, scheen, schien, welches ursprünglich eine Nachahmung einer schnellen zischenden Bewegung war, und wovon unter andern auch unser geschehen und seyn abstammen. Mit dieser Bedeutung ist die des Entstehens genau verwandt, daher das abgeleitete erscheinen auch gegenwärtig werden bedeutet. Der Gegensatz verscheinen ist noch im Niedersächsischen für vergehen, verschwinden üblich. Das Licht, der Glanz ist in allen Sprachen eine Figur der schnellen leichten Bewegung, obgleich die ersten Erfinder der Sprachen wohl nicht gemußt haben daß die Bewegung des Lichtes die schnelleste in der Natur ist. Daher stammet denn die Bedeutung des sichtbar werdens, und besonders vermittelst eines eigenen Lichtes, her, welche auch in unserm schön zum Grunde liegt. Unter den Landleuten Meißens ist noch eine sonst ungewöhnliche Bedeutung im Gange, nach welcher man von dem Getreide sagt, daß es scheine, wenn es vor der Zeit und ehe es noch kernet, zu Stroh wird, und alsdann leer ist. Ohne Zweifel gehöret es hier zu dem schon gedachten Niedersächsischen verscheinen, vergehen, verschwinden.


Scheinfeder (W3) [Adelung]


Die Scheinfeder, plur. die -n, an den Deutschen Schlössern, das Gehäuse, welches die wahre Feder verbirgt.


Scheinfreund (W3) [Adelung]


Der Scheinfreund, des -es, plur. die -e, derjenige, welcher nur den Schein eines Freundes hat, ohne es wirklich zu seyn. Uns spricht der Scheinfreund, so wie du, Allein bey guten Tagen zu, Haged.


Scheinglaube (W3) [Adelung]


Der Scheinglaube, des -ns, plur. car. in der Theologie, ein Vertrauen auf Gott, welches den Schein des wahren Glaubens hat, es aber nicht ist.


Scheingrund (W3) [Adelung]


Der Scheingrund, des -es, plur. die -gründe, ein Grund in figürlichem Verstande, welcher bey dem ersten Anblicke gut zu seyn scheinet, es aber bey genauer Untersuchung nicht ist.


Scheingut (W3) [Adelung]


Das Scheingut, des -es, plur. die -güter, ein Ding, welches der ersten unmittelbaren Empfindung nach ein Gut zu seyn scheinet, es aber im Zusammenhange betrachtet nicht ist.


Scheinhandel (W3) [Adelung]


Der Scheinhandel, des -s, plur. inus. ein Handel, d. i. Vertrag; welcher nur zum Scheine geschiehet; besonders wo der eine Theil seine wahre Absicht verhehlet, und den andern unter einem redlichen Scheine hintergehet.


Scheinheilig (W3) [Adelung]


Scheinheilig, -er, -ste, adj. et adv. den äußern Schein der Heiligkeit, d. i. der Gottesfurcht; annehmend und habend, ohne es wirklich zu seyn. Ein Scheinheiliger, ein Heuchler, den man um gemeinen Leben auch einen Kopfhänger, in Niedersachsen einen Bibelträger, Kirchenklepper, Heiligenfresser, Heiligenbeißer u. s. f. nennet. ein scheinheiliges Betragen.


Scheinheiligkeit (W3) [Adelung]


Die Scheinheiligkeit, plur. car. der Zustand da man scheinheilig ist, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit sein äußeres Betragen der Frömmigkeit gemäß einzurichten, ohne solche wirklich zu besitzen.


Scheinkauf (W3) [Adelung]


Der Scheinkauf, des -es, plur. die -käufe, ein zum Scheine geschlossener Kauf, eine Handlung, welche den Schein eines wahren Kaufes hat, es aber nicht ist.


Scheinkörper (W3) [Adelung]


Der Scheinkörper, des -s, plur. ut nom. sing. eine bloße Gestalt ohne körperliche Theile, im Gegensatze eines wahren oder organischen Körpers; Corpus parastaticum.


Scheinlich (W3) [Adelung]


* Scheinlich, adj. et adv. welches im Hochdeutschen für sich allein veraltet ist ehedem aber für scheinbar gebraucht wurde. Pillen, die sonst allzu bitter schmecken, scheinlich machen und vergolden, Logau. Augenscheinlich und wahrscheinlich haben es noch, obgleich in etwas veränderten Bedeutungen.


Scheinliebe (W3) [Adelung]


Die Scheinliebe, plur. car. ein Betragen, welches dem ersten Eindrucke nach Liebe zu seyn scheinet, es aber nicht wirklich ist.


Scheinmittel (W3) [Adelung]


Das Scheinmittel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Ding, welches dem ersten Scheine nach wirksam zu seyn scheinet, aber die verlangte Wirkung nicht hervor bringt. Dergleichen Scheinmittel sind die Palliative in der Medicin.


Scheintugend (W3) [Adelung]


Die Scheintugend, plur. die -en, ein Zustand, eine Handlung oder Fertigkeit, welche den Schein der Tugend hat, es aber nicht ist.


Scheinübel (W3) [Adelung]


Das Scheinübel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Ding, welches der ersten Empfindung nach ein Übel zu seyn scheinet, es aber im Zusammenhange betrachtet nicht ist.


Scheinwiderspruch (W3) [Adelung]


Der Scheinwiderspruch, des -es, plur. die -sprüche, ein Satz oder eine Handlung, welche ein Wort zu seyn, d. i. sich oder ein anderes Ding aufzuheben scheinet, es aber im Zusammenhange nicht ist.


Scheinwort (W3) [Adelung]


Das Scheinwort, des -es, plur. die -e, und -wörter, ( S. Wort,) ein oder mehrere Laute, welche ein Wort zu seyn scheinen, aber bey genauerer Untersuchung keinen vernünftigen Begriff enthalten.


Scheißbeere (W3) [Adelung]


+ Die Scheißbeere, plur. die -n, in den niedrigen Sprecharten, ein Nahme sehr vieler Arten Beeren, und der Standen, welche sie tragen, welche letztern alsdann auch wohl Scheißbeerholz oder Scheißbeerstaude genannt werden. Die vornehmsten derselben sind: 1) Die Kreuzbeere, deren Staude der Kreuzdorn oder Wegedorn genannt wird, Rhamnus catharticus L. aus welchen das Saftgrün bereitet wird. 2) Die verwandte Faulbeere, Rhamnus frangula L. 3) Die Beeren des Hartriegels, Cornus sanguinea L. welche in manchen Gegenden unter dem Nahmen der Horlsken und Hernsken bekannt sind. 4) Die Zaun- oder Heckenkirsche, Lonicera Xylosteum L. deren Strauch und Holz auch Beinholz genannt wird. 5) Die Mehl- oder Schlingbeere, Viburnum Lantana L. und 6) der verwandte Bach- oder Wasserhohlunder, Viburnus Opulus L.

Anm. Weil das Holz einiger dieser Staudenarten gute Kohlen für das Schießpulver gibt, so glauben viele, daß der Nahme aus Schießbeere verderbt worden. Allein bey vielen ist er gewiß älter, als die Erfindung des Schießpulvers. Es ist daher glaublicher, daß der üble Geschmack einiger dieser Beeren, und bey andern ihre purgirende Kraft bey einem übermäßigen Gebrauche, zu ihrer Benennung Anlaß gegeben, welche indessen, wie schon gesagt worden, nur unter dem großen Haufen gangbar ist.


Scheiße (W3) [Adelung]


+ Die Scheiße, plur. car. in den niedrigsten Sprecharten, so wohl Menschen- und Thierkoth, besonders von dünnerer Art, und in weiterm Verstande ein jeder Koth, als auch der Durchfall.


Scheißfalk (W3) [Adelung]


Der Scheißfalk, des -en, plur. die -en, in den gemeinen Sprecharten, eine Art Patschfüße in den nördlichsten Gegenden, welche einem Falken ähnlich ist; Plautus stercorarius Klein. Der Koth der Kutgegef, einer andern Art Patschfüße, ist sein größter Leckerbissen, daher er diesen Vogel so lange in der Luft verfolgt und ängstiget, bis er denselben von sich gibt, da er ihn denn sehr geschickt in der Luft anzufangen weiß. Die Holländischen Schiffleute nennen ihn daher auch Strontjaeger, Struntjäger, d. i. Dreckjäger.


Scheit (W3) [Adelung]


Das Scheit, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, die -er, Diminut. das Scheitchen, Oberd. Scheitlein, von dem Zeitworte scheiden, in seiner ältesten und weitesten Bedeutung, da es von allen Arten der Trennung des Zusammenhanges gebraucht wurde. 1. Ein Werkzeug, andere Körper damit zu scheiden, d. i. den Zusammenhang ihrer Theile zu trennen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, von welcher doch noch verschiedene Spuren übrig sind. In der Lotharingischen Provinzial-Sprache ist Cheite ein mit Eisen beschlagener Keil, im Schwed. Ardasked die Pflugschar, im Ital. Schidone der Bratspieß, und unser Grabscheit bedeutet noch ein solches Werkzeug zum Graben. Indessen kann es seyn, daß man in den ältern einfältigen Zeiten sich statt dieser Werkzeuge eines geschärften oder zugespitzten Scheines in der folgenden Bedeutung bedient hat, in welchem Falle es denn auch dahin gerechnet werden müßte. 2. Ein Stück eines Ganzen, eines von den Theilen, in welche ein fester Körper durch gewaltsame Trennung zerstückelt worden. 1) Im weitesten Verstande, wo Scheit ehedem für Bruchstück, für ein Trumm gebraucht wurde, und in einigen Gegenden noch dafür üblich ist. So sagt man, in einigen noch, ein Schiff gehe in Scheiter oder zu Scheitern, wenn es auf den Grund geräth und von den Wellen zertrümmert wird, wofür im Hochdeutschen das Zeitwort scheitern üblich ist, ( S. dasselbe.) 2) In engerer Bedeutung, ein durch Schneiden oder Spalten hervor gebrachtes Stück, da es denn in einigen Oberdeutschen Gegenden von einem jeden Spane gebraucht wird. Im Hochdeutschen ist es nur in engerer Bedeutung gangbar, wo man ein Stück gespalteten Holzes von einer beträchtlichen Größe ein Scheit nennet, besonders solches grob gespaltenes Holz, woraus das Klafterholz bestehet; Nieders. Kluft, von kloven, spalten. Scheite schlagen, d. i. durch Spalten hervor bringen. Holz zu Scheiten schlagen. Ein Brandscheit, ein solches zum Verbrennen bestimmtes Scheit, zum Unterschiede von den Böttcherscheiten. ( S. auch Kernscheit, Klöppelscheit, Stockscheit, Scheiterhaufe u. s. f.) Auch die kleinern für den Herd bestimmten Stücken Brennholzes, welche aus diesen größern Scheiten gehauen und gespalten werden, werden in vielen Gegenden Scheitchen genannt. 3) Figürlich wird zuweilen ein gerades, dickes und mehrentheils kurzes hölzernes Werkzeug gleichfalls ein Scheit genannt, da es denn durch einen Vorsatz näher bestimmt werden muß. Das Rattelscheit ist in einigen Gegenden der Knüttel der Ballenbinder, womit sie die Ballen und Packe zusammen ratteln; das Knetscheit, ein Holz, womit die Bäcker das Kneten verrichten; das Fügescheit; im Oberdeutschen, ein Werkzeug der Böttcher; das Richtscheit, ein starkes Lineal der Werkleute, und in weiterer Bedeutung oft ein jedes Lineal. Bey den Webern wird der untere dickere Theil der Lade, welcher dem Fluge derselben einen schweren Schwung mittheilet, das Scheit genannt, und in der Schweiz hieß ehedem eine Muskete das Schießscheit. Ohne Zweifel, weil man sich anfänglich zu allen diesen Werkzeugen eines gespaltenen und gröblich bearbeiteten Stückes Holzes bedienete.

Anm. In der zweyten engern Bedeutung eines Stückes gespaltenen Holzes, im Angels. Scidi, im Engl. Shide, im Schwed. Skid, im Isländ. Skide, im Ital. Scheggia. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und die Latein, Schidia und Scindula ( S. Schindel) gehören gleichfalls dahin. Da dieses Wort unstreitig von scheiden in seiner weitesten Bedeutung abstammet, so haben viele aus einer übertriebenen Gewissenhaftigkeit dasselbe Scheid schreiben wollen, sich aber dadurch auf das gröblichste an der allgemeinen Aussprache versündiget. Es ist ja nichts gewöhnlicher, als daß in den Ableitungen die verwandten Buchstaben mit einander verwechselt werden. Der Plural Scheiter für Scheite ist nur den gemeinen, besonders Niederdeutschen Mundarten eigen.


Scheitel (W3) [Adelung]


Die Scheitel, plur. die -n, der oberste Theil des Hauptes, zwischen der Stirn und dem Hinterhaupte, wo sich die Haupthaare zu theilen pflegen, und wovon der hintere Theil der Wirbel genannt wird. Von den Fußsohlen bis auf die Scheitel, Hiob. 2, 7. Silbern war sein Haar auf seiner Scheitel und um sein Kinn, Geßn. Die Locke, Die fünfzehn oder sechzehn Jahr Die Zierde meiner Scheitel war. Raml. Wo es in der höhern Schreibart figürlich für den ganzen mit Haaren bekleideten Theil Hauptes gebraucht wird. In noch wei- terer Bedeutung wird es zuweilen für den obersten, gemeiniglich spitzigen oder runden Theil eines jeden Dinges, für den Gipfel, gebraucht, S. Scheitelpunct.

Anm. Schon bey dem Raban Maurus Scheitila, bey dem Notker Scheitela, im Nieders. Schedel. Gemeiniglich leitet man dieses Wort von scheiden her, weil sich die Haare daselbst zu scheiden pflegen; eine Ableitung, welche alle Wahrscheinlichkeit für sich hat. ( S. indessen auch Schedel.) Wenn das Nieders. Schedel auch die kleine Elbogenröhre bedeutet, welche im Alt-Fries. Scidel heißt, so gehöret es alsdann ohne Zweifel zu Scheide. Im Hoch- und Oberdeutschen ist dieses Wort fast durchgängig weiblichen Geschlechtes. So gebraucht es auch Luther, 1 Mos. 49, 26, und in andern Stellen; dagegen es in einigen in dem ungewöhnlichern männlichen vorkommt: sein Frevel wird auf seinen Scheitel fallen, Pf. 7, 17. Der Herr wird den Scheitel der Tochter Zion kahl machen, Es. 3, 17.


Scheitelbein (W3) [Adelung]


Das Scheitelbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, diejenigen Beine oder Knochen, welche die Scheitel des Hauptes binden, und den obern, mittlern und Seitentheil der Beine der Hirnschale einnehmen; Ossa bregmatis, verticis.


Scheiteln (W3) [Adelung]


Scheiteln, verb. reg. act. welches nur von den Haaren auf der Scheitel üblich ist. Die Haare scheiteln, sie auf beyden Seiten der Scheitel vermittelst des Kammes theilen. Gescheitelte Haare tragen. Nieders. scheteln. Entweder von Scheitel, oder auch als das Intensivum von scheiden; in welchem Falle es aber von der Theilung in mehrern Fällen üblich seyn müßte, welches mir doch nicht bekannt ist.


Scheitelpunct (W3) [Adelung]


Der Scheitelpunct, des -es, plur. die -e, in der Astronomie, ein Punct, welchen man in der unbeweglichen Fläche der Weltkugel senkrecht über seinen Scheitel annimmt, und welcher mit einem Arabischen Kunstworte auch das Zenith heißt, im Gegensatze des Nadirs oder Fußpunctes. In weiterer Bedeutung wird in der Algebra derjenige Punct einer krummen Linie der Scheitelpunct oder die Scheitel genannt, wo der Diameter oder die Asche dieselbe durchschneidet, so wie man in der Geometrie auch die Spitze eines Winkels, welche der Grundfläche entgegen gesetzt ist, oder wohl gar einen jeden Punct, wo zwey Linien einander durchschneiden, mit diesem Rahmen zu belegen pflegt, da es denn für Gipfel oder Spitze stehet.


Scheitelrecht (W3) [Adelung]


Scheitelrecht, adj. et adv. in der Mathematik, auf dem scheinbaren Horizonte senkrecht stehend, so daß die gezogene gerade Linie in den Scheitelpunct trifft; mit einem Lateinischen Kunstworte vertical. Einen Mörser scheitelrecht richten. Scheitelrecht oder vertical, und senkrecht oder perpendicular, sind zwar zuweilen, aber nicht allemahl einerley. Auf eben diese Art könnte man eine Vertical-Fläche, einen Vertical-Zirkel, einen Vertical-Winkel u. s. f. eine Scheitelfläche, einen Scheitelzirkel, einen Scheitelwinkel nennen.


Scheiterhaufen (W3) [Adelung]


Der Scheiterhaufen, des -s, plur. ut nom. sing. eigentlich ein jeder aus Holzscheiten bestehender Haufen, wo es doch nur in engerm Verstande von solchen Haufen dieser Art am üblichsten ist, auf welchen man ehedem die Leichen verbrannte, jetzt aber noch gewisse Verbrecher zu verbrennen pflegt; der Holzstoß.


Scheitern (W3) [Adelung]


Scheitern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, in Stücken gehen, zertrümmert werden; am häufigsten von den Schiffen, Schiffbruch leiden. Das Schiff ist gescheitert, es scheiterte an einer Klippe. Ingleichen figürlich. Der Anschlag das Vorhaben ist gescheitert. Daher das Scheitern.

Anm. Im Ital. scheggiare. Es ist unstreitig das intensive Frequentativum von dem Neutro scheiden, wie so wohl aus der iterativen Endung -ern, als aus dem intensiven t statt des weichern d erhellet. In einigen gemeinen Oberdeutschen Mund- arten ist es auch als ein Activum üblich, welches nicht nur zertrümmern, sondern auch Holz zu Scheiten schlagen, bedeutet.


Scheitflöße (W3) [Adelung]


Die Scheitflöße, plur. die -n, eine Anstalt, durch welche das zu Scheiten geschlagene Brennholz von einem Orte zum andern geflößet wird; zum Unterschiede von einer Zimmerflöße.


Scheithauer (W3) [Adelung]


Der Scheithauer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Arbeiter, welcher das Holz in den Wäldern zu Scheiten schläget; der Scheitschläger, Holzhauer, Klafterschläger.


Scheitholz (W3) [Adelung]


Das Scheitholz, des -es, plur. inus. das zu Scheiten geschlagene Holz; im Gegensatze des Bauholzes, ganzer Stämmen u. s. f. Ein Scheit Holz hingegen bezeichnet ein Individuum solches Scheitholzes.


Scheitmaß (W3) [Adelung]


Das Scheitmaß, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, dasjenige Maß, welches die zu Klafterholz bestimmten Scheite haben müssen.


Schel (W3) [Adelung]


Schel, -er, -este, adj. et adv. welches eigentlich schief bedeutet, hernach aber auch für das verwandte schielend gebraucht wurde; wenigstens scheint Luther 3 Mos. 21, 20 es so genommen zu haben: der ein Fell auf dem Auge hat oder scheel ist; wo es bey Michaelis heißt: in dessen Augen eine unregelmäßige Mischung des Augapfels mit dem Weißen im Auge ist. In dem zu Basel 1523 gedruckten N. Test. wird scheel ausdrücklich durch schylen, glunen, übersichtig erkläret. In beyden Bedeutungen ist es im Hochdeutschen veraltet, wo man es nur noch im figürlichen Verstande gebraucht, seinen Unwillen durch schiefe und mürrische Blicke an den Tag legend. Schel zu etwas sehen, seine Unzufriedenheit darüber durch mürrische Blicke und Mienen offenbaren. Siehest du darum so scheel, daß ich so gütig bin? Matth. 20, 15. Ein scheler Blick. Die Stutzer sahen ihn mit schelen Augen an, Zachar.

Anm. Im Oberdeutschen schelch, im Schwed. skälg, Nieders. schell, im Holländ. scheel, welches nicht nur schief und krumm bedeutet, schelles Holz, krummes, schief und schell, schief und krumm, sondern auch schielend, und figürlich böse, mürrisch, verdrießlich. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - gleichfalls schief. ( S. Schielen.) Das veraltete Hauptwort Schele, Uneinigkeit, Zwietracht, Streit, welches noch im Niedersächsischen üblich ist, scheinet zunächst von schallen abzustammen, ( S. Schelten.) Zu einem von beyden gehöret vermuthlich auch das Lat. Scelus. Wer siehet nicht, daß das Franz. Jalousie und Ital. Gelosia damit überein kommt? Die Schreibart schäl, welche man zuweilen findet, würde sich eher vertheidigen lassen, als die mit zwey e, scheel.


Schelbe (W3) [Adelung]


Die Schelbe, eine junge Kuh, S. Schälbe.


Schelch (W3) [Adelung]


Der Schelch, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in Baiern, übliches Wort, welches einen Kahn bedeutet, und ohne Zweifel zu der Verwandtschaft des Wortes Schale gehöret; oder auch zunächst von Kelch, in der weitesten Bedeutung, vermittelst des Zischlautes gebildet ist.


Schelfe (W3) [Adelung]


Die Schelfe, plur. die -n, in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden, die Schale, besonders die weiche biegsame Schale, die Hülfe. Äpfelschelfen, Apfelschalen. Die Schelfen von Erbsen, Bohnen, Wälschen Nüssen u. s. f. Man tritt den wahren Kern und sättigt sich mit Schelfen, Günth.

Anm. Nieders. Schluwe, vermuthlich für Scheluwe. Es ist von Schale nur im Endlaute unterschieden, und hat mit demselben den Stammbegriff des hohlen Raumes und der Bedeckung gemein. Im Niedersächsischen war Schelf ehedem ein Bret, ein breternes Gerüst, welche Bedeutung das Engl. Shelf und Angels. Scylf gleichfalls hat. Im Schwed. ist Skalp und im Isländ. Skalpr die Scheide. Ohne Zischlaut ist im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die äußere Baumrinde, welches zunächst von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - abstammet, so wie Schale und Schelfe von dem veralteten schelen, bedecken, Schwed. skyla. Selbst im Chald. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und im Syrischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Fischsuppe, Angels. Scylle.


Schelfen (W3) [Adelung]


Schelfen, und das Intensivum Schelfern, verb. reg. act. in Schelfen, d. i. dünne Blätter, theilen; ein nur in den gemeinen Sprecharten übliches Wort, wo es am häufigsten als ein Reciprocum gebraucht wird, sich schelfen oder schelfern, sich in Blätter oder Schalen absondern. Die Haut schelfert sich.


Schellaxt (W3) [Adelung]


Die Schellaxt, die -äxte, in einigen Gegenden, eine stumpfe Art, die Bänke Steinsalzes damit zu zerschellen oder zu zerschlagen.


Schellen (W3) [Adelung]


Schellen, verb. reg. welches das Activum bey dem Neutro schallen ist, schallen machen. 1) Im weitesten Verstande, wo es ehedem von verschiedenen Handlungen gebraucht wurde, welche mit einem sich merklich auszeichnenden Schalle verbunden sind. Im Schwedischen ist skölja ausspüle; eben daselbst wird es auch von dem Schlagen der Wellen an das Schiff oder an einen Felsen gebraucht. Wir haben es in diesem weitesten Verstande noch in dem zusammen gesetzten zerschellen, mit einem merklichen Schalle in Stücke zertrümmern, wohin auch das Nieders. knackschellig oder knäckschellig, gebrechlich, entkräftet, gehöret. 2) In engerer Bedeutung ist schellen, mit Schellen einen Schall hervor bringen. In manchen Gegenden gebraucht man es auch von kleinen Glocken. Es schellt jemand an der Thür, wofür man im Hoch- deutschen auch klingeln gebraucht. Im gemeinen Leben hat man dafür auch das Iterativum schellern, so wie schelten eigentlich das Intensivum ist. Daher das Schellen.

Anm. Im Ital. squillare. Es ist das Activum von schallen, ohne daß es deßwegen eben mit einem ä geschrieben werden müßte. Schwenken, wecken, u. a. m. haben auch ein e, obgleich ihre Neutra schwanken, wachen u. s. f. heißen.


Schellenbaum (W3) [Adelung]


Der Schellenbaum, des -es, plur. die -bäume, der Nahme eines Brasilischen und Ostindischen Baumes, dessen Frucht einer Kastanie oder Wassernuß gleicht, aber eine harte klingende Schale hat, daher sich die Brasilianer ihrer anstatt der Schellen bedienen; Cerbera L. der Ostindische Herzbaum, Cerbera Manghas L. ist eine Art davon.


Schellengeläut (W3) [Adelung]


Das Schellengeläut, des -es, plur. die -e, der Klang mehrerer Schellen; ohne Plural. Am häufigsten das mit Schellen versehene Geschirr, womit die Pferde vor einem Schellenschlitten beleget werden.


Schellenpflanze (W3) [Adelung]


Die Schellenpflanze, plur. die -n, eine Pflanze, Nolana L. welche diesen Nahmen vermuthlich wegen der Gestalt ihrer Blumen hat.


Schellenschlitten (W3) [Adelung]


Der Schellenschlitten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Rennschlitten, so fern das davor gespannte Pferd mit einem Schellengeläute beleget wird.


Schellenwerk (W3) [Adelung]


Das Schellenwerk, des -es, plur. die -e, ein aus Schellen bestehendes Werk.


Schellfisch (W3) [Adelung]


Der Schellfisch, des -es, plur. die -e, eine Art Kabliau oder Dorsch, welcher silberfarbig, und sehr schmackhaft ist, und häufig in der Nordsee gefangen wird; Gadus Aeglesinus L. Er hat den Nahmen ohne Zweifel von seinen zwar kleinen, aber sehr dichten Schuppen, von dem Nieders. Schelle, die Schale, und Engl. Scale, Fischschuppe, Franz. Ecaille, Ital. Scaglia. Im Dänischen heißt er Kuller.


Schellhengst (W3) [Adelung]


Der Schellhengst, des -es, plur. die -e, ein zur Zucht, zur Fortpflanzung seines Geschlechtes bestimmter und gehaltener Hengst. Der Schellhengst schreyet gegen alle Mähren, Sir. 33, 6. Häufiger und zugleich richtiger wird dieses Wort Schelhengst oder Schälhengst geschrieben und gesprochen, obgleich auch für dieses im Hochdeutschen Beschäler üblich ist. Es stammet ohne Zweifel von dem alten schälen oder schelen, decken, her. S. Beschälen und Schelfe.


Schelllack (W3) [Adelung]


Der Schelllack, des -es, plur. inus. eine nur im Niedersächsischen übliche Benennung des in Tafeln zu uns gebrachten Gummi Lacks; von dem Nieders. Schelle, eine Schale, Bret.


Schellwurz (W3) [Adelung]


Die Schellwurz, oder Schellwurzel, plur. inus. S. Schellkraut.


Schelm (W3) [Adelung]


1. * Der Schelm, des -es, (Oberd. des -en,) plur. die -e, (Oberd. -en,) ein im Hochdeutschen völlig unbekanntes Wort, welches eigentlich ein abgezogenes todtes Vieh bedeutet, in welchem Verstande es noch in Niedersachsen hin und wieder gangbar ist, wo sein Pferd zum Schelmen machen, lassen, so viel ist, als es abdecken lassen. In weiterer Bedeutung wird es in manchen Gegenden Oberdeutschlandes von einem jeden todten, an Krankheit verstorbenen Körper, auch in verächtlichem Verstande von einem Aase gebraucht. Ein Schelmengeschmack, ein Aasgeruch, Hans Sachs. Es stinkt als ein Schelm, Geb. Frank, bey dem Frisch. Der Rab, der aus Noa Arche flog, fand vielleicht einen Schelmen im Wasser fließen, Königshof. eben daselbst.

Anm. Das Zeitwort schelmen, schinden, auch im figürlichen Verstande, und die Hauptwörter Schelmschinder, der Abdecker, und Schelmerey, Schinderarbeit, sind im Hochdeutschen eben so fremd. Bedeutete dieses Wort, wie sehr wahrscheinlich ist, eigentlich ein abgezognes todtes Thier, so würde es mit schalmen, der Schale, Rinde oder Haut berauben, zu Schale, Nieders. Schelle, gehören. Indessen, da das m ein bloßer, seiner Bedeutung nach noch nicht genug bekannter Endlaut ist, Schal oder Schel aber gar viele Bedeutungen leidet, worunter besonders die des übeln Geruchs ( S. Schal) oder auch des leblosen todten Zustandes ( S. Schellen) in Betrachtung kommen, so findet immer noch eine schicklichere Ableitung Statt. ( S. das folgende.) Im Wallis. ist Celain ohne Zischlaut gleichfalls ein Aas.


Schelm (W3) [Adelung]


2. * Der Schelm, des -es, oder -en, plur. inus. ein auch nur im gemeinen Leben einiger Gegenden übliches Wort, eine ansteckende tödtliche Seuche, die Pest, das Viehsterben zu bezeichnen. Schelm oder Sucht oder Keyb, Pestis, in einem alten Vocabul. von 1482 bey dem Frisch, welcher noch mehrere Beyspiele von dieser Bedeutung anführet. Es scheinet, daß sich dieses Wort am füglichsten von schellen, zerschellen, zertrümmern, vernichten, ableiten lasse, obgleich Frisch, Wachter und andere dieses und das folgende Wort bloß für figürliche Bedeutungen von Schelm, ein Aas, halten.


Schelm (W3) [Adelung]


3. Der Schelm, des -es, plur. die -e, ein auch noch im Hochdeutschen gangbares Wort, welches daselbst in einem doppelten Verstande vorkommt. 1) In einem sehr harten, da man unter Schelm eigentlich einen seiner Verbrechen wegen ehrlos gemachten Menschen verstehet. Jemanden zum Schelm machen, ihn mit gewissen Feyerlichkeiten ehelos machen. Ihn als einen Schelm wegjagen. Bey den Handwerkern ist der Mißbrauch eingerissen, jeden, der seine wahre oder eingebildete Schuldigkeit nicht beobachtet, für einen Schelm und Hundsfott, für einen ehrlosen Menschen zu halten. Ein Schelm der weggehet! Indessen hat es im gemeinen Sprachgebrauche viel von seiner ersten Härte verloren, wenigstens wird es nicht mehr für so ehrenrührig gehalten als andere Wörter dieser Art. In weiterer Bedeutung ist Schelm ein Mensch, der sich solcher Vergehungen schuldig macht, welche in der bürgerlichen Gesellschaft die Ehrlosigkeit mit sich führen, besonders ein Dieb, und grober Betrieger. Zum Schelme werden, zum Betrieger; ingleichen in der harten Sprechart für bankerott werden. Wie ein Schelm handeln, davon gehen. Der Schelmen arger Griff, damit er uns will fangen, Opitz. Damit entfährt der Geist dem losen Mammonsknechte, Dem jeder um das Grab mit einem Schelmen ziert, Canitz. Diese Abänderung des Schelmen u. s. f. ist in der Oberdeutschen Mundart üblicher als in der Hochdeutschen. 2) In gelinderer Bedeutung ist Schelm, so wie Schalk, eine Person, welche einem andern bey einem unschuldig scheinenden äußern Verhalten zu schaden sucht, und in noch gelinderer Bedeutung, welche leichtfertige Absichten hinter einem äußern unschuldig scheinenden Betragen zu verbergen weiß. Ein loser, leichtfertiger Schelm. Einen Schelm hinter den Ohren haben. Je ärger Schelm, je besser Glück. Ein armer Schelm, in noch weiterer Bedeutung, ein armer mitleidswürdiger Mensch.

Anm. Im Schwed. und Isländ. Skälm, im Engl. Skellum, im Pohln. Szelma. Frisch, Wachter, Dietrich von Stade; Ihre u. a. m. sehen dieses Wort mit Eckardten als eine Figur von Schelm, Aas, an; allein, man wird wohl nicht leicht ein Beyspiel finden, daß in einem Worte von einer so bestimmten Bedeutung, wie Schelm ist, eine so unbestimmte Anspielung zum Grunde liegen sollte. Da es ausgemacht ist, daß von zwey End-Consonanten der letzte allemahl ein Endlaut ist, welcher das abgeleitete Wort näher bestimmt, so kommt es hier nur auf die Sylbe Schel an, welche, da die Selbstlauter unaufhörlich abwechseln, mit Schal gleichbedeutend ist. Schalk und Schelm sind also nur in den Endlauten unterschieden, und stammen beyde von einer veralteten Bedeutung des Zeitwortes schalen und schelen, schellen ab. Welches diese Bedeutung unter den vielen ist, welche dieses Wort leidet, läßt sich nur muthmaßlich bestimmen, weil uns die Genealogie dieses Wortes fehlet. Es kann die geschwinde betrügliche Bewegung seyn, welche sich besonders zu der zweyten Bedeutung schickt, da sich die erste durch eine ehrlose Flucht erklären läßt. Bey den Krainerischen Wenden ist schalam ich scherze. Es können aber auch das Lat. Scelus und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - mit unserm Schelm verwandt seyn, da denn auch schel und das alte schelen, sehlen, mangeln, mit zur Verwandtschaft gezogen werden können. Noch im 16ten Jahrh. bedeutete schelmen verstümmeln. So sagt der bekannte Dichter, Paul Rephuhn, der Übersetzer habe sein Original nicht geschelmet und gestimmelt. Daß dieses Wort ehedem noch andere anständige Bedeutungen gehabt haben müsse, erhellet aus der ehemahligen adeligen Familie der Schelme. Vielleicht hat es, so wie Schalk, ehedem auch einen Diener bedeutet. S. Schalk.


Schelmerey (W3) [Adelung]


Die Schelmerey, plur. die -en, von 3 Schelm. 1) Die Fertigkeit, jemanden unter einem unschuldig scheinenden äußern Ansehen zu hintergehen; besonders in der zweyten gelindern Bedeutung, und ohne Plural. 2) Ein solches Betragen, eine solche Handlung selbst; auch nur in der zweyten gelindern Bedeutung, von dem Hintergehen im Scherze.


Schelmisch (W3) [Adelung]


Schelmisch, -er, -te, adj. et adv. von 3 Schelm, in der Gesinnung und Fertigkeit eines Schelmes gegründet. 1) Im ersten und harten Verstande. Ein schelmisches Betragen, im höchsten Grade betrügliches. Schelmischer Weise davon gehen, als ein ehrloser, vorsetzlicher Betrieger. Ein schelmisches Vorhaben. 2) In der zweyten gelindern Bedeutung, wo es doch nur zuweilen im gemeinen Leben vorkommt.


Schelmstreich (W3) [Adelung]


Der Schelmstreich, des -es, plur. die -e, ein schelmischer, vorsetzlich betriegerischer Streich; am häufigsten im harten Verstande, zuweilen aber auch im gelindern. Einen Schelmstreich begehen.


Schelmstück (W3) [Adelung]


Das Schelmstück, des -es, plur. die -e, Diminut. das Schelmstückchen, ein listiger Schelmstreich, und in weiterm Verstande, eine jede mit List verbundene böse und boshafte Handlung. Ein Schelmstück begehen. Im gemeinen Leben auch im gelindern Verstande, von leichtfertigen, scherzhaften mit List ausgeführten Handlungen. Schwed. Stycke Skälm, Skälmstyck, Skalksstyck.


Schelsucht (W3) [Adelung]


Die Schelsucht, plur. car. die Sucht, d. i. ungeordnete heftige Fertigkeit, zu den Vorzügen anderer schel zu sehen; Neid, Eifersucht. Schelsucht, Ungeduld und Wahn, Heißt ihn, sich der Gegend nahn, Wo Elpin den Schritt gethan, Haged. Auch Galliens vergnügter Sänger Höre den Nachhall nicht ohne Schelsucht, Raml. So auch das Bey- und Nebenwort schelsüchtig, in dieser Gesinnung gegründet. S. Schel.


Schelten (W3) [Adelung]


Schelten, verb. irreg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert; ich schelte, du schilst, er schilt Imperf. ich schalt, Conj. ich schälte, (ehedem scholt, schölte;) Mittelw. gescholten; Imperf. schilt. Es ist ein vermittelst der intensiven Endung -ten gebildetes Intensivum von schallen und schellen, und bedeutet, 1. Eigentlich einen starken Schall, und in weiterer Bedeutung einen Schall von sich geben und hervor bringen. Diese Bedeutung ist zwar im Hochdeutschen längst veraltet, indessen kommen doch noch manche Spuren davon vor. Wenn das weibliche Geschlecht, des Roth- und Tannwildbretes seine Stimme hören läßt, so nennen die Jäger solches noch schelten und schalten. Das Schwed. skälla, welches mit unserm schelten gleichbedeutend ist, heißt eigentlich bellen. 2. In engerer Bedeutung, nachdrückliche und laute Worte von sich hören lassen, mit starker lauter Stimme sprechen oder reden, besonders von einzelnen Arten der lauten Rede. 1) * Ernstlich befehlen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Und er schalt das Schilfmeer, da ward es trocken, Ps. 106, 9. Siehe mit meinem Schelten mache ich das Meer trocken, Es. 50, 2. Der das Meer schilt und treuge macht, Nahum. 1, 4. 2) * Anklagen; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher Schelte in den vorigen Jahrhunderten mehrmahls für Klage vorkommt. 3) * Rufen, nennen, welche Bedeutungen im Hochdeutschen auch nicht mehr üblich sind. Im gemeinen Leben einiger Gegenden sagt man noch, jemanden einen gnädigen Herrn schelten, d. i. tituliren; sich Exzellenz schelten lassen, ohne daß man dabey an die folgende fünfte Bedeutung dächte. 4) * Fluchen; eine noch hin und wieder gangbare Bedeutung. 4 Mos. 23, 7, 8 heißt es noch: verfluche mir Jacob, komm schilt Israel. - Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht fluchet? Wie soll ich schelten, den der Herr nicht schilt? Wo fluchen und schelten gleichbedeutend zu seyn scheinen. 5) Seinen Unwillen durch heftige Worte an den Tag legen; so wohl absolute und als ein Neutrum. Den ganzen Tag schelten. Als auch thätiger Weise mit der vierten Endung der Sache. Jemanden schelten. Christus schalt nicht wieder, da er gescholten ward, 1. Petr. 2, 23. Jesus schalt ihren Unglauben, Marc. 16, 14. Jemanden einen Schelm schelten, ihn im Unwillen so nennen, wo zugleich die vorige dritte Bedeutung des Nennens mit eintritt. Statt der vierten Endung findet auch das Neutrum mit dem Vorworte auf Statt. Auf jemanden schelten, seinen Unwillen über ihn durch heftige Worte ausbrechen lassen. In weiterer Bedeutung für tadeln, in welchem Verstande es noch hin und wieder gehöret wird. Ich kann es weder loben noch schelten. Das ist nicht zu schelten. Ein unbescholtener Mann, dem man nichts Nachtheiliges nachsagen kann. Ehedem war ein Urtheil schelten von demselben appelliren; im mittlern Lat. blasphemare, Franz. blamer. 3. * Figürlich, erklären; eine veraltete Bedeutung. Ehedem sagte man, jemanden quit schelten, ihn für frey von seiner bisherigen Verbindlichkeit erklären. Jemanden unschuldig schelten, ihn für unschuldig erklären. Im Niedersächsischen ist diese Bedeutung noch gangbar. So auch das Schelten.

Anm. In der vorigen fünften Bedeutung schon bey dem Ottfried und Notker schelten, im Nieders. schelden, schellen, im Angels. scyldan, im Engl. to scold, im Lotharing. chelte. Nach dem, was oben angeführet worden, bedarf Frischens und anderer Ableitung welche dieses Wort von Schuld abstammen lassen und es durch beschuldigen erklären, wohl keiner weitern Widerlegung. Die Sylbe -ten ist ein sehr gewöhnliches Zeichen einer Intension, so daß schelten zunächst von schellen abstammet. Ohne diese Intension ist im Schwed. skälla so wohl bellen als schelten. Siehe auch Schalten, welches sich auf eine ähnliche Onomatopöie gründet.


Scheltwort (W3) [Adelung]


Das Scheltwort, des -es, plur. die -e, und -wörter, ( S. Wort,) Worte, welche im Schelten ausgesprochen werden, Worte, wodurch man seinen hohen Grad des Unwillens ausbrechen läßt, wodurch man im Unwillen Unvollkommenheiten oder Böses von jemanden behauptet. Vergeltet nicht Scheltworte mit Scheltworten, 1. Petr. 3, 9. Daß diese Worte ehrenrührig seyn müssen, liegt in diesem Ausdrucke nicht, sondern nur der Ausbruch des Unwillens, daher auch Scheltwort für Injurien, wie es einige gebraucht haben, unschicklich ist. Bey dem Ottfried Scheltuuort.


Schemel (W3) [Adelung]


Der Schemel, S. Schämel.


Schemen (W3) [Adelung]


Der Schemen, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort, welches nur in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes üblich ist. Es bedeutet daselbst: 1) das Bild eines Dinges, so fern es durch Hemmung des Zuflusses des Lichtes entstehet, es geschehe nun im Wasser oder auf einen festen Körper, ein Schattenbild. Wie der Schemen im Wasser ist gegen das Angesicht, Sprichw. 27, 19. Sie gehen daher wie ein Schemen, Ps. 39. 7. Wo man dafür im Hochdeutschen Schatten gebraucht. 2) Eine jede Figur, Gestalt, wo es doch nur von einer erdichteten Gestalt des Gesichts für Larve, Maske in einigen Oberdeutschen Gegenden üblich ist, ehedem aber noch üblicher war. Verschiedene Beyspiele hat Frisch angeführet.

Anm. Im Nieders. Schem, Scheme und Schemel. Es ist so wohl mit Schein als mit Schatten Eines Geschlechtes indem alle drey nur in den Endlauten unterschieden sind. ( S. die

Anm. zu Schatten und Schein.) Zu der nächsten Verwandtschaft unsers Wortes aber gehören so wohl unser Schimmer, als ein Intensivum, als auch das Schwed. Skymning, die Dämmerung, das Goth. Skeima, die Laterne, und das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Gestalt. Luther gebrauchte es noch für Schein: Da Kain geboren war, machte ihm Eva einen heiligen Schemen oder Krone um den Kopf, als wenn sie den Messiam geboren hätte. Im Niedersächsischen ist aver schemen überschatten, und hevenschemig trübe, dunkel, von der Luft und Witterung, woraus zugleich erhellet, daß Schemen und Schatten ursprünglich völlig gleichbedeutend sind, indem das erste hier auch von der Beraubung des Lichtes überhaupt gebraucht wird.


Schenk (W3) [Adelung]


* Das Schenk, ein veraltetes Wort, wofür jetzt Geschenk üblich ist, S. dasselbe.


Schenk (W3) [Adelung]


Der Schenk, des -en, plur. die -en, Fämin. die Schenkinn, derjenige, welcher schenket, doch nur in einigen Bedeutungen des Zeitwortes. 1) Derjenige, dessen Pflicht es ist, einem Höhern das jedesmahlige Getränk zu reichen. Der Schenke, (Schenk) des Königes, 1 Mos. 40, 1. Der Schenk Salomonis, 1 Kön. 10, 5. Noch jetzt hat der Mundschenk an den Höfen das Amt, dem Herrn bey der Tafel das Getränk zu reichen. In höherer Bedeutung sind die Schenken adelige Vasallen, welche dem Lebensherren bey feyerlichen Gelegenheiten das Getränk darreichen. Daher Erzschenk Erbschenk. Lat. Pincerna, im mittlern Lat. Escancius, Scantio. 2) Derjenige, welcher ein Ding im Kleinen verkauft. In den Chursächsischen Landen wird derjenige, welcher das Salz im Kleinen verkauft, der Salzschenk genannt, so wir sein Amt und das Befugniß dieses Verkaufes der Salzschank heißt. Am häufigsten ist es derjenige, welcher das Getränk ausschenket oder verschenket, d. i. in kleinen Maßen verkaufet, der zuweilen auch der Schenkwirth genannt wird. Der Bierschenk, Weinschenk, Kaffehschenk, Branntweinschenk.

Anm. In der ersten höhern Bedeutung im Schwabenspiegel Schenke. In dem Fragmente eines alten Gedichtes auf Carln den Großen bey dem Schilter kommt Scenke von einem jeden Bedienten vor, welche Bedeutung dem Zeitworte schenke völlig angemessen ist. Diesem Worte ein e euphonicum anzuhängen, der Schenke, wie von vielen geschiehet, ist unnöthig, weil das k dessen nicht bedarf.


Schenke (W3) [Adelung]


Die Schenke, plur. die -n, gleichfalls von dem Zeitwort schenken. 1) * Ein Trinkgeschirr, eine Kanne, ein Becher u. s. f. Schwed. Schänk, Angels. Scanc. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung nicht mehr üblich, außer daß die Sattlergesellen noch die Kanne oder den Krug, aus welchem sie bey ihren Zusammenkünften trinken, die Schenke nennen. Die Schenke auftrinken, heißt bey ihren Zusammenkünften auf Gesundheit des Handwerks trinken. Bey dem Alberus ist Schank so viel als ein Schrank. 2) Ein Ort, ein Haus, wo gewisse Waaren im Kleinen verkauft werden. Die Salzschenke, in einigen Gegenden Obersachsens, wo Salz geschenket, d. i. im Kleinen verkauft wird. Am häufigsten ein Ort, wo Getränk im Kleinen verkauft wird. Die Bierschenke, Weinschenke, Kaffehschenke, Methschenke; Branntweinschenke. Den ganzen Tag in der Schenke sitzen. Am häufigsten ist die Schenke ein solches Haus, wo die Gäste das gereichte Getränk zugleich austrinken, obgleich auch ein solches, wo dasselbe nur über die Gasse verkauft wird, oft diesen Nahmen führet. Eine solche Schenke heißt im Nieders. der Krug, in Schlesien der Kretscham, und in einigen Oberdeutschen Gegenden die Taferne, von dem Lat. Tabernae. Da das Wort Schenke etwas Unedles an sich hat, so wird es nur von solchen Häusern dieser Art gebraucht, wo sich gemeine Leute zum Trunke versammeln. Anständigere Häuser heißen Kaffehhäuser, Weinhäuser u. s. f.


Schenkel (W3) [Adelung]


Der Schenkel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schenkelchen. 1. Im weitesten Verstande, wo es in verschiedenen einzelnen Fällen ein in die Länge ausgedehntes Ding bedeutet, dessen Länge die Breite und Dicke weit übertrifft. In dem Bergbaue werden an den Fahrten die langen senkrecht stehenden Hölzer, worin sich die Sprossen befinden, die Schenkel genannt; an andern Leitern heißen sie die Leiterbäume. Im Weinbaue ist der Schenkel das junge Holz, welches aus einem Sturze oder Knoten, d. i. einer abgeschnittenen Rebe, wieder nachwächset. Auch der Fuhrmannssitz an dem Göpel im Bergbaue führet gleichfalls den Nahmen des Schenkels, ob er gleich auch von andern der Schämel genannt wird. In der Schifffahrt ist der Schenkel ein Tau von mittlerer Länge, an dessen Ende eine Rolle hängt, worüber das Tauwerk gezogen wird, da man denn Brasseschenkel, Toppschenkel u. s. f. hat. Und so noch vielleicht in andern Fällen mehr, wo sich nicht füglich eine Figur der folgenden Bedeutung annehmen läßt. 2. In engerer Bedeutung, der Fuß, das Bein, der lange Theil eines thierischen Körpers, worauf derselbe ruhet, und vermittelst dessen er den Ort verändert. 1) Der ganze Fuß, in welchem Verstande man das Dickbein zuweilen den großen oder obern, und das Schienbein den kleinen oder untern Schenkel zu nenne pflegt. Den Widder sollt du zerlegen, und sein Eingeweide und Schenkel waschen, 2 Mos. 29, 17; seine Eingeweide und Füße, Michael. So auch 3 Mos. 8, 21. Indessen wird es in dieser Bedeutung nur noch in der höhern Schreibart von den Füßen der Menschen und größern Thiere gebraucht. Deinen zur Rückkehr erhabenen Schenkel, Raml. Figürlich werden in der Geometrie so wohl die Linien, welche durch ihre Neigung einen Winkel machen, als auch die auf der Grundlinie stehenden Seiten eines Triangels Schenkel, Crura, genannt. 2) Im engsten und gewöhnlichsten Verstande ist der Schenkel der obere dickere Theil des Fußes zwischen dem Knie und der Hüfte, so wohl an Menschen als Thieren, da es denn besonders der edlern Schreibart für die niedrigern Lende und Dickbein eigen ist. Bey den Pferden wird dieser Theil des Vorderfußes so wohl der Schenkel als der Vorarm genannt.

Anm. Es ist dieses Wort kein Diminutivum, wie Frisch will, weil es sonst ungewissen Geschlechtes seyn müßte; die Endung -el zeigt hier entweder ein Werkzeug, oder auch ein Subject an. Schenkel sagt also eigentlich eben das, was mit einem andern Endlaute oder auch ohne Endlaut Schinken und dessen Verwandte bedeuten. In der Monseeischen Glosse wird Schiuchum durch Bases et tibiae erkläret. Im Angels. ist Scancu das Bein, der Fuß, das Schienbein, welche letztere Bedeutung auch das Italiänische in der "Lombardey" übliche Schinca und das Schwed. Skank hat. Im Ungarischen ist Czonc ein Knochen, Bein, und im Finnischen ohne Zischlaut Konti der Fuß. Siehet man das n als einen oft müßigen Begleiter der Gaumenlaute an, so gehören auch das Nieders. Schake, der Schenkel, das Bein, das Hebräische - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und Chaldäische - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Schienbein, hierher. Aus allem ergibt sich, daß der Begriff der Bewegung in diesem Worte der herrschende sey, so daß in der ersten allgemeinsten Bedeutung die Ausdehnung in die Länge zum Grunde lieget, daher auch im Schwed. Skakel die Deichsel heißt, wozu in der zweyten engern Bedeutung noch der Begriff des Gehens, und in der engsten des Dickbeines der Begriff der Ausdehnung in die Dicke kommt. S. Schake, Schacht, Schenken, Schicken, Schiene u. s. f. welche alle zu dieser Verwandtschaft gehören.


Schenkelader (W3) [Adelung]


Die Schenkelader, plur. die -n, in der Anatomie, die untere Hohlader, so fern sie sich über den Schenkel erstrecket.


Schenkelbein (W3) [Adelung]


Das Schenkelbein, des -es, plur. die -e, das Bein, der Knochen des Schenkels, besonders in der engsten Bedeutung, der lange starke Knochen des Dickbeines; der Schenkelknochen, oder auch nur der Schenkel schlechthin.


Schenkelblatt (W3) [Adelung]


Das Schenkelblatt, des -es, plur. die -blätter, an einem Pferdegeschirre, der über den hintern Schenkel herab hangende Theil.


Schenkeldeich (W3) [Adelung]


Der Schenkeldeich, des -es, plur. die -e, in den Niederdeutschen Marschländern, ein Deich in Gestalt eines Schenkels, d. i. ein Deich, welcher von einem neuen Hauptdeiche nach einem andern gezogen wird, und auch der Flügeldeich, der Armschlag heißt.


Schenkelknochen (W3) [Adelung]


Der Schenkelknochen, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Schenkelbein.


Schenkellade (W3) [Adelung]


Die Schenkellade, plur. die -n, bey den Nadlern, eine Art von Schraubstock, den Draht, welchen sie durchschneiden wollen, darin auf dem Schenkel zu befestigen; die Knielade, Französ. Chausse.


Schenken (W3) [Adelung]


Schenken, verb. reg. act. welches noch in einer doppelten Hauptbedeutung vorkommt. 1. Des Gießens eines flüssigen Körpers aus einer Bouteille, Flasche, Kanne u. s. f. in ein kleineres Gefäß. 1) Eigentlich, wo es doch nur von eigentlichen Getränken gebraucht wird, sie aus einem größern Gefäße in das Trinkgefäß gießen. Wein aus der Kanne in den Becher schenken. Das Glas, den Becher, die Tasse zu voll schenken. Besonders in dem zusammen gesetzten einschenken. Im Schwed. lautet es in dieser Bedeutung gleichfalls skänka, im Franz. chinquer. Es scheinet, daß es ehedem gießen überhaupt bedeutet habe, denn bey dem Notker ist scangan vergießen, und in der Monseeischen Glosse scanchan gießen. 2) In weiterer und figürlicher Bedeutung. (a) Das Getränk darreichen. So schenkte ehedem derjenige, welcher einem andern das Getränk in das Trinkgeschirr goß und es demselben darreichte, ( S. Schenk.) Trinket des Weins, den ich schenke, Sprichw. 9, 5. Der Herr hat einen Becher in der Hand- und schenket aus demselben, Ps. 75, 9. Jetzt ist es in dieser Bedeutung nur noch unter dem großen Haufen üblich, wo man einem schenket, oder ihm eines schenket, wenn man ihm zur Bewillkommung oder aus Freundschaft unentgeldlich einen Trunk darreichet. In dem alten Siegesliede auf den König Ludwig schon skankan, im Angels. scencan. Im Nieders. ist daher beschenken und im Dänischen beskiänka berauschen. (b) Das Getränk im Kleinen verkaufen. Wein, Bier, Branntwein, Kaffeh, Chocolate, Meth u. s. f. schenken. Hier schenkt man guten Wein. In einigen Gegenden Obersachsens schenket man auch Salz, wenn man dasselbe in kleinen Quantitäten verkaufet. Derjenige, welcher auf solche Art Getränk im Kleinen verkauft, heißt der Schenk, der Ort, wo selbiges geschiehet, die Schenke, und der Verkauf selbst und das Befugniß dazu, der Schank, S. diese Wörter. 2. Unentgeldlich geben, das Eigenthum einer Sache umsonst übertragen, mit der dritten Endung der Person, und der vierten der Sache. 1) Eigentlich. Einem etwas schenken. Ich habe es ihm geschenkt. Es ist mir geschenket worden. Ingleichen in weiterer Bedeutung, jemanden sein Herz, seine Huld schenken. Schenken sie mir einen gütigen Blick. Die Sache, welche geschenket wird, heißt ein Geschenk, in einigen Gegenden auch ein Schank, eine Schenkung oder Schankung, welche aber im Hochdeutschen ungewöhnlich sind. Dahin gehören auch unter den Handwerkern die geschenkten Handwerke, worunter man im weitern Verstande diejenigen Handwerke verstehet, deren Gesellen auf ihren Wanderschaften von ihren Handwerksgenossen ein Geschenk erhalten. Im engsten und gewöhnlichsten Verstande ist ein geschenktes Handwerk ein altes, freyes, im ganzen Römischen Reiche privilegirtes Handwerk, dessen Gesellen aller Orten entweder Arbeit oder doch ein freyes Geschenk erhalten. Beydes im Gegensatze der ungeschenkten. Der Gebrauch des Mittelwortes ist hier freylich hart und ungewöhnlich. 2) Freygebig erlassen. Jemanden das Leben schenken, ihm das Leben, welches man ihm nehmen konnte, aus wahrer oder vorgegebener Großmuth lassen. Jemanden eine Schuld schenken, ihm die Strafe schenken, unentgeldlich erlassen. Es soll dir geschenkt seyn, die Ahndung, die Strafe soll dir erlassen seyn. So auch das Schenken und die Schenkung, besonders in der zweyten Hauptbedeutung.

Anm. In einigen gemeinen Sprecharten lautet dieses Zeitwort im Imperf. und im Mittelworte, schonkte, geschonken, in andern schankte, geschankt. Beyde rühren von einer veralteten Form des ganzen Zeitwortes her. Bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern lautet es beständig schanken für schenken. Wachter bemerket mit Recht, daß die zweyte Hauptbedeutung bey unsern alten Schriftstellern nicht vorkomme; woraus aber noch nicht folgt, daß sie neuern Ursprunges ist, und noch weniger, daß sie eine Figur der ersten ist, wie er, Frisch und andere behaupten, weil eine solche Figur zu hart und ungewöhnlich seyn würde. Schenken kann vielmehr ehedem geben überhaupt bedeutet haben, und da können alle heutige Bedeutungen als besondere Arten derselben angesehen werden. Oder, da alle Zeitwörter eigentlich Onomatopöien sind, und daher ein Wort sehr häufig ganz verschiedene Handlungen bedeutet, wenn nur der Laut, unter welchem sie in das Gehör fallen, einerley oder doch ähnlich ist, so kann in der ersten Bedeutung der Laut des Gießens, und in der zweyten, der mit dem Geben verbundenen Bewegung, zum Grunde liegen. Auch in Ansehung der Form dieses Zeitwortes findet ein doppelter Fall Statt. Das n kann der nicht ungewöhnliche müßige Begleiter der Gaumenlaute seyn, und alsdann würde der Stamm Schach, Schak heißen; oder das -ken kann auch die nicht ungewöhnliche intensive Ableitungssylbe seyn, und alsdann hätte man nur auf die Sylbe Schan, Schen zu sehen. Die älteste Spur von diesem Worte findet sich bey dem Otfried, wo scancan einschenken ist. Keros skangames, laßt uns fortfahren, ist ohne Zweifel das mit dem Oberdeutschen Zischworte verstärkte gehen, für gangames.


Schenkenamt (W3) [Adelung]


Das Schenkenamt, des -es, plur. die -ämter, das Amt eines Schenken, in der ersten edlern Bedeutung, d. i. desjenigen, welcher einem Obern das Getränk darreichet; 1 Mos. 40, 21 auf eine ungewöhnliche Art das Schenkamt, Nieders. das Püttkeamt, von pütten, schöpfen, und püttjen, kosten, credenzen.


Schenkfaß (W3) [Adelung]


Das Schenkfaß, des -sses, plur. die -fässer, in einigen Gegenden, besonders in Meißen, ein mit Wasser oder Eis angefülltes Gefäß, die mit Getränk angefüllten Bouteillen, Kannen u. s. f. darein zu setzen, um das Getränk kühl zu erhalten; wenn es von Holz ist, ein Bierständer.


Schenkgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Schenkgerechtigkeit, plur. inus. das Recht allerley Getränk einzeln zu verkaufen; das Schenkrecht, der Schank, besonders in den Zusammensetzungen Bierschank, Weinschank u. s. f.


Schenkhochzeit (W3) [Adelung]


Die Schenkhochzeit, plur. die -en, im gemeinen Leben einiger Gegenden, eine Hochzeit, bey welcher von den Gästen ein Hochzeitsgeschenk genommen wird.


Schenkmaß (W3) [Adelung]


Das Schenkmaß, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, diejenige Art des Maßes, nach welcher die Schenkwirthe das Getränk ausmessen, d. i. im Einzelnen verkaufen; zum Unterschiede von dem Visier-Maße.


Schenkstatt (W3) [Adelung]


Die Schenkstatt, plur. die -stätte, oder die Schenkstätte, plur. die -n, ein Ort, wo Getränk im Einzelnen verkauft wird; die Schenke. Eine neue Schenkstatt oder Schenkstätte anlegen.


Schenkstube (W3) [Adelung]


Die Schenkstube, plur. die -n, diejenige Stube, in welcher sich bey einem Schenkwirthe die Gäste befinden; zum Unterschiede von der Wohnstube.


Schenktisch (W3) [Adelung]


Der Schenktisch, des -es, plur. die -e, ein Tisch, auf welchem das Getränk mit seinem Zugehör an Gläsern u. s. f. gestellet wird, und welcher gemeiniglich mit einer Art von Schranke versehen ist; Nieders. Schenkschive, an Höfen auch der Credenz-Tisch.


Schenkwirth (W3) [Adelung]


Der Schenkwirth, des -es, plur. die -e, Fämin. die Schenkwirthinn, ein Wirth, welcher den bey ihm einsprechenden Gästen Getränk im Einzelnen verkaufet, der Zapfenwirth; zum Unterschiede von einem Gastwirthe und Speisewirthe. ( S. Schenk.) Daher die Schenkwirthschaft, dieses Gewerbe.


Schepp (W3) [Adelung]


Der Schepp, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein nur in den Salzsiedereyen übliches Wort, wo die mit der Salzsohle häufig verbundene Kalkerde, wenn sie sich in Gestalt eines Steines im Gradiren an die Dornen, und im Sieben an die Salzpfannen anleget, der Schepp, Salzschepp, Salzstein oder Pfannenstein genannt wird. Ohne Zweifel von dem Zeitworte schaben, weil dieser Stein von den Salzpfannen abgeschabet, oder auch mit dem hölzernen Schepphammer abgeschlagen werden muß. Das Nieders. Intensivum scheppen bedeutet nicht allein schaffen und schöpfen, sondern in einigen Gegenden auch schneiden u. s. f.


Scheps (W3) [Adelung]


Der Scheps, des -es, plur. inus. der eigenthümliche Nahme des Bieres welches in Breslau gebrauet wird, und ehedem ein sehr fettes und starkes Bier war.


Scherbank (W3) [Adelung]


Die Scherbank, plur. die -bänke, in den Blechhämmern, eine Bank, woran die großen Blechscheren befestiget sind, das Blech damit nach dem gewöhnlichen Hüttenmaße zu beschneiden. Siehe Schere.


Scherbe (W3) [Adelung]


Die Scherbe, plur. die -n, Diminut. das Scherbchen, Oberd. Scherblein, ein Wort, in welchem ein doppelter Hauptbegriff Statt findet. 1) Der Theilung, des Bruches, wo es im weitesten Verstande eigentlich ein Stück eines Ganzen ist, welche Bedeutung das Schwed, Skärf noch hat, welches z. B. auch von den Stücken eines zerbrochenen Beines oder Knochens gebraucht wird. Im Deutschen ist es nur im engern Verstande gangbar von den Stücken eines zerbrochenen gläsernen, noch mehr aber irdenen oder steinernen Gefäßes. In Scherben zerfallen, zerbrechen. Sprichw. an den Scherben siehet man, was am Hafen oder Topfe gewesen ist. In der Deutschen Bibel lautet es beständig im männlichen Geschlechte der Scherbe, so wie es im Oberdeutschen in eben demselben Geschlechte der Scherben heißt; indessen ist im Hochdeutschen das weibliche Geschlechte das gangbarste. Es stammet von scheren ab, so fern es theilen überhaupt, und zerbrechen besonders bedeutet; indessen kann es seyn, daß in der heutigen engern Bedeutung der verwandte Begriff der Schärfe mit eintritt, indem dergleichen Bruchstücke gemeiniglich scharf sind. In einer alten Chronik bey dem Frisch heißt es: es habe Steine und Scherben gehagelt, ohne Zweifel starke Hagelstücke. Mit einem andern Endlaute heißt eine Scherbe im Nieders. Schaart, im Angels. Sceard, im Engl. Shard, gleichfalls von scheren, theilen. ( S. Scharte und Scharf.) 2) Des hohlen Raumes, wo verschiedene Arten von hohlen Gefäßen hin und wieder unter dem Nahmen der Scherben bekannt sind. Die Seifenscherbe ist in einigen Gegenden ein kleines oft halb rundes Gefäß, die Handseife darin zu verwahren; vielleicht nur, so fern es oft ein Bruchstück eines zerbrochenen andern Gefäßes ist, welches auch von den Probierscherben gilt. Indessen ist in andern Fällen die Bedeutung eines Gefäßes erweislicher, aber alsdann ist es, selbst im Hochdeutschen, im männlichen Geschlechte am üblichsten, der Scherben, und in manchen Gegenden sagt man auch mit einem andern Endlaute der Scherbel oder Schirbel. Die Blumenscherbe, noch häufiger der Blumenscherbel, ein irdenes oder porzellänenes Gefäß, Blumen darein zu pflanzen, welches man sonst auch einen Asch, oder einen Topf zu nennen pflegt. Das Nachtgeschirr oder der Nachttopf ist im Oberdeutschen unter dem Nahmen des Nachtscherbens, oder auch nur des Scherbens schlechthin am bekanntesten. Daß sich diese Bedeutung des hohlen Raumes aus der eigentlichen Bedeutung des Zeitwortes scheren sehr füglich herleiten lasse, erhellet aus 1 Schar.


Scherbel (W3) [Adelung]


Der Scherbel, des -s, plur. ut nom. sing. S. das vorige.


Scherben (W3) [Adelung]


Der Scherben, des -s, plur. ut nom. sing. S. eben daselbst.


Scherben (W3) [Adelung]


Scherben, mehrere zusammen genommene Theile in lange, schmale Stücke zerschneiden, S. Schärben.


Scherbenkobalt (W3) [Adelung]


Der Scherbenkobalt, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, eine Art des Kobaltes, oder des dichten gediegenen Arseniks, welcher eine halb metallische, blätterige Gestalt, und auf dem frischen Anbruche eine weißblaue, glänzende Farbe hat; Cobaltum testaceum, bey den Bergleuten Schirbenkobalt. Er hat den Nahmen wegen seines blätterigen Gewebes, weil er aus lauter Schalen oder Scherben zusammen gesetzt zu seyn scheinet.


Scherbenkuchen (W3) [Adelung]


Der Scherbenkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein runder, hoher, inwendig hohler Kuchen, welcher in einem Scherben, d. i. in einer thönernen Form gebacken wird; im gemeinen Leben Scherbelkuchen, Schirbelkuchen. S. Aschkuchen.


Scherbennelke (W3) [Adelung]


Die Scherbennelke, plur. die -n, bey den Liebhabern der Blumen, die schönsten und edelsten Arten von Nelken, welche in Blumenscherben oder Blumentöpfen gezogen werden, und daher auch Topfnelken heißen.


Scherboth (W3) [Adelung]


Das Scherboth, des -es, plur. die -e, in der Seefahrt, besonders an den Schwedischen Kästen, kleine, bewaffnete Bothe oder Schaluppen, welche in den Scheren oder den Seeklippen vor Stockholm die Einfahrt decken.


Schere (W3) [Adelung]


Die Schere, plur. die -n, Diminut. das Scherchen, Oberd. Scherlein, ein Wort, welches nach Maßgebung des Zeitwortes scheren in verschiedenen Bedeutungen vorkommt, welche sich doch insgesammt in der Bedeutung des Theilens und Spaltens vereinigen. 1) In der Ostsee und einigen Gegenden der Nordsee werden die Klippen, oder schroffen und scharfen Felsen in der See, besonders so fern sie sich vor und an den Küsten befinden, Scheren genannt. Es ist hier eigentlich ein aus dem Schwed. Skär, eine solche Klippe entlehntes Wort, welches durch die Schifffahrt auch im Deutschen üblich geworden, weil es außer dem jetzt gedachten Falle wenig gebraucht wird. Es stammet ohne Zweifel von scheren, reißen, brechen, schneiden, ab, so daß es mit Klippe gleichbedeutend ist, und einen abgerissenen, gespaltenen Fels bedeutet, wozu denn freylich auch noch der Begriff der Schärfe kommt, weil dergleichen abgerissene Stücke gemeiniglich selbst scharf und schneidend sind. Indessen ist es hier nicht bloß den nördlichen Sprecharten eigen. Die Insel Scyrus im Ägäischen Meere hat diesen Nahmen ihrer schroffen, abgerissenen Gestalt zu verdanken im Französ. ist Escore ein steiles, abgerissenes Ufer, Angels. Carr, Engl. Shore, die Küste. Indessen scheinet in andern Fällen auch der Begriff der Höhe, und in andern der Härte, vorzustechen. Im Span. ist Sierra der Rücken eines Berges, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Fels oder Stein, und im Wallis. Carreg ein jeder Stein. (Siehe 1 Schar.) 2) Ein gespaltenes in zwey Arme getheiltes Ding wird noch in vielen Fällen eine Schere genannt; in andern heißt es ein Kloben. So ist der gespaltene Kloben einer Wage, worin der beweglich Wagebalken schwebt, in vielen Gegenden auch unter dem Nahmen der Schere bekannt; in andern heißt der Kloben, das Wagegericht. Das eiserne Beschlage an den Sperrleisten in der Landwirthschaft heißt in eben dieser Rücksicht die Schere. Die Bettschere ist in manchen Gegenden ein solches aus zwey Armen bestehendes Holz an den Wiegen oder Betten der Kinder, welches verhindert, daß nichts aus denselben heraus falle. An dem hintern Gestelle eines Feld- und Leiterwagens ist die Schere das, was an dem vordern Wagen die Arme sind, nur daß jene sich mit ihren beyden Armen in der hintern Achse endiget; in Niedersachsen wird diese Schere, das Spreit oder Spriet genannt, von spreitzen. Auch die Töpfer haben eine Schere, welches gleichfalls ein gespaltenes Holz ist, über welchem sich die Scheibe mit dem Thone umdrehet, damit sie horizontal bleibe. Die Schere der Mäurer bestehet in zwey über das Kreuz zusammen gebundenen Bretern, die Rüstbäume dadurch in die Höhe zu richten. Und so in andern Fällen mehr, wohin allem Ansehen nach auch die Krebsscheren gehören, obgleich hier auch der Begriff des Schneidens oder Zwickens mit eintritt. 3) Besonders wird ein aus zwey an einander befestigten, aber zugleich beweglichen Armen bestehendes, schneidendes Werkzeug die Schere genannt, da es denn sehr viele Arten derselben gibt; z. B. Schneiderschere, Papierschere, Blechschere, Tuchschere, Schafschere, Licht- oder Putzschere u. s. f. Eine solche Schere heißt schon im Schwabenspiegel ain Schaer. Da dieses Werkzeug gleichfalls aus zwey Armen bestehet, so scheinet dessen Benennung ebenfalls daher zu rühren, obgleich auch der Begriff des Schneidens mit in Betrachtung kommen kann. Im Wendischen heißt eine Schere im Plural Skarje, und da wird ein Arm oder eine Hälfte derselben Skar genannt, wo der Begriff des Schneidens augenscheinlich der herrschende ist. Im Schwed. ist Skära die Sichel. S. 3 Schar.

Anm. Gottsched wollte dieses Wort in der ersten Bedeutung Schäre und in der dritten Scheere geschrieben wissen. Die zweyte war ihm vermuthlich unbekannt, sonst würde er ihr vermuthlich die Schreibart Schere oder Schehre eingeräumet haben. Wie unetymologisch dieses ist, darf nicht erst erinnert werden. Selbst die Schreibart Scheere ist neu, aber eben so unnöthig. Man hat dieses Wort mit allen seinen Verwandten von je her Schere und scheren geschrieben. Wäre ja eine Veränderung nöthig, so könnte man Schäre und schären empfehlen, wohl diese Schreibart der Aussprache am nächsten kommt. S. 1 Schar und Scheren.


Schereisen (W3) [Adelung]


Das Schereisen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art eines Hufeisens, welches wie eine Schere aus zwey beweglichen Theilen bestehet, so daß es vermittelst einer Schraube zu großen und kleinen Hufen gebraucht werden kann.


Scheren (W3) [Adelung]


Scheren, verb. irreg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt; ich schere, du scherest, vulg. schierst, er scheret, vulg. schiert; Imperf. ich schor, Conj. ich schöre; Mittelw. geschoren; Imperat. schere, vulg. schier. Es ist in vielen dem Anscheine nach sehr verschiedenen Bedeutungen üblich, welche doch insgesammt darin überein kommen, daß sie Handlungen bezeichnen, welche ursprünglich mit einem und eben demselben Laute oder Schalle begleitet waren. Das Stammwort, oder vielmehr der Stammlaut ist wie bey allen Wörtern eine Interjection, hier aber der Laut schar oder scher, woraus vermittelst der gewöhnlichen Endsylben der Zeiten und Personen das Zeitwort scheren gebildet ist. Bey 1 Schar ist bereits das nöthigste von den mancherley Bedeutungen dieses Wortes und ihrer Verbindung unter sich gesagt worden, daher ich hier desto kürzer seyn, und nur dasjenige anführen darf, was das Zeitwort unmittelbar betrifft. Scheren ist eine unmittelbare Nachahmung eines gewissen Lautes, daher es ehedem auch von der Stimme, Sprache und ihren Arten gebraucht wurde. Bey dem Notker ist Sceronne das Geschrey, Jubelgeschrey. Der Lat. Sermo, serere in asserere, disserere u. s. f. ist nebst andern schon bey 1 Schar gedacht worden. Allein es bezeichnet noch verschiedene andere mit einem ähnlichen Schalle verbundene Handlungen, welche wieder allerley Unterabtheilungen in Ansehung ihrer Geschwindigkeit, Heftigkeit, Leichtigkeit, Richtung u. s. f. leiden. 1. Den Ort schnell verändern; in welcher Bedeutung es im Niederdeutschen ein Neutrum ist. Der Schuldiger scheret, ein Niederdeutsches Sprichwort, wer fliehet, gibt sich schuldig. Im Hochdeutschen ist es hier nur als ein Reciprocum üblich, wo es aber auch nur in den gemeinen und niedrigen Sprecharten gebraucht wird. Scher dich weg, mache dich fort. So auch scher dich her. Kannst du dich nicht hinaus scheren? Wirst du dich bald hinein scheren? Scher dich aus dem Wege! Ich will mich fortscheren. Warum schorest du dich nicht hin? Obgleich die übrigen Zeiten und Arten außer dem Infinitiv und Imperativ seltener vorkommen. In einigen Gegenden gebraucht man es auch in der thätigen Gattung für jagen. Jemanden hinaus scheren, hinaus jagen; Engl. to scare. In den Hochdeutschen gemeinen Sprecharten gebraucht man dafür das Intensivum scherchen und schürchen. Die Niederdeutsche Mundart gebraucht dieses Wort noch in einem weitern Umfange. Die Wolken scheren daselbst, wenn die untern Wolken schneller fortziehen, als die obern, wo aber auch die folgende Bedeutung des Theilens Statt findest. Hefenscher sind daselbst einzelne schnell laufende Wolken, welche die Sonne eine Zeit lang verdunkeln, wo sich aber auch der Begriff des Schauers, der Verdunkelung, Verdeckung annehmen läßt. Eben daselbst bedeutet es auch, sich schwebend hin und her bewegen. Die Störche scheren, wenn sie langsam in der Luft hin und her ziehen. Daher wird auch eine Art Meven, welche einen schwebenden Flug hat, daselbst Scherke genannt. Auf Schlittschuhen nach beyden Seiten in halben Zirkeln ausschweifen, heißt gleichfalls scheren, und auch im Engl. ist to sheer seitwärts streichen, von Schiffen. Frisch und Wachter sehen diese ganze Bedeutung als eine Figur der folgenden den Bedeutung der Theilung an; allein es ist hier ohne Zweifel eine unmittelbare Onomatopöie und allem Ansehen nach eine der ersten und ältesten Bedeutungen dieses Wortes. Unser schier, so fern es hurtig bedeutet, ist nahe damit verwandt, und ohne Zischlaut gehören auch das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, wandern, reisen, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - reisen, vielleicht auch das Lat. intensive currere und unser hurtig dahin. 2. Heftig und schnell bewegen; eine im Ganzen veraltete Bedeutung, welche aber doch noch einige Überbleibsel zurück gelassen hat. 1) * Als ein Neutrum, lustige, spaßhafte Bewegungen machen, und im weitern Verstande scherzen; eine veraltete Bedeutung. Im Österreichischen ist pakschierig noch possierlich. Kero übersetzt Scurrilitas durch Skerin, Skeru, im Engl. ist to jeer scherzen, spotten. Das Lat. Scurra und unser Scherz und Schurk gehören allem Ansehen nach auch zu dieser Verwandtschaft. 2) Als ein Activum. (a) Jemanden scheren, im gemeinen Leben, ihn schrauben, aufziehen. Mancher will geschoren seyn. Und wer nicht schiert, der wird geschoren, So bald er nur den Rücken dreht, Günth. Frisch und Wachter sehen diese Bedeutung sehr unwahrscheinlich als eine Figur von scheren, tondere, an, weil die Abscherung der Haare ehedem eine verächtliche Strafe war. Im Engl. ist Scorn und im Ital. Scherno Verspottung. (b) Jemanden scheren, ihn ohne Noth und Nutzen, gleichsam nur zur Lust plagen und beunruhigen; auch nur in den gemeinen Sprecharten, eigentlich auch, ihn zur Lust gewaltsam hin und her stoßen, wenn es hier nicht vielmehr durch den harten Zischlaut aus sehr und sehren in versehren gebildet ist. Die Unterthanen scheren, sie plagen, drücken. Laß mich damit ungeschoren, ungeplagt. Ich bin mit ihm geschoren, geplaget. Ingleichen in weiterm Verstande. Das schert (im gemeinen Leben schiert) mich nichts, das bekümmert mich nicht. Was schiert das dich? was bekümmert das dich? Sich um etwas scheren, bekümmern. Alle nur in den niedrigen Sprecharten. Die Schererey ist daselbst eine Sache, welche uns unnöthige verdrießliche Mühe macht. Der ehemahligen Schoristen auf den Universitäten, welche die neu ankommenden zu plagen sich berechtigt hielten, gedenkt Frisch. In den gemeinen Sprecharten hat man in dieser und der vorigen Bedeutung das Iterativum schurigeln, S. dasselbe. 3. Reißen, schneiden, spalten, theilen u. s. f. eine gleichfalls sehr alte Bedeutung, zu welcher Scharte, Scherbe, Scherf, Sarter, Zerter, zerren, scharf, schürfen, das Lat. Serra, das Schwed. skära, hauen, schneiden, das alte Franz. scirer, in dem heutigen dechirer, und ohne Zischlaut kerben, der Gehren das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Heb. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - u. a. m. gehören. Überhaupt findet man es von allen Arten des Theilens, Schneidens, Verletzens u. s. f. bey welchen ein diesem Worte angemessener Laut gedacht werden kann. ( S. Schere.) Im Deutschen kommt es besonders in folgenden Fällen vor. 1) * Essen und fressen, als ein Neutrum; doch nur in einigen Niederdeutschen Gegenden z. B. in Dithmarsen. Wacker scheren können, wacker essen. Das Vieh schert die Wiese, wenn es selbige kahl frißt. 2) Mähen, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, besonders von dem Abmähen des Grases. Daher sind in einigen Gegenden einschürige, zweyschürige Wiesen, welche des Jahres Ein Mahl oder zwey Mahl gemähet werden können. Im Schwed. ist skära gleichfalls mähen, Skära die Sichel, und Skörd die Ernte. 3) Mit einem Messer horizontal über eine Fläche wegfahren, um die hervorstehenden Haare, Wolle u. s. f. wegzunehmen; wo die Onomatopöie unläugbar ist. Mit dem Schermesser scheren. Sich den Kopf kahl scheren lassen. Vom Barte, den Bart scheren, ist es nur in den niedrigen Sprecharten üblich, so wie die meisten davon herrührenden Zusammensetzungen und Ableitungen, z. B. Bartscherer, Scherbecken u. s. f. In den anständigern Sprecharten gebraucht man dafür die ausländischen barbieren und rasieren. Sich eine Platte scheren lassen. Figürlich doch auch nur in den niedrigen Sprecharten: ich weiß nicht wie ich da geschoren bin, wie ich in diesem Falle daran bin; der Wirth schert oder schiert seine Gäste, wenn er sie zu viel bezahlen läßt. In dieser Bedeu- tung schon bey dem Kero intensive skerran, wo Skurt auch die Tonsur ist, bey dem Stryker schern, im Engl. to shear, im Nieders. gleichfalls scheren. 4) Mit der Schere auf ähnliche Art horizontal über eine Fläche fahren, um alle hervor stehende weichere Theile an derselben wegzunehmen. Sich den Kopf kahl scheren, wenn es auf diese Art mit der Schere geschiehet. Jemanden über den Kamm scheren, bedeutete ehedem, wie es in den alten Deutschen Sprichwörtern erkläret wird, jemanden unter dem Scheine der Liebkosung, der Schmeicheley, zu schaden suchen. Aber, alle über Einen Kamm scheren ist noch jetzt im gemeinen Leben, alle auf einerley Art behandeln, einem wie dem andern begegnen. Einen Hund scheren, ihm mit der Schere die Haare nahe an der Haut wegnehmen. So auch, die Schafe scheren. Er hat sein Schäfchen geschoren, sagt man von jemanden, der bey einer Sache seinen Vortheil gemacht hat. Auch das Beschneiden der Hecken mit einer großen Schere wird das Scheren genannt; wenigstens sagt man im Mittelworte geschorne Hecken. Wenn die wollenen Tücher von dem Stuhle des Webers kommen, so werden sie von dem Tuchscherer mit der großen Tuchschere geschoren, wozu eigentlich eine dreyfache Arbeit gehöret, deren jede ihren besondern Nahmen hat. Das erste Mahl, da sie geschoren werden, heißt, bärteln oder zu halben Haaren scheren. Hierauf weicht der Tuchmacher sie wieder ein, und kartet sie mit scharfen Karten, damit sie dicke Haare bekommen, worauf sie denn zum zweyten Mahle dem Tuchscherer in die Hände kommen, um sie im engsten Verstande zu scheren. Hierauf werden sie gefärbt, an dem Nahmen getrocknet, und endlich ausgeschoren. 5) * Theilen, einen Unterschied machen, ausnehmen; lauter im Hochdeutschen veraltete Bedeutungen, welche aber noch in einigen Provinzen vorkommen. Im mittlern Lat. ist carrire theilen, und im Lettischen skirru absondern, wohin ohne Zischlaut auch das Lat. Intensivum secernere gehöret. Wer da wollde scheren, einen Unterschied machen, in einer alten Reim-Chronik in den Script. Brunsu. nach dem Frisch. Dar quomen gegen de Oster Heren Unde begonden sek dar scheren, sich zu theilen, ebend. Ausscheren ist daselbst eine Ausnahme machen. Im Niedersächsischen ist scheren und schoren noch jetzt scheiden, absondern, durch eine Zwischenwand theilen, daher Schorels daselbst eine solche breterne Zwischenwand, und Schorten abgetheilte Fächer bedeutet. Eben daselbst ist scheren und schieren auch zutheilen, und Schierung ein zugetheiltes Ding, ein zuerkannter Theil, besonders das jemanden zur Unterhaltung zugetheilte Stück eines Deiches. Unser bescheren hat diese Bedeutung gleichfalls noch. 4. Ausspannen, besonders von Seilen, Fäden u. s. f. welche Bedeutung von dem Begriffe der Bewegung und Ausdehnung in die Länge abstammet, und womit das Latein. Series verwandt ist, ( S. 2 Schar). Eine Linie, ein Seil scheren, heißt noch durch ganz Niedersachsen, ein Seil anspannen wo es in manchen Gegenden auch schieren lautet. Die Kattunweber scheren daher, wenn sie von jeder Spule einen einzigen langen Faden oder eine Strähne auf den Scherrahmen aufhaspeln, und in manchen Gegenden wird das Aufziehen des Garnes bey allen Arten der Weber scheren genannt, da denn die Anschere oder Scherung Nieders. Schering, so viel als der Aufzug ist. Ein Tuch ist auf 36 Eilen geschoren, (Nieders. geschiert,) wenn der Aufzug so lang war. Manche Sprachforscher, denen diese allgemeine Bedeutung des Ausspannens unbekannt war, haben diesen bey den Webern üblichen Gebrauch als eine Figur von scheren, theilen, angesehen. S. auch einige der folgenden Zusammensetzungen. Daher das Scheren in allen obigen Fällen. Das in einigen Gegenden übliche Scherung, ein beschiedenes, zugemessenes Theil, ingleichen der Aufzug eines Gewebes, ist nicht das Verbale, son- dern ein eigenes vermittelst der Ableitungssylbe -ing oder -ung gebildetes Hauptwort.

Anm. Dieß sind noch nicht alle die Fälle, in welchen dieses Zeitwort gebraucht wird; in den Mundarten gibt es derer noch mehrere. Dahin gehöret z. B. das Dithmarsische scheren, den Koth von sich geben, und Schor, Koth, und das Österreichische scheren für schaben, daher die kleinen Steckrüben daselbst Scherrübel genannt werden. Unser scharren ist das Intensivum davon, so wie auch scheuern damit verwandt ist. Im Schwed. ist skära gleichfalls reinigen. Die Form du schierst, er schiert, für scherst, schert, ist nur den gemeinen Sprecharten eigen. Überhaupt ist dieses eines von denjenigen Zeitwörtern, welche in ihren Veränderungen und Verwandten durch alle Selbstlaute durchgehen, zu einem deutlichen Beweise, daß diese in sehr vielen Fällen für völlig gleichbedeutend gehalten werden; die Schar, scheren, scheuern, du schierst, Nieders. schieren, geschoren, Schur; Feuer schüren. Von der Schreibart scheeren ist schon bey Schere etwas gesagt worden.


Scherenassel (W3) [Adelung]


Die Scherenassel, plur. die -n, eine Art Asseln, welche an den Füßen mit Scheren versehen sind; Scolopendra forsicata L.


Scherenschleifer (W3) [Adelung]


Der Scherenschleifer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher die stumpf gewordenen Scheren, Messer u. s. f. schleift.


Scherer (W3) [Adelung]


Der Scherer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schererinn, eine Person, welche scheret, doch nur in dem dritten und vierten Falle der dritten Bedeutung des Zeitwortes scheren. Ein Schaf das verstummet für (vor) seinem Scherer, Es. 53, 7. Fleisch, das ich für meine Scherer geschlachtet habe, 1 Sam. 25, 11. In dem gewöhnlichen Sprachgebrauche ist es nur in den Zusammensetzungen Tuchscherer, Schafscherer, Feldscherer u. s. f. üblich.


Schererey (W3) [Adelung]


Die Schererey, plur. die -en, von Scheren 2 2) doch nur in den gemeinen Sprecharten, so wohl für Plackerey, muthwillige Bedrückung, als auch verdrießliche Mühe, und eine Sache, welche uns unnütze und verdrießliche Mühe macht. Viele Schererey mit etwas haben, viele verdrießliche Mühe. Das macht viele Schererey.


Scherf (W3) [Adelung]


Der Scherf, des -es, plur. die -e, Diminut. das Scherfchen, Oberd. Scherflein, eine noch in einigen Gegenden übliche Münzsorte, welche die kleinste unter allen Münzen ist, und zuweilen für einen Häller genommen wird, an manchen Orten aber noch weniger als ein Häller ist. Luther übersetzte Marc. 12, 42, und Luc. 12, 59, Kap. 21, 2, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - durch Scherflein. Es ist diese Münze noch im Lüneburgischen üblich, wo 2 2/3 Scherf einen Pfennig, 8 einen Witten, 788 aber einen Thaler machen. Zu Mathesii Zeit machten zehn Scherf im Erzgebirge einen Kreuzer.

Anm. Es scheinet ursprünglich ein jedes Stück bedeutet zu haben, und mit Scherbe gleichbedeutend gewesen zu seyn, vermuthlich, weil diese Scherfe anfänglich nur kleine unförmliche Stücke eines dünn geschlagenen Metalles waren. Das Schwed. Skärf bedeutet gleichfalls so wohl ein Stück, einen Splitter, als auch die kleinste Münzsorte. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, auch eine Art der kleinsten Münze, stammet gleichfalls von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schneiden, her. Noch wahrscheinlicher wird diese Bedeutung aus Hickesii Beobachtung, welche versichert, daß die Angelsächsischen Münzen so eingerichtet gewesen, daß man sie leichtlich in vier Theile habe brechen können, da denn vermuthlich ein solcher Theil eigentlich ein Scherf geheißen. S. Ihre Glossar. v. Saarfwa.


Scherflocke (W3) [Adelung]


Die Scherflocke, plur. die -n, S. Scherwolle.


Schergabel (W3) [Adelung]


Die Schergabel, plur. die -n, bey den Tuchmachern, eine hölzerne Gabel, deren sie sich bey dem Scheren oder Aufziehen bedienen. S. Scheren 4.


Schergang (W3) [Adelung]


Der Schergang, des -es, plur. die -gänge, auf den Schiffen der äußere Gang um das Schiff; ingleichen die langen Balken, welche dem Schiffe oben seine gehörige Gestalt geben helfen. In beyden Fällen vielleicht von scheren, theilen, abtheilen, oder auch von dem veralteten scheren, sich in die Länge erstrecken. S. Scheren 4, und 1 Schar.


Schergarn (W3) [Adelung]


Das Schergarn, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, bey verschiedenen Arten der Weber, dasjenige Garn, welches den Aufzug eines Gewebes ausmacht; die Scherung, Anschere, der Aufzug, die Kette, das Werft, der Zettel.


Scherge (W3) [Adelung]


Der Scherge, des -n, plur. die -n, ein jeder obrigkeitlicher Bedienter, welcher die ihm Untergebenen zu ihrer Pflicht anhält; in welchem Verstande es ehedem von Amtleuten, Vögten, und andern Finanz-Bedienten, selbst über ganze Provinzen, gebraucht wurde, welche die landesfürstlichen Einkünfte von den Einwohnern eintrieben. Philopator wird in königlichen Ehren sitzen, wie ein Scherge, Dan. 11, 20. Frisch führet mehrere Beyspiele von dieser jetzt veralteten Bedeutung an, indem das Wort gegenwärtig nur noch von den niedrigsten Bedienten der Polizey und der Gerechtigkeit, d. i. von den Gerichtsknechten, Stadtknechten, Häschern, ja auch wohl von den Henkersknechten gebraucht wird, im Hochdeutschen aber mehr in Schriften, als in der Sprache des täglichen Umgangs üblich ist. In diesem Verstande kommt es schon im Schwabenspiegel Kap. 149 vor. So haben ihn des Satans Schergen Mit schweren Fesseln eingeschränkt, Gryph.

Anm. Vermuthlich gehören auch das Engl. Sherif, das Franz. Sergent, und das mittlere Lat. Circa, die Ronde, Nachtwache und ein Wächter dahin, obgleich das letztere gemeiniglich von dem Lat. circa und circumire, ( S. Schar und Scharwache,) das mittlere aber von servicus hergeleitet wird. Unser Scherge stammet von dem noch in den gemeinen Sprecharten Obersachsens, Schlesiens, und anderer Provinzen sehr bekannten schergen, scherchen, schirgen u. s. f. her, welches das Intensivum von scheren ist, um so wohl im Neutro heftige Bewegungen machen, als auch active, heftig bewegen bedeutet, ( S. 1 Schar und Scheren). Nach einer sehr gewöhnlichen Figur wird es hernach von verschiedenen Handlungen gebraucht, welche mit einer heftigen Bewegung verbunden sind. Bey einigen alten Oberdeutschen Schriftstellern ist scurgan schieben, stoßen. Sy sahin ynen intgegen schurgin Die Lut von denen dreyen Burgin, Jeroschin. bey dem Frisch. Den Tisch an die Wand schergen, schieben. Figürlich ist schergen, scherchen, schirgen, anschergen, noch in den gemeinen Sprecharten Meißens antreiben, durch Aufmunterung und Zuspruch befördern. Da war ich ein Ochse, daß ich nicht genug schob und schergete, Weiße. Anschergen, antreiben, in Schlesien anschirgen, wo auch schirgen, schürgen, sich fördern, eilen ist. Von dieser Bedeutung des Antreibens und Eintreibens stammet das Hauptwort Scherge in beyden Bedeutungen her. Dem Lat. urgere fehlet nur der Zischlaut.


Scherglied (W3) [Adelung]


Das Scherglied, des -es, plur. die -er, im Bergbaue, ein eiserner an beyden Seiten gekrümmter Haken, die eisernen Ketten, wenn sie etwa springen, in der Geschwindigkeit an einander zu hängen; der Seilhaken. Ohne Zweifel, weil dieses Glied gespalten ist, damit es in der Geschwindigkeit eingehängt werden kann, daher es auch der Kloben, das Klobenglied, der Klobenring genannt wird. S. Scheren 3 5).


Scherhaare (W3) [Adelung]


Die Scherhaare, sing. inus. abgeschorne Haare. Besonders werden bey den Tuchscherern die ersten Abschnittlinge des geschornen Tuchs Scherhaare genannt.


Scherhaken (W3) [Adelung]


Der Scherhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein krummer Haken, womit die Tuchscherer das Tuch auf dem Schertische befestigen, damit es unter dem Scheren fest liege.


Scherhorn (W3) [Adelung]


Das Scherhorn, des -es, plur. die -hörner, ein Nahme, welchen in einigen Gegenden das Ammons-Horn führet; vermuthlich von scheren, theilen, weil es in viele Fächer getheilet ist.


Scherkasten (W3) [Adelung]


Der Scherkasten, des -s, plur. ut nom. sing. bey einigen Webern, ein Kasten, worin die zur Anschere bestimmten Spulen in verschiedenen Reihen über einander befestiget sind. S. Scheren 4, und Scherküfe.


Scherke (W3) [Adelung]


Die Scherke, plur. die -n, in einigen Niedersächsischen Gegenden, eine Art kleiner Meven, welche einen langsamen, schwebenden Flug hat. S. Scheren 1, und Meve, Anm.


Scherkind (W3) [Adelung]


Das Scherkind, des -es, plur. die -er, ein Nahme, welchen bey den Tuchscherern ihre Gesellen führen.


Scherküfe (W3) [Adelung]


Die Scherküfe, plur. die -n, bey den Tuchmachern, das, was der Scherkasten bey den Kattunwebern ist. Verderbt lautet dieses Wort bey ihnen auch Scharkübe. Diese Scherküfe oder Scherkufe hat vier Scherlatten, deren mittelste sich in dem Scherklötzchen drehet. Alles von scheren, aufziehen, ausspannen, S. Scheren 4.


Scherleine (W3) [Adelung]


Die Scherleine, plur. die -n, auf den Schiffen, kleine Leinen, welche sich in zwey oder mehr Enden theilen. Von scheren, spalten, theilen.


Scherm (W3) [Adelung]


Der Scherm, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, die Fläche, eines Ganges, und zwar so wohl die hangende als liegende, d. i. die obere und untere. Vermuthlich verderbt für Schirm, so fern es in der weitesten Bedeutung eine Decke, und statt des Daches dienende Fläche bedeutet.


Schermesser (W3) [Adelung]


Das Schermesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Messer, damit zu scheren; das Barbiermesser, bey dem Notker Scarsahs, S. Scheren 3 3).


Schermühle (W3) [Adelung]


Die Schermühle, plur. die -n, bey den Seidenwebern, eine Mühle, worauf die zur Anschere, d. i. zu dem Aufzuge, bestimmte Seide, geschoren, oder ausgespannt wird. S. Scheren 4, und Scherrahmen.


Scherpche (W3) [Adelung]


Die Scherpche, Scherpe, Scherpke, ein Nahme, welchen in einigen gemeinen Mundarten verschiedene Beeren, und die Stauden, auf welchen sie wachsen, führen. 1) Die Vogelkirsche, Prunus Padus L. welche auch Patscherpe, Scherpchenpapst und Scherkenholz genannt wird. Engl. Bird Cherry. 2) Die Faulbeere, Rhamnus frangula L. 3) Die Mehl- oder Schlingbeere, Viburnum Lantana L. welche gleichfalls Scherpke, Patscherpe, Petscherpe, Schergenpapst heißt. Wenn dieses Wort nicht Wendischen Ursprunges ist, wie es das Ansehen hat, so scheinet es mit Sorbus verwandt zu seyn, obgleich dieses jetzt eine andere Art von Beeren bezeichnet.


Scherpe (W3) [Adelung]


2. Die Scherpe, oder der Scherpen, des -s, plur. car. in einigen Gegenden der Lausitz und Obersachsens, ein Nahme eines Halbbieres, welches aus dem andern Aufgusse auf die übrig gebliebenen Trebern bereitet wird. Frisch leitet es seltsam genug von Scherf her, weil es sich gegen das stärkere Bier wie der Scherf gegen gröbere Münzsorten verhält. Es scheinet vielmehr Wendischen Ursprunges zu seyn, vielleicht von czerpam, schöpfen.


Scherrahmen (W3) [Adelung]


Der Scherrahmen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Kattunwebern, ein großer Haspel, die Anschere darauf von den Spulen zu haspeln. Bey den Seidenwebern heißt er die Schermühle, S. dieses Wort.


Scherschwanz (W3) [Adelung]


Der Scherschwanz, des -es, plur. die -schwänze, Dimin. das Scherschwänzchen, Oberd. das Scherschwänzlein, eine Art Falken mit lehmgelben Füßen, einem schwarzen Schnabel, und einem geschornen, d. i. getheilten Schwanze; Falco cauda Klein. S. Scheren 3 5).


Schertanz (W3) [Adelung]


Der Schertanz, des -es, plur. die -tänze, im Niedersächsischen, eine Art Tänze, bey welchem die Tanzenden in das Kreuz und in die Quere durch einander gehen, von scheren, sich langsam hin und her bewegen. S. Scheren 1.


Schertisch (W3) [Adelung]


Der Schertisch, des -es, plur. die -e, bey den Tuchscherern, ein Tisch, auf welchem die Tücher geschoren werden.


Scherung (W3) [Adelung]


Die Scherung, plur. die -n, S. Scheren.


Scherwenzel (W3) [Adelung]


Der Scherwenzel, des -s, plur. ut nom. sing. in einem noch auf dem Lande in Deutschland, Pohlen, Schlesien, Böhmen u. s. f. üblichen Kartenspiele, der Untere in allen Farben, welcher zu sehr vielerley Verrichtungen gebraucht wird, daher auch das ganze Spiel Scherwenzel, und dasselbe spielen scherwenzeln heißt. Die ähnlichen Spiele Trischak, und auf dem Lande in Sachsen Grobhäuser, sind noch davon verschieden. Auch ein geschäftiger und zugleich willfähriger Mensch, welcher sich zu allem gebrauchen läßt, wird im gemeinen Leben häufig ein Scherwenzel genannt, daher auch eine Arzeney, oder ein jedes anderes Ding, dessen man sich aus Gewohnheit in mehrern verschiedenen Fällen bedienet, diesen Nahmen führet. Die letzte Hälfte dieses in allen Wörterbüchern übergangenen, obgleich sehr bekannten Wortes, scheinet der eigenthümliche Nahme Wenzel zu seyn, oder auch von wenden in der weitern Bedeutung herzustammen. Die erste Hälfte gehöret unstreitig zu Schar in Scharwerk, oder zu scheren, in der ersten veralteten Bedeutung der schnellen Bewegung, indem man unter Scherwenzel doch eigentlich eine ausrichtige, geschäftige Person verstehet, welche sich in allen vorkommenden Fällen zu wenden und zu drehen weiß. S. Wenzel.


Scherwolle (W3) [Adelung]


Die Scherwolle, plur. car. abgeschorne Wolle. So könnte man diejenige Wolle, welche von lebendigen Schafen geschoren worden, Scherwolle nennen, im Gegensatze der Kaufwolle. Am üblichsten aber ist es von derjenigen Wolle, welche die Tuchscherer von den gewebten Tüchern scheren, und welche auch Scherflocken genannt wird.


Scherz (W3) [Adelung]


Der Scherz, des -es, plur. die -e, eine Rede oder Handlung, welche andern zu anständigen Belustigungen dienet, wodurch sich der Scherz von der Posse u. s. f. unterscheidet. Ehedem wurde dieses Wort von allen zur Belustigung seiner und anderer vorgenommenen Handlungen gebraucht, und da war der Scherzhof eine zu Ritterspielen veranstaltete Zusammenkunft, ein Scherzfeuer ein Luftfeuer u. s. f. Jetzt ist es, wenigstens, im Hochdeutschen, von einer witzigen Rede am üblichsten, welche andern zur anständigen Belustigung dienen, andere zum Lachen bewegen soll. Ein glücklicher, feuriger, frostiger, matter Scherz. Einen Scherz vorbringen, sagen, machen. Er hat vielleicht einen Scherz machen wollen, den du übel verstanden hast, Gell. Einen Scherz aus etwas machen, es als einen Scherz erklären. Seinen Scherz mit jemanden haben, ihn zum Gegenstande des Scherzes gebrauchen. Sich auf den Scherz verstehen, die Kunst geschickt zu scherzen verstehen; aber Scherz verstehen heißt einen Scherz als Scherz aufnehmen. Wer andre necken kann, muß wieder Scherz verstehn, Gell. Scherz treiben, für scherzen, ist nur im gemeinen Leben üblich, außer in der figürlichen R. A. seinen Scherz mit etwas treiben, es für einen Scherz halten, es so behandeln, als wenn es bloß eine zur Belustigung bestimmte Sache wäre. Alle Festungen werden ihnen ein Scherz, Hab. 1, 10. Scherz setzet eine anständige Belustigung voraus, Posse eine unanständige, Zote eine unzüchtige, Spaß läßt den Werth unentschieden, wird daher am häufigsten im gemeinen Leben gebraucht. Oft wird der Scherz dem Ernste entgegen gesetzet, und da ist es eine Rede oder Handlung, welche nicht so gemeinet ist, als sie dem ersten Anblicke nach scheinet, sondern nur zu eigener Belustigung dienet. Es ist kein Scherz, sondern Ernst. Oft wird aus dem Scherze Ernst. Scherz bey Seite, ohne Scherz.

Anm. Im Ital. Scherzo, im Böhm. Zert. S. Scherzen.


Scherzel (W3) [Adelung]


Der Scherzel, des -s, plur. inus. eine im Oberdeutschen übliche Benennung des Alpes, vermuthlich von scheren, plagen, S. Alp.


Scherzen (W3) [Adelung]


Scherzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert, da es denn überhaupt solche Handlungen und Bewegungen vornehmen bedeutet, welche keine weitere Absicht haben; als sein Vergnügen, seine Lustigkeit an den Tag zu legen. In diesem Verstande scherzen die Kälber, die Hunde u. s. f., wenn sie sich erlustigen. Die Wallfische scherzen im Meere, Ps. 104, 26. Bey den Dichtern scherzen die Weste um das Laub, umscherzen die Blumen. In engerer Bedeutung scherzet man, wenn man Reden, und in noch engerm Verstande witzige Reden vorbringt, welche zur erlaubten Belustigung unserer und anderer dienen, andere zu einem anständigen Lachen bewegen. Mit einer Person oder Sache scherzen, sie zum Gegenstande seines Scherzes machen. Nicht mit sich scherzen lassen. Damit ist nicht zu scherzen. Über etwas scherzen. Mit einer scherzenden Miene, besser, mit einer scherzhaften. In beyden Fällen oft im Gegensatze des Ernstes. Es war nicht mein Ernst, ich habe nur gescherzet. Ein falscher Mensch geht mit seinem Nächsten betrüglich um, und spricht darnach: ich habe gescherzt, Sprichw. 26, 19. II. * Als ein Activum, für verspotten, verhöhnen. Opitz sagt von einem buhlerischen Frauenzimmer; wie sie durch ihr tägliches Aufnehmen und tägliches Verstoßen andere scherzet, also wird sie von andern wieder gescherzet. Scherze ja den Himmel nicht und die Geduld der Götter, ebend. Wenn hier ein Eselskopf mich den Poeten nennt, Und scherze mich, wie er meynt, ebend. d. i. schimpft, so wie unser heutiges Schimpf ehedem gleichfalls Scherz bedeutete. Wer nicht würdig trinkt und isset, Der scherzt des Herren Leib und Blut, ebend. Im Hochdeutschen ist diese thätige Bedeutung völlig unbekannt, obgleich noch Gleim singt: Da stehen sie die Schönen Um mich und sehn mich an, Und scherzen mich und sagen: Du bist ein alter Mann! So auch das Scherzen.

Anm. Es kommt dieses Wort, so viel ich gefunden habe, weder in unsern ältesten Schriften noch in den sonst verwandten Sprachen vor, außer daß die Italiäner ihr scherzare daher entlehnet haben. Indessen hat es doch das Ansehen eines alten Wortes. Die Ableitungssylbe -zen ist bey vielen Zeitwörtern ein Zeichen eines Intensivi, und allem Ansehen nach ist scherzen ein solches Intensivum von scheren, entweder so fern es überhaupt hurtige, lustige Bewegungen machen, oder auch so fern es aufziehen, verspotten bedeutet, welche Bedeutung wenigstens in dem Activo scherzen unläugbar ist. Merkwürdig ist nur, daß das Intensivum in der anständigsten Bedeutung üblich ist, dagegen scheren bis zum großen Haufen hinab gesunken ist. S. Scheren 2.


Scherzgedicht (W3) [Adelung]


Das Scherzgedicht, des -es, plur. die -e, ein scherzhaftes, Scherze enthaltendes Gedicht, ein Gedicht, welches andere zum erlaubten Lachen bewegen soll.


Scherzhaft (W3) [Adelung]


Scherzhaft, -er, -este, adj. et adv. 1) Einem Scherze ähnlich, in einem Scherze gegründet, zuweilen auch einen Scherz enthaltend. Ein scherzhaftes Gedicht. Ein scherzhafter Ausdruck. Eine scherzhafte Miene. 2) Neigung und Fertigkeit besitzend zu scherzen. Scherzhaft seyn. Ein scherzhafter Mensch.


Scherzhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Scherzhaftigkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Person oder Sache da sie scherzhaft ist; besonders in der zweyten Bedeutung.


Scherzrede (W3) [Adelung]


Die Scherzrede, plur. die -n, eine Rede, welche einen Scherz enthält, eine scherzhafte Rede, ein in Worten vorgetragener Scherz.


Schetter (W3) [Adelung]


Der Schetter, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. in einigen Gegenden, z. B. in Nürnberg, ein Nahme eines jeden steif gemachten Zeuges, besonders der so genannten steifen Leinwand. Im 16ten Jahrhunderte kommen, nach Frischens Bemerkung, Schechter und Scherter in eben derselben Bedeutung eines gesteiften Zeuges, er bestehe nun aus Leinwand oder Seide. Frisch vermuthet nicht unwahrscheinlich, daß der Nahme von dem Geräusche herrühre; welchen ein solcher gesteifter Zeug verursacht; und wirklich ist schettern noch hin und wieder in den gemeinen Sprecharten, ein solcher Geräusch machen und von sich geben. Im Englischen ist um deßwillen shattery locker, dünne. S. Glanzschetter.


Scheu (W3) [Adelung]


Scheu, -er, -este, adj. et adv. einen Gegenstand aus dunkeln und verworrenen Begriffen fliehend, bemüht, sich von einem Gegenstande aus einer verworrenen Vorstellung eines Übels zu entfernen. In diesem ersten und eigentlichen Verstande wird ein Pferd scheu, wenn es vor einem ungewohnten Gegenstande erschrickt und die Flucht ergreift, da es denn in engerer Bedeutung die Fertigkeit oder Gewohnheit bezeichnet, vor jedem ungewöhnlichen Gegenstande zu fliehen. Ein scheues Pferd. Ein Pferd scheu machen. So auch in den Zusammensetzungen menschenscheu, leutescheu, lichtscheu, wasserscheu, feuerscheu u. s. f. Neigung und Fertigkeit habend, die Menschen u. s. f. aus einer auf verworrene Vorstellungen gegründeten Furcht zu fliehen. Ein Eber fragt den Hirsch, was macht dich hundescheu? Haged. Kopfscheu ist eigentlich ein Thier, wenn es sich nicht an den Kopf angreifen läßt, sich scheuet, d. i. sich mit dem Kopfe zu entfernen sucht, so bald man es daran angreifen will. In engerer Bedeutung ist jemand scheu, wenn er aus übler Erziehung, verworrener Vorstellung, die Gemeinschaft anderer, ihren Unterricht u. s. f. zu fliehen sucht. Ihr Väter erbittert eure Kinder nicht, auf daß sie nicht scheu werden, Col. 3, 21. Zuweilen wird es auch in weiterer Bedeutung für schüchtern und furchtsam überhaupt gebraucht. - Er schleicht mit scheuem Blicke Und mehr als dieb'scher Furcht zurücke, Haged. Laß in dein Heiligthum die scheue Muse sehen, Zach.

Anm. Im Niedersächs. schou, im Engl. shy, im Schwed. skygg, im Ital. mit einem andern Endlaute schifo, schivo, schivolo. Ohne Zischlaut ist im Engl. coy spröde. Die schnelle Flucht ist in diesem und den folgenden Worte der herrschende Begriff. S. Scheuen.


Scheu (W3) [Adelung]


Die Scheu, plur. car. welches in doppelter Gestalt gebraucht wird. 1. Als ein Abstractum. 1) Eigentlich, die schnelle Entfernung von einem Gegenstande aus verworrener Vorstellung eines Übels, auch mehr und häufiger aber die Gewohnheit, Neigung und Fer- tigkeit einen Gegenstand aus verworrener Vorstellung eines Übels zu fliehen. Dem Pferde die Scheu benehmen. Besonders in den Zusammensetzungen die Wasserscheu, Menschenscheu, Leutescheu. 2) In weiterer und zum Theil figürlicher Bedeutung ist die Scheu, (a) eine jede Entfernung von einem als ein Übel erkannten Gegenstande. Die zärtliche Gemächlichkeit des Gemüthes ist allemahl mit einer Scheu und Flucht aller unangenehmen Empfindungen verknüpft. (b) * Ein hoher Grad des sinnlichen, d. i. auf dunkele Begriffe gegründeten Widerwillens gegen gewisse Gegenstände; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung für Ekel und Abscheu, in welcher es doch noch in einigen Oberdeutschen Gegenden üblich ist. Eine Scheu gegen etwas tragen. (c) * Furcht überhaupt; eine im Hochdeutschen ungewöhnlich gewordene Bedeutung. Ohne Scheu unter seinem Weinstocke wohnen, Micha 4, 4, ohne Furcht. (d) Abneigung, in jemandes Gegenwart oder mit dessen Wissen etwas ihm Mißfälliges oder etwas Unanständiges zu begehen. Sie thun mir Unrecht ohne Scheu, Ps. 27, 12. Scheu vor jemanden tragen. Keine Scheu empfinden Gott zu beleidigen. Die Einwohner in Otaheiti begatten sich öffentlich ohne Scheu. (e) In noch weiterer Bedeutung wurde es daher ehedem auch für Ehrfurcht überhaupt gebraucht, welche Bedeutung aber im Hochdeutschen veraltet ist, obgleich einige neuere Dichter dieselbe wieder zu erneuern gesucht haben. Wahr ists, ich hätt' es sonst vielleicht vor dir verstecket, Die Scheu befahl mir dieß, Schleg. Und stund Mit ehrfurchtvoller Scheu, Uz. 2. * Als ein Concretum, ein Gegenstand des sinnlichen, d. i. auf dunkle Begriffe gegründeten Widerwillens; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, wofür jetzt Abscheu üblich ist. Alles was Floßfedern und Schuppen hat, soll euch eine Scheu seyn, 3 Mos. 1, 10. Ich bin ein (eine) Scheu meiner Verwandten, Ps. 31, 21. Die Freunde, deren Scheu ich bin, Stehn alle gegen über, Opitz.

Anm. Im Nieders. Schou, im Engl. Shy, im Schwed. Sky, ( S. Scheuen.) Im Oberdeutschen ist dieses Wort männlichen Geschlechtes, der Scheu, welches auch einige Mahl in Luthers Deutscher Bibel vorkommt. Das Volk hatte einen Scheu sich in das Wasser zu begeben, 1 Marc. 16, 6. In dem zusammen gesetzten Abscheu haben wir dieses männliche Geschlecht noch behalten.


Scheuchen (W3) [Adelung]


Scheuchen, verb. reg. act. scheuen machen, d. i. durch Erregung dunkler Begriffe von einem Übel in die Flucht treiben; am häufigsten von Thieren. Abraham scheuchte das Gevögel davon, 1 Mos. 15, 11. Daß Herden daselbst weiden, die niemand scheuche, Es. 17, 2. Hier fliehet dem gescheuchten Rehe, der aufgejagten Gemse gleich, die königliche Tochter Radmus, Raml. Ingleichen für vertreiben, verjagen überhaupt. Was scheucht die Ruh aus deinem Herzen? In einigen Gegenden wird es auch für scheu und schüchtern machen gebraucht. Die Kinder in der Jugend mit dem Knecht Ruprecht scheuchen. So auch das Scheuchen. Anm. Im Ital. mit einem andern Endlaute chifare, im Franz. ehedem eschever. Es ist unnöthig, es mit Frischen von dem Zischlaute sch! sch! womit man im gemeinen Leben das Geflügel zu scheuchen pflegt, abzuleiten. Es ist vielmehr das Intensivum und Activum von scheuen, zumahl da dieses Zeitwort ehedem auch als ein Neutrum für fliehen, meiden gebraucht wurde. Gott alle die verwasse Dur die ich schuichen muosir ir wiplich zartes bilde, Graf Werner von Honberg. In einigen Oberdeutschen Gegenden gehet es irregulär, ich schoch, geschochen. Das Franz. chasser, das niedrige schechten, jagen u. a. m. sind genau damit verwandt. Ein Schreckbild, die Vögel aus den Gärten und dem Getreide damit zu verjagen, wird daher in manchen Gegenden eine Scheuche genannt.


Scheuel (W3) [Adelung]


* Der Scheuel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort für Scheusal. Sie haben aus ihren edlen Kleinodien - Bilder ihrer Greuel und Scheuel gemacht, Hesek. 7, 20. Bildnisse der Würme und Thiere, eitel Scheuel, Kap. 8, 10. Denen, so nach ihres Herzens Scheueln und Greueln wandeln, Kap. 11, 21. Es ist von scheuen gebildet, wie Gräuel von grauen, und bedeutet eine der Scheu oder des Abscheues würdige Sache.


Scheuen (W3) [Adelung]


Scheuen, verb. reg. act. et reciproc. welches eigentlich fliehen bedeutet hat, von welchem jetzt veralteten Gebrauche noch hin und wieder Spuren vorkommen. Bey dem Notker ist das abgeleitete skigtig sin fliehen. Jetzt ist es nur noch in verschiedenen figürlichen Arten des Gebrauches üblich. 1) Eine auf dunkele Vorstellungen gegründete Furcht vor einem Dinge empfinden und sich von demselben zu entfernen suchen; als ein Reciprocum. Das Pferd scheuet sich vor einer Windmühle, das Kind vor dem Ruprecht. In weiterer Bedeutung ist sich scheuen, einen gewissen Grad des Widerwillens, des Ekels, ingleichen der Furcht vor etwas empfinden. Sich scheuen, mit einem andern aus einem Glase zu trinken. Sich vor den Blattern scheuen. Sie scheut sich nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Nahmen derselben, Gell. 2) Als ein Übel zu vermeiden suchen; als ein Activum mit der vierten Endung der Person. Ein gebranntes Kind scheuet das Feuer. Die Kälte, die Arbeit scheuen. Jemandes Umgang scheuen. Das Lichtscheuen. Wo in manchen Fällen auch das Reciprocum gebraucht werden kann. Sich vor der Kälte, vor der Arbeit scheuen. Aber für sich hüthen ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich, obgleich Luther es mehrmahls so gebraucht. Sich vor der Abgötterey scheuen, Sir. 15, 13. Daß sich auch die Höhen fürchten und scheuen auf dem Wege, Pred. 12, 5. Daß ihr vor ihrem Aase euch scheuet, 3 Mos. 11, 11. 3) Aus Achtung Bedenken tragen, etwas jemanden mißfälliges zu begehen, oder den Wohlstand zu verletzen; als ein Reciprocum. Sich vor niemanden scheuen. Ich scheue mich, es zu sagen. Vor wem sollt ich scheuen? Sich scheuen jemanden unter die Augen zu kommen. Zuweilen, obgleich seltener, auch mit der vierten Endung. Thue Recht, scheue niemand. Zuweilen gebraucht man es auch mit der zweyten Endung der Sache: wenn ihr euch auch der Sünde nicht scheuet, so solltet ihr euch der Schande fürchten, Hermes; d. i. wenn ihr euch auch nicht scheuet, die Sünde zu begehen. Daher das Scheuen, noch mehr aber die Scheu.

Anm. Schon bey dem Ottfried sciuhan, der es nicht nur für meiden und vermeiden, sondern auch für fürchten und befürchten gebraucht; tho er nan sciuhen gisah, da er ihn sich fürchten sahe. Bey dem Notker skien, von welcher Form es vermuthlich noch herrühret, daß dieses Zeitwort in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. im Salzburgischen, irregulär gehet, Imperf. ich schieh, Mittelw. geschiehen. Im Nieders. schouen, schuwen, im Engl. to eschew, im Schwed. sky, im Ital. schivare, im Span. esquivar. Ohne Zweifel ist der Begriff des Fliehens, der schnellen Bewegung, der erste und herrschende in diesem Worte, der auch in geschehen, scheinen und andern Verwandten mehr zum Grunde liegt. Ehedem hatte man davon das Intensivum scheutzen, scheußen, sich sehr scheuen, welches mit schießen verwandt ist, und wovon auch unser scheußlich abstammet. S. auch Scheusal.


Scheuer (W3) [Adelung]


Der Scheuer, ein Becher, S. 2 Schauer.


Scheuer (W3) [Adelung]


Die Scheuer, in härtern Sprecharten die Scheure, plur. die -n, ein bedecktes Gebäude, etwas darin vor der äußern Witterung zu verwahren. In diesem Verstande ist noch die Ziegelscheuer ein leichtes Gebäude, worin die Ziegel gestrichen und getrocknet werden. In andern Fällen ist dafür im Hochdeutschen Schauer üblicher; z. B. der Wagenschauer. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Scheuer ein landwirtschaftliches Gebäude, worin das vom Felde abgebrachte Getreide verwahret und ausgedroschen wird. Die Vögel unter dem Himmel sammeln nicht in die Scheuern, Matth. 6, 2. Das Getreide in die Scheuer bringen.

Anm. Schon im Galischen Gesetze Scuria, bey dem Ottfried Shiura, bey dem Tatian Skiura, im Nieders. in der ersten weitern Bedeutung Schur. Der Begriff der Bedeckung und der damit nahe verwandte Begriff des hohlen Raumes ist in diesem Worte der herrschende, daher es mit 2 Schauer und Geschirr zu einem und eben demselben Geschlechte gehöret. Das Franz. Escurie stammet davon ab, so wie dem Latein. horreum und Arab. Horjon nur der Zischlaut mangelt. Die Endsylbe kann die gewöhnliche Ableitungssylbe -er seyn, und alsdann ist die Schreibart Scheure unrichtig; wenn aber auch das zum Stamme gehören sollte, so hat doch der Wohlklang schon in den meisten Wörtern dieser Art dem r das e vorgesetzt, die sonst unvermeidliche Härte zu mildern. So spricht man gelinder Dauer, dauern, Mauer, mauern, lauern, scheuern u. s. f. als Daure, dauren, Maure, mauren, lauren, scheuren. In den gemeinen, besonders Niedersächsischen Mundarten, ist für das höhere und edlere Scheuer das nur im Endlaute unterschiedene Scheune üblich, so wie man die Scheuer in einigen Oberdeutschen Gegenden auch den Stadel nennet.


Scheuern (W3) [Adelung]


Scheuern, verb. reg. act. 1) Mit einem diesem Worte eigenen Laute reiben, heftig oder stark reiben. So scheuern sich die Schweine an den Bäumen, Steinen u. s. f. Im Nieders. ist sich scheuern auch sich die Haut aufreiben. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung scheuert man einen Körper, wenn man ihn mit Sand oder einem andern grobkörnigen Körper heftig reibet, um ihn rein oder glänzend zu machen. Das Küchengeschirr scheuern. Die Stube scheuern, d. i. den Fußboden der Stube. Daher Scheuerfaß, Scheuerlappen, Scheuerwisch, Scheuersand, Scheuerfrau u. s. f. In den Münzstätten scheuert man die geprägten Silbermünzen, indem man sie in einem Sacke mit einem dazu gethanen angreifenden Reinigungsmittel hin und her schüttelt. Der Grund der Benennung liegt wieder in der Onomatopöie, daher man ähnliche Reinigungsarten, die aber nicht mit diesem Laute verbunden sind, auch nicht scheuern nennet. Das Gewehr, das Silbergeschirr u. s. f. wird nicht gescheuert, sondern geputzet, polieret u. s. f. ob man sich gleich dabey eines ähnlichen Reinigungsmittels und eines ähnlichen Reibens bedienet. Jemanden den Kopf scheuern, figürlich, ihm einen derben Verweis geben. So auch das Scheuern.

Anm. Bey dem Ulphilas skauran, im Nieders. schüren, im Schwed. skära, skira und skura, im Engl. to scour, im Irländ. sciuram, im mittlern Lateine escurare, und ohne Zischer curare, im Ital. scurare, curare, im Franz. escurer, curer; welche größten Theils auch reinigen überhaupt bedeuten, obgleich im Deutschen diese Figur nicht mehr üblich ist. Der Grund der Benennung liegt in der Onomatopöie, so wie scheren, schier u. a. m. damit verwandt sind. Der Form nach kann dieses Wort ein Intensivum von scheuen in der veralteten Bedeutung einer jeden schnellen oder gelinden Bewegung seyn. Härtere Mundarten sprechen und schreiben auch hier scheuren für scheuern.


Scheuertag (W3) [Adelung]


Der "Scheuertag", des -es, plur. die -e, ein noch in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Benennung der "Aschermittwoche", von "scheuern", in der veralteten Bedeutung des Reinigens. Im Schwed. hingegen ist Skärtorsdag der "grüne Donnerstag", der Donnerstag in der Charwoche, vermuthlich so viel wie "Char-Donnerstag", so wie wir noch "Charfreytag" sagen, S. dieses Wort.


Scheuleder (W3) [Adelung]


Das Scheuleder, des -s, plur. ut nom. sing. lederne Klappen, an den Zäumen der Kutsch- und Zugpferde, in der Gegend der Augen, damit sie nicht auf die Seite sehen, und scheu werden können; das Augenleder, Blendleder, die Blende.


Scheune (W3) [Adelung]


Die Scheune, plur. die -n, in den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, eben das, was in der edlern Sprechart Scheuer ist. Die Ziegelscheune. Besonders ein Gebäude, das vom Felde gebrachte Getreide darin zu verwahren und auszudreschen. Luther gebraucht es in der Deutschen Bibel mehrmahls, dagegen er in andern Stellen auch Scheuer hat.

Anm. Nieders. Schüne. Frisch leitet es seltsam genug von schön und schonen ab, weil das Getreide in der Scheuer schön erhalten und geschonet wird. Es ist von Scheuer nur im Endlaute verschieden, und bedeutet, so wie dieses eigentlich auch einen bedeckten Ort, oder hohlen eingeschlossenen Raum. Das alte Oberdeutsche Schank, ein Schrank, das noch bey den Handwerkern übliche Schenke, ein Krug, eine Kanne, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gezelt, das alte Schin, Skin, die Haut, Engl. Skin ( S. Schinden) und andere mehr sind genau damit verwandt.


Scheunknecht (W3) [Adelung]


Der Scheunknecht, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, der vornehmste unter den Dreschern, welcher den übrigen vorgesetzet ist, und in andern Gegenden mit einem edlern Ausdrucke der Tennmeister heißt.


Scheuntenne (W3) [Adelung]


Die Scheuntenne, plur. die -n, die Tenne in der Scheune; die Scheuertenne, und am häufigsten die Tenne schlechthin.


Scheusal (W3) [Adelung]


Das Scheusal, des -es, plur. die -e. 1) Ein Schreckbild, andere Geschöpfe, dadurch zu verscheuchen, dergleichen dasjenige ist, welches man in den Gärten und Feldern zur Verscheuchung der Vögel aufzustellen pflegt. Wie ein Scheusal im Garten nichts verwahren kann u. s. f. Bar. 6, 69. In einigen Gegenden eine Scheuche, ein Scheuel. 2) Ein Ding, welches durch seine Beschaffenheit Abscheu, den höchsten Grad des Widerwillens erregt. Machet eure Seele nicht zum Scheusal, 3 Mos. 11, 43. Eine im höchsten Grade boshafte und lasterhafte Person wird daher mehrmahls ein Scheusal genannt.

Anm. Es ist eben nicht nöthig, die letzte Sylbe in diesem Worte für die Ableitungssylbe -sal zu halten, indem es auch aus dem veralteten scheutzen, scheußen, für scheuen, und der Endsylbe -el, ein Ding, Subject, Werkzeug gebildet seyn kann. In den gemeinen Sprecharten lautet es auch wirklich Scheußel. ( S. das folgende.) Das ungewöhnliche Beywort scheusälig, welches Zachariä Ein Mahl gebraucht: Scheusäligstes Gesicht im Himmel und auf Erden, ist daher in dieser Rücksicht zugleich unrichtig, indem das Beywort von Scheußel, scheußlich lautet, wie von Gräuel, gräulich wird. Luther gebraucht dieses Wort auch in dem ungewöhnlichen männlichen Geschlechte. Ich will einen Scheusal aus dir machen, Nah. 3, 6.


Scheuslich (W3) [Adelung]


Scheuslich, oder vielmehr


Scheußlich (W3) [Adelung]


Scheußlich, -er, -ste, adj. et adv. so wohl Scheu, d. i. mit Begierde zur Flucht verbundene Furcht, als auch Abscheu, den höchsten Grad der Abneigung und des Widerwillens einflößend. Scheußlich aussehen, so wohl, daß man davor entfliehen möchte, als auch so, daß man den höchsten Grad des sinnlichen und geistigen Widerwillens dagegen empfindet. Scheußliche Larven erschienen, davon (davor) sie sich entsetzten, Weish. 17, 4. 5 Mos. 25, 2, 3, wird verordnet, einem Verbrecher nicht mehr als vierzig Schläge zu geben, damit dein Bruder nicht scheuslich vor deinen Augen sey, durch seine verwundete Gestalt nicht Ekel und Abscheu einflöße. Sich scheußlich stellen. Ein scheußliches Verbrechen, ein abscheuliches.

Anm. Im Nieders. schüslik. Es ist von dem veralteten scheuen, scheußen, welches das Intensivum von scheuen ist, und einen hohen Grad der Scheu empfinden bedeutete. Ihr scheuczete vor Stechen und Turnieren, ihr grauete davor, Hagen bey dem Petz.


Scheußlichkeit (W3) [Adelung]


Die Scheußlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es scheußlich ist.


Schicht (W3) [Adelung]


1. * Die Schicht, ein veraltetes, noch im Niederdeutschen übliches Wort für Geschichte, S. dasselbe.


Schicht (W3) [Adelung]


2. Die Schicht, plur. die -en, ein Wort, welches wie schichten ursprünglich das Intensivum von schehen, schechen u. s. f. ist, und eigentlich den Laut einer schnellen gelinden Bewegung nachahmet, wozu auch scheuen, scheuchen und schüchtern mit ihren Verwandten gehören. Notker gebraucht skigtig noch für fliehend. ( S. auch Schach und Schacht.) Von dieser ersten, längst veralteten Bedeutung sind die noch heut zu Tage üblichen Arten des Gebrauches gewöhnliche Figuren. 1. In den Eisenhämmern wird die ganze Tiefe des hohen Ofens die Schicht genannt, wo der Begriff der Tiefe, des hohlen Raumes, der herrschende zu seyn scheinet. Es ist hier mit Schacht, in der bergmännischen Bedeutung, und ohne Zischlaut auch mit Sicht verwandt, S. dieselben. 2. Ein Theil eines Ganzen, von schichten, theilen, welches mit Schacht und schächten verwandt ist. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, theilen, unterscheidet sich nur in dem Endlaute, so wie die Niederdeutschen schiften, Angels. scyftan, und schieren, Hochd. scheren, mit noch andern Endlauten gleichfalls theilen bedeuten. Es ist in dieser Bedeutung eines Theiles nur noch hin und wieder im gemeinen Leben üblich. Die Erbschicht ist nicht nur das Erbtheil, der Theil einer Erbschaft, sondern auch die Erbtheilung, die Handlung des Theilens. Die Schicht der Kinder erster Ehe war ehedem die Abtheilung, Abfindung derselben, ingleichen der ihnen abgetretene Theil. Besonders bedeutet es noch zuweilen in engerer Bedeutung den vierten Theil eines Ganzen. So wird im Bergbaue der vierte Theil einer Zeche, der aus 32 Augen bestehet, eine Schicht genannt. ( S. Schichtkur.) Es ist hier mit Schacht, ein Quadrat, genau verwandt. ( S. dasselbe.) Das gleichbedeutende Nieders. Schuft bedeutet gleichfalls den vierten Theil eines Tages oder eines Tagewerkes. Die erste Schuft ist die Morgenzeit bis zum Frühstück u. s. f. In vielen Gegenden ist die Schicht die Dicke einer Schachtruthe, d. i. drey Fuß. Ein Graben wird drey Schichten tief, wenn er 9 Fußtief wird. 3. Eine Reihe mehrerer an und über einander befindlicher Dinge, von schichten, so fern es ursprünglich auch sich in die Länge bewegen bedeutete. ( S. auch Schacht.) 1) Eigentlich, wo es noch häufig gebraucht wird, und zwar so wohl von mehrern ordentlich über einander, als auch neben einander befindlichen Dingen. Ein Stratum super stratum, d. i. eine von mehrern über einander befindlichen Lagen, Dinge Einer oder verschiedener Art heißt eine Schicht. Die Schichten in der Erde sind die in langen, breiten, gemeiniglich horizontalen Flächen über einander liegenden Erd- oder Steinarten, die der Bergmann Flotze, der Steinhauer Bänke, die edlere Schreibart aber Lagen oder Lager nennet. Ingleichen eine Reihe mehrerer einzelner über oder neben einander befindlicher Dinge. Und sollst die Kuchen legen, je sechs auf eine Schicht, 3 Mos. 46, 6. Und sie satzten sich nach Schichten, je hundert und hundert, funfzig und funfzig, Marc. 6, 40, in Reihen. 2) Figürlich, eine an einander hängende, ohne dazwischen genossene Ruhe fortgesetzte Arbeit, ingleichen die Zeit, in welcher eine Arbeit von einem merklichen Ruhepuncte bis zum andern fortgesetzet wird; wo dieses Wort im gemeinen Leben sehr häufig ist, und oft eine zur Arbeit bestimmte Zeit von einer bestimmen Länge bezeichnet. Im Bergbaue ist es z. B. eine bestimmte Zeit von 6, 8 oder 12 Stunden, so lange ein Bergmann an seiner Arbeit zu bleiben verbunden ist. Die Frühschicht, die Arbeit von Morgens 4 Uhr bis Mittags um 12; die Tageschicht von Mittags 12 Uhr bis Abends um 7; die Nachtschicht, von Abends 8 Uhr bis Morgens um 3. An andern Orten sind die 24 Stunden in vier Schichten eingetheilet. Die Schicht antreten, anfangen zu arbeiten. Schicht halten, seine bestimmte Arbeit gehörig verrichten. Die Schicht verfahren, in eben diesem Verstande. Lauter im Bergbaue übliche Redensarten. Auch in dem Salzwerke zu Halle arbeiten die Bornknechte nach Schichten von sieben bis acht Stunden, da denn auch die zu jeder Schicht bestimmten Arbeiter eine Schicht heißen. Im Nieders. ist das gleichbedeutende und nur im Endlaute verschiedene Schuft oder Schuftied von einer jeden Arbeit üblich, welche ununterbrochen geschiehet. Das kann ich in einer Schuft thun, ohne auszuruhen. Die erste Schuft ist daselbst die Morgenzeit bis zum Frühstücke, die zweyte bis zu Mittag u. s. f. nach einer nach weitern Figur wird zuweilen auch dasjenige, was auf Ein Mahl gearbeitet oder verarbeitet wird, eine Schicht genannt. So wird im Hüttenbaue nicht nur jedes Schmelzen, sondern auch die Quantität, welche jedes Mahl geschmolzen wird, eine Schicht genannt. Bey einem hohen Ofen rechnet man 36, bey einem krummen Ofen 24, und bey einem Stichofen 12 Schichten auf ein Wochenwerk. Die Schicht beschicken, das zur Schmelzung bestimmte Erz mit den gehörigen Zuschlägen versehen. 4. In einem entgegen gesetzten Verstande ist die Schicht sehr häufig das Aufhören von der Arbeit. Schicht machen, aufhören zu arbeiten, so wohl im Bergbaue, als bey den Handwerkern und andern Arbeitern. Die Bierschicht, bey den Handwerkern und Arbeitern, wenn sie aufhören zu arbeiten, um zu Biere zu gehen. So auch die Badeschicht, in denjenigen Gegenden, wo das Baden noch üblich ist. Es scheinet hier keine Figur der vorigen Bedeutung zu seyn, sondern seinen eigenen herrschenden Begriff der Ruhe, vielleicht auch des Unvermögens zur Arbeit zu haben, indem im Bergbaue auch das Nebenwort schicht üblich ist. Ein Bergmann wird schicht, wenn er Krankheit oder Unvermögens halber nicht mehr arbeiten kann. Es wurden alle Zechen auf Ein Mahl schicht und die Wasser giengen auf, Melzer in der Schneeberg. Chronik, die Zechen blieben liegen, konnten nicht bearbeitet werden, weil das Wasser in denselben überhand nahm. Es scheint hier mit Schächer in der R. A. ein armer Schächer und mit dem provinziellen Schäker, in der Bedeutung eines untauglichen Pferdes, verwandt zu seyn. 5. In den Zinnhütten wird ein kupfernes Blech, welches einige Ellen lang und eine Elle breit ist, und worauf das Zinn geplattet wird, eine Schicht genannt; wo unstreitig die obige dritte Bedeutung, eines in die Länge ausgedehnten Körpers zum Grunde lieget. S. auch Schacht.


Schichtbank (W3) [Adelung]


Die Schichtbank, plur. die -bänke, gleichfalls nur in den Zinnhütten, diejenige Bank, worauf die Schicht, d. i. das kupferne Blech, lieget, auf welchem das Zinn geplattet wird.


Schichten (W3) [Adelung]


Schichten, verb. reg. act. welches so wie das Hauptwort Schicht ehedem in mehrern Bedeutungen üblich war, wovon sich aber nur noch folgende erhalten haben. 1) * Theilen, abtheilen, absondern. Die Erbschaft schichten, theilen. Die Kinder erster Ehe schichten oder abschichten, sie abtheilen, abfinden. Eine Rede in drey Theile schichten, theilen. Im Hochdeutschen kommt diese Bedeutung am seltensten vor. ( S. Schicht 2.) 2) Mehrere Dinge ordentlich neben und übereinander legen; im Oberdeutschen schlichten. Die Waaren in das Schiff schichten, ordentlich und fest packen, wozu man in großen Häfen eigene Leute hat, welche alsdann Schichter heißen. Das Holz, die Mauersteine u. s. f. schichten, sie ordentlich neben und über einander legen. Daher das Schichten, die Schicht, und die Schichtung.

Anm. Im Nieders. gleichfalls schichten und mit einem andern Endlaute auch schiften, Holländ. schiften, im Schwed. in der Bedeutung des Theilens skifva und skifta. Im Nieders. bedeutet schichten auch gerinnen. Bey dem Hauptworte Schicht ist schon bemerket worden, daß dieses Wort eigentlich ein vermittelst des intensiven e gebildetes Intensivum von einem veralteten schichen oder schihen, schehen, schechen, ist, welches ursprünglich eine schnelle gelinde Bewegung bedeutete. Ein anderes Intensivum davon ist unser schicken, wo die Intension bloß durch Verdoppelung oder Verstärkung des Gaumenlautes angedeutet wird.


Schichtglätte (W3) [Adelung]


Die Schichtglätte, plur. inus. im Hüttenbaue, diejenige Glätte, welche in Einer Schicht, d. i. auf Ein Mahl, von dem blickenden Silber abgezogen wird.


Schichtholz (W3) [Adelung]


Das Schichtholz, des -es, plur. car. bey den Kohlenbrennern, Klöppelholz, so fern es verkohlet wird, wovon einzelne Klöppel Schichtklöppel genannt werden, und woraus der Klöppelmeiser bestehet. Ohne Zweifel von schichten, ordentlich auf und neben einander legen.


Schichtig (W3) [Adelung]


Schichtig, adj. et adv. welches nur in den Zusammensetzungen einschichtig, zweyschichtig u. s. f. üblich ist, aus Einem, zwey Theilen, ingleichen aus Einer oder zwey Reihen bestehend. Sechsschichtige Gerste, sechszeilige, welche sechs Reihen Körner neben einander hat.


Schichtkux (W3) [Adelung]


Der Schichtkux, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Kux, so fern derselbe aus einer ganzen Schicht bestehet, der vierte Theil einer Zeche, welcher aus acht gewöhnlichen Kurxen bestehet, und auch nur eine Schicht schlechthin genannt wird.


Schichtlohn (W3) [Adelung]


Der Schichtlohn, des -es, plur. von mehrern Summen, die -löhne, derjenige Lohn, welchen ein Arbeiter für Eine Schicht verdienet, in welchem Verstande es besonders im Bergbaue üblich ist.


Schichtmeister (W3) [Adelung]


Der Schichtmeister, des -s, plur. ut nom. sing. überhaupt, ein Aufseher und Vorgesetzter über die nach Schichten arbeitenden Arbeiter. So ist in den Bergwerken, so wohl im Gruben- als Hüttenbaue, der Schichtmeister, ein beeidigter Beamter, welcher der Gewerken Geld in Empfang nimmt, die Arbeiter nach ihren Schichten bezahlet, und darauf siehet, daß sie ihre Schichten gehörig halten. Daher die Schichtmeisterey, das Amt eines Schichtmeisters und der seiner Aufsicht anvertrauete Bezirk. Bey den Seigerhütten führet derjenige den Nahmen des Schichtmeisters, welcher die Aufsicht über die Schmelzschicht hat, das eingelieferte Metall probieret, und die Beschickung darnach einrichtet, daher er auch der Anrichter genannt wird.


Schichttrog (W3) [Adelung]


Der Schichttrog, des -es, plur. die -tröge, im Hüttenbaue, eine Mulde, worin das zu jeder Schmelzschicht gehörige beschickte Erz auf den Ofen getragen wird.


Schichtung (W3) [Adelung]


Die Schichtung, plur. die -en, von Schichten 1, die Theilung. Besonders in den Rechten, diejenige Theilung eines gemeinschaftlichen Vermögens, welche der überlebende Ehegatte alsdann vorzunehmen verbunden ist, wenn er zur zweyten Ehe schreiten will.


Schichtweise (W3) [Adelung]


Schichtweise, adv. nach Schichten oder Lagen, in Schichten. Schichtweise legen.


Schick (W3) [Adelung]


* Das Schick, ein im Hochdeutschen veraltetes Hauptwort, welches noch in Geschick und Ortschick übrig ist, S. diese Wörter.


Schicken (W3) [Adelung]


Schicken, verb. reg. act. et neutr. im letzten Falle mit haben, welches der Form nach so wie schichten das Intensivum von einem veralteten schichen, schihen oder schehen ist, und ursprünglich eine schnelle aber doch härtere Bewegung ausdrucket, als dieses. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur wurde es nachmahls von mancherley Handlung gebraucht, welche mit einer schnellen Bewegung und ihrem eigenthümlichen Laute verbunden sind. Daher wird es noch jetzt in mehrern dem Anscheine nach sehr verschiedenen Bedeutungen gebraucht, welche sich doch insgesammt auf eine und eben dieselbe Onomatopöie gründen. 1. Die Bewegung eines andern Dinges beschleunigen; wo es zu dem Geschlechte der Wörter scheuchen, schächen im gemeinen Leben für jagen, Ital. cacciare, dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - kommen, und andern ähnlichen Wörtern mehr gehöret. Es ist hier noch in einem doppelten Falle üblich. 1) Für eilen, als ein Reciprocum. Schickt euch, eilet, macht fort. Ich will mich schicken, eilen. Das Beywort geschickt wird noch für behende, schnell und leicht in seinen Bewegungen gebraucht. 2) In weiterer Bedeutung, machen, daß ein Ding an einem andern Orte gegenwärtig werde; wo es doch nur noch in einigen Fällen gebraucht wird, weil die meisten Arten dieser Handlung ihre eigenen Nahmen haben, wohin z. B. werfen, tragen, fahren u. s. f. gehören. In engerer Bedeutung schickt man so wohl Personen als Sachen. Personen werden geschickt, wenn man ihnen Befehl oder Auftrag ertheilet, sich an einen Ort begeben. Der Ort, wohin man schickt, bekommt die Vorwörter zu, in, nach, an u. s. f. Einen Bothen nach der Stadt, in die Stadt schicken. Schicke deinen Bedienten zu mir. Eine Armee in des Feindes Land schicken. Zu jemanden schicken. Seinen Sohn auf Reisen schicken. Jemanden in das Elend schicken, ihn verweisen. Zuweilen stehet auch die dritte Endung der Person. Schicke mir deinen Bruder, oder schicke ihn zu mir. Die Sache, welche der geschickte hohlen soll, bekommt das Vorwort nach. Nach Brot, nach Wein, nach dem Doctor schicken. Ich will nach der Wache schicken. Im Oberdeutschen gebraucht man das Vorwort um; um Brot, um den Doctor schicken. Die Sache, welche der geschickte thun soll, kann zuweilen durch den bloßen Infinitiv ausgedruckt werden. Ein Kind schlafen schicken. Da dieses Zeitwort, wenn es von Personen gebraucht wird, einen Befehl, oder doch einen vertraulichen Auftrag voraus setzt, so verstehet es sich von selbst, daß man dieses Wort nicht gebrauchen kann, wenn man nur zu bitten hat, und sich mit Anstand und Behuthsamkeit ausdrucken will. Einen Höhern schickt man nicht. Sachen werden geschickt, wenn man sie durch einen dritten an einen Ort bringen, oder daselbst gegenwärtig werden läßt. Jemanden ein Packet Waare schicken. Was hat dir dein Freund geschickt? Ich will es dir durch deinen Bedienten schicken. Einen Brief auf die Post, Waaren mit der Post schicken. Güter nach Leipzig, nach London schicken, es geschehe nun zu Wasser oder zu Lande, auf welche Art es wolle. In beyden Fällen ist dieses Wort, wie schon Stosch bemerket, in gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart am üblichsten; in der höhern gebraucht man dafür senden, besonders wenn von wichtigen Dingen und Personen die Rede ist. Eben dieses gilt auch von den Zusammensetzungen abschicken, verschicken, einschicken, wegschicken u. s. f. In weiterm Verstande sagt man, jemanden in die andere Welt schicken, mittelbarer oder unmittelbarer Weise die Ursache seines Todes seyn. Ein Buch in die Welt schicken, es heraus geben. 3) Figürlich, in der Reihe der zufälligen Dinge wirklich werden lassen, besonders von der Einrichtung der menschlichen Veränderungen, welche ohne unser Zuthun erfolgen; fügen. Der Herr schickts also, 2 Sam. 17, 14, füget, ordnet, verhängt es so. Gott schickt dem Menschen Krankheit, Leiden u. s. f. Sprichw. Gott muß es schicken, wenn es soll glücken. Ingleichen als ein Reciprocum, so fern man solche Veränderungen einem Zufalle oder Ungefähr zuschreibt. Es kann sich noch wunderlich schicken. Was seyn soll, schickt sich gleichwohl. Es mußte sich schicken, daß ich ihn zu Hause antraf. Man weiß oft nicht, wie sich etwas schicken soll. Es kann hier als das Factitivum von schehen in geschehen angesehen werden, geschehen machen; indessen findet auch die folgende Bedeutung des Ordens, Anordnens, Statt. S. auch Schicksal, Schickung und Geschick. 2. Geschäfte verrichten; eine gleichfalls von der Bewegung entlehnte Figur, wovon schäften, geschäftig und Geschäft nur im Endlaute verschieden sind. Es ist hier als ein Neutrum üblich, wird aber nur noch hin und wieder im gemeinen Leben gebraucht. Er hat immer was zu schicken, ist immer geschäftig. Ich mag nichts mehr mit ihm zu schicken haben, zu thun. Sie sollen mit ihm nichts schicken und tauschen, und der Schick soll nichts gelten, bey einem Schweizerischen Schriftsteller, wo zugleich das im Hochdeutschen unbekannte Schick zu bemerken ist. 3. In engerer Bedeutung werden verschiedene besondere Arten der Geschäftigkeit durch dieses Zeitwort ausgedruckt. 1) Rüsten, sich rüsten. Schicket euch, und sie schickten sich, 1 Kön. 20, 12. Sich zur Arbeit, zur Reise, zum Tode, zum Sterben schicken. Es schickt sich alles zum Winter. Der Himmel schickt sich zum Regen. Figürlich auch sich gefaßt halten. Schicke dich zur Anfechtung, Sir. 2, 1. Als eine Figur kann auch der sonst ungewöhnliche biblische Gebrauch angesehen werden. Er schickte sein Herz nicht, daß er den Herrn suchte, 2 Chron. 12, 14. Die ihr Herz schicken, Gott zu suchen, Kap. 30, 9. Schicke dich Israel, begegne deinem Gott, Hos. 4, 12. Frühe will ich mich zu dir schicken, Ps. 5, 4. 2) Die nöthige Ordnung, Gestalt und Fähigkeit zu etwas ertheilen. Im Schwedischen ist skicka ordnen, in Ordnung bringen. Im Oberdeutschen sagt man noch, eine Materie zu einer Gestalt schicken, d. i. bilden, ihr eine Gestalt ertheilen. Daher das Ober- und Niederdeutsche Schicken, die Gestalt. Er schickt sich albern dazu, sagt man von jemanden, der sich bey einer Handlung oder Verrichtung auf eine ungewöhnliche Art anstellet. Im Hochdeutschen wird es nur als ein Reciprocum im figürlichen Verstande gebraucht, sich schicken, das nöthige Verhältniß, die nöthige Gestalt, die nöthige Fähigkeit, kurz, jede nöthige Beschaffenheit im Verhältnisse gegen ein anderes Ding haben. Der Rock schickt sich nicht zur Weste, es sey nun in Ansehung der Größe, oder der Farbe, oder sonst einer andern Rücksicht. Die Antwort schickt sich nicht zu der Frage. Cajus schickt sich gar nicht zu dem Amte, hat nicht die nöthigen Eigenschaften dazu. Das schickt sich nicht zur Sache. Zwey Personen schicken sich gut zusammen, wenn sie beyde die zu einer Absicht erforderlichen Eigenschaften haben. ( S. auch Geschickt.) Aber, sich in etwas schicken heißt die nöthige Fähigkeit, Willigkeit und Einsicht zu etwas erlangen. Er weiß sich gut in die Sache zu schicken. Sich in sein Elend schicken, dasselbe mit Gelassenheit ertragen. Sich in jedermann zu schicken wissen, sich nach jedes Gemüthsart richten. Sich in die Zeit schicken, sich nach den Umständen derselben betragen. Ingleichen, eine Sache nach ihren Gründen einsehen; ich kann mich in seine Schmeicheleyen gar nicht schicken, wofür doch sich finden üblicher ist. 3) Im engsten Verstande schickt sich ein Ding, wenn es dem Wohlstande gemäß ist. Das schickt sich nicht für dich, ist deiner Würde nicht angemessen. Schmeicheleyen schicken sich für keinen gesetzten Mann. Es schickt sich nicht, daß man zur Zeit der Trauer bunte Kleider trage. Das würde sich nicht schicken. Daher das Schicken, welches doch in den reciproken Bedeutungen ungewöhnlich ist. Das Hauptwort die Schickung siehe an seinem Orte besonders.

Anm. Frisch und andere haben schon bemerket, daß dieses Wort bey unsern ältesten Oberdeutschen Schriftstellern nicht angetroffen wird, ob es gleich alles Ansehen eines alten Wortes hat. Es scheinet zunächst aus der Niederdeutschen Mundart herzustammen, in welcher es gleichfalls schicken, so wie im Schwed. skicka, lautet. Es ist allem Ansehen nach das Intensivum, und in manchen Fällen das Factitivum, von schehen in geschehen, so wie schickten dessen Intensivum in andern Rücksichten ist. Mit der ältesten Bedeutung der heftigen Bewegung sind auch schaukeln, das veraltete schaken, stoßen, Franz. chocquer, u. a. m. verwandt. Provinzielle Bedeutungen sind noch das Ober- und Niederdeutsche aufschicken, aufputzen, eigentlich in die Ordnung stellen, das bey den Jägern übliche beschicken, befruchten, das Oberd. Schick, Anlaß, Gelegenheit, Ursache u. s. f.


Schicklich (W3) [Adelung]


Schicklich, -er, -ste, adj. et adv. was sich schickt, in der dritten Bedeutung des Zeitwortes, der Sache und ihren Umständen gemäß; im Gegensatze des unschicklich. Eine schickliche Antwort geben. Jeder Sinn hat seine eigene schickliche Materie, welche die Nerven in das erforderliche Spiel setzt. Sie hielt es noch nicht für schicklich, sich zu erklären. Sich in allen Umständen auf die schicklichste Art zu betragen wissen. Im Österreich. ist dafür schicksam üblich, und im gemeinen Leben wird geschicklich auch für geschickt gebraucht.


Schicklichkeit (W3) [Adelung]


Die Schicklichkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da eine Sache schicklich, d. i. den Umständen gemäß ist; im Gegensatze der Unschicklichkeit. In Geschicklichkeit hat es noch eine andere Bedeutung, S. dasselbe.


Schicksal (W3) [Adelung]


Das Schicksal, des -es, plur. die -e, ein Wort, von welchem sich weder in den alten Denkmählern der Deutschen Sprache, noch in den heutigen mit den Deutschen verwandten Sprachen einige Spuren finden. Es ist von dem Zeitworte schicken, in der Bedeutung des Verordnens, Veranstaltens, und der Ableitungssylbe -sal gebildet, und wird in einem doppelten Hauptverstande gebraucht. 1) Von Begebenheiten und Veränderungen eines Dinges, welche nicht in dessen Willkühr stehen, welche ohne dessen Zuthun in einer unbekannten Ursache außer ihm gegründet sind, wo man es besonders von unwillkürlichen menschlichen Veränderungen, und selbst von solchen gebraucht, deren Grund in dem vorher gehenden Verhalten des Menschen man nicht einsiehet, wenn sie gleich wirklich in demselben gegründet sind. Ein Mensch hat sonderbare Schicksale, wenn er ohne seine unmittelbare Mitwirkung sonderbaren Veränderungen ausgesetzt ist; wo es auch collective von der ganzen Reihe solcher Veränderungen gebraucht wird. Der große Gedanke, Gott regieret und ordnet die allgemeinen und besondern Schicksale der Menschen - ist göttliche Beruhigung des Herzens in Unfällen und Leiden, Gell. Ihr Schicksal (die ganze Reihe der Veränderungen) ist wunderbar; es ist aus kleinen Schicksalen vieler an einander gekettet, Jaco- bi. Sich in guten und bösen Schicksalen gleich seyn. 2) Dasjenige Wesen, in welchem diejenigen Veränderungen in der Welt gegründet sind, deren Zusammenhang aus dem vorher gehenden Zustande nicht begreiflich ist. Nach der christlichen Philosophie ist dieses Wesen kein anderes als Gott; allein man gebraucht das Wort Schicksal nur noch in dem Verstande der ehemahligen heidnischen Philosophen, welche noch ein gewisses unbekanntes Wesen außer Gott annahmen, von welchem die Veränderungen in der Welt und den menschlichen Begebenheiten abhängen sollten; es sey dieses nun ein Ohngefähr, oder eine unbedingte Nothwendigkeit u. s. f. Der Unglaube macht das blinde Schicksal zu einer gesetzgebenden Person. Gesundheit, Schätze, Ansehen, alles was der Thor anbethet, hat das lachende Schicksal über ihn ausgeschüttet, Dusch. Wo man denn oft weiter nichts, als die Veranstaltung und Verbindung der menschlichen Begenbenheiten verstehet, so fern sie nicht unmittelbar von ihm selbst herrühren. S. auch Geschick. S. Schicken 1 3), von welcher Bedeutung dieses Wort herstammet.


Schickung (W3) [Adelung]


Die Schickung, plur. die -en, welches hier nicht zunächst das Verbale von schicken, sondern ein aus demselben und der Endsylbe -ing oder -ung zusammen gesetztes Wort ist, welches so wie das vorige, aber in einer dem christlichen Lehrbegriffe mehr gemäßen Bedeutung gebraucht wird. 1) Menschliche Begebenheiten, so fern sie zunächst in der Vorsehung oder Veranstaltung Gottes gegründet sind. Sich in alle Schickungen Gottes ergeben. Es war eine besondere Schickung, daß u. s. f. 2) Die Vorsehung Gottes, so fern sie sich besonders in Anordnung und Veranstaltung der menschlichen Begebenheiten und der Veränderungen in der Welt äußert. Sich auf die Schickung Gottes verlassen.

Anm. Im Nieders. bedeutet Schickung eine jede Einrichtung und Anordnung. In seinem Hauswesen eine andere Schickung machen, eine andere Einrichtung.


Schiebebock (W3) [Adelung]


Der Schiebebock, des -es, plur. die -böcke, S. Schiebkarren.


Schiebekolben (W3) [Adelung]


Der Schiebekolben, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme, welchen bey den Schlössern eine Art Zange führet; vermuthlich auch eine solche, deren sie sich bey dem Ziehen des groben Drahtes bedienen.


Schieben (W3) [Adelung]


Schieben, verb. irreg. ich schiebe, du schiebst, (Oberd. scheubst,) er schiebt, (Oberd. scheubt;) Imperf. ich schob; Mittelw. geschoben; Imperat. schieb (Oberd. scheub). Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Activum, auf einer horizontalen oder fast horizontalen Fläche einen andern Körper nach und nach so vor sich her fortdrücken, daß man allemahl dessen Stellen einnehme; wodurch sich das Schieben von dem Ziehen, Drücken, Heben, Stoßen u. s. f. unterscheidet. Einen Kasten fortschieben. Den Tisch an die Wand schieben. Den Wagen in den Schuppen schieben. Schieben helfen. Den Riegel vorschieben. Etwas uneigentlicher schiebt der Ochs in der Landwirthschaft, wenn er den Wagen oder Pflug vermittelst der Stirn ziehet. ( S. Schiebochs.) Brot in den Ofen schieben, wie die Bäcker thun. Im Oberdeutschen schiebt man auch den Bissen in den Mund, man schiebt etwas in die Tasche, wo man im Hochdeutschen das Zeitwort stecken gebraucht. Sich schieben, das Reciprocum, aus seiner horizontaler Lage seitwärts verrücket werden. Das Papier hat sich geschoben. In der R. A. Regel schieben wird es für rollen oder schießen gebraucht, indem es sich hier eigentlich auf die Kugel beziehet. Es ist hier ohne Zweifel ein Überrest einer Oberdeutschen Bedeutung; wenigstens sagt man daselbst noch im Diminutivo schiebeln von Rollen kleiner Körper. Figürliche Arten des Ausdrucks sind: einem etwas in das Gewissen schieben, es ihm vor Gott und Menschen zu verantworten überlassen, es seinem Gewissen heim stellen. Die Schuld auf jemanden schieben. Einen Antrag von sich schieben, ablehnen. Ehedem wurde es auch für befördern gebraucht, wovon unser Vorschub noch ein Überbleibsel ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird es auch noch für schicken, senden, gebraucht. Jemanden zu etwas schieben und ordnen, senden und abordnen, Tschudi bey dem Frisch. Daher ist noch zu Wien der Schub der Transport des liederlichen Gesindels auf der Donau nach Ungarn. II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben; doch nur in einigen Fällen des gemeinen Lebens. 1) In der Landwirthschaft schiebt ein Thier oder es schiebt Zähne, wenn es die Jugendzähne verlieret, weil die neuen Zähne die alten gleichsam vor sich her schieben. 2) Auch das Wachsen der Gewächse wird zuweilen schieben genannt. Die Pflanzen haben gut geschoben, sind merklich in die Höhe gewachsen. 3) Im Gehen schieben, mit voraus gestrecktem Kopfe träge und schwerfällig gehen, als wenn man etwas schöbe. So auch das Schieben.

Anm. Bey dem Ottfried im Imperf. scoub, im Schwabenspiegel schiuban, im Nieders. schuven, im Angels. scufan, im Englischen to shove, im Schwedischen skufva. Es ist, wie alle Zeitwörter, eine Onomatopöie, welche den mit dem Schieben verbundenen Laut nachahmet; und da dieser Laut mehrern sonst verschiedenen Handlungen gemein ist, so wird sich auch nicht leicht eine Beschreibung dieses Wortes geben lassen, welche genau auf alle Fälle paßte. Die obige ist auf die meisten gerichtet, denn es gibt freylich auch Fälle, wo man ein Ding senkrecht in die Höhe und niederwärts schiebet, wie z. B. einen Schieber, obgleich für diese Richtungen drücken, heben u. s. f. in andern Fällen üblicher sind. Das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sich umwenden, scheint damit verwandt zu sein. Das Intensivum von unserm schieben ist schuppen, mit einem Stoße schieben, Franz. chopper. Die im Hochdeutschen irreguläre Form des Präsens kommt unter andern auch bey dem Opitz vor: Scheub nur auf Gott dein Thun und alle Sachen.


Schiebkarren,Schiebekarren (W3) [Adelung]


Der Schiebkarren, oder Schiebekarren, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kasten mit einem Rade, welchen eine Person vor sich her schiebet; in einigen Gegenden der Schubkarren, die Radeberge, der Kastenkarren. Hat dieses Werkzeug statt des Kastens ein Geselle, so heißt es ein Schiebebock.


Schiebochs (W3) [Adelung]


Der Schiebochs, des -en, plur. die -en, in der Landwirthschaft, ein Ochs, welcher mit der Stirn ziehet, der Schieber; zum Unterschiede von einem Zugochsen, welcher das Joch am Halse trägt.


Schiebsack,Schubsack (W3) [Adelung]


Der Schiebsack, oder Schubsack, des -es, plur. die -säcke, eine im Oberdeutschen übliche Benennung einer Tasche. Siehe Schieben.


Schiebstange (W3) [Adelung]


Die Schiebstange, plur. die -n, eine Stange, womit man etwas schiebet. Dergleichen Schiebstangen haben die Stromschiffer, die Schiffe damit fortzuschieben. In den Schneidemühlen ist es eine Stange, welche in den Zahnring eingreift und den Sägeblock vorwärts schiebet.


Schied (W3) [Adelung]


1. Der Schied, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, der Nahme eines Fisches, der in andern eine Kappe heißt, ( S. 1 Kappe.) Vermuthlich wegen seiner Raubgier, von schaden, verletzen überhaupt, obgleich die Schade eine andere Art Fische ist.


Schied (W3) [Adelung]


2. Der Schied, des -es, plur. die -e, das Hauptwort von dem Zeitworte scheiden, welches für sich allein im Hochdeutschen veraltet ist, aber noch in Abschied, Unterschied und den folgenden Zusammensetzungen beybehalten ist. In andern Fällen lautet es Scheid.


Schiedeschacht (W3) [Adelung]


Der Schiedeschacht, des -es, plur. die -schächte, im Bergbaue, ein Schacht, so fern er zur Bestimmung der Gränzen, der Zechen und Maßen dienet; vielleicht besser Scheideschacht.


Schiedlich (W3) [Adelung]


Schiedlich, adj. et adv. was sich scheiden läßt; in welchem Verstande es doch nur in figürlicher Bedeutung in unterschiedlich üblich ist, ( S. dasselbe.) Nach einer andern Figur ist schiedlich noch hin und wieder so viel als verträglich, Neigung und Fertigkeit besitzend, sich durch Nachgeben in streitigen Sachen leicht von dem andern zu scheiden. Schiedlich und friedlich leben.


Schiedmauer,Schiedsmauer (W3) [Adelung]


Die Schiedmauer, oder Schiedsmauer, plur. die -n, eine Mauer, welche zwey Dinge, besonders zwey Häuser, von einander scheidet; vielleicht besser Scheidemauer, wie Scheidewand.


Schiedrain (W3) [Adelung]


Der Schiedrain, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft, ein Rain, so fern es mehrere Äcker von einander scheidet. In engerer Bedeutung ist der Schiedrain ein solcher Rain, der die Äcker einer Flur von einander scheidet; zum Unterschiede von den Gränz- oder Flurrainen.


Schiedsmann (W3) [Adelung]


Der Schiedsmann, des -es, plur. die -männer, oder -leute, eine Person, welche einen Streit entscheidet, sie mag nun dazu erwählet oder auf andere Art berechtigt seyn, und welche man in einem etwas höhern Verstande auch einen Schiedsrichter, und wenn sie von beyden Parteyen freywillig erwählet worden, einen Schiedsfreund nennet. Schiedsmann kann im Singular von beyden Geschlechtern gebraucht werden, so wie Schiedsleute in Plural, welches letztere über dieß nur von Personen geringern Standes gesagt wird; Schiedsmänner setzt Personen männlichen Geschlechtes voraus. ( S. Mann.) Luther gebraucht Hiob. 9, 33 das ungewöhnliche Scheidemann.


Schiedsprobe (W3) [Adelung]


Die Schiedsprobe, plur. die -n, im Hüttenbaue, die dritte Probe des Erzes, welche vorgenommen wird, wenn die Proben des Hüttenschreibers und des Gewerken-Probierers nicht mit einander überein kommen, und welche auch die Gegenprobe genannt wird.


Schiedsrichter (W3) [Adelung]


Der Schiedsrichter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schiedsrichterinn, wie Schiedsmann, doch in einem höhern Verstande und in der anständigern Schreibart. Freywillig erwählte freundschaftliche Schiedsrichter wurden ehedem auch Austräge, Sühnleute, Obleute, Tageleute, Tagesherren, Sprecher, Spruchleute, Theidinger, Theidingsleute u. s. f. genannt, so wie sie in Niedersachsen Mittelmänner oder Mittelsleute heißen.


Schiedsspruch (W3) [Adelung]


Der Schiedsspruch, des -es, plur. die -sprüche, ein Ausspruch, so fern derselbe einen Streit zweyer Parteyen entscheidet, besonders so fern er von einem freywillig erwählten Schiedsrichter geschiehet.


Schiedstein (W3) [Adelung]


Der Schiedstein, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme eines Gränzsteines, besonders so fern er die Äcker einer und eben derselben Flur scheidet; wie Schiedrain.


Schiedung (W3) [Adelung]


* Die Schiedung, plur. inus. ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort für Scheidung. Ehedem wurde so wohl das Andenken des Todes Christi, als auch die Himmelfahrt Mariä die Schiedung genannt. Zu Halle in Schwaben sind Schiedungsherren gewisse Ratsherren, welche über Frevel, Maulschellen und andere kleine Verbrechen richten, und auch Einigungsherren heißen, weil sie auch die Streitigkeiten über Einigungen, d. i. Verträge, von geringem Werthe entscheiden.


Schiedwand (W3) [Adelung]


Die Schiedwand, S. Scheidewand.


Schief (W3) [Adelung]


Schief, -er, -este, adj. et adv. verschoben, das ist, von der Horizontal- oder Perpendicular-Linie abweichend, und in weiterer Bedeutung, von der gehörigen Lage oder Richtung abweichend, 1. Eigentlich, wo man eine jede gerade Linie, wenn sie von der senk- oder wasserrechten Richtung, und im weitern Verstande, von der gehörigen Richtung, abweicht, schief nennet; daher es denn auch kommt, daß dieses Wort oft den Begriff des Fehlerhaften bey sich führet. Eine Säule stehet schief, wenn sie nicht genau senkrecht stehet. Der Tisch stehet schief, wenn er nicht völlig horizontal stehet, und im weitern Verstande, wenn er nicht mit den Wänden des Zimmers parallel stehet. Ein schiefer Winkel, in der Geometrie, dessen Senkel von der horizontalen und perpendicularen Richtung abweichen, im Gegensatze eines rechten; wohin denn so wohl die spitzigen als stumpfen Winkel gehören. Eine schiefe Fläche, welche von der horizontalen abweicht. Einen schiefen Hals haben, wenn er nicht perpendicular ist. Schief schreiben. Der Wagen hängt schief. Ein schiefes Maul machen, das Maul verziehen. Einen schiefen Seitenblick auf jemanden thun, ihn von der Seite ansehen. Die Perrücke sitzt schief, wenn sie nicht gerade sitzt. Krumm und schief sind sehr verschieden. Was schief ist, kann an und für sich selbst, seinen Theilen nach gerade seyn; das Schiefe beziehet sich bloß auf das Verhältniß der Richtung gegen andere Körper. Indessen gebraucht man doch schief in den gemeinen Sprecharten mancher Gegenden auch für krumm; z. B. schiefe Beine haben, krumme. Schräge ist ein anderes, aber doch mehr provinzielles Wort, für schief, indessen druckt es die von der senk- oder wasserrechten Richtung abweichende Richtung allgemein und überhaupt aus, ohne den Nebenbegriff des Fehlerhaften an sich zu haben, welcher dem Worte schief in den meisten Fällen anklebet. 2. Figürlich. 1) Eine Sache gehet schief, wenn sie nicht so gehet, wie sie soll und wie man wünschet. 2) Schief denken, schief urtheilen, unrichtig, nicht so wie man soll, und wie die Sache es efordert. Ein schiefes Urtheil, ein schiefer Gedanke. Ein Werk aus einem schiefen Gesichtspunkte beurtheilen, nicht aus dem gehörigen. Anm. In den gemeinen Sprecharten schäf, schef, schepp, scheif, schieb, schiebicht, im Nieders. scheev, im Engl. askew, skue, im Schwed. skef, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, link, welches aber auch eigentlich schief bedeutete, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein schiefes Maul, bey dem Scholiasten des Sophokles; im Lat. scaevus. Es stammet von schieben, verschieben her, wie aus dem Oberd. schiebicht für schief erhellet. Mit andern Endlauten gehören auch das Ober- und Niederdeutsche schäl, schell, schelch, ( S. Schel und Schielen,) und das Oberd. schech, scheg, scheck, schief, hierher.


Schiefe (W3) [Adelung]


Die Schiefe, plur. die -n, das Abstractum des vorigen, die Eigenschaft eines Körpers, da er schief ist, in den niedrigen Sprecharten die Schiefigkeit; ohne Plural. Zuweilen, obgleich seltener, auch eine schiefe Fläche, d. i. eine Fläche, welche von der Horizontallinie abweicht.


Schiefer (W3) [Adelung]


1. Der Schiefer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art eines in den meisten Gegenden verbothenen Fischergarnes, welches auch eine Schabe genannt wird. Ohne Zweifel als das Intensivum von schieben oder schaben. Mit einem solchen Garne fischen wird daher schiefern genannt.


Schiefer (W3) [Adelung]


2. Der Schiefer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) * Überhaupt, ein jedes Ding, welches in dünnen Blättern von einander gehet, oder sich in solcher Gestalt theilen läßt, in welchem in Hochdeutschen ungewöhnlichen Verstande, dieses Wort noch im Oberdeutschen üblich ist. Z. B. der Schiefer auf dem Kopfe, Unreinigkeit, welche sich in Gestalt der Schuppen absondert. Siehe dieses verwandte Schuppe. In weiterer Bedeutung wird ein jeder Splitter, d. i. ein dünnes, langes, spitziges Bruchstück eines Ganzen, im Oberdeutschen ein Schiefer, und in manchen Gegenden im weiblichen Geschlechte, eine Schiefer genannt. Sich einen Schiefer in den Fuß treten. Daher die eben daselbst üblichen figürlichen R. A. einen Schiefer auf jemanden haben, einen Groll, einen Unwillen. Einen Schiefer im Herzen haben, gleichsam einen Splitter, d. i. ein heimliches, kränkendes Anliegen, ein verwundetes Herz haben. In allen diesen Fällen ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. Das Niederdeutsche Scheve gehöret gleichfalls dahin. ( S. Schieferzahn.) 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Schiefer eine Steinart, welche aus groben Blättern bestehet, und sich leicht in Blätter spalten läßt, wo der Plural nur von mehrern Arten oder Quantitäten üblich ist; der Schieferstein. So wird bey Lüneburg ein harter, schwarzgrauer Alabaster, welcher in Blättern bricht, aber keine Politur annimmt, daselbst Schiefer genannt. Der thonartige Schiefer, der aus einem verhärteten Thone bestehet, Kalkschiefer, dessen Bestandtheile Kalk sind. Schwarzer, weißer, blauer, rother, brauner Schiefer, welcher auch nur Schiefer schlechthin, und wegen seines Gebrauches Dachschiefer genannt wird, ist ein verhärteter Moder. Kupferschiefer, welcher Kupfererz bey sich führet.

Anm. Im Nieders. Schevel, weil die Sylben -el und -er gleichbedeutend sind, im Engl. Shiver, im Schwedischen Skifver, und selbst im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Das Griech. und Lat. Schistus, Schiefer, sind gleichfalls nur im Endlaute verschieden. Es stammet von dem noch im Schwed. üblichen skifta, spalten, her. Im Ital. heißt der Schiefer in der letzten Bedeutung Scaglia, welches zu Schale gehöret, und Sceggia. In einigen Ober- und Niederdeutschen Gegenden wird der Schiefer Leye und Leiden genannt, welches allem Ansehen nach von Lage abstammet.


Schieferblau (W3) [Adelung]


Das Schieferblau, subst. indeclin. plur. car. eine feine Art Bergblau, welche wie ein Sand an dem Schiefer hanget.


Schieferbruch (W3) [Adelung]


Der Schieferbruch, des -es, plur. die -brüche, ein Steinbruch, in welchem Schiefer gebrochen wird.


Schieferdach (W3) [Adelung]


Das Schieferdach, des -es, plur. die -dächer, ein mit Schiefer gedecktes Dach.


Schieferdecker (W3) [Adelung]


Der Schieferdecker, des -s, plur. ut nom. sing. eine eigene Art Dachdecker, welche mit Schiefer decken; Nieders. Leidendecker.


Schiefergebirge (W3) [Adelung]


Das Schiefergebirge, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus Schiefer bestehendes Gebirge, auch im bergmännischen Bedeutung, wo eine jede beträchtliche Erd- oder Steinmasse unter der Erde ein Gebirge genannt wird.


Schiefergeschworne (W3) [Adelung]


Der Schiefergeschworne, des -n, plur. die -n, beeidigte Bergbediente, welche gewisse Zechen in ihrer Aufsicht haben, und auch Schauherren, Sinkler und Geschworne schlechthin genannt werden. Der Nahme Schiefergeschworne scheinet nur in den Gegenden üblich zu seyn, wo auf Kupferschiefern gearbeitet wird.


Schiefergestein (W3) [Adelung]


Das Schiefergestein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine aus Schiefer bestehende Steinart, ingleichen eine solche Steinmasse. Schieferstein hingegen bedeutet so wohl collective gleichfalls eine solche Masse, als auch individuell, einzelne Steine dieser Masse.


Schiefergrün (W3) [Adelung]


Das Schiefergrün, subst. indecl. plur. car. eine Art Berggrün, welches sich an manchen Schiefern befindet, und ein verwittertes oder aufgelöstes Kupfererz ist. Auch der Borax wird von einigen Schiefergrün genannt.


Schiefergyps (W3) [Adelung]


Der Schiefergyps, des -es, plur. inus. Gyps, welcher aus dünnen Scheiben und Blättern bestehet.


Schieferhammer (W3) [Adelung]


Der Schieferhammer, des -s, plur. die -hämmer, eine Art Hämmer, deren sich die Schieferdecker zum Annageln der Schiefer auf den Dächern bedienen.


Schieferhauer (W3) [Adelung]


Der Schieferhauer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Arbeiter, welcher in einem Schieferbranche arbeitet. Im Bergbaue hingegen ist der Schieferhäuer ein Bergmann, welcher auf Kupferschiefern arbeitet.


Schiefericht (W3) [Adelung]


Schiefericht, -er, -este, adj. et adv. dem Schiefer ähnlich, d. i. sich wie der Schiefer in dünne Blätter absondernd.


Schieferig (W3) [Adelung]


Schieferig, adj. et adv. aus Schiefer, d. i. dünnen Blättern, bestehend. Im Hochdeutschen am häufigsten in der zweyten Bedeutung des Hauptwortes. Ein schieferiges Gestein. Im Oberdeutschen wird es auch für splitterig gebraucht. Eben daselbst es auch figürlich, so viel wie mürrisch, immer unwillig und Verweise gebend. S. 2 Schiefer 1, und 2 Schiefern.


Schieferknoten (W3) [Adelung]


Der Schieferknoten, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein festes, in rundlicher Gestalt unter den Schiefern zuweilen vorkommendes Gestein, womit in den Schmelzöfen die Futtermauern gemacht werden.


Schieferkohle (W3) [Adelung]


Die Schieferkohle, plur. die -n, eine Art schlechter, spröder und schieferiger Steinkohlen, welche im Bergbaue Dachkohlen genannt werden, weil sie über den bessern Pechkohlen liegen und ihr Dach ausmachen. Sie bestehen aus einem mit Erdpeche ärmlich durchdrungenen Schiefer.


Schieferkopf (W3) [Adelung]


Der Schieferkopf, des -es, plur. inus. im Bergbaue, diejenige Erdschicht, worin der erzhaltige Schiefer befindlich ist.


Schiefern (W3) [Adelung]


1. Schiefern, verb. reg. act. mit dem unter dem Nahmen des Schiefers bekannten Netze fischen. S. 1 Schiefer.


Schiefern (W3) [Adelung]


2. * Schiefern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in einigen Oberdeutschen Gegenden üblich ist, kleinen Unwillen durch kleine Verweise ausbrechen lassen; wo es so wie die im gemeinen Leben anderer Gegenden üblichen nörgeln, nergeln, bremmeln, u. s. f. eine Nachahmung des Lautes zu seyn scheinet. S. indessen 2 Schiefer 1.


Schiefern (W3) [Adelung]


3. Schiefern, verb. reg. act. von 2 Schiefer; in Schiefer, d. i. dünne Blätter, theilen, wo es doch nur als ein Reciprocum üblich ist, sich schiefern, sich in solchen dünnen Blättern ablösen; sich blättern, im gemeinen Leben, sich schelfen, sich schälen. Die Haut schiefert sich. Daher das Schiefern.


Schiefernagel (W3) [Adelung]


Der Schiefernagel, des -s, plur. die -nägel, eine Art Nägel, womit der Schiefer auf den Dächern befestiget wird.


Schieferniere (W3) [Adelung]


Die Schieferniere, plur. die -n, im Bergbaue, Nieren aus der gewöhnlichen Masse des Schiefergesteines, Schiefer in kugelförmiger oder runder Gestalt. S. Niere.


Schieferplatte (W3) [Adelung]


Die Schieferplatte, plur. die -n, eine aus Schiefer bestehende Platte, ein dickes Blatt Schieferstein.


Schieferschwarz (W3) [Adelung]


Das Schieferschwarz, subst. indecl. plur. car. eine schwarze Farbe in Gestalt eines Schiefers, d. i. ein weicher, abfärbender Schiefer von schwarzer Farbe.


Schieferstein (W3) [Adelung]


Der Schieferstein, des -es, plur. die -e, siehe Schiefergestein.


Schiefertafel (W3) [Adelung]


Die Schiefertafel, plur. die -n, eine aus Schieferstein gemachte Tafel, darauf zu rechnen und zu schreiben.


Schieferweiß (W3) [Adelung]


Das Schieferweiß, subst. indecl. plur. car. die feinste Art des Bleyweißes, welche aus dünnen, dem Schiefer ähnlichen Blättern bestehet, und aus bleyernen Blättern bereitet wird.


Schieferzahn (W3) [Adelung]


Der Schieferzahn, des -es, plur. die -zähne, in der Landwirthschaft, fehlerhafte spitzige Zähne, dergleichen die Ferkel und andere Thiere zuweilen bekommen, von 2 Schiefer, ein Splitter. In der zweyten Bedeutung des Hauptwortes Schiefer könnte man auch einen Zahn, welcher sich schiefert, d. i. in Blätter ablöset, einen Schieferzahn nennen.


Schiel (W3) [Adelung]


* Schiel, -er, -este, adj. et adv. ein nur im Oberdeutschen für schel übliches Wort, welches eigentlich schief bedeutet. Figürlich für schel sehend. Der dürre schiele Neid, Kleist; ob es gleich in diesem Verstande im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.


Schiele (W3) [Adelung]


Die Schiele, plur. die -n, der Oberdeutsche, besonders Österreichische, Nahme einer Art eßbarer Flußfische, von welcher ich keine nähere Bestimmung angeben kann.


Schielen (W3) [Adelung]


Schielen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und eigentlich schief seyn bedeutet, aber nur in engerer Bedeutung von der Art und Weise zu sehen, und wie die Dinge durch das Gesicht empfunden werden, gebraucht wird. 1. Eigentlich, wo man schielet, 1) wenn man einen Gegenstand seitwärts oder von der Seite ansiehet. Wenn die Sunn den mon (Mond) bey siezt anschilhent oder anscheinent, in dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur. Kumt ein iunger ieze dar So wirde ich mit twerhen ougen Schilhend angesehen, Herm. von der Vogelweide. Jetzt schielt er dem Mädchen aufs Mieder, Bernh. Nach etwas schielen, verstohlen von der Seite sehen. 2) Wenn die Achse des einen Auges schel oder schief, d. i. anders gerichtet wird, als die Achse des andern Auges, da man denn die Gegenstände doppelt siehet. Schielen, so sehen. Mit den Augen schielen. Ein schielendes Gesicht. Schon bey dem Notker schielen, im Nieders. schelen, im Angels. scylian, im Schwed. skäla und skela, und selbst im Griechischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Im Oberdeutschen sind dafür die Intensiva schiglen, schickeln und schelchen üblich, so wie man im Niedersächsischen für schielen auch grellen sagt. 2. Figürlich. 1) Von Farben und gefärbten Dingen. Ein Zeug schielet, wenn er aus einer Farbe in die andere spielet; wofür man in den gemeinen Sprecharten auch das Intensivum schillern gebraucht; wovon die Wörter Schillebold, Schillertaffet u. s. f. abstammen, ( S. dieselben, ingleichen Schieler.) Noch gewöhnlicher gebraucht man es von einer Farbe, welche auf eine fehlerhafte Art in die andere spielt. So schielen die hellen Emaille-Farben oder werden schielend, wenn eine beygemischte fremde Farbe ihnen ihren Glanz, ihr Licht benimmt. 2) Ein Ausspruch, ein Urtheil, ein Satz, eine Definition schielet; aber noch häufiger, ist schielend, wenn sie nicht völlig auf die Sache, auf die Umstände passet, etwas anders mit bezeichnet, was sie nicht bezeichnen soll. So auch das Schielen. es ist von dem Bey- und Nebenworte schiel, schel, schief, Niedersächs. schell, Oberd. schelch, Schwed. skäll, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; S. Schiel und Schel.


Schieler (W3) [Adelung]


Der Schieler, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Person männlichen Geschlechtes, welche schielet, 2) In der ersten figürlichen Bedeutung des Zeitwortes, ein Ding, welches in eine andere Farbe spielt; nur in manchen besondern Fällen. So wird der Bleicher, d. i. ein blaßrother, ein weißer, in das Rothe spielender Wein, in manchen Gegenden auch Schieler, Schiller genannt, welche letzte Form auch in Schillertaffet die übliche ist, siehe dasselbe.


Schienbein (W3) [Adelung]


Das Schienbein, des -es, plur. die -e, der untere Schenkel, das lange, starke, vordere Bein des Fußes zwischen dem Knie und dem Gelenkbeine, hinter welchem sich die Wade befindet; oft auch nur die Schiene schlechthin, Nieders. Schenne, Angels. Scyne, Scynban, Engl. Shin, Schwed. Skenben. Weil Schin in den alten Mundarten auch Haut bedeutet, ( S. Schinden) und dieses Bein unmittelbar unter der äußern Haut befindlich ist, so glauben Frisch und andere, daß es so viel als Hautbein bedeute. Allein alsdann könnte dieses Bein nicht auch den Nahmen der Schiene schlechthin führen. Es ist vielmehr das folgende Schiene, ein Bein in Gestalt einer Schiene, weil es das größte unter allen Beinen ist, welche von außen durch das Gesicht und Gefühl empfunden werden, dessen äußere Fläche auch wirklich einer Schiene gleicht. Schinken und Schenkel sind nahe damit verwandt.


Schiene (W3) [Adelung]


Die Schiene, plur. die -n, Diminut. das Schienchen, Oberd. Schienlein, ein langes, dünnes, gemeiniglich schmales Werkzeug oder Ding; doch nur in einigen einzelnen Fällen. Die Schiene der Töpfer ist ein kleines, flaches Bret; die Töpfe damit von außen und innen zu ebnen. Der Schiene, so fern sie im gemeinen Leben das Schienbein bedeutet, ist schon bey dem vorigen Worte gedacht worden. Die langen, biegsamen, dünnen, hölzernen Riemen, woraus die Siebe geflochten werden, führen gleichfalls den Nahmen der Schienen oder der Flechtschienen. Besonders, so fern ein solches Ding zur Bekleidung, Bedeckung oder zur Befestigung eines andern dienet. So sind die Armschienen und Beinschienen Theile des Harnisches, welche aus halb runden, langen eisernen Blättern bestehen, die Arme und Füße damit zu bekleiden. An den eisernen Öfen heißen die beyden Stücke Eisen, welche an den Ecken der Vorderstücke eines eisernen Ofens angeschraubet werden, und welche den Ofen zusammen halten, die Schienen. Die platte, lange eiserne Stange, welche auf die Wagenachse befestiget wird, wird die Achsschiene, so wie die ähnlichen Eisen, womit die Räder auf der Stirn beschlagen werden, Radschienen genannt. Die Schienen der Wundärzte, welche auch Schindeln heißen, sind schmale hölzerne Breter, einen zerbrochenen Arm oder Fuß dadurch in seiner gehörigen Lage zu erhalten, und so in andern Fällen mehr. Anm. Im Nieders. Schene, Schenne, im Schwed. Skena, im Pohl. Szyna. Entweder von dem veralteten schinen, spalten, wovon noch Schindel abstammet, oder unmittelbar von dessen weitesten Bedeutung, nach welcher es ehedem der nachahmende Ausdruck einer schnellen Bewegung, und unter andern auch einer Bewegung und Ausdehnung in die Länge war, ( S. Scheinen, Schin, Sehne, welche alle besondere Arten dieser Bewegung und Richtung bezeichnen) Der Begriff des hohlen Raumes, der Bedeckung, ist eine gewöhnliche Figur des Begriffes der Bewegung in die Tiefe, daher denn die Verwandtschaft des veralteten Schin, die Haut, begreiflich wird. S. auch Schinden und Scheune.


Schieneisen (W3) [Adelung]


Das Schieneisen, des -s, plur. ut nom. sing. im Eisenhandel, so wohl collective, zu Schienen, und im engern Verstande, zu Radschienen geschmiedetes Eisen, als auch von einzelnen Schie- nen, welche letztere man doch lieber Schienen und Radschienen zu nennen pflegt.


Schienen (W3) [Adelung]


Schienen, verb. reg. act. von dem Hauptworte Schiene, mit Schienen versehen. Die Wundärzte schienen ein gebrochenes Bein, die Schmiede die Räder u. s. f. Nieders. schennen. So auch das Schienen.


Schienenfaß,Schienfaß (W3) [Adelung]


Das Schienenfaß, oder Schienfaß, des -sses, plur. die -fässer, im Bergbaue, eine aus starken hölzernen Schienen geflochtene Mulde, mit welcher die Kohlen auf den Ofen getragen werden.


Schienenruthe (W3) [Adelung]


Die Schienenruthe, plur. die -n, an den Weberstühlen, Ruthen in Gestalt der Schienen, welche hinter den Kammerblättern quer durch die Kette gehen, die Fäden der Kette in zwey Hälften theilen, und sie zum Durchschießen hohl machen.


Schienhaken (W3) [Adelung]


Der Schienhaken, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Hüttenbaue, eine eiserne Schiene mit einem Haken, welche unten den Schämel oben aber den Hängehaken des obern Balgenbretes an dem Blasebalge mit einander verknüpfet.


Schiennagel (W3) [Adelung]


Der Schiennagel, des -s, plur. die -nägel, starke Nägel mit dicken großen Köpfen, die Radschiene damit auf die Felgen zu befestigen; der Radnagel.


Schienzange (W3) [Adelung]


Die Schienzange, plur. die -n, auf den Eisenhämmern, eigene Zangen, das Schieneisen damit zu handhaben.


Schier (W3) [Adelung]


Schier, -er, -ste, adj. et adv. ein noch in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes sehr gangbares Wort, welches aber in der anständigen Schreib- und Sprechart der Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird. Es kommt in einer doppelten Hauptbedeutung vor. 1. Schnell, plötzlich, hurtig, wo es als ein Nebenwort am häufigsten ist. 1) Eigentlich. Es wird ihre Ernte gar schier kommen, Jer. 51, 33. Aufs schierste kommen, Apost. 17, 15. Ebr. 13, 19. 2) Figürlich. (a) Bald, mit nächsten; im Böhm. skeiro. Pinehas Weib war schwanger, und sollte schier geliegen, 1 Sam. 4, 19. Hüther, ist die Nacht schier hin? Es. 21, 11. Daher schierstkünftig, in den Oberdeutschen Kanzelleyen. (b) Beynahe; schon bey dem Ottfried scioro. Ich hätte auch schier so gesagt, Ps. 119, 15. Sie haben mich schier umbracht, V. 87. Ich habe schier meine Augen ausgeweinet, Klagel. 2, 11. Ich wäre schier gefallen. Ich hätte es schier vergessen. Noch in den vertraulichen Sprecharten. 2. * Glänzend hell, in welchem Verstande es im Niederdeutschen am häufigsten ist, und auch als ein Beywort gebraucht wird. 1) Eigentlich, im Nieders. schier, Angels. scir, Schwed. skär und skir, Isländ. skyr; eine selbst im Niederdeutschen wenig mehr übliche Bedeutung. 2) Figürlich. (a) Weiß; in welchem Verstande es nur noch hin und wieder vorkommt. (b) Lauter, rein, unvermischt, im Engl. sheer. Eine schiere Haut, im Nieders. so wohl rein und glänzend, als auch rein von Flecken. Schieres Korn, welches mit keinem andern vermischt ist. Schiere Butter essen, lauter Butter. Schieres Fleisch, welches keine Knochen hat. Den Pferden schieren Hafer geben, lauter Hafer. Alles im Niederdeutschen, wo es nach einer noch weitern Figur auch für gänzlich wird. (c) Glatt, eben. Eine schiere Haut. Schier von Gesicht seyn, glatt.

Anm. Schier gehöret zu 1 Schar und Scheren, deren erste Bedeutung gleichfalls eine schnelle Bewegung ist. Der Begriff des Lichtes ist in allen Sprachen eine Figur der schnellen Bewegung, daher der Zusammenhang der beyden Bedeutungen dieses Wortes leicht begreiflich wird. Unser Zier ist mit der zweyten nahe verwandt. in den gemeinen Sprecharten werden Scherkasten, Scherbottich u. s. f. häufig wie Schier - ausgesprochen. Siehe auch das folgende.


Schieren (W3) [Adelung]


Schieren, verb. reg. act. welches auch nur in den gemeinen Sprecharten üblich ist. 1) Als ein Factitivum von dem Neutro scheren, den Ort schnell verändern, ist schieren, so wie schüren, scherchen und schirchen, in den gemeinen Sprecharten, die Bewegung eines andern Dinges beschleunigen, und figürlich, aufhetzen, anhetzen, aufmuntern. Ich will hingegen und ein Bißchen schieren, Weiße. ( S. Schüren.) In Hamburg ist Milch, Butter, Brühe u. s. f. schieren, sie durchrühren. 2) In Niederdeutschland, genau betrachten, um zu sehen, ob ein Ding lauter und unvermischt sey. So schieret man die Eyer, wenn man sie gegen die Sonne hält, um zu sehen, ob sie noch klar oder trübe und verdorben sind. Durchschieren ist daselbst genau betrachten, und in weiterer Bedeutung durchmustern, verschieren durch einen Blick bezaubern. S. Schier 2.


Schierling (W3) [Adelung]


Der "Schierling", des -es, plur. inus. eine sehr giftige Pflanze, welche in den Gärten, Feldern und auf den Ruinen Europens wild wächset, und der "Petersilie" gleicht, sich aber durch ihren häßlichen Geruch gar halb verräth; "Conium L." sonst "Cicuta", im gemeinen Leben "Wuthscherling", eigentlich "Wuthschierling", weil es oft wüthend macht, "Wütherich", "Tollkraut", "Hunds-Petersilie". Weil diese Pflanze eben so eingekerbte Blätter hat, wie die "Petersilie", so hat sie vermuthlich auch daher ihren Nahmen, von "scheren", "kerben", "theilen". "Ing" oder "Ling" ist die Endsylbe. Der Niedersächs. Nahme "Scharnpipe", welches eigentlich den "Schierling" mit langen hohlen Stängeln bedeutet, Norweg. "Skarntyde", scheinet mehr von dem Niederd. "Scharn", "Mist", abzustammen, weil diese Art des "Schierlinges" gern auf den Misthaufen wächst.


Schießbeere (W3) [Adelung]


Die Schießbeere, plur. die -n, S. Scheißbeere.


Schießblech (W3) [Adelung]


Das Schießblech, des -es, plur. die -e, bey dem Sprengen der Steine und des Gesteines mit Pulver, ein zwey Hände breites Eisen, welches zwischen die Spreitze und den Schießpflock gelegt wird, damit die erstere nicht von dem letztern gespalten werde.


Schießbolzen (W3) [Adelung]


Der Schießbolzen, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Seekriege, eiserne Bolzen, welche aus Kanonen geschossen werden, das Tauwerk der feindlichen Schiffe damit zu zerreißen.


Schieße (W3) [Adelung]


Die Schieße, plur. die -n, bey den Bäckern, ein flaches Bret an einer Stange, das Brot damit in den Ofen zu schießen, d. i. zu schieben; der Schieber.


Schießeisen (W3) [Adelung]


Das Schießeisen, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, 1) ein Eisen in Gestalt eines Fäustels, welches bey dem Schießen, d. i. Sprengen des Gesteines mit Pulver, über dem Schießloche in das Gestein gehauen und auf das Schießblech getrieben wird. 2) Eiserne Bolzen an den Kunstzeugen, welche quer durch den Zug gesteckt werden, damit der Zug nicht hinunter schieße.


Schießen (W3) [Adelung]


Schießen, verb. irreg. ich schieße, du schießest, (in einigen Oberdeutschen Gegenden scheußest,) er schießt, (Oberd. scheußt;) Imperf. ich schoß; Mittelw. geschossen; Imperat. schieße oder schieß, (Oberd. scheuß.) Es ist in einer doppelten Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, wo es der Form nach das Intensivum von schehen, schiehen, scheuen, ist, sich auf das schnellste fortbewegen; es wird von einer solchen Bewegung nach allen Richtungen gebraucht, und ist eine unmittelbare Nachahmung des damit verbundenen Lautes, welchen man auch noch jetzt durch den Zischlaut auszudrucken pflegt. 1. Eigentlich, schnell dahin, daher fahren, so wohl von lebendigen als leblosen Dingen. Ein Bach schießet dahin von den Leuten, Hiob. 25, 4. Die Schlange schoß nach dem Weibe im Wasser, Offenb. 2, 15, 16. Die Stoßvögel schießen von der Höhe herab auf ihren Raub. Sehr häufig sagt man in der vertraulichen Sprechart, es sey jemand vor uns vorbey geschossen, er komme geschossen, für gerannt. Die Erde schießt von einem Berge, ein Stein von dem Dache, wenn sie plötzlich herunter fallen. Das Blut schießt aus der Wunde, wenn es mit Ungestüm und haufenweise heraus quillt. Endlich schossen ihr die Thränen in die Augen. Seine Augen überall herum schießen lassen, schnell und ungestüm herum fahren. Das Blättchen schoß mir, ( S. Blatt.) Es schießt uns etwas aus der Hand, wenn es uns durch seine eigene Schwere plötzlich entfällt. 2. Figürlich, wo der Begriff des Ungestümes und der schnellen Eile sich verlieret oder doch sehr vermindert wird. 1) Ein Seil schießen lassen, es fahren lassen. Den Leithund schießen lassen, bey den Jägern, ihm mehr Hängeseil geben, das Hängeseil nachlassen. Einem Pferde den Zügel schießen lassen. 2) Für aufwachsen. Eine Pflanze schießet in den Samen, wenn sie Blüthe und Samen ansetzet. In die Höhe schießen, schnell in die Höhe wachsen. Besonders in den Zusammensetzungen aufschießen, anschießen, von Krystallen gebraucht, erschießen, in der Oberdeutschen Figur des Ergebens, Nützens, und in den Ableitungen schossen, Schößling, Schuß. Im Oberdeutschen ist Schießling ein junger aufgeschossener Mensch, S. Schößling. II. Als ein Activum, oder vielmehr Factitivum, schießen machen, einem Dinge eine schießende, d. i. fast unmerklich schnelle Bewegung mittheilen. 1. Eigentlich, wo es mehr als werfen, stoßen u. s. f. sagt, und eine solche schnelle Bewegung voraussetzt, deren einzelne Theile den Augen kaum merklich sind. Die Sonne schießt ihre Strahlen. Jupiter schießt seine Blitze aus den Wolken. Einen zornigen Blick auf jemanden schießen. Schüs wilder blicke nicht zevil, die Winsbeckinn. Ha! welche Flammenströme schoß die Hyder nach seinem Leben! Raml. Saul schoß den Spieß nach dem David, 1 Sam. 20, 33. Den Dolch in seiner Hand, schoß er mit blinder Wuth Bey mir vorbey, Weiße. Dahin scheinet auch die schießende Falle der Schlösser zu gehören, welche ein rechtwinkelig gebogenes Eisen in den Schlössern ist, an dessen hinteres Ende die Schloßfeder anschießet. 2. In engerer Bedeutung, vermittelst eines Schießgewehres, es sey von welcher Art es wolle, fortschnellen, wo es wieder unter verschiedenen Einschränkungen gebraucht wird. 1) Von der Person, welche sich eines solchen Geschosses bedienet. Mit einer Flinte, mit einer Büchse, mit einer Pistole, mit einer Kanone, mit einer Armbrust schießen. Mit Kugeln, mit Schrot schießen. Mit Pfeilen, mit Bolzen nach dem Ziele schießen. Nach jemanden schießen. Nach einem Vogel, nach der Scheibe schießen. Jemanden schießen, ihn mit einem solchen Schusse treffen, wenn er gleich nicht tot geschossen ist. Aber einen Vogel, einen Hasen, einen Hirsch schießen, ist so viel als ihn durch Schießen erlegen. Die Jäger gebrauchen das Zeitwort schießen nur, wenn sie sich der Flinte oder der Pistole bedienen; von einer Kugelbüchse ist bey ihnen bürschen üblich, ( S. dasselbe.) Scharf schießen, mit einer Kugel, mit Schrot u. s. f. im Gegensatze des blind schießen, wenn das Gewehr nur allein mit Pulver geladen ist. Jemanden über den Haufen schießen, ihn vor den Kopf schießen, in den Arm, in den Leib schießen. Fehl schießen. Aus einer Flinte, aus Kanonen schießen. Von einem possierlichen Menschen, ingleichen von einem der aus Mangel des Verstandes Thorheiten begehet, sagt man in der vertraulichen Sprechart, er sey geschossen, oder habe einen Schuß, wo es für angeschossen zu stehen scheinet. In engerer Bedeutung ist im Bergbaue schießen, mit Schießpulver sprengen, welches man außer dem Bergbaue nur sprengen nennet. Erze und Berge herein schießen, das Gestein durch Sprengen mit Pulver gewältigen. 2) Von einem Schießgewehre. Ein Gewehr schießt gut, wenn es ohne Fehler ist. Eine Kanone schießt 20 Pfund, wenn eine Kugel von 20 Pfund aus derselben geschossen wird. S. auch Schuß. 3. Figürlich verlieret sich auch hier der Begriff der großen Geschwindigkeit, so daß schießen oft nur für werfen stehet. In manchen Gegenden schießt man einen Graben, aber man schießt ihn aus, wenn man ihn gräbt, ihn durch Auswerfung der Erde verfertiget. In Niederdeutschland werden die Steine geschossen, wenn einer sie dem andern zuwirft. Brot in den Ofen schießen, bey den Bäckern, welches eine mit Werfen verbundene Art des Schiebens ist. Ausschießen wird häufig, für auswerfen gebraucht; so auch durch schießen. In manchen Fällen verliert sich auch der mit dem Werfen verbundene Begriff der Heftigkeit, und da bedeutet schießen nach einer nicht ungewöhnlichen Vergrößerung nichts mehr, als legen, ordnen u. s. f. Geld zusammen schießen, zusammen legen ( S. auch Schoß.) Daher die Zusammensetzungen, vorschießen, herschießen, überschießen, zuschießen, Vorschuß, Zuschuß, Überschuß. Bey den Schneidern ist anschießen so viel als ansetzen. So auch das Schießen, welches auch von einer feyerlichen Versammlung gebraucht wird, wo man zur Übung oder zum Vergnügen schießet. Ein Schießen halten. So auch das Scheibenschießen, Vogelschießen, Gesellenschießen u. s. f. Siehe auch Schuß, welches in einigen Fällen gleichfalls von der Handlung des Schießens gebraucht wird, auch in der ersten neutralen Gattung.

Anm. Dieses Zeitwort lautet schon bey den Notker "sciezzen", und im Imperf. "scoz", "scuzzin". Es ist das Intensivum von "scheuen", "sausen" und andern ähnlichen, so fern sie sich insgesammt auf eine Onomatopöie gründen. Das veraltete "scheußen", (siehe "Scheußlich") das niedrige "scheißen", unser "schossen", das in den gemeinen Sprecharten übliche "schußeln", unvorsichtig und flüchtig hin und her laufen, ein "Schuß", eine flüchtige und vorsichtige Person, das Franz. "chasser", das Ital. "schizzare", spritzen, Nieders. "scheuten", das mittlere Lat. "Gussa", "Guza", "Guzia", eine alte Art eines kriegerischen Werkzeuges, (S. 3 "Katze") u. a. m. sind genau damit verwandt. Die Niederdeutsche Mundart und die mit ihr verwandten Sprachen haben statt des Zischlautes ihr gewöhnliches "t", wie das Nieders. "scheten", das Angels. "sceotan", "scytan", das Engl. "to shoot", das Schwed. "skjuta", das Holländ. "schieten", das Lettische "szauti", das Wallisische "saelhu", wohin auch das alte Franz. "jouster", das heutige Franz. "jetter", und das Ital. "jettare", werfen, vielleicht auch das Lat. "Sagitta", gehören. Es ist dieses Zeitwort eines von den vielen, welche in ihren Formen durch alle Selbstlaute durchgehen; "chasser", "scheußlich", "scheißen", Nieders. "scheten", Mittelw. "schaten", "schießen", "schoß", "schossen", "Schuß", "Schütze" u. s. f. Die irreguläre Form unsers heutigen Zeitwortes rühret auch von nichts anders her, als weil einige Zeiten von dem in dieser weitesten Bedeutung veralteten "schossen" entlehnet sind, wozu in dem in einigen Oberdeutschen Gegenden üblichen "scheußest", "scheußt", noch das veraltete "scheußen" kommt, welches in manchen raubern Provinzen noch wirklich gangbar ist, (S. "Scheußlich") Opitz und einige andere Oberdeutsche Dichter haben dieses "scheußt" auch zuweilen in Gedichten gebraucht, bloß weil es den Mund mehr füllet, und daher von ihnen für erhabener gehalten wurde.


Schießgeld (W3) [Adelung]


Das Schießgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches dem Jäger für jedes Stück Wild, welches von ihm geschossen worden, von seiner Herrschaft erleget wird; das Schußgeld, und bey großem Wildbret, welches gebürschet wird, Bürschgeld. Im Bergbaue ist es dasjenige Geld, welches der Steiger für jeden Schuß in der Grube bekommt.


Schießgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Schießgerechtigkeit, plur. inus. die Gerechtigkeit, d. i. das Recht, die Befugniß, auf eines andern Grund und Boden nach Wildbret zu schießen; das Schießrecht, welches von der Jagdgerechtigkeit noch unterschieden ist.


Schießgewehr (W3) [Adelung]


Das Schießgewehr, des -es, plur. die -e, ein Gewehr, damit zu schießen; zum Unterschiede von dem Seitengewehr, Kurzgewehr u. s. f.


Schießgraben (W3) [Adelung]


Der Schießgraben, des -s, plur. die -gräben, derjenige Theil eines trocknen Stadtgrabens, in welchem die Bürger nach der Scheibe u. s. f. schießen.


Schießhaus (W3) [Adelung]


Das Schießhaus, des -es, plur. die -häuser, ein dem feyerlichen Scheiben- Vogel- und andern Schießen gewidmetes Haus.


Schießherd (W3) [Adelung]


Der Schießherd, des -es, plur. die -e, ein Vogelherd, wo die Vögel durch abgeschossene Pfeile in die aufgestellten Garne oder Netze getrieben werden.


Schießhund (W3) [Adelung]


Der Schießhund, des -es, plur. die -e, eine Art abgerichteter Jagdhunde, welche das angeschossene und nicht gleich gefallene Wildbret aufsuchen, und wenn es Federwildbret ist, zugleich dringen. Große Hunde dieser Art, welche bey den Bürschen auf großes Wild gebraucht werden, heißen auch Bürschhunde, so wie die kleinern, welche auf Wassergeflügel abgerichtet sind, auch Wasserhunde heißen. Wie ein Schießhund aufmerken, im gemeinen Leben, sehr genau. In manchen Gegenden verstehet man unter Schießhund auch einen jeden Jagdhund.


Schießhütte (W3) [Adelung]


Die Schießhütte, plur. die -n, eine Hütte, in derselben auf Wildbret und Raubthiere zu lauern, und dieselben zu schießen.


Schießkarren (W3) [Adelung]


Der Schießkarren, des -s, plur. ut nom. sing. ein Karren, auf welchem die so genannte Karrenbüchse, woraus man auf Trappen und wilde Gänse zu schießen pflegt, befestiget wird; der Schießwagen.


Schießklinge (W3) [Adelung]


Die Schießklinge, plur. die -n, bey den Nadlern, eine stählerne Platte mit Öffnungen an beyden Seiten, die Dicke eines Drahtes damit zu messen; das Drahtmaß. Warum dieses Maß die Schießklinge heißt, ist mir unbekannt. Etwa von Ausschießen.


Schießloch (W3) [Adelung]


Das Schießloch, des -es, plur. die -löcher, im Bergbaue, die Löcher, welche in das Gestein gebohret und hernach mit Schießpulver geladen werden, wenn geschlossen, d. i. gesprenget, werden soll. Auch die Löcher in den Stadtmauern, aus denselben auf den Feind zu schießen, führen diesen Nahmen. S. Schießscharte.


Schießmahl (W3) [Adelung]


Das Schießmahl, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, plur. die -mähler, ein Mahl, abgestecktes Zeichen, nach welchem man mit einem Gewehre oder Geschütze schießet.


Schießpferd (W3) [Adelung]


Das Schießpferd, des -es, plur. die -e, ein zur Jagd abgerichtetes Pferd, hinter denselben und vermittelst desselben das Wild zu beschleichen und zu schießen; das Schußpferd, Treibepferd.


Schießplan (W3) [Adelung]


Der Schießplan, des -es, plur. die -e, ein Plan, d. i. langer ebener Platz, auf demselben zur Lust oder zur Übung zu schießen.


Schießplatz (W3) [Adelung]


Der Schießplatz, des -es, plur. die -plätze, ein jeder Platz, auf welchem Schießen gehalten werden, auf welchem zur Lust oder zur Übung geschossen wird; im Oberdeutschen die Schießstatt.


Schießpulver (W3) [Adelung]


Das Schießpulver, des -s, plur. inus. die allgemeine Benennung des aus Schwefel, Kohlen und Salpeter bereiteten Pulvers, dessen man sich zum Schießen bedienet, und welches oft auch nur Pulver schlechthin genannt, und wieder in Kartaunen-Büchsen- Bürsch- Scheibenpulver u. s. f. eingetheilet wird.


Schießrecht (W3) [Adelung]


Das Schießrecht, des -es, plur. inus. S. Schießgerechtigkeit.


Schießröhre (W3) [Adelung]


Die Schießröhre, plur. die -n, Diminut. das Schießröhrchen, im Bergbaue, eine Röhre von Hohlunderholz, welche mit Pulver gefüllet und als ein Zünder bey dem Schießen oder Sprengen gebraucht wird.


Schießscharte (W3) [Adelung]


Die Schießscharte, plur. die -n, Scharten, d. i. Einschnitte in den obern Theil der Mauern und Brustwehren, um dadurch mit groben und kleinen Geschütz auf den Feind zu schießen. In weiterer Bedeutung werden auch wohl die Schießlöcher in den Mauern Schießscharten genannt.


Schießscheibe (W3) [Adelung]


Die Schießscheibe, plur. die -n, eine Scheibe, darnach zu schießen.


Schießschlange (W3) [Adelung]


Die Schießschlange, plur. die -n, eine Art ausländischer Schlangen, welche wie ein Pfeil auf ihren Raub zu schießen pflegt; Coluber Aurora L. Augenschlange, Angelschlange.


Schießspreitze (W3) [Adelung]


Die Schießspreitze, plur. die -n, im Bergbaue, Spreitzen, welche bey dem Schießen oder Sprengen des Gesteines auf die Pflöcke gesetzet werden, damit dieselben nicht zurück springen.


Schießspule (W3) [Adelung]


Die Schießspule, plur. die -n, bey den Webern ein Nahme des Schiffes, welches mit der darin befindlichen Spule durch die Kette geschossen, d. i. geworfen, und auch der Schütze, ingleichen das Schiff genannt wird, S. diese Wörter.


Schießstand (W3) [Adelung]


Der Schießstand, des -es, plur. die -stände, derjenige Stand oder abgetheilte Raum, aus welchem die Schützen nach der Scheibe schießen.


Schießsteiger (W3) [Adelung]


Der Schießsteiger, der -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, derjenige Steiger, welcher das Schießen, d. i. das Sprengen des Gesteines mit Pulver, besorget und verrichtet.


Schießstück (W3) [Adelung]


Das Schießstück, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein Nahme des Schießbleches, S. dieses Wort.


Schießtafel (W3) [Adelung]


Die Schießtafel, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Druck- oder Beilketafel, S. das letztere.


Schießtasche (W3) [Adelung]


Die Schießtasche, plur. die -n, eine große an einem Riemen über der Schulter hangende Tasche der Jäger und Schützen, Pulver, Bley u. s. f. nebst dem geschossenen kleinen Wildbret darin bey sich zu führen; bey den Jägern auch die Weidtasche.


Schießwagen (W3) [Adelung]


Der Schießwagen, des -s, plur. die -wägen, S. Schießkarren.


Schießwand (W3) [Adelung]


Die Schießwand, plur. die -wände, eine hohe Mauer hinter der Schießscheibe, damit die Kugel keinen Schaden thue.


Schiff (W3) [Adelung]


Das Schiff, des -es, plur. die -e, Diminut. das Schiffchen, Oberd. Schifflein, ein Wort, in welchem der Begriff des hohlen Raumes, der Vertiefung, der herrschende ist, daher es ehedem so viel als ein hohles Gefäß bedeutete. 1) Überhaupt, zu welcher weitern Bedeutung unser Schaff und Scheffel, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gefäß, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Schiff und ein Becher, u. a. m. gehören. Im Deutschen kommt es in dieser weitern Bedeutung noch in verschiedenen einzelnen Fällen vor, am häufigsten aber von gewissen hohlen Gefäßen ohne Füße und Henkel. In den Brauhäusern werden die hölzernen Gefäße, in welchen das Bier sich abkühlen muß, so wohl Kühlschiffe als Kühlstöcke genannt. Bey den Mahlern sind die Schiffchen kleine runde Gefäße ohne Henkel, das Öhl und die Farben hinein zu thun, welche auch Näpfchen heißen. Das Schiff der Weber ist ein in der Mitte ausgehöhltes an beyden Enden spitziges Werkzeug, den darin auf der Spule befindlichen Eintrag mit demselben durch die Kette zu schießen; wo aber auch der Begriff des Schiebens mit in Betrachtung kommen kann, zumahl da es auch die Schießspule und der Schütze, von schießen, genannt wird. Im Darmstädtischen heißt es der Scheffel. Im mittlern Latein heißt es gleichfalls Navicula. Ähnliche aber weit kleinere und von Elfenbein bereitete Schiffchen hat das Frauenzimmer, die Knötchen damit zu schlingen. Das Schiff der Buchdrucker, Franz. la Gallee, ist ein längliches vierecktes Bret mit einem Rande, aus dessen Falze sich ein schmaleres Bret, die Schiffzunge, heraus ziehen läßt, in welchem die Columnen aus den Zeilen formiret werden. Das Schiff einer Kirche, im mittlern Lat. Navis, ist der mittlere größte Theil der Kirche, im Gegensatze der Halle und des Chors. In der im gemeinen Leben sehr üblichen Redensart Schiff und Geschirr, bedeutet Schiff alle zu einer gewissen Absicht nöthigen Gefäße, Geschirr aber alles übrige Geräth. Dem Pachter eines Landgutes das Inventarium über Schiff und Geschirr einhändigen, über alles zur Landwirthschaft gehöriger Geräth. Indessen kann es seyn, daß es hier besonders die zum Feldbau nöthigen Wagen bedeutet; wenigstens wird bey dem Fuhr- und Postwesen, wenn von Schiff und Geschirr die Rede ist, unter Schiff zunächst der Wagen verstanden. Jeder Bürger mag mit seinem eigenen Schiff und Geschirr zu seinem Hausgebrauche fischen, heißt es in einer Oberdeutschen Fischerordnung, wo unter Schiff zunächst wohl das Fahrzeug auf dem Wasser verstanden wird. 2) In engerer und der gewöhnlichen Bedeutung ist das Schiff ein hohles Fahrzeug auf dem Wasser mit einem vertieften Boden, ein Fahrzeug, welches sich vermittelst der Borte auf seinem Kiele oder Boden erhebet; zum Unterschiede von einer Prahme, einer Fähre, und einem Floße. Man könnte es hier sehr wahrscheinlich mit Wachtern von schieben, in der weitern ehemahligen Bedeutung der schnellen leichten Veränderung des Ortes, ableiten, wenn nicht glaublicher wäre, daß auch hier der Begriff der Vertiefung, des hohlen Raumes, der herrschende ist, wie unter andern auch aus den gleichbedeutenden Wörtern erhellet. Die Flußschiffe werden in vielen Gegenden nur Gefäße genannt; das Lat. Navis gehöret zu Napf, so wie das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Kahn, Schiff, zu - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und mit demselben zu - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, aushöhlen. Ehedem, da unsere heutigen großen Schiffe noch unbekannt waren, hieß ein jeder kleiner Kahn oder Nachen schon ein Schiff; bey dem Ulphilas Skipa, im Schwed. Skepp, im Nieders. Schipp, im Bretagnischen Schaff, im Wallis. Ysgaff, im Franz. Esquif, im Ital. Schiffo, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Latein. Scapha; alle in der Bedeutung eines Kahnes. Macrobius erzählt, es sey eine alte Sage, Herculem scypho tanquam navigio vento immensa maria transiisse, wobey er doch so verständig ist, daß er es nicht durch einen Becher, sondern durch ein Fahrzeug erklären will, ob ihm gleich unbekannt war, daß dieses Scyphus unser altes Schiff in der nunmehr veralteten Bedeutung eines Kahnes ist. Jetzt ist dieses Wort nur noch die allgemeine Benennung aller großen Fahrzeuge dieser Art, um sie von Kähnen, Nachen, Böthen u. s. f. zu unterscheiden, und welche nach Verschiedenheit ihrer Bauart, ihrer Bestimmung u. s. f. wieder eine Menge eigener Nahmen haben, wohin die Ruderschiffe, Fischerschiffe, Lastschiffe, Jagdschiffe, Kauffahrteyschiffe oder Handelsschiffe, Kriegsschiffe, Raubschiffe, Flußschiffe, Seeschiffe u. s. f. gehören. Bey dem Ottfried Scif, bey dem Tatian Shef, im Nieders. Schipp, im Angels. Scip, im Schwed. Skepp, im Engl. Ship. In Ansehung der Art des Fortkommens theilet man sie in Schiffe mit hohen Borten oder im Hochborte, welche durch Segel fortgetrieben werden, und in Schiffe mit niedrigen Borten, oder Niederborte, Ruderschiffe, welche sich der Ruder bedienen, und wohin auch die Galeeren gehören, ob es gleich auch eine dritte Art gibt, welche sich der Segel und Ruder zugleich bedienet. Ein Schiff bauen, ausrüsten. Zu Schiffe gehen. Waaren zu Schiffe, in das Schiff bringen. Zu Schiffe fahren, zu Wasser. Sich zu Schiffe begeben. Mit dem Schiffe abfahren. Das Schiff strandet u. s. f. Figürlich nennet man auch zuweilen einen Theil eines Schiffes das Schiff. So ist das Vorderschiff der vordere Theil des Schiffes, und das Hinterschiff der hintere Theil. Wegen einiger Ähnlichkeit der Gestalt, wird auch eine Art Muscheln mit einem scharnierförmigen Schlosse das Schiffchen genannt, und bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches ist das Schiff, Carina L. das untere von den vier Blumenblättern einer Schmetterlingsblume; gleichfalls wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt.

Anm. In den folgenden Zusammensetzungen ist das Schiffs bald Schiff - üblich. Das erstere beziehet sich auf ein einzelnes bestimmtes Schiff, das letztere ist unbestimmter. So ist ein Schiffknecht überhaupt jemand, welcher sich zu den geringsten Arbeiten auf Schiffen gebrauchen läßt, der Schiffsknecht aber in Beziehung auf ein gewisses bestimmtes Schiff. Es können daher in einem und eben demselben Worte beyde Formen in verschiedenen Beziehungen üblich seyn. In manchen Fällen aber hat auch der Gebrauch ein anderes eingeführet.


Schiffahrt (W3) [Adelung]


Die Schiffahrt, S. Schiffahrt.


Schiffamt (W3) [Adelung]


Das Schiffamt, des -es, plur. die -ämter, in einigen Ländern, ein Collegium obrigkeitlicher Personen, welchem die Aufsicht über die Schifffahrt anvertrauet ist. So besorget das Ober-Schiffamt in Wien die ganze Schifffahrt auf der Donau. Es ist mit einem adeligen Oberst- Schiffamts- Obersten und einem Amts-Officier besetzt.


Schiffbalken (W3) [Adelung]


Der Schiffbalken, des -s, plur. ut nom. sing. Balken, welche im Schiffbaue gebraucht werden; der Schiffsbalken aber ist der Balken in einem bestimmten Schiffe.


Schiffbank (W3) [Adelung]


Die Schiffbank, plur. die -bänke, auf den Ruderschiffen, Bänke, auf welchem sich die Ruderer befinden; die Ruderbank. Schiffsbank würde sich auf ein gewisses bestimmtes Schiff beziehen.


Schiffbar (W3) [Adelung]


Schiffbar, -er, -ste, adj. et adv. von Flüssen und Wassern, was mit Schiffen befahren, beschiffet werden kann. Ein schiffbarer Strom. ( S. auch Schiffreich.) Daher die Schiffbarkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Wassers, da es beschiffet werden kann.


Schiffbau (W3) [Adelung]


Der Schiffbau, des -es, plur. inus. der Bau der Schiffe, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit, Schiffe zu bauen. Die Schiffbaukunst. Den Schiffbau verstehen. Schiffbau beziehet sich auf den Bau eines oder mehrerer bestimmter Schiffe.


Schiffbauer (W3) [Adelung]


Der Schiffbauer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher ein Schiff bauet, oder bauen läßt; ingleichen derjenige, welcher die Schiffbaukunst verstehet und ausübet.


Schiffbaukunst (W3) [Adelung]


Die Schiffbaukunst, plur. inus. so wohl subjective, die Kunst und Geschicklichkeit, Schiffe zu bauen, als auch objective, der Inbegriff aller dazu gehörigen Regeln.


Schiffbaumeister (W3) [Adelung]


Der Schiffbaumeister, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher die Schiffbaukunst als Meister verstehet und den Schiffbauern vorgesetzet ist. Schiffsbaumeister würde den Baumeister eines gewissen bestimmten Schiffes bedeuten.


Schiffbein (W3) [Adelung]


Das Schiffbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, ein Bein des Oberfußes am menschlichen Leibe, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt; Os naviculare; scaphoideum.


Schiffbiene (W3) [Adelung]


Die Schiffbiene, plur. die -n, Bienen deren Körbe man in Schiffe auf einen Fluß stellet, da sie denn beyde Ufer besuchen.


Schiffbruch (W3) [Adelung]


Der Schiffbruch, des -es, plur. die -brüche, der Unfall eines Schiffes, da dasselbe an Klippen, auf Sandbänken u. s. f. zerbrochen oder zertrümmert wird. Schiffbruch leiden. Aus dem Schiffbruche errettet werden. Die Schiffbrüche sind jetzt seltener als ehedem. Bey dem Notker Cruntsousi.


Schiffbrüchig (W3) [Adelung]


Schiffbrüchig, adj. et adv. Schiffbrüchig werden, Schiffbruch leiden. Schiffbrüchige Leute, welche Schiffbruch erlitten haben Schiffbrüchige Waaren, welche aus einem Schiffbruche gerettet worden.


Schiffbrücke (W3) [Adelung]


Die Schiffbrücke, plur. die -n, eine auf Schiffen ruhende, aus zusammen gesetzten Schiffen bestehende Brücke.


Schiffen (W3) [Adelung]


Schiffen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. * Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn. 1) auf dem Wasser den Ort verändern, doch nur von einem Schiffe; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Daselbst fand der Unterhauptmann ein Schiff, das schiffete in Welschland, Apost. 27, 6. Segeln, gehen u. s. f. sind jetzt dafür üblicher. 2) Auf dem Schiffe mit dem Schiffe fahren; welche Bedeutung zwar noch gangbar ist, aber doch auch seltener wird. Von Hochborten ist auch hier segeln üblicher. Da es nunmehr gefährlich war zu schiffen, Apost. 27, 9. Da wir aber langsam schiffeten, B. 7. Wir schiffeten unter Cypern hin, B. 4, II. Als ein Activum, mit dem Schiffe fortschaffen. Waaren nach Frankreich schiffen. In den Zusammensetzungen aus schiffen und einschiffen bedeutet es, aus dem Schiffe und in das Schiff bringen. So auch das Schiffen.


Schiffer (W3) [Adelung]


Der Schiffer, des -s, plur. ut nom. sing. dessen Gattinn die Schifferinn, derjenige, welcher auf dem Schiffe die Aufsicht über dasselbe und über die Ladung hat, und auf der Mittelländischen See der Schiffs-Patron oder Patron heißt. Auch im Deutschen nennet man ihn, wenn man ihm Achtung erweisen will, den Schiffherren, Schiffsherren, obgleich dieses letztere eigentlich den Eigenthümer des Schiffes bezeichnet. Ein Schiffer, welcher nicht Eigenthümer des Schiffes ist, wird zum Unterschiede Setzschiffer genannt. Auf den Handelsschiffen, wo sich kein Schiffs-Capitän befindet, ist er der Oberste des Schiffes, der den Steuermann, welcher auch wohl zuweilen der Schiffmann genannt wird, unter sich hat. Auf ansehnlichen Kauffahrern pflegt man im gemeinen Leben auch wohl den Schiffer Schiffs-Capitän zu nennen. Schwed. Skeppare.


Schifferknoten (W3) [Adelung]


Der Schifferknoten, des -s, plur. ut nom. sing. ein an beyden Enden zusammen gebundenes und in der Mitte zusammen gezogenes starkes Tau in Gestalt einer 8, Lasten, besonders aber zwey Tonnen auf Ein Mahl damit in das Schiff zu heben.


Schiffermüze (W3) [Adelung]


Die Schiffermüze, S. Schiffmütze.


Schifferzirkel (W3) [Adelung]


Der Schifferzirkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug des Schiffers und Steuermannes in Gestalt eines Zirkels, aus der gegebenen Breite eines Ortes zur See dessen Länge zu finden.


Schifffahrer (W3) [Adelung]


Der Schifffahrer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher zu Schiffe fähret, noch mehr aber, welcher mehrmahls zu Schiffe gefahren ist, Fertigkeit und Übung in Seereisen besitzet; der Seefahrer.


Schifffahrt (W3) [Adelung]


Die Schifffahrt, plur. die -en. 1) Die Fahrt auf einem Schiffe, die Reisen zu Schiffe. Eine glückliche Schifffahrt haben. So lange die Schiffahrt dauert. 2) Die Kunst zu Schiffe zu fahren und deren Ausübung; ohne Plural. Die Schifffahrt verstehen. In einem Lande blühet die Schifffahrt, wenn viele Schiffe mit Nutzen in demselben ab- und zufahren. In engerer Bedeutung begreift Schifffahrt nur die Fahrt auf dem Meere, zum Unterschiede von der Wasserfahrt, auf Strömen. 3) Ein schiffbarer Strom im Meere oder in den Flüssen, zum Unterschiede von den Untiefen u. s. f. das Fahrwasser. Das Schiff stieß an die mitten in die Schiffahrt geschlagenen Pfähle an.


Schiffflotte (W3) [Adelung]


Die Schiffflotte, S. Schiffsflotte.


Schifffracht (W3) [Adelung]


Die Schifffracht, plur. die -en, diejenige Fracht, welche von Waaren, die zu Schiffe gehen, bezahlet wird; zum Unterschiede von der Landfracht. Schiffsfracht würde sich auf ein gewisses bestimmtes Schiff beziehen.


Schiffhalter (W3) [Adelung]


Der Schiffhalter, des -s, plur. ut nom. sing. der Nahme eines Fisches, S. Sauger.


Schiffherr (W3) [Adelung]


Der Schiffherr, S. Schiffsherr.


Schiffkunst (W3) [Adelung]


Die Schiffkunst, plur. inus. die Kunst zu schiffen, die Fertigkeit, ein Schiff geschickt zu regieren, welche doch am häufigsten die Steuermannskunst genannt wird.


Schiffküttel,Schiffkuttel (W3) [Adelung]


Der Schiffküttel, oder Schiffkuttel, des -s, plur. ut nom. sing. eine aus dem Holländischen entlehnte Benennung einer Art einschaliger, rund gewundener und in viele Kammern getheilter, auch mit einer Nervenröhre versehener Seeschnecken, welche auch Schiffmuschel, Segler, Lat. Nautili, genannt werden. Sie unterscheiden sich von den Ammons-Hörnern theils durch die Nervenröhre, theils durch ihre größere Dicke, besonders an dem äußersten Gewinde. Im gemeinen Leben pflegt man auch wohl den Ammons-Hörnern diesen Nahmen beyzulegen.


Schifflände (W3) [Adelung]


Die Schifflände, plur. die -n, derjenige Ort, wo die Schiffe sicher und bequem anländen können; am häufigsten in der Wasserfahrt auf Flüssen.


Schifflast (W3) [Adelung]


Die Schifflast, plur. die -en und wenn ein Zahlwort dabey ist, ut nom. sing. ein gewisses körperliches Maß, in den innern körperlichen Raum der Schiffe zu bestimmen, welches zwey Tonnen hält. Schiffslast, wie einige unrichtig schreiben und sprechen, würde sich auf ein bestimmtes Schiff beziehen.


Schiffleute (W3) [Adelung]


Die Schiffleute, sing. inus. Personen, welche zur Regierung und Führung eines Schiffes gehören, ohne Unterschied ihres Ranges. Hiram sandte seine Knechte im Schiff, die gute Schiffleute und auf dem Meer erfahren waren, 1 Kön. 9, 27.


Schiffmann (W3) [Adelung]


Der Schiffmann, des -es, plur. die -männer, derjenige, welcher das Schiff regieret, und jetzt am häufigsten der Steuermann genannt wird. Der Unterhauptmann glaubte dem Schiffmann, Apost. 27, 11. S. Schiffer.


Schiffmaß (W3) [Adelung]


Das Schiffmaß, des -es, plur. inus. S. Schiffschuh.


Schiffmühle (W3) [Adelung]


Die Schiffmühle, plur. die -n, eine auf einem platten Schiffe erbauete Wassermühle auf einem Flusse. Daher der Schiffmüller, der Eigenthümer oder Vorgesetzte derselben.


Schiffmumme (W3) [Adelung]


Die Schiffmumme, plur. car. in Braunschweig, die beste Art Mumme, oder des dasigen Bieres dieses Nahmens, weil es sich zu Schiffe verführen läßt; zum Unterschiede von der Stadtmumme.


Schiffmütze (W3) [Adelung]


Die Schiffmütze, plur. die -n, eine Mütze mit zwey spitzigen Schnäbeln an der Seite, in Gestalt eines Schiffes; eine Schiffermütze hingegen würde eine Mütze seyn, wie die Schiffer sie tragen.


Schiff-Nobel (W3) [Adelung]


Der Schiff-Nobel, des -s, plur. ut nom. sing. eine ehemahlige Art Englischer Goldmünzen, auf welcher ein Schiff gepräget war, S. Nobel.


Schiffpech (W3) [Adelung]


Das Schiffpech, des -es, plur. inus. eine Mischung aus Pech, Theer, Harz und Unschlitt, welche in die Fugen der Schiffe gegossen wird, das Holz vor der Fäulniß zu bewahren.


Schiffpfund (W3) [Adelung]


Das Schiffpfund, des -es, plur. die -e, und wenn ein Zahlwort dabey ist, ut nom. sing. eine Art großen Gewichtes, welche auf den Schiffen am üblichsten ist, und gemeiniglich 2 1/2 Zentner oder 280 gewöhnliche Pfund wieget. In vielen Gegenden werden auch die Landfrachten nach Schiffpfunden gerechnet, und da hält dasselbe in manchen Gegenden, z. B. zu Hamburg, 320 Pfund.


Schiffpumpe (W3) [Adelung]


Die Schiffpumpe, plur. die -n, eine Art Pumpen, wodurch das Wasser aus den Schiffen gepumpet wird. Schiffspumpe würde sich auf ein bestimmtes Schiff beziehen.


Schiffrecht (W3) [Adelung]


Das Schiffrecht, S. Seerecht.


Schiffreich (W3) [Adelung]


Schiffreich, -er, -ste, adj. et adv. reich an Schiffen. Ein schiffreicher Fluß, auf welchem viele Schiffe hin und wieder fahren. Ein schiffreiches Land, in welchem die Schifffahrt blühet. Manche Schriftsteller verwechseln dieses Wort sehr unschicklich mit schiffbar.


Schiffrose (W3) [Adelung]


Die Schiffrose, plur. die -n, diejenige einer Rose nicht unähnliche Figur, welche die 32 Winde und ihre Gegenden vorstellet; die Windrose.


Schiffruthe (W3) [Adelung]


Die Schiffruthe, plur. die -n, S. Schiffschuh.


Schiffsand (W3) [Adelung]


Der Schiffsand, plur. car. derjenige Sand, welcher in manchen Fällen unten in das Schiff geladen wird, um dasselbe im Gleichgewichte zu erhalten, und welcher unter dem Nahmen des Ballastes am bekanntesten ist.


Schiffsbaumeister (W3) [Adelung]


Der Schiffsbaumeister, S. Schiffbaumeister.


Schiffsbekleidung (W3) [Adelung]


Die Schiffsbekleidung, plur. die -en, die innere und äußere Bekleidung eines Schiffes, welche vermittelst der Futterdielen geschiehet.


Schiffsboden (W3) [Adelung]


Der Schiffsboden, des -s, plur. die -böden, der Boden eines Schiffes, oder in einem Schiffe, der zwischen zwey Decken eingeschlossene Raum in demselben.


Schiffs-Capitän (W3) [Adelung]


Der Schiffs-Capitän, des -es, plur. die -e, der erste und vornehmste Befehlshaber auf einem zum Kriege oder zur Vertheidigung ausgerüsteten Schiffe.


Schiffschuh (W3) [Adelung]


Der Schiffschuh, des -es, plur. die -e, und wenn ein Zahlwort dabey ist, ut nom. sing. bey einigen Meßkünstlern, der Nahme des Maßes eines Körpers, welches Eine Ruthe lang und breit und Einen Fuß dick ist, und welches auch ein Schachtschuh genannt wird. So auch Schiffruthe, Schiffzoll u. s. f. Das Schiffmaß, die Art und Weise die Ausdehnung der Körper auf diese Art zu messen; das Schachtmaß. ( S. Schacht 2.) Schiff gehöret hier nur auf eine sehr entfernte Art zu Schiff, navis, und ist mit Schacht gleichbedeutend, so daß es zunächst zu Schaft und Schiften gerechnet werden muß.


Schiffsflotte (W3) [Adelung]


Die Schiffsflotte, plur. die -n, ein bey vielen sehr gewöhnliches Wort für Flotte, welches aber theils überflüssig, theils unrichtig ist; überflüssig, weil Flotte im Hochdeutschen schon allein von einer Sammlung mehrerer mit einander in Verbindung fahrender Schiffe üblich ist, und keine nähere Bestimmung nöthig hat; unrichtig, weil Schiffsflotte, die Flotte eines gewissen bestimmten Schiffes bedeuten würde, und das Wort auf allen Fall Schiffflotte heißen müßte.


Schiffsform (W3) [Adelung]


Die Schiffsform, plur. die -en, in der Schiffbaukunst, diejenigen Hölzer, welche bey Erbauung eines Schiffes demselben seine Gestalt geben; Franz. Baloires.


Schiffsfreund (W3) [Adelung]


Der Schiffsfreund, des -es, plur. die -e, in den Seestädten, ein Nahme, welchen sich diejenigen geben, welche ein Schiff auf gemeinschaftliche Kosten ausrüsten, und welche auch Rehder, Mitrehder und Schiffs-Partener genannt werden.


Schiffsgebäude (W3) [Adelung]


Das Schiffsgebäude, des -s, plur. ut nom. sing. der Rumpf eines Schiffes, der eigentlich dessen Haupttheil ausmacht, zum Unterschiede von den Masten, dem Tau- und Takelwerke u. s. f.


Schiffsherr (W3) [Adelung]


Der Schiffsherr, des -en, plur. die -en, der Herr, d. i. Eigenthümer eines Schiffes, welcher in den Seestädten gemeiniglich ein Rehder genannt wird. S. auch Schiffer.


Schiffsholm (W3) [Adelung]


Der Schiffsholm, des -es, plur. die -e, ein aus dem nordischen Sprachen eingeführtes Wort, denjenigen Platz zu bezeichnen, wo Schiffe gebauet werden, und welcher am gewöhnlichsten ein Werft oder Schiffwerft genannt wird. Eigentlich sollte es Schiffholm heißen.


Schiffskrone (W3) [Adelung]


Die Schiffskrone, plur. die -n, ein von einigen Neuern gebrauchtes Wort, die Coronam navalem oder rostratam der ehemahligen Römer zu bezeichnen, welche derjenige zur Belohnung erhielt, welcher zuerst ein feindliches Schiff erstieg.


Schiffslast (W3) [Adelung]


Die Schiffslast, S. Schifflast.


Schiffs-Officier (W3) [Adelung]


Der Schiffs-Officier, des -s, plur ut nom. sing. ein jeder, welcher auf einem Schiffe zu befehlen hat, ein Amt auf demselben vewaltet, welche denn wieder in Ober- und Unterofficier getheilet werden. Auf den Kriegsschiffen ist diese Benennung am üblichsten, wo die Generals-Personen auch Flaggen-Officier genannt werden. Schiff-Officier würde überhaupt einen Officier bedeuten, der zu Schiffe oder zur See dienet, und welchen man auch einen See-Officier nennet.


Schiffs-Part (W3) [Adelung]


Der Schiffs-Part, des -es, plur. die -e, in den Niederdeutschen Seestädten der Part, d. i. Antheil, an einem Schiffe; daher die Rehder oder Mitrehder, welche ein Schiff auf gemeinschaftliche Kosten ausrüsten, und den Gewinn unter sich theilen, daselbst auch Schiffs-Partener genannt werden. 1/12 Part oder Schiffs-Part, d. i. der 12 Theil von der ganzen Ausrüstung eines Schiffes. S. Part.


Schiffs-Patron (W3) [Adelung]


Der Schiffs-Patron, des -es, plur. die -e, auf den Fracht- und Handelsschiffen, ein Nahme des Schiffers oder Schiffherren. ( S. Schiffer.) Ingleichen in der Römischen Kirche, derjenige Heilige, welcher der jedesmahlige Patron oder Schutzheilige eines Schiffes ist.


Schiffsrath (W3) [Adelung]


Der Schiffsrath, des -es, plur. die -räthe, die Versammlung der Officier auf einem Schiffe zur Berathschlagung über gemeinschaftliche Angelegenheiten. Einen Schiffsrath halten, den Schiffsrath zusammen berufen.


Schiffsraum (W3) [Adelung]


Der Schiffsraum, des -es, plur. die -räume, der Raum oder Boden in einem Schiffe unter dem letzten Verdecke, welcher für die Waaren und Vorräthe bestimmt ist, und auch nur der Raum schlechthin genannt wird.


Schiffsrehder (W3) [Adelung]


Der Schiffsrehder, S. Rehder.


Schiffsrose (W3) [Adelung]


Die Schiffsrose, S. Schiffrose.


Schiffsschnabel (W3) [Adelung]


Der Schiffsschnabel, des -s, plur. die -schnäbel, an den Kriegsschiffen der Griechen und Römer ein bevor ragender zugespitzter Theil an dem Vordertheile, die feindlichen Schiffe damit zu durchstoßen; Rostrum. Statt dessen haben die heutigen Schiffe das Gallion.


Schiffssoldat (W3) [Adelung]


Der Schiffssoldat, des -en, plur. die -en, ein Soldat auf einem Schiffe. Für Schiffsoldat, welches nur den Stand überhaupt ohne Beziehung auf ein gewisses Schiff andeutet, ist Seesoldat üblicher.


Schiffsspiegel (W3) [Adelung]


Der Schiffsspiegel, des -s, plur. ut nom. sing. der hintere mit Schnitzwerk und Mahlerey gezierte Theil eines Schiffes, welcher von dem Hintersteven bis an die Kajiite gehet. S. Spiegel.


Schiffsvolk (W3) [Adelung]


Das Schiffsvolk, des -es, plur. inus. ein Collectivum, alle zur Regierung oder Vertheidigung eines Schiffes gehörigen Personen. Schiffvolk bedeutet dergleichen Personen überhaupt, ohne Beziehung auf ein bestimmtes Schiff.


Schiffswerft (W3) [Adelung]


Das Schiffswerft, (besser Schiffwerft,) des -es, plur. die -e, derjenige Ort, wo die Schiffe gebauet und gezimmert werden, und welches auch nur das Werft schlechthin genannt wird, ( S. dieses Wort); in den nordischen Ländern der Schiffsholm.


Schiffszunge (W3) [Adelung]


Die Schiffszunge, plur. die -n, S. Schiff 1.


Schiffwurm (W3) [Adelung]


Der Schiffwurm, des -es, plur. die -würmer, ein einem Faden ähnlicher Wurm, mit halb kugelrunden steinartigen Kinnbacken, welcher sich an die Schiffe hängt, und das Holzwerk an denselben zernaget; Teredo L.


Schiffzoll (W3) [Adelung]


Der Schiffzoll, des -es, plur. die -zölle, der Zoll, welcher von den Schiffen und ihren Waaren gegeben wird, ingleichen der Ort, wo solches geschiehet; der Seezoll, Wasserzoll.


Schiften (W3) [Adelung]


Schiften, verb. reg. act. ein nur in einigen Fällen üblichen Wort. 1) Ein Gewehr schiften, in einigen Gegenden, es mit einem Schafte versehen; wofür doch schäften gangbarer ist, ( S. dasselbe.) 2) Bey den Falkenieren wird ein Habicht geschiftet, wenn ihm frische Schwingfedern aufgesetzet werden. 3) Einen Sparren schiften ist in der Zimmermannskunst, einen Sparren der Länge nach an und auf den andern verbinden, daher diejenigen Sparren, welche an einem andern Sparren auf solche Art anlaufen, daselbst Schiftsparren genannt werden. So auch das Schiften und die Schiftung.

Anm. Es ist mit schäften ein und eben dasselbe Wort und von demselben nur in der Mundart verschieden. ( S. dasselbe.) Das Niedersächsische schiften, theilen, ist von schichten nur im Endlaute verschieden.


Schild (W3) [Adelung]


Schild, ein Hauptwort, welches in einer doppelten Gestalt gebraucht wird. 1. Im männlichen Geschlechte, der Schild, des -es, plur. die -e. 1) Eigentlich, eine in der heutigen Europäischen Kriegskunst veraltete Art Schutzwaffen, den Leib damit gegen die feindlichen Pfeile und Hiebe zu bedecken und zu beschützen, da denn die Schilde ehedem von verschiedener Materie, Größe und Gestalt waren. Schild und Bogen führen. Den Schild vorhalten. Güldene Schilde, 1 Kön. 24, 27. Zwey hundert Schilde, Kap. 10, 16. Aller Schilde Pracht, Opitz. Gelehnt auf ihre goldne Schilde, Raml.. 2) Figürlich. (a) Dasjenige, was uns einen kräftigen und sichern Schutz gewähret. Der Herr ist mein Schild, Ps. 28, 7. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, Ps. 91, 4. (b) Diejenige Figur, worein ein Wapen mit seinen Theilen verzeichnet wird, welche noch jetzt die Gestalt der ehemahligen Schilde hat, weil die Wapen ehedem auf die Schilde gemahlet wurden; der Wapenschild. Einen Adler im Schilde führen, zum Wapen haben. Daher die figürliche Redensart, sehen was jemand im Schilde führet, was er für geheime Absichten hat; vielleicht eigentlich, zu welcher Partey er gehöret. Nichts Gutes im Schilde führen, mit etwas Bösen umgehen. Weil ehedem nur adelige Personen Wapenschilde führen durften, so wird nach einer noch weitern Figur auch die adelige Würde noch in einigen Redensarten der Schild genannt. Zum Schilde geboren seyn, von adeliger Herkunft seyn. Nach einer noch andern Figur bedeutet Schilde zuweilen die Ahnen. Dann Schilde sind das mindste Von dem was Tugend heißt, Opitz. Der bloß auf Schilder (Schilde) pocht, Günth. * Ingleichen Personen von hoher Geburt und Würde; welche Figur doch jetzt veraltet ist. Gott ist selbst erhöht bey den Schildern auf Erden, Ps. 47, 10. Gott, der Ew. Majestät groß gemacht und unter den Schilden dieser Erde erhöhet hat, Mosheim. (c) * Eine Münze, auf welche ein Wapenschild mit seinem Wapen gepräget ist, eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher Schild ehedem für Thaler gebraucht wurde, wie im mittlern Lat. Scutum, noch jetzt im Ital. Scudo und im Franz. Ecu. Frisch führet verschiedene Beyspiele von dieser Bedeutung an, welche in einigen Oberdeutschen Gegenden noch jetzt üblich zu seyn scheinet. Daher war Schildfrank ehedem ein Ducaten. Eine gewisse Französische Goldmünze, welche unsern Carolinen ziemlich gleich kommt, wird noch jetzt Schild d'or, eigentlich ein goldener Schild, genannt. (d) Bey den Jägern wird das auf Leinwand gemahlte und in einem Rahmen befindliche Bild eines Thieres ein Schild genannt; vermuthlich, weil sie dasselbe wie einen Schild vor sich halten, wenn sie das Geflügel beschleichen wollen; wenn es hier nicht vielmehr ein Überrest einer alten Bedeutung eines Gemähldes ist, ( S. Schildern.) (e) Eine schwache Wand zwischen zwey stärkern Pfeilern, besonders an den Gartenmauern, führet gleichfalls den Nahmen eines Schildes; vielleicht auch wegen einiger sich dabey gedachten Ähnlichkeiten mit einem Schilde. Manche gebrauchen es hier im ungewissen Geschlechte das Schild. (f) Endlich wird es noch in vielen einzelnen Fällen gebraucht, ein Ding zu bezeichnen, welches einem Schilde im ersten Verstande ähnlich ist, besonders wenn es zugleich zur Bedeckung eines andern Dinges oder eines Theiles desselben dienet. So ist die harte hohle Schale, welche den ganzen Körper der Schildkröte bedecket, unter dem Nahmen des Schildes bekannt, ( S. Schildkröte;) ja unter den Insecten gibt es mehrere Arten, welchen man einen Schild zuzuschreiben pfleget, ( S. Schildkäfer.) Das Amt- oder Brustschildlein Aarons ist aus den Jüdischen Alterthümern bekannt. Die Postillione, Herolde u. s. f. haben metallene Schilde an der Brust, wo aber auch zunächst die Bedeutung eines Wapenschildes Statt finden kann. Ein breiter dicker Knorpel auf dem Rücken der wilden Schweine heißt bey den Jägern der Schild, und bey den Schlössern ist es das Blech, welches das Schlüsselloch bedeckt, im mittlern Lat. Escuchonetus. Die Feld- und Haselhühner haben an der Brust Federn von einer andern Farbe, welche bey den Jägern der Schild heißen; welchen Nahmen oft die Brust eines jeden Geflügels führet. Bey den Fleischern ist der Schild ein gewisser Theil von dem Buge eines Rindes, und bey den Schustern eine gewisse Stelle an der Hüfte de Pfundleders, wo es am dicksten ist, weil der Ochs auf dieser Stelle allemahl liegt. Bey den Gärtnern ist das Oculiren mit dem Schilde oder anschilden, dem Oculiren mit dem Ringe entgegen gesetzet. Und so in andern Fällen mehr. 2. In dem ungewissen Geschlechte, das Schild, des -es, plur. die -er, werden in Ober- und Niedersachsen nur die Wapenbilder oder Zeichen der Häuser, ingleichen die aushängenden und auf ein Bret gemahlten Zeichen der Handwerker und Gewerbe das Schild genannt; gleichfalls als eine Anspielung auf einen Wapenschild. Das Schild einziehen, sein Handwerk, sein Gewerbe niederlegen.

Anm. 1. Der Unterschied in dem Geschlechte und der Declination dieses Wortes ist im Grunde provinziell und daher nicht zu billigen, obgleich alle Obersächsische Sprachlehrer denselben zu einer grammatischen Regel gemacht haben. Im Oberdeutschen ist dieses Wort ohne Unterschied männlichen Geschlechtes, und hat daher im Plural auch ohne Ausnahme die Schilde. In Ober- und Niedersachsen hingegen, besonders im gemeinen Leben, sagt man fast in allen obigen Bedeutungen des männlichen Geschlechtes die Schilder; dieses setzt aber ein Wort ungewissen Geschlechtes voraus, und wirklich wird es daselbst sehr häufig in allen Bedeutungen als ein Neutrum gebraucht. Indessen hat das Masculinum alle nur erforderlichen Gründe für sich, und es ist der Analogie gemäß, es auch in der letzten Bedeutung eines Zeichens eines Handwerkers oder Gewerbes männlich zu gebrauchen, und folglich auch im Plural die Schilde zu sagen, weil kein Grund vorhanden ist, warum ein Wort in der einen Bedeutung anders geformet werden soll, als in der andern. Aichinger sagt in seiner Sprachkunst ausdrücklich, der Plural, die Schilder, sey ein Eigenthum der Meißner.

Anm. 2. Schon bey dem Ottfried und Notker Schilt, im Nieders. gleichfalls Schild, im Engl. Shield, im Angels. Scylt, im Schwed. Sköld, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Schiltch. Es ist von dem veralteten schalen, schelen, schilen, decken, bedecken, Schwed. skyla, wovon auch unser Schale abstammet. Auf ähnliche Art stammet das Schwed. Hlif, ein Schild, Lat. Clipeus, von lifa, decken, bedecken, und das Lat. Scutum, in den Slavonischen Mundarten Schit, Pohln. Sczyt, Böhm. Ssijt, von dem veralteten schuten, bedecken, her, wovon wir noch das Intensivum schützen haben.


Schildamsel (W3) [Adelung]


Die Schildamsel, plur. die -n, eine art Amseln, in der Größe eines Krammetsvogels von schwarzgrauer mit weiß gesprengter Farbe, welche vor der Brust einen weißen Fleck in Gestalt eines Schildes hat; die Meeramsel.


Schildänte (W3) [Adelung]


Die Schildänte, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Löffelänte, welche auch Schallänte und von einigen, im Latein. Schellaria genannt wird. Einer von beyden Nahmen ist vermuthlich aus dem andern verderbt.


Schildbauer (W3) [Adelung]


Der Schildbauer, des -s, plur. die -n, in Tirol, eine Art freyer Bauern, welche nicht leibeigen sind, sondern mit zum Adel steuern, daher sie vermuthlich auch den Nahmen haben. Ihre Höfe werden Schildhöfe genannt.


Schild (W3) [Adelung]


Der Schild d'or, des -s, plur. ut nom. sing. wo die letzte Hälfte das Franz. d'or ist, S. Schild 2) (c).


Schilder (W3) [Adelung]


* Der Schilder, des -s, plur. ut nom. sing. eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Benennung eines Mahlers. Die Schilder-Innung zu Magdeburg, in den Script. Brunsw. Es ist von Schild und der Endsylbe -er, dagegen Schilderer, welches doch auch wenig gebraucht wird, von schildern und der Endsylbe ist. S. Schildern.


Schilderey (W3) [Adelung]


Die Schilderey, plur. die -en, ein Gemählde, ohne daß es eben in einen Rahmen eingefaßt seyn dürfte, wie Stosch will, oder ein eigentliches Porträt seyn müßte, wie Gottsched behauptet. Am üblichsten ist es im Plural Schildereyen, künstliche, allen ihren Theilen nach fleißig ausgearbeitete Gemählde. Im Niedersächs. Schilleraatse, Schilleratste. S. Schildern und Schilderung.


Schilderhaus (W3) [Adelung]


Das Schilderhaus, des -es, plur. die -häuser, Diminut. das Schilderhäuschen, Oberd. Schilderhäuslein, ein kleines Gehäuse von Bretern oder Steinen, worin die auf ihrem Posten stehende Schildwache sich bey üblem Wetter verbergen kann. Von 2. Schildern, s. dasselbe.


Schildern (W3) [Adelung]


1. Schildern, verb. reg. act. von dem Hauptworte Schild. 1) Mit einem Schilde versehen, in verschiedenen einzelnen Fällen. So nennen die Jäger diejenigen Feld- und Wasserhühner, welche einen Schild auf der Brust haben, geschildert. In weiterm Verstande ist ein Geflügel bey ihnen wohl geschildert, wenn es auf der Brust reichlich mit Federn bedeckt ist. 2) Die Feldhühner schildern, eben daselbst, sie mit dem Schilde, d. i. dem gemahlten Bilde eines Thieres vor sich her treiben. 3) Mahlen, Figuren mit Farben entwerfen; im Nieders. schillern, im Schwed. skildra. so wird das Schildern bey den Kattundruckern dem Drucken entgegen gesetzt. Farben einschildern, sie auf den Kattun mahlen. Geschilderte Kattune, gemahlte, im Gegensatze der gedruckten. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist schildern von mahlen noch unterschieden, und da bedeutet es, die einzelnen Theile eines Gemähldes durch Farben, Licht und Schatten, gehörig ausarbeiten. Eine Schlacht schildern, sie nach allen ihren Theilen kunstmäßig abbilden. Figürlich schildert auch der Redner, der Dichter, wenn er eine sehr lebhafte Beschreibung eines Dinges macht, ein Ding nach allen seinen Theilen der Einbildungskraft durch Worte gegenwärtig macht. So schildert der Dichter eine schöne Gegend, die Schrecken einer Schlacht, den Sturm auf der See u. s. f. so auch das Schildern. S. auch die Schilderung. Die gewöhnlichste Ableitung des Wortes schildern in dieser Bedeutung, welche auch Wachter, Frisch, Ihre und andere angenommen haben, ist von Schild in der ersten eigentlichen Bedeutung, weil die Bemahlung der Schilde eine der ersten und vornehmsten Beschäftigungen der Mahler war, und sich die alten Deutschen schon zu Taciti Zeiten der bemahlten Schilde bedienten. Es hat diese Ableitung sehr viele Wahrscheinlichkeit für sich, und da würde von Schild mit der Ableitungssylbe -er das Hauptwort Schilder, ein Mahler, und von diesem das Zeitwort schildern gebildet seyn. Allein es ist doch die Figur ein wenig hart und ungewöhnlich. Nach der Analogie so vieler andern Wörter müßte Schilder eigentlich jemanden bedienen, welcher Schilde verfertiget, und nicht, der verfertigte Schilder bemahlet. Die drey leeren Schilde, welche die Mahler in ihrem Wapen führen, können hier nichts beweisen, indem sie ohne Zweifel sehr späten Ursprunges sind, und durch eine unrichtige Ableitung entstanden seyn können. Es käme daher darauf an, ob man nicht eine geschicktere und weniger gezwungene Abstammung ausmachen könnte, und diese biethet das veraltete Zeitwort schillen, schellen, theilen, unterscheiden, an, Schwed. skilja, Angels. scylan, von welchem schildern, Nieders. schillern, das Intensivum seyn kann; zumahl da der Begriff des Unterscheidens, der Bearbeitung aller einzelnen Theile, in dem Worte schillern so deutlich hervorsticht.


Schildern (W3) [Adelung]


2. Schildern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. 1) Stehen und warten, stehen und einem Dinge, welches kommen soll, lange entgegen sehen; ein vornehmlich in der Niederdeutschen Mundarten üblicher Gebrauch, wo es schillern lautet. 2) In engerer, auch im Hochdeutschen nicht ganz unbekannten Bedeutung, Schildwache stehen. Schildern müssen. Der Spanier schildert oft ganze Stunden unter dem Fenster seiner Geliebten. So auch das Schildern.

Anm. Frisch leitet dieses Wort geradezu von dem Lat. scultari her, andere von Schild, weil die Schildwachen ihre Wachen mit dem Schilde am Arme verrichten müssen. Erträglicher würde die letzte Ableitung seyn, wenn man sie durch eine Wache erklärete, welche bey den Schilden des übrigen Haufens stand, so wie man noch jetzt die Gewehrwachen hat, welcher besondern Bedeutung es denn die allgemeine bekommen haben könnte. Allein man muß den Ursprung dieses Wortes wohl ein wenig weiter suchen. Die Form zeiget schon, daß es ein intensives Diminutivum oder auch bloß ein doppeltes Intensivum ist, wo theils das doppelte ll, theils das r die Intension bezeichnet. Das Stammwort würde also schielen, seitwärts sehen, zielen, genau auf etwas sehen, seyn, welche Bedeutung schillern, Hochdeutsch schildern, nur verstärkt. Das Latein. scultari, wovon - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - im mittlern Griech. eine Schildwache bedeutete, kann genau damit verwandt, und bloß eine Figur von einem Sinne auf den andern seyn. Die Nahmen der Schildwachen in andern Sprachen haben einen ähnlichen Ursprung; z. B. das Franz. Sentinelle, von sentire, das gleichfalls Franz. etre aux ecoutes, Schildwache stehen, von ecouter, hören, horchen. S. Schilderhaus und Schildwache.


Schilderung (W3) [Adelung]


Die Schilderung, plur. die -en, von schildern, mahlen, doch nur in dessen figürlichen Bedeutung, eine lebhafte Beschreibung eines Dinges nach allen seinen Theilen, ein rednerisches oder poetisches Bild. In der mehr eigentlichen eines Gemähldes ist Schilderey üblich.


Schildferkel (W3) [Adelung]


Das Schildferkel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den neuern Schriftstellern des Thierreiches eine Art Armadille oder Panzerthiere, dessen länglicher Kopf einem Schweinskopfe ähnlich ist. Der vordere und hintere Theil des Körpers ist mit zweyen Schildern versehen, zwischen welchen sich zehn kleinere befinden. Es ist auf den Ostindischen Inseln einheimisch. Tatu porcinus Klein.


Schildgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Schildgerechtigkeit, plur. inus. die Gerechtigkeit, d. i. das Recht, einen Schild auszuhängen, und folglich ein öffentliches Gewerbe zu treiben; wo es zuweilen von der Gastgerechtigkeit gebraucht wird, oder dem Rechte Fremde zu beherbergen.


Schildhalter (W3) [Adelung]


Der Schildhalter, des -s, plur. ut nom. sing. in der Wapenkunst, eine menschliche oder thierische Figur, welche den Wapenschild hält; Wapenhalter.


Schildhof (W3) [Adelung]


Der Schildhof, des -es, plur. die -höfe, S. Schildbauer.


Schildkäfer (W3) [Adelung]


Der Schildkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Käfer mit fadenförmigen Fühlhörnern, deren Brustschild zugleich den Kopf bedeckt; Cassida L.


Schildknorpel (W3) [Adelung]


Der Schildknorpel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Adamsapfel.


Schildkrabbe (W3) [Adelung]


Die Schildkrabbe, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme des Taschenkrebses, weil es gleichsam mit einem Schilde bedeckt ist. S. Taschenkrebs.


Schildkrähe (W3) [Adelung]


Die Schildkrähe, S. Schildrabe.


Schildkraut (W3) [Adelung]


Das Schildkraut, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -kräuter, eine Art Pflanzen; Scutellaria L.


Schildkröte (W3) [Adelung]


Die Schildkröte, plur. die -n, ein vierfüßiges Amphibium, in Gestalt einer Kröte, dessen Körper mit einer harten Schale wie mit einem Schilde bedeckt ist; Testudo L. Nieders. Schildpadde, von Padde, eine Kröte. Daher die Schildkrötenschale, welche zu allerley saubern Arbeiten verarbeitet wird, und deren Masse alsdann im gemeinen Leben auch Schildkrot, Nieders. Schildpadd, genannt wird. Figürlich wird auch eine Nord-Amerikanische Pflanze, deren Helm an der Blumenkrone der Schale einer Schildkröte gleicht, Chelone L. ingleichen ein rother Schmetterling, dessen Flügel wie die Farben der Schildkrötenschale aussehen, Schildkröte genannt.


Schildlaus (W3) [Adelung]


Die Schildlaus, plur. die -läuse, ein Insect, mit halb harten Flügeldecken, welches sich häufig auf den Weinreben, Weiden, und an den Orangerien in den Gewächshäusern aufhält, und dessen ungeflügeltes Weibchen mit einem Schilde bedeckt ist, welcher einer Muschel gleicht, Coccus L. das Muschel-Insect. die Cochenille, und das Johannis-Blut oder der Pohlnische Kermes sind Arten desselben.


Schildlehen (W3) [Adelung]


Das Schildlehen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Lehen, welches mit Kriegsdiensten verdienet werden muß; ein adeliges Lehen, im Gegensatze eines bürgerlichen oder Bauerlehens.


Schildmauer (W3) [Adelung]


Die Schildmauer, plur. die -n, in den Weinbergen, niedrige Mauern an den Bergen, das Wasser aufzuhalten, damit es nicht so viele Erde mit sich führe; weil sie von Weinbergen gleichsam zu einem Schilde gegen das Wasser dienen.


Schildmotte (W3) [Adelung]


Die Schildmotte, plur. die -n, eine Art Motten, welche mit einem Schilde bedeckt ist, und sich auf der Rothbüche aufhält; Phalaena Bombyx limacodes Hufnag.


Schildrabe (W3) [Adelung]


Der Schildrabe, des -n, plur. die -n, eine Art grauer Raben mit einem schwarzen Schilde.


Schildreiher (W3) [Adelung]


Der Schildreiher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme des Nachtraben, vielleicht wegen seiner weißen Brust, oder auch wegen seines schwärzlich grünen Rückens; Ardea varia Klein. S. 2 Focke.


Schildträger (W3) [Adelung]


Der Schildträger, des -s, plur. ut nom. sing. bey der ehemahligen Art zu kriegen, derjenige, welcher einem Ritter oder vornehmen Krieger den Schild nachtragen mußte, und welcher ehedem auch Schildknappe, und wenn er von dem geringsten Stande war, Schildknecht genannt wurde. Goliaths Schildträger, 1 Sam. 17, 7.


Schildwache (W3) [Adelung]


Die Schildwache, plur. die -n. 1) Die Wache, d. i. die Verrichtung, da jemand an einem Orte stehet, um auf dasjenige Acht zu geben, was daselbst vorgehet; wo es nur in einigen besondern Redensarten üblich ist. Schildwache stehen, auf solche Art stehen und Acht haben. Von der Schildwache gehen, von seinem Posten. Jonathas verordnete Leute ums Lager umher in die Schildwache, 1 Macc. 12, 27. 2) Diejenige Person, welche auf solche Art an einen Ort gestellet wird, um auf alles Acht zu haben, was daselbst vorgehet. Die Schildwache ablösen. Schildwachen stellen. Die Schildwachen besuchen. Die verlorne Schildwache, im Kriege, welche an dem gefährlichsten Orte stehet.

Anm. Ohne Zweifel von dem veraltetem schilden, jetzt schildern, warten und sehen, stehen und auf etwas sehen. ( S. 2 Schil- dern und Schilderhaus.) Schildwache wird sowohl im Kriege, als auch außer demselben gebraucht, aber gemeiniglich nur von einzelnen Personen, weil, wenn auch die Wache aus mehrern Personen bestehet, das Schildern doch nur Einer unter denselben aufgetragen wird. Luthers Schildwächter, Richt. 7, 11, ist ungewöhnlich. In einer alten Urkunde bey dem Schilter wird eine Schildwache bey der Nacht Nachtfelde genannt, entweder auch von schilden, mit dem sanftern Zischlaute, oder auch von dem alten selden, stellen, eigentlich eine ausgestellte Wache zu bezeichnen.


Schilfdornreich (W3) [Adelung]


Der Schilfdornreich, des -es, plur. die -e, eine Art des unter dem Nahmen des Dornreiches bekannten Vogels, welcher dem gemeinen Dornreiche gleicht, nur daß er kleiner ist, und sich gern im Schilfe aufhält, und unter dem Nahmen des Rohrsperlinges am bekanntesten ist.


Schilfen (W3) [Adelung]


Schilfen, verb. reg. act. mit Schilf versehen. So schilfen die Glaser die Glasscheibe, wenn sie selbige in der Nuth des Rahmens mit Schilf bekleiden, das Eindringen des Wassers zu hindern.


Schilfgras (W3) [Adelung]


Das Schilfgras, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -gräser, ein Nahme, welcher verschiedenen dem Schilfe ähnlichen Grasarten gegeben wird. 1) Dem Waldschilfe, oder der Waldsemse, Scirpus sylvaticus L. welche dem Hornviehe sehr schädlich ist, und in Niedersachsen Segge, und vermuthlich auch Dümmel genannt wird. 2) Dem Wasserrispengrase, Poa aquatica L. welches dem Rindviehe eben so schädlich ist, und auch Wasserviehgras, großer Militz, im Niedersächsischen aber gleichfalls Segge genannt wird. S. auch Riethgras.


Schilfklinge (W3) [Adelung]


Die Schilfklinge, plur. die -n, dreyeckige Degenklingen, deren jede Seite hohl ausgeschliffen ist; entweder wegen der Ähnlichkeit mit den Blättern mancher Schilfarten, oder auch unmittelbar von Schilf, ein hohles Ding; die Hohlklinge.


Schilfrohr (W3) [Adelung]


Das Schilfrohr, des -es, plur. inus. S. Schilf.


Schill (W3) [Adelung]


Der Schill, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme desjenigen Fisches, welcher am häufigsten Zander genannt wird. Etwa wegen seiner schielenden oder schillernden Farbe?


Schillebold (W3) [Adelung]


Der Schillebold, des -es, plur. die -e, in der Mark Brandenburg, der Nahme desjenigen Insectes, welches unter dem Nahmen der Jungfer, des Heupferdes, am bekanntesten ist, ( S. diese Wörter.) Von schielen, schillern, mit verschiedenen Farben spielen, und Bold, Bolzen, wegen seiner langen, cylindrischen Figur.


Schillerspath (W3) [Adelung]


Der Schillerspath, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, am Harze, ein lauchgrüner Serpentinstein, mit eingesprengtem Goldglimmer, welcher übrigens nichts spathartiges enthält.


Schillertaffet (W3) [Adelung]


Der Schillertaffet, des -s, plur. von mehrern Arten, die -e, ein mit mehrern Farben spielender Taffet; Franz. Changeant. Von dem noch im gemeinen Leben üblichen schillern, dem Intensivo von schielen, mit verschiedenen Farben spielen. Siehe Schielen.


Schillervogel (W3) [Adelung]


Der Schillervogel, des -s, plur. die -vögel, ein Tagefalter, welcher auf einer schwärzlichen, braunen oder ockergelben Grundfarbe in ein schönes Blau spielet; Papilio Nymphalis gemmaticus Iris L.


Schilling (W3) [Adelung]


Der Schilling, des -es, plur. die -e, ein Wort, welches im Deutschen noch in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. 1. Am häufigsten als ein Nahme einer Münze, welche doch nach Beschaffenheit der Zeiten und Orte von einer sehr verschiedenen Währung ist; Angels. Scylling, Engl Shilling, Schwed. Skilling, im mittlern Lat. Chalongia, Schellingus. man findet Spuren, daß ein Schilling ehedem so viel als ein jetziger Gulden gewesen. Der Englische Schilling, oder Shilling, macht nach unserm Gelde beynahe einen halben Gulden. In Aachen sind noch Schillinge, vielleicht nur als eine Rechnungsmünze, gangabar, deren vier einen Reichsgulden machen. In verschiedenen Provinzen am Niederrheine ist der Schilling eine Münze, welche ungefähr drey gute Groschen ausmacht, daher deren bald acht, bald auch neun auf einen Reichsthaler gerechnet werden; so hält der Schilling in Westphalen 3 gute Groschen oder 7 1/2 Stüver, in Ostfriesland 2 Flinderke, 6 Stüver, 8 Grot, 12 Sieferts, 24 Örtchens oder 60 Witten, so daß deren neun einen Reichsthaler machen, im Cölnischen, wo ihrer vier einen Herrengulden machen, 2 1/2 Blafferts, 6 Gößchen, 7 1/2 Clevische Stüver, 10 Albus oder 12 Häller. Der Schilling Flämisch, wornach in verschiedenen Gegenden Niederdeutschlandes gerechnet wird, macht gleichfalls 3 Gr. denn 20 Schilling Flämisch machen daselbst ein Pfund Flämisch, d. i. 2 1/2 Rthlr. In Österreich und einigen andern Oberdeutschen Gegenden ist der Schilling eine Rechnungsmünze, deren 8 einen Gulden machen, daher einer so viel als ein Zweygroschenstück ist. Im Münsterschen hingegen machen 28 Schillinge einen Thaler, so daß 1 Schilling 1 2/7 Mariengroschen ist. Am üblichsten ist es als der Nahme einer Scheidemünze, welche sich aber doch auch nicht gleich ist, sondern bald 9, bald 6, bald aber auch nur 1 Pfennig hält. 1) In Regensburg, Franken und andern Gegenden sind Kaisergroschen und Schilling gleichbedeutend, indem beyde 3 Kreuzer halten. 2) Durch ganz Niedersachsen ist der Schilling das, was man in Obersachsen einen Sechser nennet, d. i. 6 Pfennige. Einzelne Gegenden machen indessen auch hier eine Ausnahme; so hat man z. B. in Stettin zwey Rechnungsmünzen dieses Nahmens, wovon der Schilling schlechthin 8 Pf. der Schilling Sundisch aber nur vier Pfennige gilt. Man findet es in ähnlicher Währung auch in einigen Oberdeutschen Gegenden. In Basel ist ein Schilling so viel wie ein Blaffert, denn beyde halten 6 Rappen oder 12 Pfennige, und 45 Schillinge machen einen Thaler. In Zürch gilt ein Schilling 1 1/2 Kreuzer. 3) In Preußen und Pohlen endlich ist ein Schilling, oder nach der Schlesischen Aussprache ein Schillcher, nicht mehr als ein Meißnischer Pfennig. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur wird Schilling noch in einigen Zusammensetzungen für Münze oder Geld überhaupt gebraucht; z. B. Kaufschilling, Pfandschilling. 2. In manchen Gegenden ist der Schilling eine bestimmte Zahl gewisser Dinge. Bey den Wörtern Pfund und "Malter" ist schon bemerket worden, daß diese Art zu zählen in den mittlern Zeiten sehr gemein war. Die gewöhnliche Art die Schillinge einzuteilen war nach Pfennigen oder Hallern, welche letztern oft auch Pfennige genannt wurden; da aber der Schilling in einigen Gegenden 2 1/2 Groschen, und in andern nur 1/2 Groschen galt, so bedeutet Schilling bald eine Zahl von 30, d. i. Pfennigen, bald nur eine Zahl von 12, d. i. Hallern. So sind in einer Österreichischen Chronik 11 Schillinge Städte und Flecken so viel als 330, siehe Pfund. In diesem Verstande ist es als ein Zahlwort, welches 30 bedeutet, noch jetzt in Österreich gangbar. In Schlesien hingegen ist ein Schilling oder Schillcher Vögel eine Zahl von zwölfen. 3. Hierher gehört noch eine doppelte Art des Gebrauches, welche noch hin und wieder gangbar ist, und als eine Figur der vorigen Bedeutung angesehen werden kann. 1) In manchen Gegenden ist es ein Maß körperlichen Dinge. So ist den Böhmischen Bergwerken der Schilling, Böhm. Ssilink, ein Maß Erz von 5 Schubkarren. Man könnte es hier füglich von Schale ableiten, so daß es überhaupt den Begriff eines hohlen Maßes und Raumes hätte, wenn nicht wahrscheinlicher wäre, daß hier oben die vorige Art zu zählen zum Grunde liege. Denn in eben den jetzt gedachten Böhmischen Bergwerken ist ein Schilling Wasser eine Zahl von zwölf ledernen Schläuchen oder 480 Prager Pinten; 18 Schillinge machen daselbst eine Losung Wasser. In Regensburg hingegen hat ein Schilling Salz 30 Scheuben, und 3 Schillinge machen daselbst ein Pfund Salz. 2) Oft bedeutet Schilling auch eine Züchtigung, welche einem Verbrecher mit dem Stocke, der Peitsche oder mit Ruthen gegeben wird. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird es daher für den Staubbesen gebraucht. Der Stockschilling ist in den Gerichten noch jetzt eine Züchtigung von dem Stockmeister in dem Stocke oder Gefängnisse. Auch die Züchtigung ungezogener Knaben in den Schulen auf den Hintern führet daselbst den Nahmen des Schillings. Da Plätzer von platzen in ähnlichem Verstande vorkommt, so könnte man auch Schilling in dieser Bedeutung von schallen ableiten, wenn es nicht wahrscheinlicher wäre, daß es auch hier von der vorigen Bedeutung entlehnet worden, und ursprünglich eine bestimmte Zahl Streiche, etwa 12 oder 30, bedeutet habe. S. Pfund. Anm. Die letzte Sylbe an diesem Worte ist die Ableitungssylbe -ing oder -ling, welche ein Ding, ein Subject bedeutet. Es kommt also bey der Ableitung nur auf die erste Sylbe an, deren nächste Bedeutung aber hier noch nicht völlig ausgemacht ist, zumahl da die unter dem Nahmen der Schillinge bekannten Münz- arten von einem so verschiedenen Werthe und Gehalte sind. Ich will die vornehmsten und wahrscheinlichsten Ableitungen hier kürzlich anführen. 1) Freher de re Monetaria leitet es von dem Latein. Siliqua her, welches bey den Römern den vierten Theil einer Unze bedeutete. Es beruft sich dabey auf ein altes Deutsch-Lateinisches Glossarium, in welchem Numisma durch Silihha übersetzt ist: Obolum dimidium scriptuli, quod facit siliquas tres, Stuhi (Stück) halb scriptolus, daz tot Silihhun tri; Stater est nummus ut quidam affirmant, unciam unam, aureos sex, Waga ist Silihhono, so sume zafastinot, unce ainan, Scillinga sehsi. Welches doch wider Frehern selbst streitet, weil hier Silihha und Scillinga ausdrücklich unterschieden werden. 2) Junius ließ es von dem alten skella, schallen, klingen, abstammen, und nach ihm wurden alle dickere Münzen Schillinge genannt, im Gegensatze der Blechmünzen, welche letztern gar keinen Klang hatten. 3) Nach Wachtern, dessen Ableitungen oft überaus weit her gehohlet sind, ist das Mösogothische skula, ein Schuldiger, das Stammwort, und da wäre Schilling ursprünglich von den Strafgeldern gebraucht worden. 4) Ich habe auch irgend wo eine Ableitung von Schild gefunden, welche eben nicht unter die unwahrscheinlichsten gehören, und da würde Schilling, eigentlich Schildling, eine mit dem Wapenschilde des Münzherren bezeichnete Münze seyn, auf welche Art auch der Scudo der Italiäner und der Ecu der Franzosen erkläret werden müssen. Dieser Ableitung kommt das zu Statten, daß ehedem auch grobe Münzsorten unter dem Nahmen der Schillinge vorkommen; 5) Viele andere, und unter denselben auch Frisch, sehen dieses Wort als ein aus dem Lateinischen Solidus gebildetes Wort an, woraus auch die Franzosen ihr Sol entlehnet, und woraus die Deutschen vermittelst ihrer Endsylbe -ing, oder -ling Solling, Silling, und mit dem härtern Zischlaute Schilling, gemacht. Man beruft sich dabey darauf, daß diejenige Art Münzen, welche man Schillinge genannt, gemeiniglich den Blechmünzen entgegen gesetzet werden, daher dieses Wort ehedem oft als eine allgemeinere Bestimmung den besondern Münznahmen vorgesetzt wurde, z. B. eilf Schillinge Pfennig, undecim solidi, d. i. eilf Dickmünzen von dem Gehalte eines Pfenniges. Allein dieser Beysatz läßt sich auch nach andern der jetzt angeführten Ableitungen erklären, 6) Ihre endlich glaubt, daß dieses Wort ursprünglich mit Scheidemünze in dessen ersten Bedeutung gleichbedeutend gewesen, und leitet es von schellen, Schwed. skelja, theilen, ab. Diese Ableitung erhält dadurch ungemein viel Wahrscheinlichkeit, weil ausgemacht ist, daß die ältesten Dickmünzen, welche man den Blechmünzen entgegen setzte, vermöge eines vertieften, eingeprägten Kreuzes im nöthigen Falle leicht in zwey oder vier Theile gebrochen oder geschnitten werden konnten, wie aus den noch übrigen so wohl ganzen, als getheilten Münzen dieser Art, besonders bey dem Hickes, erweislich ist. Was wir im heutigen Verstander Scheidemünze nennen, heißt im Schwedischen noch jetzt Skiljemynt. Schilling würde also so wohl eine auf solche Art geprägte theilbare Dickmünze, als auch einen bestimmten Theil derselben bedeuten, und daher läßt sich auch die verschiedene Währung der Schillinge erklären, indem sie bald größere, bald kleinere Münzsorten bezeichnen. Ein Schilling-Pfennig ist alsdann ein Pfennig in dieser Münzsorte zum Unterschiede von einem Blechpfennige. S. auch Scherf.


Schillingsdraht (W3) [Adelung]


Der Schillingsdraht, des -es, plur. inus. eine gewisse Art Drahtes, welcher zum Stricken, zu Zelthacken u. s. f. gebraucht wird, und auf der Drahthütte No. 18 heißt. Vermuthlich weil eine gewisse Quantität davon für einen Schilling verkauft wird; oder auch von Schilling 2.


Schillingsgut (W3) [Adelung]


Das Schillingsgut, des -es, plur. die -güter, in einigen Gegenden, ein Nahme eines Erbzinsgutes, oder Zinsgutes, d. i. eines Gutes, dessen wahres Eigenthum gegen einen gewissen Zins, der Schilling heißt, übertragen wird. Daher der Schillingshof, der Hof eines solchen Gutes, und das Gut selbst, der Schillingsmann oder Schillingsbauer, der Erbzinsmann, der es gegen den bestimmten Zins besitzet, das Schillingsrecht, das aus diesem Vertrage entspringende Recht, das Schillingslehen, ein solches Lehen, die Schillingslehen, was bey Veräußerung und Erbfällen dem Lehensherren entrichtet wird u. s. f.


Schimmel (W3) [Adelung]


1. Der Schimmel, des -s, plur. ut nom. sing. ein weißes aber weißliches Pferd, wie Rappe ein schwarzes, Fuchs ein röthliches. Einen Schimmel reiten. Der Nahme Schimmel bleibt, wenn gleich die weiße Farbe mit andern vermischt ist, doch muß sie die herrschende, hervorstechende Farbe seyn. Die Abänderungen deuten die Zusammensetzungen Sandschimmel, Schwarzschimmel, Silberschimmel, Grauschimmel, Rothschimmel, Honigschimmel, Hechtschimmel, Apfelschimmel, Blauschimmel und so ferner an.

Anm. Die Ableitungssylbe -el bedeutet ein Ding, ein Subject. Die Hauptsylbe Schimm gehöret ohne Zweifel zu dem folgenden Schimmer, und stammet mit demselben von dem veralteten schiemen, leuchten, und figürlich, weiß seyn, her; im Angelsächsischen ist Scym der Schein. Schimmel bedeutet also ein weißes Ding, und figürlich, ein weißes Pferd. S. auch das folgende.


Schimmel (W3) [Adelung]


2. Der Schimmel, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein kleines, weißliches Moos, welches auf der Oberfläche in Fäulniß gerathender, feuchter Dinge zum Vorschein kommt. Mit Schimmel beschlagen werden. Es sitzt oder liegt Schimmel darauf. Der Schimmel ist ein wahres Gewächs, welches sogar gesäet werden kann; es ist ein kleiner Schwamm, welches aus lauter gestielten Bläschen bestehet; Mucor L.

Anm. Ehedem wurde es auch für das Verderben in figürlichem Verstand gebraucht. Der Schimmel dieser Welt, in einem alten Gedichte in Eckardts Scriptor. Im Österreichischen Schimmel, im Nieders. gleichfalls Schimmel, im Schwedischen Skymmel. Es ist auf eine und eben dieselbe Art mit dem vorigen zusammen gesetzet; nur die Hauptsylbe ist hier noch nicht so ganz ausgemacht, weil sie mit gleichem Rechte auf mehrere Bedeutungen Anspruch machen kann. Da der Schimmel mehrentheils weiß oder weißlich ist, so kann es, wie das vorige, gleichfalls ein weißes Ding bedeuten; es kann aber auch mit Schaum und Rahm verwandt seyn, weil der Schimmel so wie jene sich auf der Oberfläche der Dinge ansetzet; es kann endlich auch von dem noch im Schwedischen üblichen skymma, bedecken, beschatten, abstammen, weil er die Körper gleichsam mit einer wolligen Decke überziehet. Übrigens wird der Schimmel in Franken und einigen andern Gegenden der Spahren, der Spuren, im Osnabrück. Fönne (mit Funke von Einem Stamme) und im Schwed. Mögel genannt, welches zu dem Lat. Mucor und unserm müchlich gehöret, für welches letztere im Nieders. auch gammlich üblich ist, den Schimmel durch Geschmack und Geruch verrathend.


Schimmelig (W3) [Adelung]


Schimmelig, noch häufiger, zusammen gezogen schimmlig, -er, -ste, adj. et adv. mit Schimmel bedeckt, beschlagen. Schimmliges Brot. Schimmlig seyn. Schwed. skymlig. Schimmelicht, wie Jos. 9, 5. 12, würde nur bedeuten dem Schimmel ähnlich.


Schimmelkraut (W3) [Adelung]


Das Schimmelkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, das Gnaphalium L. S. Ruhrkraut.


Schimmeln (W3) [Adelung]


Schimmeln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, Schimmel bekommen, ansetzen, mit Schimmel beschla- gen werden. Die Speise fängt an zu schimmeln. Das Brot schimmelt. Daher das Schimmeln.


Schimmer (W3) [Adelung]


Der Schimmer, des -s, plur. inus. ein Wort, welches vermöge seiner Zusammensetzung eine doppelte Bedeutung hat und haben kann. 1. So fern es von dem veralteten Hauptwort Schiem, Schein, und der Ableitungssylbe -er, ein Subject, zusammen gesetzet ist, kann es in ein scheinendes Ding, und figürlich den Schiem, Glanz selbst bedeuten, und in diesem Verstande wird es auch wirklich oft, besonders in der dichterischen Schreibart, gebraucht, wo es aber doch auch immer noch als eine Figur der folgenden Bedeutung angesehen werden kann. Genug, daß es der Bedeutung des Scheines überhaupt fähig ist. 2. Am üblichsten ist es in der Bedeutung eines zitternden Lichtes, wo es wieder auf doppelte Art gebraucht wird. 1) Ein helles, zitterndes, oder funkelndes Licht, wo es unmittelbar von schimmern abstammet. Der Schimmer des Goldes, der Sterne. Ein majestätischer Schimmer durchfloß den ganzen Raum um ihn her. Laß uns in zärtlicher Umarmung den Glanz des Abendrothes und der sanften Schimmer des Mondes betrachten, Geßn. wo es aber auch so wohl die vorige Bedeutung des Scheines überhaupt, als die folgende Bedeutung eines schwachen, zweifelhaften Scheines leidet. Und wünscht kein schimmerreiches Glück, Uz, kein glänzendes. 2) Ein schwaches, zitterndes Licht, welches entstehet, wenn nur einige Theile der Oberfläche eines Körpers ein schwaches Licht zurück werfen, daher ein solches Licht eine zitternde Bewegung zu haben scheinet; und in diesem Verstande ist der Schimmer der schwächste Grad des Lichtes. Wer den Staar hat, sieht nur den Schimmer der Dinge. Der blasse Schimmer der Sterne in der Nacht. Schon sehe ich den Schimmer der Morgenröthe. Im Niedersächsischen in dieser Bedeutung Schemer, Schummer, welches letzte auch die Dämmerung bedeutet, daher schummerig daselbst dämmerig ist. S. das folgende.


Schimmern (W3) [Adelung]


Schimmern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, das Intensivum von dem veralteten schiemen, scheinen, ist, und vermöge seines intensiven r eine zitternde Bewegung andeutet; ein zitterndes Licht von sich geben. Es ist in einem doppelten Verstande üblich. 1) Von einem hellen, zitternden Lichte, wo es doch noch keinen so hohen Grad des zitternden Lichtes bedeutet, als das stärkere funkeln, und das stärkste blitzen. Man sahe, wie der güldne Zeug schimmerte, 2 Macc. 5, 3. Wenn ihr zu Felde lieget, so glänzets als der Taubenflügel, die wie Silber und Gold schimmern, Ps. 68, 4. Die Diamanten, die Sterne schimmern. Von Gold, von Diamanten schimmern. Man kann durch den Putz schimmern, man gefällt aber nur durch die Person. Ein schimmerndes Glück. Der Mahler läßt den Held seines Stückes am meisten schimmern. Wie hell schimmert das Blau des Himmels durch das zerrißne Gewölk! Geßn. 2) Von einem schwachen, zitternden Lichte, einen sehr schwachen Schein von sich geben, weil derselbe allemahl eine zitternde Bewegung zu haben scheinet. Es schimmert vor den Augen. Ich sahe ein schwaches Licht schimmern.. In den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden gebraucht man es auch figürlich von den Augen und Personen. Die Augen schimmern, bey dem Apherdian scheimern, wenn sie nur ein schwaches, zitterndes Licht sehen. Schiemerst du, so setze den Beryll (Brill) auf, ebend. Die Talkerde, der Bleyschweif u. s. f. sind schimmernd oder schimmern, weil nur einige Theile ihrer Oberfläche ein schwaches Licht zurück werfen. So auch das Schimmern. Anm. In der ersten Bedeutung im Schwed. skymra. Das veraltete schiemen, von welchem dieses das Intensivum ist, und welches von unserm scheinen nur in dem nahe verwandten Endlaute verschieden ist, kommt in den ältern Mundarten noch häufig vor, bey dem Ottfried skimen. Im Angelsächs. ist Skima der Schein, Glanz, und bey dem Ulphilas Skeima die Laterne. In der zweyten Bedeutung, wo es im Nieders. schemern und schimmern, im Holl. schemeren und schumeren lautet, kann es auch zunächst als ein Intensivum von dem noch im Niederd. üblichen schemen, Schatten geben, verdunkeln, angesehen werden, welches mit dem entgegen gesetzten schiemen, leuchten, näher verwandt ist, als der erste Anblick zu versprechen scheinet. ( S. Schemen und Schämen.) Indessen sticht auch hier der Begriff der zitternden Bewegung am meisten vor. Im Schwed. ist skumm dämmerig, Niedersächs. schemerig und schummerig, im Isländ. Skaum die Dämmerung, Nieder. Schummer, Schemerung, im Angels. scymrian verdunkeln. Das Österreich. schimmern, klappern, in den gemeinen Obersächs. Sprecharten scheppern, gehöret nicht hierher, sondern ist eine unmittelbare Onomatopöie.


Schimmlig (W3) [Adelung]


Schimmlig, S. Schimmelig.


Schimpf (W3) [Adelung]


Der Schimpf, des -es, plur. inus. ein Wort, welches in folgenden Bedeutungen gefunden wird. 1. * Der Scherz, so wohl in der eigentlichsten Bedeutung der lächerlichen possierlichen Bewegungen, als auch in allen weitern Bedeutungen des Wortes Scherz; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber in den Schriften der vorigen Zeiten häufig vorkommt, auch noch in einigen gemeinen Mundarten gangbar zu seyn scheinet. Ein höflicher Schimpf, ein grober Schimpf. Auch im Gegensatze des Ernstes. Beyde im Ernst und auch im Schimpf, Hans Sachs. Im Nieders. Schimp., im Schwed Skämt. 2. * Verspottung, Verhöhnung, Spott, Hohn; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher Schimpf noch mehrmahls für Spott bey den Schwäbischen Dichtern vorkommt. Das Schwed. Skymf hat gleiche Bedeutung. Im Griechischen ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - eine Stachelrebe. 3. * Verstümmelung; ein gleichfalls veralteter Gebrauch, welcher doch aus der dazu gehörigen Bedeutung des Zeitwortes erhellet. 4. Verletzung der Ehre, welche als eine Figur der vorigen Bedeutung angesehen werden kann; Nieders. Schimp. 1) Eigentlich, wo Schimpf von einer jeden Entehrung, oder Verletzung der Ehre gebraucht wird, besonders so fern sie zur Wissenschaft anderer kommt. Jemanden einen Schimpf anthun, dessen Ehre verletzen, ihn beschimpfen.. Etwas für einen Schimpf halten. Den Schimpf nicht auf sich sitzen lassen. Sich oder einem andern einen Schimpf zuziehen. Das Laster ist ein Verderbniß der Vernunft und des Herzens, der größte Schimpf des göttlichen Adels unserer Seele, Gell. 2) In engerer Bedeutung, die Wissenschaft anderer von der uns zugefügten Verletzung unserer Ehre. Schimpf von etwas haben. jemanden in Schimpf bringen. Wo es doch am liebsten mit dem Worte Schande gebraucht wird. In Schimpf und Schande bringen, gerathen. Schimpf und Schande gewohnt seyn. man vergleiche dieses Wort mit dem, was von Schande gesagt worden, so wird die Übereinkunft und der Unterschied beyder Wörter gar bald in die Augen fallen, S. das folgende.


Schimpfen (W3) [Adelung]


Schimpfen, verb. reg. act. aus dessen intensiven pf bereits erhellet, daß es ein Intensivum von einem veralteten schimen ist, von welchem unter andern Formen auch schimmern, schämen, schäumen u. s. f. abstammen. Da dieses seinem Ursprunge nach sehr vieler Bedeutungen fähig ist, so finden selbige auch bey diesem abgeleitete Worte Statt, welches ursprünglich die Nachahmung eines Lautes ist, und hernach von allen denjenigen Veränderungen gebraucht wurde, welche mit diesem Laute verbunden waren, oder unter demselben gedacht wurden. 1. * Scherzen; ohne Zweifel eigentlich, scherzhafte Bewegungen machen, welche die erste Bedeutung aller ähnlichen Wörter ist. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung veraltet, ob sie gleich in den ältern Mundarten sehr gangbar war, und es zum Theil noch ist. Niedersächs. schimpen, Schwed. skymfa. Und sah ihn schimpfen mit Rebecca seiner Hausfrau, 1 Mos. 26, 8, in einer alten 1466 zu Straßburg gedruckten Deutschen Bibel. Grob schimpfen, höflich schimpfen, noch in einigen Gegenden. Zu der Bedeutung der Bewegung überhaupt gehöret noch das Isländ. skima, hin und wieder laufen, Nieders. schummeln. (Siehe Schämen Anm.) 2. * Verspotten, verhöhnen, als eine Onomatopöie des Tones, des Lautes, der Stimme; vielleicht aber auch als eine Figur der Verletzung der Ehre. Schwed. skämma. Es ist auch in dieser Bedeutung veraltet, aber bey den Schwäbischen Dichtern kommt Schimpfer noch mehrmahls für Spötter, so wie in Tatian schimphan für verspotten, vor. 3. Mit ehrenrührigen Worten beleidigen; eine Fortsetzung der vorigen Bedeutung, in welcher es auch im Hochdeutschen noch gangbar ist. Jemanden schimpfen. Er hat mich geschimpft, meine Ehre mit Worten beleidiget. Das ist nicht geschimpft. Auf jemanden schimpfen. In den niedrigen Sprecharten lautet dieses Wort mit der fremden Endung -ieren auch schimpfieren, Nieders. schimpieren, Schwed. skymfera, welche Form sehr alt ist, indem enschumpfieren für beschimpfen schon bey den Hornegk vorkommt. man könnte auch diese Bedeutung als eine engere Einschränkung der folgenden der Verunehrung ansehen; allein es wird aus verschiedenen Umständen wahrscheinlicher, daß es davon getrennet werden muß. Es scheinet überhaupt, seinen Zorn durch heftige Worte auslassen, bedeutet zu haben, und so gebraucht der große Haufe es noch jetzt, dem schimpfen, schänden und schelten oft gleichbedeutend sind; das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, zürnen, kommt demselben nahe. Vermuthlich rühret die eingeschränkte Hochdeutsche Bedeutung daher, weil der große Haufe nicht anders als schimpfend schelten kann. 4. Verstümmeln, und durch Verstümmelung verunstalten. 1) * Eigentlich; welche Bedeutung im Hochdeutschen aber auch veraltet ist, außer daß verschimpfen noch im gemeinen Leben, für auf solche Art verunstalten, üblich ist. Das verschimpft das Gesicht, verstellet dasselbe. Noch bey dem Kero ist skemman stutzen, verkürzen, und Skemmi die Kürze. Auch im Schwed. ist skamma abkürzen, stutzen, und figürlich, so verkürzen, daß ein Ding dadurch seine gehörige Gestalt verliere, Ital. und im mittlern Lat. scemare, wo Scematio auch Verstümmelung ist. Von dieser Form ist schimpfen das Intensivum. ( S. Schämen Anm.) 2) * Figürlich, jemandes Ehre verletzen, Unehre zufügen; schon im Tatian scimfan. Es ist auch hier im Hochdeutschen veraltet, indem dafür beschimpfen eingeführet ist, man müßte denn die vorige dritte Bedeutung als eine Einschränkung davon ansehen wollen. Schande, schänden, Laster u. a. m. gründen sich in ihren gangbarsten Bedeutungen auf eben dieselben Begriffe der Verstümmelung und Verunstaltung, und Hornegk gebraucht noch das jetzt veraltete stumpfieren, d. i. stümmeln, verstümmeln, als gleichbedeutend mit beschimpfen. Wäre diese Figur nicht überwiegend wahrscheinlich, so könnte man schimpfen in dieser Bedeutung sehr bequem als ein intensives Factitivum von schämen ansehen, und da würde es schämen machen bedeuten. So auch das Schimpfen, weil Schimpfung nur in den zusammen gesetzten Beschimpfung üblich ist.


Schimpflich (W3) [Adelung]


Schimpflich, -er, -ste, adj. et adv. Schimpf bringend, in der dritten Bedeutung des Hauptwortes, d. i. die Ehre verletzend oder beleidigend. Das ist mir schimpflich. Eine schimpfliche Begegnung. Schimpflich von jemand reden. Daher die Schimpflichkeit. Von Schimpf, Scherz, war schimpflich ehedem scherzhaft, lustig.


Schimpfnahme (W3) [Adelung]


Der Schimpfnahme, des -ns, plur. die -n, ein jemanden zum Schimpfe gereichender Nahme, welchen man jemanden beylegt, um ihn damit zu beschimpfen.


Schimpfrede (W3) [Adelung]


Die Schimpfrede, plur. die -n, eine Rede, worin man jemanden schimpfet, eine beschimpfende Rede.


Schimpfwort (W3) [Adelung]


Das Schimpfwort, des -es, plur. die -e, und -wörter, ( S. Wort) Worte, wodurch jemand geschimpfet, an seiner Ehre verletzet wird, ehrenrührige Worte.


Schindanger (W3) [Adelung]


Der Schindanger, des -s, plur. ut nom. sing. in der niedrigen Sprechart, ein Anger, d. i. grüner Platz, auf welchem das umgefallene Vieh von dem Abdecker abgedecket wird; in einigen Gegenden das Schindleich, im Meißen in der anständigern Sprechart der Viehweg; wenn es ein vertiefter Ort ist, die Schindergrube, Schindgrube, im Nieders. Fillkule.


Schindel (W3) [Adelung]


Die Schindel, plur. die -n, kleine gespaltene Breter, besonders so wie an manchen Orten die Dächer damit gedeckt werden. Auch die noch dünnern Dachspäne, welche unter die Fugen eines Ziegeldaches gesteckt werden, führen an manchen Orten gleichfalls den Nahmen der Schindeln. Die Schindeln der Wundärzte, welche oder auch Schienen heißen, sind ähnliche dünne und schmale Breter.

Anm. Im Engl. Shingle, im Böhm. Ssyndel, im Lothring. Chondre, im Franz. Echandole, im Ital. Scandola, im Lat. Scindula und Scandula; alle von schinden, so fern es ehedem auch spalten bedeutete, Lat. scindere, indem das Wort Schindel doch nur von gespaltenen Bretern gebraucht wird. Oder auch von dem alten Schin, Schind, die Haut, und eine jede Decke oder Bedeckung, weil die Schindeln am häufigsten zu den Dächern gebraucht werden. ( S. Schinden und Schiene.) Die Endsylbe ist die Endsylbe -el, ein Ding, Subject, ein gespaltenes Ding oder ein deckendes Ding zu bezeichnen.


Schindeldach (W3) [Adelung]


Das Schindeldach, des -es, plur. die -dächer, ein mit Schindel gedecktes Dach.


Schindeldecker (W3) [Adelung]


Der Schindeldecker, des -s, plur. ut nom. sing. ein Dachdecker, welcher ein Dach mit Schindeln zu decken verstehet.


Schindeleisen (W3) [Adelung]


Das Schindeleisen, des -s, plur. ut nom. sing. ein eisernes Werkzeug der Schindelhauer, die Fugen damit in die Schindeln zu hauen.


Schindelhauer,Schindelmacher (W3) [Adelung]


Der Schindelhauer, oder Schindelmacher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher in den Wäldern die Schindeln verfertiget oder schläget.


Schindeln (W3) [Adelung]


Schindeln, verb. reg. act. mit Schindeln versehen. In der Wapenkunst wird das Mittelwort geschindelt von einer den Schindeln ähnlichen Art Figuren gebraucht.


Schindelnagel (W3) [Adelung]


Der Schindelnagel, des -s, plur. die -nägel, eine besondere Art Nägel mit halben Köpfen zu den Schindeldächern. Auch die Schuster bedienen sich solcher Nägel zu den Mannsschuhen.


Schindelsparren (W3) [Adelung]


Der Schindelsparren, des -s, plur. ut nom. sing. die Sparren eines Schindeldaches, welche nicht so stark seyn dürfen, als bey einem Ziegeldache.


Schindelstamm (W3) [Adelung]


Der Schindelstamm, des -es, plur. die -stämme, ein Baum oder Stamm, woraus Schindeln geschlagen werden können.


Schinden (W3) [Adelung]


Schinden, verb. irreg. act. Imperfect. ich schund; Mittelwort geschunden; Imperat. schinde. 1) Eigentlich, die Haut eines Dinges nach und nach ablösen oder abziehen; eine ehedem und noch in manchen Gegenden in allen den Fällen übliche Bedeutung, wo dieser Begriff Statt findet. In einigen Oberdeutschen Gegenden schindet der Metzger ein Kalb, wenn er es ausarbeitet; wo man den Ausdruck schinden in Obersachsen als eine Beschimpfung ansehen würde. Eben daselbst schindet man auch einen Hasen u. s. f. wenn man ihn abstreift. Er schünde eine Laus um des Balgs willen, sagt man auch noch im Hochdeutschen im gemeinen Leben von einem kargen Geitzigen. Einen Verbrecher lebendig schinden, eine in den Morgenländern ehedem sehr übliche Lebensstrafe. Der Abdecker schindet ein umgefallenes Vieh, wofür doch auch abdecken, abschlagen, und in den niedrigern Sprecharten abpuffen und abludern üblicher sind, ( S. Schinder.) Einen Baum schinden, ihn auf eine ungeschickte Art der Rinde berauben. Überhaupt hat dieses Wort in den wenigen Fällen, in welchen es im Hochdeutschen noch im eigentlichen Verstande gebraucht wird, entweder den Begriff des Ungeschickten, oder doch sonst eine verächtlichen Nebenbegriff bey sich. Im gemeinen Leben schindet man sich auch, wenn man sich die Haut an einem Theile des Leibes abreibet oder abstößet. 2) Figürlich, in dem Nießbrauche, und im Handel und Wandel das Maß der Billigkeit auf eine grobe Art überschreiten; im gemeinen Leben, und allemahl mit einem verächtlichen Nebenbegriffe. Der Fuhrmann schindet sein Vieh, wenn er es übertreibt, es zu Schande treibet, der Landmann seinen Acker, wenn er ihn ausmärgelt, ein Herr seine Unterthanen, wenn er ihnen übertriebene Lasten aufleget, welche sie zu Grunde richten, oder wenn er ihnen, wie man gleichfalls in den niedrigen Sprecharten sagt, das Fell über die Ohren ziehet, der Verkäufer den Käufer, oder dieser jenen, wenn einer von ihnen die Billigkeit zum merklichen Nachtheil des andern verletzet. Der Geitzige schindet und schabet, wenn er ohne Rücksicht auf Billigkeit und Wohlstand zu erwerben sucht, wo er kann. Und so andern Fällen mehr. So auch das Schinden.

Anm. Im Nieders. schinnen, im Schwed. skinna. Daß es ehedem ein Zeitwort dieses Lautes gegeben, welches schneiden überhaupt bedeutet hat, und wozu auch das Lat. scindere, im gewisser Betrachtung auch schänden, und vielleicht auch Schindel, gehöret, ist gewiß. Allein unser schinden stammet wohl zunächst von dem in Hochdeutschen veralteten Schin, die Haut, her, Nieders. Schin, Engl. Skin, Schwed. Skinn, Dän. Skind, im Wallis. ohne Zischlaut Cenn, und im Bretagn. Ken, wohin auch in der weitern Bedeutung einer Decke das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gezelt, gehöret. Auf ähnliche Art sind schälen von Schale, fillen, schinden, von Fell, hülfen von Hülfe, häuten von Haut, u. a. m. gebildet. Schinden bedeutet also der Haut berauben, und da diese zur völligen Gestalt eines Dinges nothwendig ist, so wird daraus zugleich der Nebenbegriff begreiflich, der diesem Worte gemeiniglich anklebt. Indessen sind dieses schinden, und schinden, schneiden, dem Ursprunge nach nur ein und eben dasselbe Wort. Siehe auch Schiene.


Schinder (W3) [Adelung]


Der Schinder, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schinderinn, von dem vorigen Zeitworte. 1) In dessen eigentlichen Bedeutung; wo doch nur der Abdecker, oder wie er sich selbst nennt, der Freymann, im gemeinen Leben und der niedrigen Sprechart unter dem Nahmen des Schinders bekannt ist, der sonst Kafiller, Wasenmeister, Fallmeister, Flurer, in Baiern Bornschlegl, Kaltschläger, Nieders. Filler, Schinner, Racker genannt wird. Im Schwed. hingegen ist Skinnare, und im Engl. Skinner, der Kürschner, von Skin, das Fell, die Haut. 2) In der figürlichen Bedeutung ist Schinder, in der harten und verächtlichen Sprechart, ein jeder, der in dem Nießbrauche oder Handel und Wandel die Gränzen der Billigkeit auf eine grobe Art überschreitet. Ich will deine Schinder speisen mit ihrem eigenen Fleische, Es. 49, 26. Ich will den Kelch meines Grimmes deinen Schindern in die Hand geben, Kap. 51, 23, denen, die dich unterdrücken und plagen. So nennet man auch einen harten Wucherer u. s. f. einen Schinder.


Schinderey (W3) [Adelung]


Die Schinderey, plur. die -en. In der ersten eigentlichen Bedeutung. 1) Die Wohnung des Schinders; in der anständigen Sprechart die Kafillerey, die Abdeckerey. 2) Die Arbeit, Verrichtung des Schinders, das Abdecken des gestorbenen Viehes, und in weiterer Bedeutung, eine jede ungeschickte Beraubung der Haut, ja eine jede ekelhafte Arbeit; doch alles nur in der niedrigen Sprechart. 2. In der figürlichen Bedeutung, jede grobe Überschreitung de Billigkeit im Nießbrauch und Handel und Wandel; auch nur in der harten und niedrigen Schreibart. Gott stürzt der Gottlosen Schinderey, Sprichw. 10, 3. Das Volk wird Schinderey treiben, Es. 3, 5. Er wartet aufs Recht, stehe, so ists Schinderey, Kap. 5, 7.


Schindergrube (W3) [Adelung]


Die Schindergrube, S. Schindanger.


Schinderkarren (W3) [Adelung]


Der Schinderkarren, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige Karren, worauf der Abdecker das gestorbene Vieh auf den Schindanger führet.


Schinderknecht (W3) [Adelung]


Der Schinderknecht, des -es, plur. die -e, der Knecht, des Scharfrichters, welcher zum Abdecken gebraucht wird, in der niedrigen Sprechart; der Kafiller, der Abdecker.


Schindgrube (W3) [Adelung]


Die Schindgrube, plur. die -n, S. Schindanger, Schundgrube hingegen ist noch davon unterschieden, S. dasselbe.


Schinken (W3) [Adelung]


Der Schinken, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schinkchen, Oberd. Schinklein. 1) * Das dicke Bein mit dem Gefäß; eine veraltete Bedeutung, in welcher er nur noch zuweilen im Scherze gebraucht wird, doch mit Anspielung auf die folgenden Bedeutung. Ehedem war es aber gangbar, nicht bloß für das Dickbein, sondern auch für Schenkel und Schienbein, ( S. Schenkel.) Im Niedersächsischen ist Schunke noch der Schenkel, und in engerer Bedeutung, ein plumper, ungeschickter Schenkel. 2) In engerer Bedeutung ist es nur noch von eingesalzenen und geräucherten Dickbeinen oder Keulen der Schweine üblich. Der Vorderschinken, der Hinterschinken. Im engsten Verstande verstehet man unter Schinken schlechthin allemahl die geräucherte hintere Keule eines Schweines, dagegen man die Vorderkeule in manchen Gegenden auch Hamme zu nennen pflegt. Ein roher Schinken, ein gekochter Schinken. Anm. In der zweyten engern Bedeutung im Nieders. Schinke, im Schwed. Skinka, im Angels. Scenc. S. Schenkel.


Schinkenbein (W3) [Adelung]


Das Schinkenbein, des -es, plur. die -e, das Bein in oder von einem Schinken, das Schenkelbein eines Schweines; im Oberd. das Hammenbein.


Schinkenkessel (W3) [Adelung]


Der Schinkenkessel, des -s, plur. ut nom. sing. ein länglicher Kessel in Gestalt einer Wanne, die Schinken darin abzukochen; Nieders. Schulderketel.


Schinkenmesser (W3) [Adelung]


Das Schinkenmesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein langes Messer mit einer breiten, dünnen Klinge, den Schinken damit in dünne Scheiben zu zerschneiden.


Schippe (W3) [Adelung]


Die Schippe, plur. die -n, ein eigentlich Niederdeutsches Wort, welches mit dem Hochdeutschen Schaufel gleichbedeutend ist, und in einigen gröbern Mundarten auch Schüppe lautet. Daher schippen oder schüppen, schaufeln, der Schipper, der da schaufelt u. s. f. Es hat einerley Abstammung mit Schaufel, nur daß es statt der Endsylbe -el die Endsylbe -e hat. Wo man im Hoch- und Oberdeutschen sagt, einen Korb bekommen, da sagt man im Niederdeutschen, die Schippe bekommen, ( S. Korb.) Wenn aber eben daselbst die Schippe kriegen oder bekommen auch bedeutet, seines Amtes entsetzt werden, so scheint es alsdann unmittelbar von schieben, Schub, Schupp abzustammen, einen Schupp bekommen. Im Schleswigischen scheinet der Schipp auch ein Getreidemaß zu seyn; wenigstens hält ein Schipp Landes 24 Quadrat-Ruthen, jede zu 16 Quadrat-Fuß, wo es denn zunächst zu Schaff, Scheffel gehören würde.


Schippscheren (W3) [Adelung]


Das Schippscheren, des -s, plur. car. bey den Tuchscherern, das Scheren der schwarzen Tücher zum zweyten und dritten Mahle.


Schirbel (W3) [Adelung]


Der Schirbel, des -s, plur. ut nom. sing. ein in den gemeinen Sprecharten für Schebe oder Scherben übliches Wort, so wohl in der Bedeutung eines Stückes, als auch eines Gefäßes. So ist auf den Eisenhämmern der Schirbel ein Stück angefrischtes Eisen, welches auf den Zagel gehauen worden.


Schirben (W3) [Adelung]


Der Schirben, des -s, plur. ut nom. sing. auch eine in den gemeinen Sprecharten für Scherbe übliche Form, besonders in der Bedeutung einer Art Gefäße, für der Scherben. Auf dem Harze ist der Schirben ein körperliches Maß, nach welchem in dem dastgen Bergbaue alles gemessen wird. Es ist ein Faß, welches 1/4 Ellen lang, 3/4 breit und 1/2 Elle hoch ist, und 2 Karren hält, und 3 1/4 bis 3 1/2 Zentner wiegt. 70 bis 90 Schirben gehen daselbst auf ein Treiben. S. Scherbe.


Schirbenkobalt (W3) [Adelung]


Der Schirbenkobalt, S. Scherbenkobalt.


Schirken (W3) [Adelung]


Schirken, verb. reg. neutr. welches mit haben, von dem Finken üblich ist, wenn er seinen eintönigen Laut von sich hören läßt, welchen dieses Zeitwort genau nachahmet. Der Fink schirkt. Von dem ähnlichen eintönigen Laute anderer Vögel sind schirpen und zirken üblich.


Schirl (W3) [Adelung]


Der Schirl, im Bergbaue, S. Schörl.


Schirling (W3) [Adelung]


Der Schirling, S. Schierling.


Schirm (W3) [Adelung]


Der Schirm, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schirmen. 2. * Ein Gefecht; eine längst veraltete Bedeutung, ( S. Schirmen.) 2. In der Bedeutung einer ebenen Fläche ist es noch in einigen Fällen des gemeinen Lebens üblich. So wird im Bergbaue die Fläche des Ganges, es sey nun das Hangende oder das Liegende, d. i. die obere oder untere Fläche, der Schirm genannt. Bey den Jägern heißt der flache hintere Theil der Hirsche. Thiere und Rehe so wohl der Schirm, als der Schurz und die Scheibe. 3. Ein Körper, (er sey übrigens flach oder hohl,) welcher etwas unangenehmes von uns abhält, sich zwischen uns und einem andern Dinge befindet, dessen Annäherung oder Einwirkung zu hindern. 1) Eigentlich. So wurde der Schild ehedem sehr häufig der Schirm genannt; bey dem Notker Skerm, im Nieders. Scherm. Sturmdächer, Wetterdächer u. s. f. waren ehedem unter dem Nahmen der Schirm bekannt, ( S. Schirmdach.) Im Jagdwesen heißt eine jede Hütte, ein jedes Gezelt, ja ein jedes leichtes hölzernes Gebäude, ein Schirm, es mag nun die Witterung abhalten, oder auch Sicherheit von dem Anblicke des Wildes gewähren; daher man daselbst Leibschirme, Jagdschirme, Anstandschirme, Hatzschirme, Anschleichschirme u. s. f. hat. Der Herr ist ein Schirm wider die Hitze, eine Hütte wider den heißen Mittag, Sir. 34, 19. Was man in den meisten Gegenden eine Spanische Wand nennet, heißt in Niederdeutschland nur ein Schirm schlechthin. Am üblichsten ist in den Zusammensetzungen Lichtschirm, Regenschirm, Sonnenschirm, Feuerschirm, Bratschirm, Ofenschirm u. s. f. In manchen Gegenden wird auch der Fliegenwedel Fliegenschirm genannt, weil er gleichfalls zu Abhaltung der Fliegen dienet. Bey den Büchsenmachern werden die äußern Stäbe unter der Pfanne eines Gewehrschlosses der Schirm genannt; ob aus eben derselben Ursache, ist mir unbekannt. 2) Figürlich, die Abhaltung oder Abwehrung des Übels von einem andern Dinge, und die Person oder Sache, welche diese Abhaltung bewirket; ohne Plural. Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet, Ps. 91, 1. Du bist mein Schirm, Ps. 32, 7. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild, Ps. 91, 4. Liebes Moab, sey du ihr Schirm vor dem Verstöhrer, Es. 16, 4. In dem gewöhnlichen Sprachgebrauch der Hochdeutschen fängt es an zu veralten, außer daß man es noch zuweilen in Verbindung mit Schutz gebraucht; Schirm und Schutz. Sich in jemandes Schirm oder Schutz begeben. Jemanden in seinen Schutz und Schirm nehmen.

Anm. Schon bey dem Ottfried Scirmu, bey dem Willeram Skirm, im Schwed. Skärm, im Ital. Schermo, im Engl. Screen, welches nicht so wohl durch Versetzung der Buchstaben aus Schirm entstanden, als vielmehr auf ähnliche Art von Schrein, ein hohler Raum, gebildet worden. S. Schirmen.


Schirmbrief (W3) [Adelung]


Der Schirmbrief, des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort. 1) Ein Schutzbrief, eine jede Urkunde, worin man jemanden in seinen Schutz und Schirm nimmt. 2) Bey dem Rothweilischen Gerichte ist der Schirmbrief eine Bittschrift, worin der Kläger um die Execution in die Güter des Schuldners ansucht.


Schirmbüchse (W3) [Adelung]


Die Schirmbüchse, plur. die -n, dem Frisch zu Folge, noch in einigen Gegenden, ein Nahme der Feuerbüchsen, womit sich die Bürgerschaft im Falle der Noth gegen ein Feind vertheidiget, und sich daher noch jährlich im Schießen mit denselben übet.


Schirmdach (W3) [Adelung]


Das Schirmdach, des -es, plur. die -dächer, ein bloßes Dach, so fern es die Witterung oder ein anders Ding abzuhalten bestimmt ist. So werden noch die Wetterdächer an den Häusern in manchen Gegenden Schirmdächer genannt. Ehedem führeten diesen Nahmen auch die Sturmdächer der Belagerer.


Schirmen (W3) [Adelung]


Schirmen, verb. reg. act. welches ursprünglich von scharen vermittelst des hier vielleicht intensiven Endlautes m abstammet, und daher auch aller der verschiedenen Bedeutungen fähig ist, welche jenes hat und haben kann. 1. * Als eine unmittelbare Nachahmung des Schalles, bedeutete es ehedem als ein Neutrum schreyen, wehklagen. Diese im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung hat das Schwed. skärma noch, und im Wallis. ist Ysgarm das Geschrey, und im Bretagnischen scarmi rufen. (Siehe 1 Schar). 2. * Nach einer der gewöhnlichsten Figuren bezeichnete es nachmahls verschiedene mit diesem Laute oder Getöse verbundene Handlungen. Dahin gehören das Finnländische, des Zischlautes beraubte kirman, spielen, und unser jetzt veraltetes schirmen, schermen, fechten, streiten, und zwar nicht bloß zur Vertheidigung fechten, wie Frisch und andere wollen, die solches aus der folgenden Bedeutung des Abwehrens nur gemuthmaßet haben, sondern fechten überhaupt; Schwed. skärma, Ital. scrimare, Franz. escrimer, Böhm. ssermir. ( S. auch Scharmützel.) 3. Nach einer fortgesetzten Figur wurde es oft der Ausdruck verschiedener mit diesem oder einem ähnlichen Laute verbundener Bewegungen. 1) * In die Länge und Breite; daher der figürliche Gebrauch des Hauptwortes Schirm in der Bedeutung einer Fläche. ( S. Schar 4.) 2) In die Tiefe; eine im eigentlichen Verstande veraltete Bedeutung, ( S. 1 Schar 4 5) von welcher aber die noch jetzt übliche der Abhaltung, Abwehrung, als eine Figur angesehen werden kann, indem der Begriff der Beschirmung, Beschützung, Bedeckung, in mehrern Fällen eine Figur des hohlen Raumes ist. Schirmen bedeutet, dieser Figur zu Folge, die Annäherung eines andern als ein Übel betrachteten Dinges, oder dessen Einfluß abhalten. So sagte man ehedem sich vor der Kälte, vor dem Regen, von der Hitze schirmen, eine Stadt vor dem Feinde schirmen u. s. f. Indessen ist es in dem gemeinen Sprachgebrauche sehr in Abgang gekommen, indem theils beschirmen, theils andere Zeitwörter dafür üblicher geworden sind. Eben dieß gilt auch von den Zusammensetzungen Schirmbrief, Schirmgott, Schirmgeld, Schirmherr u. s. f. welche man jetzt mit Schutz verbindet. In dieser Bedeutung des Abhaltens und figürlich der Vertheidigung sagt schon Ottfried skirmen. Das Ital. schermire, beschirmen, ist ohne Zweifel aus dem Deutschen entlehnet, so wie auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Schirm, Schauer, damit verwandt ist. Schirmen druckt mehr die Abhaltung des Übels aus, schützen stehet mehr auf dessen Wirkung, auf die dadurch gewährte Sicherheit. Eben so sind Schirm und Schutz verschieden. Der Grund davon liegt ohne Zweifel in der mehrmahls verstärkten Intension der Wörter Schutz und schützen, deren Stammwort hüthen gleichfalls nur bedecken bedeutet. Schauer ist mit Schirm nahe verwandt, und wurde auch ehedem dafür gebraucht. In einer Urkunde von 1385 wird der Landgraf von Thüringen durch sonderliches Nutzis, Schures-Willen, erwählet, zu unsirm und des Stiftis Schurer, Schirmer und Vorweser.


Schirmer (W3) [Adelung]


Der Schirmer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schirmerinn, eine Person, welche schirmet, in der letzten Bedeutung des vorigen Zeitwortes; wofür doch auch Beschirmer üblicher ist. Ehedem gebraucht man es von einem Beschützer oder Schutzherrn. Bey den Jägern ist der Schirmer oder Retter ein abgerichtetes Windspiel, welches den gefangenen Hasen beschirmet, damit er nicht von den andern Jagdhunden zerrissen werde. Bey dem Notker Scermare.


Schirmgeld (W3) [Adelung]


Das Schirmgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, ein ehedem für Schutzgeld übliches Wort.


Schirmgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Schirmgerechtigkeit, plur. inus. welches gleichfalls ehedem für Schutzgerechtigkeit üblich war.


Schirmherr (W3) [Adelung]


Der Schirmherr, des -en, plur. die -en, ein ehedem sehr gangbares Wort, wofür jetzt Schutzherr üblicher ist.


Schirmmauer (W3) [Adelung]


Die Schirmmauer, plur. die -n, in den Glashütten, mannshohe Mauer um den Glasofen, die Arbeiter vor der allzu großen Hitze zu beschirmen.


Schirmmoos (W3) [Adelung]


Das Schirmmoos, des -es, plur. doch nur von mehren Arten, die -e, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, eine Art Mooses mit einem zirkelförmigen Schirme oder Boden, welches in den nördlichsten Gegenden einheimisch ist; Splachnum L.


Schirmpalme (W3) [Adelung]


Die Schirmpalme, plur. die -n, bey eben denselben, eine Art Palmen, deren Blätter die Gestalt eines Schirmes haben; Corypha L.


Schirmvogt (W3) [Adelung]


Der Schirmvogt, des -es, plur. die -vögte, ein ehedem übliches Wort, den Schutzherrn eines Stiftes oder Ortes zu bezeichnen. In einigen Gegenden Oberdeutschlandes wird es noch für Vormund gebraucht.


Schirr (W3) [Adelung]


Das Schirr, des -es, plur. die -e, ein jetzt veraltetes Wort, wofür im Hochdeutschen Geschirr üblicher ist, ( S. dasselbe und 1 Schar 4.) Es ist noch in einigen Zusammensetzungen gangbar.


Schirrbeil (W3) [Adelung]


Das Schirrbeil, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft, ein Beil, das hölzerne Geschirr damit auszuarbeiten.


Schirrholz (W3) [Adelung]


Das Schirrholz, des -es, plur. car. ein Collectivum, Holz, aus welchem man allerley hölzernes Geschirr, d. i. Geräth, verfertigen kann; Geschirrholz, Nutzholz, im Gegensatze des Brennholzes.


Schirrkammer (W3) [Adelung]


Die Schirrkammer, plur. die -n, in der Landwirthschaft, eine Kammer, das Pferde- und Ackergeschirr darin zu verwahren; die Geschirrkammer.


Schirrmeister (W3) [Adelung]


Der Schirrmeister, des -s, plur. ut nom. sing. 1) In vielen Fällen, derjenige, welcher die Aufsicht über das Pferde- und Ackergeschirr hat; der Geschirrmeister. So ist der Schirrmeister auf den Landgütern der erste und vornehmste Knecht, dessen Aufsicht das Geschirr anvertrauet ist. Bey fürstlichen Ställen ist der Schirrmeister ein Stallbedienter, der dem Wagen- und Bagage-Meister untergeordnet ist, aber den Wagenhalter unter sich hat. Bey einem weitläufigen Fuhrwesen, z. B. bey den Armeen, hat der Schirrmeister oft zugleich die Aufsicht über eine gewisse Anzahl Fuhrknechte und Wagen. 2) Bey den Schmieden wird derjenige, welcher im Schmieden den kleinen Hammer führet, und die Stellen zeigt, wohin die andern schlagen sollen, der Schirrmeister genannt; sonst heißt er auch der Vorschläger.


Schiß (W3) [Adelung]


Der "Schiß", des -sses, plur. die -sse, ein von dem Zeitworte "scheißen" nur in den niedrigsten Sprecharten übliches Wort, so wohl die Handlung als auch den Auswurf zu bezeichnen.


Schlabben,Schlappen,Schlabbern (W3) [Adelung]


+ Schlabben, Schlappen und Schlabbern, drey nur in den niedrigen Sprecharten übliche Zeitwörter, welche eigentlich von den Hunden gebraucht werden, wenn sie flüssige Dinge mit dem diesen Wörtern eigenthümlichen Laute leckend hinein schlingen Nieders. slabben, slabbern, welches letztere daselbst auch, im Essen und Trinken Tropfen verschütten bedeutet, wie die Hunde zu thun pflegen. Im Engl. ist to slabber naß machen. Nach einer andern Onomatopöie ist schlabber, doch auch nur in den niedrigen Sprecharten, ein langweiliges geschwindes und albernes Geschwätz machen, oft auch nur geschwinde her plaudern. Schlappen ist das Intensivum und schlabbern das Iterativum von schlabber, dieses aber ein Intensivum von labben, dessen Iterativum labbern auch eine Art des Plauderns bezeichnet. S. diese Wörter.


Schlacht (W3) [Adelung]


Die Schlacht, plur. die -en, von dem Zeitworte schlagen, daher dasselbe noch in mehrern verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. 1) In den Niederdeutschen Marschländern ist die Schlacht ein von Buschwerk und Rasen von dem Ufer ab in das Wasser geschlagener Damm, dasselbe dadurch von dem Lande und von den Deichen abzuhalten, der auch eine Schlechte und Schlenge genannt wird. Eine Schlacht schlagen, einen solchen Damm machen. In weiterer Bedeutung wird ein jedes Bollwerk, welches am und im Wasser aufgeführet wird, auch wenn es aus Pfählen oder Steinen bestehet, eine Schlacht genannt. ( S. einige der folgenden Zusammensetzungen, ingleichen Senkschlacht.) 2) * Die Tödtung, Hinrichtung, der Tod, vielleicht zunächst von schlachten; eine im Deutschen veraltete Bedeutung, in welcher es aber schon bey dem Kero und Notker Slahta lautet. In engerer Bedeutung gebraucht Ottfried es für Niederlage, für Tödtung mehrerer. 3) Ein Gefecht, es sey unter zweyen oder unter mehrern. Nach etlichen Stryten und Schlachen, in dem 1514 zu Mainz gedruckten Deutschen Livius. Auch in dieser Bedeutung ist es im Deutschen veraltet, wo man es nur in engerm Verstande von einem blutigen Gefechte sehr zahlreicher Haufen, besonders zweyer Kriegsheere gebraucht, von welchen man auch sagt, daß sie schlagen. Die Feldschlacht, eine jetzt unnöthige Zusammensetzung, da Schlacht von einzelnen Gefechten nicht mehr gebraucht wird, man müßte es denn einer Seeschlacht entgegen setzen. Es kam zur Schlacht. Eine Schlacht gewinnen, verlieren. Eine Schlacht wagen. In der Schlacht bleiben, in derselben getödtet werden. Zur Schlacht ausrücken. Dem Feinde eine Schlacht anbiethen. Eine Schlacht liefern, statt der veralteten Redensarten, eine Schlacht halten, und eine Schlacht thun, welche letztere in Luthers Deutscher Bibel sehr oft vorkommt. Schlacht und Treffen bedeuten Gefechte zwischen ganzen Kriegsheeren oder doch zahlreiche Haufen, Scharmützel und Gefecht setzen kleinere Haufen voraus. Indessen fängt das Wort Schlacht in dieser ganzen Bedeutung an seltener zu werden, indem man dafür lieber Treffen gebraucht. Schon Ottfried nennt ein Gefecht Slahta, im Engl. Slaughter, im Schwed. Slag. Es ist von schlagen, wie das Franz. Battaille von battre. Ehedem gebrauchte man dafür auch die Ausdrücke Volkswig, Feldstreit. 4) * Das Geschlecht, die Gattung, Art, auch von den Zeitwörtern schlagen und schlachten, in den Redensarten, nach jemanden schlachten, d. i. arten, aus der Art schlagen; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher es bey dem Ottfried Slachta lautet. Wann schon ein gutes Pferd aus Barbarey nicht kommen. Wann seine Schlacht schon nicht von Napels ist genommen, Opitz. Mancher Schlacht, aller Schlacht, waren daher für mancherley, allerley, üblich. Jetzt wird noch in manchen Fällen Schlag dafür gebraucht, S. dasselbe.

Anm. ( S. Schlachten und Schlagen.) Wenn in Boxhorns Glossen Slahta durch Jugulum, die Gurgel, erkläret wird, so scheinet es daselbst zu Schlucht und Schluchter zu gehören.


Schlachtbank (W3) [Adelung]


Die Schlachtbank, plur. die -bänke, von dem Zeitworte schlachten, eigentlich, derjenige Bank, worauf das Vieh geschlachtet wird. Figürlich ist, zur Schlachtbank führen, auf die Schlachtbank liefern, ohne Nutzen, und ohne daß eine Gegenwehr Statt fände, tödten und umbringen lassen. Die beste Mannschaft muß zur Schlachtbank gehen, Jer. 48, 15. Und wie man bundsverwandte Nationen. Bequem zur Schlachtbank schickt, Raml.


Schlachtbar (W3) [Adelung]


Schlachtbar, -er, -ste, adj. et adv. von dem Zeitworte schlachten, was mit Nutzen geschlachtet werden kann. Schlachtbares Vieh.


Schlachtbeil (W3) [Adelung]


Das Schlachtbeil, des -es, plur. die -e, gleichfalls von dem Zeitworte schlachten, dasjenige Beil, dessen sich die Fleischer zum Schlachten bedienen.


Schlachten (W3) [Adelung]


Schlachten, verb. reg. welches das Intensivum von schlagen ist, und in doppelter Gestaltung und Bedeutung gebraucht wird. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, die Abkunft, das Geschlecht, die Art durch seine Beschaffenheit verrathen, in welchem Verstande es noch hin und wieder im gemeinen Leben, besonders Niederdeutschlandes üblich ist. Nach jemanden schlachten oder ihm nachschlachten, nach ihm arten, ihm nacharten. Schapkens schlachten na de Lammen, Un de Twige na den Stammen, in einem Dithmarsischen Volksliede. Im Schwed. slagta, schon bey dem Ottfried gislagtan. Im Hochdeutschen ist es ungewöhnlich, doch wird in einigen Fällen noch das einfachere schlagen in diesem Verstande gebraucht. S. dasselbe und Geschlecht. II. Als ein Activum, tödten, umbringen. 1) Überhaupt, für niedermachen, besonders so fern es mit einem hauenden oder schneidenden Werkzeug geschiehet. Bey dem Notker slahhan, ehedem schlagen, erschlagen. Der Herr hält ein Schlachten, Es. 34, 6. Daß sie (die Gottlosen) fällen den Elenden und schlachten die Frommen, Ps. 37, 14. Im Hochdeutschen ist es in dieser weitern Bedeutung veraltet, außer daß man es noch zuweilen im Scherze und in Anspielung auf die folgende gebraucht. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung schlachtet man nur lebendige Geschöpfe, so fern sie zum Opfer, oder auch zum Verspeisen bestimmet sind. Abraham sollte seinen Sohn schlachten, 1 Mos. 22, 10, tödten und opfern. ( S. Schlachtopfer.) Mastvieh schlachten. Einen Ochsen, ein Schaf, ein Schwein, ein Huhn, eine Gans schlachten. Im engsten Verstande druckt man mit diesem Worte bloß das Tödten oder Abkehlen aus, in weitern gehöret dahin auch die Zubereitung des Fleisches zum Kochen, in welchem Verstande besonders ausschlachten bey den Fleischern üblich ist. Figürlich ist schlachten zuweilen auch ohne Nutzen und ohne Gegenwehr tödten. So auch das Schlachten. Denn das Hauptwort die Schlachtung, welches Apost. 8, 32 vorkommt, ist nur in Zusammensetzungen gangbar.

Anm. Bey dem Notker slahhan, im Schwed. slagta, im Engl. to slaughter und to slay. Daß das einfachere schlagen ehedem auch für tödten und umbringen gebraucht worden, wird an seinem Orte erhellen. Schlachten ist nach eben der Analogie von schlagen gebildet, wie, Tracht und trachten von tragen, Macht von mögen, ehedem magen, u. s. f. wo um des Überganges des gedehnten Vocales willen in den geschärften auch der weichere Gaumenlaut g in das härtere ch verwandelt wird.


Schlachtenmahler (W3) [Adelung]


Der Schlachtenmahler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Mahler, welcher sich eine vorzügliche Fertigkeit erworben, Schlachten zu mahlen; der Battaillen-Mahler, aber nicht Treffenmahler, welches ungewöhnlich ist.


Schlachter (W3) [Adelung]


Der Schlachter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme einer Art Falken, welcher größer ist, als der edle Falk, und schönere Flecken hat, als der Sakerfalk; Falco Lanarius Klein. Franz. Lanier, Engl. Laneret, ohne Zweifel wegen der Art, wie er seinen Raub behandelt.


Schlächter (W3) [Adelung]


Der Schlächter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schlächterinn, eine besonders in den Niederdeutschen Gegenden übliche Benennung eines Fleischers oder Metzgers. Man gebraucht es auch in einigen Hochdeutschen Gegenden, allein dann bezeichnet es nur gewisse unzünftige Leute, welches das Schlachtvieh in den Häusern anderer um Lohn schlachten, und am häufigsten Hausschlächter genannt werden. Daher das Schlächterhandwerk, die Schlächterzunft u. s. f. lauter in Niederdeutschland übliche Zusammensetzungen.


Schlachtessen (W3) [Adelung]


Das Schlachtessen, des -s, plur. ut nom. sing. in den Niedersächsischen Gegenden, ein Schmaus, welcher bey dem jährlichen Hausschlachten im Herbste gegeben wird.


Schlachtfeld (W3) [Adelung]


Das Schlachtfeld, des -es, plur. die -er, der Ort, wo eine Schlacht oder ein Treffen geliefert wird, oder geliefert worden; der Wahlplatz.


Schlachtgeld (W3) [Adelung]


Das Schlachtgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er. 1) Von Schlacht 1, ein Bollwerk am Wasser, in den Niederdeutschen Handelsstädten, dasjenige Geld, welches von den Kaufmannsgütern zum Unterhalt des Schlacht, d. i. des Dammes oder Bollwerkes, der Schifflände, gegeben wird. 2) Von dem Zeitworte schlachten könnte es den Schlächterlohn bedeuten, oder dasjenige Geld, welches man dem Hausschlächter für das Schlachten bezahlet.


Schlachthaufen (W3) [Adelung]


Der Schlachthaufen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Von Schlacht 3, ein Haufen in die Schlacht geführter Soldaten; doch nur im Oberdeutschen, indem dafür im Hochdeutschen Treffen üblicher ist. Der mittlere Schlachthaufen ist daselbst das Mitteltreffen, der vordere Schlachthaufen das Vordertreffen u. s. f. 2) Von dem Zeitworte schlachten ist der Schlachthaufen ein Haufen zum Schlachten bestimmten Viehes.


Schlachthaus (W3) [Adelung]


Das Schlachthaus, des -es, plur. die -häuser, an einigen Orten, ein öffentliches Gebäude, worin die Fleischer das Vieh schlachten.


Schlachtherr (W3) [Adelung]


Der Schlachtherr, des -en, plur. die -en, von Schlacht 1 in einigen Niederdeutschen Seestädten, diejenigen Rathsherren, welchen die Aufsicht über die Schlacht, d. i. über ein am Wasser aufgeführtes Bollwerk, über die Schifflände, anvertrauet ist.


Schlächtig (W3) [Adelung]


Schlächtig, adj. et adv. von dem Zeitworte schlagen, welches nur in den Zusammensetzungen oberschlächtig und unterschlächtig üblich ist, S. dieselben.


Schlachtmeister (W3) [Adelung]


Der Schlachtmeister, des -s, plur. ut nom. sing. in den Niederdeutschen Marschländern, derjenige, welcher Schlachten geschickt zu machen weiß, der den Wasserbau verstehet. S. Schlacht 1.


Schlachtmesser (W3) [Adelung]


Das Schlachtmesser, des -s, plur. ut nom. sing. das große Messer der Fleischer, womit sie das Schlachtvieh schlachten.


Schlachtmonath (W3) [Adelung]


Der Schlachtmonath, des -es, plur. die -e. S. November.


Schlachtochs (W3) [Adelung]


Der Schlachtochs, des -en, plur. die -en, ein zum Schlachten bestimmter Ochs; zum Unterschiede von einem Zucht- und Zugochsen.


Schlachtopfer (W3) [Adelung]


Das Schlachtopfer, des -s, plur. ut nom. sing. ein lebendiges Geschöpf, welches als ein Opfer oder zum Opfer geschlachtet werden soll; zum Unterschiede von Opfern anderer Art.


Schlachtordnung (W3) [Adelung]


Die Schlachtordnung, plur. die -en. 1) Von Schlacht 3, diejenige Ordnung, in welcher ein Kriegsheer in die Schlacht rücket. Ein Kriegsheer in Schlachtordnung stellen. 2) Von dem Zeitworte schlachten ist es in einigen Gegenden diejenige Ordnung, nach welcher die Fleischer das Vieh schlachten und verkaufen.


Schlachtpferd (W3) [Adelung]


Das Schlachtpferd, des -es, plur. die -e. 1) Von Schlacht 1, in einigen Niedersächsischen Gegenden, diejenigen Pferde, welche die Waaren von und zu der Schlacht, d. i. der Schifflände führen. So auch der Schlachtwagen, der Wagen, womit solches geschiehet. 2) Von Schlacht 3, ist das Schlachtpferd ein starkes und geschwindes Pferd, welches ein Officier in der Schlacht reitet; das Battaillen-Pferd.


Schlachtschreiber (W3) [Adelung]


Der Schlachtschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. von Schlacht 1, in einigen Niederdeutschen Seestädten, eine beeidigte Person, welche die Ladungen der Schiffe aufzeichnet und die Rechnung über die Schlachtgelder führet.


Schlachtschwert (W3) [Adelung]


Schlachtschwert, des -es, plur. die -er, eine veraltete Art großer Schwert, welche man nicht an der Seite, sondern in den Händen auf der Schulter trug, und sich deren besonders in den Schlachten bedienete, wovon man noch in den Rüstkammern ungeheure Stücke zum thätigen Beweise der nervigen Stärke unserer Vorfahren findet.


Schlachttag (W3) [Adelung]


Der Schlachttag, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schlachten, ein Tag, an welchem geschlachtet wird.


Schlachtvieh (W3) [Adelung]


Das Schlachtvieh, des -es, plur. inus. das zum Schlachten bestimmte Vieh, welches bey den Fleischern auch das Stechvieh genannt wird.


Schlachtvogt (W3) [Adelung]


Der Schlachtvogt, des -es, plur. die -vögte, von Schlacht 1, in einigen Niederdeutschen Seestädten, derjenige, welcher die Aufsicht über die Schlacht, d. i. Schifflände, und über die an derselben liegenden Schiffe führet.


Schlachtwagen (W3) [Adelung]


Der Schlachtwagen, des -s, plur. die wagen, siehe Schlachtpferd.


Schlachtzettel (W3) [Adelung]


Der Schlachtzettel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Von Schlacht 1, in einigen Niederdeutschen Seestädten, das Verzeichniß von der Ladung eines Schiffes, nach welcher das Schlachtgeld entrichtet wird. 2) Von dem Zeitworte schlachten, ist es ein Zettel, welcher dem Fleischer zur Bescheinigung dienet, daß er die für jedes Stück Schlachtvieh bestimmten obrigkeitlichen Gebühren abgetragen hat, und nunmehr schlachten darf.


Schlack (W3) [Adelung]


Schlack, adj. et adv. S. Schlackig.


Schlack (W3) [Adelung]


Der Schlack, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein nur bey den Salpeter-Siedern übliches Wort, den Bodenfaß der Salpeter-Lange auf dem Boden des Kessels zu bezeichnen, der aus calcinirtem Kochsalze bestehet; ein ohne Zweifel zu Schlacke gehöriges Wort. S. dasselbe.


Schlackdarm (W3) [Adelung]


Der Schlackdarm, des -es, plur. die -därme, in einigen Gegenden, der große dicke Darm der thierischen Körper, welcher unter dem Nahmen des Mastdarmes am bekanntesten ist. Ohne Zweifel von Schlack, so fern es ehedem auch den Begriff der Weite hatte. S. Schlacke und Schlackwurst.


Schlacke (W3) [Adelung]


1. Die Schlacke, plur. die -n, ein nur in einigen Niedersächsischen Gegenden, z. B. im Braunschweigischen, übliches Wort, den Mastdarm, oder Schlackdarm, noch häufiger aber, eine aus diesem Darme bestehende Wurst, eine Schlackwurst zu bezeichnen. Vermuthlich wegen der Weite dieses Darmes, als ein Verwandter von Schlucht, oder auch, weil der Unrath und Koth durch denselben abgeführet wird, da es denn mit dem folgenden zu dem Holländ. Slik, Schlamm, und unsern Schlich, Schlug u. s. f. gehören würde.


Schlacke (W3) [Adelung]


2. Die Schlacke, plur. die -n, die Unreinigkeit, welche sich bey der Bearbeitung der Mineralien im Feuer von denselben absondert, und nach ihrer Erkaltung eine glasartige Gestalt hat. Bey dem Schmelzen der Erze setzt sich in Gestalt eines flüssigen Schaumes oben auf. Eisenschlacken, Kupferschlacken, Bleyschlacken, Garschlacken, Zinnschlacken, Kohlschlacken u. s. f. Gemeiniglich spricht man in den Sprachlehren diesem Worte den Singular ab; allein er ist gangbar genug, theils collective, z. B. das Kupfer gibt eine röthliche Schlacke; theils aber und noch häufiger distributive, eine schöne Kupferschlacke. Indessen wird es auch sehr häufig im Plural als ein Collectivum gebraucht. Die Schlacken abheben, im Hüttenbaue, sie mit dem Sticheisen von dem Erze absondern.

Anm. Im Nieders. Slacke, im Schwed. Slagg, im Engl. Slag, im Böhm. Sslaky. Daß dieses Wort ursprünglich von schlagen herstammet, ist wohl gewiß, ob sich gleich dessen nächste Bedeutung bey dem großen Umfange dieses Zeitwortes nur muthmaßen läßt. Es kann der Begriff der Gerinnung der herrschende seyn, weil die Schlacken gleich im Erkalten zu einer festen Masse werden. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird die geronnene Milch Schlocken genannt. Man kann es alsdann als ein Intensivum von Schlich ansehen, welches eine flüssigere Masse bezeichnet. Der Begriff der Unreinigkeit ist nahe damit verwandt, und das Latein. Scoria, Schlacke, scheint zu dem Nieders. Schor, Koth, Unreinigkeit, zu gehören. Im Hüttenbaue werden die Schlacken noch jetzt zuweilen das Geschüre genannt. Es kann aber auch der Begriff der Erhebung hervorstechen, weil sich die Schlacke beym Schmelzen der Erze als ein Schaum erhebet, daher sie auch im Franz. Ecume heißt. Notker gebraucht das jetzt veraltete Olter für Schlacke. Unmittelbar von schlagen ist im Nieders. Hammerschlacke der Hammerschlag.


Schlacken (W3) [Adelung]


Schlacken, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, Schlacken geben. Ein Erz schlacket sehr, wenn es viele Schlacken gibt. In dem zusammen gesetzten verschlacken hat es eine thätige Bedeutung.


Schlackenbad (W3) [Adelung]


Das Schlackenbad, des -es, plur. die -bäder, ein künstliches Bad, welches mit den heißen Schlacken von dem Roh- und Schwarzkupfer bereitet und in verschiedenen Krankheiten gebraucht wird.


Schlackenerz (W3) [Adelung]


Das Schlackenerz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein Erz, welches die Gestalt einer Schlacke hat; besonders ein gewisses bleyfarbiges Silbererz.


Schlackengrube (W3) [Adelung]


Die Schlackengrube, plur. die -n, in den Schmelzhütten, eine Grube am Vorherde des hohen Ofens, worein die Schlacken gezogen werden.


Schlackenhaken (W3) [Adelung]


Der Schlackenhaken, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein eiserner Haken, die Schlacken damit von dem Vorherde in die Schlackengrube zu ziehen.


Schlackenhalde (W3) [Adelung]


Die Schlackenhalde, plur. die -n, eben daselbst, eine Halde, d. i. ein Hügel, von zusammen gestürzten Schlacken.


Schlackenklein (W3) [Adelung]


Das Schlackenklein, subst. indecl. plur. car. eben daselbst, der Abgang von den Schlacke, in kleine Stücken zerbrochene Schlacken.


Schlackenkobalt (W3) [Adelung]


Der Schlackenkobalt, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, eine Art des Kobaltes, welcher einer schwammigen Schlacke gleicht.


Schlackenläufer (W3) [Adelung]


Der Schlackenläufer, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, derjenige Arbeiter, welcher die tauben Schlacken auf die Halde läuft, d. i. auf einen Haufen führet.


Schlackenstein (W3) [Adelung]


Der Schlackenstein, des -es, plur. die -e, eben daselbst, eine steinartige Masse, welche sich von den Schlacken absondert, und das Silber an sich ziehet.


Schlackenzinn (W3) [Adelung]


Das Schlackenzinn, des -es, plur. inus. Zinn, welches aus den Zinnschlacken geschmelzet wird, und das beste und geschmeidigste Zinn gibt.


Schlackig (W3) [Adelung]


1. Schlackig, -er, -ste, adj. et adv. Schlacken, und in engerer Bedeutung, viele Schlacken enthaltend und gebend. Schlackiges Erz. Schlackicht würde Schlacken ähnlich bedeuten.


Schlackig (W3) [Adelung]


2. Schlackig, -er, -ste, adj. et adv. welches besonders in Niederdeutschland üblich ist, wo man ein anhaltendes Regenwetter, ein schlackiges oder schlackeriges Wetter zu nennen pflegt. Eben daselbst ist schlackern nicht nur lange und anhaltend regnen, sondern auch flüssige Dinge verschütten, sehr und viel klecken, ingleichen den Koth im Gehen mit den Füßen auf die Kleider werfen; lauter Onomatopöien, wohin auch unser klecken gehöret, von welchem schlackern ein iteratives Intensivum ist. ( S. auch Schlecken.) Eben daselbst ist schlack figürlich schlaff, Angels. sleak, Engl. slack, Schwed. slak, Lat. ohne Zischlaut laxus, wohin auch unser locker gehöret.


Schlackwurst (W3) [Adelung]


Die Schlackwurst, plur. die -würste, in einigen Niederdeutschen Gegenden, eine aus dem Schlackdarme bereitete Wurst; die Schlacke, S. dieses Wort.


Schlaf (W3) [Adelung]


1. Der Schlaf, des -es, plur. die Schläfe, die mittlern Seitentheile des Hauptes neben den Augen, wo die Hirnschale am dünnsten ist, und wo man den Schlag der Pulsader gewahr wird. Jael schlug dem Sissera einen Nagel in den Schlaf, Richt. 4, 21. Sie durchbohrete seinen Schlaf, Kap. 5, 26. Verflucht sey dieser Schmeichler, sey diese Sclavenhand, Die um den Schlaf der Ruhmsucht den ersten Lorber wand, Dusch. Sich beyde Schläfe verbinden. Einige Sprachlehrer sprechen diesem Worte den Singular ab; ich weiß nicht, was sie dazu verleitet haben mag, indem so wohl die Sache selbst, als der beständige Gebrauch das Gegentheil lehren.

Anm. Dieses Wort kommt weder in unsern alten Denkmahlen, noch in den verwandten Sprachen vor, wohl aber das gleichbedeutende Niederdeutsche Dünne, Dünning, welches auch in einigen gemeinen Oberdeutschen Mundarten gangbar ist; bey dem Raben Maurus im 8ten Jahrhunderte Thunevengia, bey dem Notker Touungo, im Schwed. Tinning. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieses Wort von Schlag nur im Endlaute verschieden ist, und eigentlich die Stelle am Haupte bedeutet, wo man die Pulsader schlagen siehet, um weßwillen der Schlaf im Französischen auch Batant genannt wird. Das Lat. Tempus, Tempora leidet eine ähnliche Ableitung. Daß für schlagen auch irgendwo schlafen üblich gewesen seyn muß, erhellet unter andern auch das aus dem Schwedischen Slef, ein Schlägel, und aus unserm Intensivo Schlappe, S. dasselbe.


Schlaf (W3) [Adelung]


2. Der Schlaf, des -es, plur. car. diejenige Ruhe der thierischen Natur, wobey sich die Seele in einem Zustande dunkler und undeutlicher Empfindungen befindet. 1. Eigentlich. In den Schlaf fallen, in einen süßen Schlaf gerathen. Der Schlaf überfällt mich. Keinen Schlaf haben, nicht schlafen können. Einen festen Schlaf haben, fest schlafen. Ein tiefer Schlaf. Ein harter Schlaf, von welchem man schwer zu erwecken ist, im Gegensatze eines leisen. Es kommt kein Schlaf in meine Augen. Vom Schlafe erwachen. Nicht in den Schlaf kommen können. Sich des Schlafes nicht erwehren können. Seinen ordentlichen Schlaf haben. Ein Kind in den Schlaf singen. Voller Schlaf oder voll Schlafes seyn. Einen Schlaf machen oder thun, für schlafen, ist nur in den gemeinen Sprecharten üblich, so wie man in der vertraulichen auch wohl im Diminutivum sagt, ein Schläfchen machen, ein wenig schlafen.

2. Figürlich.

1) Der Stand der Betäubung mancher Thiere im Winter, z. B. des Hamsters, des "Murmelthieres" u. s. f. welcher kein eigentlicher Schlaf ist.

2) Noch uneigentlicher legt man den Pflanzen einen Schlaf bey, der in einer Unthätigkeit ihrer vegetabilischen Natur bestehet. 3) Der Schlaf eines Gliedes am menschlichen Körper ist gleichfalls ein Zustand der Betäubung. 4) Der Schlaf des Gewissens, der Stand des unterlassenen Gebrauches desselben zur Beurtheilung der Handlungen. 5) Der Schlaf der Sünde, in der biblischen Schreibart, da man ohne lebendiges Bewußtseyn seines Zustandes in der Sünde beharret.

Anm. Bey dem Kero und Willeram Slaff, bey dem Ulphilas Slep, bey dem Ottfried Slaf, im Nieders. Slap, im Angels. Slaep, im Engl. Sleep. Ohne Zweifel von schlaff, weil doch der Schlaf äußerlich in einer Erschlaffung des ganzen Körper bestehet. Einige Oberdeutsche Mundarten schreiben und sprechen noch wirklich Schlaff. Die Schweden gebrauchen dafür Sömn, Isländ. Suefn, Böhm. Sen, welche mit dem Lat. Somnus auf das genaueste verwandt sind. S. Schlafen.


Schlafader (W3) [Adelung]


Die Schlafader, plur. die -n, derjenige Art der Pulsader, welcher an den Schläfen sichtbar ist. S. 1 Schlaf.


Schlafbank (W3) [Adelung]


Die Schlafbank, plur. die -bänke, ein Behältniß, welches, wenn es zusammen geschlagen ist, zur Bank oder zum Tische dienet, aus einander gelegt aber ein Bettgestell abgibt.


Schlafbeere (W3) [Adelung]


Die Schlafbeere, plur. die -n, ein Nahme der Wolfskirschen oder Tollbeeren, Atropa Belladonna L. weil sie einen gefährlichen betäubenden Schlaf verursachen.


Schlafbein (W3) [Adelung]


Das Schlafbein, des -es, plur. die -e, diejenige Beine der Hirnschale, welche die Schläfe bilden und den mittlern Seitentheil des Kopfes einnehmen. Bey einigen Zergliederern werden sie Felsenbeine oder Steinbeine genannt.


Schläfe (W3) [Adelung]


Die Schläfe, S. 1 Schlaf.


Schlafen (W3) [Adelung]


Schlafen, verb. irreg. neutr. mit dem Hülfsworte haben; ich schlafe, du schläfst, er schläft; Imperf. ich schlief; Mittelw. geschlafen; Imper. schlafe, schlaf. Sich in einem solchen Stande der thierischen Ruhe befinden, in welchem die Seele sich ihrer nur auf eine dunkele oder verworrene Art bewußt ist; im Gegensatze des Wachens. 1. Eigentlich, wo man schlafen theils überhaupt von diesem Zustande gebraucht, theils in engerer Bedeutung im Gegensatze des Schlummers, von einer tiefen Ruhe, wobey man sich gar nichts bewußt ist. Fest, ruhig, unruhig, leise, sanft schlafen. Bis an hellen Morgen schlafen. Jemanden schlafend finden. Einen Schlafenden aufwecken. Mit einigen wenigen Zeitwörtern wird dieses Wort im Infinitiv ohne zu gebraucht. Schlafen gehen. Sich bey dem Schlafengehen an etwas erinnern. Sich schlafen legen. Die Kinder schlafen schicken. Mit andern wird es auf diese Art wohl nicht leicht vorkommen. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Bey einer Person schlafen, ein anständiger Ausdruck für sich fleischlich mit ihr vermischen. 2) Bey jemanden schlafen, an einem Orte schlafen, daselbst übernachten. 3) Sich in einem Stande der Betäubung, und nach einer noch weitern Figur, sich im Stande der schlaffen Unthätigkeit befinden. Der Fuß schläft oder schläft ein, wenn man einen betäubenden Krampf in demselben empfindet. Gewisse Thiere schlafen den Winter durch, wenn sie sich in einer betäubenden Unempfindlichkeit befinden. Die Pflanzen schlafen, wenn sich ihre vegetabilischen Kräfte in einer Art von unthätiger Ruhe befinden. Herr, warum schläft du? Ps. 44, 24. Ihre Verdammniß schläft nicht, 2 Petr. 2, 3. Das Gewissen schläft, wenn es nicht zur Beurtheilung der Handlungen nach dem Gesetz gebraucht wird. Man muß die Freundschaft nicht lange schlafen lassen, unthätig seyn lassen. In der höhern Schreibart auch von Dingen, welche noch nicht ihr Daseyn, ihre gehörige Entwickelung haben. Die Funken der Tugend erwecken, welche in unserer Brust schlafen. Warum er unsre Welt vor tausend andern rie, Als alles in der Nacht der Möglichkeit noch schlief, Gieseke. 4) Sich im Stande des Todes befinden; besonders in der biblischen Schreibart. Wir, die wir leben, werden denen die nicht vorkommen, die da schlafen, 1 Thess. 4, 15. Daher das Schlafen.

Anm. Bey dem Ulphilas slepan, bey dem Ottfried slafen, in einigen Oberdeutschen Gegenden schlaffen, bey dem Stryker slaffen, im Nieders. slapen, im Angels. slaepan, im Engl. to sleep. S. Schlaf und Schlaff.


Schläfer (W3) [Adelung]


Der Schläfer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schläferinn, eine Person, welche schläft; besonders in der dichterischen und höhern Schreibart. Im Thal umhüllt mit Nacht Wohnt Morpheus, der so oft die Schläfer glücklich macht, Zach. Erwache, schöne Schläferinn, Falls dieser Kuß nicht zu bestrafen, Haged. Im gemeinen Leben ist es in den Zusammensetzungen Beyschläfer, Langschläfer, Siebenschläfer u. s. f. am üblichsten.


Schläferig (W3) [Adelung]


Schläferig, Schläfrig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Von dem Hauptworte Schläfer ohne Comparation ist ein einschläferiges, ein zweyschläferiges Bett, im gemeinen Leben mancher Gegenden ein Bett für Eine Person, für zwey Personen, wofür in andern einmännisch und zweymännisch, einspännig und zweyspännig üblich sind. In der anständigen Schreib- und Sprechart bedienet man sich statt aller dieser Ausdrücke lieber einer Umschreibung. Hier ist die Zusammenziehung ungewöhnlich. 2. Von dem Zeitworte schläfern ist schläferig, und noch häufiger schläfrig, Neigung, Trieb zum Schlafen empfindend. 1) Eigentlich. Schläfrig seyn. Die zehen Jungfrauen wurden alle schläfrig, Matth. 25, 5. Ein schläfriges Kind. 2) Figürlich, einen fehlerhaften Mangel des Triebes zur Bewegung empfindend, und darin gegründet; im Gegensatze des munter. Ein schläfriger Mensch. Schläfrig arbeiten. Ein schläfriges Pferd. Nach einer noch weitern Figur, einen fehlerhaften Mangel der Fertigkeit empfindend, die Wirkungen des Geistes schnell und mit Deutlichkeit zu vollbringen, und darin gegründet; auch im Gegensatze des munter. Ein schläfriger Vortrag. Eine schläfrige Schreibart. Bey dem Kero slaffaga, eigentlich schläfig, unmittelbar von schlafen, im Nieders. sleperig.


Schläferigkeit (W3) [Adelung]


Die Schläferigkeit, noch häufiger


Schläfrigkeit (W3) [Adelung]


Schläfrigkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Person oder Sache, da sie schläfrig ist, in allen Bedeutungen von schläferig 2.


Schläfern (W3) [Adelung]


Schläfern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, Neigung, Trieb zum Schlafe empfinden. 1) Als ein persönliches Zeitwort, ich schläfere, ich empfinde Neigung zum Schlafe, ist es nur in einigen Oberdeutschen Gegenden gangbar. 2) Im Hochdeutschen kennet man es nur als ein unpersönliches Zeitwort, welches die vierte Endung der Person erfordert. Es schläfert mich, mich schläfert, es hat uns geschläfert. Anm. Es ist vermittelst der desiderativen Endung -ern von schlafen gebildet, und ohne Anstoß auch in der anständigen Sprechart gangbar, obgleich die meisten Desiderativa dieser Art niedrig sind. Notker sagt dafür mih slaphota, welches ein veraltetes Intensivum von schlafen zu seyn scheinet. In dem zusammen gesetzten einschläfern hat es eine factitive Bedeutung, wofür bey dem Opitz mehrmahls einschläfern vorkommt.


Schlaff (W3) [Adelung]


Schlaff, -er, -este, adj. et adv. Mangel an der Spannung, an der Steife habend; im Gegensatze dessen was straff und steif ist. 1) Eigentlich. Eine schlaffe Sehne. Ein Seil ist schlaff, wenn es nicht gehörig gespannt ist. Ein Pferd hat schlaffe Ohren, wenn es krank ist. Schlaffe Wäsche, welche durch den Gebrauch ihre Steife verloren. In manchen Fällen ist dafür auch welk üblich. 2) Figürlich, im Gegensatze dessen, was in figürlichem Verstande gespannt ist, besonders von dem Geiste und dessen Fähigkeiten, träge, Mangel an einem merklichen Grade der Aufmerksamkeit, der Begierde, der innern Stärke leidend, und darin gegründet. Ein System läßt sich nicht zur Belustigung noch mit einer schlaffen Seele lesen, womit man etwas einen Roman lieset. Zwar kann er Menschen leiden, Doch lässig, unbemüht, und nur bey schlaffen Freuden, Haged. Nichts rührt sein schlaffes Herz, als kluge Münzgesetze, ebend.

Anm. Im Nieders. slapp, daher auch einige gemeine Hochdeutsche Sprecharten schlapp sagen, im Schwed. slapp, im Pohln. und Wend. slaby, im Engl. slack, im Angels. slaw; welches aber auch träge und stumpf bedeutet, so wie das Schwed. slapp auch für leer gebraucht wird. Es stammet entweder von der welken, herab hängenden. Beschaffenheit her, da es denn vermittelst des intensiven Zischlautes von laff, lapp, Lappe, gebildet seyn würde, ( S. Schlappen,) oder auch von der schleifenden, schleichenden Bewegung, indem im Nieders. slapp und slack, und im Schwed. slapp und slack, gleichbedeutend sind. Im Angels. ist slipan lösen, locker machen, und bey dem Ulphilas slavan aufhören, eigentlich schlaff werden. ( S. auch Schlaf.) Bey unsern ältesten Schriftstellern kommt dieses Wort im eigentlichen Verstande nicht vor; ohne Zweifel nur aus Mangel der Gelegenheit, denn Kero gebraucht slaff figürlich für unlustig, Widerwillen, Ekel empfindend, und Slaffy für Unlust; eine sehr schickliche Figur, weil Unlust nichts anders ist, als ein Mangel der Spannung in den begehrenden Kräften.


Schlaffen (W3) [Adelung]


Schlaffen, verb. reg. neutr. schlaff werden, welches aber nur in dem zusammen gesetzten erschlaffen üblich ist, S. dasselbe.


Schlaffheit (W3) [Adelung]


Die Schlaffheit, plur. inus. die Eigenschaft, der Zustand eines Dinges, da es schlaff ist, so wohl im eigentlichen, als figürlichen Verstande. Schon Willeram gebraucht Slafheit für Trägheit, und Kero Slaffy für Unlust.


Schlaffieber (W3) [Adelung]


Das Schlaffieber, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. ein Fieber, welches mit einer abwechselnden unnatürlichen Neigung zum Schlafe verbunden ist; Febris soporosa.


Schlafgänger (W3) [Adelung]


Der Schlafgänger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schlafgängerinn, eine Person, welche im Schlafe herum gehet, und allerley Handlungen verrichtet; wofür doch das Wort Nachtwanderer üblicher ist.


Schlafgeld (W3) [Adelung]


Das Schlafgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches man die Übernachtung an einem Orte bezahlet, besonders in den Herbergen.


Schlafgesell (W3) [Adelung]


Der Schlafgesell, des -en, plur. die -en, in der vertraulichen Sprechart, eine Person, welche mit einer andern in einem und eben demselben Bette schläft, von beyden Geschlechtern; der Schlaf-Camerad.


Schlafhaube (W3) [Adelung]


Die Schlafhaube, plur. die -n, eine Haube des weiblichen Geschlechts, darin zu schlafen.


Schlafhaus (W3) [Adelung]


Das Schlafhaus, des -es, plur. die -häuser, in einigen Oberdeutschen Gegenden, eine Art Herbergen, in welchen Reisende für Bezahlung übernachten können.


Schlafkammer (W3) [Adelung]


Die Schlafkammer, plur. die -n, eine Kammer, worin man schläft.


Schlafkrankheit (W3) [Adelung]


Die Schlafkrankheit, plur. doch nur von mehrern Arten, die -en, Schlafsucht.


Schlafkraut (W3) [Adelung]


Das Schlafkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des schwarzen Nachtschattens, Solanum nigrum L. In andern führet das Bilsenkraut, Hyoscyamus niger L. und in noch andern die Tollkirsche, Atropa Belladonna L. deren Beeren auch unter dem Nahmen der Schlafbeeren bekannt sind, diesen Nahmen; alle wegen ihrer betäubenden, Schlaf machenden Kraft.


Schlafkunz (W3) [Adelung]


Der Schlafkunz, des -es, plur. die -e, S. Schlafapfel.


Schlaflilie (W3) [Adelung]


Die Schlaflilie, (viersylbig,) plur. die -n, ein Nahme der Asphodill-Lilien, deren Geruch Neigung zum Schlaf erwecken soll.


Schlaflos (W3) [Adelung]


Schlaflos, -er, -este, adj. et adv. des Schlafes beraubt, Mangel an der nöthigen Neigung zum Schlaf habend. Die Nacht schlaflos zubringen. Viele schlaflose Nächte haben. Schon bey dem Willeram slaffeloso.


Schlaflosigkeit (W3) [Adelung]


Die Schlaflosigkeit, plur. inus. der Zustand, da man nicht schlafen kann, die Nacht schlaflos zubringet.


Schlaf-Mithridat (W3) [Adelung]


Der "Schlaf-Mithridat", des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in einigen Gegenden, ein absorbirendes Kinder-Pulver mit Mohnsyrup und Kornblumen-Conserve zu einer "Latwerge" vermischt, den Schlaf der Kinder zu befördern; "Kinder-Latwerge".


Schlafmittel (W3) [Adelung]


Das Schlafmittel, des -s, plur. ut nom. sing. ein jedes Mittel, den Schlaf zu befördern.


Schlafmütze (W3) [Adelung]


Die Schlafmütze, plur. die -n, eine Mütze des männlichen Geschlechtes, darin zu schlafen; die Nachtmütze. Figürlich, eine träge, schläferige Person.


Schlafratz (W3) [Adelung]


Der "Schlafratz", des -es, plur. die -e, ein Nahme des "Murmelthieres", oder wohl auch der "Haselmaus", welche beyde Thiere wegen ihres langen Winterschlafes bekannt sind; daher man auch wohl einen Menschen, der eine ungewöhnliche Begierde zum Schlafen hat, mit diesem Nahmen zu belegen pflegt. Siehe der "Ratz".


Schläfrig (W3) [Adelung]


Schläfrig, S. Schläferig.


Schlafrock (W3) [Adelung]


Der Schlafrock, des -es, plur. die -röcke, eine Art langer, weiter aber leichter Kleidung in Gestalt eines Mantels mit Ärmeln, deren sich das männliche Geschlecht bey dem Schlafengehen zur Bequemlichkeit bedienet; der Schlafpelz, besonders wenn er mit Pelzwerk oder auf ähnliche Art zur Wärme gefüttert ist.


Schlafsessel (W3) [Adelung]


Der Schlafsessel, des -s, plur. ut nom. sing. ein bequemer Sessel, bey Tage darauf zu schlafen; der Schlafstuhl. Auch der Sopha ist von einigen Schlafsessel genannt worden.


Schlafstelle (W3) [Adelung]


Die Schlafstelle, plur. die -n, die Stelle, der Platz, wo man schläft.


Schlafstube (W3) [Adelung]


Die Schlafstube, plur. die -n, eine Stube, worin man schläft.


Schlafsucht (W3) [Adelung]


Die Schlafsucht, plur. car. die ungeordnete und anhaltende Begierde unaufhörlich zu schlafen, besonders so fern sie die Folge einer körperlichen Krankheit ist. Auch wohl figürlich von einem hohen und anhaltenden Grade der Trägheit des Geistes, von einem hohen Grade des Mangels der Thätigkeit in dem Erkennungs- oder Begehrungsvermögen.


Schlafsüchtig (W3) [Adelung]


Schlafsüchtig, -er, -ste, adj. et adv. mit der Schlafsucht behastet, darin gegründet; so wohl eigentlich als figürlich.


Schlaftrank (W3) [Adelung]


Der Schlaftrank, des -es, plur. die -tränke, ein Schlafmittel in Gestalt eines Trankes, ein Trank, welcher Schlaf macht.


Schlaftrunk (W3) [Adelung]


Der Schlaftrunk, des -es, plur. die -trünke, ein Trunk, welchen man vor dem Schlafengehen thut, und das dazu bestimmte Getränk. Dieses und das vorige Wort werden in gemeinen Leben häufig mir einander verwechselt.


Schlaftrunken (W3) [Adelung]


Schlaftrunken, -er, -ste, adj. et adv. vom Schlafe gleichsam betrunken, vor Neigung zum Schlafe sich seiner und anderer Dinge nicht deutlich bewußt.


Schlafzeit (W3) [Adelung]


Die Schlafzeit, plur. inus. die Zeit, da man gewöhnlich schlafen zu gehen pflegt.


Schlafzimmer (W3) [Adelung]


Das Schlafzimmer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Zimmer, in welchem man schläft.


Schlag (W3) [Adelung]


Der Schlag, des -es, plur. die Schläge, von dem Zeitworte schlagen. 1. Zunächst der mit dem Schlagen verbundene eigenthümliche Laut oder Schall. 1) Eigentlich. Es that einen Schlag, sagt man noch seht häufig von gewissen schnellen und heftigen Arten des Schalles, dergleichen z. B. des Donners, der Knall einer Büchse ist. ( S. Donnerschlag.) Ein kalter Schlag, im gemeinen Leben, ein Blitz, welcher schmettert oder knallet, aber nicht zündet, zum Unterschiede von einem heißen Schlag. Eine Büchse hat einen guten Schlag, wenn sie gut knallet. Von einer andern Art ist der Schlag gewisser Sangvögel, d. i. ihr Gesang, und die Art und Weise, wie sie singen; wo doch singen und schlagen nicht einerley sind, so wenig als die dadurch bezeichnete Töne einerley sind. Der Schlag der Wachtel, der Nachtigall, der Lerche, des Finken u. s. f. ihre Art und Weise zu schlagen; wo der Plural ungewöhnlich ist. Dahin gehöret auch in der Musik der Vorschlag und Nachschlag. S. diese Wörter. 2) In weiterer Bedeutung, oder vielmehr in der ersten und nächsten Figur des Schalles, ist der Schlag die Handlung des Schlagens. (a) Von dem Neutro schlagen. aa) In dessen mehr eigentlichen Bedeutung. Der Schlag einer Uhr, das Anzeigen der Zeittheile durch Schlagen an eine Glocke. Mit dem Schlage sechs da seyn, gerade in dem Augenblicke, wenn es sechs schläget. Er kam gleich nach dem Schlage, nachdem es geschlagen hatte. Es ist auf dem Schlage vier, es wird den Augenblick vier schlagen. Wenn bloß die Handlung als ein Abstractum bezeichnet wird, so ist der Plural ungewöhnlich; nicht aber von einzelnen Schlägen. Die Uhr thut in der Nacht eilf Schläge, Lichtw. sie schlägt eilf. Der Schlag des Herzens, des Pulses. Der Puls thut in einer Minute funfzig Schläge. Ingleichen ein heftiger mit dem diesem Worte eigenthümlichen Laute verbundener Fall. Einen Schlag thun, hinschlagen. bb) Figürlich, von schlagen, so fern es das Gerathen in einen Zustand bedeutet, ist Schlag noch sehr häufig die Art, Gattung eines Dinges, und in weiterer Bedeutung, dessen Beschaffenheit, wo der Plural ungewöhnlich ist; Nieders. Slag, Schwed. Slag. Leute von Einem Schlage, von einer Art oder Beschaffenheit. Die Mohren sind ein ganz anderer Schlag von Menschen, als die Europäer. Er kommt wieder auf den alten Schlag, auf die alte Art und Weise zu handeln. Menschen von diesem Schlage scheint die Abneigung gegen die Gesellschaft eine Thorheit zu seyn, Zimmerm. Die Fürsten sind ein Schlag von Leuten, Der selten kaum erträglich fällt, Göcking. Das ist auf den Schlag, wie sie es gern höret. Der Mittelschlag, die Mittelgattung. ( S. Geschlecht.) Das bey den Mahlern übliche Baumschlag scheinet gleichfalls hierher zu gehören, indem dieses doch nichts anders bedeutet, als die Art und Weise, die Bäume, und besonders das Laubwerk derselben auszudrucken und zu mahlen, wo jeder Mahler seine eigene Manier hat. Dahin gehören vermuthlich auch einige Zusammensetzungen, wo es figürlich ein Concretum bedeutet, was etwas von einer gewissen Art an sich hat. Ein gewisser röthlicher Eisenstein heißt in den Kupfergruben so wohl Lebererz als Leberschlag. Eine röthlich braune Blende wird daselbst Rothschlag genannt. cc) Andere Bedeutungen nach andern Figuren hat es in den Zusammensetzungen Anschlag, Rathschlag, Kaufschlag, der Ausschlag einer Sache, die Art und Weise, wie sie sich endiget u. s. f. S. diese Wörter, ingleichen Schlagen. (b) Von dem Activo schlagen. aa) Diejenige heftige und schnelle Bewegung eines Körpers wider den andern, welche durch das Zeitwort ausgedruckt und nachgeahmet wird. Ein Schlag mit dem Hammer, mit dem Stocke, mit der Hand. Drey Schläge mit dem Hammer thun. Schlag auf Schlag. Im Plural bedeutet es sehr häufig dergleichen Schläge zur Züchtigung. Jemanden Schläge geben, Schläge verdienen. Nach Schlägen ringen. Wiederhohlte Schläge des Schicksals, figürlich, wiederhohlte Unglücksfälle. Im Schwabenspiegel ist Slak ein Unglück. In einigen Fällen bedeutet es figürlich die Tödtung vermittelst eines Schlages; besonders in den Zusammensetzungen Geyerschlag und Hundeschlag. bb) Die auch unter dem Nahmen des Schlagflusses bekannte gefährliche Krankheit, wird häufig nur der Schlag schlechthin genannt, wo zugleich der Plural ungewöhnlich ist. Von dem Schlage gerühret, getroffen werden. Der halbe Schlag, die Lähmung auf Einer Seite; Hemiplexia. ( S. Schlagfluß.) Im Pohln. und Böhm. Szlak, Slak. Der Grund der Benennung scheinet in dem plötzlichen und heftigen Anfalle dieser Krankheit zu liegen, nach dem Muster des Griech. Apoplexia, welches gleichfalls von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schlagen, herstammet; Ital. Percossia. So fern schlagen ehedem auch für tödten gebraucht wurde, kann Schlag auch einen plötzlichen Tod überhaupt bedeuten, wenigstens wird in dem Schwabenspiegel Slack von der Pest gebraucht. Ehedem nannte man diese Krankheit den Tropf, ohne Zweifel von treffen, ingleichen die Perle. Im Niedersächsischen heißt sie die Röhringe und Popelste, welches letztere aus Apoplexia verderbt ist. Die Lähmung ist nur eine gelindere Art des Schlages. cc) In der Seefahrt wird der Lauf eines Schiffes von einer Wendung zur andern im Laviren ein Schlag genannt, von schlagen, für schnell wenden. Kurze Schläge, lange Schläge machen. Mit Schlägen laufen, laviren, d. i. bey widrigem Winde nach Richtungen laufen, welche den Fahrtstrich nach Winkeln durchschneiden, anstatt geradeaus zu gehen, in einem Zickzack mit spitzigen Winkeln fahren. 2. Ein Werkzeug, womit man schlägt. So wird wenigstens bey den Fischern der Schwanz der Fische der Schlag genannt. 3. Was geschlagen wird, ingleichen was durch Schlagen hervor gebracht wird, in verschiedenen einzelnen Fällen. 1) Was geschlagen wird. Dahin gehöret der Einschlag der Weber, oder dasjenige Garn, welches vermittelst des Schlages mit dem Aufzuge verbunden wird; der Einschlag der Weinhändler, was in den Wein zu dessen Verbesserung geschlagen oder gethan wird, und andere Zusammensetzungen mehr. In den Niederdeutschen Marschländern ist der Deichschlag oder Schlag schlechthin, derjenige Theil eines Deiches, welcher jemanden zur Unterhaltung zugeschlagen oder angewiesen ist, welchen er im baulichen Stande erhalten muß. S. Deichschlag. 2) Was durch Schlagen hervor gebracht wird. Der Hammerschlag oder Eisenschlag, was im Schmieden des Eisens von demselben abspringet. Das Gepräge einer Münze wird noch häufig der Schlag genannt; wo der Plural ungewöhnlich ist. Geld von einerley Schlage, Gepräge. Auch das Zeichen, welches manche Arbeiter auf ihre Waaren zu schlagen pflegen, ist unter diesem Nahmen bekannt. In der Musik ist der Schlag das vermittelst eines Schlages mit der Hand angedeutete Zeitmaß; der Tact. Ein ganzer Schlag, ein ganzer Tact. ( S. Doppelschlag.) Der Hufschlag ist die Spur eines Hufes in der Erde, die Fußstapfen eines Pferdes, und im Niedersächsischen wird das Geleise der Pickerslag genannt, von Picker, ein Frachtwagen. Bey den Müllern sind Schläge die Rinnen, welche in den Mühlstein gehauen werden. Tiefe Wunden, welche ein wildes Schwein schläget, sind bey den Jägern unter dem Nahmen der Schläge bekannt. Ja es werden allerley Gräben, Öffnungen u. s. f. in vielen Fällen Schläge genannt. In Franken heißen die breiten Gräben am Ende der Weinberge, worin man das abschießende Wasser auffängt, Schläge. Im Bergbaue ist der Querschlag eine Öffnung, welche in die Quere geführet wird. Schlacht in Boxhorns Glossen für Gurgel, und unser Schlucht sind damit nahe verwandt. Dahin scheint auch das Niederdeutsche Wort Schlag zu gehören, wenn es bey dem Torfgraben in Morästen ein Maß des ausgestochenen Torfes bezeichnet, wo es eine Fläche von 32 Fuß lang und 8 Fuß breit bezeichnet, so daß die Torfstücken zwar aufrecht, aber doch schräge gegen einander gelehnt, zu stehen kommen, welches in Schläge setzen genannt wird. Acht Schläge machen ein Tagewerk, welches also 2048 Quadrat-Fuß oder 8192 Torfe oder Stücken Torfes enthält. Indessen kann hier auch die folgende Bedeutung einer Fläche Statt finden. 3) Der Ort, wo geschlagen wird, oder wo geschlagen worden. So wird im Forstwesen ein abgeholzter Platz, auf welchem das Holz ausgeschlagen worden, ein Schlag genannt. Eben daselbst ist der Schlag auch derjenige Theil eines Waldes, in welchem Holz geschlagen wird, oder geschlagen werden soll, und der auch das Gehau, der Hau, der Holzschlag genannt wird. 4) Dasjenige was schlägt, in mehrern eigentlichen und figürlichen Bedeutungen des Neutrius schlagen. Von schlagen, knallen, ist in der Feuerwerkskunst der Schlag derjenige Satz an den Racketen u. s. f. welcher bey seiner Entzündung den Schlag oder Knall verursacht. Von schlagen, plötzlich niederfallen, wird ein Schlagbaum, ingleichen ein Querbaum vor den Wegen, eine Fallthür vor den Taubenhäusern u. s. f. noch häufig ein Schlag genannt, welche Benennung denn auch ein mit einem solchen Schlage versehenes Behältniß bekommt. In Dresden haben die Vorstädten keine Thore, sondern nur Schläge. Der Taubenschlag, eine mit einer Fallthür versehene Wohnung der Tauben; der Meisenschlag, ein mit einer Fallthür versehener kleiner Kasten, Meisen darin zu fangen u. s. f. Die Thür in den Kutschen, besonders in den großen Landkutschen führet auch noch den Nahmen eines Schlages; in dem Schlage sitzen. Vermuthlich, weil sie ehedem die Gestalt einer Fallthür hatte. Indessen findet in den meisten dieser Fälle auch die vorige zweyte Bedeutung einer Öffnung Statt. Von schlagen, hervor sprossen, ist der Ausschlag bekannt, siehe dasselbe. 5) In der Landwirthschaft wird eine Reihe mehrerer neben einander liegender Äcker häufig ein Schlag genannt. Die besten Schläge. In Niedersachsen sind die Bienenschläge, Außenschläge, Koppelschläge u. s. f. bekannt. Der Acker liegt in drey Schlägen. Vielleicht verstehet man hierunter zunächst dasjenige, was man in dem Hochdeutschen Feldbaue die Ahrt oder Art nennet, in welchem Falle es zu dem obigen Schlag, Geschlecht, Gattung, Art und Weise, gehören würde. Allein es kann auch die Bedeutung einer ebenen ausgedehnten Fläche Statt finden, weil schlagen auch sich in die Länge und Breite ausdehnen bedeuten kann. Ohne Zischlaut ist im Lettischen Laukas das Feld, im Esthnischen Laks und im Finnischen Laako ein Thal, wovon die beyden letztern zu Schlag, ein Graben, und Schlucht, das erste aber zu Lage und dessen Familie gehören. Anm. Bey dem Ulphilas Slaha, bey dem Ottfried Slag, im Schwed. und Nieders. Slag, im Angels. Slaege. S. Schlagen.


Schlagader (W3) [Adelung]


Die Schlagader, plur. die -n, S. Pulsader.


Schlagbalsam (W3) [Adelung]


Der Schlagbalsam, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein Arzeneymittel wider den Schlag in Gestalt eines Balsames, welcher in einer Vermischung von Muskatennußöhl, Zimmetöhl, Nelkenöhl, Majoranöhl, Rosmarinöhl, Rautenöhl und Bernsteinöhl bestehet, wozu, wenn er vollkommen heißen soll, noch Bisam, Zibeth und Ambra gesetzt wird; Balsamum apoplecticum.


Schlagbar (W3) [Adelung]


Schlagbar, -er, -ste, adj. et adv. was geschlagen werden kann, doch nur in einigen Fällen des Zeitwortes. So ist im Forstwesen ein schlagbares Holz, eine mit Holz bewachsene Gegend, welche mit Nutzen geschlagen werden kann; haubar. Ein schlagbarer Baum, welcher mit Nutzen gefället werden kann.


Schlagbauer (W3) [Adelung]


Der Schlagbauer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Bauer, d. i. Vogelhaus, mit einer oder mehrern Schlag- oder Fallthüren, Vögel darin zu fangen.


Schlagbaum (W3) [Adelung]


Der Schlagbaum, des -es, plur. die -bäume. 1) Eigentlich, ein Baum oder starkes Holz an den Fallen der Raubthiere, welcher bey der geringsten Berührung dem Thiere auf den Hals schlägt und dasselbe fängt. 2) Ein um einen Punct beweglicher Baum oder Balken, Wege, Thore u. s. f. damit für Pferde und Wagen zu versperren; der Sperrbaum. Er wird, wenn er sperren soll, entweder von oben nieder gezogen, oder auch in horizontaler Richtung gedrehet, welche letztere man an Feldwegen anzubringen und auch nur Schläge schlechthin zu nennen pflegt.


Schlagbohrer (W3) [Adelung]


Der Schlagbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Eisen in Gestalt eines Hammers mit einer langen verstählten Spitze, auf welches man mit einem Hammer schläget, die Löcher zu den Haspen und Haken der Thüren damit zu machen.


Schlagbrücke (W3) [Adelung]


Die Schlagbrücke, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Zugbrücken, welche man auf und nieder lassen kann.


Schlagbrunnen (W3) [Adelung]


Der Schlagbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Fontanell 2.


Schlage (W3) [Adelung]


Die Schlage, plur. die -n, ein Werkzeug zum Schlagen, so wie Schlägel, welches nur im Endlaute unterschieden ist. So werden die großen Hämmer der Schlösser, welche mit beyden Händen geführet werden, Schlagen genannt, wohin die Vorschlage und Kreuzschlage gehören. Die Holzschlage, ein großer hölzerner Hammer, die Keile bey dem Holzspalten damit einzutreiben u. s. f. der Schlägel, Schwed. Slägga.


Schlägebäuchig (W3) [Adelung]


Schlägebäuchig, adj. et adv. 1) Ein niedriges, nur in einigen Gegenden übliches Wort, welches indessen Opitz in einem sehr ernsthaften Zusammenhange gebraucht: Man wird nun nicht mehr schauen Der Tochter Zion Schmuck, wie Widder nach den Auen Ganz matt und hungrig seyn und schlägebäuchig ziehn; mit eingeschlagen, d. i. eingefallenen, oder auch vor Hunger schlagenden Bäuchen. 2) Von den Pferden, S. Herzschlächtig.


Schlägefaul (W3) [Adelung]


Schlägefaul, adj. et adv. gegen die Schläge abgehärtet; ein nicht überall bekanntes Wort. Ein Mensch, der öfters wird mit Prügeln übergangen, Wird endlich schlägefaul, Opitz. S. Faul.


Schlageisen (W3) [Adelung]


Das Schlageisen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein eisernes Werkzeug, damit zu schlagen, oder darauf zu schlagen; doch nur in einigen einzelnen Fällen. So wird das Waldhammer, womit die Förster die Bäume zeichnen, welche gefället werden sollen, in einigen Gegenden das Schlageisen genannt. Das Schlageisen der Mäurer dienet zum Zerrühren des Kalkes. Bey den Steinmetzen ist es ein eiserner Meißel mit einer breiten geraden Schneide. Auch die Seiler haben ein eisernes Werkzeug, welches diesen Nahmen führet. 2) An den Kutschen ist das Schlageisen ein Stück Eisen, welches in die Zähne der Räder, worauf die Riemen gehen, schlägt oder fällt, um sie fest zu halten.


Schlägel (W3) [Adelung]


Der Schlägel, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte schlagen und der Ableitungssylbe -el, ein Subject, ingleichen ein Werkzeug. 1) Ein schlagendes Ding, in welchem Verstande der Blutfink oder Dompfaff in einigen Gegenden Rothschlägel genannt wird; wo Schlägel für Schlager stehet, von schlagen, eine Art des Singens. 2) Der Ort, wo geschlagen wird; eine seltene, nur im Bergbaue übliche Bedeutung, wo der Ort in der Grube, wo der Bergmann auf dem Gestein arbeitet, der Schlägel genannt wird. Den Schlägel behauen oder auf dem Schlägel arbeiten, vor Ort auf dem Gesteine arbeiten. Der Schlägel ist bauwürdig, wenn gute Anbrüche vor Ort vorhanden sind. Der Schlägelgesell, welcher mit einem Bergmanne an einem und eben demselben Orte in der Grube arbeitet. 3) Was geschlagen wird; nur in einigen wenigen Fällen. So wird der Zapfen in den Fischteichen, vermittelst dessen das Wasser abgelassen wird, der Schlägel genannt. Vermuthlich gehöret hierher auch der Haubenschlägel, d. i. ein Streifen Barchent an den Kopfzeugen, auf welchem das Vordergesteck angebracht wird, vielleicht weil er ein- oder umgeschlagen wird, wenn hier nicht die Bedeutung eines Streifens, oder der Ausdehnung in die Länge zum Grunde liegt. 4) Ein Werkzeug zum Schlagen, wo es in manchen Fällen für Hammer gebraucht wird, in manchen Fällen aber noch ein verschiedenes, obgleich ähnliches Werkzeug ist. Im Bergbaue werden so wohl der Handfäustel als der größere Päuschel, Schlägel genannt. Hölzerne Hämmer von verschiedener Größe führen bey mehrern Arten von Arbeiten den Nahmen der Schlägel, der auch der Pochheye oder Handkeule der Böttcher eigen ist. Winsbeck nennt auch den Dreschflegel Slegel. 5) Die hintere Keule eines geschlachteten vierfüßigen Thieres. Ein Kalbsschlägel, Rehschlägel, Schöpsenschlägel u. s. f. Entweder, wir die gleichbedeutenden Hamme, Hammer, Keule u. s. f. wegen einer Ähnlichkeit mit einem Schlägel oder einer Handkeule, oder auch so wie Schenkel unmittelbar von der Ausdehnung in die Dicke. Ohne Zischlaut und Endsylbe ist im Englischen Leg der Schenkel.


Schlägeleisen (W3) [Adelung]


Das Schlägeleisen, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein drey Ellen langes, vorn zugespitztes Eisen, die Bühnen, Stühle und Ofenbrüche damit loszubrechen. Etwa von schlagen, schlägeln, so fern es auch stoßen und brechen bedeutet?


Schlägelfisch (W3) [Adelung]


Der Schlägelfisch, des -es, plur. die -e, ein Nahme desjenigen Seefisches, welcher noch häufiger Hammerfisch genannt wird, Squalus Zygaena L. wegen der Ähnlichkeit seines Kopfes mit einem Schlägel oder Hammer. S. Hammerfisch.


Schlägelgesell (W3) [Adelung]


Der Schlägelgesell, des -en, plur. die -en, S. Schlägel 2.


Schlägelgrube (W3) [Adelung]


Die Schlägelgrube, plur. die -n, der tiefste Ort in einem Fischteiche, wo sich der Schlägel, d. i. der Zapfen und Ablaß, befindet; das Fischloch, der Kessel.


Schlägelmilch (W3) [Adelung]


Die Schlägelmilch, plur. car. in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Nahme der Buttermilch, weil die Butter durch Schlagen von derselben geschieden worden.


Schlägeln (W3) [Adelung]


Schlägeln, verb. reg. welches das Iterativum von schlagen ist, und in einer doppelten Gestalt vorkommt. 1. Als ein Activum, von dem Activo schlagen, in welcher Gestalt es doch nur hin und wieder in einigen Fällen, besonders in einigen Zusammensetzungen, vorkommt. So ist bey den Steinschleifern einen Stein ausschlägeln, ihn hohl schleifen, wo es von schlagen, sich im Kreise, in die Tiefe bewegen, gebildet zu seyn scheinet. 2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, hinken, lahm gehen. 1) Eigentlich, in welchem Verstande es noch bey den Jägern üblich ist, wo der Hirsch schlägelt, wenn er mit dem hintern Schenkel lahm gehet, wenn er schlägellahm geschossen worden. Es stammet hier wohl nicht von dem Hauptworte Schlägel ab, sondern scheinet vielmehr von schlagen, stark wanken, das Iterativum zu seyn, stark hin und her wanken, wackeln. ( S. Schläks.) 2) Figürlich, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart, aus Unvorsichtigkeit oder Unbesonnenheit fehlen, einen groben Fehlen begehen; vermuthlich von schlagen, plump hinfallen, so daß schlägeln eigentlich aus Unbesonnenheit mehrmahls fallen bedeuten würde. Auf ähnliche Art sind für schlägeln in diesem Verstande, auch stolpern, pudeln u. s. f. üblich. So auch das Schlägeln.


Schlagen (W3) [Adelung]


Schlagen, verb. irreg. ich schlage, du schlägst, er schlägt; Imperf. ich schlug, Conj. schlüge; Mittelw. geschlagen; Imperat. schlage, schlag. Es ist seiner Natur nach eine unmittelbare Onomatopöie, welchen einen Laut, der aus einer schnellen und heftigen Bewegung entstehet, genau nachahmet, und in allen den Fällen gebraucht wird, welche mit einem solchen Laute verbunden sind, oder doch zuerst damit verbunden waren, und unter demselben gedacht werden; daher denn die vielfachen, dem Anscheine nach so verschiedenen Bedeutungen rühren. Der Form nach ist es ein Intensivum von lagen, legen, welches die meisten Veränderungen dieses Zeitwortes, doch in einem schwächern Grade ausdruckt, wo die Intension durch den vorgesetzten Zischlaut angedeutet wird. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, den dem Worte schlagen eigenthümlichen Laut aus sich hervor bringen, oder von sich geben. Da dabey verschiedene Grade der eigenen Thätigkeit oder des leidenden Verhaltens Statt finden, so wird es hier bald mit dem Hülfsworte seyn, bald auch mit dem Hülfsworte haben gebraucht. 1. Mit dem Hülfsworte seyn, wo die Veräderung mehr leidend ist. 1) Heftig und schnell fallen, mit einer Heftigkeit und Schnellkraft an ein anderes Ding beweget werden; wo immer auf den eigenthümlichen Laut gesehen wird, der es von fallen, stoßen, springen u. s. f. unterscheidet, daher schlagen nur von Körpern von gewisser beträchtlicher Länge und Breite gebraucht wird, wenn sie plötzlich und mit Heftigkeit gegen einen andern Körper beweget werden, so daß der damit verbundene Laut dem Worte Schlag gleich kommt. Hinschlagen, niederschlagen, plötzlich zu Boden fallen. Das Kind ist mit dem Kopfe auf einen Stein, an die Wand geschlagen. Der Baum ist zurück geschlagen, wenn er durch seine eigene Schwere oder Schnellkraft plötzlich und mit Gewalt zurück getrieben wird. 2) In weiterer Bedeutung mit Heftigkeit und Gewalt beweget werden. Das Wasser schlug ihm über den Kopf zusammen. Die Lohe, die Flamme schlägt in die Höhe. Und über die ehernen Säulen Schlug ein schweflichter Dampf mit blauen Flammen vermischet, Zachar. Der Wind schlägt in die Segel, wo aber auch, wenn man sich mehr eigene Thätigkeit dabey gedenkt, das Hülfswort haben Statt findet. Die Wellen schlagen in das Schiff. Man hat Spuren, daß es ehedem auch von einer schnellen Bewegung oder Ausdehnung in die Länge und Breite gebraucht worden, von welcher Bedeutung ohne Zweifel noch das Hauptwort Schlag abstammet, wenn es von einer an einander hangende Fläche gebraucht wird. ( S. dasselbe.) Vermuthlich gehöret dahin auch die im gemeinen Leben übliche R. A. den ganzen geschlagenen Tag, d. i. den ganzen Tag seiner völligen Dauer und Ausdehnung nach. Ingleichen von einer Bewegung in die Ründe. Daher ist bey dem Frischlin Schlägelin ein Kranz, Ring, und bey dem Pictorius Schlägel eine Gasterey, welche im Kreise herum gehet; ein Kränzchen. Wie auch in die Tiefe, wovon Schlag, ein Graben, Schlucht u. a. m. abstammen. 3) Oft verliert sich der Begriff der Heftigkeit, und da wird dieses Zeitwort figürlich sehr häufig von gewissen schnellen Veränderungen gebraucht, deren Mechanismum man nicht einsiehet, oder doch damahls nicht einsahe, als man sie durch dieses Zeitworte auszudrucken anfing. Die Tinte schlägt durch, wenn sie schnell auf der andern Seite des Papieres sichtbar wird. Die Bäume schlagen aus, die Blattern schlagen ein, mit Schimmel beschlagen, das Bier schlägt um, die Arzeney schlägt an, und so in andern Zusammensetzungen mehr. Das Korn schlägt in die Höhe, ist in die Höhe geschlagen, steigt plötzlich im Preise; der Gegensatz ist fallen. Die Sache ist fehlgeschlagen, nicht hat, wie von vielen geschiehet. Eine Person ist aus der Art geschlagen, wenn sie ihre natürliche oder gehörige Beschaffenheit plötzlich verloren hat. ( S. Schlag, Schlachten, Geschlecht, welche beyden letzten Intensiva davon sind.) Dieß schlägt nicht in mein Fach, gehört nicht hinein. Der Dampf ist mir auf die Brust geschlagen, wo man auch fallen gebraucht. Der Frost schlägt mir in die Glieder. Es ist ein Fieber dazu geschlagen. Der kalte Brand ist dazu geschlagen. Es könnte noch ein anderes Unglück dazu schlagen. 2. Mit dem Hülfsworte haben, in solchen Fällen, wo mehr eigene Thätigkeit und Mitwirkung Statt findet, welche Form denn die Verbindung mit dem folgenden Activo ausmacht. Es bedeutet hier eigentlich, den diesem Zeitworte eigenthümlichen Laut hervor bringen, und nach der ersten und nächsten Figur solche Handlungen vollbringen, welche mit diesem Laute verbunden sind. Es wird hier von mehrern Arten der Laute gebraucht. 1) Als ein mit Knallen gleichbedeutendes Wort. Eine Büchse schlägt stark, oder führt einen guten Schlag, wenn sie gut knallt. Es that einen heftigen Schlag, sagt man von einem heftigen Knall des Donners, oder Donnerschlage. Der Donner schlägt in ein Haus, wenn der Blitzstrahl mit einem Schlage in dasselbe fähret. So auch in den Zusammensetzungen einschlagen und erschlagen, so fern sie von dem Donner oder Blitze gebraucht werden. 2) Von anderer Art ist der Schlag oder das Schlagen der Vögel, welches eine Art des Gesanges ist, der doch von dem Singen, Schmettern u. s. f. noch unterschieden werden muß. Die Wachtel, die Nachtigall, der Fink, die Lerche, der Canarien-Vogel schlagen. Im innersten dicken Gehölze Schlägt der schmetternde Fink ans hangenden Buchen, Zachar. Die Taube lacht und girret, die Wachtel schlägt, Haged. 3) Auch die Hunde schlagen, wenn sie bellen, wenigstens wird es in dem bey den Jägern üblichen anschlagen von dem laut werden der Jagdhunde in diesem Verstande gebraucht. Ja man hat Spuren, daß es ehedem auch von gewissen Arten der menschlichen Stimme gebraucht worden, wenigstens leiden das veraltete kaufschlagen, durch Worte handeln, und rathschlagen diese Erklärung. 4) Wenn sich ein Körper plötzlich und heftig gegen den andern bewegt, so daß der Laut entstehet, welcher diesem Zeitworte eigen ist, so schlägt er. (a) Eigentlich. Das Hämmern schlägt ihm die Ohren voll, Sir. 38, 30; welche Stelle ein deutlicher Beweis ist, daß mit diesem Worte zunächst auf den Schall gesehen wird. Die Wellen schlagen an das Schiff. Der Wind schlägt in die Segel. (b) Figürlich. aa) Durch Schlagen andeuten. Die Uhr schlägt, deutet durch ihren Schlag die Zeit an. Es hat sechs geschlagen. Es wird bald neun schlagen. Wie viel hat es geschlagen? Es nähert sich hier sehr dem Activo; indessen wird es doch niemahls im Passivo gebracht. bb) Sich heftig bewegen, wo sich die Onomatopöie nach und nach verlieret und der bloße Begriff der Bewegung übrig bleibt. In diesem Verstande sagt man, der Puls schlägt, das Herz schlägt. O wie fing nunmehr ihr Herz an zu schlagen! Ja fühle, wie mir bey seinem Nahmen das Herz schlägt, Weiße. Dieß Herz, das so sanft schlägt. Er, dessen edle Brust für mich voll Liebe schlug, Weiße. Nach einer noch weitern Figur. Das Herz schlug David, 2 Sam 24, 10; vor Unruhe, Gewissensangst. Das Gewissen schlägt ihm, wenn es erwacht; wo viele es unrichtig mit der vierten Endung vebinden, in welchem Falle es das folgende Activum seyn würde, welches es doch nicht seyn kann, weil man nicht sagt, von dem Gewissen geschlagen werden. cc) Nach noch weitern Figuren wird es verschiedenen besondern Redensarten gebraucht, wo zunächst auch nur eine schnelle Bewegung angedeutet werden soll. In sich schlagen, seinen Zustand, und besonders sein Unrecht lebhaft erkennen, eigentlich schnell in sich zurück kehren; wo aber auch wohl das Hülfswort seyn Statt finden könnte, je nachdem man mehr oder weniger eigene Thätigkeit dabey voraus setzt. Da David den Zipfel Sauls hatte abgeschnitten, schlug er in sich, 1 Sam. 24, 6. Den Blick zur Erde schlagen, schnell zur Erde richten; wo es zwar die vierte Endung bey sich hat, aber als ein Neutrum angesehen werden kann, weil man nicht sagen wird, der Blick wird zur Erde geschlagen. Allein das Reciprocum sich schlagen für wenden, richten, wird mit mehrerm Rechte zum Activo gerechnet, ( S. dasselbe.) Wurzeln schlagen, treiben, bekommen. O Liebe, wie tief hat dein Same Wurzel geschlagen! Weiße. Im Niedersächsischen bedeutet schlagen auch achten, aufmerken, nach einer sehr gewöhnlichen Figur, nach welcher die meisten Wirkungen des Geistes von der Bewegung entlehnet sind. Nicht auf eine Sache schlagen, d. i. achten. Unser Anschlag und überschlagen, überrechnen, überdenken, scheinen noch davon herzustammen. II. Als ein Activum. 1. Einen Körper von einer gewissen Länge und Breite mit solcher Geschwindigkeit und Heftigkeit gegen den andern bewegen, daß der dem Worte schlagen eigenthümliche Schall entstehe. 1) Eigentlich. Mit dem Hammer an die Thür schlagen. Mit dem Stabe in das Wasser schlagen. Die Hände über dem Kopfe zusammen schlagen. Die Arme, die Hände in einander schlagen. Sich an die Brust schlagen. An die Glocke schlagen. In Stücke schlagen. Mit dem Schwerte darein schlagen. Etwas zu Boden schlagen. Und so von sehr vielen Handlungen, welche mit einem Schlagen verbunden sind. Einen Schuh über den Leisten, einen Pfahl in die Erde, einen Nagel in die Wand schlagen. Der Buchbinder schlägt die Bücher, der Weber das Tuch im Weben, der Wollkämmer die Wolle, der Ballspieler den Ball. In einigen Oberdeutschen Gegenden schlägt man auch die Kegel, welche man im Hochdeutschen schiebt. Einem etwas aus der Hand schlagen. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur bedeutet es sehr häufig einem Dinge durch Schlagen eine gewisse Zubereitung geben, es durch Schlagen hervor bringen u. s. f. Den Tact schlagen, durch Schläge mit der Hand andeuten. Die Uhr schlägt die Stunden, wenn sie selbige durch Schläge auf die Glocke andeutet, ( S. das vorige Neutrum.) Holz schlagen, so wohl es fällen, als es auch zu gröbern Scheiten, in Klafterscheiten hauen. Öhl schlagen, es durch Stampfen aus gewissen Samenkörnern heraus bringen. Feuer schlagen. Münzen, Geld schlagen. Gold schlagen, es zu dünnen Blättern schlagen. Geschlagenes Gold. Ans Kreuz schlagen, für nageln. Eines Nahmen an den Galgen schlagen, nageln. Ein Pflas=ter schlagen, es verfertigen, weil solches vermittelst des Schlagens oder Stoßens geschiehet. Wohin denn vermuthlich auch die Redensarten gehören, eine Brücke schlagen, das Lager schlagen oder aufschlagen, weil beyde Handlungen ein häufiges Schlagen erfordern. Die Trommel, die Pauken, die Orgel schlagen. Lärm schlagen, Marsch schlagen, den Zapfenstreich schlagen, auf der Trommel. Jemanden zum Ritter schlagen. Kessel schlagen, sie durch Schlagen hervor bringen. Eyer in die Suppe schlagen. Eine Ader schlagen, sie mit dem Schnepper öffnen. Der Hirsch schlägt sein Geweih, wenn es an den Bäumen abstreift. Und so in tausend andern Fällen mehr. 2) In engerer Bedeutung, aus Rache oder zur Züchtigung schlagen, wo dieses Zeitwort entweder die bloße flache Hand, oder einen Stock oder doch ähnliches Werkzeug voraus setzt. (a) Eigentlich. Jemanden schlagen. Nach jemanden schlagen. Jemanden auf das Gesicht, auf den Backen schlagen. Jemanden auf das Maul, hinter die Ohren schlagen, in der niedrigen Sprechart. Jemanden mit dem Stocke, mit dem Prügel schlagen. Zuweilen, besonders in der anständigern Sprechart, wird es als ein allgemeiner Ausdruck gebraucht, die meisten Arten der Auslassung seines Unwillens an dem Leibe des andern zu bezeichnen, sie geschehe mit welchem Werkzeug sie wolle. Allein die gesellschaftlichen, noch mehr aber die niedrigen Sprecharten sind ungemein reich an Ausdrücken, diesen Begriff nach allen nur möglichen Schattirungen zu bezeichnen. Der Ausdrücke peitschen, geißeln, prügeln u. s. f. zu geschweigen, welche eine Peitsche oder Ruthe, eine Geißel, einen Prügel voraus setzen, hat man in den gemeinen Sprecharten die Ausdrücke wammsen, laschen, hallaschen, kallaschen, dreschaken, pelzen, koranzen, karnüffeln, karbatschen, huschen, deffen, wicksen, weifen, schmieren, abschmieren, fuchteln, gärben, keilen, lausen, ledern, pauken, zudecken, walken, und hundert andere mehr, wozu noch die Niederdeutschen knüffeln, tageln, knüppeln, kranzheistern, wollen, klabastern, kasterviolen, bumfasen, bummsen, holstern, gallern, bösten, dolwen, fitjen, knirrfitjen, kurwachteln, pisacken, schrallen u. s. f. gehören. (b) Figürlich. aa) Züchtigen, strafen, plagen; besonders in der biblischen Schreibart. Mit Blindheit schlagen, 1 Mos. 19, 11. Das Volk mit Pestilenz schlagen, 2 Mos. 9, 15. Ein geschlagener Mann, theils ein geplagter, theils auch ein zu Grunde gerichteter; in dieser letzten Bedeutung vermuthlich von der R. A. zu Boden schlagen. bb) Verwunden; eine in den gewöhnlichen Sprecharten veraltete Bedeutung, welche noch häufig in der Deutschen Bibel vorkommt. Ich kann schlagen und kann heilen, 5 Mos. 32, 39. Die Jäger gebrauchen es noch von den wilden Schweinen, wenn sie mit ihren Hauzähnen verwunden. Von einer Sau geschlagen werden, verwundet. cc) Tödten; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, welche noch zum Theil in erschlagen üblich ist. Schon bey dem Kero und Ottfried slahan, im Engl. to slay, im Angels. slaan. In der Deutschen Bibel kommt sie gleichfalls noch vor. Ich will hinfort nicht mehr schlagen alles was da lebet, 1 Mos. 8, 21. Gott schlug den Usa um seines Frevels willen, daß starb, 2 Sam. 14, 6. Das Intensivum schlachten ist noch in einigen Fällen dafür gebräuchlich. Auch sagt man noch im gemeinen Leben jemanden todt schlagen, für ihn tödten, es geschehe auf welche Art es wolle, ( S. Todtschlag.) Bey den Jägern schlägt auch der Raubvogel seinen Raub, wenn er ihn fängt und tödtet. dd) Sich schlagen, mit einander kämpfen, es geschehe nun mit der bloßen Hand oder mit welchen Waffen es wolle. Sich auf Leib und Leben schlagen. Sich mit Pistolen, mit dem Degen schlagen. Wo es auch wohl das Zeitwort schlagen absolute und ohne Reciprocation gebraucht wird; sie wollen schlagen, d. i. sich schlagen. Es wird auf diese Art nicht nur von Zweykämpfen einzelner Personen gebraucht, sondern auch von den Gefechten ganzer Hasen und Kriegsheere. Zwey Armeen haben sich geschlagen, wenn sie sich eine Schlacht geliefert haben, ( S. dieses Wort.) Wo es doch absolute und ohne Reciprocation beynahe noch üblicher ist. Die Armee will morgen schlagen, macht sich zum Schlagen fertig. Mit dem Feinde schlagen. Das Dorf, bey welchem der General Weißmann so glücklich geschlagen hat. Hingegen in mehr activer Form, und folglich auch mit der vierten Endung, ist, den Feind schlagen, den Sieg über ihn erfechten, wo es von allen Kriegshaufen, ohne Rücksicht auf ihre Stärke, d. i. so wohl von kleinern Haufen als von ganzen Kriegsheeren, ingleichen so wohl von dem Kriege zu Lande, als zur See gebraucht wird. In die Flucht geschlagen werden. Den Feind aus dem Felde schlagen. Bey Tschesme wurde die Türkische Flotte geschlagen. Von Zweykämpfen einzelner Personen ist es dieser Bedeutung nicht üblich. 2. Ferner wird dieses Wort von sehr vielen Arten schneller und mit Heftigkeit verbundener thätiger Bewegungen gebraucht, welche mit diesem Schalle verbunden sind, oder doch unter demselben gedacht werden. Das Pferd schlägt hinten aus. Der Vogel schlägt mit den Flügeln, das wilde Schwein mit dem Kopfe und den Hauzähnen. Der Raubvogel schlägt seine Klauen in den Raub. Der Vogel Jupiters schlägt so die mächt'gen Krallen In ein geputztes Lamm zum Wettlaufpreis bestimmt, Zachar. wo nur das Wort Kralle für die erhabene Schreibart zu niedrig ist. Einen Verbrecher in Fesseln schlagen, intensive für legen. Wohin auch die figürlichen Redensarten gehören, sich etwas aus den Gedanken schlagen, es zu vergessen suchen. Ich will mir Sylvia aus den Gedanken schlagen, Gell. Schlagen sie sich das Mädchen aus dem Kopfe. Schlage von dir die Traurigkeit, Sir. 38, 21; eine ungewöhnliche Wortfügung. ( S. auch Entschlagen.) Etwas in die Schanze schlagen, es der Gefahr des Verlustes aussetzen, ( S. Schanze.) Etwas in den Wind schlagen, es nicht achten. Eines Ermahnungen in den Wind schlagen. Die Liebe schlägt nur die Gemüther Und schlägt den Reichthum in den Wind, Rost. Oft vermindert oder verliert sich der Begriff der Heftigkeit, so daß nur der Begriff der Geschwindigkeit übrig bleibt, der doch auch oft geschwächt wird, wenn nur die Ähnlichkeit des Lautes oder des Schalles bleibt. Die Füße über einander, die Arme in einander schlagen. Er hatte seinen Arm um meinen Nacken geschlagen. Das Salz in Körbe schlagen, mit der Schaufel in die Körbe schaufeln. Das Bier in Fässer schlagen, füllen. Den Mantel um das Gesicht schlagen. Ein Blatt Papier um etwas schlagen. ( S. Umschlag.) Ein Buch aufschlagen. Die Kupfer aus einem Buche heraus schlagen. Ein Löwe mit ausgeschlagener oder vorgeschlagener Zunge. Etwas durch ein Sieb, durch eine Durchschlag schlagen, treiben. Ein Rad schlagen. Hochmüthig schlug ein Pfau sein Rad, Schleg. ( S. Rad.) Einen Knoten schlagen. Sich zusammen schlagen, sich versammeln und verbinden. Die Schweine in die Mast schlagen, treiben. Besonders für wenden, richten, doch immer mit einer Intension. Die Augen, das Angesicht zur Erde schlagen. ( S. auch Niederschlagen.) Die Augen in die Höhe schlagen. Besonders als ein Reciprocum. Sich linker Hand, sich rechter Hand schla- gen, wenden. ( S. Legen, besonders wenn es von Schiffen gebraucht wird, wovon schlagen das Intensivum ist.) Sich zu dem Feinde schlagen. Sich ins Mittel schlagen, wofür man auch legen gebraucht. Oft verliert sich auch alle Spur der Geschwindigkeit, und da bleibt schlagen ein bloßen Intensivum von legen, vielleicht nur um des Nachdrucks willen, Zoll auf etwas schlagen, legen. Der Kaufmann schlägt die Unkosten auf seine Waaren. Etwas zum Capitale schlagen. S. auch Unterschlagen. Schlagt auf ewer Armbrost ein Polz, Theuerd. Kap. 71, für legen. Und so in vielen andern einzelnen Fällen mehr. Daher das Schlagen, ingleichen die Schlagung, doch letzteres nur in einigen Bedeutungen des Activi.

Anm. Bey dem Ulphilas slahan, im Isidor, Kero u. s. f. slagan, slahan, im Nieders. slaan, im Angels. slegan, slan, im Schwed. sla, welches auch noch in weiterer Bedeutung liegen senden u. s. f. bedeutet. Es ist ein in dem verstärkten Laute gegründetes Intensivum von legen, wo die Intension durch den vorgesetzten Zischlaut angedeutet wird, so wie schlachten, schlacken u. s. f. wieder Intensiva von schlagen sind. In einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. im Österreichischen, gehet es regulär, ich schlagete, für ich schlug. Unsere irreguläre Form rühret, wenigstens im Imperfecto, von einem veralteten Zeitworte sluagen, schlagen, her, welches noch bey dem Ottfried vorkommt.


Schläger (W3) [Adelung]


Der Schläger, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Derjenige, welcher schlägt; doch nur in den Zusammensetzungen Todtschläger, Ballschläger, Öhlschläger, Aufschläger, Ausschläger u. s. f. Für sich allein gebraucht man es nur in engerer Bedeutung, von einer Person, welche eine Fertigkeit im Raufen, Balgen, Schlagen und Duelliren besitzet. 2) Ein Werkzeug zum Schlagen, für Schlägel; doch nur in einigen Fällen. So wird der hölzerne Knüttel, womit die Stricke von den Landleuten gedrehet werden, in einigen Gegenden der Schlägel genannt, welchen Nahmen auch wohl ein Raufdegen führet.


Schlägerey (W3) [Adelung]


Die Schlägerey, plur. die -en, diejenige Handlung, da sich zwey oder mehrere Personen ohne Befugniß schlagen, es geschehe nun mit der bloßen Hand oder mit allerley Werkzeugen. Es entstehet eine Schlägerey.


Schlägeschatz (W3) [Adelung]


Der Schlägeschatz, des -es, plur. inus. von schlagen, besonders in der R. A. Geld schlagen, Münze schlagen, und Schatz, Abgabe, Geld. 1) Der Pacht oder Zins, welchen der Münzpächter oder Münzmeister dem Münzherren von dem Ertrage der Münze geben muß, in welchem Verstande es besonders ehedem sehr gangbar war; Nieders. Slegeschatt, Sleischatt. 2) Die Münzgebühr, die Abgabe an einen Höhern für das Recht münzen zu dürfen; eine gleichfalls ehedem sehr gangbare Bedeutung, wo verschiedene Landstädte dem Landesherren, und Reichsstände dem Kaiser Schlägeschatz gaben. 3) Eine Abgabe der Unterthanen an den Münz- und Landesherren, die Unkosten der Münze zu bestreiten, dagegen derselbe verpflichtet war, den Gehalt der Münzen nicht zu verringern. In diesem Verstande wird noch in mehrern Ländern Schlägeschatz als Zoll von Waaren, als eine Abgabe von dem Getränke u. s. f. gegeben, welche von den Unterthanen anfänglich gleichfalls zum Unterhalte der Münze, und zur Beybehaltung des guten Schrotes und Kornes der Münzen bewilliget wurden. Im mittlern Lat. Monetagium.


Schlagestampfe (W3) [Adelung]


Die Schlagestampfe, plur. die -n, bey den Papiermachern, ein eiserner Hammer, welcher von dem Wasser getrieben wird, und das Papier glatt und eben schlägt.


Schlageuhr (W3) [Adelung]


Die Schlageuhr, oder, obgleich nicht so richtig, Schlaguhr, plur. die -en, eine Uhr, welche schlägt, die Zeittheile durch den Schlag an eine kleine Glocke andeutet; zum Unterschiede von einer Uhr, welche die Zeit bloß zeiget.


Schlagewerk (W3) [Adelung]


Das Schlagewerk, des -es, plur. die -e, dasjenige Räderwerk in einer Uhr, welches das Schlagen verursacht; zum Unterschiede von dem Gehwerke.


Schlagfaß (W3) [Adelung]


Das Schlagfaß, des -sses, plur. die -fässer, ein großes Faß, so fern Waaren in dasselbe gepackt und versendet werden; vermuthlich, weil es nach geschehener Einpackung zugeschlagen wird.


Schlagfeder (W3) [Adelung]


Die Schlagfeder, plur. die -n. 1) Die stärksten Feder in den Flügeln der Vögel, mit welchen sie schlagen, und welche auch die Schwungfedern genannt werden. 2) Eine Art stählerner Federn, welche das Schlagen eines andern Stückes wirken; z. B. in den Gewehrschlössern, diejenige Feder, welche das Schlagen des Hahnes befördert.


Schlagfluß (W3) [Adelung]


Der Schlagfluß, des -sses, plur. die -flüsse, ein plötzlicher und oft tödtlicher Verlust der innern und äußern Sinne und der willkührlichen Bewegung der Muskeln, wobey, wenn der Kranke nicht sogleich todt bleibt, der Puls stark und oft ungleich, das Athemhohlen aber mit einem Geräusche vor sich gehet; Apoplexia, der Schlag. Einen Schlagfluß bekommen. Fluß heißt diese Krankheit, entweder wegen ihres plötzlichen Anfalles, oder auch, weil sie eigentlich aus einer Ergießung der flüssigen Theile des Körpers herrühret. Die erste Hälfte ist, wie schon bey Schlag bemerket worden, eine Nachahmung des Griechischen Nahmens, der seinen Grund gleichfalls in dem plötzlichen und tödtlichen Anfalle hat. Ehedem hieß diese Krankheit der Gächtodt, der Tropf, bey dem Notker Gutte.


Schlaggig (W3) [Adelung]


Schlaggig, S. Schlackig.


Schlaggold (W3) [Adelung]


Das Schlaggold, des -es, plur. car. von schlagen, knallen, ein mit sauren Geistern verbundenes gepülvertes Gold, welches, wenn man es über das Fener bringt, einen starken Knall verursacht; Schlagpulver, Knallgold, Platzgold, Prasselgold, Aurum fulminans.


Schlaghäftlein (W3) [Adelung]


Das Schlaghäftlein, zusammen gezogen, Schlaghäftel, des -s, plur. ut nom. sing. kleine Pflöcke auf einem Vogelherde, welche eingeschlagen werden, die Hauptleinen daran zu binden.


Schlagholz (W3) [Adelung]


Das Schlagholz, des -es, plur. die -hölzer. 1) Ein Holz oder hölzernes Werkzeug zum Schlagen: besser Schlageloth. Dergleichen ist das Schlagholz der Hutmacher, Französ. la Coche, womit der Fachboden in Bewegung gesetzt wird; das Schlagholz der Seiler, welches auch der Schläger genannt wird. 2) Im Forstwesen, Holz, welches mit Nutzen geschlagen werden kann: wofür doch schlagbares Holz gangbarer ist. Noch häufiger nennet man 3) das Buchholz, oder Unterholz, daselbst Schlagholz, weil es, wenn es abgehauen worden, nicht gesäet werden darf, sondern am Stamme wieder ausschlägt, wo denn der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird; zum Unterschiede von dem Oberholze oder Stammholze. 4) Eine mit solchem Holze bewachsene Gegend.


Schlaghüther (W3) [Adelung]


Der Schlaghüther, des -s, plur. ut nom. sing. im Forstwesen, ein Baum, welcher auf einem Schlage zu dessen Besamung stehen bleibt; Samenbaum, Mutterbaum.


Schlagkraut (W3) [Adelung]


Das Schlagkraut, des -es, plur. inus. eine Art des Gamanders, welche auf den Brachfeldern des wärmern Europa wohnet, und wider den Schlagfluß, Lähmung der Glieder un rheumatischen Schmerzen gebraucht wird; Teucrum Chamaepithys, Erdpin, Erdkiefer, weil es wie Fichtenharz riechet, Feld-Cypresse.


Schlag-Lauwine (W3) [Adelung]


Die Schlag-Lauwine, S. Lauwine.


Schlaglicht (W3) [Adelung]


Das Schlaglicht, des -es, plur. die -er, in der Mahlerey, ein lebhafter, geschickt angebrachter Lichtstrahl, um denjenigen Theil einer Figur hervor treten zu lassen, welcher dem einfallenden Sonnenlichte am stärksten ausgesetzet ist; Coup de Jour. Vermuthlich von Schlag, eine plötzliche, schnelle Bewegung. Siehe auch Schlagschatten.


Schlagloth (W3) [Adelung]


Das Schlagloth, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, bey den Gold- und Silberarbeitern, diejenige Masse, womit gelöthet wird, weil sie selbige erst zu dünnen Blechen schlagen; bey andern Metallarbeitern heißt sie nur das Loth schlechthin.


Schlagnagel (W3) [Adelung]


Der Schlagnagel, des -s, plur. die -nägel, in den Schlageuhren und deren Schlagwerk, senkrechte Stifte an dem Heberede, welchen den Hammer aufheben und wieder fallen lassen.


Schlagnetz (W3) [Adelung]


Das Schlagnetz, des -es, plur. die -e. 1) In dem Ballspiele, ein in einem Bügel eingefaßtes Netz mit einem Stiele, den Ball damit zu schlagen, wo es billig Schlagenetz heißen sollte; mit einem Französischen Ausdrucke die Raquete oder Rackete. 2) Ein aufgestelltes Netz, welches, wenn es berühret wird, nieder schlägt oder fällt, und das Thier fängt; das Fallnetz.


Schlagpfahl (W3) [Adelung]


Der Schlagpfahl, des -es, plur. die -pfähle, an den Gatterthüren der Hecken, Zäune u. s. f. der vordere Pfahl, woran die Thür anschlägt, und an welchem sie geschlossen wird; zum Unterschiede von dem Hängepfahle oder Heckpfahle.


Schlagpulver (W3) [Adelung]


Das Schlagpulver, des -s, plur. doch nur von mehren Arten, ut nom. sing. 1) ( S. Schlaggold.) 2) Ein Pulver wider den Schlag oder Schlagfluß.


Schlagregen (W3) [Adelung]


Der Schlagregen, des -s, plur. ut nom. sing. ein heftiger Regen, wobey große Tropfen mit großer Heftigkeit und in großer Menge niederfallen; der Platzregen, beydes, wegen des schlagenden und platzenden Geräusches, welches ein solcher Regen macht.


Schlagschatten (W3) [Adelung]


Der Schlagschatten, des -s, plur. ut nom. sing. in der Mahlerey, der stärkere Schatten eines Körpers, welcher in dem schwächern Schatten eines andern stehet, der ihn unmittelbar vor dem Sonnenscheine bedecket; Franz. l'Ombrage. In einem Walde z. B. stehen die Bäume im Schatten, der Rasen aber, welchen wir betreten, im Schlagschatten. Etwa so, wie Schlaglicht. S. dasselbe.


Schlagschatz,Schlägschatz (W3) [Adelung]


Der Schlagschatz, oder Schlägschatz, S. Schlägeschatz.


Schlagscheibe (W3) [Adelung]


Die Schlagscheibe, plur. die -n, in dem Schlagwerke der Schlageuhren, diejenige Scheibe, welche die Anzahl der Schläge jeder Stunde bestimmt.


Schlagschieber (W3) [Adelung]


Der Schlagschieber, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Bäckern, ein langer Schieber, worauf die Semmeln in den Ofen geschoben werden.


Schlagschlüssel (W3) [Adelung]


Der Schlagschlüssel, des -s, plur. ut nom. sing. der Schlüssel zu einem Schlage oder Schlagbaume.


Schlagschreiber (W3) [Adelung]


Der Schlagschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. der Schreiber an einem Schlage oder Schlagbaume.


Schlagspindel (W3) [Adelung]


Die Schlagspindel, plur. die -n, bey den Drechslern, eine hölzerne Spindel mit einem Loche, in welches der Zapfen des Stückes, welches man drehen will, geschlagen wird.


Schlagspule (W3) [Adelung]


Die Schlagspule, plur. die -n, die stärksten Spulen an einem Gänseflügel; die Schlagfedern der Gans.


Schlagtaube (W3) [Adelung]


Die Schlagtaube, plur. die -n, zahme Tauben. welche in Schlägen oder Taubenschlägen gehalten werden, zum Unterschiede von den wilden Tauben.


Schlaguhr (W3) [Adelung]


Die Schlaguhr, S. Schlageuhr.


Schlagwand (W3) [Adelung]


Die Schlagwand, plur. die -wände, bey den Jägern und Vogelstellern, ein jedes Garn oder Netz, welches auf und nieder gezogen werden kann; von schlagen, fallen.


Schlagwasser (W3) [Adelung]


Das Schlagwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein geistiges Wasser wider den Schlagfluß, welches aus Rosmarinblüthen destilliret, und auch Ungarisches Wasser genannt wird, weil eine Königin von Ungarn, Nahmens Elisabeth, es erfunden haben soll.


Schlagweite (W3) [Adelung]


Die Schlagweite, plur. die -n, in der Physik, die Weite, in welcher der elektrische Funken zu einem andern Körper übergehet.


Schlagwelle (W3) [Adelung]


Die Schlagwelle, plur. die -n, in der Seefahrt, Wellen, welche das stürmische Meer gegen einander und in die Höhe gegen das Schiff schlägt.


Schläks (W3) [Adelung]


+ Der Schläks, des -es, plur. die -e, ein niedriges, nur in einigen Sprecharten, z. B. in Pommern, übliches Wort, einen trägen, groben und dabey in seiner Kleidung und in seinem Betragen nachlässigen Menschen zu bezeichnen, den man auch wohl einen Schlingel zu nennen pflegt. Vermuthlich von schlägeln, lahm gehen, oder von dem Nieders. slack, schlaff, träge, indem die Trägheit und darin gegründete Nachlässigkeit her herrschenden Begriff in diesem Worte ist. Dem Bremischen fast gleichbedeutenden Läks scheinet nur der intensive Zischlaut zu mangeln, ob es gleich von Laie und laicus abgeleitet wird.


Schlamm (W3) [Adelung]


Der Schlamm, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, und auch hier nur im Bergbaue, die Schlämme. 1. Eine jede gepülverte und mit einem flüssigen Körper vermischte feste Substanz. In diesem Vertande wird besonders im Bergbaue das klein gepochte und aus den Planen gewaschene Erz so wohl Schlamm als Schlich, ingleichen Sumpfwerk genannt. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Schlamm ein aus zarten Theilen eines festen Körpers mit einem flüssigen Körper vermischter Bodensatz, besonders eine mit Wasser vermischte Erde; dergleichen der Bodensatz der Flüsse, Teiche, Seen u. s. f. ist, und den man auch besonders im Nieders. Moder, Modder nennet.

Anm. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist dafür auch Glumm üblich, welchem nur der Zischlaut mangelt, ( S. dasselbe.) Schlamm, Schleim, Lehm, Limus, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, u. s. f. sind genau verwandt, und drucken insgesammt die weiche, dicklich flüssige Beschaffenheit aus.


Schlammbeißker (W3) [Adelung]


Der Schlammbeißker, besser Schlammbeißer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Art der Beißker, welche sich in den Schlamm der Teiche und Flüsse hinein wühlet, und daselbst ihren Aufenthalt hat; zum Unterschiede von dem Steinbeißer.


Schlammen (W3) [Adelung]


Schlammen, verb. reg. neutr. mit haben, Schlamm geben oder verursachen.


Schlämmen (W3) [Adelung]


1. Schlämmen, verb. reg. act. 1) Von einem gepülverten Körper das zarte Pulver durch öfters aufgegossenes und abgeseihetes Wasser von dem gröbern absondern. Asche, Sand schlämmen. Geschlämmter Sand, die auf solche Art erhaltenen kleinsten Theile des Sandes. Auch das Schlämmen der Bergleute ist davon nicht unterschieden. Erz schlämmen, von den gepochten Gängen das gute Erz durch Wasser von dem tauben Gesteine absondern. Entweder zunächst von Schlamm, weil der gepülverte Körper hier mit Wasser in einen wahren Schlamm verwandelt wird; oder auch überhaupt, als eine Onomatopöie, mit Wasser hantieren, da denn Schlamm von diesem Zeitworte abstammen würde. Wenn die Mäurer eine Wand zum ersten Mahle weißen, so nennen sie es schlämmen. 2) Von dem Schlamme reinigen, befreyen. Einen Teich schlämmen. In den Zusammensetzungen anschlämmen, verschlämmen, bedeutet es mit Schlamme anfüllen. Daher das Schlämmen, und, obgleich seltener, die Schlämmung.


Schlämmen (W3) [Adelung]


2. Schlämmen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, im Genusse der Speise und des Getränkes die Gränzen der Nothdurft auf eine grobe Art überschreiten, im Genuß Speise und des Trankes im hohen Grade unmäßig und üppig seyn. Sey nicht ein Prasser und gewöhne dich nicht zum Schlemmen (Schläm- men,) Sir. 18, 32. Das Schlemmen der Pranger soll aufhören, Amos. 6, 7. Ein berühmter Held im Fressen, Den das Schlämmen aufgeschwellt, Haged. So auch das Schlämmen.

Anm. In Nieders. slömmen, im Schwed. slemma, im Pohln. slammowac. Ohne Zweifel als eine Onomatopöie des Schlingens, welches so wie Schlund nur im Endlaute verschieden ist. Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist auch das intensive schlampen, und im Niedersächsischen das durch Verdoppelung noch mehr verstärkte schlampampen üblich. S. Schlampen.


Schlämmer (W3) [Adelung]


1. Der Schlämmer, des -s, plur. ut nom. sing. von 1 schlämmen, derjenige, welcher schlämmet; besonders im Hüttenbaue, wo diejenigen Knaben diesen Nahmen führen, welche das Schlämmen des Erzes verrichten.


Schlämmer (W3) [Adelung]


2. Der Schlämmer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schlämmerinn, von 2 schlämmen, eine Person, welche schlämmet, bey welcher das Schlämmen zur Fertigkeit geworden ist. Nieders. Slömer, Schlampamper.


Schlämmerey (W3) [Adelung]


Die Schlämmerey, plur. die -en, von 2 schlämmen, das Schlämmen, ein hoher Grad des Unmäßigkeit und Üppigkeit im Genuß der Speise und des Getränkes. Weil er in Schlämmerey viel Geld und Gut verpraßt, Canitz. Schwed. Slemmeri, Isländ. Slaembi.


Schlammfisch (W3) [Adelung]


Der Schlammfisch, des -es, plur. die -e, eine allgemeine Benennung aller derjenigen Fische, welche sich gewöhnlich in dem Schlamme der Teiche und Bäche aufhalten; zum Unterschiede von den Raubfischen und Weide- oder Futterfischen.


Schlämmgraben (W3) [Adelung]


Der Schlämmgraben, des -s, plur. die -gräben, im Bergbaue, ein fast viereckter hölzerner Kasten, worin das Erz geschlämmet wird.


Schlammherd (W3) [Adelung]


Der Schlammherd, des -es, plur. die -e, eben daselbst, der Herd bey den Zwitterwerken, worauf der Schlammstein geschlämmet wird.


Schlammig (W3) [Adelung]


Schlammig, -er, -ste, adj. et adv. Schlamm enthaltend. Schlammiges Wasser. Ein schlammiger Fluß. Schlammicht würde nur dem Schlamme ähnlich bedeuten.


Schlammkrücke (W3) [Adelung]


Die Schlammkrücke, plur. die -n, eine Krücke, den Schlamm damit wegzuschaffen. In den Salzkothen hat man dergleichen kleine Krücken von Blech mit einem Stiele, den Schlamm damit aus der Salzpfanne zu krücken. Teiche und Flüsse reiniget man mit weit größern Krücken, welche von Pferden gezogen, und auch Roßkrücken genannt werden.


Schlammküste (W3) [Adelung]


Die Schlammküste, plur. die -n, ein Nahme der Schlammkrücke im Bergbaue, so fern damit der Schlamm auf den Planherden und in den Schlammgräben auf und nieder gerühret wird. S. 1 Küste.


Schlammpfanne (W3) [Adelung]


Die Schlammpfanne, plur. die -n, Diminut. das Schlammpfännchen, in den Salzkothen, kleine, flache Pfannen, welche in die großen gesetzt werden, wenn das Salz anfängt zu körnen, damit der Schlamm sich hinein setze.


Schlammschlich (W3) [Adelung]


Der Schlammschlich, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, das gepochte und rein gewaschener Erz, der aus dem Schlämmen erhaltene Schlich.


Schlammstein (W3) [Adelung]


Der Schlammstein, des -es, plur. auch nur von mehrern Arten, die -e, eben daselbst, die geschlämmten, oder zum Schlämmen bestimmten Zinnzwitter.


Schlammwerk (W3) [Adelung]


Das Schlammwerk, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme derjenige Anstalt, wo man die in dem Schlamme der Flüsse enthaltenen Goldkörner durch Schlämmen oder Waschen zu erhalten sucht; das Seifenwerk, die Goldwäsche.


Schlampen (W3) [Adelung]


Schlampen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt, und eine Onomatopöie ist, wodurch eine doppelte Handlung mit ihrem eigenthümlichen Laute ausgedruckt wird. 1) Flüssige Dinge mit vollem Munde und ausgeschlagener Zunge hinein schlingen, in welchem Verstande es vornehmlich von den Hunden gebraucht wird. Daher die Schlampe oder das Geschlampe, ein Brühe für die Hunde, welche man sie ausschlampen läßt, und im verächtlichen Verstande, ein unreinlich zubereitete oder kraftlose, wässerige Speise für Menschen. Der Form nach ist das Intensivum von 2 schlämmen, und das Stammwort von dem schon dort angeführten Niedersäch. schlampampen, figürlich, schlämmen, prassen. Dem Latein. lambere fehlet nur das intensive sch. 2) Herab hängen und dabey schlotterig seyn, und auf eine solche Art, mit zerrissenen, beschmutzten Kleidern einher gehen; auch nur in den niedrigen Sprecharten. Schwedisch slampa. Daher die Schlampe, in den niedrigen Sprecharten, ein in ihrer Kleidung und Betragen liederliches Weibsbild, welches man mit einem andern Vocal auch eine Schlumpe nennet. Unser Lumpe und das Französ. Lambeau sind nahe damit verwandt. Nach einer andern Figur ist im gemeinen Leben schlampig Wetter kothiges, da man sich leicht beschlampet, oder im hohen Grade beschmutzet. S. Schlamm.


Schlange (W3) [Adelung]


Die Schlange, plur. die -n. 1. Ein Amphibium, welches weder Füße noch Floßfedern hat, sondern sich vermittelst einer wellenförmigen Bewegung und der Schuppen, Schilde oder Ringe, womit es bedeckt ist, auf der Erde fortbewegt. Man hat deren verschiedene Arten, wohin die Wasserschlangen, Hausschlangen, Feldschlangen, Klapperschlangen, Schießschlangen, Nattern, Viper u. s. f. gehören. Sich krümmen und wenden wie eine Schlange. So listig wie eine Schlange. Eine Schlange in seinem Busen nähren, einen Feind unter der äußern Gestalt eines Freundes begünstigen. 2. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt. 1) Eine kupferne Röhre in dem Kühlfasse der Branntweinbrenner, welche sich mehrere Mahle in dem Fasse herum schlängelt, den Branntwein abzukühlen. 2) Eine Art des schweren Geschützes, entweder von dem ehedem darauf gegossenen Bilde einer Schlange, oder von der in Gestalt eines Schlangenkopfes geformten Mündung, oder auch von dem im Deutschen veralteten, aber auch im Englischen üblichen to sling, schläudern, Schwed. sla, slänka, ( S. schlenkern,) weil dieses Geschütz an die Stelle der ehemahligen großen Schläudern getreten ist. (Siehe Feldschlange.) 3) In der biblischen Schreibart ist die alte Schlange eine Benennung des Teufels.

Anm. Im Nieders. Slange. Dieses Thier hat seinen Nahmen von seiner wellenförmigen Bewegung und der großen Biegsamkeit und Geschmeidigkeit seines langen und dünnen Körpers, daher derselbe als ein naher Verwandter von dem folgenden schlängeln, von schlank, sich schlingen, lenken u. s. f. auszusehen ist. Im Niedersächsischen wird eine Schlange auch Schnake oder Snake genannt, welches von dem veralteten schnaken, kriechen, Angels. snican, herstammet.


Schlängeln (W3) [Adelung]


Schlängeln, verb. reg. act. welches das Diminutivum oder Iterativum des veralteten schlangen, jetzt schlingen ist, und so wie dieses als ein Reciprocum gebraucht wird; sich schlängeln, sich in mehrern und kleinen Schlangenlinien fortbewegen. Die Blitze schlängeln sich nicht durchs schwarze Gewölk, Geßn. Quellen, die durch blumige Wiesen sich schlängeln, ebend. Daher das Schlängeln.


Schlangenauge (W3) [Adelung]


Das Schlangenauge, des -s, plur. die -n, ein unten ausgehöhlte, oben aber runde, oder länglich runde, und mit einem runden Flecken in Gestalt eines Auges, gezeichnete Versteinerung, welche man irrig für versteinerte Schlangenaugen gehalten hat. Andere nennen sie Schlangeneyer, Froschsteine und Krötensteine, und leiten sie von diesen Thieren her. Dem Jussieu zu Folge sind es die versteinerten Zähne des Brasilianischen Seefisches le Grondeur, nach andern die Zähne des Meerwolfes und einiger Brachsmen, und nach noch andern eine besondere Art Schiniten. Die kleinste Art derselben werden Schwalbensteine genannt.


Schlangenbalg (W3) [Adelung]


Der Schlangenbalg, des -es, plur. die -bälge, die abgestreiste Haut einer Schlange; die Schlangenhaut.


Schlangeney (W3) [Adelung]


Das Schlangeney, des -es, plur. die -er. 1) Die Eyer der Schlangen. 2) S. Schlangenauge.


Schlangengang (W3) [Adelung]


Der Schlangengang, des -es, plur. die -gänge, in den Gärten, hin und wieder, nach einer Schlangenlinie gekrümmte Heckengänge.


Schlangengras (W3) [Adelung]


Das Schlangengras, des -es, plur. inus. ein Nahme des wilden Krähenfußes, welcher auf den Wiesen und ungebaueten Orten wächst, und wider den Biß der Schlangen gelobt wird, daher es auch Schlangenzwang heißt.


Schlangengurke (W3) [Adelung]


Die Schlangengurke, plur. die -n, eine Art Gurken, welche vier bis fünf Fuß lang wird, vorn einen Kopf wie eine Schlange hat, und mit dem einem Schwanze ähnlichen Ende an den Reben hängt.


Schlangenhaar (W3) [Adelung]


Das Schlangenhaar, des -es, plur. inus. oder die Schlangenhaare, sing. inus. aus Schlangen bestehende Haare, mit welchen man in der Fabel den Kopf der Medusa und die Furien vorstellet. Tobt, Eumeniden, schlingt das Schlangenhaar Fest um mein Herz, Weiße. Der Krieg und die Zwietracht Mit dem Schlangenhaar hauseten hier, Zach.


Schlangenhaupt (W3) [Adelung]


Das Schlangenhaupt, des -es, plur. die -häupter. 1) Das Haupt einer Schlange; der Schlangenkopf. 2) Figürlich und ohne Plural, ein Nahme der wilden Ochsenzunge, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt des Samens, daher sie auch Natterkraut genannt wird.


Schlangenholz (W3) [Adelung]


Das Schlangenholz, des -es, plur. inus. 1) Das Holz eines Gewächses auf der Insel Ceylon, welches bitter ist, eine den Schweiß treibende Kraft hat, und daher wider den Biß giftiger Thiere gebraucht wird; Ophioxylon L. 2) Das Holz eines andern Ostindischen Baumes, welcher eine Art der Krähenaugen ist; Strychnos Colubrina L. Seine Wurzel wird gleichfalls wider alle Arten des Giftes gebraucht, und in den Apotheken anstatt des folgenden wahren Schlangenholzes gegeben. 3) Dieses wahre Schlangenholz, welches doch unter dem Nahmen der Schlangenwurzel am bekanntesten ist, ist die holzige Wurzel eines Ostindischen Gewächses, welche als das kräftigste Mittel wider den Biß der Brillenschlange gebraucht wird; Ophiorhiza Mungos L.


Schlangenknoblauch (W3) [Adelung]


Der Schlangenknoblauch, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Graslauches, oder der Rocambole, Allium Scorodoprasum L.


Schlangenkrone (W3) [Adelung]


Die Schlangenkrone, plur. die -n, vorgegebene beinerne Kronen einer Art von Schlangen, welche aber bloß die hintersten, der Wurzel beraubten, vielspitzigen Zähne einer Kuh sind, die von dem großen Haufen für Schlangenkronen gehalten, und zu allerley Aberglauben gebraucht werden.


Schlangenlinie (W3) [Adelung]


Die Schlangenlinie, (fünfsylbig) plur. die -n, eine Linie, welche der wellenförmigen Biegung einer Schlange im Kriechen gleicht, d. i. eine aus mehrern Halbzirkeln oder krummen Linien bestehende Linie, wovon wechselweise der erhabene Theil bald nach oben, bald nach unten zu gerichtet ist.


Schlangenmann (W3) [Adelung]


Der Schlangenmann, des -es, plur. die -männer, der Nahme eines Sternbildes, welches eine männliche Figur ist, die eine Schlange in den Händen hält; der Schlangenträger.


Schlangenmord (W3) [Adelung]


Der Schlangenmord, des -es, plur. car. ein Nahme der Scorzonera, weil sie dem Gifte widerstehet, und ihr Saft in wärmern Ländern den Schlangen tödtlich seyn soll.


Schlangenmotte (W3) [Adelung]


Die Schlangenmotte, plur. die -n, eine Motte, welche sich auf den Fichtenbäumen aufhält; Phalaena Noctua picta L.


Schlangenpulver (W3) [Adelung]


Das Schlangenpulver, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. bey dem großen Haufen, ein aus gedörrten Schlangen bereitetes Pulver, welches für eine bewährte Arzeney in verschiedenen Krankheiten des Viehes gehalten wird.


Schlangenröhre (W3) [Adelung]


Die Schlangenröhre, plur. die -n, eine schlangenförmige, geschlängelte Röhre, dergleichen die schlangenweise gewundene Röhre in dem Kühlfasse der Branntweinbrenner ist, welche auch nur die Schlange genannt wird.


Schlangenspritze (W3) [Adelung]


Die Schlangenspritze, plur. die -n, eine Feuerspritze mit einem langen, biegsamen, ledernen Schlauche, welcher, wegen der Gestalt, die er im Spritzen annimmt, auch die Schlange genannt wird.


Schlangenstein (W3) [Adelung]


Der Schlangenstein, des -es, plur. die -e, ein kleiner, schwarzer Stein, mit einem schmutzig weißen Fleck auf beyden Seiten, von welchem man irrig glaubt, daß er in den Schlangen gefunden werde, und das Gift an sich ziehe. Oft ist es ein Stück Hirschhorn, welches im Feuer geröstet worden.


Schlangenstich (W3) [Adelung]


Der Schlangenstich, des -es, plur. die -e. 1) Der Stich von einer Schlange. 2) Eine Art des Stiches oder des Stickens bey den Nähterinnen.


Schlangenträger (W3) [Adelung]


Der Schlangenträger, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Schlangenmann.


Schlangenwurz (W3) [Adelung]


Die Schlangenwurz, plur. inus. ein Nahme der Scorzonera, S. Schlangenmord.


Schlangenwurzel (W3) [Adelung]


Die Schlangenwurzel, plur. die -n. 1) Die Wurzel des Schlangenholzes, ( S. dieses Wort.) 2) Die Wurzel einer Art der Osterlucey, und die Pflanze selbst, welche in Virginien einheimisch ist, und als ein schweißtreibendes Mittel dem Gifte und der Fäulniß widerstehet; Aristolochia Serpentaria l. Serpentaria Virginiana in den Apotheken, Virginische Schlangenwurzel.


Schlangenzunge (W3) [Adelung]


Die Schlangenzunge, plur. die -n. 1. Eigentlich, die spitzige Zunge der Schlange. 2. Figürlich. 1) Eine Pflanze, wegen der gelben gekerbten Spitze an den Stielen, woran sich die Blüthen und Fruchtknöpfchen befinden; Ophioglossum L. Natterzunge, Natterzünglein. 2) Eine Versteinerung, welche ehedem für versteinerte Schlangenzungen gehalten worden, aber vermuthlich versteinerte Zähne des Hayfisches oder Carcharias sind; Glossopetrae, Odontopetrae, Natterzünglein.


Schlangenzwang (W3) [Adelung]


Der Schlangenzwang, des -es, plur. inus. S. Schlangengras.


Schlank (W3) [Adelung]


Schlank, -er, -este, adj. et adv. lang, dünn und biegsam; geschlank. Schlank von Gliedern. Schlanke Arme, Füße u. s. f. Schlanke Kräuter durchirren das Gras mit zarten Ästen, Geßn. Sieh, wie die große Eiche die schlanken Äste umher trägt, und kühlen Schatten ausstreut, ebend. Nieders. flank; es gehöret zu schlingen und Schlange, und druckt die mit der Länge verbundene Biegsamkeit aus.


Schlänkern (W3) [Adelung]


Schlänkern, S. Schlenkern.


Schlapp (W3) [Adelung]


* Schlapp, -er, -este, adj. et adv. welches aus der Niederdeutschen Mundart herstammet, und nur in den gemeinen Sprecharten für schlaff üblich ist, S. dasselbe.


Schlappheit (W3) [Adelung]


* Die Schlappheit, Schlappigkeit, plur. inus. der Zustand, da ein Ding schlapp ist; wofür doch Schlaffheit der anständigern Sprecharten angemessener ist.


Schlaraffe (W3) [Adelung]


Der Schlaraffe, des -n, plur. die -n, eine Person, welche ihr Leben in einem hohen Grade des trägen Müßigganges zubringet, welche sich einer wollüstigen und üppigen Muße widmet; in welchem Verstande es noch hin und wieder üblich ist, und von beyden Geschlechtern gebraucht wird. Pictorius erkläret Schlauraff durch einen sehr schläfrigen Menschen, und Gobler im Rechtsspiegel durch einen müßigen Menschen in einer Stadt. Daher Schlaraffenland, ein erdichtetes Land, dessen Einwohner ihr Leben in der wollüstigsten und trägesten Muße zubringen, welcher Ausdruck durch Brands Narrenschiff und Mori Vtopiam vorzüglich gangbar gemacht worden. Hans Sachs schreibt schon 1530 unter dem Nahmen Schlauraffenland ein Gedicht, welches sich mit diesen Worten endiget: Wer also lebt wie obgenandt, Der ist gut ins Schlauraffenland, Das von den Alten ist erdicht, Zur Straff der Jugend zugericht, Die gewöhnlich faul ist und gefreßig, Ungeschickt, heiloß und nachleßig u. s. f. In weiterer Bedeutung verstehet man unter einem Schlaraffen eine Person, welche in einem hohen Grade das Gegentheil von demjenigen ist und thut, was andere vernünftige Menschen sind und thun. Wann her, wann her, (woher?) ihr Schlauraffen, Das ir das Hinter kert herfür? Hans Sachs. Die letzte Hälfte dieses dunkel scheinenden Wortes ist, nach Frischens Vermuthung, unser Affe, welches in mehrern Zusammensetzungen eine Art eines Scheltnahmens ist, wie Maulaffe, Zieraffe u. s. f. Die erste Hälfte Schlar, ehedem Schlaur, scheinet von dem Nieders. sluren abzustammen, welches liederlich verschleißen, nachlässig mit seinen Sachen umgehen, schlottern, bedeutet.


Schlarfe (W3) [Adelung]


Die Schlarfe, plur. die -n, im gemeinen Leben, ein Nahme leichter, weiter Pantoffeln, ohne Hinterstücke, welche nur den vor- dern Theil des Fußes bedecken, von dem schlarfenden Laute, welchen sie im Gehen machen. Nieders. Slurre, Slarre, Sluske. S. auch Latsche.


Schlarfen (W3) [Adelung]


Schlarfen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, auch nur im gemeinen Leben, als eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, von welcher Art der ist, wenn man Pantoffeln ohne Hinterstücke, oder eingetretene Schuhe im nachlässigen Gange auf dem Boden gleichsam unter sich her schleifet; in einigen Gegenden schlurfen. Im Gehen schlarfen, die Füße nicht recht aufheben. Nieders. slarren, slurren, slusken.


Schlau (W3) [Adelung]


Schlau, -er, -este, adj. et adv. Fertigkeit besitzend, verborgene Mittel schnell zu seinen Absichten zu gebrauchen, und darin gegründet; verschlagen. Ein schlauer Gast, ein schlauer Kopf, ein schlauer Einfall. Schlau auf etwas seyn. Eine Sache sehr schlau anfangen. Die Liebe ist schlauer als die Freundschaft; ihr süßes Pfeifchen schläfert wohl einen Argus ein, Weiße.

Anm. Im Niedersächs. slou, im Osnabrück. slüw, im Engl. sly, im Isländ. slaegur, im Schwed. slug, wo auch slög künstlich ist. Schlau setzet eine größere Geschwindigkeit und eine mehrere Verbergung seiner Absichten und Mittel voraus als listig und klug, wovon die Ursache in dem vorgesetzten intensiven Zischlaute liegt, der zugleich ein Ausdruck einer schnellen Bewegung ist. Ohne Zischlaut gebraucht Kero claulich, und Ottfried glau, für klug, weise, Angels. gleaw. Schlau ist in Ansehung der Sittlichkeit eben so gleichgültig als listig ursprünglich ist, d. i. es wird so wohl im guten als bösen Verstande gebraucht; geschiehet es im letztern häufiger, so rühret solches daher, weil die Verbergung seiner Absichten und Mittel bey schädlichen und bösen Handlungen nothwendiger ist, als bey guten und nützlichen. ( S. Schlauheit.) Die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes ist, wie bey seinen Verwandten, allem Ansehen nach die Geschwindigkeit in den Bewegungen, und der darin gegründete Begriff des Lichtes und des Sehens, und in so fern auch mit schlagen verwandt, welches im Schwed. nur sla und im Nieders. slaan lautet. Frisch und Wachter sahen diese Verwandtschaft schon ein, irreten aber in der Verbindung beyder Bedeutungen, indem sie schlau von einer Person erkläreten, die durch Schläge klug geworden.


Schlaube (W3) [Adelung]


Die Schlaube, plur. inus. ein im Hochdeutschen unbekanntes, nur in einigen Gegenden gangbares Wort, die Hülse, Schale zu bezeichnen. S. Schlaue.


Schlauch (W3) [Adelung]


Der Schlauch, des -es, plur. die Schläuche, ein Wort, welches überhaupt den Begriff des hohlen oder vertieften Raumes hat. 1) Im weitesten Verstande, in welchem bey dem Matthesius die Sümpfe und Schläuche des Meeres die Schlünde, Abgründe, tiefsten Stellen desselben sind. Bey dem Kaiserberg und andern ältern Oberdeutschen Schriftstellern ist Schlauch, Schlug, der Schlund, die Gurgel, ( S. auch Schlacht Anm.) Noch häufiger 2) im engern Verstande, mit dem Begriffe des Biegsamen, wo dieses Wort noch in vielen Fällen gebraucht wird, aus einer biegsamen Materie bestehende hohle Räume zu bezeichnen. In den warmen Ländern werden der Wein und andere flüssige Körper in ledernen Schläuche aufbehalten und verführet. Lederne oder leinwandene Röhren oder Canäle, flüssige Körper darin von einem Orte zum andern zu leiten, heißen fast in allen Fällen Schläuche oder Schlauchröhren. Dergleichen sind die Schläuche an den Schlangenspritzen, die Weinschläuche, Bierschläuche u. s. f. mit welchen letztern Wein oder Bier in die Keller und Fässer geleitet wird. Das Zeugungsglied mancher großen männlichen Thiere, besonders der Pferde und Esel, heißt der Schlauch. An dem Lauche, Zwiebeln u. s. f. sind die hohlen, aufgeblasenen Stängel unter dem Nahmen der Schläuche bekannt, und in manchen Gegenden wird auch ein herab hangender Bauch, ingleichen die herab hangende Haut am Halse, der Schlauch genannt.

Anm. Im Böhm. Sslauch. Es stammet in der weitesten Bedeutung von schlagen her, so fern es ehedem auch sich in die Tiefe bewegen bedeutete, daher auch Schlag von Graben und andern Arten der hohlen Räume gebraucht wird. ( S. auch Schluche.) In der zweyten Bedeutung kommt noch der Begriff der Schlaffheit, des Schlotterns, der Biegsamkeit hinzu, indem im Angelsächs. Sleak, im Schwed. slak, und im Niederdeutschen schlack, so viel wie schlaff ist, ( S. Schlackig.) Sehr nahe ist mit unserm Schlauch das Niederdeutsche Slu, Sluwe, in einigen Oberdeutschen Gegenden Schlaube, Schlaue, verwandt, die Hülse, Schale gewisser Früchte zu bezeichnen, Holländ. Sloester. Ohne Zischlaut gehöret auch Loch mit seinen Verwandten dahin.


Schlauchbohrer (W3) [Adelung]


Der Schlauchbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Bohrer, den Wein vermittelst derselben durch die Schläuche aus den Fässern zu ziehen; in einigen Gegenden der Schlauchnäber.


Schlauchen (W3) [Adelung]


Schlauchen, verb. reg. act. welches nur in den zusammengesetzten ausschlauchen vorkommt, den Schlauch, d. i. das Innere einer Röhre, auch wenn sie aus fester Materie bestehet, reinigen. Die Röhren der Wasserleitungen müssen von Zeit zu Zeit ausgeschlaucht werden, welches vermittelst eichener, sechs Ellen langer Schlauchruthen geschiehet, welche von einem Spunde zum andern reichen.


Schlauder (W3) [Adelung]


Die Schlauder, plur. die -n, in der Baukunst und bey den Eisenarbeitern, ein Nahme, welchen auch die Schließ- und Giebelanker der Gebäude und alle ähnliche große Verbindungen führen. Da diese Schlaudern aus starken Stangen bestehen, welche mit starken Schließen oder Niethen an einander befestiget sind, so kann so wohl der Begriff des Schließens, als auch des Schlauderns und Schlotterns, darin zum Grunde liegen. Siehe Schlaudern.


Schläuder (W3) [Adelung]


Die Schläuder, plur. die -n, ein Werkzeug, damit zu schläudern, es bestehe nun in einem bloßen ledernen Riemen, Steine, Kugeln u. s. f. damit aus freyer Hand zu schläudern, oder in einem Gerüste, große Lasten damit fortzuschläudern, dergleichen Werkzeuge man ehedem vor Erfindung des groben Geschützes im Kriege gebrauchte. In weiterer Bedeutung ist die Schläuder bey den Landleuten, ein starkes Band oder lederner Riemen, womit der Mähder die Sense an dem rechten Arme befestiget, damit er sie desto sicherer und gewisser führen könne.

Anm. Im Nieders. Slenker, Engl. Sling, Schwed. Sljunga, von schlenkern, S. dasselbe.


Schläuderer (W3) [Adelung]


Der Schläuderer, des -s, plur. ut nom. sing. der mit der Schläuder geschickt umzugehen weiß. In den ältesten Kriegsverfassung wurden diejenigen Soldaten, deren vornehmstes Gewehr in der Schläuder bestand, Schläuderer genannt.


Schlaudern (W3) [Adelung]


Schlaudern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das Neutrum des folgenden Activi ist, aber nicht überall gehöret wird, sich schnell und mit einem Schwunge hin und her bewegen. Eine Spule schlaudert, wenn sie in der Bewegung um ihre Achse sich zugleich seitwärts, hin und her beweget. So schlaudert auch das Holz auf der Drehbank. Der Schlitten schlaudert, wenn er im Fahren mit einem Schwunge seitwärts gleitet. In vielen Gegenden ist dafür auch schläudern üblich. Das Stammwort ist ein veraltetes schlauden, schlauen, wovon noch unser Schlitten und schleunig abstammen; die Sylbe ern zeiget die Iteration an. Das Intensivum davon ist schlottern.


Schläudern (W3) [Adelung]


Schläudern, verb. reg. welches in gedoppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, statt des vorigen schlaudern, in welcher Gestalt es auch im Hochdeutschen nicht unbekannt ist. 1) Eigentlich. Die Spule schläudert. ( S. das vorige.) 2) Figürlich, nachlässig, obenhin etwas verrichten. So sagt man von einem Arbeiter, der seine Arbeit nur so obenhin verfertiget, daß er schläudere. Ein Kaufmann schläudert, wenn er seine Waare, um sie nur los zu werden, unter dem gewöhnlichen Preise verkauft. Mit seiner Waare schläudern. Seine Waaren schläudern. Die Niedersachsen sagen in diesem Falle slackern, welches auch eigentlich wackeln, von einer Seite zur andern schlagen, bedeutet. 2. Als ein Activum, mit einem Schwunge, und einer gleichsam zitternden Bewegung werfen. Steine schläudern, mit der Schläuder werfen. Sie sind immer wie ein Jupiter, der stets den Blitz in der Hand trägt, ohne zu bedenken, daß er in der Hitze, womit er ihn schläudert, auch einen Unschuldigen treffen könne, Weiße. Gleich Hagel vom Sturme geschleudert zerschlägt er die nährenden Halmen, Kleist. Wenn Wogen Himmel an vom Sturm geschleudert fliegen, Dusch. So auch das Schläudern.

Anm. ( S. Schlaudern.) Gemeiniglich schreibt man diese Wörtern Schleuder und schleudern, welche Schreibart sich auch vertheidigen läßt. Hier hat man um des Zusammenhanges mit dem Neutro schlaudern willen, die mit äu vorgezogen.


Schläuderstein (W3) [Adelung]


Der Schläuderstein, des -es, plur. die -e, ein Stein, welcher mit der Schläuder geworfen werden soll, geschickt ist mit der Schläuder geworfen zu werden.


Schlaue (W3) [Adelung]


Die Schlaue, plur. die -n, nur in einigen Gegenden, die Hülse, Schale, wie Schlaube, z. B. die grüne Schale der Wälschen Nüsse. Daher die Nüsse ausschlauen, sie aus diesen Schalen nehmen.


Schlauheit (W3) [Adelung]


Die Schlauheit, plur. inus. das Abstractum von dem Bey- und Nebenworte schlau, der Zustand, die Eigenschaft, da ein Ding schlau ist; wie Klugheit von klug. Schlauigkeit, wie auch nicht ungewöhnlich ist, ist niedriger.


Schlaukopf (W3) [Adelung]


Der Schlaukopf, des -es, plur. die -köpfe, eine schlaue Person, in der vertraulichen Sprechart, nach dem Muster von Dummkopf.


Schläunig (W3) [Adelung]


Schläunig, S. Schleunig.


Schlecht (W3) [Adelung]


Das Schlecht, S. Geschlecht.


Schlecht (W3) [Adelung]


Schlecht, -er, -este, adj. et adv. welches von dem Zeitworte schlagen abstammet, und vornehmlich in folgenden Hauptbedeutungen üblich ist. 1. Von schlagen, sich in die Länge ausdehnen, ist schlecht gerade; Nieders. sligt, in Baiern schlett, schlätz, Schwed. slät. 1) * Eigentlich; welche Bedeutung jetzt im Hochdeutschen veraltet ist, ehedem aber sehr gangbar war, da es denn dem krumm entgegen gesetzet wurde. Was krumm ist, kann nicht schlecht werden, Pred. 1, 15. Wer kann das krumme schlecht machen? Kap. 7, 14. Den Leviathan, der eine schlechte Schlange, und den Leviathan, der eine krumme Schlange ist, Es. 27, 1. Sprichw. Geld macht krumme Sachen schlecht, gerade. Lief den nächsten auf den Held schlecht, Theuerd. Kap. 17, lief gerade auf ihn zu. Auf schlechter ebner Bahn ist gut und sicher wallen, Logau. S. auch Schlicht. 2) Figürlich. (a) Redlich, rechtschaffen, der Billigkeit und dem Gesetze gemäß, im Gegensatze der krummen, unlautern Gesinnung; in welchem Verstande es nur noch zuweilen als ein Nebenwort und in Verbindung mit dem recht gebraucht wird, besonders in der biblischen Schreibart. Hiob ist schlecht und recht, gottesfürchtig, und meidet das Böse, Hiob 1, 8. Siehe, deine Sache ist recht und schlecht, aber du hast keinen Verhör vom Könige, 2 Sam. 15, 3. Bey dem Ottfried ist slehtaz billig. In recht, rechtschaffer, richtig, aufrichtig liegt eben dieselbe Figur zum Grunde. (b) * Einfältig, d. i. Mangel am Verstande leidend; eine im Hochdeutschen fremde Bedeutung, in welcher es aber auch eine Figur der letzten Hauptbedeutung seyn könnte. Er ist seit einiger Zeit schlecht geworden, für einfältig, in einigen Oberdeutschen Gegenden. Auch das Niedersächs. sligt ist in eben der Bedeutung üblich. (c) Wird es als eine Partikel in verschiedenen Verbindungen für unbedingt, ohne Bedingung und Einschränkung, und nach einer noch weitern Figur für völlig, gänzlich, gebraucht. Ein Hurenkind soll schlecht nicht in die Gemeine des Herrn kommen, 5 Mos. 23, 2, das ist, durchaus nicht. Doch so für sich allein ist es in dieser Bedeutung veraltet, nicht aber in den Verbindungen schlecht bin, oder schlechthin und schlechterdings, Oberdeutsch schlechter Dingen, ( S. Ding.) Sie wollen schlechthin, daß ich ihn für einen ehrlichen Mann erkennen soll, d. i. durchaus ohne Bedingung und Einschränkung. Noch üblicher ist in diesem Verstande das schlechterdings. Was kann man nicht durchsetzen, wenn man es schlechterdings will? Gott handelt hierin nicht schlechterdings, auf unbedingte Art, mit unumschränkter Macht. Ingleichen für durchaus, völlig, gänzlich, als eine mit Nachdruck bekräftigende oder verneinende Partikel. Er konnte vor Weinen schlechterdings nichts sagen. Die lange Angst hat mich schlechterdings unkenntlich gemacht, völlig. Er hat es schlechterdings gethan. Auf eben die Art ist in der vertraulichen Sprechart auch platterdings üblich. Der Stand ändert oft die Bedeutung. Es ist nicht schlechterdings wahr, nicht ohne alle Bedingung und Einschränkung; es ist schlechterdings nicht wahr, durchaus nicht. 2. So fern schlagen in Verwandtschaft mit schleichen der nachgeahmte Laut einer schnellen, leichten, einförmigen Bewegung ist, ist schlecht so wohl eben, als glatt und leicht. 1) * Eben, Nieders. sligt, Schwed. slät, bey den Schwäbischen Dichtern sleht; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Was höckericht ist, soll schlecht werden, Es. 40. 2) Glatt, welches so wie gleiten selbst mit diesem Worte verwandt ist. (a) * Eigentlich; Schwed. slät, Nieders. sligt, ( S. Schlichten.) Auch in dieser Bedeutung ist es veraltet. (b) Figürlich. (aa) * Gütig, sanftmüthig, ingleichen schmeichelhaft, Schwed. siät; zwey im Deutschen längst veraltete Bedeutungen, in welchen Kero die Schmeicheleyen Slechtiu nennet. (bb) Ohne Zusatz, ohne künstlichen Zusatz, gewöhnlich u. s. f. wo aber auch die erste Bedeutung des gerade mit eintreten kann. Schlechte Manschetten, glatte, einfache, im Gegensatze der ausgenäheten oder mit Spitzen besetzten. Ein schlechtes Kleid, im Gegensatze eines bordierten. Es ist nur schlechtes Holz, gewöhnliches. Die Taufe ist nicht schlecht Wasser. Sich ganz schlecht kleiden, einfach, ohne allen künstlichen Putz. Ich will gern schlecht und recht gehen, wenn ich sie nur galant sehe, Gell. So auch in den zusammen gesetzten Nebenwörtern schlechtweg und schlechthin. Ein Flecken schlechthin, ohne allen weitern Zusatz, im Gegensatze des Marktfleckens. Sich schlechtweg kleiden, einfach, ungekünstelt. Da diese Bedeutung mit den beyden folgenden leicht Mißdeutung veranlassen kann, so muß man sich ihrer mit Vorsicht: bedienen, wie sie denn auch wirklich in Abgang zu kommen anfängt. Im Italiänischen ist schietto rein, lauter, unvermischt. 3) Leicht; in welcher Bedeutung es mit diesem leicht selbst sehr nahe verwandt, und durch den vorgesetzten Zischlaut daraus gebildet ist. In beyden ist die leichte Bewegung der Grund der Benennung. (a) * Eigentlich; eine längst veraltete Bedeutung, von welcher doch noch hin und wieder Spuren übrig sind. Bey dem Kero ist slechti lohhe ein leichtes Joch. (b) Figürlich, einen geringen oder geringern Werth habend, wo es oft dem gut entgegen gesetzet wird. Indessen kann es seyn, daß es in dieser Bedeu- tung nur eine fortgesetzte Figur der vorigen Bedeutung ist. Im Böhmischen ist zlehciti geringe werden, und ohne Zischlaut lehky geringe. Schlechtes Gold, welches man auch leichtes nennet, geringhaltiges, im Gegensatze des guten. Etwas um ein schlechtes Geld kaufen, um ein geringes, der Zahl nach. Das ist ein schlechtes für einen so reichen Mann, ein geringes. Sich um schlechte Dinge erzürnen, um geringe, unerhebliche Dinge. Eine schlechte Anzahl, eine geringe. Schlechte Leute, von geringem Stande. Von schlechtem Herkommen, im Gegensatze des guten. Ein schlechter Edelmann, ein gemeiner Edelmann, der keine andere als adelige Würde hat. Eine schlechte Mahlzeit, von geringem Werthe. Jetzt hüthe ich um schlechten Lohn hier diese Ziegen, Geßn. Eine schlechte Besoldung. Um der Zweydeutigkeit mit der folgenden Bedeutung willen, kann es bey einem unbehuthsamen Gebrauche auch hier leicht Mißdeutung verursachen. Indessen ist es in diesem Verstande im gemeinen Leben am üblichsten. 3. Einen völligen Mangel an den nöthigen und verlangten Eigenschaften habend und darin gegründet. Man siehet es hier gemeiniglich als eine fortgesetzte Figur der vorigen Bedeutung an; allein es scheinet vielmehr eine eigene Classe von Bedeutungen auszumachen, welche von schlagen, so fern es auch verwunden und verletzen bedeutet, abstammet, indem die meisten ähnlichen Wörter auf ähnliche Art gebildet sind. Schlecht würde also eigentlich durch eine erlittene Verletzung zu seiner Absicht und Bestimmung untauglich bedeuten, und mit dem Nieders. leeg, schlecht, schlimm, böse, und dem Schwed. Lack, ein Mangel, Fehler, verwandt seyn, welche auf ähnliche Art von lachen, verwunden, verletzen, abstammen, obgleich das Nieders. leeg auch die Ableitung von leg, niedrig, verstattet. 1) Überhaupt, der verlangten, der Absicht und Bestimmung gemäßen Beschaffenheit beraubt und darin gegründet; wo es in den meisten Fällen dem gut entgegen gesetzt ist, und auch eben dieselben Unterabtheilungen leidet, ( S. Gut I.) Schlechter Wein, schlechtes Bier, schlechtes Brot. Schlechtes Gold. Ein schlechtes Zimmer, ein schlechtes Haus. Die letzte Messe war sehr schlecht. Schlechtes Wetter, unangenehmes, nicht so wie man es wünschet. Die schlechteste Waare. Das sind schlechte Ursachen, schlechte Entschuldigungen. Es hat noch ein schlechtes Ansehen dazu. Die Zeiten werden immer schlechter. Das ist ein schlechter Trost. Ein schlechter Bezahler, der nicht so bezahlet, als es sich gebühret. Jemanden schlecht empfangen, bewirthen. Sich schlecht verhalten. Schlecht bestehen. Ein schlechtes Gedicht. Es gehet ihm schlecht. Ich weiß es ihnen schlechten Dank. Dabey komme ich schlecht zurechte. Eine schlechte Meinung von jemanden haben. 2) In einigen engern Bedeutungen. (a) Von einem Kranken der sich sehr krank befindet, von welchem wenig Hoffnung übrig ist, sagt man, er befinde sich schlecht. (b) In Ansehung des Vermögens und des Nahrungszustandes stehet jemand schlecht, (im gemeinen Leben ist jemand schlecht,) wenn er allem Anschein nach nicht im Stande ist, seine Schulden zu bezahlen. Die Handlung steht schlecht, eine schlechte Handlung. (c) Zuweilen wird es auch für niederträchtig gebraucht. Ein schlechter Mensch. Schlecht denken, handeln. Schlecht mit jemanden umgehen. Schlechte Reden führen.

Anm. Im Nieders. sligt, im Schwed. slät, im Engl. slight, im Ital. schietto. Es stammet in allen seinen Bedeutungen ohne Zweifel von schlagen ab. Ehedem hatte man von diesem Beyworte das Hauptwort die Schlechte, so wohl die schlechte Beschaffenheit in allen obigen Fällen zu bezeichnen, da es denn auch von Billigkeit, Güte, Sanftmuth, Schmeicheley u. s. f. gebraucht wurde, als auch eine Ebene, eine Fläche, in der zweyten Hauptbedeutung des Beywortes. Worold Slihti, die Fläche der Welt, Ottfr. Jetzt ist dieses Hauptwort, den folgenden Gebrauch etwa ausgenommen, veraltet. Im gemeinen Leben höret man von der schlechten Beschaffenheit zuweilen die Schlechtigkeit; der anständigen Sprechart würde Schlechtheit angemessener seyn, obgleich solches nicht allgemein üblich ist.


Schlechte (W3) [Adelung]


Die Schlechte, plur. die -n. 1) Im Bergbaue einiger Gegenden, wo es eine Lage, eine Schicht, ein Flötz zu bedeuten scheinet. Das Fahlerz setzt hier trümmerweise auf den Schlechten des Schiefers durch. Die thonichten Schlechten, welche nach und nach theils ausgetrocknet, theils ausgewaschen worden. Und von schlagen, sich in die Länge und Breite ausdehnen. ( S. die

Anm. zu dem vorigen.) 2) Im Wasserbaue wie Schlacht 1, ein Damm von Faschinen, S. daselbst.


Schlechterdings (W3) [Adelung]


Schlechterdings, adv. S. in Schlecht 1 2) (c).


Schlechtfalke (W3) [Adelung]


Der Schlechtfalke, des -n, plur. die -n, eine Art Falken, welche auch Blaufuß und großer Weißbacke genannt wird. In Sachsen kennet man zwey Arten Schlechtfalken, den kleinen und den großen.


Schlechtfärber (W3) [Adelung]


Der Schlechtfärber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme der ehemahligen Schwarzfärber oder Leinwandreißer, zum Unterschiede von den Schönfärbern, S. das letztere.


Schlechtheit (W3) [Adelung]


Die Schlechtheit, plur. inus. S. Schlecht Anm.


Schlechthin (W3) [Adelung]


Schlechthin, adv. S. in Schlecht 1 2) (c).


Schlechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Schlechtigkeit, plur. inus. S. Schlecht Anm.


Schlechtweg (W3) [Adelung]


Schlechtweg, adv. S. in Schlecht 2 2) (b).


Schlecken (W3) [Adelung]


Schlecken, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt, eine unmittelbare Onomatopöie, der Form nach aber das Intensivum von lecken ist, mit einem verstärkten Laute lecken, ingleichen, etwas schmackhaftes mit kleinen Bissen und einem schmatzenden Laute essen. Es ist nur im gemeinen Leben üblich, so wie die Zusammensetzungen ausschlecken, beschlecken u. s. f. Im Schwed. sleka, im Isländ. sleika, welche auch nur lecken schlechthin bedeuten. So auch das Schlecken.


Schlecker (W3) [Adelung]


Der Schlecker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schleckerinn, eine Person, welche gern gute Bissen isset; eine leckere Person, im gemeinen Leben ein Schleckermaul. Bey den Jägern wird ein Hirsch, welcher keinen richtigen Wechsel hält, sondern bald hier, bald dorthin in ein gutes Geäß ziehet, ein Schlecker genannt.


Schleckerey (W3) [Adelung]


Die Schleckerey, plur. die -en. 1) Das Schlecken; ohne Plural. 2) Leckere Bissen oder Speisen, z. B. Zuckerwerk und dergleichen; Schleckerwerk, Naschwerk, Leckerbissen.


Schleckerhaft (W3) [Adelung]


Schleckerhaft, -er, -este, adj. et adv. ungeordnete Begierde nach Schleckereyen empfinden und darin gegründet; lecker. Daher die Schleckerhaftigkeit.


Schleckern (W3) [Adelung]


Schleckern, verb. reg. act. et neutr. im letztern Falle mit dem Hülfsworte haben, welches das Intensivum und Iterativum von schlecken ist, aber nur im gemeinen Leben gebraucht wird; Nieders. slickern.


Schleebäuchig (W3) [Adelung]


Schleebäuchig, von den Pferden für schlägebäuchig, S. Herzschlächtig.


Schlehblüthe (W3) [Adelung]


Die Schlehblüthe, Schlehdorn, S. Schlehenblüthe u. s. f.


Schlehe (W3) [Adelung]


Die Schlehe, plur. die -n, die Frucht des Schwarz- oder Schlehendornes, welche in einer runden schwarzblauen Beere von der Größe einer Weinbeere bestehet, und einen sehr herben Geschmack hat.

Anm. Im Nieders. Slee, im Oberd. Schlech, in einigen gemeinen Sprecharten Schlinke, im Angels. Sla, im Engl. Sloe, im Schwed. Slan, im Slavon. Sliwa. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die herbe, den Mund zusammen ziehende Eigenschaft die- ser Frucht, welche sie so eigenthümlich von andern unterscheidet, auch der Grund ihrer Benennung ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden hat man wirklich das Bey- und Nebenwort schlehe, schlähe, herbe, was die Zähne stumpf macht; ein schleher Geschmack, die Zähne werden schlehe. Ingleichen das Zeitwort schlehen, die Zähne stumpf machen, Ital. ohne Zischlaut, legare, allegare, lazzare. Im Nieders. ist slee und im Schwed. slö stumpf überhaupt. In einigen Oberdeutschen Gegenden heißt diese Frucht Pinserling, welches Frisch von Pinne herleitet, wegen der Dornen, womit ihre Staude besetzt ist.


Schlehenblüthe (W3) [Adelung]


Die Schlehenblüthe, plur. die -n, die Blüthe oder Blumen des Schlehendornes; im gemeinen Leben Schlehblüthe.


Schlehendorn (W3) [Adelung]


Der Schlehendorn, des -es, plur. die -en, im gemeinen Leben Schlehdorn, derjenige dornartige oder mit Dornen versehene Strauch, welcher die Schlehen träget, welcher nach dem Linnee zu dem Geschlechte der Pflaumen gehöret; Prunus spinosa L. Schwarzdorn.


Schlehenroth (W3) [Adelung]


Schlehenroth, adj. et adv. ein in dem Weinbaue übliches Wort, wo der schlehenrothe Wein eine Art schlechter rother Weintrauben ist, welcher saure und herbe Beeren, gleich den Schlehen hat.


Schlehenwein (W3) [Adelung]


Der Schlehenwein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein aus dem Safte der Schlehen bereiteter Wein.


Schleichbrief (W3) [Adelung]


Der Schleichbrief, des -es, plur. die -e, ein noch in den Rechten einiger Gegenden übliches Wort, eine Urkunde zu bezeichnen, welche über die geschehene Vertauschung zweyer Dinge ausgefertiget wird; besonders eine Urkunde über die Vertauschung eines Leibeigenen mit dem andern. Und so ist es auch wohl bey dem Wehner zu verstehen, wenn er in Observ. Pract. Schleichbrief durch litteras manumissorias, sive super manumissione datas erkläret. Wenn diese Vertauschung (wie ich doch nicht gewiß weiß) etwas Unrechtmäßiges und Heimliches voraus setzt, so ist die Erklärung dieses Wortes leicht zu machen.


Schleichdrucker (W3) [Adelung]


Der Schleichdrucker, des -s, plur. ut nom. sing. wie Schleichhändler, ein Buchdrucker, welcher insgeheim verbothene Bücher druckt, oder die Bücher anderer auf unrechtmäßige Art im Verborgenen nachdruckt.


Schleichen (W3) [Adelung]


Schleichen, verb. irreg. Imperf. ich schlich; Mittelw. geschlichen; Imper. schleiche, schleich. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des langsamen, leisen, kaum in das Gehör fallenden Ganges, und in weiterer Bedeutung einer solchen Bewegung, und ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, sich auf solche Art fortbewegen. 1. Für kriechen, doch zunächst nur von solchen Thieren, welche ohne alle Füße sich durch Bewegung des Leibes fortbewegen, dagegen kriechen sehr kurze Füße voraus setzet. Die Schlangen schleichen. Was auf Erden schleicht, soll euch unrein seyn, 3 Mos. 11, 41 f. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung wenig gangbar, weil man dafür kriechen gebraucht, selbst von solchen Gewürmen, welche aller Füße beraubt sind. S. Blindschleiche. 2. Einen leisen und dabey langsamen Gang haben, leise und langsam gehen, besonders so fern man dadurch seinen Gang zu verheimlichen sucht, und in weiterer Bedeutung, sich auf solche Art unbemerkt bewegen. 1) Eigentlich. Er schleicht wie eine Katze, wie ein Fuchs. Er ist davon geschlichen. Ein alter Bauer, der mit seinem Knotenstocke an der Hecke schlich, Jacobi. Gleich schlich zu seinem Glücke ein siecher Alter vor ihr Haus, Gell. Und schleicht mit scheuem Blicke Und mehr als dieb'scher Furcht zurücke, Haged. Die Pest, die im Finstern schleicht, Ps. 91, 6. Schleichend kommen, wofür doch, wie bey den meisten übrigen Zeitwörtern der eigenen Bewegung, das Mittelwort der vergangenen Zeit, geschlichen kommen, üblicher ist. Das Blut, das so träge in deinen Adern schleicht. Ha, wenn ein solcher Wunsch in meine Seele schlich, Weiße. Ingleichen in Gestalt eines Reciproci, wo es aber eigentlich das folgende Activum ist, daher alsdann auch wie alle Reciproca das Hülfswort haben bekommt. Jetzt schlich ich leise zu ihrem Bette mich hin, Geßn. Sich in das Haus schleichen. Er schlich sich ganz leise wieder nach seinem Zimmer. Diese Thräne, die sich aus ihrem Auge schleicht, Less. In meine Spiele schleicht sich nicht späte Klage, Weiße. 2) Figürlich. (a) Ein so schleichendes Fieber, welches den Kranken langsam und unbemerkt auszehret. (b) Ein Stück Butter zerschleichen lassen, in den Küchen, es langsam und bey gelinder Wärme zergehen lassen. (c) In seinem Betragen mit merklicher Verheimlichung seiner Absichten und Mittel verfahren. Von einem solchen Menschen sagt man, er schleiche. Ein schleichendes Wesen haben. Siehe Schleicher. II. Als ein Activum, auf eine leise und langsame Art fortbewegen; wo es doch nicht so gangbar ist, als das vorige Neutrum. Hier schlich sie ihre Hand in die seine. Verbothene Waaren in eine Stadt schleichen, heimlich bringen, wofür doch schleifen üblicher ist. So auch das Schleichen.

Anm. Bey dem Ottfried sleihen, bey dem noch ältern Kero slihhan, von welcher Form das Imperfect und Mittelwort unsers schleichen herstammen, im Nieders. sliken, im Schwed. slika, slinka, im Angels. mit dem Naselaute slincan, im Lettischen slenku. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des Lautes und daher mit Schlick und Schlich, Schleiche u. s. f. in welchen der Begriff des Schleimigen und Glatten der herrschende ist, nahe verwandt. S. auch Schleifen, welches diesem Zeitworte nahe angehöret.


Schleicher (W3) [Adelung]


Der Schleicher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Ding, eine Person, welcher schleicht. In dem Thierreiche ist der Schleicher eine den Vipern ähnliche Art Eidechsen mit kurzen Füßen, Seps L. welcher auch Kurzbein genannt wird. Ingleichen von Menschen, eine Person, welche schleicht; auch figürlich, welche ihre Absichten auf eine unbemerkte Art zu erreichen sucht, wo von weiblichen Personen auch das weibliche Geschlecht, die Schleicherinn, üblich ist. Nieders. Sliker, Lieskentreder, Leisetreter.


Schleichhandel (W3) [Adelung]


Der Schleichhandel, des -s, plur. inus. ein heimlicher Handel mit verbothenen, oder verstohlner Weise eingeführten erlaubten Waaren; Nieders. Sluuphandel, von sluppen, schliefen, schlüpfen, schlupfen, auch im Hochdeutschen wohl Schleifhandel.


Schleichhändler (W3) [Adelung]


Der Schleichhändler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schleichhändlerinn, eine Person, welche einen Schleichhandel treibt, mit verbothenen Waaren handelt, oder erlaubte Waaren auf eine verbothene und verstohlene Art einführet oder verhandelt; der Schleifhändler. Im gemeinen Leben hat man verschiedene besondere Nahmen für solche Schleichhändler, wohin die Nieders. Lorrendreiher, Snuggeler, Engl Smuggler, das Oberdeutsche Schwärzer, Pascher u. s. f. gehören, mit ihren Zeitwörtern snuggeln, schwärzen, paschen u. s. f. Schleichhandel treiben.


Schleichtreppe (W3) [Adelung]


Die Schleichtreppe, plur. die -n, eine verborgene, nicht jedermann bekannte Treppe in einem Hause, mit niedrigen Stufen, vermittelst derselben in die obern Zimmer zu schleichen, d. i. unbemerkt zu kommen; die Schleiftreppe.


Schleichweg (W3) [Adelung]


Der Schleichweg, des -es, plur. die -e. 1) Ein Fußsteig in einem Gehölze, das Wild zu beschleichen; der Bürschsteig. 2) Ein heimlicher verbothener Weg, welcher nur verstohlner Weise befahren wird; der Schleifweg.


Schleier (W3) [Adelung]


Der Schleier, S. Schleyer.


Schleif (W3) [Adelung]


Der Schleif, ein nur in der Zusammensetzung Unterschleif übliches Wort, S. dasselbe.


Schleifbank (W3) [Adelung]


Die Schleifbank, plur. die -bänke, eine Bank, d. i. ein Gestell, auf und vor derselben zu schleifen, dergleichen die Glasschleifer, Edelsteinschneider u. s. f. haben.


Schleifbaum (W3) [Adelung]


Der Schleifbaum, des -es, plur. die -bäume, bey den Webern, ein Baum, an welchem das Werft herunter schleifet oder schleichet, damit sie straff anhalte.


Schleife (W3) [Adelung]


Die Schleife, plur. die -n, von dem regulären Zeitworte schleifen. 1. Was geschleifet wird. 1) Bey den Jägern wird jede stark riechende Lockspeise, welche an eine Schnur gebunden und vor dem Holze her geschleppet wird, so wohl Schleife, als Schleppe und das Geschlepp genannt. In einigen Oberdeutschen Gegenden führet auch die Schleppe eines Kleides den Nahmen einer Schleife. 2) Eine Schlinge, sie bestehe nun aus Fäden, Haaren oder Draht. ist sehr häufig unter dem Nahmen der Schleife bekannt, Nieders. Slepe; ob man gleich bey den Jägern und Vogelstellern einen Unterschied macht, und ein solches Werkzeug, wenn sich das Federwild darin an dem Halse fängt, eine Schlinge, wenn es sich aber an den Füßen fängt, eine Schleife nennet. Ferner sind die Schleifen das, was man sonst auch Öhre, im Nieders. Ohsen nennet, sie bestehen nun aus einer biegsamen oder festen Materie. Die Schleifen an der Leinwand, womit sie im Bleichen an die Pflöcke befestiget wird, bestehen aus Band. Die kleinen Ohre von Draht, das Häkchen aufzunehmen, heißen in vielen Gegenden Schleifen, und in andern hat man auch aus biegsamen Holze gebogene Schleifen, dergleichen z. B. die an den Schleifkannen sind, ( S. dieses Wort.) Von noch anderer Art sind die aus Band gemachten Schleifen zur Zierde, welche aus Einer oder mehrern Schleifen der vorigen Art bestehen und auch Maschen genannt werden. Die Hutschleife, Halsschleife u. s. f. Den weißen Hals umgab ein schwarzes seidnes Band, Das sich bey seinem Kinn in eine Schleife wand, Zachar. 3) Auf den Gränz- und Marksteinen werden die willkührlichen Zeichen, welche auf dieselben eingehauen werden, sie bestehen nun aus Kerben und Linien oder aus andern Figuren, Schleifen genannt. Vermuthlich von dem Nieders. Intensivo Slopp, ein tiefer Einschnitt, eine Fleischwunde, welches ein Zeitwort schleifen voraus setzet, welches schneiden bedeutet hat, und zu welchem ohne Zischlaut das Wallis. llifio, feilen, gehöret. 2. Ein Werkzeug, darauf oder damit zu schleifen, in welchem Verstande besonders ein kleiner plumper Schlitten, Lasten darauf fortzuschleifen, eine Schleife genannt wird. Steine, Waaren auf der Schleife fortschaffen. Die Sturmfässer stehen gleichfalls auf solchen Schleifen. Nieders. Slöpe, im Österreichischen die Schlapfen.


Schleifen (W3) [Adelung]


Schleifen, ein Zeitwort, welches so wie alle, eine unmittelbare Nachahmung eines eigenthümlichen Lautes ist, und hernach zu Bezeichnung aller derjenigen Handlungen gebraucht wird, welche mit diesem Laute verbunden sind, oder doch zuerst unter demselben gedacht wurden. Daher kommt es denn, daß es in mehrern, dem Anscheine nach so verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. Es ist in doppelter Gestalt üblich. 1. Als ein reguläres Zeitwort, welches wiederum in einer zwiefachen Form vorkommt. 1. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert, eigentlich einen schleifenden Laut von sich geben, und in wei- terer Bedeutung, sich mit diesem Laute fortbewegen; wo es noch in manchen Gegenden für schleichen und das sehr nahe verwandte schliefen, dessen Intensivum schlüpfen und schlüpferig ist, gebraucht wird. Nieders. slipen, Engl. to slipp, Angels. slipan, Schwed. släpa, slipa, kriechen, ingleichen heimlich entfliehen. Daher ist für Schleichhandel auch Schleifhandel, für Schleichweg auch Schleifweg, für Schleichtreppe auch Schleiftreppe üblich. Im Hochdeutschen kommt es in dieser Bedeutung nur selten vor. 2. Als ein Activum, einen schleifenden Laut hervor bringen, und in weiterer Bedeutung diejenige Veränderung mit einem Dinge vornehmen, welche mit diesem Laute verbunden ist. 4) Einen Buchstaben schleifen, ihn ohne Stoß aussprechen. So wird das f geschleifet, dagegen das v gestoßen wird. In einem andern Verstande wird ein Buchstab geschleifet, wenn er gelinde und ohne Stoß mit dem folgenden Selbstlaute verbunden wird; z. B. Leibes, wo das b sanft in das e übergehet. Eben so werden in der Musik zwey Noten geschleifet, wenn sie ohne Stoß mit einander verbunden werden, daher zwey oder mehrere auf solche Art verbundene Noten auch wohl ein Schleifer genannt werden. 2) Einen Knoten schleifen, ihn vermittelst einer Schleife, eines um sich selbst geschlungenen Bandes oder Fadens, hervor bringen. 3) Einen auf einer Fläche ausgedehnten Körper unmittelbar auf derselben fortziehen. (a) Eigentlich, wo man es in einigen Gegenden in allen den Fällen gebraucht, wo dieser Begriff Statt findet. Z. B. ein Kleid schleifen, nach sich schleifen, einen Theil desselben auf der Erde nach sich ziehen; ein Kleid schleifen lassen; der Mantel schleift, als ein Neutrum, wird auf der Erde fortgezogen. Ich will Samaria zum Steinhaufen machen, und will ihre Steine ins Thal schleifen, Micha 1, 6. Die Juden schleifeten den Jason und etliche Brüder vor die Obersten der Stadt, Apost. 17, 6. In welchen sämmtlichen Fällen im Hochdeutschen schleppen üblicher ist, indem man daselbst schleifen nur von größern Körpern gebraucht, wenn sie auf die obige Art fortgezogen werden. Ein Stück Bauholz aus dem Walde schleifen, es ganz oder zum Theil auf der Erde liegend, aus dem Walde fortziehen lassen. Einen Missethäter auf einer Haut zum Richtplatze schleifen. Die Juden steinigten Paulum und schleiften ihn zur Stadt hinaus meynten, er wäre gestorben, Apost. 14, 19. Das Pferd schleifte seinen Reiter. Im Fischfange schleifet man, wenn man mit einem Garne hart auf dem Grunde herfähret, ( S. Schleifhamen.) Man siehet hieraus, daß schleifen im Hochdeutschen gerade nur in den Fällen üblich ist, wo der damit verbundene Laut diesem Worte angemessen ist. Schleppen ist zwar gewisser Maßen des Intensivum davon, allein es tritt in demselben auch der Begriff des schlapp mit ein, daher dasselbe in mehrern Fällen üblich ist als schleifen. Wenn aber die Oberdeutschen das letztere in allen Fällen für schleppen gebrauchen, so scheinet sich alsdann der Begriff des schlaff damit zu verbinden. In noch engerer Bedeutung schleifet man Waaren, Güter, Lasten u. s. f. wenn man sie auf einer Schleife von einem Orte zum andern schaffet. (b) Figürlich. Eine Feuermauer schleifen, sie nach einer schiefen Richtung führen, anstatt sie senkrecht gehen zu lassen. Eine geschleifte Feuermauer. S. auch Schleiflade. 4) Einreißen, zerstören. Im Niedersächsischen ist ein Schiff slopen, es, wenn es baufällig ist, aus einander nehmen oder einreißen. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur von Städten und Schlössern, seltener von Gebäuden und Mauern, wenn sie mit Gewalt zerstöret und gleichsam dem Erdboden gleich gemacht werden. Wir müssen das Land räumen, denn sie haben unsere Wohnungen geschleifet, Jer. 9, 19. Eine Stadt, ein Schloß schleifen lassen. Die Mauern hast du ihm herunter lassen reißen, Und seine Festungen ganz schleifen und zerschmeißen, Opitz. Ps. 89. Mit andern Endlauten ist dafür im Nieders. sligten, (schlichten, von schlecht, eben,) und in der Schweiz schleizen ( S. Schleißen) üblich. II. Als ein irreguläres Zeitwort; Imperf. ich schliff; Mittelw. geschliffen; Imperat. schleife oder schleif. Auch dieses wird in einer zwiefachen Form gebraucht. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Von dem Auerhahne sagt man, daß er schleife, wenn er im Balzen einen aus Zischen und Kirren zusammen gesetzten Laut von sich hören läßt, von welchem das Wort schleifen eine Nachahmung ist. 2) Stehend auf dem glatten Eise fortfahren, auch als eine unmittelbare Nachahmung des damit verbundenen Lautes. S. Gleiten. 2. Als ein Activum, durch Umdrehung einer scharf oder glatt machenden Scheide schärfen oder polieren. Messer, Scheren schleifen, durch Haltung an den um seine Achse sich drehenden Schleifstein; wodurch sich wetzen von schleifen unterscheidet. Ein geschliffener Degen. Glas, "Marmor", Edelsteine schleifen, ihnen vermittelst einer um ihre Achse beweglichen Scheibe Glätte und Glanz ertheilen. Von den Edelsteinen sagt man auch schneiden. Figürlich bedeutete es ehedem auch gesittet machen, welche Bedeutung doch jetzt nur noch in dem Gegensatze ungeschliffenen übrig ist, S. dasselbe. So auch das Schleifen, und in einigen wenigen activen Bedeutungen des regulären Zeitwortes die Schleifung.

Anm. Bey dem Ottfried, der es auch für fortgehen, fortschreiten gebraucht, sleifan, in dem alten Gedichte des heil. Anno in der letzten activen Bedeutung des irregulären Zeitwortes slifan, wovon noch das irreguläre Imperfect und Mittelwort unseres heutigen schleifen abstammen, im Österreich. schlaipfen, im Nieders. slepen, sliepen, im Schwed. slipa, im Wallis. yslipanu, wo ohne Zischlaut auch Ilifo schärfen, und Ilifio feilen ist, wohin auch das Lat. laevis, glatt, laevigare, glätten, und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, glatt, gehören. Schleppen ist das Intensivum davon, so wie auch schliefen und dessen Intensivum schlüpfen nahe damit verwandt sind.


Schleifer (W3) [Adelung]


Der Schleifer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein schleifendes Ding. In der Musik, zwey oder mehrere mit einander verbundene Noten. Bey dem Sprungfischen wird das untere längere Ende der Angel der Schleifer genannt, zum Unterschiede von dem Hüpfer. 2) Eine Person, welche schleifet, in der activen Bedeutung des irregulären Zeitwortes, besonders, wenn sie ihr Geschäft daraus macht; Fämin. die Schleiferinn. Am häufigsten in den Zusammensetzungen Scherenschleifer, Schwertschleifer, Rauhschleifer, Glasschleifer. 3) Ein alter Deutscher Tanz, welcher noch hin und wieder auf dem Lande üblich ist, und ein Sinnbild der Bewerbung um Gegenliebe abgibt, da im ersten Theile die Sprödigkeit des Mädchens, im zweyten aber die Erhörung abgebildet wird. Daher das Schleiferlied, welches die Melodie desselben enthält.


Schleifgöttinn (W3) [Adelung]


Die Schleifgöttinn, plur. die -en, bey den Handwerkern, und dem Schleifen, d. i. Deponiren des angehenden Gesellen, zwey andere Gesellen, welche bey dem Schleifen die Pathenstelle vertreten und dem Deponirten einen neuen Nahmen ertheilen; von dem Oberdeutschen Göthe, ein Pathe, daher sie in andern Gegenden auch Schleifpathen heißen.


Schleifhaken (W3) [Adelung]


Der Schleifhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein oben links und unten rechts gekrümmter Haken, dessen sich die Scherenschleifer bedienen, und welchen sie auch in ihrem Wapen führen.


Schleifhamen (W3) [Adelung]


Der Schleifhamen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fischerhamen, welcher hart auf dem Grunde des Wassers fortschleifet. Mit einem solchen Hamen fischen wird gleichfalls schleifen genannt.


Schleifkanne (W3) [Adelung]


Die Schleifkanne, plur. die -n, eine hölzerne aus Dauben zusammen gesetzte Kanne von verschiedener Größe, mit einer Schnautze und Handhabe; die Hümpe. Vielleicht von der auf dem Deckel befindlichen hölzernen Schleife oder Bügel, oder auch, weil man die größern Kannen dieser Art mehr schleifen als tragen muß.


Schleiflade (W3) [Adelung]


Die Schleiflade, plur. die -n, eine Art von Windladen in den Orgeln, vielleicht, weil sie geschleifet, d. i. schief geführet wird.


Schleifmühle (W3) [Adelung]


Die Schleifmühle, plur. die -n, ein Mühlwerk, wo allerhand Schleifsteine durch das Wasser umgetrieben werden, um das Schleifen zu erleichtern. Ingleichen eine Maschine, welche aus freyer Hand beweget wird, die optischen Gläser darauf zu schleifen.


Schleifnadel (W3) [Adelung]


Die Schleifnadel, plur. die -n, eine breite Nadel des andern Geschlechtes, die in Zöpfe geflochtenen Haare um dieselbe auf dem Kopfe zusammen zu wickeln oder zu schleifen; die Haarnadel. In einigen Gegenden sind auch die Schnürnadeln unter diesem Nahmen bekannt.


Schleifpathe (W3) [Adelung]


Der Schleifpathe, des -n, plur. die -n, siehe Schleifgöttinn.


Schleifpfaffe (W3) [Adelung]


Der Schleifpfaffe, des -n, plur. die -n, bey den Handwerkern und dem bey ihnen üblichen Schleifen der angehenden Gesellen, derjenige Gesell, welcher das Schleifen oder Deponiren verrichtet, und der auf den Universitäten ehedem der Depositor hieß. S. Gesellenpfaffe.


Schleifrebe (W3) [Adelung]


Die Schleifrebe, plur. die -n, die Nebenschößlinge an den Weinstöcken; vermuthlich so fern schleichen und schleifen gleichbedeutend sind, weil sie gleichsam verstohlner Weise hervor sprossen. S. auch Reifling.


Schleifreis (W3) [Adelung]


Das Schleifreis, des -es, plur. die -er, bey den Fuhrleuten, welche mit Karren fahren, lange Büsche, welche sie, wenn sie bergunter fahren, hinten an den Karren hängen, denselben dadurch aufzuhalten.


Schleifschale (W3) [Adelung]


Die Schleifschale, plur. die -n, bey den Glasschleifern, eine kupferne oder messingene Schale, worin die optischen Gläser geschliffen werden; die Schleifschüssel.


Schleifscheibe (W3) [Adelung]


Die Schleifscheibe, plur. die -n, die stählerne Scheibe der Steinschleifer, die Edelsteine daran zu schleifen oder zu schneiden.


Schleifschüssel (W3) [Adelung]


Die Schleifschüssel, plur. die -n, S. Schleifschale.


Schleifsel (W3) [Adelung]


Das Schleifsel, des -s, plur. inus. die zarten Späne, welche im Schleifen harter Körper abgehen, und auch das Abschleifsel, Schleifspäne, im gemeinen Leben aber auch der Schliff genannt werden.


Schleifspäne (W3) [Adelung]


Die Schleifspäne, sing. inus. S. das vorige.


Schleifstein (W3) [Adelung]


Der Schleifstein, des -es, plur. die -e, runde um ihre Achse bewegliche Steine, allerley Werkzeuge darauf zu schleifen, um sie so wohl scharf, als glänzend zu machen. Uneigentlich wird auch wohl ein Wetzstein zuweilen ein Schleifstein genannt.


Schleiftreppe (W3) [Adelung]


Die Schleiftreppe, plur. die -n, S. Schleichtreppe.


Schleiftrog (W3) [Adelung]


Der Schleiftrog, des -es, plur. die -tröge, das einem Troge ähnliche und mit Wasser angefüllte Gefäß, worin der Schleifstein um seine Achse beweglich ist.


Schleifweg (W3) [Adelung]


Der Schleifweg, des -es, plur. die -e, S. Schleichweg.


Schleifzehnte (W3) [Adelung]


Der Schleifzehnte, des -n, plur. die -n, eine Art des Zehnten, oder zu zehnten, wo der Zehntherr seine Zehntgarbe nehmen kann, wo er will.


Schleifzügel (W3) [Adelung]


Der Schleifzügel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Zügel für junge Pferde.


Schleihe (W3) [Adelung]


Die Schleihe, plur. die -n, ein zu dem Karpfengeschlechte gehöriger eßbarer Flußfisch, dessen am Hintern befindliche Finne 25 Strahlen hat; Tinca L. Er hat kleine dem bloßen Auge fast unmerkbare Schuppen, ist aber dafür mit einem dicken Schleime überzogen.

Anm. In einigen Gegenden Schleiche, in andern Schlein, Goldschlein, im Nieders. Slie, Sligger, im Norweg. und Dän. Slie, im Böhmischen ohne Zischlaut Lie; alle wegen seiner schleimigen, schlüpferigen Beschaffenheit, vermöge welcher er leicht aus der Hand schleicht. Die Schreibart Schleye läßt sich mit nichts rechtfertigen.


Schleim (W3) [Adelung]


Der Schleim, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine zähe, leimige und schlüpfrige Feuchtigkeit, welche sich im Wasser ganz auflöset. Gummi-Schleim, zu einem solchen Schleime aufgelösetes Gummi, Gerstenschleim, Haferschleim u. s. f. Aus den meisten Arten des Samens läßt sich ein solcher Schleim ziehen. Zäher Schleim auf der Brust. Anm. Bey dem Ottfried Sloum, im Nieders. Sliem, im Angels. und Engl. Slime, im Schwed. Slem, welche aber auch Schlamm, dicke Hefen, bedeutet, im Böhm. Ssleim, im Pohln. Slina. Die zähe, glatte und schlüpfrige Beschaffenheit ist der Grund der Benennung, daher theils ohne Zischlaut, theils mit andern Endlauten, Leim, Kley, eine fette Erde, Schleihe, schleichen, schliefen u. s. f. zu dessen Verwandtschaft gehören. Das Intensivum davon ist Schlamm bey welchem doch wegen des kurzen Vocales und verdoppelten m der Begriff der Schlüpfrigkeit sich verlieret.


Schleimapfel (W3) [Adelung]


Der Schleimapfel, des -s, plur. die -äpfel, die einem Apfel ähnliche Frucht des Schleimapfelbaumes, Crataeva Marmelos L. deren Samen mit einem durchsichtigen schleimigen Safte angefüllet sind. Der Baum ist in Ostindien einheimisch.


Schleimdrüse (W3) [Adelung]


Die Schleimdrüse, plur. die -n, gewisse Drüsen in dem menschlichen und thierischen Körper, welche den Schleim absondern; besonders in dem obern Theile der Nase.


Schleimen (W3) [Adelung]


Schleimen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt. 1) Schleim verursachen, Schleim geben, von sich geben; als ein Neutrum. Die Graupen schleimen schon. Gewisse Speisen schleimen, wenn sie Schleim in dem Körper verursachen. 2) Von dem Schleime befreyen, reinigen. Schleihen, Aale, Schnecken schleimen. Die Kalbsgedörme schleimen. So auch das Schleimen.


Schleimharz (W3) [Adelung]


Das Schleimharz, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein harziges Gummi, welches sich in einen Schleim auflösen läßt, Gummi resiuae; dergleichen die Myrrhe, das Bdellium, der stinkende Asand u. s. f. sind.


Schleimhaut (W3) [Adelung]


Die Schleimhaut, plur. die -häute, die mit den Schleimdrüsen versehene pergamentene Haut, mit welcher der Nasenknorpel inwendig überzogen ist.


Schleimig (W3) [Adelung]


Schleimig, -er, -ste, adj. et adv. Schleim enthaltend, von sich gebend.


Schleim-Kolik (W3) [Adelung]


Die Schleim-Kolik, plur. von mehrern Arten, die -en, eine Kolik, welche von angehäuftem Schleime in den Gedärmen entstehet.


Schleimpfropfen (W3) [Adelung]


Der Schleimpfropfen, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein schleimiges Gewächs, welches sich bald an die Fasern des Herzens, bald in der Nase ansetzet, und zu den Polypen gehöret.


Schleimstein (W3) [Adelung]


Der Schleimstein, des -es, plur. die -e. 1) Eine Art weißlicher Steine, welche schlüpfrig, wie ein Schleim anzufühlen sind. 2) Auch die Krebssteine führen zuweilen diesen Nahmen, weil sie aus einem Schleime entstehen sollen.


Schleißbaum (W3) [Adelung]


Der Schleißbaum, des -es, plur. die -bäume, in einigen Gegenden ein Nahme des Kienbaumes, weil sein fettes Holz häufig zu leuchtenden Schleißen gebraucht wird; die Schleißkiefer. S. Fichte.


Schleiße (W3) [Adelung]


Die Schleiße, plur. die -n, von dem Zeitworte schleißen. 1) Dünne lange geschlissene oder gespaltene Späne führen sehr häufig den Nahmen der Schleißen; von welcher Art besonders die aus dem Holze des Kienbaumes gerissenen Späne sind, deren sich die gemeinen Leute auf dem Lande und nahe an holzreichen Wäldern anstatt der Lichte und der Fackeln bedienen; Leuchtspäne. Im mittlern Lat. Esclichium, Franz. Eclisse. 2) Die abgezupften oder geschabten Fäden, deren sich die Wundärzte zu den Wunden bedienen, werden in manchen Gegenden gleichfalls Schleißen genannt. In andern heißen sie Meißeln, ( S. 1 Meißel,) gemeiniglich aber mit einem aus dem Französischen entlehnten Kunstworte Charpie. 3) In einigen Gegenden sind die Schleißen eine Art grober Nudeln, Böhm. Ssleyssky; vielleicht weil sie nur von dem Teige abgeschlissen oder abgerissen werden.


Schleißen (W3) [Adelung]


Schleißen, verb. irreg. Imperf. ich schliß, (in einigen Gegenden schloß,) Mittelw. geschlissen, (in einigen Gegenden geschlossen;) Imper. schleiß. Es ist eine Onomatopöie, welche den Laut einer zwar schnellen, aber doch gleichförmigen etwas heftigen Bewegung nachahmet, und daher in allen den Fällen gebraucht wird, wo dieser Laut Statt findet, ob es gleich im Hochdeutschen sehr veraltet ist, und kaum noch hin und wieder in einigen Fällen gebraucht wird. Es kommt in doppelter Gestalt vor. I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, aber im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird. 1) Reißen, spalten, abgenutzet werden, vergehen, alle in neutraler Bedeutung; Nieders. sliten. Die Kinder schleißen allgemach, fangen an zu schleißen, zu reißen, im Oberdeutschen. 2) * Entweichen, die Flucht ergreifen, einen Ort verlassen, wo es sich von lassen nur durch den Zischlaut unterscheidet; eine noch in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Bedeutung. Wir mußten Haus und Hof schleißen, verlassen, Scheuchz. Nieders. ehedem sleiten. 3) * Vergehen, ingleichen verfließen, von der Zeit; Niedersächs. sliten. Ehe noch zehen Jahre schleißen, verfließen, in einigen Oberdeutschen Gegenden. II. Als ein Activum, schleißen machen, in den Bedeutungen des vorigen Neutrum. 1) Reißen, spalten; bey dem Ottfried sleizan, der es auch figürlich für verletzen, übertreten gebraucht, da es denn von laedere, und unserm letzen in verletzen nur durch den Zischlaut unterschieden ist. Weiden schleißen, spalten. Kienholz schleißen, zu Schleißen spalten. Federn schleißen, den weichen haarigen Theil von dem Kiele reißen; Nieders. spleeten. Geschlissene Federn, in einigen Gegenden geschlossene; im Gegensatze der ungeschlissenen. Rinden schleißen, wofür im Hochdeutschen schälen oder abschälen üblicher ist. Im Oberdeutschen schleißet man auch Steine, welche man im Hochdeutschen spaltet. In noch weiterm Verstande schleißet man in einigen Oberdeutschen Gegenden Häuser, Mauern und Städte, wofür im Hochdeutschen schleifen, üblicher ist; Nieders. sliten. 2) * Fortbewegen, fortgehen machen, welche Bedeutung noch in verschleißen übrig ist, ( S. dasselbe.) 3) * Zu Ende bringen, endigen; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, welche in dem Nieders. sliten sehr gangbar ist. 4) Mit Schleißen versehen; Nieders. slesen. Zwey Breter schleißen, ihre Fugen mit Schleißen verstopfen. So auch das Schleißen.

Anm. Das Schwed. slita hat alle Bedeutungen mit unserm schleißen und dem Niedersächsischen sliten gemein, und bedeutet über dieß auch leiden, vermuthlich als ein durch den intensiven Zischlaut aus leiden gebildetes Wort. Unser Schlitten und schlitzen sind Intensiva von schleißen, welches überhaupt den Laut einer schnellen einförmigen Bewegung auf einer Fläche nachahmet. Im Hochdeutschen sagt man fast häufiger schließen, ich schloß und geschlossen, als schleißen, schliß und geschlissen. (Siehe auch 1 Schließen.) In manchen Gegenden gehet es regulär; ich schleißete, geschleißet.


Schleißenkiefer (W3) [Adelung]


Die Schleißenkiefer, plur. die -n, S. Schleißenbaum.


Schleißenschnitzer (W3) [Adelung]


Der Schleißenschnitzer, des -s, plur. ut nom. sing. ein an der Spitze gekrümmtes Messer mit einem dicken Rücken, die Schleißen oder Leuchtspäne damit zu schleißen, d. i. zu spalten.


Schleißenstamm (W3) [Adelung]


Der Schleißenstamm, des -es, plur. die -stämme, ein zu Schleißen dienlicher, zu Schleißen bestimmter Stamm.


Schleißenstock (W3) [Adelung]


Der Schleißenstock, des -es, plur. die -stöcke, in den Gegenden, wo sich die gemeinen Leute der Schleißen zum Leuchten bedienen, ein an einem Ende mit Eisen beschlagener Stock, die Schleißen darein zu stecken.


Schleißfeder (W3) [Adelung]


Die Schleißfeder, plur. die -n, die stärkern Federn, welche geschlissen werden müssen, wenn man sie in den Federbetten gebrauchen will; zum Unterschiede von den Flaumfedern.


Schleißholz (W3) [Adelung]


Das Schleißholz, des -es, plur. inus. zu Schleißen dienliches Holz. Besonders ist das Holz des Kienbaumes in einigen Gegenden unter diesem Nahmen bekannt.


Schleißzwiebel (W3) [Adelung]


Die Schleißzwiebel, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Winterzwiebeln, weil sie sich oben zu schleißen oder zu spalten pflegen; Spultzwiebel.


Schlemmen (W3) [Adelung]


Schlemmen, S. Schlämmen.


Schlender (W3) [Adelung]


Der Schlender, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte schlendern. 1) Ein schlendernder Gang; wo es doch eigentlich nicht gewöhnlich ist, wohl aber zuweilen figürlich für Schlendrian, d. i. die Fertigkeit zu Handlungen einer Art ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe, des Herkommen; Nieders. Slender, am Niederrheine der Schlaun. Man lasse ihn nach dem Schlenter (Schlender) so vieler beliebter Künstler nach der Mode zeichnen, Geßn. 2) In einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. zu Wien, auch im Niedersächsischen, ist Schlender, so wie Schlumper, ein Schleppkleid des weiblichen Geschlechtes.


Schlendergang (W3) [Adelung]


Der Schlendergang, des -es, plur. inus. 1) Ein schlenderhafter, schlendernder Gang. Seinen Schlendergang gehen. 2) Wie Schlender 1 und Schlendrian. Dem alten Schlendergange folgen. S. Schlendrian.


Schlendern (W3) [Adelung]


Schlendern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, bey einigen mit haben, langsam, träge und gedankenlos einher gehen; Nieders. slendern, in einigen Oberdeutschen Gegenden schlenzen, im Mecklenb. sleusen, im Osnabrück. sluren, im Brem. keyern. Allein ich schlentre (schlendre) mit, Haged. Sie waren ohngefähr eine Meile fortgeschlendert. Indessen mag er (der Pegasus) doch um deine Tafel schlendern, Günth. Wenn mit Bacchus oder Cypria Ich den Scherz im Nachtrock schlendern sah, Götting. Musen-Alman. 1776. So auch das Schlendern.

Anm. Im Schwed. slentra, welches aber auch überhaupt müßig seyn und müßig gehen bedeutet, wo auch slens müßig ist, im Franz. lanterner, ohne Zischlaut. Es ist das Iterativum oder Intensivum von einem veralteten slenden, welches ein Ausdruck der trägen, gedankenlosen Bewegung ist, und wohin, wenn man den Zischlaut wegnimmt, auch das Lat. lentus gehöret. Im Holländ. ist slindern kriechen. Die Schreibart schländern läßt sich mit nichts vertheidigen, so wie schlentern wider die allgemeine Aus- sprache streitet, zu geschweigen, daß das t auch der Sache selbst nicht angemessen ist.


Schlendrian (W3) [Adelung]


Der Schlendrian, des -s, plur. die -e, im figürlichen Verstande, die Fertigkeit Handlungen einer Art auf eine gedankenlose Art zu verrichten, ohne Plural; ingleichen Handlungen, welche man nach gewissen Vorschriften auf eine gedankenlose Art, d. i. ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe verrichtet. Den Schlendrian verstehen, die hergebrachte Gewohnheit. Dem alten Schlendrian folgen. So wollen sie auch der Väter ihren Schlendrian mitmachen, und ihrer Tochter einen Mann wählen? Schleg. Anm. Schon im Narrenschiffe Schlendrianus, im Schwed. Slenterjan, im Nieders. Slenderjaan. Ihre und Stosch glauben, daß es aus Schlendergang verderbt worden; allein die letzte Hälfte kann auch bloß die Lateinische Endung ianus seyn, welche man dem Worte Schlender im Scherze angehängt, um demselben dadurch ein Lateinisches Ansehen zu geben, so wie Grobian oder Grobianus, und andere auf eben dieselbe Art gebildet sind. Das Nieders. Slenderjaan bedeutet auch einen müßigen nachlässigen Menschen, bey welchem das Schlendern zur Fertigkeit geworden ist.


Schlenge (W3) [Adelung]


Die Schlenge, plur. die -n, ein nur in den Niederdeutschen Marschländern übliches Wort, ein in das Wasser gebauetes Flechtwerk zur Abhaltung des Wassers zu bezeichnen, welches daselbst auch eine Schlacht genannt wird. Die Fluthschlenge, ein solcher aus Flechtwerk und Faschinen bestehender Damm, das Wasser zur Zeit der Fluth abzuhalten. Die Scherschlenge, eine auf Ebbe und Fluth angelegte Schlenge in Gestalt einer Krebsschere. Daher das Schlengengeld, der Schlengenmeister u. s. f. in eben den Bedeutungen, in welchen daselbst auch Schlachtgeld, Schlachtmeister u. s. f. üblich sind. Es ist von dem Niederd. schlengen, schlingen, winden, flechten.


Schlenkern (W3) [Adelung]


Schlenkern, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Für schlendern; wo es doch nur in einigen gemeinen Sprecharten üblich ist. 2) Sich nachlässig hin und her bewegen, von schlanken biegsamen Körpern. Die Arme schlenkern lassen. 2. Als ein Activum, mit einer zitternden oder mit einem mehrmahligen Stoße verbundenen Bewegung werfen. Paulus schlenkerte die Otter ins Feuer, Apost. 28, 5. Jemanden Koth an die Kleider schlenkern, so wohl im Gehen mit den Füßen, als auch von den Rädern eines Wagens. Mit den Armen im Gehen schlenkern, sie nachlässig hin und her werfen. Im Ober- und Niederdeutschen ist es auch für schläudern üblich, wo auch Schlenker eine Schläuder ist. So auch das Schlenkern.

Anm. Im Nieders. slenkern, slingern, slunkern, im Holländ. slingeren. Es ist das Intensivum oder Frequentativum von dem im Hochdeutschen veralteten schlenken, wovon schlank abstammet, und welches wiederum ein Intensivum von schlengen, schlingen ist. Im Engl. ist daher to sling, und im Schwed. slängia, für unser schlenkern üblich. Bey dem Pictorius ist der Schlenker ein Schlender, Schlumper oder weibliches Schleppkleid.


Schleppe (W3) [Adelung]


Die Schleppe, plur. die -n, Diminut. das Schleppchen, Oberd. Schlepplein, von dem Zeitworte schleppen. 1) Bey dem andern Geschlechte in vielen Gegenden ist die Schleppe, in Baiern Schlappe, eine Art der Bekleidung des Kopfes, welche mit einer dreyeckigen Spitze die Stirn bedecket. In weiterer Bedeutung ist es eine leinwandene u. s. f. Bekleidung des Kopfes, welche mehr aus einem Überschlage bestehet, der hinten zugezogen, und oft auch nur eine Mütze genannt wird. Vermuthlich weil eine solche Bekleidung den Kopf nur schlaff bedecket, oder doch anfänglich eine nur schlaffe Bekleidung war. Im Nieders. ist Schlippe die Schürze. 2) Ein schleppendes Ding, besonders derjenige Theil eines Kleides, welcher auf der Erde nachschleppet. Die Schleppe eines Mantels, eines Frauenzimmerkleides, siehe Schleppkleid. Jemanden die Schleppe tragen, die Schleppe des Kleides oder Mantels, daher derjenige, welcher vornehmen Personen die Schleppe nachträgt, der Schleppenträger genannt wird. Im Niedersächsischen heißt die Schleppe eines Kleides Sleep, Slepe, sonst auch im Hochdeutschen der Schweif, bey den Schwäbischen Dichtern der Gehren, der Pfeil, in einigen Oberdeutschen Gegenden die Zesche, von ziehen. 3) Ein Werkzeug zum Schleppen; in welchem Verstande im Bergbaue die zwey Stangen, worauf der Schlepptrog fortgeschleppet wird, Schleppen heißen. 4) Bey den Papiermachern ist die Schleppe ein dünnes schmales Bret mit wollenem Beuteltuch überzogen, welches auf die aus der Presse genommenen noch nassen Papierbogen gelegt, und auch der Schlitten genannt wird; vielleicht wegen einiger Ähnlichkeit, da denn Schleppe so viel als Schleife seyn würde.


Schleppen (W3) [Adelung]


Schleppen, verb. reg. welches theils von schlaff, schlapp abstammet, theils auch das Intensivum von schleifen ist. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, schlaff auf der Erde nachschleifen, wo der Begriff des Schlaffen der herrschende ist. Das Kleid, der Mantel schleppt. Das Kleid schleppen lassen. Der Anker schleppt in der Schifffahrt, wenn er aus dem Grunde weicht und auf dem Boden des Meeres nachschleifet. Figürlich gebraucht man es auch von der Schreibart und der Art des Vortrages. Eine schleppende Schreibart, welche mit unnöthigen Wiederhohlungen und Nebenbegriffen überladen ist. II. Als ein Activum, wo es zunächst das Intensivum von schleifen ist, und den verstärkten Laut nachahmet, welchen ein schwerer Körper macht, wenn er geschleifet wird. 1. Eigentlich, wo es überhaupt von dem langsamen Ziehen schwerer oder widerstehender Dinge gebraucht wird. Die Pferde können den Wagen kaum aus dem Kothe schleppen. Jemanden fortschleppen, der Widerstand leistet. Ingleichen von dem Tragen schwerer Lasten, weil dieses dem äußern Anscheine nach mit einer Art des Ziehens verbunden ist. Etwas kaum fortschleppen können, kaum forttragen. Sich mit etwas schleppen, eine schwere Last tragen. 2. Figürlich. 1) Eine lästige unangenehme Sache, ingleichen eine verächtliche Sache bey sich führen, und in noch weiterer Bedeutung, mit solchen Personen oder Sachen verbunden seyn; da es denn als ein Reciprocum üblich ist. Sich mit jemanden schleppen, mit einer verächtlichen Person genau verbunden seyn, oder doch auf eine verächtliche Art mit derselben verbunden seyn. Sich mit Grillen, mit einer Krankheit schleppen, als mit einer lästigen, unangenehmen Sache. 2) Sehr häufig wird es im Hochdeutschen für das mehr Oberdeutsche schleifen gebraucht, auch von leichten Dingen, da denn wieder der Begriff der Schlaffheit der herrschende wird. Ein Band, einen Strick hinter sich her schleppen. Wo man doch in der anständigern Sprechart lieber schleifen gebraucht. So auch das Schleppen.

Anm. Im Nieders. slepen, im Schwed. släppa, welches aber eigentlich nachlassen, schlaff machen bedeutet, im Böhm. sslepowati, ziehen. S. Schleifen, Schlaff und Schlapp.


Schleppenträger (W3) [Adelung]


Der Schleppenträger, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Schleppe.


Schlepper (W3) [Adelung]


Der Schlepper, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, z. B. in der Lausitz, große breite und schwere Rechen, welche von Pferden geschleppet werden, die in der Ernte verloren gegangenen Halmen damit zusammen zu rechen, S. Hungerrechen.


Schlepphaken (W3) [Adelung]


Der Schlepphaken, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, der Haken an der Schleppkette, Zimmerholz u. s. f. damit fortzuschleppen; die Schleppklammer.


Schleppkasten (W3) [Adelung]


Der Schleppkasten, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Kasten, Erz und Gestein darin aus den Stollen zu schleppen, wenn man den Karren nicht anbringen kann.


Schleppkette (W3) [Adelung]


Die Schleppkette, plur. die -n, eben daselbst, eine Kette, Lasten vermittelst derselben fortzuschleppen.


Schleppklammer (W3) [Adelung]


Die Schleppklammer, plur. die -n, S. Schlepphaken.


Schleppkleid (W3) [Adelung]


Das Schleppkleid, des -es, plur. die -er, ein hinten mit einer Schleppe versehenes, hinten nachschleifendes Kleid, besonders bey dem weiblichen Geschlechte, wo es in manchen Gegenden auch ein Schlender und Schlumper, und im Franz. Andrienne genannt wird.


Schleppkübel (W3) [Adelung]


Der Schleppkübel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Kübel im Bergbaue, welche auf flachen aber nicht senkrecht gehenden Schächten gebraucht wird, weil er auf der einen Fläche des Schachtes gleichsam schleppet.


Schleppnetz (W3) [Adelung]


Das Schleppnetz, des -es, plur. die -e, ein Netz der Fischer, welches im Ziehen auf dem Grunde des Wassers hinschleppet. S. Schleppsack.


Schleppriegel (W3) [Adelung]


Der Schleppriegel, des -s, plur. ut nom. sing. an den Deutschen Cassen-Schlössern, der große Riegel, welcher die übrigen in Bewegung setzet.


Schleppsack (W3) [Adelung]


Der Schleppsack, des -es, plur. die -säcke. 1. Eigentlich, ein schleppender Sack, besonders bey den Fischern, wo es ein Fischnetz in Gestalt eines Sackes ist, welches auf dem Grunde fortgezogen wird, die Tiefen auszufischen; Franz. la Drague, von dem Nieders. trecken, ziehen. 2. Figürlich. 1) Eine träge, nachlässig und schmutzig gekleidete weibliche Person, welcher die Röcke aus Nachlässigkeit gleichsam auf der Erde schleppen; in welcher Bedeutung es besonders im Niedersächsischen üblich ist. 2) Eine verächtliche weibliche Person, mit welcher sich jemand schleppet, d. i. in einer verächtlichen Verbindung mit derselben lebet.


Schleppseil (W3) [Adelung]


Das Schleppseil, des -es, plur. die -e, in der Seefahrt, dasjenige Tau, womit ein Schiff in manchen Fällen durch die Schaluppe fortgeschleppet oder gezogen wird.


Schleppstrang (W3) [Adelung]


Der Schleppstrang, des -es, plur. die -stränge, im Bergbaue, Stränge oder Seile, Lasten damit fortzuschleppen.


Schlepptau (W3) [Adelung]


Das Schlepptau, des -es, plur. die -e, in dem Wallfischfange, dasjenige Tau, womit der getödtete Wallfisch an das Schiff geschleppet oder gezogen wird.


Schlepptrog (W3) [Adelung]


Der Schlepptrog, des -es, plur. die -tröge, im Bergbaue, ein Schleppkasten Gestalt eines Troges.


Schleuder (W3) [Adelung]


Die Schleuder, Schleudern, S. Schläuder u. s. f.


Schleuen (W3) [Adelung]


Schleuen, verb. reg. act. ein vorzüglich bey den Fleischern übliches Wort, besonders in dem zusammen gesetzten ausschleuen; die Därme ausschleuen oder schleuen, sie mit Wasser ausspülen; wohl ausgeschleute Därme. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, und mit schlauchen und ausschlauchen, welches in andern Fällen in ähnlichem Verstande gebraucht wird, verwandt.


Schleunig (W3) [Adelung]


Schleunig, -er, -ste, adj. et adv. welches eine Eigenschaft der Bewegung ausdruckt, da sie in kurzer Zeit einen großen Raum zurück leget, so wie schnell und geschwinde. 1) * Eigentlich, von einer geschwinden oder schnellen Bewegung, in welchem Verstande es doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist; aber in einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man, schleunig gehen, für geschwinde, hurtig, die schleunige Post, die geschwinde. 2) In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung, eine Eigenschaft solcher Handlungen, welche ohne merklichen Zwischenraum der Zeit, d. i. ohne Aufschub, vorgenommen werden; wo es doch den Begriff des Uner- warteten nicht bey sich hat, der mit plötzlich verbunden ist. Meine Freundschaft verbindet mich, ihnen schleunig Nachricht davon zu geben, ohne Aufschub, so bald als möglich. Jemanden auf das schleunigste antworten, zu Hülfe kommen, ihm eine schleunigste Antwort ertheilen. Einen Bothen schleunig abfertigen. Ein schleuniger Tod. Sich schleunig aus dem Staube machen. Jemanden schleunig auf den Hals kommen.

Anm. Im Nieders. slünig. Die letzte Sylbe ist die Ableitungssylbe -ig; es kommt hier also nur auf das Wort Schleun oder Schlaun an. Frisch sagt, daß das Daseyn dieses Wortes noch nicht erwiesen sey. Allein in Baiern und der Oberpfalz ist das Zeitwort schlaunen noch völlig gangbar, wo es fortrücken, fortgehen bedeutet, und zugleich das Stammwort von schlendern ist. Die Sache schlaunet nicht, ist daselbst figürlich, es will nicht mit ihr fort, sie kommt nicht von der Stelle; es schlaunt nicht, nach einer anderen Figur, es häuft sich nicht, in Obersachsen, es fleckt nicht. Ohne Ableitungssylbe ist bey dem Ottfried mit dem verwandten m sliumo schleunig. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des Lautes einer geschwinden gleichförmigen Bewegung und mit Schleim, schlau und andern nahe verwandt. Das Hauptwort die Schleunigkeit ist im Hochdeutschen unbekannt, indem dafür Geschwindigkeit üblich ist.


Schleuse (W3) [Adelung]


Die Schleuse, plur. die -n. 1) Ein Canal, welcher mit Fall- oder Flügelthüren verschlossen werden kann, das Wasser darin nach Gefallen einzuschließen oder abzulassen, dergleichen Schleusen in der Schifffahrt, in dem Mühlenwesen, bey den Deichen und Dämmen u. s. f. von großem Nutzen sind. Eine Schleuse öffnen, zumachen. In weiterer Bedeutung werden auch die verdeckten Canäle unter den Gassen in den Städten, die Unreinigkeiten abzuführen, an vielen Orten Schleusen genannt; vielleicht weil sie von oben her verschlossen sind. 2) Bey den Büchsenmachern ist die Schleuse ein Theil der Ziehbank, und da bestehet sie aus zwey senkrechten eisernen Säulen, zwischen welchen sich in einer Falze zwey starke Blätter, die Schleusenblätter genannt, befinden, die ein rundes Loch haben, den Zapfen des Mundrohres, wenn es gezogen werden soll, aufzunehmen; vielleicht auch, weil sich dieser Theil zur Festhaltung des Rohres vermittelst eines aufgeschraubten Riegels verschließen läßt. Bey den Orgelbauern wird auch die Gieß- oder Zinnbrücke die Schleuse genannt; vermuthlich, weil sie durch zwey bewegliche Querbreter verschlossen werden kann.

Anm. In der ersten Bedeutung im Schwed. Sluss, im Engl. Sluice, im Pohln. Sloza, im Franz. Ecluse, im Ital. Chiuse, im mittlern Lat. Exclusa, Inclusura, Conclusio, Sclusa, Clusa; woraus aber nicht folgt, das unser Schleuse aus dem Lateinischen entlehnet ist, indem es, wie aus den beyden letztern Bedeutungen erhellet, eben so gut von dem Zeitworte schließen gebildet seyn kann, als die Latein. von claudere und cludere. Im Niederdeutschen wird eine Schleuse in der ersten Bedeutung ein Siel und Schütt genannt.


Schleusenblatt (W3) [Adelung]


Das Schleusenblatt, des -es, plur. die -blätter, S. das vorige.


Schleusengeld (W3) [Adelung]


Das Schleusengeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches zur Unterhaltung einer Schleuse von den durchfahrenden Schiffen, oder andern Theilnehmern, gefordert und entrichtet wird; der Schleusenzoll, im mittlern Lat. Exclusagium.


Schleusenmeister (W3) [Adelung]


Der Schleusenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher einer Schleuse vorgesetzet ist, die Aufsicht über dieselbe führet.


Schleusenräumer (W3) [Adelung]


Der Schleusenräumer, des -s, plur. ut nom. sing. an denjenigen Orten, wo die Abzüchte der Unreinigkeiten aus den Häu- sern oder unter dem Gassenpflas=ter Schleusen heißen, Personen, welche das Räumen oder die Reinigung derselben besorgen.


Schleye (W3) [Adelung]


Die Schleye, S. Schleihe.


Schleyer (W3) [Adelung]


Der Schleyer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eigentlich, eine Art der Tracht, besonders des andern Geschlechtes, welche aus einem locker gewebten Zeuge bestehet, welcher auf mancherley Art über den Kopf geschlagen wird, entweder das Gesicht allein, oder auch den Oberleib, ja oft den ganzen Leib zu verhüllen. In den Morgenländern ist der Schleyer eine gewöhnliche Tracht des andern Geschlechtes, in den Abendländern ist er sehr aus dem Gebrauche gekommen, und nur noch in einigen Fällen, besonders bey einer tiefen Trauer üblich, wo aber der Nahme im gemeinen Leben schon ungangbar zu werden anfängt, indem man einen solchen Trauerschleyer häufig einen Flor nennet. Dich, rufen junge Wittwen an, im hochbetrübten Schleyer, Raml. Figürlich, dasjenige, was uns eine Sache verbirgt. Der Wahrheit den Schleyer entreißen. 2) Ein lockeres und leichtes Gewebe, aus klarem Garne, durch welches man sehen kann; vielleicht weil es ehedem am häufigsten zu Schleyern gebraucht worden, und wovon man so wohl Schleyerflor, als Schleyerleinwand hat.

Anm. Im Nieders. Slijer, Sligger, im Schwed. Sloya, im Böhm. Sslogjr. Die letzte Sylbe ist die Ableitungssylbe -er, welche ein Werkzeug, ein Subject bedeutet. Die erste Sylbe scheinet die Bedeutung des Bedeckens, des Verhüllens, zu haben, und würde alsdann zu schlagen gehören, welches unter seinen vielen Bedeutungen auch diese gar wohl verstattet, wie unter andern aus der Bedeutung des hohlen Raumes in Schlauch, Schlucht u. s. f. erhellet. ( S. auch Schleyern 2.) Indessen kann auch die lockere, herab hangende, schlaffe Beschaffenheit des Schleyers der Grund seiner Benennung seyn, ( S. Schlackig.) In einigen Ober- und Niederdeutschen Gegenden heißt der Schleyer Weiler, Nieders. Feyle, welches zu dem Lat. Velum und unserm Fell gehöret.


Schleyereule (W3) [Adelung]


Die Schleyereule, plur. die -n, ein Nahme der gemeinen Kircheule, weil sie einen sehr merklichen weißen Strich um die Augen in Gestalt eines Schleyers hat; Ulula Aluco Klein.


Schleyerfrau (W3) [Adelung]


Die Schleyerfrau, plur. die -n, an denjenigen Orten, wo die Schleyer noch häufiger getragen werden, eine Art Putzmacherinnen, welche die Schleyer aller Art verfertigen.


Schleyerkappe (W3) [Adelung]


Die Schleyerkappe, plur. die -n, eine Kappe des andern Geschlechtes, welche das ganze Gesicht, wie ein Schleyer verhüllet. Auch wohl eine Kappe von Schleyer, der so genannten Art Zeuges.


Schleyerlehen (W3) [Adelung]


Das Schleyerlehen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Lehen, welches auch auf den Schleyer, d. i. das weibliche Geschlecht, fällt; das Kunkellehen, Weiberlehen.


Schleyermeise (W3) [Adelung]


Die Schleyermeise, plur. die -n, eine Art Meisen mit einer weißen Platte auf dem Kopfe in Gestalt eines Schleyers; vielleicht eben die, welche auch Haubenmeise oder Häubelmeise genannt wird.


Schleyern (W3) [Adelung]


Schleyern, verb. reg. act. 1) Im Bergbaue und bey den Wasserkünsten wird der Kolm oder Kolben geschleyert, wenn er mit Lumpen umwunden wird, damit er desto genauer in die Röhre passe und die Luft abhalte; wo die erste eigentliche Bedeutung des Bedeckens, Bekleidens sehr merklich hervorsticht. 2) In engerer Bedeutung, mit einem Schleyer verhüllen. Eine Braut schleyern. Cythere schleyert sich in eine schwarze Binde, Günth. Jemanden einen Affen schleyern, ihm etwas aufheften.


Schlich (W3) [Adelung]


1. Der Schlich, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schleichen, ein verborgener, geheimer Weg, in weiterer Bedeutung, ein verborgener, geheimer Ort, und figürlich, geheime Kunstgriffe, verborgene Art und Weise zum Schaden anderer zu handeln; in welchen sämmtlichen Fällen es im Plural am üblichsten ist, obgleich die Natur der Sache den Singular gar wohl ver- stattet. Diebsschliche, Hurenschliche, verborgene Wege und Gänge der Diebe und Huren. Alle Schliche in einem Walde wissen, alle geheime Wege und Örter. Jemanden hinter seine Schliche, hinter die Schliche kommen, seine Kunstgriffe, seine heimliche Absicht und versteckte Art und Weise zu handeln, entdecken. Er weiß die rechten Schliche, die Art und Weise, wie die Sache geschickt anzufangen ist. Recht, als ob es der Himmel hätte haben wollen, daß ich hinter ihre Schliche kommen sollte, Gell.

Anm. Nieders. Sieke. Der Singular ist noch im Oberdeutschen völlig üblich, wo es auch den Gang, die Handlung des Gehens, und in weiterer Bedeutung die Bewegung bezeichnet. In den Schlich kommen, in den Gang. Eben daselbst ist es figürlich auch das, was wir den Schlendrian nennen, die eingeführte Art und Weise zu handeln, das Herkommen. Den Schlich verstehen. Im alten Schliche bleiben. Ja überhaupt die Art und Weise, wie eine Sache behandelt werden muß. Den Schlich von etwas haben.


Schlich (W3) [Adelung]


2. Der Schlich, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e im Hüttenbaue und gemeinen Leben, ein klein gepochter oder gepülverter und mit Wasser vermischter fester Körper; dicker Schlamm. So nennet man den mit Wasser vermischten Sand, der im Schleifen von dem Schleifsteine abgehet, den Schlich. Im Hüttenbaue ist Schlich oder Schlamm das klar gepochte, gewaschene und mit Wasser noch vermischte Erz. Eben daselbst wird aber auch trocken gepochtes, und folglich mit keinem Wasser vermischtes Erz Schlich genannt, weil der Grund der Benennung, der die glatte, weiche und zähe Beschaffenheit ist, auch hier bleibet. S. auch Schlick, welches von Schlich nur in der Mundart verschieden ist.


Schlichfaß (W3) [Adelung]


Das Schlichfaß, des -sses, plur. die -fässer, von dem vorigen, im Hüttenbaue, diejenigen Fässer, worin die Planen gewaschen werden, damit nichts von dem Schliche verloren gehe.


Schlichkübel (W3) [Adelung]


Der Schlichkübel, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Kübel, worin der zum Rösten bestimmte Schlich gewogen wird.


Schlicht (W3) [Adelung]


Schlicht, -er, -este, adj. et adv. welches mit schlecht in dessen eigentlichen Bedeutungen ein und eben dasselbe Wort ist, eigentlich gerade, eben und figürlich, ungekünstelt bedeutet, aber nur im gemeinen Leben üblich ist, obgleich einige Neuere es ohne Noth in die edlere Schreibart einzuführen versucht haben. Schlichte Haare, im Gegensatze der krausen oder gekräuselten. Eine schlichte Fläche, eine ebene, gerade, glatte. Der schlichte Menschenverstand, der natürliche, durch Schulgelehrsamkeit noch nicht verdorbene Verstand. S. Schlecht, und die folgenden Zusammensetzungen und Ableitungen.


Schlichtart (W3) [Adelung]


Die Schlichtart, plur. die -ärte, bey den Zimmerleuten, ein breites dünnes Beil mit einem kurzen Helme, das Zimmerholz damit zu schlichten, d. i. glatt und eben zu hauen; das Schlichtbeil, Breitbeil, Dünnbeil.


Schlichtbier (W3) [Adelung]


Das Schlichtbier, des -es, plur. inus. bey den Kleidern einiger Gegenden, eine Ergetzlichkeit an Biere welche sie fordern und bekommen, wenn sie eine gekleibte Wand schlichten, das ist, glatt streichen.


Schlichte (W3) [Adelung]


Die Schlichte, plur. die -n, bey den Webern, ein aus Mehl und Fett gekochter Brey, womit der Aufzug oder die Kette geschlichtet wird, um den Fäden eine gelenke Steifigkeit ertheilen; im Oberd. die Schmeiche. Bey den Stückgießern ist die Schlichte ein ähnlicher Brey aus Asche, Kreide und Milch, womit der auf die Kernstange getragene Kernlehm abgeschlichtet wird. In beyden Fällen entweder von schlichten, glatt, eben machen, oder auch von Schlich, dicker Schlamm, Brey.


Schlichter (W3) [Adelung]


Der Schlichter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schlichterinn, eine Person, welche schlichtet, besonders in der zweyten Bedeutung, welche etwas in Ordnung leget.


Schlichtfeile (W3) [Adelung]


Die Schlichtfeile, plur. die -n, Feilen der Schlösser mit einem feinem Hiebe, die feine Arbeit damit bis zum Polieren glatt zu feilen.


Schlichthammer (W3) [Adelung]


Der Schlichthammer, des -s, plur. die -hämmer, bey den Klempenern, ein Hammer, ebene Sachen damit zu überschlichten, d. i. glatt zu schlagen.


Schlichthobel (W3) [Adelung]


Der Schlichthobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel mit einer geraden Klinge, die mit dem Rauhhobel aus dem Groben bearbeitete Fläche damit zu schlichten oder glatt zu hobeln; der Glatthobel.


Schlichtmond (W3) [Adelung]


Der Schlichtmond, des -es, plur. die -e, bey den Lohgärbern, eine runde eiserne verstählte Scheibe mit einem Loche in der Mitte, die Felle auf der Fleischseite damit zu schlichten, d. i. glatt zu schaben: nach Oberdeutscher Art bey ihnen auch wohl der Schlichtmonden. S. Mond 2 1).


Schlichtpinsel (W3) [Adelung]


Der Schlichtpinsel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Mahlern, ein Pinsel, die dick aufgetragene Farbe damit aus einander zu treiben.


Schlichtrahmen (W3) [Adelung]


Der Schlichtrahmen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Lohgärbern, ein Nahmen, d. i. eine horizontale Latte auf zwey Stützen, worauf das Fell befestiget wird, wenn es mit dem Schlichtmonde geschlichtet werden soll.


Schlichtstahl (W3) [Adelung]


Der Schlichtstahl, des -es, plur. die -stähle, bey den Drechslern in Bein u. s. f. ein Stahl, d. i. stählernes Werkzeug mit einer breiten Klinge, das Bein damit zu schlichten, d. i. glatt zu drehen.


Schlick (W3) [Adelung]


Der Schlick, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein besonders im Niederdeutschen übliches Wort, fetten, sehr zähen Schlamm zu bezeichnen. Daher Schlickgrund, der aus solchem Schlamme bestehende Grund des Meeres, Schlickland, ein niedriges, aus dem Schlamme, welchen das Meer zur Zeit der Fluth zurück läßt, entstandenes Land, der Schlickfänger, ein kleiner Damm außerhalb des Deiches, den Schlick oder Schlamm zur Zeit der Fluth damit aufzufangen, und dadurch Land zu gewinnen, der Schlichzaun, ein Zaun zu eben dieser Absicht u. s. f. Anm. Es ist von dem mehr Hochdeutschen Schlich nur in der Mundart verschieden, und gehöret mit demselben zu Schlack in schlackig.


Schlicken-Thaler (W3) [Adelung]


Der Schlicken-Thaler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Thaler, welche die Grafen von Schlick in der ersten Hälfte des 16ten Jahrhundertes in dem Bergwerke zum Joachims-Thale in Böhmen prägen ließen.


Schlickermilch (W3) [Adelung]


Die Schlickermilch, S. Schlottermilch.


Schlickkrapfen (W3) [Adelung]


Der Schlickkrapfen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schlickkräpfchen, in den Küchen, eine Art Krapfen, welche aus einem weichen Gehacke bestehen, welches in einen ausgetriebenen Teig geschlagen, in Wasser gekocht und hernach aus Schmalz gebacken wird; mit einem Französischen Kunstworte Raviolen.


Schlief (W3) [Adelung]


Der Schlief, des -es, plur. inus. ein in einigen Gegenden übliches Wort, welches von Schlich nur im Endlaute verschieden ist, und besonders von den nassen kloßartigen, nicht genug ausgebackenen Stellen des Brotes gebraucht wird. Das Brot hat Schlief, wenn es solche Stellen hat. Daher schliefig, kloßartig, nicht genug ausgebacken. Es gehöret zunächst zu schliefen und dessen Intensivo schlüpferig.


Schliefen (W3) [Adelung]


Schliefen, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert; ich schliefe, du schliefst, (Oberd. schleufst,) er schlieft, (Oberd. schleuft;) Imperf. ich schloff; Mittelw. geschloffen; Imperat. schliefe, (Oberd. schleuf.) Es bedeutet sich schleifend oder kriechend in einem engen Raume bewegen, kriechen, wird aber im Hochdeutschen nur selten, häufiger im Oberdeutschen gehöret. Durch einen Zaun schliefen. Vor Angst in ein Mauseloch schliefen wollen. Die Dachshunde schliefen in die Dachslöcher. Die Küchlein sind aus dem Eye geschloffen. Wie das Wasser in die Erde verschleuft, (verschlieft,) 2 Sam. 14, 14. So auch das Schliefen.

Anm. Bey dem Notker sliuffan, im Nieders. slupen und slipen, im Angels. slipan, im Engl. to slip, im Schwed. släpa. In Schwaben ist einschliefen und ausschliefen sich an- und auskleiden, und schon Willeram sagt, ih bin uze minemo rocche gesloffan, ich habe mich ausgekleidet. Es ist so wie das nahe verwandte schleifen, und das nur im Endlaute verschiedene schleichen, eine Onomatopöie des mit dem Schliefen verbundenen Lautes. Das Intensivum davon ist schlüpfen, S. dasselbe.


Schliefer (W3) [Adelung]


Der Schliefer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein Ding, welches schliefet. In der Jägerey werden die Dachshunde, weil sie in die Dachsröhren schliefen, auch Dachsschliefer genannt. 2) Im Oberdeutschen, besonders in Schwaben, ist der Schliefer ein enger Muff, weil man mit den Händen in denselben schliefet. S. Muff.


Schliefig (W3) [Adelung]


Schliefig, -er, -ste, adj. et adv. kloßartig, S. Schlief.


Schließbaum (W3) [Adelung]


Der Schließbaum, des -es, plur. die -bäume, derjenige Baum, mit welchem ein Hafen, oder sonst ein anderer Ort verschlossen wird.


Schließbolzen (W3) [Adelung]


Der Schließbolzen, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit einer Schließe versehener Bolzen; der Klingbolzen, im Nieders. Splintbolzen.


Schließe (W3) [Adelung]


Die Schließe, plur. die -n, dasjenige, was ein anderes Ding schließet, beschließet oder verbindet, wo es in verschiedenen einzelnen Fällen üblich ist. Ein zusammen gebogenes Blech, welches durch die schmale Öffnung eines Bolzens gesteckt, und hernach an den beyden Enden umgebeuget wird, damit der Bolzen nicht zurück gehen könne, heißt eine Schließe; Nieders. der Splint. Bey den Schlössern wird auch eine gerade Stange, welche in den Gatterwerken zwey Schnörkel zusammen hält, eine Schließe genannt. Auch eine Art von Anker in Gestalt eines viereckten Rahmens, schadhafte Feuermauern zusammen zu halten, werden so wohl Schließen als Schließanker, Vorpasse genannt.


Schließen (W3) [Adelung]


1. Schließen, verb. irreg. act. welches in der Conjugation mit dem folgenden überein kommt, und im Hochdeutschen für das mehr Oberdeutsche schleißen gebraucht wird; besonders von den Federn. Federn schließen. Geschlossene Federn, geschlissene.


Schließen (W3) [Adelung]


2. Schließen, verb. irreg. ich schließe, du schließest, (Oberd. schleußest,) er schließt, (Oberd. schleußt;) Imperf. ich schloß, Conj. schlösse; Mittelw. geschlossen; Imperat. schließe, schließ, (Oberd. schleuß.) Es ist ursprünglich eine Onomatopöie, welche unter andern auch den Schall eines Schlosses, wenn es abgelassen wird, ja den Laut sehr vieler Dinge, womit eine Öffnung fest zugemacht wird, nachahmet, ob sich gleich dieser erste nachgeahmte Begriff in denjenigen, in welchen es heut zu Tage üblich ist, gar sehr verloren hat. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, eigentlich den Laut von sich geben, verursachen, welchen dieses Zeitwort nachahmet. Es ist in dieser Gestalt nur in einigen wenigen Fällen üblich. 1. Ein Schlüssel schließet nicht, wenn er das Schloß nicht öffnet. 2. Eine Öffnung genau decken oder ausfüllen. So sagt man, eine Thür schließe nicht, wenn sie nicht genau auf dem Thürfutter anlieget, sondern beträchtliche Zwischenräume läßt. Der Reiter schließt, wenn er im Reiten die Schenkel fest an das Pferd anlegt. Geschlossen reiten, die Schenkel fest an das Pferd anlegen. ( S. Schluß, ingleichen sich schließen bey dem folgenden Activo.) 3. Sich endigen. Darf ich bitten, daß die Unterredung hier schließe? wo doch das folgende Activum in Gestalt eines Reciproci üblicher ist, ( S. dasselbe.) 4. Das schließt nicht, sagt man, wenn ein Satz nicht aus einem andern erkannt werden kann, wofür das Zeitwort folgen üblicher ist. S. das folgende Activum. II. Als ein Activum, eigentlich die mit diesem dem Zeitworte eigenthümlichen Laute verbundene Veränderung mit einem Dinge vornehmen. 1. Von Schlössern und den mit Schlössern versehenen Öffnungen, besonders in den Zusammensetzungen abschließen, aufschließen, zuschließen, verschließen, einschließen u. s. f. In einigen Fällen wird auch das einfache schließen anstatt des zusammen gesetzten zuschließen oder verschließen, gebraucht; die Thore schließen. Nach einer andern Figur schließet man einen Verbrecher, wenn man ihm Fessel anleget, weil selbige mit einem Schlosse versehen sind. Jemanden schließen lassen. Scharf geschlossen seyn. Einen Dieb in Ketten und Banden schließen. S. auch Schließer. 2. In weiterer Bedeutung ist schließen dem öffnen entgegen gesetzt, und wird alsdann als ein edlerer Ausdruck für das niedrigere zumachen gebraucht. 1) Eigentlich, was körperlich offen ist; wo es doch nicht in allen Fällen üblich ist, in welchen der Begriff des Zumachens Statt findet. Einen Schwibbogen schließen, wenn er oben mit dem Schlußsteine zugemacht wird. "Die Augen schließen", so wohl für schlafen, als auch für sterben. Ich habe die Nacht kein Auge geschlossen. Die Nächte, wo du deine Augen nicht schlossest, waren auch für mich schlaflos, Dusch. Und wenn der Tod mein Auge schließt. Einen Winkel schließen, beyde Schenkel desselben vermittelst einer Linie verbinden. So auch das Reciprocum sich schließen. Eine Blume schließt sich, wenn sie sich zuthut. Die Muschel schließt sich. Die Wunde wird sich bald schließen. Ein Pferd heißt, in der Sprache der Pferdekenner geschlossen, wenn die Flanken ausgefüllet sind und die Ründe des Bauches annehmen, welches auch gut abgerippt genannt wird, weil es auf den Bau der Rippen ankommt. Die Soldaten schließen sich, wenn sie nahe an einander treten, so daß kein Zwischenraum bleibt. Fest geschlossen aufmarschiren. 2) Figürlich. (a) Von allen Seiten umgeben, und dadurch gleichsam überall zumachen. Einen Kreis schließen, von Personen, wenn sie sich nahe an einander in einen Kreis stellen. Eine geschlossene Jagd, wenn das Revier, wo gejaget wird, mit Zeug umstellet ist. Ein geschlossenes Land, welches auf allen Seiten gegen einen Feind verwahret ist. Nach einer noch weitern Figur ist ein geschlossenes Land, Territorium clausum, in welchem alle Einwohner zugleich Vasallen und Unterthanen des Landesherren sind, im Gegensatze eines ungeschlossenen, welches auch Güter enthält, die dem Landesherren nicht unterworfen sind. dahin gehöret nach einer neuen Figur auch die R. A. etwas in sich schließen, in sich fassen, in sich enthalten. Die Freundschaft ist oft ein Werk der Natur und des Umgangs, das gegenseitige Neigungen und Dienstleistungen in sich schließt. Mit einem schwachen Nebenbegriffe des Drückens schließet man jemanden in seine Arme, wenn man ihn aus Liebe oder Freundschaft mit den Armen umfasset. Die Hände in einander schließen. Bald schlossen alle Hand in Hand, Ein Reihentanz ward angefangen, Uz; wo es eine in diesem Verstande sonst ungewöhnliche neutrale Gestalt hat. (b) Der Zeit, Zahl oder andern Umständen nach einschränken; wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist, besonders in dem Mittelworte geschlossen. Eine geschlossene Jagd, wo nicht jedermann, sondern nur der Eigenthümer jagen darf. Die geschlossene Zeit, in welcher eine gewisse Handlung verbothen ist; so werden in der Römischen Kirche die Fastenzeit, wo das Fleischessen verbothen ist, die Advents-Zeit, wo das Heirathen verbothen ist, u. s. f. geschlossene Zeiten genannt. Ein geschlossenes Handwerk, von welchem an einem Orte nur eine gewisse Anzahl Meister seyn dürfen. Eine geschlossene Wiese, auf welcher nicht gehüthet werden darf. Eine geschlossene Gesellschaft, theils, welche nur aus einer bestimmten Anzahl Mitglieder bestehet, theils aber auch überhaupt, in welche ohne Einwilligung der Glieder kein anderer Zutritt haben kann. (c) Zu Stande bringen, von allen Arten der Verträge, wenn sie auf eine rechtsbeständige bündige Art zu Stande gebracht werden. Einen Vergleich, einen Handel, Frieden, einen Vertrag, ein Bündniß, einen Kauf u. s. f. schließen. Die Ehen werden im Himmel geschlossen. Personen, die auf das Geheiß ihrer Herzen unter der Billigung der Klugheit das Bündniß der Ehe schlossen, Gell. Der Handel ist geschlossen. Er wird noch heute kommen, diese Sache mit ihr zu schließen. In einigen Fällen auch absolute. Der Gesandte hat Vollmacht zu unterhandeln, aber nicht zu schließen. (d) Endigen, zu Ende bringen; doch nur in einigen Fällen. Einen Brief, eine Rede, eine Predigt, ein Gebeth schließen. Das Jahr schließt sich. Eine Rechnung schließen. Den Reichstag schließen. Eine Reihe schließen, der letzte in derselben seyn; der Bedeutung nach als ein Neutrum, obgleich der Form nach ein Activum. Es scheinet, daß es hier mit legt verwandt ist, wo die Intension statt des vorgesetzten sch durch Verhärtung des mittlern Zischlautes ausgedruckt worden. Im Schwedischen ist slita und im Nieders. sliten zu Ende bringen, endigen, dagegen schließen in den übrigen Bedeutungen daselbst sluten und sluta heißt. 3. Aus Einem oder mehrern Vordersätzen herleiten, einen Satz aus der Wahrheit Eines oder mehrerer anderer erkennen; einen Schluß machen. Die Unsterblichkeit der Seele aus ihrem einfachen Wesen schließen, oder, aus dem einfachen Wesen der Seele auf ihre Unsterblichkeit schließen. Falsch schließen, richtig schließen. Da Cajus nicht gekommen ist, so ist daraus zu schließen, daß er nicht wohl seyn müsse. Da in der gegenwärtigen Welt fast alles nur Anlage ist, so läßt sich daraus auf die Gewißheit einer künftigen Einrichtung der Welt schließen. Wenn es jemand sähe, so würde er gewiß auf eine starke Vertraulichkeit schließen, Gell ( S. auch Schluß.) Es ist hier ohne Zweifel nach dem Lat. concludere gebildet. Alle Wörter, welche Wirkung des Geistes bezeichnen, sind Figuren körperlicher Handlungen. Welche Figur hier zum Grunde liege, läßt sich nicht mit Gewißheit bestimmen, indem schließen, wenn man es in seinem ganzen Umfange nimmt, so daß auch schleißen, Schloße u. s. f. mit dahin gehören, sehr vieldeutig ist, und schließen auch von mehrern Wirkungen des Geistes gebraucht wird, wie aus den Zusammensetzungen beschließen und entschließen erhellet. In Boxhorns Glossen bedeutet List einen Schluß. Daher das Schließen, und in einigen wenigen Fällen der ersten eigentlichsten Bedeutung die Schließung. S. auch Schluß.

Anm. Bey dem Ottfried sliazen, im Nieders. sliten, und wenn es zu Ende und zu Stande bringen bedeutet, sluten, im Schwed. Sluta; ohne Zischlaut, der hier entweder eine Intension bezeichnet, oder auch ein bloßes Eigenthum der Mundart ist, im Lat. claudere, cludere, clausus, clusus, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Daß aber auch der Gaumenlaut hier nicht wesentlich ist, erhellet aus dem Schwed. Las, Isländ. Las, ein Schloß, lasa und lata, schließen; woraus denn erhellet, daß im weitesten Umfange auch unser lassen mit zu dem Geschlechte dieses Wortes gehöre. Mit einem andern Endlaute ist im Engl. to lock, schließen, ( S. 1 Lücke.) Das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Schlüssel, scheint sich der Griechischen und Lateinischen Form zu nähern. S. übrigens auch Schloß und Schluß.


Schließer (W3) [Adelung]


Der Schließer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schließerinn, eine Person, welche schließt, verschließt oder einschließt; ein nur in einigen Fällen übliches Wort. So wird in manchen Gegenden eine Person, welche in großen Haushaltungen das Essen und Trinken in ihrem Beschlusse hat, Schließer und Schließerinn genannt. Auf dem Packhofe zu Berlin ist der Schließer derjenige, welcher die Waaren in seinem Beschlusse hat. In vielen Gegenden verstehet man unter Schließer den Gefangenwärter oder Stockmeister, welcher die Gefangenen schließet und los schließet, Nieders. Slüter, daher in manchen Gegenden auch das Gefängniß die Schließerey genannt wird.


Schließfeder (W3) [Adelung]


Die Schließfeder, plur. die -n, eine Feder, etwas unmittelbar damit zuzuschließen, dergleichen die Feder an dem Zifferblatte einer Taschenuhr ist, um dasselbe mit dem Rädergehäuse wieder in das Uhrgehäuse zu drücken.


Schließgeld (W3) [Adelung]


Das Schließgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, Geld, welches man für das Schließen bezahlet; doch nur in einigen einzelnen Fällen. Ein Gefangener, welcher seiner Haft entlassen wird, bezahlet dem Schließer oder Stockmeister ein gewisses Schließgeld.


Schließhahn (W3) [Adelung]


Der Schließhahn, des -es, plur. die -hähne, ein Hahn an den Bier- oder Weinfässern, wo der Dreher mit einem eigenen dazu gehörigen Schlüssel umgedrehet wird; zum Unterschiede von einem gemeinen Hahne.


Schließhaken (W3) [Adelung]


Der Schließhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein eiserner Haken in Gestalt eines halben Keiles an den Küsten und Laden welcher in das Schloß eingreift. Ingleichen an den Thüren, ein ähnlicher Haken, worein der Riegel des Schlosses schnappt, wenn die Thür kein versenktes Schloß hat. In beyden Fällen auch die Krampe.


Schließkappe (W3) [Adelung]


Die Schließkappe, plur. die -n, ein Stück Eisen an den Französischen Schlössern in Gestalt eines vierseitigen Kastens, der an der Thürpfoste befestigt ist, und in dessen Löcher der Riegel des Schlosses fällt.


Schließkette (W3) [Adelung]


Die Schließkette, plur. die -n, eine Kette, womit etwas verschlossen wird.


Schließlich (W3) [Adelung]


Schließlich, adv. zum Schlusse, zum Beschlusse, von schließen, beschließen. Im Oberdeutschen ist es auch als ein Beywort gangbar. Sie wurden ohne schließlichen Bescheid fortgeschickt.


Schließ-Muskel (W3) [Adelung]


Der Schließ-Muskel, des -s, plur. die -n, oder das Schließmäuslein, des -s, plur. ut nom. sing. in der Anatomie, ein Muskel oder Mauslein, welches die Gestalt eines Ringes hat, und zur Verschließung des Mastdarmes dienet; Spincter.


Schließnagel (W3) [Adelung]


Der Schließnagel, des -s, plur. die -nägel, ein eiserner Nagel oder Bolzen, große Riegel an den Thoren, Schließbäume u. s. f. damit zu verschließen. Bey den Buchdruckern schließet man die Formen damit zu.


Schließ-Quadrätchen (W3) [Adelung]


Das Schließ-Quadrätchen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Buchdruckern, der vierte Theil eines Quadrates oder Geviertes, die Zeilen damit auszuschließen.


Schließsäge (W3) [Adelung]


Die Schließsäge, plur. die -n, bey den Tischlern, eine gemeine Säge von mittlerer Größe, solche Stücke damit zu sägen, welche genau schließen oder passen sollen; S. Schlußsäge.


Schlimm (W3) [Adelung]


Schlimm, -er, -ste, adj. et adv. 1. * Schief, von der geraden Horizontal- oder Perpenticular-Linie abweichend; eine im Hochdeutschen unbekannte, aber in den gemeinen Ober- und Niederdeutschen Sprecharten sehr gangbare Bedeutung; Oberd. schläm, schliem, und mit einem andern Endlaute schläb, Nieders. slimm, im Fries. slom, im Lat. ohne Zischlaut limus. Einen schlimmen Hals haben, einen schiefen. Schlimm schreiben, schief. Je schlimmer, je dümmer, ein Oberdeutsches Sprichwort. 2. Figürlich. 1) Sich nicht wohl befindend, und zwar so wohl Neigung zum Erbrechen empfindend, für übel, als auch Neigung zur Ohnmacht u. s. f. empfindend; im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart, und zwar nur als ein Nebenwort. Es ist mir recht sehr schlimm. Wenn sie länger verziehen, so wird ihre Mama glauben, daß sie sehr schlimm sind, Weiße. Es muß ihr wohl recht sehr schlimm seyn, Gell. 2) Fertigkeit besitzend, alles mit übertriebener Schärfe und Pünctlichkeit zu verlangen; auch nur im gemeinen Leben, wofür man auch böse, arg, gebraucht. Ein schlimmer Hausherr, eine schlimme Frau. Sehr schlimm seyn. Die Männer sind nicht alle so schlimm, als sie ausgeschrien werden. 3) Neigung und Fertigkeit besitzend, Schaden, oder Böses zu thun, und in weiterer Bedeutung auch zuweilen für schädlich, von Sachen; in beyden Fällen auch nur im gemeinen Leben. Ein schlimmer Hund, ein schlimmer Knabe. Der Müßiggang, der schlimmste Feind der Jugend, Gell. 4) Der Absicht, dem Endzwecke, der gehörigen Beschaffenheit zuwider; in der vertraulichen Sprechart, für übel, böse, wo es doch im Hochdeutschen nur in einigen Fällen üblich ist, in manchen Mundarten aber ohne alle Einschränkung gebraucht wird. Es ist ihm sehr schlimm gegangen, sehr übel, sehr schlecht. Das ist nun freylich ein schlimmer Umstand, ein übler. Schlimm genug, daß man den Neid an so viel hundert albernen Menschen gewahr werden muß. Ich würde am schlimmsten dabey zu recht kommen. Sie sagte, sie wäre unruhig, und das war eben schlimm, Gell. Es stehet sehr schlimm mit ihm. Es sind schlimme Zeiten. Die Sache könnte nicht schlimmer seyn. Ein schlimmer Weg. Schlimmes Wetter. Da es denn in manchen gemeinen Sprecharten für schlecht überhaupt, d. i. dem Verlangen, der Absicht, nicht gemäß, (ohne daß es eben derselben zuwider sey,) gebraucht wird. Schlimme Augen haben, schlechte, welche nicht mehr gut sehen.

Anm. Die jetzt angeführten figürlichen Bedeutungen müssen eben nicht alle Figuren der schiefen Richtung seyn, indem schlimm, aber ohne Intension schlem, schlim, wenn es in seinem Umfange und in Verwandtschaft mit Schleim, lahm u. s. f. betrachtet wird, noch mehrerer eigentlicher Bedeutungen fähig ist. Im Schwed. ist slem schändlich, und im Deutschen wurde schlimm ehedem auch für geringe, bloß ungekünstelt gebraucht; ein schlimmer Edelmann, der weiter nichts als ein bloßer Edelmann ist. Das Nieders. slimm bedeutet auch schlau, verschlagen, selbst im guten, wenigstens im gleichgültigen Verstande; er war mir zu schlimm, zu schlau.


Schlingbaum (W3) [Adelung]


Der Schlingbaum, des -es, plur. die -bäume. 1) Der Sumach; Rhus coriaria L. ( S. Färberbaum.) 2) Der Mehlbeerbaum, Viburnum Lantana L. wird in vielen Gegenden so wohl Schlingbaum, Schlungbaum, als auch Schlinge, Kothschlinge, Wegschlinge genannt; ohne Zweifel wegen seiner schlanken Zweige, wenn es anders nicht mit dem Slavonischen Nahmen des sehr nahe verwandten Wasserhohlunders, Kalina, verwandt ist, der daher auch in vielen, ehedem von Wenden bewohnten Provinzen Kalinke, Kalinkenbaum, Galingenbaum genannt wird.


Schlinge (W3) [Adelung]


1. Die Schlinge, plur. die -n, S. das vorige.


Schlinge (W3) [Adelung]


2. Die Schlinge, plur. die -n, von dem Zeitworte schlingen. 1) * Ein Werkzeug zum Schlingen, d. i. Schläudern; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. 2) Ein mit dem einen Ende locker durch das andere Ende geschlungenes Band, oder ähnlicher biegsamer Körper, besonders so fern eine solche Schlinge zum Fangen gebraucht wird, da sie denn auch eine Schleife, eine Masche, und im Oberd. ein Läufel genannt wird. ( S. Schleife.) Schlingen legen. In die Schlinge gerathen. Den Kopf aus der Schlinge ziehen, figürlich, der Gefahr klüglich entgehen. Der Schlinge entgehen, der von einem andern zubereiteten Gefahr. Englisch Sling. S. 2 Schlingen.


Schlingel (W3) [Adelung]


Der Schlingel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im höchsten Grade träger und ungesitteter Mensch; nur von Personen männlichen Geschlechtes. Ein fauler Schlingel. Ein grober Schlingel.

Anm. Im Schwed. Slyngel, in Baiern mit einem andern Endlaute Schliffel, im Nieders. Schleef, Sleef, Slunkersleef. Die Endsylbe ist die Ableitungssylbe -el, ein Subject zu bezeichnen. Es scheinet, daß mit diesem Worte der schlendernde, oder vielmehr von einer Seite zur andern wankende Gang angedeutet werde, welcher so wohl eine Folge der Trägheit, als auch der Ungezogenheit ist, daher beyde Begriffe diesem Worte ankleben. Im Niedersächs. ist slinkfüsten müßig herum gehen, eigentlich die Fäuste oder Hände im trägen Gange hin und her schlenkern. Siehe auch Schläks.


Schlingeley (W3) [Adelung]


Die Schlingeley, plur. die -en, ein grobes, ungesittetes Betragen.


Schlingelhaft (W3) [Adelung]


Schlingelhaft, -er, -este, adj. et adv. grob, ungesittet; Nieders. sleefhaftig.


Schlingen (W3) [Adelung]


1. Schlingen, verb. irreg. act. et neutr. welches im letzten Falle das Hülfswort haben bekommt. Imperf. ich schlang, (im gemeinen Leben ich schlung;) Mittelw. geschlungen. Heftig und in großen Massen hinunter schlucken. Ein Heißhungriger schlingt die Speisen ungekauet hinunter. Zuweilen auch für schlucken überhaupt. Nicht schlingen können, nicht schlucken. Daher das Schlingen.

Anm. Bey dem Notker und spätern Oberdeutschen Schriftstellern slinden, ( S. Schlund,) im Nieders. slingen, im Bretagnischen ohne Zischlaut lounqua. Es ist eine Onomatopöie des damit verbundenen Lautes.


Schlingen (W3) [Adelung]


2. Schlingen, verb. irreg. welches mit dem vorigen auf einerley Art conjugiret wird. Es kommt doppelter Gestalt vor. 1. * Als ein Neutrum, da es ehedem, und vielleicht noch jetzt in einigen Oberdeutschen Gegenden, für kriechen gebraucht wurde, in welchem Falle es mit schleichen verwandt ist, welches eben dieselbe Bedeutung hat; Angels. slincan. Alle tier so gern oder schlingen auf der Erden, in dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur. 2. Als ein Activum. 1) * Mit einem Schwunge werfen, schläudern, eine gleichfalls im Hochdeutschen veraltete Bedeutung; Nieders. slingen. 2) In einer Schraubenlinie umgeben. Sich um etwas schlingen, wie gewisse Gewächse thun, im welchem Falle auch ranken und winden üblich sind. Die Arme in einander schlingen. Ingleichen in einer Schlangenlinie fortbewegen. Ein Bach der sich durch die Wiesen schlinget; wofür doch das Diminutivum schlängeln üblicher ist. So auch das Schlingen.

Anm. Im Nieders. slengen, welches auch flechten bedeutet, ( S. Schlenge,) im Schwed. slinga. Schlank, Schlange, schlängeln, schlenkern, Geschlinge u. s. f. sind insgesammt Geschwister Eines Stammes, und drucken die sich jeder Krümme überlassende Biegsamkeit aus.


Schlingrabe (W3) [Adelung]


Der Schlingrabe, des -n, plur. die -n, eine Art Patschfüße, welche dem Raben gleicht, im Fischfange sehr geschickt ist, und die gefangenen Fische gierig hinunter schlinget; der Schlucker, Seerabe, großer schwarzer Taucher, Plancus, Corvus lacustris Klein.


Schlippe (W3) [Adelung]


Die Schlippe, plur. die -n, ein nur im gemeinen Leben übliches Wort, einen engen Weg oder Ort zu bezeichnen, durch welchen man gleichsam schlüpfen muß. Besonders nennet man so den engen Raum zwischen zwey Häusern, der, so fern er zur Abhaltung des Feuers angeleget ist, auch die Brandgasse heißt. S. Schluff.

Anm. Es ist vermuthlich von schlupfen, ( S. dasselbe.) Von schleppen aber im Nieders. die Schlippe die Schürze, und der Schlipp der Zipfel an einem Kleide. S. Schleppe.


Schlitten (W3) [Adelung]


Der Schlitten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fuhrwerk ohne Räder, welches auf zwey Kufen oder vorn gekrümmten Balken stehet, im Winter auf dem Schnee oder Eise darin schnell fortzugleiten. Auf dem Schlitten fahren. Ein Rennschlitten, Schellenschlitten u. s. f.

Anm. Im Nieders. Schlede, und mit Ausstoßung des d im Osnabrück. Slye, im Schwed. Släda, im Isländ. Slede, im Engl. Sled, Sledge, im Ital. Schlitta, im Lothar. Chlitte. Es stammet von dem veralteten schlitten, Engl. to slide, Angels. slidan, her, welches ein doppeltes Intensivum von gleiten ist. Über den Rhein schlittete man mit Lästen, Tschudi bey dem Frisch. In Niedersachsen hat man davon das Intensivum schliddern, auf dem Eise zur Lust gleiten oder schleifen. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird ein Schlitten eine Reibe genannt.


Schlittenbahn (W3) [Adelung]


Die Schlittenbahn, plur. die -n, ein Weg, welcher mit Schlitten befahren werden kann, ingleichen die Beschaffenheit der Oberfläche, so daß sie bequem mit Schlitten befahren werden kann. Es ist Schlittenbahn. Schlittenbahn machen.


Schlittenbaum (W3) [Adelung]


Der Schlittenbaum, des -es, plur. die -bäume, die vorn gekrümmten Haupthölzer, welche auf der Erde fortgleiten, und worauf das ganze übrige Gebäude eines Schlittens ruhet; in Obersachsen die Kufen, Schlittenkufen, in Oberdeutschland die Läufe, in Nieders. die Slittern.


Schlittenfahrt (W3) [Adelung]


Die Schlittenfahrt, plur. die -en, die Fahrt, d. i. Reise auf einem Schlitten. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, das Fahren mehrerer zur Lust mit Schlitten. Eine Schlittenfahrt anstellen.


Schlittenkufe (W3) [Adelung]


Die Schlittenkufe, plur. die -n, S. Schlittenbaum und Kufe.


Schlittschuh (W3) [Adelung]


Der Schlittschuh, des -es, plur. die -e, eine Bekleidung der Fußsohlen, welche unten mit langen glatten Eisen versehen ist, damit auf dem Eise schnell fortzugleiten. Auf Schlittschuhen fahren, im gemeinen Leben nur Schlittschuh laufen.

Anm. Die erste Hälfte ist von dem veralteten Zeitworte schlitten, auf dem Eise gleitend fahren. ( S. der Schlitten Anm.) In vielen Gegenden ist dafür Schrittschuh, Nieders. Striedschöe, üblich, von strieden, weit ausschreiten, weil solches zu dieser Art des Fahrens nothwendig ist.


Schlitz (W3) [Adelung]


Der Schlitz, des -es, plur. die -e, ein Wort, welches ehedem einen jeden Riß, Bruch, Schnitt oder Spalt bedeutete. Bey dem Notker ist Sliz der Bruch, im Tatian Gisliz der Riß in einem Kleide. Im Bergbaue ist Geschlitz noch jetzt ein Einschnitt, eine Kerbe, und im Oberdeutschen nennet man noch den Spalt einer Feder einen Schlitz. Im Hochdeutschen ist es nur noch in einigen Fällen üblich. 1) Ein langer schneller Schnitt in einen elastischen Körper, so daß dadurch eine von einander stehende Öffnung entstehet. Einem Pferde einen Schlitz in das Ohr machen. Ein Schlitz in der Nase, in dem Backen. 2) Gewisse längliche Öffnungen in den Kleidungsstücken, besonders wenn sie durch einen Schnitt entstanden sind, oder doch auf solche Art entstanden zu seyn scheinen. Der Schlitz am Hemde, die lange Öffnung desselben auf der Brust oder auf dem Rücken. Der Schlitz an dem Ärmel eines Hemdes, an den Weiberröcken u. s. f. Im Engl. Slit. S. Schlitzen.


Schlitzeisen (W3) [Adelung]


Das Schlitzeisen, des -s, plur. ut nom. sing. an den Stühlen der Sammetweber, eine eingeniethete Messerklinge, womit die Fäden der Kette aufgeschlitzet werden.


Schlitzen (W3) [Adelung]


Schlitzen, verb. reg. act. einen Schnitt der Länge nach in einen welchen, besonders elastischen, Körper machen, wo es oft für aufschlitzen gebraucht wird. In Persien schlitzet man den Verbrechern den Bauch. Einen Fisch schlitzen. Einem Pferde die Ohren, die Nasen schlitzen. In weiterer Bedeutung, gebraucht man es im Oberdeutschen oft auch für spalten. Eine Feder schlitzen. So auch das Schlitzen.

Anm. Es ist das Intensivum von schleißen, und wurde daher ehedem in dessen sämmtlichen Bedeutungen gebraucht. In der Bedeutung der schnellen eigenen Bewegung oder Entfernung war Herisliz ehedem die bösliche Verlassung des Kriegsheeres, wo jetzt noch einer ähnlichen Figur ausreißen üblich ist. Am häufigsten war es von allen gewaltsamen Verletzungen eines Dinges, für reißen, brechen, spalten, schneiden u. s. f. Sleizer sin giuuati, Ottfr. er zerriß sein Gewand. Im Nieders. ist Slitse ein abgerissener Lappe. Nach einer gewöhnlichen Figur wurde es denn auch für theilen überhaupt gebraucht; die drey Personen unzusl unzuslizt. ungetheilt, Jeroschin. Das sch ist so wohl in diesem Zeitworte als in dessen Stammworte schleißen, das Zeichen einer Intension; ziehet man dasselbe ab, so wird die Verwandtschaft mit verletzen, laedere, und dem veralteten verliesen für verlieren begreiflich. Bey dem Ulphilas ist gasleithjan verliesen, oder verlieren. Noch jetzt sagt man active, Waaren verschleißen, sie absetzen, unter die Leute bringen.


Schlitzfenster (W3) [Adelung]


Das Schlitzfenster, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fenster in Gestalt eines Schlitzes, d. i. eine lange schmale Öffnung in einer Mauer, Licht dadurch zu gewinnen.


Schlitzgraben (W3) [Adelung]


Der Schlitzgraben, des -s, plur. die -gräben, in einigen Gegenden, ein kleiner, schmaler Graben, die Wiesen durch denselben zu wässern.


Schlodern (W3) [Adelung]


Schlodern, verb. reg. act. welches nur bey den Schlössern üblich ist, welche, dem Frisch zu Folge, ihre Arbeit schlodern, wenn sie selbige löthen wollen, und daher das darauf gelegte Loth mit Lehm überziehen, denselben in Kohlen trocknen lassen, und hernach die Hitze verstärken, bis das Loth schmilzet. Es scheinet zu schlottern zu gehören.


Schlohweiß (W3) [Adelung]


Schlohweiß, adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben üblich ist, sehr weiß, schneeweiß. Im Nieders. sluwit; eben daselbst gebraucht man es auch als ein Hauptwort, so weiß als ein Schlu. Die erste Hälfte ist, so wie sie da steht, ein wenig dunkel; Schlu ist zwar im Nieders. eine Hülse, Schote, aber was hat die mit der weißen Farbe zu thun? Wenn man indessen bemerkt, daß man in manchen Gegenden wirklich schloßweiß spricht, und der große Haufe in manchen Gegenden eine große Weiße auch durch schneehagel-weiß ausdruckt: so bleibt wohl kein Zweifel übrig, daß dieses Wort aus schloßweiß verderbt worden, indem die Schloßen oder Hagelkörner eine blendende Weiße haben.


Schloß (W3) [Adelung]


Das Schloß, des -sses, plur. die Schlösser, Diminut. das Schlößchen, Oberd. Schlößlein; von dem Zeitworte schließen. 1) * Die Handlung des Schließens, ohne Plural; eine größten Theils veraltete Bedeutung, wofür jetzt Schluß üblich ist. Die Maurer pflegen die Schlußsteine, welche den Schluß eines Gewölbes machen, noch zuweilen Schloßsteine zu nennen. Vielleicht gehöret hierher auch das Schloß oder der Schlußtritt bey den Jägern, welches derjenige Tritt ist, welchen der Hirsch mitten in seinem Bette mit einem der Vorderläufte thut, indem er aufstehet. 2) Ein Ding, welches schließet, wo es zunächst, wie dieses Zeitwort, eine Nachahmung des Lautes ist, und eigentlich von solchen Werkzeugen gebraucht wird, welche vermittelst einer gespannten Feder oder auf ähnliche Art, einen diesem Worte angemessenen schnappenden Laut von sich geben. Von dieser Art ist das Schloß an den Feuergewehren, das von Federn getriebene Feuerzeug an denselben. Besonders, wenn durch ein solches Werkzeug ein anderes Ding zugleich zugeschlossen oder verschlossen wird. Dahin gehören die Schlösser an den Hals- und Armbändern, an den Schreibtafeln, an den Büchern, welche letztern in Österreich Schließen genannt werden, an den Taschenbügeln, und in andern ähnlichen Fällen mehr, welche im gemeinen Leben auch zum Unterschiede von den andern Arten Knippschlösser genannt werden. Im engsten Verstande ist ein Schloß ein kleiner Kasten mit Einem oder mehrern Riegeln, welche von einer Feder getrieben werden, Thüren und andere Öffnungen damit zu verschließen. Ein Riegelschloß, zum Unterschiede von einem Vorlege- oder Hängeschlosse. Ein Schloß vorlegen, ein Hängeschloß. Zuweilen verlieret sich die Onomatopöie, und da werden die Eisbeine an Menschen und Thieren, welche sich in manchen Fällen öffnen und wieder zuschließen, oft auch nur das Schloß genannt, ( S. Schlußbein.) Dahin gehören auch die Schlösser oder Schlüssel an den Baßpfeifen, welches bloße Bleche sind, welche die Öffnung öffnen oder verschließen. 3) Der Ort, wo ein Ding geschlossen ist, und der auch der Schluß genannt wird; doch nur in einigen Fällen. Bey den Pferden ist das Schloß das Ende der Nase, wodurch die beyden Nasenlöcher abgesondert werden; vielleicht weil sich hier die Nase schließet oder endiget. An den Kunstgestängen ist das Schloß derjenige Ort, wo zwey Gestänge an einander schließen, und daher selbst mit Ringen und Schrauben verwahret sind. 4) Ein eingeschlossener, d. i. wider den Anfall eines Feindes verwahrter Ort, da es denn Spuren gibt, daß ehedem auch befestigte Städte so wohl Bürge, als Schlösser und Castelle genannt worden. Jetzt werden nur noch befestigte und mit gewissen Hoheitsrechten begabte Wohnsitze der Fürsten, Herren und Dynasten Schlösser genannt; ehedem hießen sie Bürge. Ein königliches Schloß, ein fürstliches Schloß. Ein Bergschloß, wenn es auf einem Berge liegt, ein Raubschloß, so fern es zur Sicherheit der Räuber befestiget ist, oder Räubereyen aus demselben geschehen. Schlösser in die Luft bauen, unmögliche Entwürfe aushecken. Ein Mann, auf den ich Schlösser gebauet hätte, auf welchen ich ein unumschränktes Vertrauen setzte. In weiterer Bedeutung wird im gemeinen Leben häufig ein jeder ansehnlicher Pallast eines vornehmen Herren, und in manchen Gegenden ein jeder Rittersitz ein Schloß genannt, ohne Zweifel, weil dergleichen Wohnsitze ehedem wirkliche Schlößer waren.

Anm. In der zweyten Bedeutung schon im Schwabenspiegel Slozz, im Nieders. Slot, im Schwed. ohne Zischlaut Las, Dän. Laas, Isländ. Las, und im Engl. mit einem andern Endlaute Lock. ( S. Schließen.) In weiterer Bedeutung ist in Boxhorns Glossen Sloz ein Riegel, welche Bedeutung das Niedersächs. Slöte noch hat. In der vierten Bedeutung lautet es im Nieders. Slot, und im Schwed. Slott. Daß auch hier die Bedeutung des Schließens oder Einschließens zum Grunde liegt, so wie Arx von arcere gebildet ist, erhellet unter andern auch aus dem Nieders. Slöte, welches auch ein Schlußbalken.


Schloßbalken (W3) [Adelung]


Der Schloßbalken, S. Schlußbalken.


Schloßbeamte (W3) [Adelung]


Der Schloßbeamte, des -n, plur. die -n, der Beamte auf einem Schlosse. S. Schloß 4.


Schloßbeutel (W3) [Adelung]


Der Schloßbeutel, des -s, plur. ut nom. sing. kleine, mit einem so genannten Knippschlosse versehene Beutel, sie in der Tasche zu tragen.


Schlößblech (W3) [Adelung]


Das Schlößblech, des -es, plur. die -e, das äußere Blech an einem Schlosse, woran die Theile desselben befestiget sind. Bey den Büchsenmachern ist auch die äußere eiserne Platte eines Gewehrschlosses unter diesem Nahmen bekannt.


Schloße (W3) [Adelung]


Die Schloße, plur. die -n, Regentropfen, welche im Herunterfallen aus der Luft in Eis verwandelt worden. Es fallen Schloßen. Wo es sehr häufig, besonders in manchen Gegenden, als ein mit Hagel gleichbedeutendes Wort gebraucht wird. Andere unterscheiden die Schloßen von dem Hagel, aber nicht auf eine gleichförmige Art. Luther gebraucht das Wort Schloße von den größten und stärksten Hagelkörnern, welches auch der in diesem Worte liegenden Onomatopöie gemäß zu seyn scheinet. Er schlug ihre Weinstöcke mit Hagel und ihre Maulbeerbäume mit Schloßen, Ps. 78, 47; wo das in der letzten Stelle befindliche Wort - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, nach Stosch Bemerkung, großen und starken Hagel bedeutet. Andere kehren es um und gebrauchen Hagel von den größten, Schloßen aber von den kleinern Körnern dieser Art. Man hat Schloßen gefunden, die über 3 Loth, und Hagel, der über 5/4 Pfund wog.

Anm. Es gehöret zu dem Zeitworte schleißen, aber nur so fern in beyden Wörtern ein gemeinschaftlicher Laut zum Grunde liegt. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Hagel, Schloßen, ist genau damit verwandt. Daß nichts als eine Onomatopöie in diesem Worte gesucht werden müsse, erhellet aus dem Engl. Sluicy Rain, welchen wir mit ähnlichen Nachahmungen Platzregen, Schlagregen nennen. Weil die Fälle, wo dieses Wort im Plural collective gebraucht wird, häufiger sind, als wo es distributive vorkommt, so machen die meisten Sprachlehrer daraus den falschen Schluß, daß dieses Wort nur allein im Plural üblich sey. Aber wie oft sagt man nicht, jede Schloße wog ein Loth u. s. f. In einigen Oberdeutschen Gegenden gebraucht man dieses Wort sogar im Singular und zwar im männlichen Geschlechte collective, so wie Hagel, welche Form aber im Hochdeutschen fremd ist. Donner, Blitz und harter Schloß Soll bey dir vorüber gehn, Opitz. Wie, wenn ein kalter Sturm den Schloß, den er gebieret, - auf die Saate wirft, ebend. Da das o in der Aussprache gedehnt wird, folglich der folgende harte Zischlaut eine etwas gelindere Aussprache bekommt, so kann dieses Wort nicht anders als mit einem ß geschrieben werden.


Schloßen (W3) [Adelung]


Schloßen, verb. reg. imperf. mit dem Hülfsworte haben. Es schloßet, es fallen Schloßen. Es hat geschloßet.


Schloßenstein (W3) [Adelung]


Der Schloßenstein, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, ein Nahme der kleinen, weißen, rundlichen Kieselsteine, welche den Schloßen ähnlich sehen.


Schloßenwetter (W3) [Adelung]


Das Schloßenwetter, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit Schloßen vermischtes, aus Schloßen bestehendes Wetter.


Schlösser (W3) [Adelung]


Der Schlösser, des -s, plur. ut nom. sing. dessen Gattinn die Schlösserinn, von Schloß 2, ein zünftiger Handwerker, welcher vornehmlich Schlösser an die Thüren, Kasten u. s. f. hiernächst aber auch die meisten feinern Eisenarbeiten verfertiget; im Nieders. Kleinschmid, zum Unterschiede von dem Grob- und Hufschmide. Im mittlern Lateine Claustrarius. In den breitern Oberdeutschen Mundarten lautet dieses Wort Schlosser.


Schloßfeder (W3) [Adelung]


Die Schloßfeder, plur. die -n, von Schloß 2, eine stählerne Feder in einem Schlosse, besonders in einem Thür- oder Kastenschlosse.


Schloßgarten (W3) [Adelung]


Der Schloßgarten, des -s, plur. die -gärten, von Schloß 4, ein Garten an einem Schlosse, oder der zu einem Schlosse gehöret.


Schloßgesessen (W3) [Adelung]


Schloßgesessen, adj. et adv. welches nur in einigen Gegenden üblich ist, und einen Einwohner bedeutet, welcher ein mit gewissen Hoheiten versehenes Schloß besitzet, und auch burggesessen, beschloßt und geschloßt genannt wird. Ein schloßgesessener, geschloßter oder beschloßter Junker. In engerer Bedeutung sind daher in einigen Gegenden, z. B. in Pommern, schloßgesessen und schriftsässig gleichbedeutende Wörter.


Schloßhauptmann (W3) [Adelung]


Der Schloßhauptmann, des -es, plur. die -männer, und in dem Munde eines Höhern im Plural auch wohl Schloßhauptleute, von Schloß 4, der Vorgesetzte, Befehlshaber eines fürstlichen Schlosses, dem die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit in demselben oblieget. An einigen Höfen, z. B. an dem Braunschweigischen, wird der Unter-Hofmarschall Schloßhauptmann genannt.


Schloßkirche (W3) [Adelung]


Die Schloßkirche, plur. die -n, von Schloß 4, eine Kirche auf oder in einem Schlosse.


Schloßknochen (W3) [Adelung]


Der Schloßknochen, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Schlußbein.


Schloßmacher (W3) [Adelung]


Der Schloßmacher, des -s, plur. ut nom. sing. in den Gewehrfabriken, diejenigen Arbeiter, welche die Schlösser zu den kleinen Feuergewehren verfertigen.


Schloßnagel (W3) [Adelung]


Der Schloßnagel, des -s, plur. die -nägel. 1) Nägel, welche etwas über einen Zoll lang sind, und womit gemeiniglich die Thürschlösser angenagelt werden. 2) Ein starker, runder Nagel, welcher den hintern Wagen an den vordern befestiget, den Schluß, d. i. die Verbindung, zwischen beyden ausmacht; der Spannnagel, Stellnagel, an den Laffeten auch der Protznagel.


Schloßstein (W3) [Adelung]


Der Schloßstein, S. Schlußstein.


Schloßtritt (W3) [Adelung]


Der Schloßtritt, S. Schlußtritt und Schloß 1.


Schloßweiß (W3) [Adelung]


Schloßweiß, S. Schlohweiß.


Schlot (W3) [Adelung]


Der Schlot, des -es, plur. die Schlöte, ein nur in den gemeinen Sprecharten mancher Gegenden übliches Wort, wo es einen jeden Canal, eine jede Röhre von einer beträchtlichen Weite bedeutet. 1) Einen Canal. So wird in Niederdeutschland ein Graben zum Abzuge des Wassers sehr häufig ein Schlot genannt; Nieders. Sloot, Holländ. Sloot. 2) Ein viereckter Canal, den Rauch aus den Häusern u. s. f. abzuführen, der Rauchfang, heißt im gemeinen Leben vieler Gegenden ein Schlot, wo dieses Wort doch mehr den innern weiten, hohlen Raum bedeutet, dagegen Feuermauer, Schorstein u. s. f. andere Umstände daran bezeichnen. Den Schlot kehren. Daher ist daselbst der Schlotkehrer der Feuermauerkehrer. Der Schlot des Kamines gehet in die Feuermauer. In einigen Gegenden die Schlotte, besonders in den Niederdeutschen Hüttenwerken. Auch in den Bräuhäusern pflegt man die Rauchfänge in manchen Gegenden Schlotten zu nennen.

Anm. Es scheinet gleichfalls von schließen, Nieders. sleten und sluten herzustammen, und überhaupt einen eingeschlossenen Raum zu bezeichnen. Zu der Niederdeutschen Bedeutung eines Grabens gehöret auch das Ostfriesische Schlott, ein eingeschlossenes, innerhalb des Landes befindliches stehendes Wasser. Eben daselbst ist schloten und schlöten einen Graben reinigen, abschloten durch einen Graben absondern, beschloten mit einem Graben einschließen, Der Schlotthaken ist auch in Schlesien ein Werkzeug zur Reinigung der Gräben. Zur zweiten Bedeutung eines Rauchfanges gehöret auch das in den Bergwerken übliche und nur des Zischlautes beraubte Lotte, ein Canal zur Einbringung frischer Luft in die Stellen. In manchen Gegenden wird ein Schlot zur Abführung des Rauches auch ein Schlund genannt, woraus zugleich die Verwandtschaft beyder Wörter erhellet.


Schlote (W3) [Adelung]


Die Schlote, plur. die -n, oder der Schloten, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Nahme der Rohrkolbe, Typha L.


Schlotter (W3) [Adelung]


Der Schlotter, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden, besonders in den Salzsiedereyen, übliches Wort, den dicken Schlamm zu bezeichnen, welcher übrig bleibt, wenn man das in den Herd aus der abgetropften Sohle gerathene Salz ausgekocht hat. In andern Gegenden das Geschlotter. Es druckt die schlotternde, schlottrige Beschaffenheit eines solchen dicken Schlammes aus. ( S. Schlottermilch.) In einem andern Verstande wird eine Klapper in einigen Oberdeutschen Gegenden im weiblichen Geschlechte die Schlotter genannt.


Schlotterapfel (W3) [Adelung]


Der Schlotterapfel, des -s, plur. die -äpfel, in einigen Gegenden, ein Nahme der Glocken-Kern- oder Klapperäpfel, deren lockere Kerne schlottern oder klappern, wenn man sie schüttelt.


Schlotterfaß (W3) [Adelung]


Das Schlotterfaß, des -sses, plur. die -fässer, bey dem Landleuten in der Ernte, ein längliches Behältniß, worin der Mähder bey dem Mähen den Wetzstein mit ein wenig Wasser bey sich führet, weil es vermittelst eines Riemens an dem Leibe schlotternd hängt; die Wetzkiste.


Schlotterig (W3) [Adelung]


Schlotterig, -er, -ste, adj. et adv. schlotternd; Nieders. slatterig, slodderig, sludderig, zusammen gezogen slurig. Schlotterig gekleidet gehen, äußerst nachläßig. Ein schlotteriger Mensch, der in seiner Kleidung und in seinem Betragen im höchsten Grade nachlässig ist.


Schlotterkasten (W3) [Adelung]


Der Schlotterkasten, des -s, plur. ut nom. sing. in den Salzwerken, ein Kasten, worin sich der Schlotter befindet.


Schlottermilch (W3) [Adelung]


Die Schlottermilch, plur. car. in einigen Gegenden, Milch, welche von sich selbst, ohne Feuer oder Lab gerinnet. In andern Gegenden wird auch die sauer gewordene dicke Milch nach abgenommenen Rahme, ingleichen die durch das Lab verdickte Milch, Schlottermilch genannt, wofür in andern Gegenden Schlickermilch üblich ist.


Schlottern (W3) [Adelung]


Schlottern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, sich zitternd und heftig hin und her bewegen. Daß ihr Herz muß verzagen, die Knie schlottern, Nahum 2, 11. Ingleichen sich aus nachlässiger Schlaffheit hin und her bewegen, nachlässig schlaff seyn. Die Kleider schlottern um den Leib, wenn sie nicht gehörig befestiget sind. So auch das Schlottern.

Anm. Im Niedersächs. sloddern, sluddern, wo auch Slatte, Slodde, ein Lumpen, Lappen ist. Es ist das Intensivum von schlaudern. Ohne Zischlaut ist im Holländ. loteren schlottern, und in manchen gemeinen Sprecharten der Loden, ein Lappen, Lumpen. S. auch Lotterbube.


Schloweiß (W3) [Adelung]


Schloweiß, S. Schlohweiß.


Schlucht (W3) [Adelung]


Die Schlucht, plur. die -en, im gemeinen Leben vieler Gegenden, ein schmales, tiefes Thal zwischen zwey Bergen, ingleichen eine von dem Wasser an einer Anhöhe ausgewaschene Hohlung, (der Wasserriß, im Oberd. die Bachfahrt,) die, wenn ein Weg dadurch gehet, einen hohlen Weg oder Hohlweg macht. In manchen Gegenden die Schluchter, und mit einem andern Endlaute die Schluft, Schlufte, Schlufter. Das Nieders. Slugter bedeutet nicht nur in noch weiterm Verstande einen Graben, sondern wie alle Wörter, welche eine Vertiefung bezeichnen, auch von einer Erhöhung gebraucht werden, so bedeutet es daselbst auch einen Haufen, da denn slugtern in Haufen legen, ingleichen als ein Neutrum, schnell in die Höhe schießen ist. In unserm Schlucht herrschet die Bedeutung des hohlen, in die Länge sich erstreckenden Raumes, da es denn mit seinen Verwandten Schlauch, Schlot, dem nur der Hauchlaut mangelt, Schlacht für Schlund u. s. f. ein Abkömmling des Zeitwortes schlagen ist. Im Englischen bedeutet Slough eine Höhle und einen Sumpf. Übrigens wird eine solche in die Länge gehende Vertiefung an einem Berge oder zwischen zwey Bergen in einigen Gegenden eine Klinge, im Hollstein. ein Redder und in noch andern Gegenden ein Rachen genannt, welchem letztern das Lat. Fauces in eben dieser Bedeutung ähnlich ist.


Schluchzen (W3) [Adelung]


Schluchzen, verb. reg. neutr. welches mit dem Hülfsworte haben verbunden wird. 1) Eigentlich, denjenigen unwillkührlichen Laut von sich hören lassen, welcher mit dem krampfartigen Zusammenziehen der Luftröhre verbunden ist, und wofür auch das einfachere Zeitwort schlucken üblich ist. 2) Da dieser Laut oft auch ein heftiges lautes Weinen bedeutet, so wird schluchzen auch oft von einem solchen heftigen Weinen, welches man zu unterdrücken sucht, gebraucht. Sie konnte vor Schluchzen schlechthin nichts sagen, Hermes. O mein Geliebter, so schluchzete sie, o wie bin ich glücklich! Geßn. So auch das Schluchzen.

Anm. Es ist ein vermittelst der Endsylbe -zen gebildetes Intensivum von schlucken, wo das ck um des Wohllautes willen in das weichere ch übergehet. Härtere Mundarten sprechen schluckzen. Es ist so wie schlucken eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, so wie alle übrige gleichbedeutende Wörter; Niedersächs. slucken, snucken, snicken, im Oberd. ohne Zischlaut glucksen, klucksen, ingleichen schnipfen, hicksen, hätschen, Engl. to yex, Schwed. hicka, Isländ. hixta, Wallis. igian, u. s. f.


Schluchzen (W3) [Adelung]


Der Schluchzen, des -s, plur. car. derjenige Krampf der Luftröhre, der das Schluchzen in der ersten Bedeutung verursacht. Den Schluchzen haben. Im gemeinen Leben nur der Schlucken, im Nieders. der Sluckup, Snuckup, Huckup, in Baiern der Schnakeler, in andern Oberdeutschen Gegenden der Hätschen, die Hesche, der Heschitz, der Hick, der Hicksen, der Glucks, der Nösch, im Engl. Hickup, Hicket, im Angels. Geoxa, im Dän. und Holländ. Hick, im Wallis. Ig, im Franz. Hocquet, Houquet, im Spanisch. Hipo, im Bretagn. Hix, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; lauter unläugbare Onomatopöien.


Schluck (W3) [Adelung]


Der Schluck, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schlucken. 1) Die Handlung des Schluckens, ohne Plural; doch nur in einigen wenigen Fällen. In einem Schluck. Noch häufiger 2) so viel von einem flüssigen Körper, als man auf Ein Mahl hinunter schluckt, wo man im gemeinen Leben auch das Diminutivum Schlückchen hat. Ein Schluck Wasser. Ein Schlückchen Branntwein. Einen Schluck thun. Im Nieders. ohne Zischlaut Kluck. Im Pohlnischen ist gar ohne Gaumenlaut Lyk ein Bissen, ein Mund voll, welches zunächst zu unserm lecken zu gehören scheinet.


Schlucken (W3) [Adelung]


Schlucken, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, durch die Kehle in den Magen bringen, wo es den mit dieser Handlung verbundenen Laut nachahmet. Nicht schlucken können. Ingleichen figürlich für gierig essen. Weidlich schlucken können. ( S. Schlucker.) Da dieser Laut eben derselbe ist, welcher mit dem von einem Krampfe der Luftröhre herrührenden Aufstoßen verbunden ist, so wird Schlucken auch wohl für das Intensivum schluchzen gebraucht. 2) Als ein Activum, ein Ding durch die Kehle in den Magen bringen, es sey nun ein fester oder ein flüssiger Körper. Eine Speise hinunter schlucken, im gemeinen Leben hinter schlucken. Der Behemoth schlucket in sich den Strom. Ingleichen figürlich von leblosen Körpern, wenn sie einen nassen häufig und schnell in sich ziehen, weil solches in manchen Fällen gleichfalls mit diesem Laute verbunden ist, auf welche Onomatopöie sich auch die Benennung eines Schlauches gründet, so wie Schlund von schlingen, ehedem schlinden, abstammet. Ein stummer Boden wird gierig ihr Blut schlucken. Hiob 5, 5, nach Michaelis Übersetzung. So auch das Schlucken.

Anm. Im Nieders. slinken, im Holländ. slocken, im Schwed. sluka, im Nieders. auch ohne Zischlaut klucken. Eben daselbst ist Slök, Slöke, das Vermögen zu schlucken, der Schlund, ingleichen ein Schmaus, und Sluke der Schlund. Schlucken ist ein Intensivum von einem veralteten schlugen, welches noch in dem Dänischen sluge, schlucken, übrig ist, und wovon unser Schlauch abstammet. S. auch Schlingen.


Schlucken (W3) [Adelung]


Der Schlucken, des -s, plur. car. ein für der Schluchzen übliches Wort. Den Schlucken haben, den Schluchzen. Es ist nicht der Infinitiv des vorigen Zeitwortes, weil es sonst ungewissen Geschlechtes seyn müßte, sondern eine unmittelbar aus dem Stammlaute schluck und der Ableitungssylbe -en gebildetes Hauptwort. S. Schluchzen.


Schlucker (W3) [Adelung]


Der Schlucker, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte schlucken, gierig essen, eigentlich ein Mensch, welcher viel und gierig ißt, besonders der es sich auf anderer Unkosten wohl schmecken läßt, ein Schmarotzer; in welchen Bedeutungen noch das Nieders. Slucker gangbar ist. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur in der R. A. ein armer Schlucker, einen armen, ausgehungerten Menschen zu bezeichnen, der seinen Hunger an fremden Tafeln zu stillen sucht. Da geht er, der barmherzige Schlucker, Less. Im Nieders. bedeutet auch Sloks, Sluks, einen Fresser, Vielfraß. In der Naturgeschichte wird auch der Schlingrabe von einigen Schlucker genannt, S. jenes Wort.


Schluckfieber (W3) [Adelung]


Das Schluckfieber, oder Schluchzenfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein Fieber, mit welchem ein Schluchzen oder Schlucken verbunden ist; Febris lyngodes oder singultuosa. S. Schluchzen.


Schluff (W3) [Adelung]


Der Schluff, des -es, plur. die -e. 1) Bey den Jägern, ein enger Ort, durch welchen ein Thier seinen gewöhnlichen Gang nimmt; wo es von schliefen abstammet, und mit dem folgenden Schluft einerley ist. 2) Bey den Töpfern wird ein gelber Thon, welcher vielen Sand bey sich führet, Schluff genannt; wo es vermuthlich zu Schlief und dessen Verwandten gehöret, und den Begriff der zähen schmierigen Beschaffenheit zu haben scheint.


Schluft (W3) [Adelung]


Die Schluft, plur. die Schlüfte, von dem Zeitworte schliefen, ein enger, schmaler Ort, durch welchen man gleichsam nur schliefen kann, wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist. Ein enges Thal zwischen zwey Bergen, ein tiefer Wasserriß an einem Berge, ein hohler Weg wird in vielen Gegenden eine Schluft genannt. ( S. Schlucht.) In den Ziegelöfen ist die Schlucht der leere Raum zwischen zwey Bänken, das Feuer darin anzumachen, da denn auch die vor jeder Schluft in der Stirnmauer des Ziegelofens angebrachten Löcher, durch welche das Holz in die Schluft geworfen wird, Schluftlöcher heißen.


Schlug (W3) [Adelung]


Der Schlug, des -es, plur. inus. im Bernsteinhandel, ein Collectivum, eine gewisse Art des Bernsteines zu bezeichnen, welcher nach dem Sandstein der Größe nach der geringste ist, indem die Körner oder Stückchen dieser Sorte zwar größer sind als die Körner des Sandsteines, aber kleiner als die so genannten Knöbel. Da der Bernsteinhandel in Preußen einheimisch ist, so leitet Frisch das Wort von dem Slavonischen slo, schlimm, schlecht, her. S. indessen auch Schlacke.


Schlummer (W3) [Adelung]


Der Schlummer, des -s, plur. car. ein leiser, leichter Schlaf, wobey die Seele sich der Dinge außer sich noch dunkel bewußt ist. In den Schlummer gerathen, fallen. Von dem Schlummer überfallen werden. In einem sanften Schlummer liegen. S. Schlummern.


Schlummerfieber (W3) [Adelung]


Das Schlummerfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein mit einem beständigen oder doch häufigen Schlummer verbundenes Fieber.


Schlummern (W3) [Adelung]


Schlummern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, leise und leicht schlafen, so daß man noch ein dunkles Bewußtseyn seiner und anderer Dinge hat, worin es von dem schlafen unterschieden ist. Der Hüther Israel schläft noch schlummert nicht, Ps. 121, 4. Keiner schlummert noch schläft, Es. 5, 27. Die biblische R. A. die Augen oder Augenlieder schlummern, Ps. 132, 4, Matth. 13, 15, ist nur in der dichterischen Schreibart erlaubt; allein, mit den Augen schlummern, Apost. 28, 27, ist ganz ungewöhnlich. Ingleichen figürlich, besonders in der höhern Schreibart. So viel Gattungen von Fühlbarkeit in unserer Natur schlummern, so viel auch Tonarten (gibt es,) Herd. Es schlummere sorgenlos auf Rosen dein Gewissen, Die Schlange werd ich selbst noch zu erregen wissen, Weiße. Als sie in die Gefilde des Friedens hin über schlummerte, Klopst.

Anm. Im Engl. to slumber, im Angels. slumeran, im Schwed. slumra, im Holländ. sluymeren, und ohne Zischlaut luymeren. Die Endung -ern zeiget schon, daß dieses Wort ein Iterativum oder Intensivum ist, dessen Stammwort schlummen noch in einem alten Vocab. von 1482 für schlummern vorkommt. Der Stammbegriff ist auch hier die lahme, schlaffe Beschaffenheit eines schlummernden Körpers, nur daß das weiche und sanfte m einen schwächern Grad ausdruckt, als das härtere f in Schlaf. In den gemeinen Mundarten und verwandten Sprachen gibt es noch viele andere Wörter, den Schlummer und das Schlummern auszudrucken, welche sich größten Theils auf einen ähnlichen Begriff gründen. Dahin gehöret Notkers naphzen, in Baiern noch jetzt napfzen, wo aber, so wie in dem Osnabrück. nicken, schlummern, Nuck, oder Schlummer, und dem Schweizerischen nucken, schlum- mern, entnucken, einschlummern, Baier. entnapfzen, der Begriff des mit dem Schlummern im Stehen oder Sitzen verbundenen Nickens mit dem Kopfe der herrschende Begriff zu seyn scheinet; ferner die gleichfalls Oberdeutschen launlen, lauschen, dächeln, heideln, die Niederdeutschen dusen, drünsen, drünseln, drusen, drömken, dusken, das Mecklenburgische dörmen, dormire, dessen Intensivum dormitare, das Stammwort aber das Schwed. und Isländ. Dur, der Schlummer, ist, der im Bremischen auch Wenk und Vaak heißt, in Boxhorns Glossen Fakinga, wo fakon schlummern ist.


Schlump (W3) [Adelung]


Der Schlump, des -es, plur. inus. ein nur in einigen Sprecharten übliches Wort, das Unvermuthete, Plötzliche, Ungefähre einer Begebenheit zu bezeichnen, wo auch das Nebenwort schlumps für unversehens üblich ist. Es war ein bloßer Schlump, ein ungefährer Zufall. Stosch führet auch das bey den Jägern übliche Schlumpschuß an, ein Schuß, der nur von ungefähr trifft. Schlumpsweise oder schlumperweise, unversehener, unvermutheter Weise; lauter nur von den niedrigen Sprecharten eigene Ausdrücke. Es ist eine Onomatopöie, welche einen ähnlichen aber weichern Laut als plump nachahmet. Auf ähnliche Art sagt man in manchen Gegenden auf den Plotz oder Plutz.


Schlumpen (W3) [Adelung]


Schlumpen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches gleichfalls eine Onomatopöie, aber in anderer Rücksicht ist, als das vorige, im hohen Grade schlaff bangen und sich bewegen, ingleichen figürlich, auf solche Art einher gehen; gleichfalls nur im gemeinen Leben. Die Kleider schlumpen lassen. Es schlumpet alles an ihr. Im Hause herum schlumpen. Daher die Schlumpe, eine schlumpige, in der Kleidung höchst nachlässige weibliche Person. Ohne Zischlaut gehöret auch Lumpen und das Franz. Lambeau hierher. In manchen Mundarten ist davon auch das Iterativum schlumpern üblich. Bey den Böttchern schlumpert ein Reif, wenn er zu weit ist und nicht anziehet.


Schlumper (W3) [Adelung]


Der Schlumper, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden ein langes Kleid mit einer Schleppe am hintern Theile; ein Schleppkleid, S. dieses Wort.


Schlumpig (W3) [Adelung]


Schlumpig, -er, -ste, adj. et adv. äußerst nachlässig in der Kleidung. Schlumpig einher gehen, so daß die Kleidungsstücke am Leibe schlumpen.


Schlumpschuß (W3) [Adelung]


Der Schlumpschuß, des -sses, plur. die -schüsse, siehe Schlump.


Schlund (W3) [Adelung]


Der Schlund, des -es, plur. die Schlünde, Diminut. das Schlündchen, Oberd. Schlündlein. 1. Der Anfang der Speiseröhre hinten im Munde, welcher die Speise und das Getränk aufnimmt und zum Magen schicket. Ihr Schlund ist ein offenes Grab, Röm. 3, 13. In weiterer Bedeutung wird auch wohl der Anfang der Luftröhre, ja die ganze Luft- und Speiseröhre, der Schlund genannt. Im Oberdeutschen kommt etwas in den unrechten Schlund, wenn es in die Luftröhre kommt. 2. Figürlich, 1) Der Anfang der Öffnung einer Höhle, eines Abgrundes, ja einer weiten Röhre, oder vielmehr die Gränze zwischen der Mündung und dem Abgrunde der Röhre u. s. f. Der Schlund einer Höhle, eines Feuer speyenden Berges, der Hölle, eines Kamines u. s. f. In noch weiterm Verstande wird in einigen Gegenden auch der ganze Rauchfang, die Feuermauer, der Schlund genannt, der in manchen Gegenden der Schlot heißt. 2) Eine tiefe Stelle in einem Flusse, in dem Meere, welche die sich nähernden Körper verschlinget, in welchem Verstande die Wirbel, oder Strudel, oder ähnliche gefährliche Tiefen in dem Meere und in den Strömen, Schlünde genannt werden.

Anm. Schon bey dem Notker Slund, der es aber auch für den Gaumen gebraucht. Es ist von dem veralteten schlinden, welches noch für schlingen bey dem Ottfried und seinen Zeitgenossen häufig vorkommt. ( S. Schlingen.) Auf ähnliche Art sagen die Oberpfälzer für Schlund Schlunk, von schlingen, und die Niedersachs. Slöke, Sluke, von schlucken.


Schlundmäuslein (W3) [Adelung]


Das Schlundmäuslein, des -s, plur. ut nom. sing. in der Anatomie, diejenigen Mäuslein, welche sich in dem Schlunde endigen und denselben erweitern.


Schlung (W3) [Adelung]


Der Schlung, des -es, plur. die Schlünge, die Handlung des Schlingens, ohne Plural, und so viel als man auf Ein Mahl hinunter schlingen kann; in beyden Fällen kommt es nur selten vor.


Schlungröhre (W3) [Adelung]


Die Schlungröhre, plur. die -n, an einer Pumpe oder einem Kunstgezeuge, die unterste Röhre, welche in das Wasser gerichtet ist, und welche dasselbe in sich schlinget. Sie wird auch wohl die Schlundröhre genannt.


Schlupf (W3) [Adelung]


Der Schlupf, des -es, plur. die Schlüpfe, ein im Hochdeutschen fremdes und nur im Oberdeutschen übliches Wort. 1) Ein enger Ort oder Paß, durch welchen man nur schlüpfen kann, da es denn mit Schluf, Schluft und Schlippe gleichbedeutend ist. 2) Die Handlung des Schlupfens, oder so viel derselben, als mit einer und eben derselben Bewegung des Schlupfens geschiehet. So sagt man im Oberdeutschen, die Handschuhe in einem Schlupfe anziehen, einen Schlupf in jemandes Beutel thun.


Schlüpfe (W3) [Adelung]


Die Schlüpfe, plur. die -n, ein gleichfalls nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliches Wort. In einer Polizey-Ordnung der Stadt Frankfurt am Main für die Dorfschaften heißt es: Nur die Leichenträger sollen florene Schlüpfen und Mäntel nicht aber die Leichenbegleiter bekommen. Wo es mit Schleppe gleichbedeutend zu seyn scheinet.


Schlüpfen (W3) [Adelung]


Schlüpfen, im Oberd. schlupfen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn. Es ist das Intensivum von schliefen, und ist statt desselben auch im Hochdeutschen üblich, setzet aber wegen der intensiven Form eine engere Öffnung, mehr windende Bemühung und eine größere Glätte oder Biegsamkeit des Leibes voraus; sich mit einem glatten oder biegsamen Körper durch eine enge Öffnung winden, da es denn auch oft in weiterer Bedeutung für schnell kriechen oder schnell schleichen überhaupt gebraucht wird. Eine Maus schlüpft in ihr Loch. Durch einen Zaun schlüpfen. Ich muß meine Vorsicht verdoppeln, daß mein Sieg mir nicht aus den Händen schlüpfe, unvermerkt entgehe. Wie die sanften Abendwinde durch die Weiden schlüpfen, Geßn. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch von dem Anziehen der Kleidungsstücke. In die Strümpfe, in den Rock, in die Handschuhe schlupfen, sie anziehen. So auch das Schlüpfen.

Anm. Schon bey dem Ottfried slupfen, im Engl. to slip, im Nieders. slupen, (wovon Chalouppe, Nieders. Slupe abstammet,) slipen, slipern, slickern, im Schwed. slipa, welches aber auch schleichen bedeutet. ( S. Schliefen, dessen Intensivum es ist.) Eine andere noch im Oberdeutschen völlig gangbare Bedeutung, welche sich gleichfalls auf den Begriff der glatten Bewegung gründet, und nach welcher schlüpfen, schlupfen, gleiten ist, ist im Hochdeutschen veraltet; bey dem Ottfried slipfan, Holländ. slippen, Schwed. slippa, im Latein. ohne Zischlaut labi. Unser schlüpfrig stammet noch davon her, S. dasselbe.


Schlupfhafen (W3) [Adelung]


Der Schlupfhafen, des -s, plur. die -häfen, in der Seefahrt, kleine windstille Plätze, wohin kleine Fahrzeuge schlupfen und daselbst sicher und verborgen liegen können.


Schlupfloch (W3) [Adelung]


Das Schlupfloch, des -es, plur. die -löcher, ein Loch, eine Öffnung, in und durch welche man nur schlupfen kann. Ingleichen, figürlich, ein Ort, durch welchen man auf eine verborgene Art entkommen kann, ingleichen wo man sich verbergen kann. Siehe Schlupfwinkel.


Schlüpfrig (W3) [Adelung]


Schlüpfrig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich, glatt, wo man leicht schlüpfen, d. i. gleiten kann. Das Eis ist schlüpfrig, auf dem Eise ist es schlüpfrig zu gehen. Gebohnte Fußböden sind schlüpfrig. Noch häufiger, wenn diese Glätte von Nässe und Feuchtigkeit herrühret. Der Regen macht die Wege schlüpfrig, besonders, wenn der Fußboden Lehm, Thon, oder fette, zähe Erde ist. Da es denn in weiterer Bedeutung auch von solchen von Nässe glatten Körpern gebraucht wird, welche leicht aus den Händen schlüpfen. Die Schleihe, der Aal sind schlüpfrig. In noch weiterm Verstande, glatt und geschmeidig. Das Öhl macht die Gedärme schlüpfrig. 2. Figürlich. 1) Ein schlüpfriger Beweis, welcher nicht die gehörige Bündigkeit oder Festigkeit hat, auf keinem dauerhaften Grunde ruhet. Ein schlüpfriger Mensch, im Oberdeutschen, ein leichtsinniger, unbeständiger. 2) Eine schlüpfrige Zunge haben, eine biegsame, gelenke, d. i. schwatzhaft seyn. 3) Gefährlich, bedenklich, mißlich. Es ist eine schlüpfrige Sache, wenn ein Schwächerer dem Stärkern für Bezahlung Hülfe leistet. Man fürchtet oft die schlüpfrige Gefahr, Haged. 4) Auf eine halb verborgene Art zur Wollust reitzend. Schlüpfrige Gedichte. Ein schlüpfriges Gemählde.

Anm. Im Nieders. slibberig, im Schwed. slipprig. Es ist von dem im Hochdeutschen veralteten Intensivo schlüpfern, für schlüpfen, in dessen beyden Bedeutungen, oder auch, wenigstens in einigen Fällen, von dem noch im Holländ. gangbaren Slibber, Schlamm. Von dem einfachern schlüpfen, kommt bey Winsbecken slipsic in eben dieser Bedeutung vor. Das Latein. lubricus, von labi, schlüpfen, gleiten, ist genau auf eben dieselbe Art gebildet, nur daß ihm der Zischlaut mangelt, so wie dem Engl. einfachern glib, welches zu dem Niedersächsischen glippen, gleiten, gehöret.


Schlüpfrigkeit (W3) [Adelung]


Die Schlüpfrigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es schlüpfrig ist, in allen Bedeutungen dieses Wortes.


Schlupfwespe (W3) [Adelung]


Die Schlupfwespe, plur. die -n, ein den Wespen ähnliches Insect mit vier pergamentenen Flügeln und einem Stachel am Schwanze, Ichnevmon L. Afterwespe, welche andere Raupentödter nennen, bey welchen denn der Tenthredo L. Schlupfwespe heißt. Ohne Zweifel, weil sich diese Insecten gern in engen Ritzen und Örtern aufhalten und in denselben aus- und einschlupfen.


Schlupfwinkel (W3) [Adelung]


Der Schlupfwinkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Winkel, in welchen man schlupft, d. i. sich auf eine unbemerkte Art begibt. In weiterer Bedeutung, ein jeder verborgener Ort, in welchem man sich aus schädlichen oder bösen Absichten verbirgt; Nieders. Schuulort, von schulen, sich verbergen.


Schlürfen (W3) [Adelung]


Schlürfen, verb. reg. act. einen flüssigen Körper mit halb geschlossenen Lippen in sich ziehen. Dann schöpfte sie einen kühlen Trunk und schlürft ihn mit kleinen Lippen, Geßn. So auch in den Zusammensetzungen abschlürfen, ausschlürfen, einschlürfen. In der feinern Sprechart einiger Gegenden ist es auch als ein Neutrum für das niedrigere schlarfen üblich, weil dieses mit einem ähnlichen Laute verbunden ist, ( S. dasselbe.) Daher das Schlürfen.

Anm. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des Lautes. Im Nieders. ist dafür slieren, slubbern und lurken, im Oberdeutschen aber auch surphen, dem nächsten Verwandten von sorbere und supfen, dem Diminut. von saufen üblich, welche sich insgesammt auf eben dieselbe Onomatopöie gründen.


Schluß (W3) [Adelung]


Der Schluß, des -sses, plur. die Schlüsse, von dem Zeitworte schließen. 1. Die Handlung des Schließens, ohne Plural; doch nur in einigen Bedeutungen des Zeitwortes. 1) Die Handlung des Beschließens. Den Schluß einer Sache machen, sie zum Schlusse bringen, sie beschließen. Den Schluß mit etwas machen. Zum Schlusse eilen, schreiten. Zum Schlusse eines Gewölbes schreiten, dasselbe schließen. 2) Im Reiten sagt man, es habe jemand keinen Schluß, wenn er nicht schließt, die Schenkel nicht fest an den Leib des Pferdes anlegt. Einen guten Schluß haben. 2. Ein Ding, welches schließt, und der Ort, wo etwas schließt, oder sich schließt. 1) Der Ort, wo zwey Dinge passend mit einander verbunden sind, wird häufig der Schluß genannt. So ist an einer Schere der Schluß derjenige Theil, wo beyde Theile vermittelst eines Niethes mit einander vereiniget sind. Der Schluß einer Muschel, einer Thür u. s. f. der Ort, wo sich die Muschel schließet, wo die Thür anschließet; wo in manchen Fällen auch Schloß üblich ist. Auch die Schlußsteine, Schlußbeine u. s. f. heißen oft nur Schlüsse schlechthin. 2) Dasjenige, womit ein Ding beschlossen wird; der Beschluß. Der Schluß eines Briefes, einer Rede u. s. f. 3. Was geschlossen wird; auch nur in einigen Bedeutungen des Zeitwortes. 1) Für Entschluß, der nach vorher gegangener Überlegung gefaßte Vorsatz. Einen Schluß fassen, (nicht machen.) Mein Entschluß ist gefaßt. Einen Schluß ändern. Indessen ist das zusammen gesetzte Entschluß üblicher; ehedem sagte man auch Beschluß. So auch in den Zusammensetzungen Rathsschluß, Reichsschluß u. s. f. 2) Ein aus Vordersätzen hergeleiteter Satz. Einen Schluß machen, (nicht fassen.) Schlüsse aus etwas machen, ziehen, herleiten. In weiterer Bedeutung wird ein solcher hergeleiteter Satz mit allen seinen Vordersätzen ein Schluß oder Vernunftschluß genannt, da denn der hergeleitete Satz zum Unterschiede der Schlußsatz heißt. 3) In Beyschluß, Einschluß u. s. f. bedeutet es gleichfalls ein beygeschlossenes, eingeschlossenes Ding. S. Schließen.


Schlußart (W3) [Adelung]


Die Schlußart, plur. die -n, die Art und Weise zu schließen, d. i. einen Satz aus gewissen Vordersätzen herzuleiten.


Schlußbalken (W3) [Adelung]


Der Schlußbalken, des -s, plur. ut nom. sing. in der Zimmermannskunst, ein Balken, welcher den Schluß eines Daches macht, in welchem die Sparren zusammen gehen; im gemeinen Leben auch der Schloßbalken.


Schlußbein (W3) [Adelung]


Das Schlußbein, des -es, plur. die -e, ein Nahme des Hüftbeines mit seinen Theilen, Os coxae, besonders bey dem weiblichen Geschlechte, wo es sich bey der Geburt von einander gibt und nach derselben wieder schließet; im gemeinen Leben auch das Schloßbein, das Schloß, sonst auch der Schluß.


Schlußbier (W3) [Adelung]


Das Schlußbier, des -es, plur. inus. an einigen Orten, eine Ergetzlichkeit an Biere, welche die Mäurer bekommen, wenn sie den Schluß eines Gewölbes verfertiget haben.


Schlüssel (W3) [Adelung]


Der Schlüssel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schlüsselchen, Oberdeutsch Schlüsselein, ein Werkzeug damit zu schließen. 1. In der gewöhnlichsten Bedeutung, das gewöhnliche Werkzeug ein Schloß damit aufzuschließen, oder zu öffnen. Mit dem Schlüssel aufschließen. Der Schlüssel schließt nicht. Ein Schloß ohne Schlüssel aufmachen. Daher der Hausschlüssel, Stubenschlüssel, Thorschlüssel, Schrankschlüssel u. s. f. Etwas unter seinem Schlüssel haben, unter seinem Beschlusse. Der goldene Schlüssel, das symbolische Zeichen der Würde eines Kammerherren. Den goldenen Schlüssel bekommen, diese Würde. 2. In weiterer Bedeutung werden verschiedene Arten von Hebel, etwas damit zu öffnen, zu spannen, Schrauben damit zu drehen u. s. f. oft Schlüssel genannt. Die Schlüssel, d. i. Hebel mit einer eckigen Öffnung, Schrauben damit auf- und zuzuschrauben, heißen, wenn sie sehr groß sind und zwey Arme haben, bey den Schlössern Windeisen. Der Schlüssel zu einer Uhr, der Uhrschlüssel, zu einem Saiten-Instrumente, die Stifte, welche die Saiten tragen, umzudrehen u. s. f. In noch weiterm Verstande ist der Schlüssel bey den Schustern ein Keil, welcher zwischen die zwey Hälfte eines zerschnittenen Leistens getrieben wird, einen Schuh damit weiter zu machen. In den Orgelpfeifen sind die Schlüssel kleine bewegliche Kasten mit einem Drahte, die Pfeifen- löcher damit zu verschließen. 3. Figürlich. 1) Eine Gränzfestung, ein Gränzpaß oder anderer fester Gränzort, heißt der Schlüssel eines Landes; weil dessen Besitz das Land gleichsam öffnet oder verschließt. 2) Das Mittel eine sonst unbekannte Sache zu erkennen. In der Musik ist der Schlüssel ein Zeichen vor den Linien, welches zeigt, wie die vorgeschriebenen Töne richtig zu benennen sind, und mit welcher Art von Stimme sie hervor gebracht werden müssen. Der Alt-Schlüssel, Discant-Schlüssel, Baß-Schlüssel, u. s. f. Der Violin Schlüssel. Das Alphabet einer verborgenen Schreibart wird ihr Schlüssel genannt. Den Schlüssel zu einer Sache haben, das Mittel das Verborgene oder Unbekannte in derselben zu entdecken. 3) Gewalt, Herrschaft, doch nur in der Deutschen Bibel; daher noch in der Theologie die Gewalt von der Kirchengemeinschaft auszuschließen, der Bindeschlüssel, die Gewalt aber wieder in dieselbe aufzunehmen, der Löseschlüssel genannt wird. Beyde zusammen heissen die Schlüssel des Himmelreichs.

Anm. Bey dem Ottfried Sluizel, bey dem Notker Sluzzel, im Nieders. Slötel. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe -el, ein Werkzeug, Subject, von schließen gebildet.


Schlüsselader (W3) [Adelung]


Die Schlüsselader, plur. die -n, in der Anatomie, die beyden Äste der Hohlader, welche unter den Schlüsselbeinen weg nach den Armen zu gehen; eigentlich Schlüsselbeinadern.


Schlüsselbüchse (W3) [Adelung]


Die Schlüsselbüchse, plur. die -n, ein zu einer Büchse gemachter Schlüssel, d. i. ein Schlüssel mit einem Zündloche, aus welchen die Knaben zu schießen pflegen.


Schlüsselgeld (W3) [Adelung]


Das Schlüsselgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geschenk, welches der Käufer eines Hauses der Gattinn oder Tochter des Verkäufers, gleichsam für die Abtretung der Schlüssel des Hauses macht, und welches an einigen Orten auch das Herdgeld genannt wird, S. dieses Wort.


Schlüsselhaken (W3) [Adelung]


Der Schlüsselhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein Haken, mehrere Schlüssel daran zu hängen, oder bey sich zu tragen.


Schlüsselloch (W3) [Adelung]


Das Schlüsselloch, des -es, plur. die -löcher, dasjenige Loch, durch welches der Schlüssel in das Schloß gesteckt wird.


Schlüsselring (W3) [Adelung]


Der Schlüsselring, des -es, plur. die -e, ein Ring, mehrere Schlüssel daran zu stecken.


Schlüsselschild (W3) [Adelung]


Der Schlüsselschild, des -es, plur. die -e, dasjenige Blech, welches die Öffnung durch die Thür zu dem Schlosse bedecket, und worin sich das Schlüsselloch befindet.


Schlüsselsenke (W3) [Adelung]


Die Schlüsselsenke, plur. die -n, bey den Schlössern eine stählerne Platte mit rundlichen Reifen, die Röhren an den Schlüsseln darin abzurunden. S. Senke.


Schlüsselzehnte (W3) [Adelung]


Der Schlüsselzehnte, des -n, plur. die -n, in einigen Gegenden, z. B. im Amte Ballenstädt im Fürstenthum Anhalt, derjenige Zehnte, welcher nur von einigen Äckern, und zwar von jedem Acker fünf Garben, gegeben wird, und den Nahmen und Ursprung ohne Zweifel einem besondern Umstande zu verdanken hat.


Schlüssig (W3) [Adelung]


Schlüssig, adv. von Schluß, so fern es einen nach Überlegung gefaßten Vorsatz bedeutet. Schlüssig werden, sich entschließen, etwas beschließen. Dieß machte mich schlüssig, mich ihm zu entdecken, bewegte mich zu dem Entschlusse. In dem Gegensatze unschlüssig, wo es aber zweifelhaft, Mangel an dem Vermögen sich zu entschließen, bedeutet, ist es auch als ein Beywort üblich. Frischens schlüssige Gründe, bündige, sind nicht üblich.


Schlußleiste (W3) [Adelung]


Die Schlußleiste, plur. die -n, bey den Buchdruckern, Leisten, d. i. geschnitzte Zierathen von Holz, welche zum Schlusse eines Abschnittes in einem Buche gesetzt werden; die Final Leiste.


Schlußpunct (W3) [Adelung]


Der Schlußpunct, des -es, plur. die -e, der Punct am Schlusse einer Periode, welcher auch nur der Punct schlechthin genannt wird.


Schlußrechnung (W3) [Adelung]


Die Schlußrechnung, plur. die -en, eine Rechnung zum Schlusse oder Beschlusse eines Geschäftes, die letzte Hauptrechnung über dasselbe.


Schlußrede (W3) [Adelung]


Die Schlußrede, plur. die -n. 1) Ein durch Worte ausgedruckter Vernunftschluß; mit einem Griech. und Latein. Kunstworte Syllogismus. 2) Eine Rede, oder Theil einer Rede zum Beschlusse; wohin z. B. der Epilogus der Schauspieler gehöret.


Schlußreif (W3) [Adelung]


Der Schlußreif, des -es, plur. die -e, bey den Böttchern, die letzten und äußersten Reife eines Gefäßes.


Schlußsäge (W3) [Adelung]


Die Schlußsäge, plur. die -n, bey den Tischlern, die Schließsäge, eine feine Säge, Dinge, welche genau schließen oder passen sollen, damit zu sägen.


Schlußsatz (W3) [Adelung]


Der Schlußsatz, des -es, plur. die -sätze. 1) Ein Satz am Schlusse oder Beschlusse einer Rede. 2) In einer Schlußrede, der aus den Vordersätzen hergeleitete Satz, der Schluß selbst; der Folgesatz, die Conclusion.


Schlußstein (W3) [Adelung]


Der Schlußstein, des -es, plur. die -e, bey den Mäurern keilförmige Steine, womit ein Bogen, oder ein Gewölbe geschlossen wird; Schloßsteine, Schlüsse.


Schlußtritt (W3) [Adelung]


Der Schlußtritt, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, S. Schloß 2.


Schlußzierath (W3) [Adelung]


Der Schlußzierath, des -es, plur. die -en, Zierathen, welche am Ende eines Buches oder Abschnittes angebracht werden, und wohin auch die Schlußleisten gehören.


Schmach (W3) [Adelung]


Der Schmach, der Gärberbaum, S. 1 Schmack und Sumach.


Schmach (W3) [Adelung]


Die Schmach, plur. inus. 1) * Das Schmähen, die Handlung des Schmähens, ingleichen Schmähreden, Schmähungen; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche und veraltete Bedeutung. Solltet ihr nicht in der Furcht Gottes wandeln, um der Schmach willen der Heiden, unserer Feinde? Nehem. 5, 9; d. i. damit ihr nicht von ihnen geschmähet werdet. Herr du hörest ihre Schmach und alle ihre Gedanken über mich, Klagel. 3, 61. Auf daß er nicht falle dem Lästerer in die Schmach, 1, Timoth. 3, 7. 2) Die thätige, kränkende Erweisung des Urtheils von der geringen, verächtlichen Beschaffenheit eines andern, wodurch es sich von Schimpf, Schande, Hohn, Spott u. s. f. unterscheidet. Jemanden alle Schmach anthun, welches so wohl durch kränkende verächtliche Worte, als durch andere kränkende und Verachtung an den Tag legende Handlung geschehen kann. Schmach thut wehe. Die Schmach bricht mir mein Herz, Ps. 69, 22. Gedenke Gott an die Schmach, die dir täglich von den Thoren widerfähret, Ps. 74, 22. Die biblischen Figuren, da es auch den Zustand bedeutet, da man der Schmach von Seiten anderer ausgesetzet ist, in Schmach seyn, die Schmach von jemanden nehmen, ingleichen einen Gegenstand der Schmach, eine Schmach seyn, zur Schmach werden, werden im Hochdeutschen selten mehr gebraucht, wo dieses Wort überhaupt in der Sprache täglichen und gemeinen Lebens nur selten gehöret wird. In einigen Oberdeutschen Gegenden scheinet es auch für Schande zu seyn, wenigstens höret man daselbst etwas für eine Schmach halten, für eine Schande. In Luthers Deutscher Bibel kommt auch der Plural vor: in Schmachen gutes Muthes seyn, 1 Tim. 3, 7, die Schmach (Schmachen) derer die dich schmähen, fallen auf mich, Ps. 69, 10; welcher aber im Hochdeutschen ganz ungewöhnlich ist.

Anm. Im Schwabenspiegel, wo es aber auch für Schande gebraucht wird, die Smache, bey andern ältern Oberdeutschen die Schmacht, im Nieders. Smade, Smaheit, im Schwed. Smälig und Smallet, im Böhm. Posmech, welche insgesammt nur im Endlaute unterschieden sind. Im 14ten Jahrhunderte wurde Schmaheit auch für Laster, Scelus, gebraucht. Bey diesem so weiten ehemahligen Umfange der Bedeutung dieses Wortes, läßt sich dessen Abstammung und folglich auch dessen erste und eigentliche Bedeutung nur muthmaßlich bestimmen, zumahl da drey Wörter gleich starken Anspruch darauf machen können. Es kann nähmlich, 1) unmittelbar von schmähen abstammen, und eigentlich Schmach in Worten bedeuten, welches wenigstens von der ersten Bedeutung gewiß ist. 2) Es kann aber auch von dem im Hochdeutschen veralteten schma, schmacht, klein, und figürlich geringe, verächtlich, Nieders. sma, smade, smäde, Schwed. sma, abstammen, ( S. Schmächtig und Schmal, welche gleichfalls daher kommen.) Bey dem Ottfr. ist smaher Scalc ein geringer schlechter Knecht, und Kero gebraucht Smalihhi und Ottfried Smahi für geringe, schlechte Beschaffenheit, Verächtlichkeit. 3) Da endlich Laster, Schande und andere ähnliche Wörter eigentlich körperliche Verunstaltungen bedeuten, und diesem Worte in mehrern Mundarten ein d anklebt, wie aus dem Niedersächs. Smade und Schwed. smäda, schmähen, erhellet, so kann es auch von dem veralteten schmaden, besudeln, herkommen, wovon unser schmitzen und schmutzen Intensiva sind, so daß Schmach eigentlich körperliche Beschmutzung und daraus entstehende Verächtlichkeit bedeuten würde. So auch Schmälich.


Schmachten (W3) [Adelung]


Schmachten, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, den höchsten Grad des Hungers und Durstes empfinden, wo es eine unmittelbare Nachahmung desjenigen Lautes ist, welchen ein im höchsten Grade Durstiger, im Stande der ungebildeten sich selbst überlassenen Natur, mit dem Munde macht. 1. Eigentlich. Vor Durst, vor Hunger schmachten. Nach einem Trunke Wasser schmachten. Vor Hitze schmachten, weil die Empfindung eines hohen Grades der Hitze sich durch einen ähnlichen Laut äußert. Schmachthans, Schmachthals, Schmachtlappen sind in einigen gemeinen Sprecharten verächtliche Benennungen eines Hungerleiders, von der Niederdeutschen Bedeutung, schmachten, hungern, Hunger leiden. 2. Figürlich. 1) Vor Hunger und Durst abgezehret werden. Sie muß doch vor Hunger schmachten, Gryph. Im Gefängnisse schmachten, in weiterm Verstande, aus Mengel der Freyheit und Bequemlichkeit abgezehret werden. ( S. Verschmachten.) 2) Einen hohen Grad der Sehnsucht, des sehnsüchtigen Verlangens empfinden. Jemanden schmachtend ansehen. Augen die oft schmachtend auf die seinigen geheftet waren. Blaue schmachtende Augen. Der Gegenstand des Schmachtens bekommt auch hier das Vorwort nach. Seht, wie sein Auge nach mir schmachtet, Gell. O Romeo, meine Seele schmachtet darnach, wie ein verdorrtes Gras nach dem Morgenthaue, Weiße. Nach Trost schmachten. So auch das Schmachten.

Anm. Bey dem Notker smahten, und in der ersten figürlichen Bedeutung intensive smecheren, im Nieders. smagten, wo es auch für hungern überhaupt, ingleichen für Hunger leiden, darben, gebraucht wird. Es ist ohne Zweifel eine unmittelbare Onomatopöie, so wie schmecken, welches der Form nach ein Intensivum davon ist, so fern einen ähnlichen Laut nachahmet, der aber eine ganz andere Handlung begleitet. Ehedem war auch Schmacht der Hunger, und schmachten, factitive, verhungern lassen.


Schmächtig (W3) [Adelung]


Schmächtig, -er, -ste, adj. et adv. 1) * Von dem vorigen schmachten, oder vielmehr von dem veralteten Hauptworte Schmacht, ein hoher Grad des Hungers, Hunger leidend, Mangel an den nöthigen Nahrungsmitteln habend und empfindend; eine im Hochdeutschen unbekannte, im Ober- und Niederdeutschen aber sehr gangbare Bedeutung. So schmächtig als ein Wolf, so hungerig. Ein schmächtiger Dieb, ein geitziger Hungerleider. Eine schmächtige Herberge, wo nichts zu beißen noch zu brechen ist. Schmächtig aussehen, verhungert. Schmächtig leben, armselig. 2) In vielen Gegenden, besonders in Ober- und Niedersachsen, ist schmächtig auch so viel wie schlank oder geschlank, lang aber nach Verhältniß dünne und biegsam. Ein schmächtiger Mensch, von einem schlanken Wuchse. Ein schmächtiges Reis, ein schlankes.

Anm. Nieders. smagtig, smätsk. In der zweyten Bedeutung scheinet dieses Wort nur zufälliger Weise zur ersten zu gehören, indem ihr in derselben nichts von dem verächtlichen Nebenbegriffe des Hungers oder der Noth anklebt, der in der ersten herrscht; es scheinet hier vielmehr zu schmiegen und dem bey Schmach angeführten veralteten Beyworte smach, klein, und figürlich geringe, schlecht, zu gehören. Ohne Zischlaut sind auch mager, macere, macer, macilentus u. s. f. mit diesem Worte in der ersten Bedeutung verwandt.


Schmachtkorn (W3) [Adelung]


Das Schmachtkorn, des -es, plur. die -körner, in der Landwirthschaft Meißens, kleine unvollkommene Körner im Getreide, welche nicht ihre völlige Größe und Reife haben, sondern gleichsam verschmachtet sind.


Schmächtling (W3) [Adelung]


Der Schmächtling, des -es, plur. die -e, eine schmächtige Person.


Schmachtriemen (W3) [Adelung]


Der Schmachtriemen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein breiter lederner Riemen der Fuhrleute, Reiter u. s. f. den Unterleib damit zu gürten, wenn er leer ist, damit er auf dem Pferde nicht so erschüttert werde; von dem veralteten Hauptworte Schmacht, der Hunger.


Schmack (W3) [Adelung]


1. Der Schmack, des -es, plur. die -e, eine Benennung des Färber- oder Gärberbaumes, Rhus coriaria L. welcher Nahme aus dem Span. Sumaco, Sumach, zusammen gezogen ist, und bey einigen auch Schmach lautet. Daher schmackgares Leder, bey den Gärbern, welches mit Schmack gar gemacht worden, im Gegensatze des lohgaren.


Schmack (W3) [Adelung]


2. * Der Schmack, des -es, plur. inus. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort für das jetzt übliche Geschmack. Das Manna hatte einen Schmack wie Semmel, 2 Mos. 16, 31. Und war einem jeglichen nach seinem Schmack eben, Weish. 16, 20. Es ist noch in dem gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes üblich, wo es in den erstern auch für Geruch gebraucht wird: Ein Balsam Smak an si bekam, König Tirol. S. Geschmack, Schmackhaft und Schmecken.


Schmacke (W3) [Adelung]


Die Schmacke, plur. die -n, in der Niederdeutschen Schifffahrt, eine Art Schiffe mit hohem Borte, mit einem Mast ohne Korb, einem Bögspriet, flachen Kiele, runden Hintertheile, bauchigen Vordertheile und kurzen Gebäude. Sie haben ein höheres Verdeck und ein breiteres und schwereres Steuerruder als andere Schiffe, und werden in Holland nur auf den Canälen oder kurzen Seereisen gebraucht. In Bremen und andern Niedersächsischen Gegenden hat man gleichfalls Schmacken oder Schmackschiffe, welches daselbst Barken von 50 bis 80 Last, mit einem Gaffelmaste und einem zwiefachen Bargholze sind. Holl. und Engl. Smack, Franz. Semaque, Angels. Snacca, Isländ. Sneckia. Etwa von dem veralteten schmach, Schwed. sma, klein? Im mittlern Lat. kommt Naca, Necchia, Isnecia gleichfalls von einer Art Schiffe vor, welche zunächst zu Nachen gehören, und wovon mit vorgesetztem s die eben gedachten Angels. Snacca und Isländ. Sneckia gebildet zu seyn scheinen.


Schmäcken (W3) [Adelung]


Schmäcken, S. Schmecken.


Schmackgar (W3) [Adelung]


Schmackgar, adj. et adv. S. 1 Schmack.


Schmackhaft (W3) [Adelung]


Schmackhaft, -er, -este, adj. et adv. von dem veralteten Hauptworte Schmack für Geschmack. 1) Was einen Geschmack hat, durch den Geschmack empfunden werden kann; im Gegensatze des unschmackhaft, welches in dieser Bedeutung doch häufiger gebraucht wird, als schmackhaft. Schmackhaftes Wasser. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, einen guten, angenehmen Geschmack habend. Eine schmackhafte Speise. Nieders. schmacklik, im Oberd. geschmack, wohlgeschmack. Das verlängerte schmackhaftig ist überflüssig.


Schmackhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Schmackhaftigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Körpers, da er schmackhaft ist, besonders in der zweyten engern Bedeutung.


Schmadern (W3) [Adelung]


Schmadern, verb. reg. act. et neutr. mit dem Hülfsworte haben, im gemeinen Leben, schlecht schreiben; schmieren. Man schreibt nicht mehr, man schmadert nur, Bernhardi. Es scheinet den Laut des geschwinden Schreibens nachzuahmen, oder auch ein Intensivum von dem veralteten schmaden, besudeln, beschmutzen, zu seyn. Im Nieders. lautet es schmaddern.


Schmähen (W3) [Adelung]


Schmähen, verb. reg. act. seine Verachtung durch beleidigende Worte an den Tag legen, Schmach mit Worten anthun; mit der vierten Endung der Person. Wer mit seiner Zunge nicht verläumdet, und seinem Nächsten kein Arges thut, und seinen Nächsten nicht schmähet, Ps. 15, 3. Ingleichen mit dem Vorworte auf, auf jemanden schmähen. Es ist in dem gemeinen Sprachgebrauche der Hochdeutschen nicht gangbar, und wird am häufigsten in der anständigen Schreibart gebraucht, wo es eben um dieses sparsamen Gebrauches willen ein edlerer Ausdruck ist, als die niedrigen ähnlichen schimpfen, schänden u. s. f. Daher das Schmähen und die Schmähung, S. das letzte an seinem Orte besonders.

Anm. Bey dem Ottfried smahen, im Nieders. mit einem andern Endlaute schmeda, im Schwed. smäda. Allein die jetzt gedachten sind zugleich von weiterm Umfange der Bedeutung, und bedeuten auch verachten, wie unser verschmähen, theils Schmach anthun, auch auf andere Art als durch Worte, theils verleumden, tadeln u. s. f. Das Stammwort ist noch im Niedersächsischen üblich, wo sma, smade, smäde, smee, verächtlich, geringschätzig bedeutet, welches ohne Zweifel eine Figur von dem veralteten schma, schmach, klein, ist, ( S. Schmach.) Im Osnabrückischen hat man auch das Intensivum smadden, verleumden. S. auch Schmälen.


Schmählen (W3) [Adelung]


Schmählen, Schmählich, S. Schmälen, Schmälich.


Schmähschrift (W3) [Adelung]


Die Schmähschrift, plur. die -en, eine Schrift, worin man jemanden schmähet; doch am häufigsten in engerer Bedeutung, eine Schrift, worin man jemanden ehrenrühriger Handlungen mit Unwahrheit beschuldiget; ein Pasquill.


Schmähsucht (W3) [Adelung]


Die Schmähsucht, plur. car. die Sucht, d. i. zur Fertigkeit gewordene heftige Begierde, zu schmähen, und in engerer Bedeutung, den guten Nahmen eines andern durch ehrenrührige Nachreden zu schmälern. Daher schmähsüchtig damit behaftet, darin gegründet.


Schmähung (W3) [Adelung]


Die Schmähung, plur. die -en, das Schmähen; noch mehr und häufiger aber schmähende Reden. Schmähungen wider jemanden ausstoßen.


Schmähwort (W3) [Adelung]


Das Schmähwort, des -es, plur. die -e, und -wörter, ( S. Wort,) ein schmähendes Wort, und in weiterer Bedeutung, im Plural Schmähworte, schmähende Reden.


Schmal (W3) [Adelung]


Schmal, schmäler, schmälste, adj. et adv. eine geringe Ausdehnung habend. 1. Im weitesten Verstande, da es ehedem für klein gebraucht wurde, im Gegensatze dessen was groß ist. 1) * Eigentlich. Smaliu Gefugele, kleine Vögel, d. i. Sperlinge, im Isidor. Smale Holz, Gesträuch, Notker. Jetzt ist es in dieser Bedeutung im Hochdeutschen veraltet, außer daß es noch in einigen Zusammensetzungen und Ableitungen beybehalten ist, ( S. Schmälern, Schmalsaat, Schmalthier, Schmalvieh, Schmalzehnte.) 2) Figürlich, geringe, schlecht; in welcher Bedeutung es noch hin und wieder im gemeinen Leben, doch nur in einigen einzelnen R. A. üblich ist. Smaliu Manno sind im Isidor geringe, schlechte Leute. Ein schmales Lob haben, ein schlechtes, geringes, in einigen Oberdeutschen Gegenden. Eine schmale Ernte, Weinlese, Messe, eine schlechte. Schmal bestehen, schlecht. Eine schmale Besoldung, eine geringe, kleine. Ingleichen für kärglich, ärmlich, sparsam; gleichfalls nur hin und wieder. Schmal leben, schlecht und spärlich, in Ansehung der Nahrungsmittel. Es gehet hier schmal her, ärmlich, kärglich. Bey schmaler Kost, Haged. schmale Bissen essen müssen, sich ärmlich, spärlich, in Ansehung der Nahrungsmittel behelfen müssen. 2. In engerm Verstande, von einigen besondern Arten der Kleinheit, das ist, von der geringern Ausdehnung in Ansehung einzelner Richtungen. 1) * Für dünne, im Gegensatze des dick; eine jetzt gleichfalls veraltete Bedeutung. Schmale Groschen wurden ehedem eine Art dünner Groschen genannt, welche dem Frisch zu Folge nur 6 1/2 Pfennig galten. Im gemeinen Leben sagt man zuweilen wohl noch, jemand sey schmal von Leibe, d. i. dünn, schmächtig. ( S. auch Schmalleder.) Figürlich wurde es denn ehedem auch wohl für mager gebraucht, im Gegensatze des fleischig, wenn Bedeutung noch bey den Jägern üblich ist, wo ein Wild schmal und geringe heißt, wenn es mager ist. 2) Eine geringe Breite habend, im Gegensatze des breit, welches noch die gangbarste Bedeutung ist, in welcher es beynahe der einzige Ausdruck für diesen Begriff ist. Schmale Tücher, schmale Leinwand, im Gegensatze der breiten. Ein schmales Haus, ein schmaler Weg. Der Rand ist sehr schmal.

Anm. Schon im Kero und Isidor smal, im Angels. smael, im Engl. small, welches gleichfalls klein und dünne bedeutet, im Schwed. und Nieders. smal. Es ist von dem jetzt veralteten sma, smah, smach, klein, und figürlich, schlecht, geringe, verächtlich, Nieders. sma, Schwed. sma, nur im Endlaute verschieden, ( S. Schmach und Schmächtig,) dagegen dem Slavon. malo, klein, nur der Zischlaut fehlet. Da hieraus erhellet, daß diesem Worte ein Hauch- oder Gaumenlaut anklebet, indem schmal allem Anscheine nach für schmahel oder schmachel stehet, so würde daraus zugleich folgen, daß man dieses Wort richtiger schmahl als schmal schreibet, zumahl da die langen Selbstlauter vor einem stüssigen Buchstaben ohnehin gern ein h nach sich haben, ( S. H.) Ein Hauptwort ist von diesem Beyworte nicht gangbar; denn das im gemeinen Leben zuweilen übliche Schmäle ist in guten Schriften noch nicht aufgenommen, ob es gleich die Analogie von Breite, Dünne, Größe, Dicke u. s. f. für sich hat.


Schmalänte (W3) [Adelung]


Die Schmalänte, plur. die -n, eine Art wilder Änten, welche kleiner sind, als die gewöhnlichen, ihnen aber in allen übrigen Stücken gleichen. Von schmal, klein.


Schmaleisen (W3) [Adelung]


Das Schmaleisen, des -s, plur. inus. im Hüttenbaue, dasjenige geschmolzene Eisen, welches nach ausgegangenen Feuer in dem Ofen zurück bleibt, und woraus hernach die Pflugscharen geschmiedet werden. Vielleicht von schmal, schlecht, geringe.


Schmälen (W3) [Adelung]


Schmälen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und in einer doppelten Bedeutung üblich ist. 1) Bey den Jägern bedeutet es im weitern Verstande, einen Laut von sich geben, seine Stimme hören lassen; wo es doch nur von den Rehen und Rehböcken üblich ist, und auch melden und schrecken genannt wird. 2) In der vertraulichen Sprechart ist schmälen, seinen Unwillen durch Worte an den Tag legen; wo es zugleich ein gelinderer und vertraulicherer Ausdruck ist, als schelten und andere gleichbedeutende, indem er einen geringern Grad des Unwillens und gelindere Ausdrücke desselben voraussetzt. Den ganzen Tag schmälen. Auf jemanden schmälen. Ja, wenn doch nur Ein Mahl dein Vater auf dich schmälte, Rost. So auch das Schmälen.

Anm. Im Nieders. gleichfalls schmälen und schmeilen. Es ist der Form nach ein Diminutivum von schmähen, gleichsam ein wenig schmähen, da es denn aus schmähelen zusammen gezogen ist, ( S. "-Eln";) woraus zugleich erhellet, daß auch die Schreibart schmählen ihre Gründe für sich hat. Dem Ursprunge nach scheinet es eine Onomatopöie zu seyn, wie solches die erste bey den Jägern übliche Bedeutung wahrscheinlich macht. Und da sie dieses schmälen auch melden nennen, so erhellet daraus zugleich die Verwandtschaft mit diesem Worte und mit 2 Mahl, die Sprache, von welchem letztern es vermittelst des intensiven Zischlautes gebildet worden. In der Rothwälschen Diebessprache ist schmalen übel von jemanden reden, und Schmalkachler ein Berleumder.


Schmälern (W3) [Adelung]


Schmälern, verb. reg. act. schmäler machen, doch nur noch in der weitern Bedeutung, kleiner, geringer machen, und auch hier nur in einigen Fällen. Jemandes Gränzen schmälern. Jemandes Einkünfte, Nahrung, guten Nahmen schmälern. Man schmälert sein Verdienst, Günth. Im Oberdeutschen sagt man auch ein Kleid schmälern, es enger machen, die Unkosten schmälern, sie moderiren, das viele Studieren schmälert die Kräfte u. s. f. In der engern Bedeutung, der Breite nach kleiner machen, ist es nicht üblich, außer zuweilen in der reciproken Gestalt. Hier schmälert sich das Land, der Fluß, wird enger. So auch das Schmälern und die Schmälerung.


Schmalhans (W3) [Adelung]


Der Schmalhans, des -es, plur. die -e, in den niedrigen Sprecharten, eine Person, bey welcher es schmale Bissen setzt, ein Hungerleider, karger Geitzhals; besonders in der R. A. hier ist Schmalhans Küchenmeister, hier wird die Tafel armselig bestellt. Schwed. und Nieders. eben so. S. Hans.


Schmalholz (W3) [Adelung]


Das Schmalholz, des -es, plur. inus. bey den Kohlenbrennern, kleines Holz, mit welchem das starke Holz in den Meilern untersetzet wird. Bey dem Notker ist smal Holz Gebüsch.


Schmälich (W3) [Adelung]


Schmälich, -er, -ste, adj. et adv. 1) Von schmal, klein, wäre schmälich eigentlich diesem Worte gleichbedeutend. Es ist aber nicht üblich, außer das man im gemeinen Leben einiger Gegenden es figürlich für kärglich, armselig, spärlich gebraucht. Sich schmälich behelfen, ärmlich. Eine schmähliche Mahlzeit, wo es schmale Bissen setzt. Schon bey dem Kero ist smalih geringe. 2) Von Schmach, oder vielmehr dem veralteten Beyworte schmach. schimpflich, verächtlich; eine nur noch im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart übliche Bedeutung. Sie schlagen mich schmälich, Hiob 16, 10. Schmälige Worte, verächtliche. Ein schmäliches Geboth auf etwas thun, ein verächtliches, schimpfliches. Jemanden schmälich halten, auf eine kränkende Art verächtlich. Und wird, kommt ihr kein Herrmann vor, In Herrmanns Vaterland ein schmälich Denkmahl stiften, Uz. Ein schmählicher Tod. Eines schmählichen Todes sterben, eines schimpflichen. In der niedrigen Sprechart wird es, wie andere ähnliche Wörter, oft als ein intensives Wort für sehr, sehr groß, sehr heftig gebraucht. Es ist eine schmäliche Hitze, eine überaus große. Es ist schmälich kalt. Schmälich groß. Er spottete nach seiner Art Des Riesen mit dem schwarzen Bart Aus seinem Fenster schmälich, Götting. Musen-Alm. 1776.


Schmalleder (W3) [Adelung]


Das Schmalleder, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. bey den Gärbern und im Lederhandel, Leder von Kühen, 3 bis 4jährigen Rindern und Pferden; im Gegensatze des dicken Pfundleders. Von schmal, dünne.


Schmalsaat (W3) [Adelung]


Die Schmalsaat, plur. inus. ein nur in einigen Gegenden, besonders in Oberdeutschland, übliches Collectivum, Hülsenfrüchte, z. B. Erbsen, Linsen, Wicken und Bohnen zu bezeichnen. Es erfolgte ein so heißer Sommer, daß die Schmalsaat verdarb, Bluntschli, ein Schweizer. Smalsat kommt schon bey dem Kero in dieser Bedeutung vor, und stammet von schmal ab, vermuthlich so fern es niedrig, klein, bedeutet, im Gegensatze des höhern Getreides mit Ähren, oder weil die Hülsenfrüchte gemeiniglich in kleinerer und geringerer Menge erbauet werden.


Schmalte (W3) [Adelung]


Die Schmalte, plur. die -n, in dem Hüttenbaue, das aus dem Kobalt durch die Verglasung erhaltene metallische Glas. besonders nachdem es gemahlen und geschlämmet, und dadurch zur blauen Farbe zubereitet worden, da es auch blaue Farbe, Blaufarbe genannt wird. Der Nahme ist aus dem Ital. Smalto, im mittlern Lat. Smaltum, Schmelz, Schmelzglas, S. Schmelz.


Schmalthier (W3) [Adelung]


Das Schmalthier, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein Hirsch- oder Rehkalb, so bald es Ein Jahr alt ist, bis zu der Zeit, da es selbst zu brunsten und zu setzen anfängt. Von schmal, klein, geringe. In Schwaben werden junge Kühe, Stiere u. s. f. Schmalig, Schmalmetzge genannt. S. das folgende.


Schmalvieh (W3) [Adelung]


Das Schmalvieh, des -es, plur. inus. das kleinere zahme Vieh, zum Unterschiede von dem großen Zug- und Lastviehe. Besonders pflegt man unter diesem Worte die Schafe zu verstehen. Das Schwed. Smale bedeutet gleichfalls das kleine Vieh.


Schmalz (W3) [Adelung]


Das Schmalz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, das in den Thieren befindliche Fett. 1. Überhaupt, wo es in manchen Gegenden für Fett überhaupt gebraucht wird. So sagt man daselbst, es habe jemand viel Schmalz, wenn er fett ist. Im Hochdeutschen ist es in der anständigen Schreibart ungewöhnlich. 2. In engerm Verstande. 1) Im Oberdeutschen wird die Butter, besonders die ungesalzene, Schmalz genannt; Mayschmalz, Maybutter. Italiänisch Smalzo. Im Hochdeutschen führet nur die ausgelassene oder ausgeschmolzene und hernach verwahrte Butter, mit welcher die Speisen geschmalzen werden, den Nahmen des Schmalzes, noch häufiger aber der Schmelzbutter. Die Speisen ohne Salz und Schmalz anrichten ohne Gewürz und Butter. 2) Ausgeschmolzenes oder ausgebratenes Thierfett, welches nach dem Erkalten eine weiche schmierige Beschaffenheit behält; zum Unterschiede von dem Talge. Gänseschmalz, Schweineschmalz, Bärenschmalz, Klauenschmalz, Fischschmalz u. s. f. Uneigentlich führet das Ohrenschmalz, wegen seiner ähnlichen Consistenz und schmierigen Beschaffenheit, den Nahmen des Schmalzes.

Anm. Im Nieders. Smalt, im Pohlnischen Smalec, Smalc, im Schwedischen smält. So fern es Fett überhaupt bedeutet, druckt es die weiche schmierige Beschaffenheit desselben aus, da denn ohne Zischlaut auch mollis, molsch, das Ital. Malta, Morast u. a. m. zu dessen Verwandtschaft gehören. In den beyden engern Bedeutungen scheinet es zunächst von dem Zeitworte schmeizen gebildet zu seyn, S. dasselbe, ingleichen Schmer.


Schmalzbirn (W3) [Adelung]


Die Schmalzbirn, plur. die -en, eine Art saftiger schmackhafter Birnen, deren Fleisch im Munde gleichsam zerschmilzet. Sie ist in unsern Gärten unter dem Französischen Nahmen Beurree am bekanntesten. In Niedersachsen werden andere Arten saftiger und weicher Apfel und Birnen Smoltjes genannt.


Schmalzblume (W3) [Adelung]


Die Schmalzblume, plur. die -n, ein in manchen, besonders Oberdeutschen Gegenden für Butterblume übliches Wort; von Schmalz, Butter.


Schmalzehnte (W3) [Adelung]


Der Schmalzehnte, des -n, plur. die -n, der kleine Zehnte, d. i. der Zehnte von dem Schmalviehe, den Schafen, Lämmern, Füllen, Kälbern, Gänsen, Hühnern, Bienen; im Gegensatze des größern Getreidezehnten.


Schmalzen (W3) [Adelung]


Schmalzen, verb. reg. act. außer daß das Mittelwort in vielen Gegenden geschmalzen hat, in den Küchen, mit Schmalz oder Fett, und in engerer Bedeutung, mit Butter würzen. Eine Suppe schmalzen, Butter daran thun. Das Kraut ungeschmalzen essen. Weder gesalzen noch geschmalzen. Daher das Schmalzen. In vielen Gegenden selbst in Obersachsen lautet dieses Wort schmälzen, schmelzen, und wird alsdann auch wohl regulär abgewandelt, geschmälzt oder geschmelzt. Indessen ist schmalzen richtiger, wie salzen von Salz. Aus dem irregulären Mittelworte erhellet, daß dieses Zeitwort ehedem auch im Imperfect schmielz hatte, so wie man von salzen ehedem ich sielz sagte, und in manchen Oberdeutschen Gegenden noch sagt.


Schmalzfeder (W3) [Adelung]


Die Schmalzfeder, plur. die -n, ein einigen Gegenden ein Nahme der Fettfeder, S. dieses Wort.


Schmalzgrube (W3) [Adelung]


Die Schmalzgrube, plur. die -n, eine figürliche Benennung eines fruchtbaren und fetten Landes, besonders so fern es eine einträgliche und gute Viehzucht hat.


Schmalzkäfer (W3) [Adelung]


Der Schmalzkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden ein Nahme des blauen Maykäfers.


Schmalzkübel (W3) [Adelung]


Der Schmalzkübel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Hauswirthschaft, ein hölzerner Kübel, welcher unten weiter ist, als oben, das Schmalz oder die Schmelzbutter darin zu verwahren.


Schmant (W3) [Adelung]


Der Schmant, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e. 1) Im Bergbaue, eine zarte nasse und schwefelgelbe Erde, welche sich bey dem Sieden des Vitrioles niederschläget, und aus welcher eine rothe Farbe gebrannt wird. In den Salzwerken wird die Unreinigkeit der Sohle, welche sich als ein Schaum obenauf setzet, der Salzschmant genannt. 2) In manchen Gegenden, z. B. in Liefland, wird der Milchrahm Schmant, oder als ein Fämin. Schmante, genannt, welches mit dem Slavon. Schmetten verwandt zu seyn scheinet. S. Rahm.

Anm. In beyden Fällen ist der Begriff der weichen schmierigen Beschaffenheit der herrschende, wohin ohne Zischlaut auch das Hebräische - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Öhl, das Finnische Maenti, weiches, sämisches Leder, u. a. m. gehören. Im Böhmischen ist zamany kothig.


Schmarotzen (W3) [Adelung]


Schmarotzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, sich ungebethen einfinden, wo es etwas zu schmausen gibt, und in weiterer Bedeutung, wo man etwas umsonst erhalten kann, mit einem schwachen Nebenbegriffe des in diesem Betragen liegenden Verächtlichen. Schmarotzen gehen. Bey jemanden schmarotzen, sich ungebethen bey ihm zur Mahlzeit einfinden. So auch das Schmarotzen. S. das folgende.


Schmarotzer (W3) [Adelung]


Der Schmarotzer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher sich ungebethen da einfindet, wo es umsonst essen oder schmausen kann, und in engerer Bedeutung, welcher eine Fertigkeit in dieser Art des Zudringens besitzet. Schmarotzer liefen schneller, Und folgeten entzückt der Harmonie der Teller, Zach. Man gebraucht es oft von beyden Geschlechtern, obgleich im weiblichen auch Schmarotzerinn nicht ungewöhnlich ist. Schmarotzerisch und Schmarotzerey kommen nur in den niedrigern Sprecharten vor.

Anm. In einigen Mundarten schmarutzen und Schmarutzer, im Schwed. smaratsa. Das Wort ist, so wie es da ist, dunkel, daher auch alle Ableitungen, welche man davon hat, seltsam und gezwungen sind, z. B. von dem Schwed. sma, klein, und ratta, Ratze, eine Hausmaus, die gemeiniglich auf anderer Kosten lebt, Frischens Ableitung von schmürzen, dem Geschmacke und Geruche einer gebratenen Speise, u. a. m. Im Niederdeutschen ist dieses Wort, so viel ich weiß, nicht bekannt. Die gleichbedeutenden Wörter sind oft nicht deutlicher, wie z. B. das Niedersächsische auf der Garbe herum reiten, wo Garbe vermuthlich das alte Gahre, die Betteley, ist; im Hochdeutschen sagt man dafür auf der Wurst herum reiten, auf dem Lande von einem zum andern schmarotzen gehen. Oft sind sie von einem besondern, gemeiniglich komischen oder verächtlichen Umstande hergeleitet, wie das Osnabrück. supsölnken, schmarotzen, das Nieders. Sökedrunk, Pannlicker, Pottlicker, das Hochdeutsche Tellerlecker, Kaisersbergs Pfefferlecker das Oberdeutsche Lichtputzer, das mittlere Lat. Buccellarius, Buccio, das Griech. und Lat. Parasitus, u. s. f. Da die Schmarotzer vom Handwerke gemeiniglich eine Art von Schmeichler sind, welche sich durch Schmeicheley an fremden Tafeln forthelfen, so könnte man von dem Osnabrück. Schmeertasche, wenigstens in Ansehung der ersten Hälfte des Wortes, einige Aufklärung erwarten, welches wohl nicht von Schmer, schmieren, sondern von dem alten bey dem Kero noch befindlichen smeron, lachen, lächeln, abstammet. Doch man kann sie näher haben, diese Aufklärung. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt Snarrenzere von einem Schmarotzer vor. In brechte ein meister bas ze mere Danne tusend Snarrenzere, Walther von der Vogelweide. Das Wort kann nicht wohl falsch gelesen oder geschrieben seyn, weil es in der Manessischen Sammlung mehrmahls vorkommt. Daß nun Schmarotzer aus diesem Schnarrenzere, durch den langen und häufigsten Gebrauch in dem Munde des großen Haufens, verderbt worden, zumahl da m und n leicht einander übergehen, ist sehr wahrscheinlich. Allein die Verständlichkeit unsers Schmarotzer gewinnet dadurch nur einen Grad der Deutlichkeit mehr, nähmlich in Ansehung der letzten Hälfte, welche unstreitig von zehren ist, ein Schnarrenzehrer. Die erste Hälfte bleibt so dunkel wie zuvor, ob gleich hier und da ein Schimmer zeiget, der mit der Zeit einiges Licht verspricht. Man sagt im gemeinen Leben, etwas schnurren, so wohl, es mausen, listig stehlen, als auch, es auf eine vertrauliche Art erbetteln; im Nieders. ist snoren faulenzen, und vielleicht stammet von dem letztern unsere Hochdeutsche R. A. von der Schnur zehren her, von dem ersparten Gelde müßig leben. Noch eine andere Ableitung biethet das bey dem Willeram befindliche Snare, eine Saite, ein Saiten-Instrument an, welches unser Schnur ist, und da würde ein Schnarrenzehrer eigentlich ein solcher seyn, der mit seiner Geige im Lande herum reiset, und sich vermittelst derselben den freyen Zutritt an den Tafeln anderer zu verschaffen; eine Gewohnheit, welche zu den Zeiten der Schwäbischen Dichter sehr häufig war, und nicht wenig dazu beytrug, daß sie und die Dichtkunst nach und nach verächtlich wurden.


Schmarotzerpflanze (W3) [Adelung]


Die Schmarotzerpflanze, plur. die -n, Pflanzen, welche sich von dem Safte anderer nähren, dergleichen die Mittel, das Baummoos, der Baumschwamm u. a. sind.


Schmasche (W3) [Adelung]


1. Die Schmasche, plur. die -n, eine Masche im Stricken, oder diejenige Schlinge, welche vermittelst zweyer Stricknadeln gemacht wird, aus welchen Schlingen das ganze Gestrick bestehet. Es ist aus Masche vermittelst des vorgesetzten Zischlautes gebildet, hat aber ein gedehntes a, dagegen Masche ein geschärftes hat.


Schmasche (W3) [Adelung]


2. Die Schmasche, oder Schmase, plur. die -n, bey den Kürschnern und im Fellhandel, fein zugerichtete Lämmerfelle. Ein Pelz; von Schmaschen. Es ist mit dem Fellhandel ohne Zweifel aus dem Pohln. Smusik, ein Lammsfell, zu uns gekommen. Nieders. Smaaske.


Schmatz (W3) [Adelung]


Der Schmatz, des -es, plur. die Schmätze, Diminut. das Schmätzchen, Oberd. Schmätzlein, welches eine unmittelbare Nachahmung des dadurch bezeichneten Schalles ist, und besonders in doppelter Bedeutung gebraucht wird. 1) Ein mit einem solchen Laute begleiteter derber Kuß heißt im gemeinen Leben ein Schmatz. Und gab mir einen derben Schmatz, Weiße. Das Diminut. Schmätzchen ist wie Mäulchen auch in der vertraulichen Sprechart gangbar. So gab dem Wein ein Schmätzchen das Geleite, Haged. Im gemeinen Leben auch Schmatzer, bey dem Pictorius Schmutz, im Englischen mit einem andern Endlaute Smack. 2) Eine Art Rothkehlchen, welche sich an steinigen Orten aufhält, wird wegen des schmatzenden Lautes, welchen es von sich gibt, daher Steinschmatz, Schmätzel genannt.


Schmatze (W3) [Adelung]


Die Schmatze, plur. die -n, in dem Forstwesen einiger Gegenden, der in der Erde stehende Stock eines abgehauenen Baumes, besonders, wenn er von einer beträchtlichen Länge über der Erde ist. Die Schmatzen ausrotten. Daher die Schmatzklafter, eine Klafter aus solchen Schmatzen geschlagenen Holzes. S. das folgende.


Schmatzen (W3) [Adelung]


1. Schmatzen, verb. reg. act. im Forstwesen, die Schmatzen ab- und zu Klafterholz hauen. Die Stöcke schmatzen. Die Endsylbe -zen deutet ein Intensivum an. Das Stammwort schmaten scheinet zu schmieden, schmeißen, Nieders. schmiten, zu gehören, so fern es ehedem auch hauen bedeutete, so daß Schmatze den Rest eines abgehauenen Baumes bedeutet.


Schmatzen (W3) [Adelung]


2. Schmatzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, denjenigen hellen Schall mit dem Munde hervor bringen, welchen dieses Zeitwort ausdruckt, und welcher gemeiniglich eine ungesittete Art des Essens begleitet. Die Schweine schmatzen, wenn sie essen. ( S. Schmausen.) Eben dieser Laut entstehet auch durch eine derbe ungesittete Art des Küssens: jemanden küssen, daß es schmatzt; daher dieses Wort auch im gemeinen Leben für küssen gebraucht wird. S. Schmatz. Daher das Schmatzen. Am. Im Ital. schiamazzare, im Nieders. in beyden Fällen mit einem andern Endlaute schmacken, Engl. to smack. (Siehe Schmecken.) Nach einer ähnlichen Onomatopöie ist im Pohln. smazze rösten, kreischen.


Schmauch (W3) [Adelung]


Der Schmauch, des -es, plur. car. ein dicker Rauch, dergleichen oft der Rauch ohne Feuer ist. Einen Schmauch machen. Im Schmauche ersticken.

Anm. Im Nieders. Smook, im Angels. Smec, Smic, Smoec, im Engl. Smoke. Es ist mit schmecken, dem Intensivo eines veralteten schmachen, genau verwandt, von welchen das erstere im Oberdeutschen noch riechen bedeutet. Ohne Zischlaut ist im Wallisischen Mwg der Rauch. Das Sch in unserm Schmauch ist ein Zeichen der Intension, einen dicken Rauch zu bezeichnen.


Schmauchen (W3) [Adelung]


Schmauchen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. 1) Schmauch von sich geben, und im gemeinen Leben oft für rauchen überhaupt. die Kohlen schmauchen, wenn sie ohne Flammenfeuer einen unangenehmen dicken Rauch von sich geben. Nasses Holz schmaucht. 2) Tobak schmauchen, im gemeinen Leben einiger Gegenden, für Tobak rauchen, wo es als ein Activum üblich ist. So auch das Schmauchen. Im Nieders. smoken, Engl. to smoke, im Fries. smayken. S. auch das folgende.


Schmäuchen (W3) [Adelung]


Schmäuchen, verb. reg. welches ein Activum des vorigen ist, Schmauch hervor bringen, und noch häufiger, den Schmauch an etwas gehen lassen. In einigen Gegenden sagt man Fleisch schmäuchen, für räuchern. In der Bienenzucht schmäucht man die Bienen, wenn man sie mit Schmauch aus dem Stocke treibt; die Jäger schmäuchen einen Fuchs aus seinem Loche, wenn sie ihm mit Schmauch aus demselben vertreiben; ehedem schmäuchte man auch gewisse Arten von Missethätern zu Tode. Im Oberdeutschen schmaucht man das Fleisch in einem Topfe, wenn man es in Obersachsen dämpft, und in Nieders. stövet. So auch das Schmäuchen.

Anm. Im Nieders. smöken. Es ist eben so von schmauchen unterschieden, wie räuchern, ehedem, von rauchen, säugen von saugen, säufen von saufen u. s. f. Die breitere Oberdeutsche Mundart gebraucht auch statt dieses Activi ihr schmauchen.


Schmaucher (W3) [Adelung]


Der Schmaucher, des -s, plur. ut nom. sing. nur in dem zusammen gesetzten Tobaksschmaucher, ein Mensch der stark Tobak schmauchet. Nieders. Smöker.


Schmauchfeuer (W3) [Adelung]


Das Schmauchfeuer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Feuer, welche keine Flamme, aber wohl einen Schmauch oder dicken Rauch von sich gibt.


Schmaus (W3) [Adelung]


Der Schmaus, des -es, plur. die Schmäuse, eine festliche Mahlzeit mit einem reichen Vorrathe von Speisen und Getränke. Einem Schmaus geben, ausrichten. Zum Schmause gehen. Ein Abschiedsschmaus, Antrittsschmaus, Hochzeitsschmaus, Opferschmaus, Fastnachtsschmaus u. s. f.


Schmausen (W3) [Adelung]


Schmausen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, einem Schmause beywohnen. Speisen und Getränke mancher Art in reichem Maße zu sich nehmen. Hoch schmausen. Die ganze Woche schmausen. Heute wird geschmaust. Bey jemanden schmausen. Daher das Schmausen.

Anm. Dieses Zeitwort ist von dem im Hochdeutschen veralteten ehedem sehr gangbaren musen, mosen, essen, gebildet, wo das vorgesetzte intensive sch die Fülle, den Reichthum der Speisen bezeichnet. ( S. Muß und Mast, wo mehr von diesem Worte gesagt worden.) Dem Latein. comissari, schmausen, fehlet zwar der intensive Zischlaut, allein die Intension wird hier durch das verdoppelte mittlere s angedeutet. Musen und schmausen sind Onomatopöien des mit dem Essen verbundenen Lautes, und schmatzen ist das Intensivum davon.


Schmauser (W3) [Adelung]


Der Schmauser, des -s, plur. ut nom. sing. welcher oft und viel schmauset; im gemeinen Leben auch ein Schmausbruder. Die Schmauserey für Schmaus ist auch nur in der vertraulichen Sprechart gangbar.


Schmecken (W3) [Adelung]


Schmecken, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Activum. 1. Vermittelst des Geschmackes versuchen, einen Körper auf die Zunge nehmen, um dessen Geschmack durch öfters Auf- und Zuschließen des Mundes zu empfinden, wo es den mit dieser Handlung verbundenen Laut genau nachahmet, daher auch diese Bedeutung als die erste und eigentliche ausgenommen werden muß. Indessen ist sie nur noch im gemeinen Leben, besonders einiger Gegenden, gangbar, indem in der anständigern Sprechart kosten eingeführet ist. Den Wein schmecken, kosten. Da ers schmeckte, wollte ers nicht trinken, Matth. 27, 34. Ingleichen figürlich, doch auch nur im gemeinen Leben, durch die Empfindung erkennen. Einem Rinde die Ruthe zu schmecken geben. Von diesen Widerwärtigkeiten hat Cajus noch nichts geschmeckt. 2. In weiterm Verstande, durch den Geschmack, oder vermittelst des Geschmackes erkennen, sich der Veränderungen, welche die Salztheilchen der Körper auf den Nervenwärzchen der Zunge machen, bewußt seyn. Nicht schmecken können. Scharf schmecken. Schmecken sie nichts? Ich schmecke, daß es süß ist. Ich schmecke das Salz in dem Wasser. Es ist im Passivo nicht gebräuchlich, ohne daß es deßwegen für ein Neutrum gehalten werden dürfte, indem es doch die vierte Endung der Sache leidet. 3. Figürlich. 1) Mit lebhafter Empfindung genießen; am häufigsten in der vertraulichen Sprechart. Ich schmecke kein Vergnügen recht, welches ich nicht mit ihnen theile. 2) In der Deutschen Bibel wird es nach einer gewöhnlichen Morgenländischen Figur, oft für empfinden, erfahren überhaupt gebraucht, welche Figur aber im Deutschen ungewöhnlich ist. Schmecket, wie freundlich der Herr ist, Ps. 34, 9. Die, welche geschmeckt haben die himmlische Gabe und das gütige Wort Gottes, Ebr. 6, 4. Den Tod nicht schmecken, in vielen Stellen. II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, durch den Geschmack empfunden werden, diejenigen Veränderungen auf der Zunge hervor bringen, welche den Geschmack ausmachen. 1. Eigentlich. Die Quasita schmeckt bitter, der Zucker süß; der Alaun salzig. Gut, schlecht, übel schmecken. Das Gewürz schmeckt wie Pfeffer. Aber, nach etwas schmecken, das Daseyn eines Dinges oder seiner Theile durch den Geschmack verrathen. Der Wein schmeckt nach dem Fasse, die Speise nach dem Rauche. Das Man (Manna) schmeckte, wie einer wollte, daß es ihm schmecken sollte, Weish. 16, 20. Wie schmeckt die diese Speise? 2. Figürlich. 1) Gut schmecken. Diese Speise schmeckt ihm. Ingleichen mit Gefallen, mit Appetit genossen werden, von Speisen und Getränken. Auf den Schinken schmeckt ein Trunk. Es schmeckt ihm, sagt man, wenn jemand wacker isset; ingleichen sichs schmecken lassen. Wo bey der unbezahlten Freude Sichs Wirth und Fremdling schmecken läßt, Michäl. Es will mir nichts schmecken, wenn man zu keiner Speise Appetit hat. 2) Empfunden, erfahren werden. Ein Gewinn von tausend Thalern schmeckt überaus gut. Diese Begegnung will mir nicht schmecken. Wie schmeckt dir dieser Einfall? Ingleichen mit Gefallen empfunden werden. Das will mir nicht schmecken. 3) Nach etwas schmecken, die Anwesenheit oder Eigenschaft einer Sache der Empfindung verrathen. Ein solcher Witz schmeckt nach der Schule. Die Frau schmeckt gewiß nach dem Dorfe, die ihrem Manne treu bleibt, Weiße. Daher das Schmecken, S. auch Geschmack.

Anm. Bey dem Ottfried smekan, bey dem Notker smecchan, im Nieders. smecken, im Angels. smaeccan, im Engl. to smack, im Schwed. smaka, im Böhm. ssmakowati, im Pohln. smakuje. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des mit dem Schmecken oder Kosten verbundenen Lautes, der ein schwächeres Schmatzen ist, daher smacken, smucken und smacksen, im Nieders. auch für schmatzen üblich ist, smicken aber daselbst in kleinen Bissen essen bedeutet. Der Form nach ist es ein Intensivum, welches ein verstärktes Smagen ausdruckt; daher im Dänischen smage schmecken ist. Unser schmachten ist davon gleichfalls ein Intensivum, aber nach einer andern Form. Ohne Zischlaut gehören auch das Franz. macher, kauen, das Lat. Maxilla, u. a. m. dahin. Schmecke und Schmecker für Geschmack, d. i. das Vermögen zu schmecken, sind nur in den niedrigsten Sprecharten gangbar. Schmecken lautet in einigen groben Mundarten schmacken, und dieses a hat sich auch in vielen Ableitungen erhalten; woraus aber nicht folget, daß man deßhalb schmäcken schreiben müßte, so wenig als man lägen, sähen, bewägen u. s. f. schreibt, weil davon Lage, ich sahe, bewogen abstammen. In ganz Oberdeutschland, doch in einigen Provinzen mehr als in andern, wird schmecken auch für riechen gebraucht, und in manchen Gegenden kennet man das letztere gar nicht. Die Blumen hangen ihr wohlschmeckendes Haupt, Opitz. Je mehr man Saffran reibet, Je stärker schmeckt er auch ebend. da er doch in andern Stellen beyde Begriffe hinlänglich unterscheidet. So seltsam diese Figur klinget, so philosophisch ist sie doch, weil Geschmack und Geruch im Grunde nur Ein und eben derselbe Sinn sind. In den niedrigen Sprecharten einiger Oberdeutschen Gegenden ist daher der Schmecker die Nase, die Schmecke und das Schmeckbüschel ein Blumenstrauß.


Schmecker (W3) [Adelung]


Der Schmecker, des -s, plur. ut nom. sing. in den niedrigen Sprecharten einiger Gegenden, das Maul, besonders eines Hirsches, bey den Jägern, so wie Lecker, die Zunge.


Schmeer (W3) [Adelung]


Das Schmeer, S. Schmer.


Schmeicheley (W3) [Adelung]


Die Schmeicheley, plur. die -en. 1) Schmeichelnde Worte, Handlungen oder Betragen. Jemanden alle nur ersinnliche Schmeicheleyen machen, ihm eine Schmeicheley sagen. 2) Das Schmeicheln, noch mehr aber die Fertigkeit andern zu schmeicheln; ohne Plural. Im Oberdeutschen in beyden Fällen die Schmeichlerey, von Schmeichler.


Schmeichelhaft (W3) [Adelung]


Schmeichelhaft, -er, -este, adj. et adv. schmeichelnd, von Personen und Sachen. Ein schmeichelhafter Mensch. Das ist mir sehr schmeichelhaft. Im gemeinen Leben schmeichlerisch. Daher die Schmeichelhaftigkeit.


Schmeicheln (W3) [Adelung]


Schmeicheln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches die dritte Endung der Person erfordert. 1. Eigentlich, sich vor jemanden schmiegen, um ihm liebzukosen, in welcher Bedeutung es so wie die Lateinischen adulari und cevere, welches letztere Persius gleichfalls für schmeicheln gebraucht, eigentlich den Hunden zukommt, wenn sie auf solche Art durch Schmiegen und Wedeln liebkosen. Der Hund schmeichelt seinem Herren. In weiterer Bedeutung gebraucht man es noch sehr häufig für liebkosen, besonders so fern es mit Streicheln und Lächeln verbunden ist. Das Kind schmeichelt seiner Mutter, die Mutter dem Kinde. Da es denn auch von einem mit Schmeicheln und Liebkosen begleiteten Bitten, ja von einer jeden übertriebenen Freundlichkeit gebraucht wird. Schmeicheln können. 2. Figürlich. 1) Angenehme Empfindungen und Vorstellungen erwecken; doch nur von den Empfindungen nur selten. O, wie lieblich schmeichelst du Unsern Seelen, Weiße. Am häufigsten, eine angenehme, obgleich noch ungewisse Hoffnung erregen und unterhalten. Sich mit der Hoffnung schmeicheln. Schmeichle dir nicht mit einer Hoffnung, die leicht fehl schlagen kann, Weiße. Das Hauptwort Hoffnung läßt sich hier nicht ohne merkliche Härte verschweigen ob es gleich sehr häufig geschiehet. Ich schmeichelte mir, daß er kommen würde. Man schmeichelt sich meistens vergebens, den Wissenschaften außer der Ehe besser zu leben, Gell. Allenfalls läßt sich diese Verheißung entschuldigen, wenn das Zeitwort absolute stehet. Ich hoffete - doch ich schmeichelte mir vergebens. Im Oberdeutschen gebraucht man es hier auch mit der zweyten Endung. Wir können uns einer erwünschten Auskunft der bevor stehenden Unterhandlungen schmeicheln: wo der Genitiv von dem aufge- lassenen Hauptworte Hoffnung herrühret. 2) Jemanden mit Vorsatz und um dessen Gunst zu gewinnen ungegründete Vorzüge beylegen. Vortrefflich schmeicheln können. Der Arzt schmeichelt dem Kranken, wenn er dessen Zustand vortheilhafter schildert als er ist, der Mahler dem, welchen er mahlet, wenn er die Fehler verbirget, oder ihn schöner mahlt, als er ist, der Hofmann dem Fürsten, wenn er ihm Vorzüge beyleget, die er nicht besitzet. Ein Prediger, Arzt und Mahler müssen nicht schmeicheln. Sie schmeichelten ihm und sagten, er habe vollkommen Recht. So auch das Schmeicheln.

Anm. 1. Oft gebraucht man dieses Zeitwort in der passiven Form. Bin ich nicht geschmeichelt? fragt man wohl, wenn man sich hat mahlen lassen. Allein da dieses Zeitwort ein Neutrum ist, so ist solches unrichtig. Über dieß kann die erste Endung im Passivo nur alsdann Statt finden, wenn das Activum die vierte Endung erfordert. Da nun schmeicheln die dritte zu sich nimmt, so müßte man, wenn es auch ein Passivum litte, sagen: ist mir nicht geschmeichelt worden?

Anm. 2. Die Endsylbe "-eln" zeiget schon, daß dieses Wort ein Intensivum oder Diminutivum ist. Das im Hochdeutschen veraltete Stammwort schmeichen kommt statt desselben bey dem Hornegk und den Schwäbischen Dichtern in allen Bedeutungen unsers Schmeicheln vor, und bey dem Willeram sind Smeiche Schmeicheleyen. Die Holländer und Niedersachsen sagen gleichfalls smeken, die Schweden smeka, die Dänen aber nach einer andern intensiven Form smigre. Wachter leitete es von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sanft, gelinde, ab, Ihre aber läßt es von sma, klein, (siehe Schmächtig) abstammen. Frisch war auf den sonderbaren Einfall gerathen, daß es wohl von Schmauch abstammen und so viel bedeuten könne, als jemanden einen wohlriechenden Rauch zuwehen, ihm räuchern, wobey er sich auf das Franz. flatter berief, welches auch so viel bedeuten sollte, als jemanden einen angenehmen Hauch zublasen. Gottsched ergriff diese Ableitung bloß, weil sie neu war, und wollte ihr zu Folge das Wort schmäucheln geschrieben wissen. Vergebens stellte man ihm vor, diese Neuerung sey so wohl der Aussprache als dem ganzen langen Gebrauche entgegen, die Gewohnheit des Räucherns aus Ehrerbiethung sey bey den Abendländern nie üblich gewesen, am wenigstens bey den Deutschen, Schmauch bedeute keinen angenehmen, sondern allemahl einen dicken, beschwerlichen Rauch, und jemanden schmäuchen oder schmäucheln würde allenfalls gerade das Gegentheil von schmeicheln beweisen, über dieß gebe es weit nähere und wahrscheinlichere Ableitungen. Allein der Widerspruch machte ihn, wie in andern Fällen, so auch hier nur hitziger; das was er aus Unbedachtsamkeit angenommen hatte, wurde nunmehr aus Eigensinn vertheidiget, und das Schmäucheln wurde und blieb das Schiboleth der ganzen Gottschedischen Schule. Indessen hatten doch schon Stieler und Steinbach die bessere und wahrscheinlichere Abstammung von schmiegen eingesehen, wozu denn ohne Zischlaut freylich auch Wachters - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und das veraltete mieg, sanft, gelinde, ( S. Gemach,) obgleich auf eine entferntere Art, gehören, so wie man auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , streicheln, dahin rechnen kann. Siehe das gleich folgende Schmeichen. Schmeicheln bedeutet allem Ansehen nach sich liebkosend vor jemanden schmiegen und winden, freylich zunächst von den Hunden und Sclaven, aber hernach auch, wie adulari, von anständigern Arten der Liebkosung. Indessen hat man noch ein anderes Wort, welches hier mit in Betrachtung kommen kann, ob es gleich mit schmiegen nur eine zufällige Gleichheit des Lautes hat, und dieses ist das Wendische und Slavonische Schmeich, das Lächeln, smiecham, ich lächle, wohin auch das veraltete Oberdeutsche smielen, lächeln, Engl. to smile, gehöret, welches das Diminutivum oder Intensivum davon ist, wo nur der Hauchlaut verbissen worden. Es gibt mehrere Fälle, wo zwey Begriffe zweyer gleichlautender, ob wohl sonst verschiedener Wörter in den spätern Zeiten mit einander verbunden worden. Indessen beweisen doch die gleichbedeutenden Wörtern schmeicheln, daß in diesem vornehmlich auf das Schmiegen und Streicheln gesehen worden. Kero gebraucht für schmeicheln flehan, welches, wie schon bey Flehen bemerket worden, gleichfalls sich vor jemanden krümmen und winden bedeutet, und wovon flechten ein Intensivum ist. Die Niedersachsen sagen noch jetzt fleyen, floyen, fleystraken, eigentlich schmiegend streicheln, die Engländer to wheedle, eigentlich wedeln, und die Schweden intensive fleckra, welches bey ihnen zunächst auch von den Hunden üblich ist. Das heutige Franz. flatter ist ohne Zweifel ein Intensivum nach einer andern Form davon, so daß man dabey weder an flare noch an flatus denken muß. Als gleichbedeutend mit schmeicheln ist im Niederdeutschen auch strieken, streicheln, üblich, und im Oberd. sagte man hähl streicheln, von hähl, glatt, gleichsam den Fuchsschwanz streicheln. Hornegk gebraucht slegen, Notker slechsprechen, (vermuthlich wie das vorige, von schlecht, eben, glatt,) der mittlere Lat. foculare, (von fackeln, auch mit dem Begriffe der Bewegung,) Hornegk losen, der Niedersachse liesken, Opitz zulieben, alle in der Bedeutung des Schmeichelns, anderer Ausdrücke zu geschweigen.


Schmeichen (W3) [Adelung]


Schmeichen, verb. reg. act. welches nur bey den Webern einiger Gegenden üblich ist, welche den Aufzug schmeichen, wenn sie ihn mit einem gewissen Breye bestreichen, um ihn dadurch glatt, geschmeidig und biegsam zu machen, wofür man in den meisten Gegenden schlichten gebraucht, und im Nieders. smitten. Daher wird dieser Brey oder die Schlichte daselbst auch die Schmeiche genannt. Es ist allem Ansehen nach das Factitivum von schmiegen, eigentlich biegsam und geschmeidig machen. S. auch das vorige in der Anm.


Schmeichler (W3) [Adelung]


Der Schmeichler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schmeichlerinn, eine Person, welche schmeichelt, in allen Bedeutungen des Zeitwortes. Ein Kind, welches gewohnt ist, Liebkosungen zu machen, nennt man einen kleinen Schmeichler; im gemeinen Leben eine Schmeichelkatze. Im gehässigeren Verstande ist der Schmeichler derjenige, welcher andern, um ihre Gunst zu gewinnen, mit Vorsatz ungegründete Vorzüge beyleget.

Anm. Ehedem nur Schmeichler, von schmeichen, schmeicheln, im Nieders. Smertaske, Strieker, Striekstock, Glattstrieker, im Oberd. ehedem Glättling, Flaumstreicher, von Flaum, weiche Federn, bey dem Hornegk Lusmer, von losen, schmeicheln, Zumacher, von sich zuthun, in Boxhorns Glossen Fleari, von flehen, schmeicheln, im mittlern Lat. Dulcorarius, u. s. f.


Schmeidig (W3) [Adelung]


Schmeidig, -er, -ste, adj. et adv. ein noch im gemeinen Leben sehr gangbares Wort, wofür die anständigere Sprechart geschmeidig gebraucht, ( S. dasselbe.) So auch die Schmeidigkeit, für Geschmeidigkeit.


Schmeißen (W3) [Adelung]


Schmeißen, verb. irreg. Imperf. ich schmiß; Mittelw. geschmissen; Imperat. schmeiße, schmeiß. Es ist in doppelter Gestalt gangbar, in beyden aber nur in den gemeinen Sprecharten üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, heftig und plötzlich fallen, von großen Körpern, wie schlagen; am häufigsten in dem zusammen gesetzten hinschmeißen, plötzlich zu Boden fallen. Er ist hingeschmissen. II. Als ein Activum, und zwar wieder in einer doppelten Hauptbedeutung. 1. Schlagen und werfen. 1) Schlagen, in den niedrigen Sprecharten. Jemanden hinter die Ohren schmeißen. Das Pferd schmeißt hinten aus. Sich mit jemanden schmeißen. Daher der Schmiß daselbst auch ein derber Schlag ist, ( S. dasselbe, ingleichen Schmitz.) Nieders. smiten, wohin auch unser schmieden gehöret. 2) Werfen, wo es im Hoch- und Oberdeutschen auch nur in den gemeinen Sprecharten üblich ist, im Niederdeutschen aber fast nur allein gebraucht wird, indem werfen, oder nach ihrer Mundart warpen, daselbst wenig gebraucht wird. Etwas unter die Bank schmeißen. Jemanden zu Boden, über den Haufen schmeißen. Der Wind schmiß den Baum in das Wasser. 2. Den Koth, d. i. Überrest der verdauten Speisen, durch den Hintern von sich geben, wo es in den gemeinen Sprecharten als ein anständiger Ausdruck für das grobe "scheißen" gebraucht wird. Das Kind hat in das Bett geschmissen. Am häufigsten gebraucht man es von Vögeln, dem Federviehe und Insecten, und zwar von den Letztern auch von dem Legen ihrer Eyer, vermuthlich so fern der große Haufe sie mit dem Kothe verwechselt. ( S. Schmetterling.) In manchen Gegenden gehet es hier regulär, ich schmeißte, geschmeißt; welche Form auch Luther angenommen hat: Eine Schwalbe schmeißte aus ihrem Nest, Tob. 2, 11. So auch das Schmeißen.

Anm. Schon bey dem Ottfried smeizan, im Nieders. smiten, im Angels. smitan, im Engl. to smite, im Schwed. smita, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und für schlagen bey dem Eustathius - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es ist in dem Neutro und den beyden ersten Bedeutungen des Activi eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, der mit den Handlungen verbunden ist, von welchen dieses Zeitwort gebraucht wird, und wohin ohne den intensiven Zischlaut aus dem Lat. mittere, missus, Franz. mettre, gehöret. In der letzten Bedeutung könnte es, so wie das ähnliche, obgleich weit niedrigere "scheißen" gleichfalls als eine Onomatopöie angesehen werden. Allein es scheinet hier mit mehrerer Wahrscheinlichkeit den Begriff der schmierigen, flüssigen Unreinigkeit zu haben, und zu schmitzen in beschmitzen, und Schmutz zu gehören, welche Intensiva davon sind. Bey dem Ulphilas ist smitan salben, und im Niedersächs. smitten, schmieren, salben. ( S. Schmitzen und Schmutz.) Schmeißen wäre also in diesem Verstande eigentlich schmierige Unreinigkeit von sich geben. Ohne Zischlaut gehöret auch Mist dahin.


Schmeißfliege (W3) [Adelung]


Die Schmeißfliege, plur. die -n, eine Art gewöhnlicher Fliegen, welche sich auf das Fleisch setzen und dasselbe beschmeißen, d. i. ihre Eyer in dasselbe legen, da es denn Maden bekommt.


Schmele (W3) [Adelung]


Die Schmele, S. Schmiele.


Schmelz (W3) [Adelung]


Der Schmelz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eigentlich, eine metallisches, durch die Schmelzung erhaltenes farbiges Glas, welches auch wohl Schmelzglas genannt wird. So führet diesen Nahmen das aus dem Kobalte bereitete blaue Glas, welches aber noch häufiger Schmalte genannt wird, ( S. dasselbe.) In der Handlung verstehet man unter Schmelz gemeiniglich die aus calciniertem Zinn oder Bley verfertigten, Korallen ähnlichen, glänzenden und durchbohrten Körner oder Röhrchen, welche man auf Draht oder Fäden reihet, sie zu allerley Figuren bieget, und Kleider, Quasten und andere Dinge damit schmücket. Mit Schmelz besetzen. Figürlich ist in der dichterischen Schreibart der Schmelz der Blumen, der Wiesen, die hellen hohen glänzenden Farben, welche auf denselben spielen. Wirf deine Blicke auf das Feld, siehe den bunten Schmelz der Wiesen. Der Schmelz der grünen Flächen Glänzt voller Pracht, Haged.


Schmelzarbeit (W3) [Adelung]


Die Schmelzarbeit, plur. die -en. 1) Im Hüttenbaue, ohne Plural, das Schmelzen der Erze. 2) Diejenige Arbeit, da metallische Farben auf andere Körper eingeschmelzet werden, auch ohne Plural, und auf solche Art überzogene Dinge; emaillirte Arbeit.


Schmelzbogen (W3) [Adelung]


Der Schmelzbogen, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, derjenige Bogen Papier, worauf der Hüttenmeister dasje- nige verzeichnet, was bey dem Schmelzen täglich vorgehet, wovon denn das wichtigste in das Schmelzbuch getragen wird.


Schmelzbuch (W3) [Adelung]


Das Schmelzbuch, des -es, plur. die -bücher, eben daselbst, diejenigen Bücher, worein alles, was bey dem Schmelzen der Erze vorgehet, aufgezeichnet wird.


Schmelzbutter (W3) [Adelung]


Die Schmelzbutter, plur. car. ausgeschmelzte oder ausgelassene Butter, welche an die Speisen gebraucht wird, und in einigen Gegenden auch Schmalz heißt.


Schmelzeisen (W3) [Adelung]


Das Schmelzeisen, des -s, plur. inus. in den Hammerwerken, geschmolzenes Eisen, welcher erst auf den Hammer kommen muß, ehe es den zu den meisten Arbeiten nöthigen Grad der Reinigkeit bekommt.


Schmelzen (W3) [Adelung]


1. Schmelzen, mit Schmalz oder Butter würzen, S. Schmalzen.


Schmelzen (W3) [Adelung]


2. Schmelzen, verb. reg. et irreg. welches in der letztern Form so gehet: ich schmelze, du schmilzest, (schmelzest,) er schmilzt, (schmelzt;) Imperf. ich schmolz, Conj. schmölze; Mittelw. geschmolzen; Imper. schmilz, noch häufiger aber schmelz. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit irregulärer Conjugation und dem Hülfsworte seyn, aus einem festen Körper in einen flüssigen verwandelt werden. Das Weinsteinsalz schmelzt oder schmilzt an der Luft, der Schnee an der Sonne, das Wachs im Feuer. Butter über dem Feuer schmelzen lassen. Geschmolzener Schnee, geschmolzenes Eis. Das Bley schmilzt in einem mäßigen Grade des Feuers, das Kupfer erfordert einen stärkern, der Diamant den stärksten. Figürlich auch in der edlern Schreibart: mein Herz von deinen Thränen schmilzt in süßer Wehmuth. Die irreguläre Form ist hier ohne Ausnahme gangbar, außer daß im Präsenti viele Hochdeutsche für schmilzest und schmilzt, schmelzest und schmelzt sagen. Wie Wachs vor dem Feuer verschmelzet, Mich. 1, 4. II. Als ein Activum. 1) Schmelzen machen, einen festen Körper in einen flüssigen verwandeln, doch nur so fern es vermittelst der Wärme und der Feuers geschiehet. Es ist hier im Hochdeutschen immer noch als ein irreguläres Zeitwort gangbar, so rathsam es auch wäre, es in dieser Bedeutung regulär zu conjugiren; man müßte denn die irreguläre Form zum Unterschiede von der folgenden Bedeutung für nöthig halten. Wachs, Butter, Schnee schmelzen. Bley, Zinn, Kupfer schmelzen. Geschmolzenes Bley, besser geschmelztes. Es wird heute nicht geschmolzen, besser geschmelzt. Im Hüttenbaue ist schmelzen die Metalle durch Schmelzung des Erzes von dem Gesteine und den Schlacken absondern, daher es denn oft alle dahin gehörige Arbeiten mit unter sich begreift. Bey den Mahlern ist die Farben schmelzen oder verschmelzen, sie, nachdem sie aufgetragen worden, unter einander vertreiben; Franz. fondre. Ein Mahler hat eine gute Schmelzung der Farben, wenn er sie gut zu vertreiben weiß, welches man auch wohl den Schmelz der Farben zu nennen pflegt. 2) Mit Schmelz mahlen oder überziehen, weil die metallischen Farben, welche denselben ausmachen, nachdem sie aufgetragen worden, erst im Feuer schmelzen müssen, ehe sie sichtbar werden; wofür doch im Hochdeutschen das Französische emailliren üblicher ist. In dieser Bedeutung wird es allemahl als ein reguläres Zeitwort gebraucht. Einen Ring schmelzen, ihn emailliren, mit Schmelz oder Emaille überziehen, bemahlen. Geschmelzte Arbeit. Auf Stahl "schmelzen". Ital. "smaltare", Span. "esmalter", Franz. "esmailler", "emailler". So auch das Schmelzen, und im Activo die Schmelzung.

Anm. Bey dem Notker smilzen, im Nieders. in beyden Formen smulten, im Schwed. smälta, im Pohln. smelcowac, im Böhm. ssmelcowati, ohne Zischlaut, welcher hier eine Intension zu bezeichnen scheinet, im Angels. meltan, myltan, im Engl. to melt, obgleich auch to smelt üblich ist, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Der Begriff des Weichen, des Flüssigen ist in diesem Wort der herrschende, daher es mit milde, mollis, dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, erweichen, u. s. f. Eines Stammes ist.


Schmelzer (W3) [Adelung]


Der Schmelzer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher schmelzt, in der thätigen Bedeutung, besonders im Hüttenbaue, ein Arbeiter, welcher die Schmelzung der Erze verstehet und verrichtet.


Schmelzfeuer (W3) [Adelung]


Das Schmelzfeuer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Feuer, bey welchem geschmelzet wird, ingleichen derjenige Grad des Feuers, in welchem ein Körper schmilzt.


Schmelzgast (W3) [Adelung]


Der Schmelzgast, des -es, plur. die -gäste, im Hüttenbaue, ein Nahme der Auswärtigen, welche ihr Erz oder Gekrätz in einer Schmelzhütte ausschmelzen lassen. S. Gast.


Schmelzglas (W3) [Adelung]


Das Schmelzglas, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -gläser, ein metallisches Glas, womit geschmelzet, d. i. emailliret wird, und welches zuweilen auch nur Schmelz schlechthin heißt.


Schmelzhütte (W3) [Adelung]


Die Schmelzhütte, plur. die -n, eine Hütte, d. i. ein Gebäude, in welchem die Erze, nachdem sie die gehörige Zubereitung bekommen haben, ausgeschmelzet werden.


Schmelzkammer (W3) [Adelung]


Die Schmelzkammer, plur. die -n, in den Münzen, eine Kammer, d. i. ein Zimmer, ein Ort, wo das zu den Münzen bestimmte Metall geschmelzet und in Zaine gegossen wird; die Gießkammer.


Schmelzkunst (W3) [Adelung]


Die Schmelzkunst, plur. car. 1) In den Bergwerken, die Kunst, das Metall durch Schmelzen aus den Erzen zu bringen. 2) Die Kunst, mit Schmelz zu mahlen oder zu überziehen; die Emaillir-Kunst.


Schmelzling (W3) [Adelung]


Der Schmelzling, des -es, plur. die -e. 1) Eine Art weißgrauer Äpfel mit einem süßen und festen Fleische; der Grübling, Pfaffengrübling. 2) Bey andern führen die Klapper- oder Schlotteräpfel diesen Nahmen.


Schmelzlöffel (W3) [Adelung]


Der Schmelzlöffel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Löffel, worin man einen Körper schmelzen läßt, dergleichen Löffel man besonders zur Schmelzung des Bleyes in kleinen Massen hat.


Schmelzmahler (W3) [Adelung]


Der Schmelzmahler, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher die Kunst mit Schmelz zu mahlen verstehet und ausübet; der Emaille-Mahler. Daher die Schmelzmahlerey, das Mahlen mit Schmelz, die Kunst, damit zu mahlen, und ein auf solche Art gebrachtes Gemählde.


Schmelzofen (W3) [Adelung]


Der Schmelzofen, des -s, plur. die -öfen, ein Ofen, worin ein Körper, besonders ein metallischer, geschmelzet oder geschmolzen wird.


Schmelzsilber (W3) [Adelung]


Das Schmelzsilber, des -s, plur. doch allenfalls nur von mehrern Arten, ut nom. sing. bey den Gürtlern, ein mit rothem Borax vermischter Silberkalk, dessen sie sich zum Versilbern bedienen.


Schmelztiegel (W3) [Adelung]


Der Schmelztiegel, des -s, plur. ut nom. sing. ein irdenes Gefäß in Gestalt eines umgekehrten Kegels, Metalle darin zu schmelzen; Nieders. Smultpott.


Schmelzwerk (W3) [Adelung]


Das Schmelzwerk, des -es, sing. inus. bey den Goldschmieden, erhabene, aus Schmelz oder Emaille aufgetragene Figuren.


Schmer (W3) [Adelung]


Das Schmer, des -es, plur. inus. ein dickliches Fett, welches sich schmieren läßt. Daher ist in einigen Gegenden das Wagenschmer das Fett, womit die Achse der Wagen geschmieret wird. In Boxhorns Glossen ist Kuhschmer Butter. Im Hochdeutschen, wo dieses Wort überhaupt selten ist, indem man sich dafür lieber des Wortes Fett bedienet, ist Schmer zuweilen das auf dem Bauche und an den Gedärmen befindliche Fett, welches, wenn es ausgelassen worden, Schmalz heißt, es sey nun ausgeschmolzen oder nicht. Ein Schwein hat viel Schmer, wenn es viel Fett hat. Schweineschmer, Gänseschmer, Schweinfett oder Schweineschmalz, Gänseschmalz.

Anm. Im Nieders. Smer, welches aber auch Schmutz schmierige Unreinigkeit bedeutet, im Angels. Smero, Talg, und Smeoru, Salbe, im Dän. Schmor, und Schwed. Smör, Butter. Es druckt die glatte, schmierige, weiche Beschaffenheit des Fettes eigenthümlich aus. Ohne Zischlaut gehören auch Mark, Märgel, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Salbe, u. s. f. dahin. S. Schmieren.


Schmerbauch (W3) [Adelung]


Der Schmerbauch, des -es, plur. die -bäuche, ein mit vielem Schmer oder Fett bewachsener Bauch. Nieders. Smerbuuk. In weiterer und üblicher Bedeutung, eine Benennung des Unterleibes, weil sich daselbst das Schmer oder Fett am ersten und stärksten anzulegen pflegt.


Schmerbel (W3) [Adelung]


Der "Schmerbel", des -s, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme derjenigen Pflanzen welche auch "guter Heinrich" und "Allgut" genannt wird; "Chenopodium bonus Henricus L." ohne Zweifel weil sich die Pflanze schmierig anfühlen läßt, daher sie auch "schmieriger Gänsefuß", "schmieriger Mangold" genannt wird.


Schmerbutte (W3) [Adelung]


Die Schmerbutte, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der See- oder Meerbarbe, S. Barbe.


Schmererz (W3) [Adelung]


Das Schmererz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art silberhaltigen Glanzerzes, welches sich schmierig anfühlen läßt, und am Blokberge gebrochen wird.


Schmergebirge (W3) [Adelung]


Das Schmergebirge, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein Gebrige, oder eine Bergart, welche reichhaltigen Letten führet; wegen der schmierigen Beschaffenheit dieser Erdart. Ingleichen ein Gebirge, welches viele Schmerklüfte enthält.


Schmergel (W3) [Adelung]


1. Der Schmergel, des -s, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des kleinen Schöllkrautes, Feigwarzenkrautes oder Scharbockes, Ranunculus Ficaria L. vielleicht gleichfalls wegen seiner weichen schmierigen Beschaffenheit in Ansehung des Gefühles, S. das folgende.


Schmergel (W3) [Adelung]


2. Der Schmergel, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. kein Edelstein, wie Frisch will, sondern ein strengflüssiges, armhaltiges Eisenerz, welches, wenn es durch Pochen und Schlämmen von den leichtesten Steinarten gereiniget worden, zum Polieren des Stahles, Eisens, Glases und einiger Edelsteine gebraucht wird. Im gemeinen Leben Schmirgel, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , im Lat. Smiris, im Franz. Emiri, im Ital. Smeriglio. Vermuthlich auch weil dieses Mineral fettig oder schmierig anzufühlen ist, zumahl wenn es, wie gemeiniglich der Fall ist, mit Glimmer durchsetzet ist.


Schmergeln (W3) [Adelung]


Schmergeln, verb. reg. act. mit Schmergel polieren.


Schmerhaut (W3) [Adelung]


Die Schmerhaut, plur. die -häute, in einigen Gegenden für Fetthaut, S. dasselbe.


Schmerkluft (W3) [Adelung]


Die Schmerkluft, plur. die -klüfte, im Bergbaue, Klüfte, welche mit schmierigem Letten oder Thon angefüllet sind.


Schmerkraut (W3) [Adelung]


Das Schmerkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze mit einem weichen und fettigen Stängel, welche bey den ältern Kräuterkennern Orobanche scandulaca genannt wird.


Schmerl (W3) [Adelung]


Der Schmerl, des -s, plur. die -e, Diminut. das Schmerlchen, Oberd. Schmerlein, eine Art kleiner Falken, in der Größe einer Amsel, mit einem himmelblauen Schnabel; Falco Aesalon L. Steinfalk. In einigen Gegenden Schmirl, Schmierlein, die Schmerle, und ohne Zischlaut Merl, Merle, Franz. Emerillon, Italiän. Smeriglione; vermuthlich von dem alten smar, klein. In manchen Gegenden wird auch der Lerchenfalk, Falco varius pictus Alaudarum Klein. Schmerl und Schmerlgeyer genannt; im gemeinen Leben heißt er Schwemmer, Schweberle, Windzirkel, weil er in der Luft nur gleichsam schwebet oder schwimmet. Beyde Arten sind gefleckt oder gesperbert.


Schmerle (W3) [Adelung]


Die Schmerle, plur. die -n, eine Art kleiner Bachfische, mit einer gefleckten Haut; Cobitis Barbatula L. der Schmerling, in Franken Schmäd, in Mecklenburg Jickerling. Im Oberdeutschen wird unser ähnlicher, aber doch noch verschiedener Gründling Schmerle genannt. Frisch glaubt, dieser Fisch habe den Nahmen von dem Schmere oder Schmalz, weil er für einen guten Backfisch gehalten wird. Im mittlern Lat. ist Merula, Merulum, Merla, die Zinne einer Maner, Pinna.


Schmerlinde (W3) [Adelung]


Die Schmerlinde, plur. die -n, in einigen Gegenden, die Augustlinde, vermuthlich wegen ihres weichen Holzes, daher sie von andern auch Specklinde genannt wird; alles zum Unterschiede von der Steinlinde.


Schmerstein (W3) [Adelung]


Der Schmerstein, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Specksteines, weil er weich ist, und sich fettig anfühlen läßt. In engerer Bedeutung wird der weiße Speckstein, welcher aus dem Bareuthischen kommt und auch Spanische Kreide heißt, Schmerstein genannt.


Schmervieh (W3) [Adelung]


Das Schmervieh, S. Schmiervieh.


Schmerwurz (W3) [Adelung]


Die Schmerwurz, plur. inus. 1) Ein Nahme des Fettkrautes, dessen Blätter mit einem schwierigen Wesen überzogen find, welche die Butter gerinnen macht; Pinguicula L. Butterkraut. 2) Eine Pflanze, welche in dem mittägigen Europa und den Morgenländern einheimisch ist; Tomus L. 3) Ein Nahme der Schwarzwurzel, weil sie im Kochen zu einem schmierigen Brey wird; Nieders. Smerwurtel. 4) Eine Art des Porsches, welches von dem großen Haufen gebraucht wird, wenn jemand vor Schmer oder Fett ersticken will; Ledum Telephinum L. Stickwurz.


Schmerz (W3) [Adelung]


Der Schmerz, des -ens, Dat. dem -en, Acc. den Schmerz, Plur. die -en. 1) Eigentlich, diejenige unangenehme Empfindung, die aus der Trennung des Stetigen in unserm Körper entstehet, welche Trennung des Stetigen bey genauer Untersuchung die Ursache eines jeden Schmerzens ist. Einen heftigen Schmerz in der Seite empfinden. Einen Schmerz in der Seite haben oder fühlen. Viele Schmerzen ausstehen. Der Schmerz läßt nach, höret auf, vergehet, hält an. Wo der Plural, so wie in der folgenden Bedeutung, auch häufig anstatt des Singulars gebraucht wird. Heftige Schmerzen empfinden. Vor Schmerzen schreyen. Keine Schmerzen fühlen. Unter großen Schmerzen sterben. Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Gichtschmerzen, Steinschmerzen. Schmerz ist ein allgemeiner Ausdruck, welcher den Grad unbestimmt läßt. Die heftigsten Grade des Schmerzens drückt man durch Pein, Qual und Marter aus. 2) Figürlich, unangenehme Empfindung des Gemüthes, zunächst über den Verlust eines Guten, hernach aber auch über eine jede unangenehme Veranlassung; wo es aber doch nur von einem gewissen heftigen Grade dieser Empfindung gebraucht wird, indem die schwächern durch Unlust, Traurigkeit, Gram, Betrübniß u. s. f. angedeutet werden. Der Schmerz über den Verlust eines Freundes, einer geliebten Person, seines Vermögens u. s. f. Der Schmerz um ihn ist für mein Herz Selbst noch ein angenehmer Schmerz, Gell. Wir erwarten ihn mit Schmerzen, von einem hohen Grade der Sehnsucht und Unruhe. Ich höre es mit Schmerzen, mit einem hohen Grade der Betrübniß, der Traurigkeit, des Bedauerns.

Anm. 1. In der Declination des Singulars dieses Wortes sind die Deutschen, und selbst die Sprachlehrer, nicht einig. Einige Oberdeutsche machen die erste und vierte Endung Schmerzen nach dem Muster von Karpfen, Tropfen, Lappen, Batzen u. s. f. Mein Schmerzen ist immer für (vor) mir, Ps. 38, 18. Schmerzen wird sie ankommen, Es. 13, 8. Schauet meinen Schmerzen, Klagel. 1, 18. Andere decliniren es wie Glaube, der Schmerze, des -ns, dem -n, den -n, u. s. f. Noch andere wie Pferd, Schmerz, Schmerzes, Schmerze; nur daß sie im Plural für Schmerze doch Schmerzen sagen. Am richtigsten wird dieses Wort auf die oben angezeigte Art wie Herz abgeändert, so daß beyde Wörter eine Ausnahme von der gewöhnlichen Regel machen.

Anm. 2. Bey dem Ottfried Smerza, im Nieders. Smart, im Angels. Smeorte, im Engl. Smart, im Schwed. Smärta, im mittlern Latein. ohne Zischlaut Mara und Marantia. Da der Schmerz im eigentlichen Verstande allemahl eine Trennung des Stetigen voraussetzt, so kann man dieses Wort füglich als eine Figur von dem jetzt nur in der intensiven Form üblichen Schmarre ansehen, welches ein Zeitwort schmaren voraus setzt, welches schneiden u. s. f. bedeutet hat, und wozu ohne Zischlaut auch märzen, Ulphilas maurgan, abschneiden, und das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, absondern, vielleicht nach einer andern Figur auch das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bitter seyn, und das Lat. amarus gehören, bey welchem letztern das a, wie in vielen andern Wörtern, nicht zum Stamme gehöret. Auch das Slavon. Smert, der Tod, Lettisch Smertis, Lat. ohne Zischlaut Mors, läßt sich hierher rechnen, indem doch der Tod gemeiniglich als die schmerzhafteste Trennung angesehen wird.


Schmerzen (W3) [Adelung]


Schmerzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, mit Schmerzen empfunden werden, so wohl von den Schmerzen des Leibes als auch des Gemüthes; da es denn in der dritten Person am gangbarsten ist, und die vierte Endung der Person erfordert. Die Beschneidung schmerzte sie, 1 Mos. 34, 25. Die Wunde schmerzet mich. Der Fuß, der Zahn, die Hand schmerzet ihn. Das schmerzt sehr. Es schmerzt mich in der Seele, dich so undankbar zu finden. Sein Abschied schmerzt mich. Es schmerzte mich, daß ich ihm nicht helfen konnte. So auch das Schmerzen.


Schmerzengeld (W3) [Adelung]


Das Schmerzengeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -er, dasjenige Geld, welches man jemanden als eine Vergütung der ausgestandenen körperlichen Schmerzen bezahlet.


Schmerzhaft (W3) [Adelung]


Schmerzhaft, -er, -este, adj. et adv. 1) * Schmerz empfindend; eine im Hochdeutschen unbekannte, im Oberdeutschen aber gangbare Bedeutung. Die schmerzhafte Mutter Jesu, die betrübte. Schmerzhaft seyn, betrübt. 2) Dem Schmerze ähnlich, ingleichen, was mit Schmerz empfunden wird. Der schmerzhafte Ort des Leibes, wo man Schmerzen empfindet. Eine schmerzhafte Krankheit. Ein schmerzhafter Tod. Das ist mir sehr schmerzhaft. So auch die Schmerzhaftigkeit.


Schmerzlich (W3) [Adelung]


Schmerzlich, -er, -ste, adj. et adv. wie Schmerzhaft 2, doch das dieses mehr von den Schmerzen des Gemüthes als des Leibes gebraucht wird. Ein schmerzlicher Zufall, welcher schmerzt. Sein Unrecht schmerzlich beweinen, mit Schmerzen. Sein Tod ist mir sehr schmerzlich. Ein schmerzliches Verlangen nach etwas empfinden. So auch die Schmerzlichkeit.


Schmerzlos (W3) [Adelung]


Schmerzlos, -er, -este, adj. et adv. ohne Schmerzen, der Schmerzen beraubt. Daher die Schmerzlosigkeit.


Schmetten (W3) [Adelung]


* Der Schmetten, des -s, plur. car. ein nur in Schlesien, Österreich und Böhmen übliches Wort, den Milchrahm zu bezeichnen; aus dem Slavon. Smictana. S. Schmant.


Schmetterling (W3) [Adelung]


Der Schmetterling, des -es, plur. die -e, ein Insect mit vier bestaubten glatten Flügeln und einem haarigen Leibe, dessen Larve unter dem Nahmen der Raupe bekannt ist; Papilio L. Sommervogel, Tagevogel, weil er sich nur am Tage sehen läßt, Sommerfalter, Zweyfalter, Bienenfalter, im Algau Fletersche, von flattern, im Nieders. Mayvogel, Buttervogel, Butterfliege, weil die Flügel glatt und schmierig anzufühlen sind, Raupenschmeißer, in Lübeck Ketelböter, im Osnabrück. Fluchter, im Dithmars. Flörlörken, (Schwed. Fjäril,) in Schlesien Molkenteller, Molkendieb, in Preußen Molkentöfer, in Baiern Mühlamahler, in einigen Gegenden Pfeiffolter, wohl eigentlich Feiffalter, vom Angels. Piffalde, Fifeld, in Gothland Fiäderallde, im Norweg. Marihöne. In den schönen Künsten ist der Schmetterling ein Sinnbild des Leichtsinnes und der Flatterhaftigkeit, weil man ihn immer von einem Gegenstande zum andern flattern siehet. Den Nahmen hat er ohne Zweifel von schmeißen, Nieders. smiten, so fern es von dem Eyer legen der Insecten gebraucht wird, weil er seine Eyer in Menge auf allerley Gegenstande schmeißt, und sie dadurch beschmitzt. Aus dem Frisch erhellet, daß schmettern, als das Intensivum von schmeißen, Nieders. smiten, ehedem auch ohne die ihm jetzt anklebende Onomatopöie gebraucht wurde. Welcher Krebs keine Eyer hat, Den schmetter (schmeiß) wieder in die Plat, im Grobian.


Schmetterlingsblume (W3) [Adelung]


Die Schmetterlingsblume, plur. die -n, in der Botanik, eine Art Blumen, welche aus vier Blumenblättern bestehet, und einige Ähnlichkeit mit dem Schmetterlinge hat; Corolla papilionacea L.


Schmettern (W3) [Adelung]


Schmettern, verb. reg. welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es eigentlich eine unmittelbare Onomatopöie ist, den durch dieses Zeitwort ausgedruckten heftigen zitternden und erschüttern den Schall von sich geben und hervor bringen, wo es in verschiedenen Fällen üblich ist, in welchen dieser Schall Sratt findet. 1) Von einer Art heftiger Donnerschläge, welche einen hellen zitternden Schall haben, sagt man es schmettere. 2) Hohe und lange Cadenzen, hohe und lange Triller im Singen machen, so wohl vom menschlichen Singen als auch von manchen Gesangvögeln. Wenn durch ihr schmetternd Lied Die Lerche minder Kunst verrieth, Gell. Im innersten dicken Gehölze Schlägt der schmetternde Fink aus allen hangenden Buchen, Zachar. II. Als ein Activum, mit diesem zitternden Schalle werfen oder schlagen. Etwas auf die Erde schmettern. Ein Glas in tausend Stücke schmettern. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung in dem zusammen gesetzten zerschmettern am üblichsten, ( S. dasselbe.) In einigen Oberdeutschen Gegenden aber gebraucht man es auch als ein Intensivum von schmeißen, werfen, wenn gleich kein erschüttern der Schall damit verbunden ist. Siehe Schmetterling. So auch das Schmettern.

Anm. Es ist der Natur nach eine Onomatopöie, wo die Heftigkeit des Schalles durch das doppelte intensive t, die zitternde, erschütternde Beschaffenheit aber durch das r angedeutet wird. Der Form nach (denn die Formen aller Zeitwörter sind Nachahmungen der Natur) stammet es von schmeten, schmiten, (Nieders. smiten, Hochd. schmeißen,) ab, dessen Intensivum schmetten ist, wovon wiederum das Iterativum schmettern gebildet worden. Im Schwed. ist smattra rasseln, z. B. von dem Hagel in der Luft.


Schmid (W3) [Adelung]


Der Schmid, des -s, plur. die Schmiede, Fämin. die Schmiedinn, fast noch häufiger aber, wenn es bloß die Gattinn bezeichnen soll, des Schmids Frau, ein Handwerker oder Künstler, welcher das Metall vermittelst des Hammers bearbeitet, wohin denn der Ankerschmid, Huf- oder Grobschmid, Blechschmid, Büchsenschmid, Hammerschmid, Messerschmid, Nagelschmid, Waffenschmid, Kupferschmid, Goldschmid, u. s. f. gehören. In engerer Bedeutung verstehet man unter Schmid schlechthin allemahl den Huf- oder Grobschmid, welcher die gewöhnlichen groben Arbeiten aus Eisen vermittelst des Hammers und Feuers verfertiget.

Anm. Im Schwabensp. Smit, im Nieders. Smid, im Engl. und Angels. Smith, im Schwed. Smed. Es stehet für Schmieder, welche Form es ehedem noch im Schwedischen hatte. Siehe Schmieden. In weiterm Verstande wurde es ehedem auch, wenigstens in einigen mit der Deutschen verwandten Sprachen, von einem jeden Künstler gebraucht. So war im Schwedischen ehedem Husa Smed ein Baumeister, Skipa Smed ein Schiffsbauer, Vefsmed ein Weber, Murasmed ein Maurer, Liodsmider ein Dichter u. s. f. Ja noch im Deutschen sagt man, obgleich im verächtlichen Verstande, ein Reimschmid. Im mittlern Lateine kommen schon im 8ten Jahrhunderte beym Pez Cultores seu Fabri apum vor. Da das i in diesem Worte, so lange es einsylbig bleibt, im Hochdeutschen geschärft ist, so schreibt man es alsdann auch billig Schmid, Schmids; in der Verlängerung wird es gedehnt, und bekommt alsdann auch ein ie, die Schmiede, Schmiedinn. Die Niederdeutschen verlängern es auch in der zweyten und dritten Endung des Singulars, des Schmiedes, (Nieders. Smedes,) dem Schmiede, welche Form aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. In der Deutschen Bibel wird es Schmiedt geschrieben, welches die rauhe Oberdeutsche Aussprache begünstiget, wo es zweysylbig Schmied lautet.


Schmiede (W3) [Adelung]


Die Schmiede, plur. die -n, die Werkstätte eines Schmids, wo es doch nicht in allen den Zusammensetzungen üblich ist, in welchen das Wort Schmid gebraucht wird. Man sagt zwar Ankerschmiede, aber nicht Hammerschmiede, sondern Eisenhammer, nicht Kupferschmiede, sondern die Werkstätte des Kupferschmids, u. s. f. Am häufigsten ist die Schmiede schlechthin die Werkstätte eines Huf- und Grobschmids. Vor die rechte Schmiede gehen, figürlich, an den rechten Ort, zu dem rechten Manne.

Anm. In der Schweiz die Schmitten, im Nieders. Smede, im Angels. Smiththe, im Engl. Smithy, im Schwed. Smedja. Opitz scheint es von einem Hammer zu gebrauchen: Der Venus Mann, der hat die Schmied in seiner Hand.


Schmiedebalg (W3) [Adelung]


Der Schmiedebalg, des -es, plur. die -balge, der Blasebalg in einer Schmiede, d. i. in der Werkstätte eines Grobschmids.


Schmiedeesse (W3) [Adelung]


Die Schmiedeesse, plur. die -n, die Esse in einer Schmiede.


Schmiedehammer (W3) [Adelung]


Der Schmiedehammer, des -s, plur. die -hämmer, die großen Hämmer, deren sich die Grobschmiede bey ihren Arbeiten bedienen. Von ihren kleinern Hämmern ist es nicht üblich.


Schmiedeknecht (W3) [Adelung]


Der Schmiedeknecht, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben ein Nahme der Gestellen der Grobschmiede. S. Knecht.


Schmiedekohle (W3) [Adelung]


Die Schmiedekohle, plur. die -n, überhaupt, Kohlen, welche die Grobschmiede zu ihren Arbeiten gebrauchen, dergleichen diejenigen Holzkohlen sind, welche mit Wasser abgelöschet worden, ehe das Feuer die Holzfasern völlig zerrissen hat. Eben diesen Nahmen führen auch die glänzenden schwarzen und schwarzbraunen Steinkohlen von einem festen Gewebe, welche auch Pechkohlen heißen und vor andern zur Schmiedearbeit gebraucht werden.


Schmiedemeister (W3) [Adelung]


Der Schmiedemeister, des -s, plur. ut nom. sing. der vornehmste Arbeiter auf einem Stabhammer, welcher auch der Zainer genannt wird.


Schmieden (W3) [Adelung]


Schmieden, verb. reg. act. 1. Eigentlich, einen dehnbaren Körper durch Hammerschläge ausdehnen und bearbeiten, in welcher weitern Bedeutung es doch jetzt nur selten vorkommt, indem es in engerer von der Ausdehnung und Bearbeitung des glühenden Eisens vermittelst des Hammers am üblichsten ist. Sich schmieden lassen. Man muß das Eisen schmieden, weil es warm ist, man muß die Umstände zu nutzen suchen, so lange sie noch am schicklichsten sind. Ingleichen auf solche Art hervor bringen. Ein Hufeisen schmieden. Zwey Nägel in Einer Hitze schmieden, zwey Absichten durch ein und eben dasselbe Mittel erreichen. 2. Figürlich. 1) Einen Verbrecher in die Eisen schmieden, ihn an den Karren, auf die Galeere schmieden, ihn auf immer mit eisernen Bauden belegen, vermittelst derselben auf immer an den Karren, auf die Galeere befestigen. 2) Eine böse Sache zur Wirklichkeit zu bringen suchen, in nachtheiligem Verstande und von gewissen Veränderungen. Sein eigenes Unglück schmieden. Einen Krieg schmieden. Anschläge, welche unsere Feinde zu unserm Untergange schmieden. Denn meine Feinde stehn zusammen Und schmieden Übelthat, Opitz. So auch das Schmieden.

Anm. Bey dem Stryker smiten, im Angels. smithian, Nieders. smeden im Schwed. smida. Wachter und Frisch ließen es von schmeißen, Nieders. smiten, abstammen, so fern es ehedem schlagen überhaupt bedeutet hat. Ihre hält dieses um des weichen d willen für unwahrscheinlich, und leitet es von smeth, eben, ab, so daß es eigentlich ebenen bedeuten würde. Allein die erstern haben wohl Recht, doch so, daß man den Begriff der Schmeidigkeit mit zu Hülfe nehmen muß, auf welchen das weiche d zu deuten scheinet. In Baiern ist für geschmeidig noch jetzt geschmaißig üblich. Die zweyte figürliche Bedeutung ist ein Überbleibsel der schon bey Schmid erwähnten alten Figur, da schmieden ehedem von allen Handarbeiten, besonders künstlicher Art, gebraucht wurde. Schon Willeram übersetzte fabricare durch smiden.


Schmiedeschlacke (W3) [Adelung]


Die Schmiedeschlacke, plur. die -n, Schlacken, welche bey den Grobschmieden abgehen, zum Unterschiede von andern.


Schmiedezange (W3) [Adelung]


Die Schmiedezange, plur. die -n, eine starke eiserne Zange, wie die Grobschmiede sie gebrauchen.


Schmiege (W3) [Adelung]


Die Schmiege, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte, ein sich schmiegendes Ding, wo es doch nur vornehmlich in zwey Fällen üblich ist. 1) Bey den Werkleuten ist die Schmiege oder Schmiegung ein Winkel so wohl über als unter 90 Gr. welchen zwey Linien oder Wände machen. 2) Ein Werkzeug, solche Winkel zu messen, welches in einem beweglichen Winkelmaße bestehet, das sich vermittelst einer Stellschraube auf- und zuschieben läßt, und bey den Tischlern, Schlössern u. s. f. üblich ist. Es wird auch das Schrägemaß, der Winkelfasser, Winkelpasser genannt.


Schmiegen (W3) [Adelung]


Schmiegen, verb. reg. act. welches eigentlich mit biegen gleichbedeutend ist, aber doch eine größere Geschmeidigkeit andeutet, als dieses Zeitwort. Die Werkleute schmiegen eine Wand, eine Mauer, wenn sie dieselbe nach einem Winkel unter oder über 90 Gr. fortführen. Am üblichsten ist es als ein Reciprocum, sich schmiegen, sich biegsam drehen oder winden. Schmiegt euch gehorsam, ihr bunten Ruthen, und zerbrecht nicht unter dem Flechten, Geßn. Der Hund schmiegt sich vor seinem Herrn, wenn er sich vor ihm windet, drehet und erniedriget, daher sagt man auch figürlich, sich vor jemanden schmiegen, demüthigen. Er hat sich nicht gewöhnt zu schmiegen und zu biegen, nachzugeben, sich in alle Zeiten und Umstände zu schicken. Besonders mit dem Nebenbegriff des mit dieser Biegsamkeit verbundenen Drückens. Der Weinstock schmiegt sich an den Ulmbaum. Schamhaft an Chloens Busen geschmiegt, Geßn. Ingleichen der Verminderung seines Umfanges, da denn der Begriff von smag, smeg, klein, mit eintritt, ( S. Schmächtig.) Sich in einen Winkel schmiegen. Die Decke des Bettes ist so kurz, daß man sich darein schmiegen muß, Es. 28, 20. Daher das Schmiegen, und in Einer Bedeutung auch die Schmiegung, S. Schmiege 1.

Anm. Im Nieders. smigen, im Angels. ist smugan kriechen, und im Schwed. smyga schleichen. Ohne Zischlaut gehören auch das Dän. myg, geschmeidig, das Schwed. mjuk, weich, odmjuk, demüthig, und das Isländ. mykia, biegen, schmiegen, hierher. Im Oberdeutschen gehet dieses Wort irregulär, so wie biegen; ich schmog oder schmug, geschmogen. Ich aber schmug mich wie ein Meußlein, H. Sachs. Eben daselbst hat man auch die im Hochdeutschen unbekannten Intensiva schmicken und schmucken; in einem Stuhl geschmucket, H. Sachs. Unser schmeicheln ist das Diminutivum davon. (Siehe dasselbe.) Bey dem Hornegk ist Smewg so wohl das Zusammenziehen des Körpers, als auch figürlich Demuth, ingleichen Armuth, Noth.


Schmieralien (W3) [Adelung]


Die Schmieralien, sing. inus. ein im Scherze von dem Zeitworte schmieren nach Art der Lateinischen Wörter gebildetes Hauptwort. 1) Von schmieren, schlecht schreiben, find Schmieralien ein schlechtes, elendes Geschreibe, und die auf solche Art beschriebenen Papiere. 2) Von schmieren, bestechen, werden auch Geschenke, womit man den Richter schmiert oder besticht, im Scherze zuweilen Schmieralien genannt.


Schmierbüchse (W3) [Adelung]


Die Schmierbüchse, plur. die -n, im Fuhrwesen, die hölzerne Büchse, mit einem Deckel, worin sich das Wagenschmier befindet, und welche auf der Reise unten an den Wagen gehängt wird; der Schmiereimer, die Schmiermeste, das Schmierfaß, die Theerbutte.


Schmiereimer (W3) [Adelung]


Der Schmiereimer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Schmierbüchse.


Schmieren (W3) [Adelung]


Schmieren, verb. reg. act. 1. Eigentlich, einen halb festen und halb flüssigen, oder dicklich flüssigen Körper auf einen festern ausdehnen. Jesus schmierete den Roth auf des Blinden Auge, Joh. 9, 6. f. Einem Rinde den Brey in den Mund schmieren. Figürlich sagt man in den niedrigen Sprecharten, einem etwas in das Maul schmieren, es ihm wegen seiner Unfähigkeit sehr deutlich und begreiflich machen. Besonders von einem dicklichen fetten Körper, welcher die Consistenz einer Salbe oder Schmiere hat. Butter auf das Brot schmieren. Sehr häufig wird es mit der vierten Endung desjenigen Körpers gebraucht, auf welchem der weiche ausgedehnet wird, mit Verschweigung des letztern, da es denn nicht allein von Salben, Schmieren und andern dicklichen flüssigen Dingen, sondern auch von flüssigern, z. B. Öhlen, gebraucht wird. Ihr Fürsten schmieret den Schild, Es. 21, 5. Den Wagen, die Achse schmieren. Wer gut schmiert, der gut fährt. Die Schuhe, die Stiefeln, das Leder schmieren. Ein Schloß schmieren. Ein Gefäß schmieren, den Ofen schmieren, die Ritzen mit Lehm oder einem andern weichen Körper ausstreichen. Jemanden das Maul schmieren, in den niedrigen Sprecharten, ihm angenehme Hoffnungen machen, ohne sie zu erfüllen. Die Gurgel schmieren, auch nur in der niedrigen Sprechart, wacker trinken. Die räudigen Schafe schmieren. Da dieses Wort den schmutzigen Nebenbegriff des Unreinlichen, Fettigen, und der sudelhaften Behandlung bey sich hat, so wird es von Dingen, welche auch im gesitteten Leben vorkommen, in der anständigen Sprechart gern vermieden, und dafür das Zeitwort streichen gebraucht. Butter auf Brot streichen, den Roth auf das Auge streichen u. s. f. Nur in den Fällen, wo es die vierte Endung des Körpers, welcher bestrichen wird, bey sich hat, muß man es behalten; aber diese Fälle gehören auch größten Theils in das gemeine Leben. Von Salben, d. i. reinlichen, wohlriechenden Arten der Schmiere, gebraucht man das Zeitwort salben. Dieß gilt auch von den folgenden figürlichen Bedeutungen, welche insgesammt in die gemeine und niedrige Sprechart gehören. 2. Figürlich. 1) Mit einem dicklichen flüssigen Körper unreinlich, sudelhaft umgehen; am häufigsten in dem zusammen gesetzten sich beschmieren, für besudeln. 2) Schlecht und sudelhaft schreiben und mahlen, eine Fortsetzung der vorigen Figur; im Hochd. auch schmadern, in Baiern glänen, im Nieders. kleyen, gnideln. Das ist nicht gemahlt, sondern geschmiert. Etwas in ein Buch schmieren. Allerley zusammen schmieren; wo es nicht bloß von schlechten, in der Eile gemachten Zügen, sondern von gemeinen, alltäglichen, auf eine nachlässige und flüchtige Art vorgetragenen Sachen gebraucht wird. 3) Den Wein schmieren, ihm mit schädlichen Dingen eine höhere Farbe, oder einen angenehmern Geschmack geben. Ein geschmierter Wein. 4) Jemanden die Hände schmieren, einen Richter, einen Advocaten schmieren, sie bestechen, Franz. grasser la patte; eine ohne Zweifel von dem Schmieren eines Wagens entlehnte Figur, zumahl da man den Satz, wer gut schmiert, der gut fährt, auch auf diesen Fall anzuwenden pflegt. Sich schmieren lassen, bestechen. 5) Jemanden den Buckel schmieren, ihn prügeln; wofür man auch nur schlechthin sagt, ihn schmieren oder abschmieren. 6) Im Nieders. ist schmieren auch schmeicheln, nach dem Munde reden. Gut schmieren können. Daher eine solche Person daselbst auch eine Schmiertasche heißt. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt es in einer dem Anscheine nach verwandten Bedeutung vor. Manig roeselehter munt In sin herze smieret und lachet, Graf Conrad von Kilchberg. Bluomen wis Dur grueniu ris Brehent (glänzen) und smierent, Werner von Tuifen. So auch das Schmieren.

Anm. Bey dem Notker, der es aber sehr uneigentlich für mästen gebraucht, smiran, in Schwaben schmirben, im Nieders. smeren, in Angels. smeran, smyran, im Engl. to smear, im Schwed. smörja, im Isländ. smyria, im Irländ. smearam, im Pohln. smarowac. Der Begriff des glatten, dicklich weichen ist der herrschende. S. auch Schmer.


Schmierer (W3) [Adelung]


Der Schmierer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher schmieret; doch nur in wenigen Fällen. So pflegen diejeni- gen Schäfer, welche reines Vieh haben, die andern Schäfer, welche mit Schmiervieh umgehen, nur Schmierer zu nennen. Am üblichsten ist es in der zweyten figürlichen Bedeutung des Zeitwortes im verächtlichen Verstande, von einer Person, welche eine schlechte, nachlässige Hand schreibt, ingleichen von einem Schriftsteller, welcher schlechte alltägliche Sachen ohne Wahl und Geschmack schreibt.


Schmiererey (W3) [Adelung]


Die Schmiererey, plur. die -en, eine schmierige, unreinliche Behandlungsart, ingleichen eine schmierige, besudelnde Arbeit. Auch in der zweyten figürlichen Bedeutung des Zeitwortes, ein schlechtes flüchtiges Geschreibe, und eine schlechte ohne Wahl und Geschmack zusammen getragene Schrift.


Schmierfaß (W3) [Adelung]


Das Schmierfaß, des -sses, plur. die -fässer, S. Schmierbüchse.


Schmierig (W3) [Adelung]


Schmierig, -er, -ste, adj. et adv. Schmer oder Schmiere, d. i. einen halb festen und halb flüssigen Körper, er sey nun fett oder nicht, enthaltend, demselben ähnlich, damit überzogen oder besudelt u. s. f. Ein schmieriger Körper. Ein Ding ist schmierig, wenn es mit einem dicklich schmierigen Körper überzogen oder beschmutzt ist. Sich schmierig machen. Eine schmierige Arbeit, wobey man sich schmierig macht. Da es denn auch für schmutzig, unrein, von einem dicklich flüssigen Schmutze gebraucht wird. Nieders. smerig, im Oberdeutschen schmirbig.


Schmiering (W3) [Adelung]


Der Schmiering, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme einer Art Sand oder Strandläufer mit gelben Füßen, der auch Gelbbein, Gelbfüßel genannt wird; Glareola III. Schwenkf. et Klein.


Schmierkäse (W3) [Adelung]


Der Schmierkäse, des -s, plur. car. geronnene Milch, welche im weichen Zustande aufbehalten wird, um sie auf das Brot zu schmieren; Quark, in Niedersachsen Käsebutter, S. Quark und Käse 2.


Schmierlein (W3) [Adelung]


Das Schmierlein, S. Schmerle.


Schmiermeste (W3) [Adelung]


Die Schmiermeste, plur. die -n, S. Schmierbüchse und Meste.


Schmierofen (W3) [Adelung]


Der Schmierofen, des -s, plur. die -öfen, bey den Pechlern oder Pechhauern, der viereckte lehmerne Ofen, worin das Harz geläutert und zu Pech bereitet wird; der Pechofen.


Schmiersalbe (W3) [Adelung]


Die Schmiersalbe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, Diminut. das Schmiersälbchen, bey den Wundärzten, eine weiche Salbe zum Schmieren, welche nur ein wenig dicker als Öhl ist.


Schmierschaf (W3) [Adelung]


Das Schmierschaf, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft, unreine Schafe, welche beständig mit der Krätze behaftet sind, und daher zur Heilung geschmieret werden müssen; unreine Schafe, und collective Schmiervieh, unreines Vieh, im Gegensatze der reinen Schafe oder des reinen Viehes.


Schmiervieh (W3) [Adelung]


Das Schmiervieh, des -es, plur. car. ein Collectivum, siehe das vorige.


Schmierwolle (W3) [Adelung]


Die Schmierwolle, plur. car. die Wolle von Schmierschafen, unreine Wolle, im Gegensatze der reinen.


Schmiete (W3) [Adelung]


Die Schmiete, plur. die -n, in der Seefahrt, eine Art Seile, welche an die untern Enden des Schönfahr und Focksegels angeheftet wird, und welche dienen, die Segel nach vorn auszuziehen. Sie werden auch Halsen oder Halßen genannt.


Schminkbeere (W3) [Adelung]


Die Schminkbeere, plur. die -n, eine Pflanze, deren Blätter dem Spinate, die Blumenköpfchen aber den Erdbeeren gleichen; Blitum capitatum L. Erdbeermeier, Erdbeerspinat.


Schminkbohne (W3) [Adelung]


Die Schminkbohne, plur. die -n, eine Art klettern der oder rankender Bohnen, welche in den Gärten gezogen werden, und ihre Frucht in langen fleischigen Schoten tragen; Phaseolus vulgaris L. große Garten-Faseolen, Türkische Bohnen, Steigbohnen, Veits-Bohnen. Die Feuerbohnen, Säbelbohnen u. s. f. sind Arten derselben. Die erste Hälfte beutet die schmiegende rankende Eigenschaft dieser Bohnen an.


Schminke (W3) [Adelung]


Die Schminke, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, ein dicklich flüssiger Körper zum Schminken, d. i. Streichen, oder Schmieren im edlen Verstande; ein nur in einigen Fällen übliches Wort. 1) In der Bienenzucht ist die Schminke oder Bienenschminke ein wohlriechender oder doch den Bienen angenehmer Körper, womit die Bienenstöcke inwendig bestrichen oder gerieben werden, damit die Bienen gern darin bleiben. 2) Am üblichsten ist es von einem Mittel, womit gewisse Theile des Leibes, besonders aber das Gesicht, bestrichen werden, um dasselbe dadurch zu verschönern, es bestehe nun dieses Mittel aus Wassern, Öhlen, Salben, Pomaden, oder auch aus Pulvern u. s. f. Die rothe Schminke, ein solches Mittel, dem Gesichte damit eine rothe Farbe zu geben, wie die weiße Schminke zur weißen Farbe. Figürlich ist Schminke, so wie Anstrich, zuweilen eine angenommene gute äußere Gestalt, mit welcher das Wesen des Dinges nicht überein stimmet. Schwed. Smink. S. das folgende.


Schminken (W3) [Adelung]


Schminken, verb. reg. act. mit Schminke, d. i. einem dicklichen flüssigen Körper, bestreichen. 1) Im weitesten Verstande, in welchem es noch in der Bienenzucht üblich ist, wo man die Bienenstöcke schminkt, ( S. das vorige.) 2) Am üblichsten ist es im engern Verstande, Theile des Körpers und besonders das Gesicht durch einen dicklichen flüssigen Körper, und in weiterer Bedeutung durch ein jedes aufgetragenes Mittel, eine schönere Farbe geben. Sich schminken. Die Hände, das Gesicht schminken. Geschminkte Frauenzimmer. Ingleichen geschminkte Worte, eine geschminkte Freundschaft, verstellte. So auch das Schminken.

Anm. Wachter, Frisch und Ihre leiten dieses Wort von dem Lat. Minium ab, als dem vielleicht ältesten und üblichsten Schminkmittel. Allein aus der ersten Bedeutung des Zeitwortes und dem Worte Schminkbohne ergibt sich, daß dieses Wort von schmiegen und schmieren nur im Endlaute verschieden ist, und so wie diese so wohl den Begriff der Schmeidigkeit, als auch der dicklich flüssigen oder schmierigen Beschaffenheit, obgleich im edlern Verstande, bey sich führet. Im Magdeburgischen ist, dem Frisch zu Folge, eine Schminke Butter, eine Schminke Speck, ein Stück oder Stückchen; vielleicht so viel, als man ein Stück Brot damit zu bestreichen nöthig hat. Unser Schmant, und das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, dicklich werden, scheinen gleichfalls dahin zu gehören. Ohne Zweifel hat die Schminke zur Verschönerung des Gesichts diesen Nahmen daher, weil man dazu anfänglich nur wohlriechende Öhle und Salben gebraucht hat, worauf der Nahme auch allen Wassern und Pulvern dieser Art geblieben.


Schminkfleckchen (W3) [Adelung]


Das Schminkfleckchen, des -s, plur. ut nom. sing. Fleckchen oder Läppchen, welche mit Cochenille gefärbt sind, und zum Schminken gebraucht werden, sich damit eine rothe Farbe zu machen; Schminkläppchen, Färbeläppchen.


Schminkpflästerchen (W3) [Adelung]


Das Schminkpflästerchen, des -s, plur. ut nom. sing. kleine schwarze Pflästerchen von verschiedener, besonders runder Gestalt, welche das andere Geschlecht in das Gesicht zu kleben pflegte, theils ein Bläschen oder so etwas zu verdecken, theils auch die Farbe des Gesichts desto mehr hervor stechen zu machen.


Schminkwasser (W3) [Adelung]


Das Schminkwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein durch die Kunst bereitetes Wasser zum Schminken, d. i. die Haut des Gesichts zu verschönern.


Schminkwurzel (W3) [Adelung]


Die Schminkwurzel, plur. inus. eine Art des Steinsamens, welche auf den Europäischen Äckern und Brachfeldern wild wächset, und deren frische Wurzel roth färbet, daher sie auch von dem weiblichen Geschlechte auf dem Lande statt der Schminke gebraucht wird; Lithospermum arvense.


Schmirgel (W3) [Adelung]


Der Schmirgel, S. Schmergel.


Schmirgeln (W3) [Adelung]


Schmirgeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, in einigen Gegenden, nach Schmer oder Fett, besonders nach verdorbenem Schmere riechen; im Oberd. schmirbeln, schmirkeln.


Schmiß (W3) [Adelung]


Der Schmiß, des -sses, plur. die -sse, von dem Zeitworte schmeißen, so fern es schlagen bedeutet, ein derber heftiger Schlag. Schmisse bekommen, Schläge, S. auch Schmitz.


Schmitte (W3) [Adelung]


Die Schmitte, plur. die -n, in einigen Gegenden, der aus Mehl und Fett bereitete Brey, womit die Weber den Aufzug steifen; die Schlichte. Daher daselbst auch schmitten für schlichten üblich ist. Nieders. Smittels, Smittelbrey. Es ist aus Einer Quelle mit 2 Schmitze. S. dasselbe.


Schmitz (W3) [Adelung]


1. Der Schmitz, des -es, plur. die -e, ein Schlag oder Streich mit einem schlanken, biegsamen Körper, z. B. mit einer Ruthe, welche im Schlagen einen diesem Worte ähnlichen Laut verursacht. Handschmitze, Hiebe mit der Ruthe auf der flachen Hand in den Schulen. Du sollst den ersten Schmitz von meiner Peitsche kriegen, Günth.


Schmitz (W3) [Adelung]


2. Der Schmitz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in einigen Gegenden, besonders im Bergbaue, eine schmierige fette Erdart. Besonders kennet man im Hohensteinischen den blauen Lettenschmitz, welcher ein wahrer blauer Thon ist. S. das folgende.


Schmitze (W3) [Adelung]


1. Die Schmitze, plur. die -n, ein Werkzeug zum Schmitzen, d. i. einen fein tönenden schlanken Schlag zu geben. So wird die dünne äußerste Schnur an den Peitschen, welche gemeiniglich aus Zwirn gedrehet wird, wegen des Lautes dieser Art, welchen sie im Hauen macht, die Schmitze genannt. Franz. Touche. Im Nieders. die Schmicke.


Schmitze (W3) [Adelung]


2. Die Schmitze, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, in einigen Gegenden. In Baiern ist die Schmitze eine jede Salbe. Bey den Lederfärbern ist die Schmitze diejenige zu bereitete wässerige Farbe, womit sie die Felle schmitzen, d. i. bestreichen, um sie zu färben. In manchen Gegenden ist die Schmitze auch ein Schmutzfleck; schon bey dem Kero Pismiz. Jemanden eine Schmitze anhängen. S. 2 Schmitzen und Schmutz.


Schmitzen (W3) [Adelung]


1. Schmitzen, verb. reg. act. welches das intensive Diminutivum von schmeißen, schlagen, ist, und mit einem dünnen biegsamen Körper schlagen oder hauen bedeutet, von dem ähnlichen damit verbundenen Schalle. Es kommt nur hin und wieder vor. Im Oberdeutschen sagt man auch hinschmitzen, für hinschmeißen, hinfallen. In dem zusammen gesetzten verschmitzt herrscht eben dieselbe Figur, welche in verschlagen Statt findet, nur daß schmitzen und schlagen hier nicht percutere bedeuten, sondern, wie ähnliche Wörter dieser Art, eigentlich den Begriff der Schlankheit und Schmeidigkeit haben, des Vermögens sich in allen Fällen zu drehen und zu winden, da denn schmitzen in diesem Falle zu dem folgenden gehören würde.


Schmitzen (W3) [Adelung]


2. Schmitzen, verb. reg. welches den Begriff der weichen schmeidigen, schmierigen Beschaffenheit gewähret, und noch in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum. Schmutz fahren lassen; nur in einigen Gegenden. Die Kohlen schmitzen, machen schwarz, färben ab. Eben daselbst gebraucht man es auch für abfärben, so fern es als eine Art des Schmutzes betrachtet wird. II. Als ein Activum. 1) Mit einem dicklich flüssigen Körper bestreichen, wo es in manchen Gegenden für salben, schmieren u. s. f. üblich ist. Schon bey dem Ulphilas ist bismaitan salben. Nieders. schmitten. In manchen Gegenden schmitzen die Leinweber den Aufzug mit einem Breye von Fett und Mehl, wenn sie ihn im Hochdeutschen schlichten. In weiterer Bedeutung wird es daher auch in manchen Fällen für färben gebraucht, besonders für schwarz färben. Die Felle schmitzen, färben. Eine Hirschhaut schmitzen. Daher werden die Lederfärber daselbst auch Fell oder Lederschmitzer genannt. 2) Mit einem solchen dicklich flüssigen Körper verunreinigen, und in weiterer Bedeutung verunreinigen, besudeln überhaupt. Sich die Hände schmitzen, besonders wenn es mit Ruß geschiehet. In allen Stücken Thut und die Welt mit Hönwordt schmitzen, Hans Sachs. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung fremd, indem man dafür schmutzen und beschmutzen gebraucht, ( S. das erstere.) Nieders. schmitten, Engl. to smut, Angelsächs. smitan, Isländ. smeta, Schwed. smitta. Es ist ein Intensivum von schmeißen, besudeln, und gehöret zu dem Geschlechte des Wortes schmeidig, und ohne Zischlaut zu Mast, Mist, Moder.


Schmolle (W3) [Adelung]


* Die Schmolle, plur. inus. ein nur im Oberdeutschen, besonders in Österreich übliches Wort, die Krume des Brotes zu bezeichnen. Dän. Madsmule, Schwed. Mjall. Der herrschende Begriff dieses Wortes ist das Weiche, daher es als ein Verwandter von Malm, molsch, dem Nieders. Mull, und dem Lat. mollis angesehen weiden muß, welchen nur der zum Stamme nicht wesentlich nothwendige Zischlaut mangelt. S. Krume.


Schmollen (W3) [Adelung]


Schmollen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, seinen Unwillen durch ein mürrisches Stillschweigen an den Tag legen, wo es in der vertraulichen Sprechart anstatt des niedrigern maulen gangbar ist. Mit jemanden schmollen. Das machte nur dein Schmollen, Nost. Gewiß, es war zu viel, zu gehn, und gar zu schmollen, Gell.

Anm. Es ist wohl vermittelst des Zischlautes aus maulen gebildet, ( S. dasselbe.) In einem gerade entgegen gesetzten Verstande ist schmollen in einigen Gegenden lächeln. Wer wolt das lieplich Angesicht, ir gefällig schmollen bezaichnen? Stoinhöv. bey dem Schilter. Aber dann ist es ein Intensivum oder Diminutivum von dem im Hochdeutschen unbekannten schmilen, lächeln; Schwed. smala, Engl. to smile.


Schmorbraten (W3) [Adelung]


Der Schmorbraten, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, ein großes Stück Fleisch, welches geschmoret, d. i. gedämpfet, in einem Topfe, oder tiefen Tiegel gebraten worden; gedämpftes Fleisch, im Nieders. auch Grapenbraten.


Schmoren (W3) [Adelung]


Schmoren, verb. reg. act. et neutr. im letztern Falle mit dem Hülfsworte haben, in einem verschlossenen Gefäße langsam kochen oder braten, besonders von dem Fleische, ingleichen auf eine solche Art bey einem gelinden Feuer langsam kochen oder braten lassen, welches man im gemeinen Leben auch prägeln, im Hochdeutschen dämpfen, im Niedersächs. stoven, und im Oberd. stauchen und schmauchen nennet. Geschmortes Rindfleisch. Eine geschmorte Kalbskeule. So auch das Schmoren.

Anm. Im Nieders. smoren, smoorten, smurten, welches aber auch die Luft benehmen, ersticken, bedeutet, wie das Angels. smoran, und Engl. to smother. Es scheint, wie prägeln, eine Onomatopöie des mit dieser Art des Kochens verbundenen Lautes zu seyn. Im Nieders. bedeutet schmoren auch in einem eingeschlossenen Orte langsam aber stark schwitzen; im Oberdeutschen hingegen ist schmoren, schmorchen und schmorren, dürre werden, und verschmoren, verdorren.


Schmortopf (W3) [Adelung]


Der Schmortopf, des -es, plur. die -töpfe, ein weiter niedriger Topf mit einem Dickel, Fleisch darin zu schmoren.


Schmoße (W3) [Adelung]


Die Schmoße, plur. die -n, ein nur in den gemeinen Sprecharten aus Schmasche für Masche verderbtes Wort, S. das erstere.


Schmu (W3) [Adelung]


Der Schmu, ein nur in den niedrigen Sprecharten übliches unabänderliches Wort, welches am häufigsten ohne Artikel gebraucht wird, einen Gewinn, Profit zu bezeichnen, besonders wenn er durch Schlauheit gemacht wird. Schmu machen, einen solchen Gewinn. Es scheint Jüdisch-Deutsch zu seyn, zumahl da man einen Deutschen im Lande herum ziehenden Schacher-Juden Smous, Schmaus, zu nennen pflegt.


Schmuck (W3) [Adelung]


Der Schmuck, des -es, plur. doch nur in Einem Falle, die -e, von dem Zeitworte schmücken. 1. Eigentlich, der Glanz, und in weiterer Bedeutung, die verschönerte Gestalt eines Dinges, ohne Plural; eine nur noch in der höhern und dichterischen Schreibart übliche Bedeutung. Schön, schön ist die ganze Gegend in des Herbstes feyerlichstem Schmucke, Geßn. 2. Dasjenige, was zur Verschönerung der Gestalt einer Sache von außen dienet. 1) Im weitesten Verstande, wo es eigentlich von allen solchen Dingen gebraucht wird, besonders so fern es Kleidungsstücke oder andere ähnliche Dinge sind, die Gestalt eines Dinges zu verschönern; gleichfalls ohne Plural. Der Altarschmuck, der Kirchenschmuck. In der Deutschen Bibel kommt es häufig collective von feyerlichen Kleidern und Kleidungsstücken beyder Geschlechter vor. Aarons priesterlicher Schmuck. Im Hochdeutschen ist es hier in der edlern und höhern Schreibart am gangbarsten, für das vertrauliche Putz, welches über dieß keinen so hohen Grad der Verschönerung bezeichnet, und für das niedrige Staat. Den Schmuck anlegen, Ezech. 24, 27. Der festliche Schmuck einer Braut. Graues Haar ist der Alten Schmuck, Sprichw. 20, 29. 2) In engerer Bedeutung werden Edelsteine und Perlen, so fern sie zur Verschönerung der äußern Gestalt dienen, noch häufig ein Schmuck genannt, da es denn als ein Collectivum gebraucht wird, mehrere zusammen gehörige Stücke dieser Art zu bezeichnen. Von mehrern solchen Ganzen wird denn auch wohl zuweilen der Plural, die Schmucke, gebraucht. Ein Schmuck von Perlen, von Diamanten. Ein guter oder echter Schmuck, im Gegensatze eines unechten. Der Brautschmuck, Haarschmuck, Halsschmuck. Ehedem sagte man dafür Geschmuck, die collective Bedeutung näher zu bezeichnen, welche Form noch im Oberdeutschen gangbar ist. Siehe Schmucken.


Schmuckangel (W3) [Adelung]


Die Schmuckangel, plur. die -n, in einigen Gegenden, eine Art Angeln mit einem glänzenden Bleche, die Fische durch dessen Glanz herbey zu locken. Von Schmuck, Glanz, S. das folgende in der Anmerkung.


Schmücken (W3) [Adelung]


Schmücken, verb. reg. act. die Gestalt eines Dinges verschönern, besonders so fern es durch glänzende oder andere für schön gehaltene Dinge geschiehet, da es denn in der edlern und höhern Schreibart für das mehr vertrauliche putzen üblich ist. Eine Braut schmücken. Sich prächtig schmücken. Sich zur Hochzeit schmücken. Eine Kirche, einen Altar schmücken. Schmücket das Fest mit Mayen, Ps. 118, 27. Eines Grab mit Blumen schmücken. Dir schmückt das fromme Mädchen sich Bey seinem Morgenliede, Raml. Wie würdig ist diese liebenswürdige Bescheidenheit, die übrige Tugend zu schmücken! So auch jemandes Sache schmücken, in der Deutschen Bibel, sie verschönern, sie besser vorstellen, als sie ist. Federn schmücken, ist in engerer Bedeutung, sie zierlich zurichten, damit sie Theile des Schmuckes abgeben können, wohin denn auch das Färben derselben gehöret; daher der Federschmücker, der solches verrichtet. So auch das Schmücken.

Anm. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter smechen, im Engl. to smug, im Schwed. smycka, Wachter leitet es sehr gezwungen von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Ihre von dem Angels. smicer, klein, ( S. Schmach und Schmächtig,) ab, anderer zu geschweigen. Unser Activum schmücken, setzet ein Neutrum schmucken voraus, welches jetzt veraltet ist, aber allein Ansehen nach glänzen bedeutet hat, wohin ohne Zischlaut auch das Lat. micare gehöret. In dem vorhin angeführten Schmuckangel ist diese erste Bedeutung noch übrig, und Schmuck wird noch am häufigsten von glänzenden Verschönerungsmitteln, dergleichen z. B. die Edelsteine sind, gebraucht. Hieraus erhellet zugleich, daß Schmuck und schmücken unter andern auch einen höhern Grad bedeute, als Putz, putzen, Zier und zieren. Im Niedersächsischen hat man noch das Bey- und Nebenwort smuck, Engl. smug, Schwed. smuok, Wend. smuc, zierlich, schön, geputzt, welches so wie unser schön eigentlich auch glänzend bedeutet hat. Das Brem. Nieders. Wörterbuch leitet es mit dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, abwischen, reinigen, her; vielleicht bedeuteten diese auch eigentlich, glänzend und scheinbar machen. Ohne Zischlaut gehöret hierher auch das Nieders. und Holländ. moja, hübsch, fein, artig, von welchem schmuck ein doppeltes Intensivum ist, so wohl durch Vorsetzung des Zischlautes, als auch durch Verstärkung des Gaumenlautes.


Schmuckgeld (W3) [Adelung]


Das Schmuckgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, in einigen Gegenden, dasjenige Geld, welches einer Tochter bey der Ausstattung zum Schmucke, als ein Theil des Heirathsgutes, gegeben wird.


Schmuckkästchen (W3) [Adelung]


Das Schmuckkästchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein zierliches Kästchen, worin das andere Geschlecht seinen Schmuck, d. i. Juwelen, Perlen und ähnliche zum Schmucke gehörige Kleinode, zu verwahren pfleget.


Schmudelig (W3) [Adelung]


* Schmudelig, -er, -ste, adj. et adv. in den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, unreinlich, schmutzig. Schmudelig aussehen. Ein schmudeliges Weib. Eben daselbst ist schmudeln unreinlich mit einer Sache umgehen, sudeln, Schmudeley Unreinlichkeit, Sudeley u. s. f. Es ist das Stammwort von unserm intensiven Schmutz, S. dasselbe.


Schmuggeln (W3) [Adelung]


* Schmuggeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches gleichfalls nur in Niederdeutschland gangbar ist, verbothene Waaren heimlich, und accisbare Waaren mit Hintergehung der Gefälle einbringen, einen Schleichhandel treiben. Daher Schmuggeley, ein solcher Schleichhandel, und Schmuggler, ein solcher Schleichhändler. Holländ. smokkelen, Engl. to smuggle, Smuggler. Es ist ein Iterativum oder Intensivum von dem Angels. smugan, schleichen, Schwed. smyga, wo auch Smuga ein Schlupfwinkel ist. S. Schmiegen.


Schmunzeln (W3) [Adelung]


Schmunzeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, lächeln, besonders so fern es ein Zeichen des Wohlgefallens ist; ein nur in der vertraulichen Sprechart übliches Wort, wo es so pöbelhaft nicht ist, wie Frisch will. Eben daselbst wird auch schmutzen, schmutzlachen, schmutzeln und schmustern in eben diesem Verstande gebraucht, so wie die Niederdeutschen in demselben smunstern, smunsterlachen, smuschern, schmutzern, Schwed. smystra, und ohne Zischlaut mysa, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Oberdeutschen aber schmollen und schmilen, beym Hornegk ensmilen, ( S. Schmeicheln,) sagen.


Schmußen (W3) [Adelung]


Schmußen, verb. reg. act. ein nur in den Pfeifen-Fabriken übliches Wort, welches daselbst glätten bedeutet. Die Pfeifen werden daselbst geschmußet, wenn sie geglättet werden. Daher der Schmußer, derjenige Arbeiter, welcher dieses Glätten verrichtet. Es scheint von schmücken, glänzend machen, nur im Endlaute verschieden zu seyn.


Schmustern (W3) [Adelung]


Schmustern, lächeln, S. Schmunzeln.


Schmutz (W3) [Adelung]


Der Schmutz, des -es, plur. inus. kleberige, feuchte Unreinlichkeit; wo es in der anständigern Sprechart für manche gleichbedeutende niedrigere gebraucht wird. Voller Schmutz seyn. Vom Schmutze reinigen.

Anm. Im Engl. Smut, im Schwed. Smuts. Es bedeutet eigentlich etwas Fettes, Schmieriges, wie denn im Holländischen noch jetzt Smuot für Schmalz üblich ist. Schmalz, Schmier, Schmer, Schmutz sind eigentlich nur in den Endlauten unterschieden. Das u ist im Hochdeutschen gemeiniglich gedehnt; andere Mundarten schärfen es.


Schmutzärmel (W3) [Adelung]


Der Schmutzärmel, des -s, plur. ut nom. sing. halbe Ärmel von geringem Zeuge, welche man bey schmutzigen Arbeiten über den halben Arm ziehet, denselben und die Kleidungsstücke vor dem Schmutze zu bewahren. Nieders. ohne Zischlaut Musmoue, von musseln, sudeln, und Moue, Ärmel.


Schmutzbuch (W3) [Adelung]


Das Schmutzbuch, des -es, plur. die -bücher, ein Handbuch, worein man die täglichen Vorfälle ohne Ordnung und Reinlichkeit aufzeichnet; Nieders. Kladde.


Schmutzeln (W3) [Adelung]


Schmutzeln, S. Schmunzeln.


Schmutzen (W3) [Adelung]


1. Schmutzen, lächeln, S. eben daselbst.


Schmutzen (W3) [Adelung]


2. Schmutzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, ein nur bey den Jägern übliches Wort, die Stimme eines Thieres nachahmen, um es damit zu locken, welches auch reitzen genannt wird. Es ist hier eine unmittelbare Onomatopöie und mit schmatzen verwandt. In einigen Schweizerischen Gegenden ist schmutzen schimpfen.


Schmutzen (W3) [Adelung]


3. Schmutzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, den Schmutz fahren lassen. Rußige Kessel schmutzen leicht, wofür doch abschmutzen üblicher ist. Ingleichen, den Schmutz annehmen, schmutzig werden. Die weiße Wäsche schmutzt leicht. Im gemeinen Leben auch zuweilen schmutzige Arbeit verrichten, oder schmutzig einher gehen. Den ganzen Tag im Hause herum schmutzen. In den Zusammensetzungen beschmutzen, einschmutzen u. s. f. hat es auch eine thätige Bedeutung. So auch das Schmutzen.

Anm. Im Schwed. smutsa, im Niederdeutschen ohne Intension smudden, und iterative oder intensive schmuddeln. S. Schmudeln, Schmitz, Schmitzen und Schmutz.


Schmutzig (W3) [Adelung]


Schmutzig, -er, -ste, adj. et adv. 1) Eigentlich, Schmutz enthaltend. Schmutzige Wäsche, schmutzige Kleider, schmutzige Hände. Sich schmutzig machen. Es ist schmutziges Wetter, wo man sich leicht schmutzig macht. 2) Schmutzige Farben welche durch Beymischung einer dunklen oder grauen ihren hellen und reinen Glanz verloren haben. 3) Der Ehrbarkeit zuwider; in der anständigen Sprechart, für das niedrige garstig und härteste unfläthig. Schmutzige Reden führen. Ein schmutziges Bild.


Schmutztitel (W3) [Adelung]


Der Schmutztitel, des -s, plur. ut nom. sing. im Buchhandel, ein Titel, welcher nur verlorner Weise vor einem Buche gedruckt wird, um den eigentlichen Titel vor der Beschmutzung zu verwahren.


Schnabel (W3) [Adelung]


Der Schnabel, des -s, plur. die Schnäbel, Diminut. das Schnäbelchen, Oberd. Schnäbelein. 1. Eigentlich, das verlängerte hornartige Maul der Vögel. Ein krummer, gerader, spitziger, stumpfer Schnabel. Der Vogel singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. 2. Figürlich. 1) Der menschliche Mund; doch nur im Scherze. 2) Wegen einiger Ähnlichkeit bekommen mehrere hervor ragende und spitzig zulaufende Theile eines Dinges den Nahmen eines Schnabels. Dahin gehöret der Schnabel an manchen Arten von Zangen, an den ehemahligen langen spitzigen Schuhen, an den ehemahligen Schiffen, an den Blasebälgen, an der Hinterachse eines Wagens, wo er aus zwey spitzig zulaufenden Hölzern bestehet, und auch die Schere heißt, an einer Schreibfeder, an manchen Arten von Flöten, u. s. f. Bey den Jägern ist der Schnabel eine hölzerne Gabel, welche man dem Hühnerhunde unter dem Halse anschnallet, damit er den Kopf hoch tragen lerne. Auch bey den Maurern wird das hervor ragende Ende einer Dachrinne oft der Schnabel genannt, und so in andern Fällen mehr.

Anm. Schon bey dem Ottfried Snabul, bey dem Notker Snabel, im Nieders. Snavel, Snibbe, Snippe, im Schwed. Snabel. Die meisten Wortforscher bleiben bey schnauben und schnappen stehen, welche unmittelbare Onomatopöien sind, und nur auf eine entfernte Art hierher gehören. Die letzte Sylbe ist die Ableitungssylbe, welche so wohl ein Werkzeug als ein Subject bedeutet. Ohne dieselbe ist im Nieders. Snau so wohl Schnabel als Schnautze, und ohne Zischlaut, im Nieders. Nibbe, Hamb. Nüff, so wohl der Schnabel als die Nase, Angels. Nebb, Engl. Nib, Holländ. Neb, Dän. Näb, Schwed. Näbb und Näf, welches so wohl den Schnabel als den Kopf bedeutet. Es scheinet, daß alle diese Wörter überhaupt ein jedes hervor ragendes Ding bedeutet haben, so daß auch unser Nabe und Nabel, das Schwed. Nabb, ein Vorgebirge, u. a. m. dahin gehören. Das Stammwort ist noch in dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, hervor sprossen, übrig, ( S. auch Knopf) Bey den Krainerischen Wenden heißen die Lippen Shnabli, und dem Plinius zu Folge hieß der Schnabel schon bey alten Galliern Nebbe.


Schnäbel (W3) [Adelung]


Der Schnäbel, ein Fisch, S. Schnäpel.


Schnabeleisen (W3) [Adelung]


Das Schnabeleisen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Zange mit einem langen Schnabel der Perrückenmacher, das Toppee damit zu brennen; die Schnabelzange, das Toppee-Eisen.


Schnabelflöte (W3) [Adelung]


Die Schnabelflöte, plur. die -n, eine Art Flöten mit einem langen Schnabel; Franz. Flute a bec.


Schnabeliren (W3) [Adelung]


Schnabeliren, S. Schnabeln.


Schnabelmantel (W3) [Adelung]


Der Schnabelmantel, des -s, plur. die -mäntel, ein Mantel mit einem Schnabel, dergleichen die Malteser-Ritter tragen.


Schnabelmöhre (W3) [Adelung]


Die Schnabelmöhre, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme des Nadelkerbels, Scandix Peeten L. der auch Hechelkamm genannt wird.


Schnabeln (W3) [Adelung]


Schnabeln, verb. reg. act. et neutr. welches nur im Scherze zuweilen für essen, besonders von dem Essen leckerer Speisen gebraucht wird, wofür man mit angehängter Lateinischer Endung im gemeinen Leben auch wohl schnabeliren sagt. S. Schnabelweide.


Schnäbeln (W3) [Adelung]


Schnäbeln, verb. reg. act. 1) Als ein Reciprocum, da es nur von den Vögeln üblich ist, welche sich schnäbeln, wenn sie sich mit den Schnäbeln gleichsam zu küssen scheinen. 2) Mit einem Schnabel versehen, wo das Mittelwort geschnäbelt zuweilen vorkommt; z. B. ein geschnäbeltes Schiff, welches nach Art der Alten einen Schnabel hat. So auch das Schnäbeln.


Schnabelring (W3) [Adelung]


Der Schnabelring, des -es, plur. die -e, an den Leiterwagen, ein Ring, welcher den Schnabel oder die Schere der Hinterachse an den Langwagen befestiget. Ingleichen derjenige Ring, welcher die Hölzer, die den Schnabel ausmachen, mit einander verbindet.


Schnabelweide (W3) [Adelung]


Die Schnabelweide, plur. inus. im Scherze, dasjenige, was dem Munde Vergnügen erwecket. Ihr Kuß ist mir die beste Schnabelweide, Weiße. Am häufigsten von Speisen und Getränken, besonders leckerer Art.


Schnabelzange (W3) [Adelung]


Die Schnabelzange, plur. die -n, eine Zange mit einem langen Schnabel, dergleichen z. B. die sind, womit man die großen Schmelzriegel aus dem Feuer ziehet. Auch die Schnabeleisen der Perrückenmacher sind unter diesem Nahmen bekannt.


Schnäbler (W3) [Adelung]


Der Schnäbler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Plotte oder Patschfüße, deren Schnabel einen ungewöhnlichen Bau hat; Plotus anomalo roster Klein. Besonders sein Plotus roliro conico inaequali. Eine andere Art, Plotus recurviroster, wie auch Säbelschnabel, im gemeinen Leben Schabbelschnabel genannt.


Schnad (W3) [Adelung]


Die Schnad, Schnair, S. Schnat.


Schnake (W3) [Adelung]


1. Die Schnake, plur. die -n. 1) In einigen Gegenden eine Art kleiner Schafe, besonders in dem zusammen gesetzten Heideschnake, wofür in Niederdeutschland Heideschmucke üblich ist. ( S. Heideschaf.) 2) Eine nur im Niederdeutschen übliche Benennung der Schlangen, besonders derjenigen, welche sind im Wasser, in den Sümpfen und alten Gräben aufhalten. Angels. Snaka, Engl. Snake, Holländ. Snog.

Anm. In beyden Fällen von dem im Hochdeutschen veralteten, aber in einigen gemeinen Sprecharten noch üblichen schnaken, kriechen, Angels. snican, Engl. to sneak, wo andere Mundarten statt des n ein m haben, S. Schmiegen und Schnecke.


Schnake (W3) [Adelung]


2. Die Schnake, plur. die -n, eine Art langbeiniger Mücken, deren Maul mit Borsten ähnlichen Stacheln versehen ist. Sie halten sich am häufigsten an wasserreichen Orten auf, und unterscheiden sich durch ihr heftiges Stechen und hell tönendes Summen, daher sie in vielen Gegenden auch Gälsen, Gölsen genannt werden; Culex L. Im Lothar. Chnoque, Engl. Gnat, im Wend. Komar. In Franken und einigen andern Gegenden werden die Afterfalter, Phryganea L. Schnaken genannt.

Anm. Da dieses Insect empfindlich sticht, so scheint es von dieser Eigenschaft den Nahmen zu haben. Im Schwed. ist snicka noch jetzt schnitzen, künstlich stechen, und Snickare ein Zimmermann. In Krain werden diejenigen Landleute, welche Teller, Löffel, Schüffeln schnitzen, Schnäckerer genannt.


Schnake (W3) [Adelung]


3. Die Schnake, plur. die -n, in der vertraulichen Sprechart der Ober- und Niedersachsen, ein scherzhafter, lustiger Einfall, eine luftige Erzählung, Scherzrede. Schnaken vorbringen. Schnaken erzählen. Eine wohlgemeinte Schnake, Günth. In weiterer Bedeutung auch wohl zuweilen ein jeder Spaß. Im Nieders. bedeutet es auch einen Menschen von lustigen Einfällen, einen schnakischen Menschen. S. das folgende.


Schnakisch (W3) [Adelung]


Schnakisch, -er, -te, adj. et adv. gleichfalls nur in der vertraulichen Sprechart, besonders der Ober- und Niedersachsen, was Lachen erreget, spaßhaft, lustig. Ein schnakisches Kind. Ein schnakischer Mensch. Schnakisch aussehen. Das ist doch schnakisch genug, Weiße.

Anm. Im Niedersächsischen, wo dieses Wort am gangbarsten ist, snaaksk. Frisch leitet es schnakisch genug von Schnake, Mücke, ab, weil diese wunderlich durch einander fliegen, Richey eben so seltsam von Schnake, Schlage, wobey ihm der mit Schlangen geschmückte Medusen-Kopf einfällt, weil dieser das älteste Urbild einer wunderlichen Figur seyn soll. Das Bremisch-Niedersächs. Wörterbuch und Stosch lassen es von dem Nieders. schnacken, (mit einem kurzen a, also nicht schnaken, wie Frisch schreibt,) abstammen, welches albernes, ungereimtes Zeug reden, bedeutet. Allein da schnakisch, weder wunderlich noch albern bedeutet, sondern lächerlich, so fallen alle diese Ableitungen weg. Da wie meisten gleichbedeutenden Wörter dieser Art, eigentlich lustige, lächerliche Bewegungen bedeuten, welches auch von dem gleichbedeutenden aber mehr Oberdeutschen Schwank gilt, so scheinet das Nieders. snigger, schlank, ingleichen munter, hurtig, lebhaft, das wahre Stammwort zu seyn, dessen Stamm wieder das Schwed. sno, eilen, schnell seyn, ist. Schnake bedeutet also eigentlich eben das, was Schwank andeutet; dessen Beywort schnakisch unterscheidet sich von dem gleichbedeutenden neckisch nur durch den Zischlaut. Wenn das Lat. Nugae ursprünglich den verächtlichen Begriff nicht gehabt hat, den es nachmahls bekommen, so gehöret es auch hierher; sonst müßte man es zu dem schon gedachten schnacken rechnen. In der niedrigsten Sprechart ist für schnakisch auch schnurrig üblich, S. dasselbe.


Schnalle (W3) [Adelung]


Die Schnalle, plur. die -n, Diminutivum das Schnällchen. 1) Überhaupt, ein schnallendes Werkzeug, ein schnallendes Ding, wo es doch nur noch hin und wieder in einzelnen Fällen üblich ist. So wird die Klinke an einer Thür, weil sie mit einem ähnlichen Laute niederfällt, in Oberdeutschland die Schnalle oder Thüre schnalle genannt. An den Pressen der Buchdrucker ist die Schnalle eine eiserne Zunge, womit man das niederfallende Rähmchen überklammert. Die Klatschrosen werden wegen des schnallenden Lautes, welchen Knaben mit denselben hervor bringen, in vielen Gegenden Schnallen genannt. Ein Schneller oder Stüber, d. i. ein Stoß oder Schlag mit gebogenem und schnell nachgelassenem Finger, heißt in manchen Gegenden, eine Schnalle, ein Schnall, so wie man ein Schnippchen in einigen Oberdeutschen Gegenden einen Schnall oder Schnalzer nennt. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Schnalle ein metallenes Werkzeug mit einem beweglichen Dorne, gewisse Theile, besonders an den Kleidungsstücken, damit zu befestigen; vermuthlich weil bey der ersten Erfindung der niederfallende Dorn einen ähnlichen Laut erweckte. Die Halsschnalle, Gürtelschnalle, Schuhschnalle u. s. f. Bey den Jägern wird das weibliche Geburtsglied einer Hündinn und eines jeden Raubthieres so wohl die Schnalle, als die Nuß genannt, und bey einigen alten Schriftstellern kommt Nuschin, Niischel, für Schnalle, fibula, vor.


Schnallen (W3) [Adelung]


Schnallen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, denjenigen eigenthümlichen Laut von sich geben oder hervor bringen, welchen dieses Zeitwort nachahmet, und welcher ein gelindes Knallen ist, da es denn von verschiedenen Handlungen gebraucht wird, welche mit diesem Laute verbunden sind. Mit der Peitsche schnallen, wofür im Hochdeutschen knallen üblicher ist. Man schnallet mir dem Munde, wenn man diesen Laut mit der an den Gaumen gedrückten Zunge hervor bringet, welches man auch klatschen und schnalzen nennet. Im Oberdeutschen schnallet man mit den Fingern, wenn man sie im Hochdeutschen krachen läßt. Das Intensivum davon ist schnalzen und das Activum schnellen, ( S. diese Wörter.) II. Als ein Activum, vermittelst einer Schnalle in der engern Bedeutung befestigen. Die Halsbinde fester, lockerer schnallen. Die Schuhe fest zusammen schnallen. Besonders in den Zusammensetzungen abschnallen, anschnallen u. s. f. So auch das Schnallen.

Anm. Im Schwed. smälla. Es ist mit knallen genau verwandt, nur daß der vorgesetzte Zischlaut, welcher sonst ein Zeichen der Intension ist, hier die Bedeutung vermindert.


Schnalzen (W3) [Adelung]


Schnalzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das Intensivum von dem vorigen in der neutralen Form ist, und in manchen Gegenden in eben denselben Fällen gebraucht wird. Die Peitsche wacker schnalzen lassen, knallen. Mit der Peitsche schnalzen. Mit der Zunge schnalzen, klatschen. Mit den Fingern schnalzen, sie krachen lassen. Jemanden ins Gesicht schnalzen, im Oberdeutschen, ihm ein Schnippchen vor das Gesicht schlagen. In eben dieser Mundart werden auch der Schnalz, der Schnalzer, die Schnalze, theils von einem solchen Laute, theils für Schnippchen und Stüber mit den Fingern gebraucht. Eine Nasenschnalze oder ein Nasenschnalzer ist daselbst ein Nasenstüber.


Schnapel (W3) [Adelung]


Der Schnapel, des -s, plur. ut nom. sing. der Nahme eines besonders in der Altmark einheimischen schmackhaften Flußfisches, welcher kleiner als die Zerte ist, und, nachdem er mit wenigem Rauche gedörret wurden, verführet wird. Er ist eine Art Lachse, Salmo Oxyrinchos L. und hat den Nahmen von seinem länglichen, einem Schnabel ähnlichen Maule oder vielmehr Nase, welche blaß wird, wenn der Fisch sterben will, daher er auch im Dän. Snibbel heißt. Andere nennen ihn Schnabel, Schnäbel, Schnabelfisch, Schnepel. In andern Gegenden heißt er Adelfisch, weißer Bläuling, Nase, Näsling. In noch andern Gegenden wird auch der Pfeilfisch, oder Hornfisch, Isox Bellone L. Schneffel oder Schnäpel genannt.


Schnapp,Schnapps (W3) [Adelung]


Schnapp, oder Schnapps, eine Interjection, welche eine Nachahmung desjenigen Schalles ist, welcher eine schnelle mit Schnellkraft verbundene Bewegung begleitet. Schnapp fuhr die Thür zu, schnapp kippte das Bret um, schnapp sprang das Schloß zu, schnapp hatte er es weg. Schnapps ist das Intensivum davon. Im Schwedischen ist daher snabb schnell, hurtig. Man gebraucht es auch im gemeinen Leben als ein Hauptwort, die Handlung des Schnappens mit dem Munde zu bezeichnen, besonders von den Hunden. Einen Schnapp nach etwas thun. Auf Einen Schnapp. Engl. Snap.


Schnappe (W3) [Adelung]


Die Schnappe, plur. die -n, bey den Jägern, ein jedes Tuch, welches man auf oder niederlassen kann; das Schnapptuch, Falltuch. Von schnappen, schnell niederfallen.


Schnappen (W3) [Adelung]


Schnappen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches eigentlich eine Nachahmung desjenigen eigenthümlichen Schalles ist, den es bezeichnet. Der Auerhahn schnappt in der Balze, wenn er mit dem Schnabel diesen Schall hervor bringt, ehe er anfängt zu schleifen. Besonders begleitet dieser Schall gewisse mit Schnellkraft verbundene Veränderungen, daher es auch von denselben gebraucht wird. Ein Schloß schnappt, wenn die Feder den Riegel mit Schnellkraft fortstößt. Daher ein Schloß abschnappen, es abdrücken. Ein Bret schnappt in die Höhe, wenn es schnell in die Höhe fähret. Im Oberdeutschen sagt man auch mit den Fingern schnappen, für krachen mit der Kanne schnappen, für klappern. In engerer Bedeutung druckt es die schnelle mit diesem Schalle verbundene Öffnung und Schließung des Mundes aus, etwas mir Geschwindigkeit zu erhaschen. Der Hund schnappt nach den Fliegen, der Fisch nach der Luft. Daher figürlich, nach etwas schnappen, es begierig und mit Geschwindigkeit in seine Gewalt zu bekommen suchen. Was hilft es auch nach Weisheit schnappen, Die oft dem Wirbel wehe thut? Haged. So auch das Schnappen.

Anm. Im Nieders. snappen, wo es auch schnell reden, eilfertig plaudern bedeutet, im Schwed. snappa, im Engl. to snap und ohne Zischlaut auch to nab. Bey dem Hornegk kommen schnaben und schnappen auch für straucheln, fallen, vor. Im Nieders. ist für schnappen in der engern Bedeutung auch happen, happsen, Franz. haper, Ital. chiappare, übliche Schnappen ahmet den Laut genau nach; einen feinern Laut dieser Art druckt man durch schnippen aus, so wie die Niederdeutschen für einen gröbern die Wörter Schnupp und schnuppen haben.


Schnappenwurz (W3) [Adelung]


Die Schnappenwurz, S. Schuppenwurz.


Schnäpper (W3) [Adelung]


Der Schnäpper, des -s, plur. ut nom. sing. ein schnappendes Ding, wo es von verschiedenen Werkzeugen üblich ist. Eine kleine Armbrust heißt wegen des schnappenden Lautes der Sehne ein Schnäpper oder Schnepper. Der Schnäpper der Wundärzte ist ein Werkzeug zum Aderlassen, weil die Lanzette eine Feder mit Schnellkraft gedruckt wird; der Fliegenschnäpper ist ein Nahme einer Art Grasmücken, welche nach den Fliegen schnappt.


Schnapphahn (W3) [Adelung]


Der Schnapphahn, des -es, plur. die -hähne, ein Parteygänger im Kriege, welcher widerrechtlich auf Beute ausgehet, ingleichen eine gelinde Benennung eines Straßenräubers; weil beyde darauf ausgehen, fremdes Gut zu erschnappen. Im Niedersächsischen bekommen diesen Nahmen auch wohl die Gerichtsdiener und Bettelvögte, vermuthlich wohl nur im verächtlichen Verstande. Im Oberdeutschen ist Schnappführer der Anführer einer Räuberbande.

Anm. Weil Snaphaan im Holländischen, und Snapphane im Schwedischen eigentlich eine Flinte bedeuten, wegen des schnappenden Hahnes, so glaubt man gemeiniglich, daß es in der heutigen Deutschen Bedeutung eine Figur von dieser sey. Freylich ist sie ein wenig hart; daher es dahin stehet, ob Hahn hier nicht aus Hans in der allgemeinen Bedeutung eines jeden verächtlichen Menschen, verderbt worden, zumahl da ein solcher Schnapphahn im Engl. wirklich Snaphance heißt. Das Franz. Chenapan ist aus dem Deutschen geformet.


Schnäppisch,Schnippisch (W3) [Adelung]


Schnäppisch, oder Schnippisch, -er, -te, adj. et adv. im gemeinen Leben, besonders der Niedersachsen, schnell und keck im Reden, naseweis im Reden. Schnäppisch seyn. Eine schnäppische Antwort. Nieders. snappsk, snippsk, wo auch Snippke und Snappsnute eine solche im Reden vorschnelle und naseweise Person bedeuten. Im Österreichischen bedeutet geschnäppig bloß plauderhaft, vom Nieders. snappen, plaudern.


Schnapps (W3) [Adelung]


Schnapps, eine Interjection, welche ein Intensivum von schnapp ist, ( S. dasselbe.) Schnipps druckt einen feinern, und das Nieders. schnupps einen gröbern Laut dieser Art aus. Daher schnappsen, diesen Laut geben, verursachen.


Schnapps (W3) [Adelung]


Der Schnapps, des -es, plur. inus. eine nur im gemeinen Leben übliche scherzhafte Benennung eines Schluckes Branntwein, weil er schnapps oder in einem Schnappe ausgetrunken wird. Einen Schnapps machen oder nehmen, einen Schluck Branntwein trinken. Daher er denn auch oft Branntwein überhaupt bedeutet. Ein Glas Schnapps.


Schnappsack (W3) [Adelung]


Der Schnappsack, des -es, plur. die -säcke, ein Sack oder Beutel, trockne Speisen darin auf Reisen bey sich zu führen. Im Nieders. gleichfalls Snappsack, im Schwed. Snappsäk, im Engl. Snapsack, im Franz. Canapsa. Bey dem Worte Knappsack, wie es auch in vielen Gegenden lautet, ist schon bemerket worden, daß Schnappsack vermittelst des Zischlautes davon gebildet worden, ob es gleich auch unmittelbar von Schnapp, ein Mund voll, Engl. Snap, gemacht seyn kann. Die Engländer sagen gleichfalls Knapsack, so wie die Schweden auch Kappsäk und Baksäk, welches letztere von Bak, der Rücken, abgeleitet wird, weil gemeine Leute einen solchen Sack auf der Reise gemeiniglich auf dem Rücken hangen haben.


Schnappsen (W3) [Adelung]


Schnappsen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, im gemeinen Leben, einen Schluck Branntwein zu sich nehmen, ein Glas Branntwein trinken. S. Schnapps.


Schnapptuch (W3) [Adelung]


Das Schnapptuch, des -es, plur. die -tücher. S. Schnappe.


Schnappweife (W3) [Adelung]


Die Schnappweife, plur. die -n, eine Art Weifen, welche die Zahl der geweiften Fäden durch das Schnappen eines dünnen elastischen Bretchens anzeiget; die Zählweife.


Schnarchen (W3) [Adelung]


Schnarchen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, eine unmittelbare Nachahmung des Lautes ist, und in doppelter Bedeutung gebraucht wird. 1) Von dem durch die Nase hervor gebrachten Laute, welcher oft einen festen Schlaf begleitet. Im Schlafen schnarchen. Nieders. snoren, snorken, snurken, Engl. to snore und to snort, Schwed. snarka. Im Angels. hingegen ist snora niesen. 2) Ungestüm verweisen, mit Pochen und Drohen reden. Im Hause herum schnarchen. Mit dem Schnarchen ist es nicht ausgerichtet. ( S. auch Anschnarchen.) Im Schwed. gleichfalls snorka, im Isländ. snarka. Im Nieders. ist snarren murren, brummen. Als ein Diminut. davon kann das im gemeinen Leben mancher Gegenden übliche nörgeln angesehen werden, dem unter andern auch der intensive Zischlaut mangelt. Im Finnischen ist Naerkae der Zorn. So auch das Schnarchen.


Schnarcher (W3) [Adelung]


Der Schnarcher, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person welche schnarcht, besonders in der zweyten Bedeutung. Den Schnarcher fürcht' ich nicht, Haged. Ein Schnarcher voller Schulgeschwätze Hält sich für einen Kirchenheld, ebend.


Schnarränte (W3) [Adelung]


Die Schnarränte, plur. die -n, eine Art wilder Änten, welche eine schnarrende Stimme hat; Anas strepera Klein. et L. Knarränte, Schnatteränte, Mittelänte.


Schnarreisen (W3) [Adelung]


Das Schnarreisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Goldschmieden, ein dünner, langer, vorn winkelig gebogener Amboß, welcher am andern Ende eine breite Bahn hat, worauf man mit dem Hammer schlägt, damit das andere Ende in eine zitternde Bewegung gerathe, Figuren dadurch auszuhöhlen und tiefe Stellen damit auszuarbeiten; von dem schnarrenden Laute, welcher mit dieser Behandlung verbunden ist.


Schnarren (W3) [Adelung]


Schnarren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und denjenigen zitternden Laut nachahmet, welchen es bezeichnet, diesen Laut von sich geben, hervor bringen. Der Schwarzspecht schnarret, wenn er mit dem Schnabel so hart an die dürren Bäume schlägt, daß dadurch ein schnarrender zitternder Laut entstehet. Auf eine andere Art, nähmlich bloß mit ihrer Stimme, scharren der Mistler, die Schnarränte u. s. f. Eine Garnwinde schnarret. Im Reden schnarren, das r nicht mit der Zunge, sondern mit der Kehle aussprechen, wodurch gleichfalls ein rauher zitternder Laut entstehet. Im Oberdeutschen nennet man dieses schnorren, schnorcheln, in Österreich ratschen, in Schwed. skorra. Ein Blase-Instrument schnarret, wenn es einen rauhen zitternden Ton von sich gibt. So auch das Schnarren.

Anm. Im Nieders. snarren, im Schwed. skorra. Da der schnarrende Laut in vielen Fällen ein Begleiter einer schnellen Bewegung ist, so ist snar im Nieders. und snar im Schwed. schnell, hurtig. Auf eben dieselbe Art ist schnell von schnallen und schnellen, hurtig von dem noch nicht ganz veralteten hurren, das Schwed. snabb, schnell, von schnappen u. s. f. gebildet. Einen gröbern Laut dieser Art druckt man durch schnurren, einen feinern aber in Niedersachsen durch snirren aus, so wie man gemeinen Leben von schnarren auch das Intensivum schnarzen hat.


Schnarrwachtel (W3) [Adelung]


Die Schnarrwachtel, plur. die -n, S. Schnarre.


Schnarrwerk (W3) [Adelung]


Das Schnarrwerk, des -es, plur. die -e, in den Orgeln, ein Pfeifenwerk, dessen Pfeifen mit einem messingenen Bleche versehen sind, welches an die Röhre anschlägt, worauf es liegt, und einen schnarrenden Ton hervor bringt.


Schnat,Schnate (W3) [Adelung]


* Die Schnat, oder Schnate, plur. die -n, ein provinzielles, nur in einigen Gegenden übliches Wort. 1) In Schlesien bedeutet er ein Reis. Aus Schnaten werden Bäume, Günther. Dein Stammbaum schlage täglich aus, Bis einst die Nachwelt Schnaten bricht Und um der Enkel Kronen flicht, ebend. Die Nymphen sammleten die theuren Ambra-Tropfen, Sie brachen hier und dar die besten Schnaten ab, ebend. 2) Die Gränze; eine in Ober- und Niederdeutschland sehr gangbare Bedeutung, wo es im Oberdeutschen auch Schnait, Schneid, und im Niedersächs. Snaat und Snede lautet. Die Schnait oder Schnat begehen, die Gränze. Die Heimschnat ist daher in Westphalen die Gränze einer Dorfflur, die Flurgränze.

Anm. Es kann seyn, daß in der letzten Bedeutung vornehmlich auf die zur Bezeichnung der Gränze in die Gränzbäume, Pfähle oder Steine geschnittenen Zeichen gesehen wird. Das in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Schnatte, eine Narbe, Schmarre, stammet gleichfalls von schneiden ab. Allein in der ersten scheinet es den Begriff der Länge und schlanken Beschaffenheit zu haben. Im Schwed. ist Sno ein dünnes Seil, eine Schnur. S. 1 Schneide.


Schnatteränte (W3) [Adelung]


Die Schnatteränte, plur. die -n, S. Schnarränte.


Schnattern (W3) [Adelung]


Schnattern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches gleichfalls den Laut nachahmet, welchen es bezeichnet, diesen Laut von sich geben und hervor bringen. Die Gänse und Änten schnattern. Ingleichen, schnell reden, plaudern, besonders wenn unerhebliche Dinge schnell und eilfertig durch die Rede vorgetragen werden, im Nieders. auch tatern, Lat. blatterare, welches zu unserm plaudern gehöret. Im Oberdeutschen sagt man auch der Storch schnattere, wenn er klappert, und im Nieders. nennet man das Klappern der Zähne snatern und snätern. Daher das Schnattern.

Anm. Im gemeinen Leben auch einem gedehnten a schnatern, im Nieders. snatern. Im Schwed. ist snoter im guten Verstande für beredt üblich, und bey dem Ulphilas ist snutrs weise.


Schnauben (W3) [Adelung]


Schnauben, verb. reg. act. noch häufiger aber neutr. mit dem Hülfsworte haben. Es ist eine Onomatopöie und ahmet das heftige Ausstoßen und Einziehen des Athems durch die Nase genau nach, dessen noch stärkerer Grad durch schnaufen ausgedruckt wird. 1) Den Athem mit Heftigkeit durch die Nase einziehen und ausstoßen. Ihre Rosse schnauben zu Dan, Jer. 8, 16. Wie schnaubte die grimmige Nase Flammen umher! Zachar. Im Niedersächsischen bedeutet es noch theils schnäutzen, die Nase schnauben, theils schnupfen, oder Schnupftobak nehmen, welche beyde Bedeutung, besonders aber die letzte, im Hochdeutschen ungewöhnlich sind. 2) In weiterm Verstande bedeutet es in der Deutschen Bibel nach einer Morgenländischen Figur stark Athem hohlen, und athemen überhaupt. Da schnaubete der Knabe sieben Mahl, 2 Kön. 4, 35. So lange das Schnauben von Gott in meiner Nase ist, Hiob 27, 3. Das Schnauben in unserer Nase ist ein Rauch, Weish. 2, 2. Im Hochdeutschen ist es hier ungewöhnlich. 3) Figürlich, wo es ein Ausdruck gewisser heftiger Gemüthsbewegungen ist, welche oft mit einem Schnauben verbunden sind. Geht hin, die ihr nach Golde schnaubet, Uz; die ihr eine heftige ungesittete Begierde nach Gold habet. Saul schnaubete mit Dräuen und Morden, Apost. 9, 1. Wenn wir in spätern Sprechen den Zorn schon als Phänomen des Gesichts oder als Abstractum in den Wurzeln charakterisiren - und ihn also nur sehen und denken: so hört ihn der Morgenländer, hört ihn schnauben, höret ihn brennenden Rauch und stürmende Funken sprühen. Das ward Nahme des Worts, die Nase Sitz des Zorns; das ganze Geschlecht der Zornwörter und Zornmetaphern schnauben ihren Ursprung, Herd. Die Engl. to snib und to snub, die Schwed. snäfa und snubba, das Isländ. snubba, werden gleichfalls von ungestümen Ausbrüchen des Zornes gebraucht. So auch das Schnauben.

Anm. Im Nieders. snuven, im Holländ. snuyven, im Engl. to snuff, to sniff, im Schwed. snufva. Im Nieders. ist daher Snuff und Snuffe, und ohne Zischlaut Nibbe und Nüff, so wohl die Nase als die Schnautze. Es ist eine Nachahmung des Lautes, wohin ohne den intensiven Zischlaut auch das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, blasen, gehöret. Im Oberdeutschen hat man für schnauben auch das Zeitwort schnieben, welches irregulär gehet, ich schnieb, oder noch häufiger schnob, Mittelw. geschnoben. Die Hochdeutschen verwechseln dieses zuweilen mit dem regulären schnauben, und machen dieses im Imperf. und Partic. nicht schnob, geschnoben; welches aber minder richtig ist. Schnauben, schnaufen und dessen verkleinernde Iterativa schnaufeln und schnüffeln, schnaupen, schnupfen und schnäutzen sind alle Wörter Eines Stammes, nur daß sie verschiedene Abänderungen einer und eben derselben Sache bezeichnen.


Schnaue (W3) [Adelung]


Die Schnaue, plur. die -n, in der Seefahrt der Niederdeutschen und Nordländer, eine Art kleiner Seeschiffe, welche eigentlich lange Barken sind, und Segel wie die Schnacken haben, nur daß selbige größer sind. Nieders. Snau, Holl. Snaauw. Das Nieders. Snau bedeutet eigentlich die Schnautze. Man sagt daselbst, daß Schiffe auf die Schnau gebauet sind, wenn sie vorn spitzig zulaufen; daher scheinet es, daß diese Art Schiffe ihren Nahmen von ihrer langen spitzigen Gestalt habe.


Schnaufen (W3) [Adelung]


Schnaufen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches einen etwas stärkern Grad des Schnaubens bezeichnet, wo die Intension durch den starken Blaselaut f bezeichnet wird. Man schnauft, wenn man nach einer sehr starken Bewegung mit Heftigkeit Athem hohlet, besonders wenn es durch die Nase geschiehet; in Baiern pfnausen. ( S. auch Verschnaufen.) Im Oberdeutschen schnauft man auch die Nase, wenn man sie im Hochdeutschen schnäutzet. Eben daselbst gebraucht man es in den zusammen gesetzten beschnaufen und anschnaufen, für, mit starker Einziehung der Luft in die Nase beriechen, wofür man im Hochdeutschen das iterative beschnaufeln, Nieders. beschnüffeln, in manchen Gegenden auch beschnoppern und beschnuppern hat. Das Nieders. snüffeln bedeutet auch, so wie das Schwed. snösla und Engl. to snivel, durch die Nase reden, wofür man im Hochdeutschen nieseln, in manchen gemeinen Sprecharten aber auch nüffeln sagt. So auch das Schnaufen. S. Schnauben, Anm.


Schnaupe (W3) [Adelung]


Die Schnaupe, plur. die -n, Diminut. das Schnäupchen, Oberd. Schnäuplein, ein nicht überall gangbares Wort. 1) In einigen Provinzen wird es für Schnautze gebraucht, von welchem es nur im Endlaute unterschieden ist, von dem Nieders. Schnau, die Schnautze, abstammet, und gewisser Maßen ein vergrößerndes Wort von Schnabel ist. Im Hochdeutschen ist es in dieser eigentlichen Bedeutung unbekannt, wohl aber gebraucht man es zuweilen im figürlichen Verstande von ähnlichen hervor ragenden Theilen mancher Körper. Z. B. die Schnaupe an einer Kanne, an einer Lampe, an einem Helme, wofür man auch wohl Schnautze und Schnabel sagt. Im Oberdeutschen wird auch die Schneppe, ein weibliches Kleidungsstück, die Schnaupe genannt. Bey den Uhrmachern sind die Schnaupen eine Art Feilen, deren nähere Beschaffenheit mir aber unbekannt ist. 2) Der ausgebrannte Docht eines Lichtes, der im Hochdeutschen die Schnuppe heißt, ist in manchen Gegenden auch unter dem Nahmen der Schnaupe bekannt, S. das erstere.

Anm. In einigen Gegenden hat man auch das Zeitwort schnaupen, welches ein Intensivum von schnauben ist, und nicht nur für schnäutzen, sondern auch figürlich für beschnaufeln gebraucht wird.


Schnautze (W3) [Adelung]


Die Schnautze, plur. die -n, Diminut. das Schnäutzchen, Oberd. Schnäutzlein, ein langes Hervor ragendes fleischiges und mit Nase verbundenes Maul, dergleichen manche Thiere haben, z. B. die Hunde, Wölfe, Füchse u. s. f. ingleichen manche Fische, wie die Karpfen. Ein solches hervor ragendes hornartiges Maul, wie es die Vögel haben, heißt ein Schnabel. Im verächtlichen Verstande wird es auch zuweilen von dem Munde und der Nase eines Menschen gebraucht. Die Schnautze hoch tragen. Figürlich ist die Schnautze oft ein auf ähnliche Art hervor ragender Theil an einem Dinge. Die Schnautze an einer Kanne, an einer Lampe. Seine Lampe mit seinen Schneutzen, (Schnautzen,) 4 Mos. 4, 9.

Anm. Im Nieders. Snut, im Engl. Snout, im Schwed. Snyte. Es ist von schnauben, gebildet und deutet das Werkzeug des Schnaubens an, welches Mund und Nase sind, besonders aber die letztere. Im Niedersächsischen heißt daher die Schnautze auch nur Schnau, und mit andern Endlauten Snuff und Snurre. S. auch Schnaupe und Schnabel.


Schnautzen (W3) [Adelung]


Schnautzen, verb. reg. neutr. welches nur in dem niedrigen anschnautzen, Nieders. afsnuten, ungestüm anfahren, gebraucht wird, ( S. dasselbe.) Schnarchen und schnauben kommen in ähnlichen Figuren vor. Das jetzt veraltete einfachere snuden, vor welchem schnautzen das Intensivum ist, kommt noch bey dem Notker vor, wo nase snuden verhöhnen, wohl zunächst die Nase rümpfen, und Snudu Verhöhnung ist. S. Schnöde.


Schnäutzen (W3) [Adelung]


Schnäutzen, verb. reg. act. die Nase mit schneller und heftiger Ausstoßung der Luft reinigen. 1. Eigentlich, wo es allem Ansehen nach eine unmittelbare Onomatopöie ist, ohne erst von Schnautze abzustammen. Die Nase schnäutzen. Sich schnäutzen. Ein Kind schnäutzen. ( S. Schnauben.) 2. Figürlich. 1) Das Licht schnäutzen, den ausgebrannten Docht mit der Lichtschere abschneiden und wegnehmen, eine nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche R. A. wofür man im Hochdeutschen das Zeitwort putzen gebraucht; Nieders. snitjen. Man könnte es hier als ein Intensivum von schneiden ansehen, zumahl da das Nieders. snitjen in dieser Bedeutung von snütten in der vorigen hinlänglich verschieden ist. Allein die Griechen und Lateiner gebrauchten - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und emungere auf eben die Art, und im Griech. bedeutet - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - so wohl Rotz als den Docht. 2) Jemanden schnäutzen, ihn auf eine listige Art bevortheilen, um sein Geld bringen, welches man auch schnellen, prellen u. s. f. nennet. Jemanden um zehen Thaler schnäutzen. Nach eben der Figur sagten die Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und die Lateiner emungere senem argento. So auch das Schnäutzen.

Anm. Im Schwed. in allen drey Bedeutungen snyta, im Engl. to snito, wo auch Snot der Rotz ist.


Schnautzenband,Schnautzband (W3) [Adelung]


Das Schnautzenband, oder Schnautzband, des -es, plur. die -bänder, bey den Böttchern, ein mit einer Schnautze versehenes Band, d. i. ein an beyden Enden zugespitztes und mit Kerben versehenes Band, um die Enden in einander zu fügen.


Schnecke (W3) [Adelung]


Die Schnecke, plur. die -n, Diminut. das Schneckchen, Oberd. Schnecklein, ein Nahme, welcher einer doppelten Art Würmer beygelegt wird. 1. Einem nackten Wurme mit Gliedmaßen und vier Fühlspitzen über dem Maule, welcher von schwarzer, braunrother oder braungelber Farbe ist, und sich nach einem Regen in den Gärten und auf den Wegen sehen läßt, wo er sich vornehmlich durch seinen trägen schleichenden Gang auszeichnet; Limax L. Wegeschnecke. 2. Ein gewundenes einschaliges Schalthier mit sichtbaren Windungen. 1) Eigentlich; Cochlea L. Da es wieder Gartenschnecken, Erdschnecken, Flußschnecken, Meerschnecken u. s. f. gibt. 2) Figürlich bekommen verschiedene Dinge welche mit ähnlichen Windungen, wie das Haus einer Schnecke, versehen sind, diesen Nahmen. So ist die Schnecke in der Baukunst ein Zierath, welcher aus lauter Viertelkreisen zusammen gesetzt ist, und auch ein Snörkel genannt wird, ( S. dieses Wort.) Eine Schnecken- oder Wendeltreppe heißt oft die Schnecke schlechthin, in welchem Verstande es schon im Theuerdanke vorkommt. Die Schnecke war fünf Ellen weit, Ezech. 41, 11. Die Archimedische Wasserschraube, deren Röhre in einem Schraubengange um eine Achse geführet ist, wird eine Schnecke genannt, welchen Nahmen auch ein großer Hohlbohrer bekommt, die Pumpenröhren damit auszubohren. In der Anatomie wird so wohl die äußere Höhle des Ohres, als auch die innere hinter der Trommelhöhle, die Schnecke genannt, beyde wegen ihrer gewundenen Gänge. Im Latein. heißt die erste Concha, und die andere Cochlea.

Anm. Im Nieders. Snigge, im Angels. Snaegl, im Engl. Snail, im Schwed. Snäcka. Es ist wohl kein Zweifel, daß es mit dem im Hochdeutschen veralteten schnecken, kriechen, schleichen, Angels. snican, Engl. to sneak, abstammet, weil beyde unter diesem Nahmen bekannte sonst so verschiedene Thiere einen überaus trägen Gang haben. Im Holländ. heißt daher eine Schnecke Slecke, von sliken, schleichen. ( S. auch 1 Schnake, Schlange.) Im Oberdeutschen ist dieses Wort männlichen Geschlechts, der Schneck, des -en, plur. die -en.


Schneckenauge (W3) [Adelung]


Das Schneckenauge, des -s, plur. die -n, der Mittelpunct einer jeden Schneckenlinie oder eines Schnörkels, von welchem eine solche Linie ausgehet.


Schneckenberg (W3) [Adelung]


Der Schneckenberg, des -es, plur. die -e. 1) Ein kleine Berg oder Hügel in einem Garten, die eßbaren Schnecken daselbst aufzubehalten und zu mästen. Geschiehet es in einer eigenen Grube, so wird sie eine Schneckengrube genannt. 2) Ein Lustberg in den Gärten, um dessen Fläche sich ein Weg, wie eine Schraube herum windet.


Schneckenbohne (W3) [Adelung]


Die Schneckenbohne, plur. die -n, eine Art steigender Bohnen mit einem gewundenen Stamme, und einer schneckenförmig zusammen gerollten Fahne und Schiffchen; Phaseolus caracalla L. Sie ist in Ostindien einheimisch.


Schneckenbohrer (W3) [Adelung]


Der Schneckenbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Bohrer, dessen Bohrspitze, wie eine Schnecke gewunden ist, dergleichen man von allen Größen hat.


Schneckengang (W3) [Adelung]


Der Schneckengang, des -es, plur. die -gänge, ein Gang in einem Garten, welcher in einer Schneckenlinie zu einem Mittelpuncte oder offnen Platze führet.


Schneckengewölbe (W3) [Adelung]


Das Schneckengewölbe, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gewölbe, welches sich in einer Schraubenlinie um einen Pfeiler in die Höhe windet, dergleichen die Gewölbe an den Wendeltreppen sind.


Schneckengrube (W3) [Adelung]


Die Schneckengrube, plur. die -n, S. Schneckenberg.


Schneckenhaus (W3) [Adelung]


Das Schneckenhaus, des -es, plur. die -häuser, Diminut. das Schneckenhäuschen, Oberd. Schneckenhäuslein, das Haus, d. i. die Gewundene Schale, einer Schnecke, weil sie ihr zur Wohnung dienet.


Schneckenhorn (W3) [Adelung]


Das Schneckenhorn, des -es, plur. die -hörner, eine große nach einer Schraubenlinie zugespitzte Schnecke in Gestalt eines Fruchthornes, dergleichen man den Tritonen an den Mund zu geben pflegt. Auch das Füllhorn hat oft die Gestalt eines solchen Schneckenhornes.


Schneckenkegel (W3) [Adelung]


Der Schneckenkegel, des -s, plur. ut nom. sing. in den Taschenuhren, ein Kegel ohne Spitze mit schiefen parallelen Einschnitten, worauf die Uhrkette gewunden wird.


Schneckenklee (W3) [Adelung]


Der Schneckenklee, des -s, plur. inus. eine Art Klees, dessen zusammen gedruckte Schote eine schneckenförmige Gestalt hat; Medicago L. wohin denn so wohl die Lucerne, als auch der Sichelklee und andere Arten gehören.


Schneckenlinie (W3) [Adelung]


Die Schneckenlinie, plur. die -n, eine den Windungen eines Schneckenhauses ähnliche Linie, d. i. eine krumme Linie, welche sich mehrmahls um einen Punct herum drehet, aber so, daß sie sich immer weiter von demselben entfernet.


Schneckenpost (W3) [Adelung]


Die Schneckenpost, plur. die -en, im Scherze, eine im höchsten Grade langsame Gelegenheit fortzukommen, welche man im gemeinen Leben auch die Ochsenpost nennt. Auf der Schneckenpost fahren.


Schneckenrad (W3) [Adelung]


Das Schneckenrad, des -es, plur. die -räder, in den Taschenuhren, ein Rad von 48 Zähnen unter dem Sperrade.


Schneckenrundung (W3) [Adelung]


Die Schneckenrundung, plur. die -en, eine Rundung, welche nach Art einer Schneckenlinie immer enger zusammen läuft.


Schneckenstein (W3) [Adelung]


Der "Schneckenstein", des -es, plur. die -e.

1). Ein kleiner weißer dünner länglich runder Stein, welcher in dem Kopfe der Wegeschnecken gefunden wird, und am Halse getragen, das Fieber vertreiben soll.

2) Ohne Plural, ein "Marmor", in welchem sich versteinerte Schnecken befinden, der aus versteinerten Schnecken bestehet.


Schnecken-Topas (W3) [Adelung]


Der Schnecken-Topas, des -es, plur. die -e, ein Nahme der ungefärbten Sächsischen Topase, welche so farbenlos, wie ein Demant, aber härter, wie der Zapfen-Topas sind.


Schneckentreppe (W3) [Adelung]


Die Schneckentreppe, plur. die -n, eine Wendeltreppe, welche auch nur eine Schnecke schlechthin genannt wird.


Schnee (W3) [Adelung]


Der Schnee, (einsylbig,) des -s, (zweysylbig,) plur. inus. Dünste in der Luft, welche daselbst gefrieren und in Gestalt weißer Flocken herunter fallen. Es fällt Schnee, es schneyet. Es ist ein tiefer Schnee gefallen. Mit Schnee bedeckt. So weiß, wie ein neu gefallener Schnee. Anm. Schon bey dem Ulphilas Snaiws, bey dem Ottfried Sneuu, im Tatian Snio, in dem Fragmente auf Carln den Großen Sne, im Angels. Snaw, im Engl. Snow, im Schwed. Snö, im Isländ. Snio, bey den Krainerischen Wenden Sneh, im Böhm. Suih, im Pohln. Snieg. Bey den Jägern durch ganz Deutschland heißt frisch gefallener Schnee noch das Neue, welche alte, bloß des zufälligen Zischlautes beraubte Form und die Verwandtschaft mit dem Lat. Nix, nivis, und dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - zeiget, wohin auch das Ital. Neve, Nive, die alt Franz. Noif, Nois, das heutige Franz. Neige, das Lothar. Nadge, Noge, u. a. m. gehören, bey welchen zugleich die Abwechselung der Endlaute zu bemerken ist. Schnee ist dem zu Folge mit neu näher verwandt, als man dem ersten Anschein nach denken sollte, es mag nun das unerwartete, welches die Erfinder der Sprachen bey dem ersten Schnee nothwendig empfinden mußten, oder auch dessen blendende Weiße, (Indem neu und dessen Verwandter nett oft auch für glänzend gebraucht werden,) zu dessen Benennung Anlaß gegeben haben. Der ungewöhnliche Plural kommt zuweilen im gemeinen Leben vor. Es find diesen Winter 78 Schnee gefallen, Bluntschli, ein Schweizer.


Schneeammer (W3) [Adelung]


Die Schneeammer, plur. die -n, eine Art Ammern, welche in Lappland, Spitzbergen und andern nördlichen Ländern einheimisch ist, im Winter am Kopfe, an dem Halse und der Brust schneeweiß ist, und im Sommer in den Lappländischen Schneegebirgen wohnet, im Winter aber in die südlichen Gegenden Schwedens und zuweilen gar nach Deutschland ziehet; Emberiza nivalis L. Schneesperling, Schneevogel, Wintersperling, Winterling, Neuvogel, von Neu, der Schnee.


Schneebahn (W3) [Adelung]


Die Schneebahn, plur. inus. eine mit Wagen oder Schlitten durch den Schnee gemachte Bahn. Es ist Schneebahn.


Schneeball (W3) [Adelung]


Der Schneeball, des -es, plur. die -bälle, zusammen gedrückter Schnee in runder Gestalt, ein aus Schnee zusammen gedrückter Ball. Ein großer Ball oder rundlicher Klumpen zusammen geballeten Schnees wird auch ein Schneeballen und ein noch größerer in der Schweiz eine Schneelauwine genannt, ( S. das letztere.) Figürlich werden die kugelrunden weißen Blumen des Hirsch- oder Wasserhohlunders und das ganze Gewächs Viburnum Opulus L. Schneebälle oder Schneeballen genannt.


Schneebaum (W3) [Adelung]


Der Schneebaum, des -es, plur. die -bäume, ein Nord-Amerikanischer Strauch, welcher im May sehr viele einfache schneeweiße Blumen trägt, welche ihm von weiten ein Ansehen geben, als wenn er mit Schnee bedeckt wäre; Chionanthus L.


Schneebirn (W3) [Adelung]


Die Schneebirn, plur. die -en, ein Nahme der weißen Butterbirn, Franz. Beurree blanc, welche im October reift.


Schneeblind (W3) [Adelung]


Schneeblind, adj. et adv. von der glänzenden Weiße des Schnees verblendet.


Schneeblume (W3) [Adelung]


Die Schneeblume, plur. die -n, S. Schneeglöckchen und Schneetrofen.


Schneebruch (W3) [Adelung]


Der Schneebruch, des -es, plur. die -brüche, im Forstwesen, ein durch die Last des Schnees an den Bäumen durch deren Zerbrechung verursachter Schade. Daher das Bey- und Nebenwort schneebrüchig, von dem Schnee zerbrochen. Schneebrüchige Bäume.


Schneedohle (W3) [Adelung]


Die Schneedohle, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der gemeinen Dohlen, weil sie sich bey einem gefallenen tiefen Schnee mit großem Geschreye gern nahe um die Wohnungen aufhalten, und daher auch Schneegäcken genannt werden.


Schnee-Enzian (W3) [Adelung]


Der Schnee-Enzian, des -s, plur. inus. eine Art des Enzians, welche auf den höchsten Alpen der Schweizer und Lappen einheimisch ist, wo er unter und in dem Schnee wächset; Gentiana nivalis L.


Schneefink (W3) [Adelung]


Der Schneefink, des -en, plur. die -en, ein Nahme des gemeinen Winterfinken mit gelben Schnabel und bunten stahrartigen Farben auf dem Kopfe und Rücken, welcher auch Bergfink, Waldfink, Tannenfink, Quakler, Gogler u. s. f. genannt wird; Fringilla hyberna Klein.


Schneeflocke (W3) [Adelung]


Die Schneeflocke, plur. die -n, Schnee in Gestalt einer Flocke, die in einer Flocke zusammen hängenden gefrornen Dünste, dergleichen Flocken den Schnee ausmachen. Der Haß zerfloß, wie Schneeflocken vor dem Hauche der wärmern Luft, Weiße.


Schneegäcke (W3) [Adelung]


Die Schneegäcke, plur. die -n, S. Schneedohle.


Schneegans (W3) [Adelung]


Die Schneegans, plur. die -gänse, eine Art wilder Gänse, welche bis auf die vier oder fünf letzten schwarzen Fluchtfedern ganz weiß sind, und sich nur im Winter sehen lassen; Anser grandinis, nivis L. Hagelgans. Bey einigen führet auch die Kropfgans, vermuthlich aber nur die ganz weiße, wegen dieser ihrer weißen Farbe, den Nahmen der Schneegans.


Schneegarn (W3) [Adelung]


Das Schneegarn, des -es, plur. die -e, im Jagdwesen, ein Garn, welches im Winter bey starkem Schnee zu dem Nepphühnerfange, so wie der Tiraß im Sommer, gebraucht wird. Es hat weiße, aber weitere Maschen als der Tiraß, und wird auch die Schneehaube genannt.


Schneegebirge (W3) [Adelung]


Das Schneegebirge, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gebirge, welches die größte Zeit des Jahres mir Schnee bedeckt ist.


Schneegestöber (W3) [Adelung]


Das Schneegestöber, des -s, plur. ut nom. sing. Schnee, welcher bey einem starken Winde fällt und von demselben bald hier bald dahin gestäubet wird. Wenn Schneegestöber die ganze Aussicht rauben, Geßn. S. Gestöber.


Schneeglöckchen (W3) [Adelung]


Das Schneeglöckchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art weißen Veils, welcher sehr früh blühet, wenn der Boden noch mit Schnee bedecket ist; Leucojum vernum L. Schneeblume, Hornungsblume, Märzblume, Schneeviole, Schneetropfen.


Schneehaube (W3) [Adelung]


Die Schneehaube, plur. die -n, S. Schneegarn.


Schneehuhn (W3) [Adelung]


Das Schneehuhn, des -es, plur. die -hühner, eine Art Wald- oder Holzhühner, welche weiß von Farbe sind, eine rothe fleischige Haut über den Augen haben, und sich so wohl in den nördlichen Ländern als auf den Schneegebirgen der wärmern aufhalten; Lagopus Rabatino Klein. Berghuhn, Schneevogel, Weißhuhn, weißes Wildhuhn, Steinhuhn, in Graubünden weißes Repphuhn, Schwed. Snöripa.


Schneeig (W3) [Adelung]


Schneeig, -er, -ste, adj. et adv. in den gemeinen Sprecharten, mit Schnee bedeckt. Die schneeichten (schneeigen) Pirenen, (Pyrenäen,) Opitz.


Schneekönig (W3) [Adelung]


Der Schneekönig, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme des Zaunköniges, weil er sich noch bey dem Anfange des Winters im Schnee sehen läßt.


Schneelauwine (W3) [Adelung]


Die Schneelauwine, plur. die -n, in der Schweiz, ein Klumpen Schnee, welcher von den Bergen herab rollet, und im Herabfallen immer größer wird, so daß er oft ganze Häuser und Dörfer verschüttet und verwüstet; Schneelöwinn, Schneelähne. ( S. Lauwine.) Im Theuerdanke die Schneeriese, von riesen, fallen.


Schneelerche (W3) [Adelung]


Die Schneelerche, plur. die -n, eine Art Lerchen, welche sehr spät, wenn es schon geschneyet hat, zu streichen pflegt.


Schneemeise (W3) [Adelung]


Die Schneemeise, plur. die -n, die gewöhnliche Schwanz- oder Mohrmeise, weil sie sich im Winter, wenn alles mit Schnee bedeckt ist, gern den menschlichen Wohnungen nähert. S. Aschmeise.


Schneemilch (W3) [Adelung]


Die Schneemilch, plur. car. bey den Köchen, süßer Milchrahm, welcher mit etwas Eyweiß vermischt, mit einem Rüthchen zu einem Schaume geschlagen wird, da er denn in der Schüssel dem Schnee gleicht; Schneemuß, Schwed. Snömos, Franz. Creme battue, bey den Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Schneeriese (W3) [Adelung]


Die Schneeriese, plur. die -n, S. Schneelauwine.


Schneeschuh (W3) [Adelung]


Der Schneeschuh, des -es, plur. die -e, besondere, unten aus einem Brete bestehende Schuhe der nördlichsten Einwohner Europens, mit denselben schnell über den Schnee fortzugehen, ohne einzusinken.


Schneesperling (W3) [Adelung]


Der Schneesperling, des -s, plur. die -e, S. Schneeammer.


Schneestaub (W3) [Adelung]


Der Schneestaub, des -es, plur. car. zarter Schnee in Gestalt des Staubes. Flimmernder Schneestaub flattert umher, Geßn.


Schneeveil (W3) [Adelung]


Der Schneeveil, des -s, plur. die Schnee-Viole, plur. die -n, S. Schneeglöckchen.


Schneevogel (W3) [Adelung]


Der Schneevogel, des -s, plur. die -vögel. 1) Siehe Schneeammer. 2) Siehe Schneehuhn.


Schneewasser (W3) [Adelung]


Das Schneewasser, des -s, plur. inus. Wasser aus zerlassenem oder aufgelösetem Schnee.


Schneeweiß (W3) [Adelung]


Schneeweiß, adj. et adv. weiß, wie ein neu gefallener Schnee, helles Weiß ohne Beymischung irgend einer andern Farbe.


Schneewetter (W3) [Adelung]


Das Schneewetter, des -s, plur. inus. derjenige Zustand der Atmosphäre, da es schneyet, im gemeinen Leben auch schneeiges Wetter.


Schneewind (W3) [Adelung]


Der Schneewind, des -es, plur. die -e, ein Wind, mit oder bey welchem es schneyet.


Schneewolke (W3) [Adelung]


Die Schneewolke, plur. die -n, eine Wolke, welche Schnee drohet.


Schneffel (W3) [Adelung]


Der Schneffel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Schnäpel.


Schneide (W3) [Adelung]


1. Die Schneide, plur. die -n. 1) In einigen Gegenden die Gränze, ( S. Schnate.) 2) Bey den Jägern werden die Sprenkel oder Dohnen in einigen Gegenden gleichfalls Schneiden, Schneideln, Schnaten, und mit der gewöhnlichen Vertauschung des d t und s, Schneißen genannt. Das Geschneide und Geschnat ist alsdann eine Reihe oder Menge solcher aufgestellten Dohnen oder Sprenkel. Es stammet nicht von schneiden her, wie Frisch will, sondern allem Anscheine nach von Schnate, ein Reiß, weil sie aus biegsamen Reisern bestehen, S. Schnate.


Schneide (W3) [Adelung]


2. Die Schneide, plur. die -n, von dem Zeitworte schneiden. 1) Das Vermögen zu schneiden, die Schärfe; ohne Plural. Das Messer hat die Schneide verloren, die Schärfe. 2) Der eigentlich schneidende Theil eines schneidenden Werkzeuges; die Schärfe. Die Schneide eines Messers, im Gegensatze des Rückens. Die Schneide einer Art, eines Degens u. s. f. Ein Eisen das an der Schneide ungeschliffen bleibt, Pred. 10, 10. Die Schneiden an Sensen, Hauen, Gabeln und Beilen waren abgenutzt, 1 Sam. 13, 21. Aber für Klinge, wie Richt. 3, 22, das Heft der Schneiden, (Schneide,) ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich.


Schneidebank (W3) [Adelung]


Die Schneidebank, plur. die -bänke, eine Bank mit einem beweglichen Tritte, Holz mit dem Schneidemesser oder Schnittmesser darauf zu bearbeiten; dergleichen Schneidebänke die Böttcher u. s. f. haben. Die Schnitzbank.


Schneidebohrer (W3) [Adelung]


Der Schneidebohrer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Bohrer mit scharfen Schneiden zu harten Körpern.


Schneideeisen (W3) [Adelung]


Das Schneideeisen, des -s, plur. ut nom. sing. ein eisernes Werkzeug, andere Dinge damit zu schneiden; wo es doch nur in einzelnen Fällen von gewissen zusammen gesetzten Werkzeugen dieser Art, welche nicht schon die Nahmen Messer, Schere u. s. f. haben, üblich ist, und alsdann auch das eigentlich schneidende Eisen in einem solchen Werkzeuge bezeichnet. So haben die Kammmacher ein Schneideeisen, womit sie die Zähne in die Kämme schneiden, die Schlösser und andere Metallarbeiter eine stählerne Platte voller Gewindelöcher, Schrauben darin abzudrehen, welche, wenn sie aus zwey Stücken bestehen, auch Schneidekluppen heißen.


Schneidelade (W3) [Adelung]


Die Schneidelade, plur. die -n, eine Lade der Landleute, das Stroh darin, vermittelst der Futterklinge, zu Häcksel zu schneiden; die Futterbank, Häckselbank, Häckerlingslade.


Schneideleder (W3) [Adelung]


Das Schneideleder, des -s, plur. inus. im gemeinen Leben, zu Sohlen geschnittenes Leder; zum Unterschiede von dem ganzen Leder.


Schneidelholz (W3) [Adelung]


Das Schneidelholz, des -es, plur. inus. im Forstwesen, Holz, d. i. Bäume, welche sich gern schneideln lassen, welchen man alle Äste abhauen kann, worauf sie doch wieder ausschlagen, zu welchem Schneidelholze die Linden, Weiden, Erlen, Pappeln, Birken u. s. f. gehören.


Schneideln,Schneiteln (W3) [Adelung]


Schneideln, oder Schneiteln, verb. reg. act. welches das Iterativum von schneiden ist, aber nur in einigen Fällen für beschneiden gebraucht wird. Die Gärtner schneideln die Bäume, wenn sie die verdorbenen oder überflüssigen Äste abschneiden, absägen oder abhauen. Die Waldbäume werden geschneidelt, wenn man ihnen entweder die entbehrlichen, oder auch die meisten Äste abhauet. In den gemeinen Sprecharten auch schnetteln, Nieders. sneteln, snitteln. Daher das Schneideln oder Schneiteln.


Schneidemesser (W3) [Adelung]


Das Schneidemesser, des -s, plur. ut nom. sing. eigentlich ein Messer zum Schneiden; da es aber ein Pleonasmus seyn würde, weil ein Messer ohnehin schon zum Schneiden bestimmt ist. In engerer Bedeutung wird das Messer mit zwey Handhaben, dessen man sich auf der Schneidebank bedienet, das Schneidemesser oder Schnittmesser genannt. Auch das Wiegemesser der Küchen heißt zuweilen Schneidemesser, vermuthlich um es von dem Hackemesser zu unterscheiden.


Schneidemühle (W3) [Adelung]


Die Schneidemühle, plur. die -n, eine Mühle, auf welcher das Holz vermittelst des Wassers zu Bretern, Bohlen, Pfosten, Latten u. s. f. geschnitten oder gesäget wird; die Sägemühle, Bretmühle.


Schneiden (W3) [Adelung]


Schneiden, verb. irreg. Imperf. ich schnitt; Mittelw. geschnitten; Imper. schneide. Es kommt in doppelter Gestalt vor. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1. Eigentlich, andere Dinge mit der Schärfe durchdringen, wo es von allen mit einer eigentlich Schärfe versehenen Werkzeugen und Körpern gebraucht wird, und oft so viel als scharf seyn bedeutet. Schneidende Werkzeuge, welche eine Schneide haben, zum Unterschiede von stechenden. Das Messer, die Schere, die Art, die Sense, die Säge schneidet nicht, will nicht schneiden, schneidet vortrefflich. 2. Figürlich. 1) Einen empfindlichen Schmerz verursachen, welcher dem Schmerze gleicht, welchen schneidende Werkzeuge verursachen. Ein schneidender Wind, eine schneidende Kälte. Der Wind schneidet, schneidet in das Gesicht. Ein Schneidender Schmerz. Es schneidet mir im Leibe. Das Schneiden im Leibe haben. Das schneidende Wasser, Stranguria, in den niedrigen Sprecharten die kalte Pisse. Nach einer noch weitern Figur sagt man auch, das schneidet mir ins Herz, in die Seele, verursacht mir einen plötzlichen durchdringenden Schmerz. 2) Das schneidet in den Beutel, in der niedrigen Sprechart, verursacht beträchtlichen Aufwand, empfindliche Verminderung des Geldvorrathes. 3) Schneidende Farben, schneidende Umrisse, in der Mahlerey, welche mit der nächsten Farbe nicht gehörig verschmolzen, sondern gleichsam abgeschnitten sind; Couleurs tranchantes, Contours coupes. II. Als ein Activum, mit einem solchen schneidenden Werkzeuge verletzen oder theilen, wo es doch eigentlich nur alsdann gebraucht wird, wenn es vermittelst eines Zuges oder einfachen Druckes geschiehet; zum Unterschiede von dem Hauen, Hacken, u. s. f. 1. Eigentlich, vermittelst eines solchen Werkzeuges, oder der schneidenden Schärfe eines Dinges, verletzen oder verwunden. Sich schneiden, einen Theil seines Leibes an einer schneidenden Schärfe, oder einem schneidenden Werkzeuge verwunden. Sich in den Finger, in die Hand, in den Fuß schneiden. Sich mit dem Messer, mit der Schere schneiden. Ingleichen vermittelst eines schneidenden Werkzeuges mit Ziehen oder Drücken theilen. Etwas klein schneiden, in kleine Stücke schneiden. Mit dem Messer, mit der Schere schneiden. Brot, Fleisch schneiden. Wo es oft für abschneiden stehet; ein Stück Brot schneiden. Das Getreide schneiden, es mit der Sichel abschneiden, zum Unterschiede von dem Mähen oder Hauen, welches mit der Sense geschiehet, daher schneiden da, wo man sich der Sichel bedienet, absolute auch für ernten gebraucht wird. Stroh schneiden, es klein schneiden, zerschneiden. Ingleichen, durch Schneiden hervor bringen. Breter schneiden, sägen; wie denn schneiden fast in allen Fällen für sägen gebraucht werden kann, weil dieses auch mit einem drückenden Ziehen verbunden ist. Eine Feder schnei- den. Riemen, Pfeifen, Leisten, Formen, Häckerling schneiden, durch Schneiden hervorbringen. Ferner durch Schneiden bearbeiten. Einen Bruch schneiden, ihn vermittelst des Schnittes heilen. Den Stein, den Wurm schneiden, ihn ausschneiden. Den Wein schneiden, beschneiden. Ein Thier schneiden, ihm die Zeugungstheile durch den Schnitt nehmen, ( S. Castriren.) Die Bienen schneiden, ihnen die Honigscheiben ausschneiden, ohne sie zu tödten; sie zeideln. Von den mit Graben oder Stechen verbundenen künstlichen Bearbeitungen des Holzes, des Stahles und der Steine ist gleichfalls schneiden üblich, ob es gleich eigentlich eine Art des Stechens oder Grabens ist. In Holz, in Stein, in Stahl schneiden. Daher der Stämpelschneider, Formenschneider, Stahlschneider. Auch wird es zuweilen für schleifen gebraucht, von dem Glase oder glasartigen Steinen. Geschnittene Steine, welche durch Schleifen eine gewisse Figur erhalten haben. Geschnittenes Glas. 2. Figürlich. 1) Geld schneiden, einen unerlaubten Gewinn an Gelde machen. Viel bey einer Sache schneiden, sich bey einer Sache einen beträchtlichen unerlaubten Gewinn machen; wofür man auch sagt, seinen Schnitt bey einer Sache machen. Vielleicht ist die Figur von dem Schneiden in der Ernte entlehnet. 2) Mienen schneiden, Gesichter schneiden, ungewöhnliche Mienen und Geberden machen oder ziehen, wegen der ähnlichen Bewegung. Nun wohl, fährt Paris fort, und schneidt ein Amtsgesicht, Wiel. Auf eben die Art sagt man auch, Capriolen schneiden, aber nicht Sprünge schneiden. 3) Einen Ball schneiden, im Billard-Spiele, ihn mit seinem Balle auf der Seite berühren, damit er nach einer schiefen Linie laufe. So auch das Schneiden.

Anm. Schon bey dem Ulphilas snejan und sneijthan, welches letztere bey ihm schlachten bedeutet, bey dem Ottfried sniden, im Nieders. sniden, Angels. snida im Schwed. snida. Es ist ohne Zweifel eine Nachahmung des Lautes des mit dem Schneiden verbundenen Ziehens bey manchen Körpern, daher es denn nicht bloß von dem Messer und der Schere, sondern auch von der Säge und gewissen Arten des Schleifens und Grabens gebraucht wird. Bey den Jägern wird dieses Zeitwort mit dem Weidemesser bestraft, indem sie dafür schärfen gebrauchen. Schneiden, schnitzen, schnitzeln, und im Nieders. schnippeln, sind abgeleitete Formen. S. dieselben, ingleichen Schnitt.


Schneider (W3) [Adelung]


Der Schneider, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schneiderinn. Von dem vorigen Zeitworte. 1) Überhaupt, derjenige, welcher schneidet; wo es doch nur in manchen Zusammensetzungen üblich ist. Der Futterschneider, welcher Futter oder Häcksel schneidet. So auch der Bretschneider. 2) In engerer Bedeutung, dessen vornehmste Beschäftigung im Schneiden bestehet; gleichfalls nur in Zusammensetzungen. Der Bruchschneider. Steinschneider, Stämpelschneider, Stahlschneider, Holzschneider, Formenschneider, Leistenschneider, Gewandschneider, Schweinschneider, Beutelschneider u. s. f. 3) In der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung verstehet man unter Schneider schlechthin einen zünftigen Handwerker, welcher allerley Kleidungsstücke aus gewebten Zeugen verfertiget, wo die Benennung nur von einem Theile seiner Arbeit, nähmlich dem Zuschneiden entlehnet ist, die man aber ehedem für die wichtigste gehalten haben muß, weil das Zeitwort sniden im Schwabenspiegel auch von dem Ausbessern eines Kleides gebraucht wird. Eben so hieß dieser Handwerker im Niederdeutschen ehedem Schröder, Schröter, von schroten, schneiden, Schwed. noch jetzt Skräddare, im mittlern Latein. Cisor, und noch jetzt im Franz. Tailleur. Daher der Schneiderbursch, Schneidergesell, die Schneiderarbeit, Schneiderlohn u. s. f. Ingleichen der Leibschneider, Hofschneider, Hausschneider, Mannsschneider, Frauenschneider, Zeltschneider, Jagdschneider, u. s. f. Da diese Handwerker, vermuthlich wegen der von ihrer sitzenden Lebensart herrührenden schwachen Beschaffenheit ihres Körpers, bey den übrigen stärkern Deutschen sehr frühe verächtlich geworden, so wird es auch noch jetzt in manchen Fällen gebraucht, etwas Verächtliches in seiner Art zu bezeichnen. So nennen die Jäger die geringen, unjagdbaren Hirsche Schneider, und in manchen Spielen ist der Schneider derjenige, welcher nicht bloß das Spiel verlieret, sondern auch nicht einmahl eine gewisse geringe Anzahl Augen hat.


Schneiderey (W3) [Adelung]


Die Schneiderey, plur. die -en. 1) Die Beschäftigung, Lebensart eines Schneiders; ohne Plural. Die Beutelschneiderey. Ingleichen in der engsten Bedeutung des Wortes Schneider. Die Schneiderey verstehen, das Handwerk, die Kunst eines Schneiders. 2) In Aufschneiderey und Beutelschneiderey wird es auch zuweilen von einzelnen Handlungen eines Aufschneiders und Beutelschneiders gebraucht.


Schneiderfisch (W3) [Adelung]


Der Schneiderfisch, des -es, plur. die -e, eine verächtliche Benennung der Weißfische, weil sie nur auf die Tische der Schneider und ähnlicher geringer Personen zu kommen pflegen. Auf eben die Art pflegt man auch wohl die Häringe im Scherze Schneiderkarpfen zu nennen.


Schneiderkrankheit (W3) [Adelung]


Die Schneiderkrankheit, plur. die -en, Krankheiten, welchen die Schneider wegen ihrer sitzenden Lebensart vor andern unterworfen sind. In engerer Bedeutung wird im Scherze die Krätze mit diesem Nahmen belegt.


Schneidermuskel (W3) [Adelung]


Der Schneidermuskel, des -s, plur. die -n, in der Anatomie, ein Muskel, durch welchen das Schienbein einwärts beweget wird; Musculus sartorius, weil es den Schneidern in Überschlagung der Beine dienlich ist.


Schneidern (W3) [Adelung]


Schneidern, verb. reg. act. Schneiderarbeit verfertigen. Schneidern können. Den ganzen Tag schneidern.


Schneidescheibe (W3) [Adelung]


Die Schneidescheibe, plur. die -n, eine stählerne Scheibe der Uhrmacher, die Zähne der Räder damit auszuschneiden; das Schneidezeug.


Schneidesohle (W3) [Adelung]


Die Schneidesohle, plur. die -n, bey den Wagnern oder Stellmachern, eine starke Bohle mit drey Löchern, worin die Deichsel und andere Hölzer im Schneiden oder Bearbeiten befestiget werden.


Schneidestein (W3) [Adelung]


Der Schneidestein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art Felsstein, welche aus Glimmer und Speckstein bestehet; sich schneiden läßt, und so wohl in Schweden als andern Ländern gefunden wird.


Schneidezahn (W3) [Adelung]


Der Schneidezahn, des -es, plur. die -zähne, die vordern scharfen Zähnen bey Menschen und Thieren, womit die Speisen abgebissen oder gleichsam abgeschnitten werden; Incisores.


Schneidezeug (W3) [Adelung]


Das Schneidezeug, des -es, plur. die -e, bey verschiedenen Handwerkern, ein Nahme desjenigen Werkzeuges, womit die Schrauben, sie bestehen nun aus Holz oder Metall, geschnitten werden; das Schraubenzeug, ( S. auch Schneideeisen.) Auch die Schneidescheibe der Uhrmacher führet zuweilen diesen Nahmen.


Schneidig (W3) [Adelung]


Schneidig, -er, -ste, adj. et adv. 1) Eine Schneide habend; ohne Comparation, und nur in den Zusammensetzungen einschneidig, zweyschneidig u. s. f. 2) Was sich leicht schneiden läßt. So wird ein weiches Gestein, welches sich leicht gewinnen läßt, im Bergbaue in weiterer Bedeutung ein schneidiges Gestein genannt, wo es dem schmeidig in der Bedeutung nahe kommt.


Schneiße (W3) [Adelung]


Die Schneiße, plur. die -n, S. 1 Schneide.


Schneiteln (W3) [Adelung]


Schneiteln, ein bey vielen für schneideln übliches Wort, siehe dasselbe.


Schnell (W3) [Adelung]


1. Schnell, -er, -ste, adj. et adv. welches nur im Forstwesen für schief, windschief üblich ist. Ein Baum gehet schnell, wenn er im Spalten windschief reißet. Schnell gehendes Holz. In manchen Gegenden wird solches auch schällig genannt. Mit einem andern Endlaute ist am Schwabenspiegel sned schief.


Schnell (W3) [Adelung]


2. Schnell, -er, -ste, adj. et adv. Es ahmet eigentlich den Laut einer mit Schnellkraft verbundenen, folglich ohne merkliche Zwischenräume der Zeit geschehenden Bewegung nach, und wird in einer doppelten Bedeutung gebraucht. 1) Ohne merklichen Zwischenraum der Zeit oder der Erwartung entstehend, wirklich werdend; für schleunig, und das niedrigere jäh, jähling, ingleichen für plötzlich, obgleich dieses letztere, weil es eigentlich einen stärkern Schall ausdruckt zunächst auch einen noch höhern Grad des Unerwarteten bezeichnet als schnell. Es geschahe schnell ein Braufen, Apost. 2, 2. Schnell ward ein groß Erdbeben, Kap. 16, 26. Ein schneller Tod. Schnell sterben. Zu schnellen Wendungen des Schicksals bestimmt seyn, zu plötzlichen, unerwarteten. Schnell mit dem Munde seyn, nicht so wohl geschwinde reden, als vielmehr, Fertigkeit besitzen, ohne merkliche Zubereitung oder Überlegung zu reden, welches man in manchen Fällen auch vorschnell, voreilig nennet. Sey nicht schnell mit deinem Munde, Pred. 5, 1. 2) In der Bewegung selbst einen großen Raum in unmerklich kurzer Zeit zurück legend, wo es, besonders in der edlern Schreibart, für die gemeinern hurtig und geschwinde gebraucht wird, eigentlich aber einen noch höhern Grad der Geschwindigkeit andeutet als diese. Schnell wie ein Pfeil, wie ein Hirsch. Unser Leben fähret schnell dahin, Ps. 90, 10. Schnell wachsen. Schnell daher kommen. Schnell laufen. Ein schneller Hirsch. Die Zeit vergehet schnell. Der Bach fließt schnell. Einem Dinge eine schnelle Bewegung mittheilen. Du klommest schnell den Baum hinauf, Geßn. Anm. Schon bey dem Kero, Ottfried und Notker snell, im Angels. snel, im Schwed. snäll, im Isländ. sniallur, im Ital. snello. Es ist der natürliche Laut einer mit Schnellkraft verbundenen geschwinden Bewegung, und daher mit schnallen und schnellen Eines Geschlechtes. ( S. diese Wörter.) Die ähnlichen hurtig, schwind oder geschwinde, schleunig, plötzlich, die Oberd. stumpf und stumpflich, das Nieders. rapp u. s. f. sind gleichfalls von dem Laute schneller Bewegungen anderer Körper entlehnet worden. Aber eben diese Onomatopöie ist auch Ursache, daß diese Wörter doch nicht in allen einzelnen Fällen für einander gebraucht werden können. Figürlich ist im Schwed. Snille und im Isländ. Snilld der natürliche Witz, Ingenium. Mit andern Endlauten ist im Angelsächs. snude, Nieders. sneidig, im Isländ. snudur, snotir, snögg, snöggt, im Schwed. snar, Niedersächs. snor, snima, bey dem Kero sniumo u. s. f. schnell.


Schnellbank (W3) [Adelung]


Die Schnellbank, plur. die -bänke, ein ehemahliges Wurfzeug, große Steine damit auf den Feind zu schnellen oder zu schläudern; Lat. Catapulta. Schon Pictorius gebraucht es in diesem Verstande.


Schnelle (W3) [Adelung]


Die Schnelle, plur. inus. S. Schnelligkeit.


Schnellen (W3) [Adelung]


Schnellen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit den Hülfswörtern haben und seyn. 1. Eigentlich, sich mir Schnell- oder Federkraft schnell fortbewegen. Ein gespannter elastischer Körper schnellt zurück, schnellt ab, wenn er seiner Schnellkraft schnell und ohne Hinderniß überlassen wird; mit seyn. Eine Feder schnellen lassen, wenn sie gespannt war, und man sie nunmehr sich selbst überläßt. In weiterer Bedeutung läßt man auch eine Wage schnellen, wenn man sie ungehindert schnell auf- oder niedersteigen läßt. 2. * Figürlich, schnell seyn, eilen, mit haben; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher man ehedem sagte, schnelle dich, d. i. eile. Angels. snellian. Die Jäger gebrauchen es noch zuweilen von dem Leithunde figürlich, wenn er vorschnell oder voreilig anschlägt. II. Als ein Activum. 1. Denjenigen Schall hervor bringen, welchen dieses Zeitwort nachahmet, wo es in der anständigen Sprechart für knippen, schnippen, Knippchen, Schnippchen schlagen, üblich ist, und alsdann auch wohl schnallen und intensive schnalzen lautet, (siehe diese Wörter.) Mit den Fingern schnellen. Unterdeß thut der am besten, Wer zu Trotz der tollen Welt, Bey vergnügt und klugen Gästen, Lustig mit den Fingern schnellt, Günth. 2. Jemanden schnellen ist auch in vielen Gegenden, ihm mit dem an den Daumen gedruckten und mit Schnellkraft los gelassenen Mittelfinger einen schnellen Stoß geben, wofür im Oberdeutschen auch schnallen und schnalzen üblich ist. Jemanden auf die Finger schnellen. Jemanden vor die Nase schnellen, ihm einen Nasenstüber geben. ( S. Schneller.) Bey den Jägern schnellt man den Leithund, wenn man ihm mit dem Hängeseile einen Zucker, d. i. einen mit einem Zuge verbundenen Schlag auf den Rücken gibt. 3. Schnellen machen, mit Schnellkraft forttreiben. 1) Eigentlich. Los schnellen, einen gespannten elastischen Körper seiner Schnellkraft überlassen. Füchse schnellen, sie mit Schnellkraft in die Höhe werfen, wofür auch prellen üblich ist. Einen Stein in die Luft schnellen. Jemanden in das Wasser schnellen, mit Schnellkraft stoßen. Das Rad schnellt den Roth in den Wagen, wofür man auch schlenkern sagt. 2) Figürlich. Jemanden schnellen, ihn durch Geschwindigkeit, und in weiterm Verstande, auch durch List bevortheilen. Um zehen Thaler geschnellt werden. Schwed. snilla. Prellen ist in eben diesem Verstande üblich. So auch das Schnellen.

Anm. Schnellen gehöret zu schnallen, welches eigentlich das Neutrum von schnellen ist, aber doch einen gröbern Laut nachahmet als dieses. S. dasselbe.


Schneller (W3) [Adelung]


Der Schneller, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schnellerchen, Ober. Schnellerlein, von dem vorigen Zeitworte. 1) Eine Veränderung, welche mit dem Laute begleitet ist, welchen das Zeitwort schnellen nachahmet. So ist der Schneller so wohl dasjenige Schnellen mit den Fingern, welches man sonst auch ein Schnippchen, Nieders. Knippchen, im Oberd. einen Schnall, eine Schnalle, eine Schnalze nennt, einen Schneller schlagen; als auch der Stoß mit gespanntem Mittelfinger, welcher auch ein Stüber heißt, jemanden einen Schneller geben. Ingleichen bey den Jägern ein schnell angezogener Schlag mit dem Hängeseile auf den Rücken des Leithundes. 2) Ein Ding, welches mit Schnellkraft ab- oder in die Höhe fähret. So werden bey den Jägern so wohl die Schlagbäume, welche in einem Geschneide zur Abhaltung der Vogeldiebe aufgestellet werden, als auch die Aufschläge oder Sprenkel, wo sich die Vögel mit den Füßen fangen, Schneller genannt. An dem Schlosse eines Feuergewehres ist der Schneller derjenige Theil, welcher den Hahn bey der geringsten Berührung abschnellen oder abschnappen läßt; der Abdruck, der Abzug. In engerer Bedeutung haben nur die Kugelbüchsen einen Schneller, welcher von dem Abdrucke der Flinten noch unterschieden ist, auch der Stecher genannt wird, und in dem Schnellergehäuse befindlich ist. Ehedem wurde auch eine Fallbrücke ein Schneller und mit einer andern Endsylbe ein Schnelling genannt. Vor Erfindung des schweren Geschützes waren auch diejenigen, welche mit den Schnellbänken und andern Wurfzeugen zu thun hatten, unter dem Nahmen der Schneller bekannt.


Schnellfalle (W3) [Adelung]


Die Schnellfalle, plur. die -n, bey den Jägern, eine Falle, welche aus einer krumm gebogenen Stange bestehet, welche bey der geringsten Berührung in die Höhe schnellt und das Thier fängt.


Schnellgalgen (W3) [Adelung]


Der Schnellgalgen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eigentlich, ein Galgen in Gestalt eines Griechischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welchen man ehedem besonders als eine Strafe für ausgerissene Soldaten gebrauchte, indem man sie mit rückwärts gebundenen Händen daran in die Höhe schnellte, d. i. vermittelst eines Seiles schnell in die Höhe zog, und sie eben so schnell wieder fallen ließ, um ihnen dadurch die Arme zu verrenken; der Wippgalgen. 2) Da diese Strafe nunmehr veraltet ist, so wird in weiterer Bedeutung ein Galgen von eben dieser Gestalt, woran man die Ausreißer zu henken pflegt, noch ein Schnellgalgen genannt.


Schnelligkeit (W3) [Adelung]


Die Schnelligkeit, plur. inus. das Hauptwort von schnell, die Eigenschaft eines Dinges, da es schnell ist. Die Schnelligkeit des Schalles. Da viele Abstracta auf igkeit niedrig sind, so haben einige das alte Schnelle, welches schon in der Paraen. Tirol. vorkommt, gangbar zu machen gesucht, obgleich mit wenigem Glücke. Schicklicher würde Schnellheit seyn. Indessen ist für alle drey Geschwindigkeit am gangbarsten.


Schnellkäulchen (W3) [Adelung]


Das Schnellkäulchen, S. Schnellkugel.


Schnellkraft (W3) [Adelung]


Die Schnellkraft, plur. inus. die Kraft eines Körpers zu schnellen, d. i. sich, wenn er gedruckt oder gestoßen worden, schnell wieder in seinen vorigen Zustand herzustellen, und dasjenige, was ihn darin hindert, fortzuschnellen; die Federkraft, Elasticität.


Schnellkugel (W3) [Adelung]


Die "Schnellkugel", plur. die -n, noch mehr im Dimin. das Schnellkügelchen, zusammen gezogen im gemeinen Leben das Schnellkäulchen, des -s, plur. ut nom. sing. kleine Kugeln von "Marmor" oder Thon, womit die Knaben zu spielen und sie nach gewissen Regeln in kleine Gruben zu schnellen pflegen; in Oberdeutschland Schusser, im Nieders. "Knippel", "Knicker", und wenn sie von "Marmor" oder "Alabaster" sind, "Murmer", "Marrel". Eben daselbst werden die größern Kaskers und die größten Kaskedönnjers genannt.


Schnellloth (W3) [Adelung]


Das Schnellloth, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein schnell oder leicht flüssiges Loth gewisser Metallarbeiter, damit zu löthen. Das Schnellloth der Gürtler bestehet aus Wismuth, Zinn und Bley, und wird daher auch Schnellzinn genannt.


Schnellschleife (W3) [Adelung]


Die Schnellschleife, plur. die -n, im Jagdwesen, eine Art Schleifen mit einer krumm gebogenen Ruthe, welche bey der geringsten Berührung in die Höhe schnellt, allerley wildes Geflügel damit zu fangen. Sie ist von einem Sprenkel noch verschieden.


Schnellseil (W3) [Adelung]


Das Schnellseil, des -es, plur. die -e, eben daselbst, diejenigen Seile, womit das Vogelgarn zum Zusammenschlagen in den Schwung gebracht wird; die Schwefze.


Schnellwage (W3) [Adelung]


Die Schnellwage, plur. die -n, eine Wage mit ungleichen Armen, auf welcher man mit einerley Gewicht Körper von verschiedener Schwere wägen kann; Nieders. Unzener, von Unze, vermuthlich so fern das beständige Gewicht eine Unze schwer ist, Knippwage, von knippen, schnellen.


Schnellzinn (W3) [Adelung]


Das Schnellzinn, des -es, plur. inus. S. Schnellloth.


Schnepfe (W3) [Adelung]


Die Schnepfe, plur. die -n, eine Art wilden Geflügels mit vier nackten Zehen, in der Dicke eines Repphuhnes, welches die morastigen Wälder bewohnet, und einen langen dünnen Schnabel hat; Scolopax L. Es gibt ihrer verschiedene Arten, wohin die Wald- Holz- oder Bergschnepfe, die Doppelschnepfe, die Heerschnepfe oder Himmelsziege, welche auch nur Schnepfe schlechthin genannt wird, die Haarschnepfe und die Mohr- oder Riedschnepfe gehören.

Anm. Nieders. Sneppe, Snippe, im Schwed. und Norweg. auch Sneppe, im Engl. Snipe. Sie hat den Nahmen von ihrem eigenthümlichen langen Schnabel, von welchem sie schon im Griech. und Lat. Scolopax, Langschnabel, und im Hebr. Kore heißt. In vielen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, ist dieses Wort männlichen Geschlechtes, der Schnepf.


Schnepfenfang (W3) [Adelung]


Der Schnepfenfang, des -es, plur. die -fänge, der Fang der Schnepfen, von der Handlung, und ohne Plural; ingleichen ein Ort, wo Schnepfen gefangen werden, besonders ein Bodengericht auf Schnepfen.


Schnepfenfliege (W3) [Adelung]


Die Schnepfenfliege, plur. die -n, eine Art Fliegen, mit einem zweyschneidigen, hornartigen, umgebogenen Saugrüssel; Empis L.


Schnepfengasse (W3) [Adelung]


Die Schnepfengasse, plur. die -n, bey den Jägern, ein Gang oder Weg in einem Walde, auf welchem die Schnepfen gern laufen, daher er auch rein gehalten, und oft mit Schlingen besteckt wird.


Schnepfenjagd (W3) [Adelung]


Die Schnepfenjagd, plur. die -en, die Jagd auf Schnepfen; das Schnepfenschießen.


Schnepfenstoß (W3) [Adelung]


Der Schnepfenstoß, des -es, plur. die -stöße, eine Art des Schnepfenfanges, wo Klebegarne vor die Hölzer gestellet werden, damit die Schnepfen im Ein- und Ausstreichen darein stoßen und sich fangen.


Schnepfenzug (W3) [Adelung]


Der Schnepfenzug, des -es, plur. die -züge. 1) Das Ziehen der Schnepfen, so wohl aus dem Holze zu Felde, als auch die Ankunft derselben im Frühlinge und ihr Abzug im Herbste; ohne Plural. 2) Eine Menge mehrerer in Gesellschaft ziehender Schnepfen; ein Zug Schnepfen.


Schnepfhuhn,Schnepphuhn (W3) [Adelung]


Das Schnepfhuhn, oder Schnepphuhn, des -es, plur. die -hühner, ein Nahme, welcher an einigen Orten den größern Wald- oder Holzschnepfen gegeben wird, weil sie den wilden Hühnern nicht unähnlich sind.


Schneppe (W3) [Adelung]


Die Schneppe, plur. die -n, ein spitzig zulaufendes Läppchen, welches das andere Geschlecht an manchen Orten in der tiefen Trauer vor der Stirne trägt, oft aber auch zur Zierde an verschiedenen Arten des Kopfputzes angebracht wird. Auch die Schnäbel oder Schnautzen an den Kannen u. s. f. werden in manchen Gegenden Schneppen genannt. Nieders. Snebbe, Snippe. Schon in Boxhorns Glossen ist Suuaba, vitta. Es ist mit Schnabel, Schnepfe u. s. f. Eines Geschlechtes, die spitzig zulaufende Gestalt einer Schneppe zu bezeichnen.


Schnepper (W3) [Adelung]


1. Der Schnepper, von dem Zeitworte schnappen, S. Schnäpper.


Schnepper (W3) [Adelung]


2. Der Schnepper, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit Schneppe gleichbedeutendes Wort, von welchem es sich nur in der Endsylbe unterscheidet. Es ist nur in einigen Gegenden üblich, z. B. im Hüttenbaue, wo die Balgliese oder Schnautze an den Blasebälgen der Schnepper genannt wird.


Schnerf (W3) [Adelung]


Der Schnerf, des -es, plur. die -e, ein mit Schnarre, so fern es den Wachtelkönig bezeichnet, gleichbedeutendes und von demselben nur im Endlaute verschiedenes Wort, S. Schnarre.


Schnerkel (W3) [Adelung]


Der Schnerkel, S. Schnörkel.


Schneutzen (W3) [Adelung]


Schneutzen, S. Schnäutzen.


Schneyen (W3) [Adelung]


Schneyen, verb. r eg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches aber nur unpersönlich gebraucht wird. Es schneyet, es fällt Schnee; es schneyete; es hat geschneyet; es wird schneyen; es will schneyen. Wenns vom Libano herab schneyet, Jerem. 18, 14. So auch das Schneyen. Anm. Im Österreichischen schneiben, wo es irregulär gehet, es schnieb, hat geschnieben; im Nieders. snigen, im Schwed. snöa, im Angels. snivan, im Griech. ohne Zischlaut - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . (Siehe Schnee.) Im Oberdeutschen wird dieses Zeitwort irregulär abgewandelt, so wie speyen; es schnie, es hat geschnien, welche Form auch im gemeinen Leben der Hochdeutschen gehöret wird, wo man nach Art der Niederdeutschen auch wohl geschnigen sagt.


Schnibbe (W3) [Adelung]


Die Schnibbe, S. Schneppe.


Schnicken (W3) [Adelung]


Schnicken, verb. reg. neutr. et act. welches von schnellen nur im Endlaute verschieden ist, und als das Diminutivum desselben angesehen werden kann, wenigstens nur von dem Schnellen oder der elastischen Bewegung kleiner Körper gebraucht wird. Die Feldhühner schnicken mit den Schwänzen, wenn sie selbige schnell und mit einer gewissen Federkraft auf- und niederbewegen, welches bey den Jägern auch schnippen genannt wird, von dem Nieders. snippen, schnellen. Die Vögel schnicken das Wasser, die Körner umher, wenn sie selbige mit dem Schnabel herum schnellen. So auch das Schnicken.

Anm. Es ist so wie schnippen eine Onomatopöie, der Form nach aber ein Intensivum von nicken. Nach andern Onomatopöien ist snicken im Niedersächsischen so wohl schluchsen, nach der Lust schnappen, als auch ersticken. Versnicken ist daselbst verschneiden.


Schnickschnack (W3) [Adelung]


+ Der Schnickschnack, des -es, plur. car. ein nur in den gemeinen Sprecharten Niederdeutschlandes übliches Wort, ein albernes, thörichtes Geschwätz zu bezeichnen; von Schnack, ein Geschwätz, vermittelst der im Niederdeutschen gewöhnlichen intensiven Wiederhohlung, wie Wibbelbabbel, Titeltatel u. s. f.


Schnieben (W3) [Adelung]


Schnieben, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert; Imperf. ich schnob; Mittelw. geschnobben. Es ist im Hochdeutschen veraltet, indem dafür schnaufen und schnauben üblicher sind, ob es gleich eigentlich einen feinern und gelindern Laut ausdruckt als diese. S. Schnauben und Schnaufen.


Schnipfeln,Schnippeln,Schnippern (W3) [Adelung]


Schnipfeln, Schnippeln, oder Schnippern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das Diminutivum von schnippen ist, aber nur im gemeinen Leben gehöret wird, mit der Schere in sehr kleine Stücke schneiden. Holländ. snipelen, snipperen, Nieders. snippeln, snippern, S. Schnippen.


Schnippchen (W3) [Adelung]


Das Schnippchen, des -s, plur. ut nom. sing. die Handlung, da man den mittlern Finger von dem Daumen in die Hand hinab schnippet oder schnellet, welchen Schall es eigentlich nachahmet. Ein Schnippchen schlagen. Jemanden ein Schnippchen schlagen, zum Zeichen des verachtenden Trotzes. Ich müßte wenig von ihnen gelernet haben, wenn ich nicht der ganzen Hölle ein Schnippchen schlagen wollte, Johann beym Lessing.

Anm. Es ist das Diminutivum von einem veralteten Schnipp, welches auch als eine Interjection gebraucht wird, einen ähnlichen Schall nachzuahmen. Im Nieders. ist dafür Knippchen üblich, von welchem das Hochdeutsche das Intensivum ist. In andern Gegenden sagt man dafür Schnipperling, der Schnall, Schnaller oder Schneller, die Schnalle, Schnalze, der Schnalzer und so ferner.


Schnippe (W3) [Adelung]


Die Schnippe, plur. die -n, ein aus dem Niederdeutschen entlehntes Wort, welches auch einige Hochdeutsche für Schneppe gebrauchen, S. dasselbe.


Schnippeln (W3) [Adelung]


Schnippeln, S. Schnipfeln.


Schnippen (W3) [Adelung]


Schnippen, verb. reg. welches eine unmittelbare Nachahmung des Lautes ist, welchen die Interjection Schnipp ausdruckt, daher es in verschiedenen Fällen gebraucht wird, wo dieser Laut Statt findet. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, diesen Laut von sich geben, hervor bringen. 1) Bey den Jägern wird es von einem gewissen Laute der Schwarzamseln gebraucht, welchen sie machen, wenn sie des Morgens oder Abends ein wildes Thier gewahr werden. Die Amsel schnippt. 2) Ein Schnippchen schlagen heißt in vielen Gegenden gleichfalls schnippen. Jemanden vor die Nase schnippen. Nieders. knippen. ( S. Schnippchen.) 3) Ein Brett schnippt in die Höhe, wenn es in die Höhe kippt, mit Schnellkraft in die Höhe fähret, wo es von kleinern Körpern, oder einem schwächern Laute gebraucht wird als schnappen. II. Als ein Activum, solche Veränderungen in den Körpern vornehmen, welche sich durch diesen Laut vornehmlich bezeichnen. 1) Mit der Schere zu kleinen Stücken schneiden oder beschneiden, wo es den Laut der Schere genau nachahmet. Die Tuchmacher beschnippen das Tuch, wenn sie die Spitzen der Wolle mit der Schere abschneiden. Diminutiva davon sind schnippeln, schnipseln und schnippern, das Vergrößerungswort aber schnuppen wird von dem Lichte gebraucht. 2) Mit Schnellkraft fortstoßen, wo es von größern Dingen als schnicken und von kleinern als schnellen gebraucht wird, von beyden aber sich nur im Endlaute unterscheidet. Die Feldhühner schnippen mit dem Schwanze, wenn sie denselben mit Schnellkraft auf und nieder bewegen. So auch das Schnippen.


Schnippern (W3) [Adelung]


Schnippern, S. Schnipfeln.


Schnippisch (W3) [Adelung]


Schnippisch, S. Schnäppisch.


Schnirkel (W3) [Adelung]


Der Schnirkel, S. Schnörkel.


Schnitt (W3) [Adelung]


Der Schnitt, des -es, plur. die -e, Diminut. welches doch nur in den concreten Bedeutungen, außer im Scherze auch in der abstracten, üblich ist, das Schnittchen, Oberd. Schnittlein; von dem Zeitworte schneiden, oder vielmehr von dessen veralteten Intensivo schnitten. 1. Als ein Abstractum, die Handlung des Schneidens; eigentlich ohne Plural, außer wenn es als ein Concretum von einzelnen Handlungen gebraucht wird. 1) Eigentlich. Einen Bruch durch den Schnitt heilen. Den Stein in der Blase durch den Schnitt operiren. Einen Schnitt vornehmen. Jemanden auf den Schnitt heraus fordern, eine bey den Matrosen übliche Art des Zweykampfes, wo sie sich mit krummen Matrosenmessern schneiden, welches auch ein Schnittchen machen heißt. Der Schnitt in den Weinbergen, das Beschneiden der Weinreben; den Schnitt vornehmen. Der Schnitt in der Ernte, das Abschneiden des Wintergetreides mit der Sichel, daher in denjenigen Gegenden wo man sich der Sichel bedienet, auch wohl die ganze Ernte der Schnitt genannt wird. 2) Figürlich. (a) Die Art und Weise zu schneiden, wo es häufig von künstlichen Arten zu schneiden gebraucht wird. Ein Schneider hat einen guten Schnitt, wenn er einem Kleide im Zuschneiden eine gute Gestalt zu geben weiß. Es ist gut den Schnitt an fremden Tuche zu lernen, durch eines andern Schaden klug zu werden. Alte Schnitte von Kleidern und Hauben, alte Moden in Ansehung der Gestalt, so fern selbige von dem Schnitte herrühret. Auch die Art und Weise, wie ein Form- oder Holzschneider sein Instrument führet, wird der Schnitt genannt. (b) Ein unerlaubter Gewinn, unbilliger Profit. Seinen Schnitt bey etwas machen, wo man auch wohl im Diminut. Schnittchen sagt. Den Schnitt verstehen, sich auf den Schnitt verstehen; ( S. Schneiden.) (c) So fern schneiden und aufschneiden für prahlen gebraucht werden, ist Schnitt auch die Handlung des Prahlens; ingleichen eine Prahlerey. Das war ein Schnitt! Große Schnitte thun, sehr prahlen. 2. Als ein Concretum. 1) Die durch das Schneiden verursachte Wunde oder Vertiefung. Die Schnitte des Messers auf einem zinnernen Teller. Der Schnitt des Diamanten in das Glas. Bey den Kupferstechern sind die Schnitte die mit dem Grabstichel oder der Nadel gemachten Züge. Wenn man ein Gemählde copiert, so müssen die ersten Schnitte dem Pinsel folgen. Ungleiche Schnitte machen eine schönere Arbeit, als wenn sie von gleicher Stärke sind. Einen Schnitt im Gesichte, auf der Hand haben. Einem einen Schnitt geben, aus Unvorsichtigkeit oder Zorn; der Wundarzt hingegen macht einen Schnitt, wenn er aber den Schnitt vornimmt, so ist es das vorige Abstractum. Figürlich werden auch manche einem Schnitte ähnliche Vertiefungen Schnitte genannt. z. B. die Schnitte in der Hand, die vertieften Linien. ( S. auch Einschnitt.) 2) Ein abgeschnittenes Stück; wohl nur von Speisen. Ein Schnitt Brot, Fleisch, Braten. Der Pfaffenschnitt, das beste Stück an einer Fleischspeise, z. B. die Brust von einer gebratenen Gans. Ein Schnittchen Schinken, ein kleines abgeschnittenes Stück. ( S. auch Schnitte und Schnitz.) 3) Ein durch Schneiden hervor gebrachtes Ding; nur in einigen Fällen. Ein papiernes Muster, welches nach einem Dinge abgeschnitten worden, heißt bey den Nähterinnen, Putzmacherinnen, Schneidern u. s. f. der Schnitt. Eine in Holz geschnittene Figur und deren Abdruck heißt ein Holzschnitt. 4) Der Ort, wo etwas abgeschnitten, oder eine Sache beschnitten worden. Ein Reis in den Schnitt oculiren, in die Stelle, wo ein Ast, oder ein junger Baum abgeschnitten worden. Ein Buch mit vergoldetem Schnitte. Anm. Schon bey dem Willeram Snit. S. Schneiden.


Schnitte (W3) [Adelung]


Die "Schnitte", plur. die -n, Diminut. das "Schnittchen", Oberd. "Schnittlein", ein von dem vorigen in dessen concreten Bedeutung nur im Endlaute verschiedenes Wort, ein abgeschnittenes Stück; wo es doch nur wie Schnitt von abgeschnittenen flachen Stücken Speisen gebraucht wird. Eine Schnitte Brot, Braten u. s. f. Die Butterschnitte, ein abgeschnittenes flaches, mit Butter beschmiertes Stück Brot, (S. Bämme.) Semmelschnitten in Butter rösten. Nieders. Snede, schon bey dem Ottfried "Snittu", bey dem Notker "Snitu".


Schnitter (W3) [Adelung]


Der Schnitter, des -s, plur. ut nom. sing. in der Landwirthschaft derjenigen Gegenden, wo das Getreide mit der Sichel geschnitten wird, diejenigen Arbeiter, welche solches verrichten, und die, wo man statt des Schneidens mähet, Mäher oder Mähder heißen. Es ist von dem veralteten Zeitworte schnitten, wofür wir jetzt schneiden sagen, von welchem in andern Bedeutungen Schneider üblich ist.


Schnitterurtheil (W3) [Adelung]


Das Schnitterurtheil, des -es, plur. die -e, in den Rechten, dasjenige Urtheil, welches gesprochen wird, wenn die Gründe des Beklagten und Klägers einander gleich sind, und selbige gleichsam auf gleiche Art getheilet werden. Bequeme Urtheilsverfasser sind wegen solcher Schnitterurtheile berühmt.


Schnitthobel (W3) [Adelung]


Der Schnitthobel, des -s, plur. ut nom. sing. der Hobel der Buchbinder, womit die Bücher beschnitten werden, und welcher auch der Beschneidhobel heißt.


Schnittholz (W3) [Adelung]


Das Schnittholz, des -es, plur. inus. im Weinbaue, abgeschnittene Reben, welche als Fächser eingeleget werden können; Schnittlinge, Knotholz.


Schnittkohl (W3) [Adelung]


Der Schnittkohl, des -es, plur. car. eine Art Kohles ohne Köpfe, welcher sich mehrmahls abschneiden läßt, und immer wieder nachwächst. Er ist eine Abart der Brassica oleracea Napobrassica L.


Schnittmesser (W3) [Adelung]


Das Schnittmesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Messer, welches zu einer besondern Art des Schneidens gebraucht wird. So heißt das Schneidemesser, oder Messer mit zwey Handhaben, dessen sich die Böttcher, Wagner und andere Holzarbeiter bedienen; in vielen Gegenden auch das Schnittmesser. Auch das Rebmesser der Winzer ist unter diesem Nahmen bekannt.


Schnittsalat (W3) [Adelung]


Der Schnittsalat, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in der Haushaltung, ein jeder Salat, welchen man nahe an einander und nur um deßwillen säet, um im Frühlinge die ersten Blätter davon abzuschneiden; Stechsalat.


Schnittzwiebel (W3) [Adelung]


Die Schnittzwiebel, plur. die -n, bey den Gärtnern, versetzte Zwiebeln, an welchen die Blätter um des bessern Wachsthumes willen verschnitten worden.


Schnitz (W3) [Adelung]


Der Schnitz, des -es, plur. die -e, Dimin. das Schnitzchen, Oberd. Schnitzlein, von dem Zeitworte schnitzen. 1) Ein im Gestalt einer Scheibe abgeschnittenes Stück heißt, besonders in den Küchen, ein Schnitz. Äpfelschnitze, Äpfelschnitte, Äpfelscheiben. Dürre Schnitze, gedörrte Äpfelschnitte. Es wird gemeiniglich nur von dünn oder klein geschnittenen Stücken gebraucht, wodurch es sich von Schnitt und Schnitte unterscheidet; daher auch kleine durch Schneiden oder Schnitzen gemachte Späne im Dimin. Schnitzchen und Schnitzlein heißen; Papierschnitzlein. In der Lausitz wird bald verdorbenes Obst, welches man im Ofen oder an der Sonne dörret, Schnitz genannt, wo man es aber von dem Wendischen Mittelworte snity, verdorben, von sniju, verderben, herleitet. 2) In einigen Oberdeutschen Gegenden, besonders der Schweiz, wird die Accise der Schnitz genannt, wo es aber eine bloß buchstäbliche Übersetzung dieses fremden Wortes ist, S. Accise.


Schnitzbank (W3) [Adelung]


Die Schnitzbank, plur. die -bänke, eine hölzerne Bank mit einem beweglichen Tritte, deren sich die Böttcher, Wagner und andere Holzarbeiter bedienen, das Holz darauf mit dem Schneidemesser, Schnittmesser oder Schnitzmesser zu bearbeiten; die Schneidebank, Schnittbank, in einigen Gegenden die Heinzelbank.


Schnitzeln (W3) [Adelung]


Schnitzeln, verb. reg. neutr. et act. welches im erstern Falle das Hülfswort haben bekommt. Es ist das Diminutivum von schnitzen, oft und viel an einer Sache schneiden, und zwar so, daß nur kleine Schnitte geschehen, oder kleine Späne abfallen; wo es doch mehr von einem unnützen als künstlichen Schneiden dieser Art gebraucht wird, welcher Nebenbegriff eine Figur der verkleinernden Form zu seyn scheinet, Nieders. snitjen.


Schnitzen (W3) [Adelung]


Schnitzen, verb. reg. act. welches das Intensivum von dem veralteten schnitten, jetzt schneiden, ist, aber nur noch von demjenigen künstlichen Schneiden gebraucht wird, wenn erhabene Figuren oder Zierathen in Holz geschnitten werden. Salomo ließ Cherubim schnitzen an die Wände, 2 Chron. 3, 7. Er schnitzet das Holz mit Fleiß und bildets nach seiner Kunst, Weish. 13, 13. Daher das Schnitzen. Daß es ehedem in weiterm Verstande üblich gewesen, erhellet aus den folgenden.


Schnitzer (W3) [Adelung]


Der Schnitzer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Derjenige, welcher schnitzt. Der Bildschnitzer ist daher derjenige Künstler, welche erhabene Figuren aus Holz schnitzet, wohin auch der Bildhauer gehöret. 2) Ein Werkzeug zum Schnitzen. So ist der Schnitzer der Tischler ein Messer mit einem langen Hefte, welcher auf die Achsel gelegt wird, Vertiefungen damit auszuschneiden. Der Schleißenschnitzer ist ein eigenes Messer, die Schleißen damit zu schneiden. Der Schnitzer der Kammmacher ist ein gekrümmtes Messer, das Horn damit zu beschaben. In welchen Fällen schnitzen noch die weitere Bedeutung für oft und viel schneiden überhaupt zu haben scheinet. 3) Ein Schnitt, welchen Sinn die Endsylbe -er gar oft hat. In dieser Bedeutung ist es zwar im eigentlichen Verstande nicht üblich, wird aber doch noch im figürlichen gebraucht, ein Fehler, am häufigsten wider die Sprachkunst, eigentlich ein fehlerhafter Schnitt. Ein Donat-Schnitzer, ein Fehler wider die Lateinische Grammatik, ein Sprachschnitzer, ein Fehler wider die Sprachkunst. Einen Schnitzer machen. Die ähnlichen Pock, Pudel, schlägeln, gründen sich auf ähnliche Figuren.


Schnitzern (W3) [Adelung]


Schnitzern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, von dem vorigen Worte in dessen letzten Bedeutung, einen Schnitzer machen, d. i. einen Fehler, besonders wider die Regeln der Sprachkunst, begeben. Daher das Schnitzern.


Schnitzkunst (W3) [Adelung]


Die Schnitzkunst, plur. inus. die Kunst, erhabene Figuren aus Holz zu schnitzen, wovon die Bildhauerkunst ein Theil ist.


Schnitzmesser (W3) [Adelung]


Das Schnitzmesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Messer zum Schnitzen; in der veralteten weitern Bedeutung dieses Zeitwortes. So heißt der Schnitzer der Tischler auch das Schnittmesser, ingleichen das mit zwey Heften versehene Schneide- oder Schnittmesser vieler Holzarbeiter.


Schnitzwerk (W3) [Adelung]


Das Schnitzwerk, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein Collectivum, erhabene, aus Holz geschnitzte Figuren oder Zierathen, halb rundes Bildwerk. An allen Wänden des Hauses ließ Salomo Schnitzwerk machen, 1 Kön. 6, 29.


Schnöbisch (W3) [Adelung]


Schnöbisch, adj. et adv. in einigen Gegenden, von den Pferden, mit dem Rotz behaftet, rotzig. S. Rotz.


Schnöde (W3) [Adelung]


Schnöde, -r, -ste, adj. et adv. welches in doppelter Bedeutung vorkommt. 1) In einer subjectiven, weder den innern Werth noch die gehörige Güte habend, schlecht, untauglich. Snode Vestin, schlechte, untaugliche Festungen, bey dem Jeroschin. Schnöde Waare, schlechte, untaugliche, im Oberdeutschen. Was schnöde war, verbanneten sie, 1 Sam. 15, 9. In weiterer Bedeutung, niedrig, geringe, verächtlich. Schnöden Geschlechtes seyn, bey dem Frisch, von niedriger Herkunft. Schnöde Werke, bey dem Kaisersberg, verächtliche, geringe Arbeiten. Herr, siehe doch und schaue, wie schnöde ich werden bin, wie verächtlich, Klagel. 1, 11. Ein Mensch, der ein Greuel und schnöde ist, der Unrecht säuft wie Wasser, Hiob 15, 16, verächtlich, lasterhaft. Der schnöde Julian, Canitz. In dieser subjectiven Bedeutung ist es im Hochdeutschen größten Theils veraltet, außer daß man es noch zuweilen mit einigen Hauptwörtern, besonders in der Poesie, gebraucht, ihre eitele und folglich verächtliche Beschaffenheit anzudeuten. Der Wust, der schnöde Grauß, Der ganzen Erden Spott, Opitz. Was edle Seelen Wollust nennen, Vermischt mit schnöden Lüsten nicht, Haged. 2) In einer objectiven, sein Urtheil eines andern verächtlichen Beschaffenheit durch Worte und Handlungen auf eine ihm empfindliche Art an den Tag legend, und darin gegründet; verächtlich. Jemanden schnöde begegnen, ihn schnöde halten. Einem schnöde Worte geben. Die schnödesten Worte von jemanden anhören müssen.

Anm. Im Niedersächsischen, doch nur in einigen Gegenden, z. B. im Osnabrückischen, in der letzten Bedeutung snäe, und in der ersten snode für schlecht. Die Abstammung dieses Wortes ist noch ungewiß, weil mehrere Stämme mit fast gleichem Rechte darauf Anspruch machen können. Frisch leitet es von schnäutzen her, was man als Unreinigkeit der Nase wegwirft; eine Ableitung, die zu unanalogisch und schmutzig ist, als daß sie Aufmerksamkeit verdiente. Bey dem Notker ist Snudu Verhöhnung, und snuden verhöhnen, verspotten, eigentlich wohl die Nase aus Verachtung rümpfen, welches denn wohl das Stammwort von unserm inten- siven schnauzen seyn, und von dem alten Schnud, jetzt Schnautze, abstammen könnte, sich aber auch zu der ersten, allem Anscheine nach ältesten subjectiven Bedeutung nicht schicken will. Im Schwed. ist Nid Schande, Laster, Isländ. Nyth, bey dem Ulphilas Naitains Lästerung, im Angels. Nith Bosheit, im Griech. mit dem müßigen Vorschlage - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Schande, denen allen nur der Zischlaut mangelt, und welche, wie fast alle ähnlichen Wörter, zunächst körperliche Verstümmelung bezeichnen, und mit schneiden Eines Stammes zu seyn scheinen. Ferner ist im Schwed. sned schief, und das Hauptwort Sned die schiefe Richtung, und figürlich Betrug Ränke. Alle diese Wörter könnten nicht unbequeme Ableitungen abgeben, wenn wir nicht in eben dieser mit der Deutschen so nahe verwandten Sprache eine noch wahrscheinlichere hätten; denn in dieser ist snöd, Isländ. snaudur, eigentlich nackend, und denn im figürlichen Verstande arm, dürftig, eitel, verächtlich, schlecht, boshaft; snöda werld, die schnöde, d. i. eitle und verächtliche, Welt. Aus dieser Sprache erhellet nun, daß auch unser schnöde eigentlich nackend, bloß bedeutet, und von dem Latein. nudus, vielleicht auch von unserm Noth, wenigstens in einigen Bedeutungen, nur in dem intensiven Zischlaute verschieden ist. ( S. das folgende.) Ein ganz anderes Wort ist das Nieders. snöde, snöe, witzig, schlau, Angels. snoter, snotor, weise, welches vermuthlich von dem Angels. snude, hurtig, schnell, abstammet.


Schnödigkeit (W3) [Adelung]


* Die Schnödigkeit, plur. inus. der Zustand, die Eigenschaft, da ein Ding schnöde ist, wo es in der ersten Bedeutung eben so selten gebraucht wird, als das Beywort. In einem 1477 zu Augsburg gedruckten Buche werden die Schamtheile die Schnödigkeit genannt, eigentlich, die Blöße.


Schnörkel (W3) [Adelung]


Der Schnörkel, des -s, plur. ut nom. sing. Dimin. das Schnörkelchen, eine Schneckenlinie, ja eine jede auf ähnliche Art krumm geschlungene oder gezogene Linie, wo es in manchen Sprecharten auch Schnerkel und Schnirkel lautet. So sind in der Baukunst, und bey den Bildschnitzern Schnörkel Verzierungen, welche nicht allein aus Schneckenlinien, sondern auch aus Schlangenlinien in Gestalt eines Latein. S. bestehen. Wegen des Mißbrauches solcher Verzierungen, werden oft auch alle überflüssige und nach einem schlechten Geschmacke aus krummen Linien bestehende Zierathen Schnörkel genannt. Gewiß nicht von Schnecke, wie Frisch glaubt, denn das charakteristischer, welches allemahl seine hervorstechende Bedeutung hat, und hier wesentlich ist, ist ein natürlicher Ausdruck der kreisförmigen Bewegung. S. Schnurren.


Schnucke (W3) [Adelung]


Die Schnucke, plur. die -n, ein nur im Niederdeutschen übliches Wort, eine Art kleiner Schafe zu bezeichnen. S. 1 Schnacke.


Schnuffeln,Schnüffeln (W3) [Adelung]


Schnuffeln, oder Schnüffeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches so, wie die Sache selbst, nur in den niedrigen Sprecharten gehöret wird, und das verkleinernde Iterativum von schnaufen ist, den Athem in kurzen Absätzen und mit einem merklichen Laute durch die Nase einziehen. Daher etwas beschnüffeln, es auf solche Art beriechen, wie die Hunde, alles durchschnuffeln, es auf eine unanständige Art durchsuchen; lauter Blumen des großen Haufens. Die vergrößernden oder verstärkenden schnoppern, schnuppern, werden auf ähnliche Art gebraucht, (siehe Schnuppen.) Im Nieders. ist schnüffeln und ohne Zischlaut nüffeln auch durch die Nase reden; nieseln, Engl. to sauffle, Schwed. snöfla, im Oberd. schnorgeln.


Schnupfen (W3) [Adelung]


1. Schnupfen, von einer heftigen schnellen Bewegung, siehe 1 Schnuppen.


Schnupfen (W3) [Adelung]


2. Schnupfen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt, der Form nach ein Intensivum von schnauben, schnaufen ist, eigentlich aber den Laut nachahmet, welcher entstehet, wenn man die Luft mit verstärkter Heftig- keit durch die Nase einziehet, da es in den vertraulichen Sprecharten der Ober- und Niedersachsen auch schnuppen lautet. Schnupfen oder schnuppen, als ein Neutrum, die Luft mit Heftigkeit in die Nase ziehen, daher es im Oberdeutschen auch von einer solchen ungesitteten Art des Riechens gebraucht wird, wofür man in gemeinen Sprecharten der Hochdeutschen auch das Dimin. schnüffeln hat. Im Hochdeutschen gebraucht man schnupfen und schnuppen nur, auf eine solche Art mit der Luft in die Nase ziehen. Tobak schnupfen. Rappee, Saint Omer schnupfen. Daher das Schnupfen.

Anm. Nieders. ohne Intension schnuven, ( S. Schnauben.) Nach einer andern Onomatopöie ist schnupfen in einigen Gegenden auch schluchzen.


Schnupfen (W3) [Adelung]


Der Schnupfen, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. derjenige Zufall, da gewisse Feuchtigkeiten sich in dem Gehirne über der Nase häufen, sie mögen nun daselbst stocken, oder sich wirklich zertheilen und durch die Nase abfließen; in der vertraulichen Sprechart gleichfalls der Schnuppen, in einigen Gegenden auch der Schnopf, ingleichen im weiblichen Geschlechte, die Schnupfe, Schnuppe, die Schnaupe. Den Schnupfen haben. Sich den Schnupfen vertreiben. Wenn Schnupfen und Husten beysammen sind, so hat man dafür das Griechische Wort Katharr; die Niedersachsen haben ihre eigenen Benennungen Kage und Breke.

Anm. Die Benennung ist ohne Zweifel von einem solchen Schnupfen hergenommen, wobey die Feuchtigkeiten noch stocken, weil man dabey nicht nur durch die Nase redet, sondern auch den Athem mit Heftigkeit durch die Nase einziehet. Im Nieders. heißt der Schnupfen Snove, im Schwed. Snufva, im Oberd. die Strauchen, Straucken und der Schnuder.


Schnupftobak (W3) [Adelung]


Der Schnupftobak, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, Tobak zum Schnupfen, welchen man in die Nase schnupfet; zum Unterschiede von dem Rauchtobake.


Schnupftuch (W3) [Adelung]


Das Schnupftuch, des -es, plur. die -tücher, ein Tuch, die Nase damit zu reinigen, sich darein zu schnäutzen: von schnupfen, so fern es ehedem auch für schnäutzen gebraucht wurde, wie das Nieders. snuven noch jetzt. Im Oberd. ein Nasentuch, Nasenwischer, Nieders. Nasedok, Schwed. Näsduk.


Schnuppe (W3) [Adelung]


Die Schnuppe, plur. die -n, der ausgebrannte Docht von einem Lichte, welcher abgeschnuppet wird, oder abgeschnuppet worden; die Lichtschnuppe, Nieders. der Osel. S. 2. Schnuppen.


Schnuppen,Schnupfen (W3) [Adelung]


1. Schnuppen, oder Schnupfen, verb. reg. act. welches eigentlich ein Onomatopöie ist, und einen gröbern Laut als schnappen und schnippen ausdruckt, aber nur noch in einigen Fällen figürlich gebraucht wird. Das schnupft ihm vor die Nase, sagt man im gemeinen Leben, wenn jemand über einen unerwarteten unangenehmen Vorfall, besonders über eine unvermuthete Beleidigung mit Worten, betreten oder stutzig wird, wofür man auch verschnupfen gebraucht; das verschnupfte ihn, stieß ihn vor den Kopf, fuhr ihm in die Nase, welche R. A. sich auf ähnliche Figuren gründen. Es scheinet, daß schnuppen hier eigentlich einen unvermutheten Stoß oder Fall bezeichne, weil schnuppen im Oberd. und das verkleinernde snubbeln im Niederd. noch für straucheln üblich sind.


Schnuppen (W3) [Adelung]


2. Schnuppen, verb. reg. act. et neutr. wie 2 Schnupfen, siehe dasselbe. In einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes bedeutet es auch das Licht putzen; entweder als eine eigene Onomatopöie, oder auch nach eben der Figur, nach welcher auch schnäutzen in diesem Verstande gebraucht wird, S. dasselbe.


Schnur (W3) [Adelung]


1. * Die Schnur, plur. die -en, Diminut. das Schnürchen, Oberd. Schnürlein, ein im Hochdeutschen veraltetes, noch im Oberd. übliches Wort, des Sohnes Frau, die Schwiegertochter zu bezeichnen. Du sollt deiner Schnur Schaam nicht blößen, denn sie ist deines Sohnes Weib, 3 Mos. 18, 15; und so in andern Stellen mehr.

Anm. Im Tatian Snur, ohne Zischlaut im Lat. Nurus, im Ital. Nuora, im alt Franz. Nore, in der Provence Nouere. Es scheinet mit dem Hebr. Naar, ein Sohn, dem Lappländ. und Finnländ. Nuori, ein Sohn, Jüngling, und dem veralteten Deutschen nar, klein, wovon noch im Schwed. snert dünn, schmächtig, und im Nieders. nürig, nirig, klein und artig ist, abzustammen, weil Söhne und Schwiegertöchter in Ansehung der Ältern und Schwiegerältern doch allemahl als klein und jung betrachtet werden können.


Schnur (W3) [Adelung]


2. Die Schnur, plur. die Schnüre, Diminut. das Schnürchen, Oberd. Schnürlein, ein aus mehrern Fäden zusammen gedrehtes rundes Band von mittlerer Stärke, da denn die Schnur das Mittel zwischen dem schwächern Faden und der stärkern Leine u. s. f. hält. Ein Kleid mit Schnüren besetzen. Die Schnur um einen Hut, die Hutschnur. So auch Angelschnur, Radschnur u. s. f. In Nabelschnur siehet es figürlich wegen einiger Ähnlichkeit. Eine Art eines schleichenden Fiebers bey den Pferden, welches von einer Erhitzung herrühret, wird die Schnur genannt, weil sich bey dem Athemhohlen an jeder Seite nach den Rippen zu eine Rinne bildet, in welche man eine Schnur legen könnte. Besonders, so fern eine Schnur dazu dienet, gewisse Körper darauf zu reihen. Perlen, Korallen, Tobaksblätter u. s. f. auf eine Schnur ziehen. Da denn auch eine Menge solcher aufgereiheter Körper eine Schnur heißt. Eine Schnur Perlen, Korallen. Eine Schnur Tobak, auf eine Schnur gereihete Tobaksblätter. So auch Fruchtschnur und Blumenschnur in den schönen Künsten. Dahin scheinet auch die R. A. zu gehören, etwas an einem Schnürchen haben, Fertigkeit darin besitzen. Ich kan wunder an der Snuere Ich kan vliegen und verliessen u. s. f. Burkhard von Hohenfels. Ingleichen, so fern eine ausgespannte Schnur den Werkleuten, Gärtnern u. s. f. dienet, gewissen Körpern eine gerade Richtung zu geben; die Richtschnur. Bäume nach der Schnur setzen. Daher schnurgleich, schnurgerade, so gleich, so gerade, als wenn es nach der Schnur gemacht wäre. Ingleichen die figürlichen R. A. Nach der Schnur leben, ordentlich, nach der Regel oder Vorschrift. Alles nach der Schnur haben wollen, pünctlich und ordentlich. Über die Schnur hauen, das gehörige Maß der Menge, der Billigkeit, der Wahrscheinlichkeit u. s. f. überschreiten. Wie auch, so fern sie zum Wissen gebraucht wird, für Meßschnur. Etwas mit der Schnur ausmessen. Daher im Bergbaue die Schnur auch ein Leben von sieben Lachtern ist. In der R. A. von der Schnur zehren oder leben, d. i. von dem vorher ersparten oder erworbenen Vermögen müßig leben, ist es ein wenig dunkel. Frisch erklärt sie aus dem ehemahligen Gebrauche, besonders gemeiner Leute, ihre Gold- und Silbermünzen zusammen zu biegen, sie an eine Schnur zu reihen, und zur Zierde um den Hals zu tragen. Daß indessen das Wort Schnur hier noch eine andere Erklärung leide, ist schon in der Anmerkung zu dem Worte Schmarotzen beygebracht worden.

Anm. Schon in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Snur, im Nieders. Snoor, wo auch Snirre eine Schlinge, Dohne ist, im Schwedischen Snara und Snöre, im Böhmischen und Pohlnischen Sznur, im Finnischen ohne Zischlaut Nuora, woraus die Verwandtschaft mit dem Griechischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und Latein. Nervus erhellet. Es scheinet, daß die Zusammendrehung, welche zu einer Schnur nothwendig ist, der Grund ihrer Benennung sey, so daß dieses Wort zu dem Nieders. snar, schnell, schnurren und andern ähnlichen gehöret, in welchen eine schnelle Bewegung, besonders in die Runde, der Stammbegriff ist.


Schnürband (W3) [Adelung]


Das Schnürband, des -es, plur. die -bänder, ein Band, oder eine Schnur, gewisse Kleidungsstücke damit zusammen zu schnüren; im Oberd. die Schnürnestel, der Schnürsenkel. Ist ein solches Band von Leder, so heißt es ein Schnürriemen.


Schnürbrust (W3) [Adelung]


Die Schnürbrust, plur. die -brüste, Diminut. das Schnürbrüstchen, Oberd. Schnürbrüstlein, eine aus nahe an einander geschobenen Fischbeinstäben verfertigte Bekleidung der Brust bey dem andern Geschlechte, welche auf dem Rücken zugeschnüret wird. Ein Schnürlein ist noch davon unterschieden.


Schnuren (W3) [Adelung]


Schnuren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in der Jägerey von dem Wolfe, dem Luchse und Fuchse üblich ist, welche im Traben die Tritte so schnurgerade nach einander setzen, als kein anderes Thier thun kann. Der Wolf schnurret. Daher die Spur dieser Thiere daselbst auch das Schnuren heißt.


Schnüren (W3) [Adelung]


Schnüren, verb. reg. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es nur im Bergbaue üblich ist, wo zwey Zechen mit einander schnüren, wenn sie mit einander gränzen, nahe an einander liegen; vermuthlich auch als eine von der Meßschnur, womit ihre Gränzen bestimmt werden, hergeleitete Figur. S. Schnurnachbar. II. Als ein Activum, mit einer Schnur befestigen, auf eine Schnur reihen, mit der Schnur zeichnen u. s. f. 1) Einem Dinge die Schnur anlegen; eine nur in einigen Fällen übliche Bedeutung. Eine Wage schnüren, sie mit Schnüren versehen. Ein Thier männlichen Geschlechtes schnüren, ihm die Hoden mit einer Schnur abbinden; eine Art des Castrirens. Einen Missethäter schnüren, eine Art der Tortur, da ihm schwache Schnüre um die Arme geleget und selbige fest zugezogen werden. Das Schnüren mit vollen Banden, der höchste Grad dieser Tortur. Nicht so schmerzhaft ist in einem andern Verstande das bey einigen Arbeitsleuten übliche Schnüren der Zuschauer oder Fremden, wenn man sie mit einer Schnur umgiebet, oder eine Schnur vor den Ausgang spannet, um ein Trinkgeld von ihnen zu erhalten, ( S. Anbinden.) Vermuthlich ist es eine Figur dieses Gebrauches, wenn schnüren oft für prellen und schnellen gebraucht wird, d. i. jemanden mit List oder unter einem falschen Vorwande um sein Geld bringen, wenn es hier nicht vielmehr zu dem Nieders. snar, geschwinde, schnell, gehöret, und so wie schnellen eine Figur der Geschwindigkeit ist. 2) Mit einer durchgezogenen Schnur befestigen. Den Mantelsack auf das Pferd schnüren. Besonders in den Zusammensetzungen abschnüren, anschnüren, aufschnüren u. s. f. Die Schnürbrust lockerer schnüren. Daher in engerer Bedeutung sich schnüren bey dem andern Geschlechte so viel ist, als eine Schnürbrust oder ein Schnürleib tragen; geschnürt gehen. Sich lockerer, sich fester schnüren, die Schnürbrust, das Schnürleib lockerer oder fester schnüren. Ein geschnürter Styl, eine Art des gezwungenen Styls, der gleichsam so steif ist, wie ein geschnürtes Frauenzimmer. 3) Mit der Richtschnur zeichnen. So schnüren die Zimmerleute, Maurer u. s. f. wenn sie gerade Linien vermittelst einer gefärbten Schnur machen. In einigen Zusammensetzungen, z. B. abschnüren, bedeutet es zuweilen auch, mit einer Schnur abmessen. 4) Auf eine Schnur reihen; eine am häufigsten in Niedersachsen übliche Bedeutung. Doch schnüret man auch in Obersachsen die Tobaksblätter, wenn man sie auf eine Schnur reihet. So auch das Schnüren.

Anm. Im Nieders. snören und snirren, im Schwed. snöra. Es scheinet unmittelbar von Schnur gebildet zu seyn.


Schnurfeuer (W3) [Adelung]


Das Schnurfeuer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Feuerwerkskunst, eine Art eines künstlichen Feuers, welches an einer Schnur herab läuft.


Schnurgerade (W3) [Adelung]


Schnurgerade, adj. et adv. so gerade, als wenn es nach der Schnur oder Richtschnur gemacht wäre.


Schnürhaken (W3) [Adelung]


Der Schnürhaken, des -s, plur. ut nom. sing. S. Schnürkette.


Schnürholz (W3) [Adelung]


Das Schnürholz, des -es, plur. die -hölzer, ein Werkzeug von seinem Holze oder Elfenbein, die runden Schnüre damit zu verfertigen.


Schnürkasten (W3) [Adelung]


Der Schnürkasten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Stück des weiblichen Schmuckes, welches in einem einzeln gefaßten Edelsteine bestehet, durch welchen das an einer saubern Schnur geknüpfte Angehenk fest um den Hals geschnüret wird.


Schnürkette (W3) [Adelung]


Die Schnürkette, plur. die -n, eine Kette, etwas damit zuzuschnüren. Ehedem pflegte das andere Geschlecht den Schnürleib oder andere Kleidungsstücke mit goldenen oder silbernen Ketten zuzuschnüren, da denn statt der Schnürlöcher eigene Schnürhaken an den Kleidungsstücken befestiget wurden.


Schnürleib (W3) [Adelung]


Das Schnürleib, des -es, plur. die -er, Diminut. das Schnürleibchen, ein Leib oder Leibchen, d. i. enges nach dem Leibe gemachtes Kleidungsstück des andern Geschlechtes, welches mit Fischbein ausgesteifet ist, nur den Oberleib bis an die Brust bedeckt, und entweder auf dem Rücken oder auch vorn zugeschnüret wird; Nieders. das Brustleib. Die Schnürbrust ist weit mehr ausgesteift und an der Brust mehr gewölbet.


Schnürloch (W3) [Adelung]


Das Schnürloch, des -es, plur. die -löcher, runde beschlungene Löcher an denjenigen Kleidungsstücken, welche vermittelst einer Schnur zusammen gezogen werden.


Schnurmühle (W3) [Adelung]


Die Schnurmühle, plur. die -n, ein künstlicher Weberstuhl, auf welchem ein Arbeiter viele Schnüre zugleich verfertigen kann.


Schnurnachbar (W3) [Adelung]


Der Schnurnachbar, des -s, plur. die -n, im Bergbaue, der nächst angränzende Besitzer einer Zeche, dessen Zeche mit des andern seiner schnüret.


Schnürnadel (W3) [Adelung]


Die Schnürnadel, plur. die -n, eine starke stumpfe Nadel in Gestalt einer Nähnadel, Schnüre damit durch die Schnürlöcher zu ziehen; im Oberd. die Nestelnadel, Nieders. Snörpinn.


Schnürnestel (W3) [Adelung]


Die Schnürnestel, plur. die -n, S. Schnürband und Nestel.


Schnurrbart (W3) [Adelung]


Der Schnurrbart, des -es, plur. die -bärte, ein Bart auf der Oberlippe; der Knebelbart, Schweitzerbart, in Baiern Ratzenbart, vielleicht für Raizenbart. Ingleichen, derjenige, welcher einen solchen Bart trägt. Ohne Zweifel von dem noch im Niedersächsischen gangbaren Schnurre, die Nase, Schnautze, weil sich ein solcher Bart unmittelbar unter der Nase befindet. S. die Schnurre.


Schnurre (W3) [Adelung]


Der Schnurre, des -n, plur. die -n, in den gemeinen Sprecharten einiger Orten, einen Wächter für die öffentliche Ruhe auf den Gassen, besonders zu Nachtzeit, einen Häscher, zu bezeichnen. Vielleicht von den Schnurrbärten, welche sie an manchen Orten wirklich tragen, daher auch auf einigen Universitäten die Soldaten, so fern sie gleichfalls Schnurrbärte tragen, zum Spotte Schnurren genannt werden.


Schnurre (W3) [Adelung]


Die Schnurre, plur. die -n. 1. Von dem Zeitworte schnurren, ein Werkzeug, womit man schnurret, ein schnurrendes Ding. 1) Eigentlich. So wird die Nase und das Maul im Niedersächsischen noch häufig die Schnurre genannt, weil damit in manchen Fällen gleichfalls ein schnurrender Laut hervor gebracht wird. Jemanden über die Schnurre hauen, im Niedersächsischen auch figürlich, ihn anfahren; ihn anschnurren. Schnautze, Schnabel, und ohne Zischlaut Nase, das Nieders. Nes u. s. f. sind nur in den Endlauten verschieden, welche Verschiedenheit denn freylich auf verschiedenen Onomatopöien beruhet. Eine Schnarre, welche eine groben dumpfigen Laut verursacht, wird noch sehr häufig eine Schnurre genannt, welchen Nahmen auch ein schnurrendes Spinnrad u. s. f. im verächtlichen Verstande bekommt. 2) Figürlich. Schlechtes Hausgeräth heißt im gemeinen Leben häufig Schnurren, vielleicht wegen des schnurrenden Lautes, welchen es im Hantiren macht, um welches willen es auch Gerümpel genannt wird. In weiterm Verstande ist Schnurre ein jedes schlechtes elendes Ding seiner Art. ( S. auch Schnurrpfeife.) 2. Ein scherzhafter Einfall, eine lächerliche Erzählung, eine Posse in Worten, heißt im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, eine Schnurre. Allerley Schnurren vorbringen. Da die gleichbedeutenden Schnake, Schwank u. s. f. insgesammt zunächst lächerliche gaukelhafte Bewegungen, und noch näher nach ihrem Ursprunge, schnelle Bewegungen überhaupt bedeuten, so scheinet auch Schnurre in dieser Bedeutung auf ähnliche Art gebildet zu seyn, da es denn zu schnurren, so fern es der Ausdruck einer schnellen kreisförmigen Bewegung, ja einer jeden schnellen Bewegung ist, und zu dem Schwed. und Nieders. snar, snarre, schnell, hurtig, gehören würde. S. auch Schnurrig.


Schnurren (W3) [Adelung]


Schnurren, verb. reg. welches ursprünglich eine unmittelbare Onomatopöie ist, und einen dumpfigen brummenden zitternden Ton nachahmet, der von gröberer Art als schnarren und das Nieders. schnirren ist. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, diesen Ton von sich geben oder hervor bringen. 1. Eigentlich. Die Maykäfer schnurren im Fliegen, ein altes Spinnrad schnurrt, an manchen Orten schnurren die Nachtwächter mit einer Schnurre. In Dithmarsen schnurren auch die Säue, wenn sie in der Brunst sind, und da man ehedem dieses Zeitwort von mehrern Arten der menschlichen und thierischen Laute gebrauchte, so wird die Schnautze daher im Nieders. noch jetzt die Schnurre genannt. 2. Figürlich. 1) Da eine schnelle kreisförmige Bewegung sehr oft mit einem schnurrenden Laute verbunden ist, so ist schnurren in einigen Gegenden auch, sich schnell im Kreise bewegen, und in weiterer Bedeutung, sich nach jeder Richtung schnell bewegen, daher snar, snarre, snarrig, im Nieders. schnell bedeutet. Schnell, hurtig, rasch u. s. f. gründen sich auf ähnliche Onomatopöien. ( S. auch Schnörkel.) 2) Jemanden anschnurren, ihn heftig anfahren, im Nieders. ihn über die Schnurre hauen; wo schnurren auf ähnliche Art gebraucht wird, wie brummen. Wenn aber schnurren in manchen Gegenden auch bedeutet, seinen Unwillen durch ein mürrisches Stillschweigen an den Tag legen, so scheinet es unmittelbar von dem Nieders. Schnurre, die Schnautze, wie das gleichbedeutende maulen von Maul, abzustammen. 3) Zusammen schnurren, zusammen trocknen, im dürre werden einkriechen. Vielleicht auch als eine Figur von schnurren, sich schnell bewegen, eigentlich schnell einkriechen. Bey dem Hornegk ist schnerfen zusammen ziehen. II. Als ein Activum, wo es nur in den gemeinen Sprecharten theils für betteln, theils auch wohl für listig stehlen, üblich ist. Schnurren gehen, betteln, in der Rothwälschen Diebessprache schnorren, daher ein Betteljude daselbst ein Schnurrer genannt wird. Sich etwas schnurren, erbetteln, ingleichen es mausen. Einem etwas abschnurren, abbetteln. Nieders. snurren. Eben daselbst ist snoren so wohl schnarchen, als figürlich faulenzen. So auch das Schnurren. Anm. Niedersächs. snurren, Schwed. snorra. Schnarren, schnirren, schnorren, schnurren, wovon sie beyden mittelsten nur in den Mundarten gangbar sind, sind nur in der Höhe und Tiefe des Tones unterschieden.


Schnürriemen (W3) [Adelung]


Der Schnürriemen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Riemen zum Schnüren, S. Schnürband.


Schnurrig (W3) [Adelung]


Schnurrig, -er, -ste, adj. et adv. possierlich, lächerlich, schnakisch, drollig; doch nur in der vertraulichen Sprechart, besonders Niederdeutschlandes. Das ist schnurrig. Ein schnurriger Einfall. Ein schnurriger Mensch. Die drolligste Laune, der schnurrigste Witz, die schalkischte Satyre lassen uns vor Lachen kaum zu uns selbst kommen, Less.


Schnurring (W3) [Adelung]


Der Schnurring, des -es, plur. die -e, bey dem Pictorius, eine Art Wasserhühner, welche Frisch wahrscheinlich für diejenige hält, welche in unsern Gegenden unter dem Nahmen der Schnarre bekannt ist, ( S. dieses Wort.) Von schnurren, und der Endsylbe -ing.


Schnurrpfeife (W3) [Adelung]


Die Schnurrpfeife, plur. die -n, ist nach dem Frisch eigentlich ein schnarrendes oder schnurrendes Blech, welche Bedeutung mir doch nicht vorgekommen ist. Am üblichsten ist im gemeinen Leben Schnurrpfeife und Schnurrpfeiferey von altem unbrauchbaren Hausrathe, schlechten Gerümpel, und nach einer noch weitern Figur, von schlechten Zierathen, ja von einer jeden schlechten unerheblichen Sache. Bedenken sie, daß dergleichen Schnurrpfeifen nichts werth sind. Das ist eine Schnurrpfeiferey, ein nichtswürdiges Ding. Wenn es hier nicht eine Figur ehedem üblicher schlechter schnurrender Pfeifen ist, so scheinet die erste Hälfte das Wort Schnurre zu seyn, welches besonders in Niederdeutschland von einem jeden nichtswürdigen untauglichen Stücke Geräthes gebraucht wird, wenn es nicht vielmehr aus dem Nieders. Snörpipe, Schnürpfeife, verderbt ist, welches die blecherne kleine Röhre ist, womit die Schnürbänder am Ende beschlagen werden, und welche freylich ein unerhebliches Ding von geringem Werthe sind.


Schnürsenkel (W3) [Adelung]


Der Schnürsenkel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Schnürband und Senkel.


Schnurstein (W3) [Adelung]


Der Schnurstein, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Gränzstein der Fund- und Erzgruben, weil selbige mit der Schnur abgemessen werden; der Lochstein.


Schnurstracks (W3) [Adelung]


Schnurstracks, adv. in gerader Linie. Den Gesetzen schnurstracks zuwider laufen. Das läuft ihrem Glücke schnurstracks zuwider. Von Schnur, Richtschnur, so fern sie das Maß einer geraden Linie ist.


Schob (W3) [Adelung]


Der Schob, des -es, plur. die Schöbe, oder auch die Schobe, plur. die -n, in der Landwirthschaft Ober- und Niedersachsens, aus glattem Rockenstroh in einer gemessenen Stärke verfertigte Bündel, dergleichen z. B. diejenigen sind, womit die Strohdächer gedeckt werden. Ein Schob Stroh. Nieders. Schoof, im Oberd. Schaub, Angels. Sceaf, Engl. Sheaf, Franz. im Dimin. Javelle, im mittlern Lat. ohne Zischlaut Cova. Es bedeutet ein Bündel, einen kleinen Haufen, und ist von Schaub nur in der Mundart verschieden. S. dasselbe, ingleichen 2 Schober.


Schober (W3) [Adelung]


1. Der Schober, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, in welchem der Begriff der Vertiefung, des hohlen Raumes, der herrschende ist, welches aber nur in einigen Gegenden vorkommt. So sind in den Salzkothen die Fegeschober kleine Pfannen, welche in die größern gesetzt werden, ehe das Salz körnet, damit sich der Schlamm in selbige ziehe; Schlammpfännchen. Es ist hier mit Schaube, Schaff, Scheffel, Schoppen u. s. f. verwandt.


Schober (W3) [Adelung]


2. Der Schober, des -s, plur. ut nom. sing. oder die Schöber, Diminut. das Schöberchen, ein Wort, welches überhaupt einen Haufen bedeutet. So gebraucht Hornegk das Zeitwort schubern für häufen: Ir wart dez Jamers Fueder Geschubert und gehawfft. Man gebraucht das Hauptwort nur noch in der Landwirthschaft von gewissen Haufen Heues oder Strohes von beträchtlicher Größe. So werden die großen Haufen Heues, in welche das getrocknete Heu zusammen gesetzt wird, ehe man es einführet, Heuschober oder nur Schober schlechthin genannt. Ein solcher großer Schober wird aus den vorher gemachten Brechschobern oder Windhaufen zusammen gesetzt. ( S. auch Schoberfleck.) Auch die großen Haufen Strohes, welche man oft in der Landwirthschaft unter freyem Himmel macht, wenn man das Stroh nicht anders unterbringen kann, heißen Schober oder Schöber. In einigen Gegenden führen diesen Nahmen auch ähnliche Haufen noch nicht ausgedroschenen Getreides, welche doch am häufigsten Feimen heißen. ( S. dieses Wort.) In manchen Gegenden ist der Schober ein Haufe von bestimmter Größe oder Zahl. So hält in Nürnberg ein Schober Stroh 60, ein Schöberlein aber 10 Büschel Stroh. Anm. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe -er von Schob, Schaub gebildet, ein beträchtlich ausgedehntes, oder aus der Verbindung mehrerer Dinge bestehendes Ganzes, ein Haufe, welches letztere Wort sich von Schober unter andern auch durch den Mangel des Zischlautes unterscheidet. S. Schaub und Haufe.


Schoberfleck (W3) [Adelung]


Der Schoberfleck, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft, runde Flecke oder Plätze auf den Wiesen, von fünf, sechs oder acht Klaftern im Umfange, welche eine Elle hoch mit Heu bestreuet werden, und in den gemeinen Sprecharten auch Schoberflatschen heißen. Sie werden aus den Brechschobern oder Windhaufen gemacht, so wie aus den Schoberflecken nochmahls die Schober zusammen gesetzt werden.


Schobern (W3) [Adelung]


Schobern, verb. reg. act. in Schober setzen. Das Heu schobern, Stroh schobern. So auch das Schobern. S. Schober.


Schofel,Schofelig (W3) [Adelung]


+ Schofel und Schofelig, adj. et adv. welches nur in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden üblich ist, im hohen Grade schlecht, armselig. Das steht schofel oder schofelig aus. Schofelige Waare, schlechte Waare. Wo man es auch als ein Hauptwort ohne Plural gebraucht. Das ist Schofel, schlechtes Zeug, Ausschuß, Posel. Es scheinet von schaben abzustammen, gleichsam den untauglichen Schabsel zu bezeichnen, den Abgang, Auswurf, oder auch von scheuen, Nieders. schonen, schuwen, Engl. to eschew, Ital. scifare. Im mittlern Lat. ist Escobilhae in der Provence Escoubilles, ein jeder untauglicher und schmutziger Abgang von einem Dinge.


Schöffe (W3) [Adelung]


Der Schöffe, des -n, plur. die -n, das Wort Schöppe mehr nach der Oberdeutschen Mundart gebildet, daher es auch im Oberdeutschen für das mehr Hoch- und Niederdeutsche Schöppe gebraucht wird, ( S. das letztere.) Daher das Schöffengericht in Cöln, das churfürstliche hohe weltliche Gericht, wobey der Magistrat in peinlichen Fällen nur die erste Ergreifung und Untersuchung hat. In Aachen und andern Oberdeutschen Gegenden wird der erste und oberste Schöffe in einem aus Schöffn bestehenden Gerichte der Schöffenmeister genannt.


Schöker (W3) [Adelung]


Schöker, Schökern, S. Schäker u. s. f.


Scholar (W3) [Adelung]


Der Scholar, des -en, plur. die -en, aus dem Lat. scholaris, ein Schüler, wo es für edler gehalten wird, als dadurch den häufigen Gebrauch gemeiner gewordene Schüler. Besonders gebraucht man es ohne Rücksicht des Alters und Geschlechtes von Personen, welche außer den gewöhnlichen Schulen von andern eine anständige Kunst oder Wissenschaft erlernen. Ein Sprachmeister, Tanzmeister, Fechtmeister, Musikus u. s. f. hat viele Scholaren, wenn viele Personen seine Kunst von und bey ihm erlernen, vornehmlich, wenn solches stundenweise geschiehet, um sie von den Lehrlingen der Künstler und Handwerker zu unterscheiden.


Scholarch (W3) [Adelung]


Der Scholarch, des -en, plur. die -en, aus dem Griech. und Latein. Scholarcha, eine Person von Ansehen, welche die Absicht über Eine oder mehrere Schulen hat. Daher das Scholarchat, dessen Amt und Würde, zuweilen auch dessen Wohnung.


Scholaster (W3) [Adelung]


Der Scholaster, des -s, plur. ut nom. sing. das mittlere Lat. Scholaster, derjenige Canonicus oder Domherr an einem Dom- oder Canonicat-Stifte, welcher, nach der ersten Einrichtung solcher Stifter, der Lehrer in der damit verbundenen Schule war; und auch Scholasticus genannt wird. Ehedem hieß er im Deutschen auch der Schulmeister, der Schulherr.


Scholastisch (W3) [Adelung]


Scholastisch, adj. et adv. aus dem mittlern Lat. scholasticus, welches im 11ten Jahrhunderte aufkam, da man die Wissenschaften bloß in den Klöstern trieb, und man dann einen solchen Lehrer der Wissenschaften Scholasticum nannte, welcher Nahme auch blieb, als die Universitäten errichtet wurden, und die Lehrer der Philosophie die Aristotelische Weltweisheit mit einer Menge unnützer Schulfragen durchsäuerten. Die scholastische Philosophie, die Philosophie dieses mittlern Zeitraumes von dem 11ten oder 12ten Jahrhunderte an. Die scholastische Theologie, die dogmatische Theologie des mittlern Zeitalters, welche in einer Verbindung der Aristotelischen Philosophie mit den Lehren des Christenthums bestand. Die Lehrer beyder Wissenschaften pflegt man nach dem Lat. Scholasticus auch wohl Scholastiker zu nennen.


Schölkraut (W3) [Adelung]


Das Schölkraut, S. Schellkraut.


Scholle (W3) [Adelung]


1. Die Scholle, plur. die -n, Diminut. das Schöllchen, ein unförmliches durch Zerbrechung entstandenes Stück von einer beträchtlichen Größe, wo es doch nur von solchen Stücken Erde und Eis gebraucht wird. Die Erdscholle, ein zusammen hangendes unförmliches Stück Erde, so wie es von der Pflugschar oder von dem Grabscheite ausgeworfen wird. Die Schollen oder Erdschollen klein schlagen. Die Eisscholle, ein solches unförmliches Stück Eis, welches entstehet, wenn das Eis der Flüsse, Gräben u. s. f. aufgehet oder zerbrochen wird.

Anm. Im Oberd. auch Zolle und Schrolle, im Niederd. Schulle, Schulpe, im Ital. Zolla, im Lotharing. Cholle. Entweder von schellen in zerschellen, so daß es zunächst ein Bruchstück bedeutet, oder auch mit dem herrschenden Begriffe der Dicke und Größe, (bey dem Pictorius ist aufschollen aufhäufen,) oder endlich auch mit dem folgenden aus Einer Quelle, weil die Schollen gemeiniglich breiter zu seyn pflegen, als sie dick sind. Im Nieders. ist Schulle auch ein ausgestochenes Stück Rasen mit seiner Erde.


Scholle (W3) [Adelung]


2. Die Scholle, plur. die -n, Diminut. das Schöllchen, eine Art Seefische, mit einem flach gedrückten Körper, wovon die eine flache Seite den Rücken, die andere aber den Unterleib vorstellet. Im weitesten Verstande wird zuweilen das ganze Geschlecht dieser Fische, welches bey dem Linnee Pleuronectes heißt, mit diesem Nahmen belegt, so daß die Platteiße, der Flünder, die Sohle oder der Zungenfisch, und die Bütte mit ihren Arten dahin gehören. Allein im engsten und gewöhnlichsten Verstande wird nur die Platteiße, oder der so genannte Halbfisch, Pleuronectes Platessa L. welcher einen glatten Körper und sechs Höcker auf dem Kopfe hat, und häufig getrocknet verschickt wird, Scholle genannt. Anm. Im Nieders. Schulle, im Holländ. Scholle, im Franz. Sole, im Ital. Suola. Ohne Zweifel wegen der platten, das ist, breiten und dünnen Gestalt, als ein Geschlechtsverwandter von Schale und schellen, so fern es ehedem auch theilen überhaupt bedeutete. Im Schwed. ist Skolla ein Blech. Der Nahme der nahe verwandten Sohle Pleuronectes Solea L. welche in vielen Gegenden auch Scholle heißt, stammet gleichfalls daher, S. Schle.


Schollen (W3) [Adelung]


Schollen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden, besonders Meißens üblich ist, sein Wasser lassen, harnen. Es ist eine Onomatopöie, der Form nach aber ein Intensivum von dem Nieders. schalen, spilen, Schwed. skölja, Isländ. skola. Ohne Zischlaut gehören auch das bey den Jägern übliche gallen, harnen, und das Franz. couler, fließen, hierher.


Schöllkraut (W3) [Adelung]


Das Schöllkraut, S. Schellkraut.


Scholz (W3) [Adelung]


Der Scholz, S. Schulz.


Schon (W3) [Adelung]


Schon, eine Partikel, welche in einer gedoppelten Gestalt üblich ist. I. Als ein Umstandswort, und zwar im ersten und nächsten Verstande, als ein Umstandswort der Zeit, denjenigen Umstand der Zeit zu bezeichnen, da eine Sache geschehen ist, oder wirklich geschiehet. 1. Eigentlich, so wohl von geschehenen Dingen, als von solchen, welche jetzt wirklich geschehen, wofür im Hochdeutschen auch bereits, im Niederdeutschen al und im Oberdeutschen alschon üblich ist. Wir haben schon gegossen. Er ist schon da. Er kommt schon. Es ist schon die Art den Bäumen an die Wurzel gelegt, Matth. 3, 10. Ich weiß schon, was ich thun will. Schon damahls, jetzt schon, schon vorlängst. Sie wird ganz gewiß schon auf uns warten, Gell. Ich höre es schon, sie sind ein Freygeist. Die Abenddämmerung trat schon ein. Achtzig Jahre waren schon über sein Haupt hingeflogen, Geßn. Ich bin schon so oft da gewesen. Die frühe Morgensonne flimmerte schon hinter dem Berge herauf, als Mykon ans Gitterfenster seiner Hütte trat, Geßn. So auch die Fragen. Bist du schon wieder da? Sind sie schon gekommen? Hast du es schon gehöret? Wo es auch für sich allein eine Frage machen, oder vielmehr eine fragende Bewunderung ausdrucken kann, daß eine Sache schon geschehen ist. Er ist schon da, - Schon? Der Regel nach stehet es, so wie die meisten übrigen Nebenwörter, hinter dem Zeitworte, wenigstens hinter dem Hülfsworte; allein um des Nachdrucks willen wird es auch oft zu Anfange des Satzes gesetzt. Schon in der Kindheit waren wir für einander bestimmt. Schon glänzte die Sonne durch das Reblaub, das am Fenster sich wölbte, Geßn: O ja, du singst, schon hör' ich dich Vom nächsten Baum, Weiße. Welche Inversion oft die beste Wirkung thut, so sehr auch Gottsched dawider eiferte, und sie für eine Nachäffung der Franzosen ausgab. 2. In weiterm Verstande, wo sich neben dem Begriffe der geschehenen Sache allerley Nebenbegriffe mit einschleichen, welche den ersten oft ganz verdrängen. 1) Oft begleitet es wünschende Ausdrücke, den Wunsch, daß eine Sache geschehen seyn, oder wirklich werden möchte zu begleiten. Wär' er doch schon da! Wenn nur meine Braut schon das wäre, was sie nach ihrem Urtheile werden wird! Gell. Wär doch schon mein Lieschen mein! Weiße. 2) Für ohne dieß, ohnehin, besonders in der vertraulichen Sprechart. Des Volks ist schon so viel, 2 Mos. 5, 5. Dein Herz, das schon so viel gequält wird. 3) Mit dem Nebenbegriffe der gehörigen Zeit. Ich will schon kommen, eigentlich zur rechten Zeit. Ich will dich schon rufen. 4) Oft zeiget es eine Versicherung in Rücksicht auf einen vorher gegangenen Ausspruch an. Wenn sie nur nach ihm gerathen, so bin ich schon zufrieden. Nur ein solches Herz wieder zu finden, ist schon eine Freude. Bloß in so fern als die Natur dieses Herz gebauet hat, ists schon für die Rachgier zu hoch. Da es denn, 5) oft zu einem Ausdrucke einer Art von Versicherung wird. Es wird schon reichen. Wir wollen heute schon noch eins werden, Gell. Ich will es ein ander Mahl schon wieder einbringen, ebend. Ich weiß schon, wie junge Leute sind, ebend. Das ginge schon noch an. Sie wird mit den Jahren schon anders werden. Die Zeit wird mich schon rechtfertigen. Sie können einander schon heirathen. Ich muß nun schon Wort halten. Ich will meine Dinge schon machen, Weiße. Besonders in der vertraulichen Sprechart. Das muß ich schon thun. Das Mädchen ist schon gut. Das war ihm schon recht. Das ginge schon noch an. Schon gut! II. Als ein Bindewort. 1) * Als ein concedirendes für zwar, welcher Gebrauch im Hochdeutschen fremd, und besonders den Niedersachsen geläufig ist. Es ist schon wahr, - aber. 2) Als ein bedingendes, welches einen Gegensatz begleitet, wo es im gemeinen Leben, besonders Niederdeutschlandes, sehr üblich ist, für auch, gleich; Nieders. schoon, schoonst, schöner, schöners, Schwed. skönt. Besonders mit den Nebenwörtern wenn und ob. Wenn sich schon ein Heer wider mich leget, so u. s. f. Ps. 27, 3, d. i. wenn auch, wenn gleich. Und ob ihr schon viel bethet, höre ich euch doch nicht, Es. 1, 15. Daß sie es nicht sehen, ob sie es schon sehen, und nicht verstehen, ob sie es schon hören, Luc. 8, 10. Er denkt es, ob er es schon nicht sagt. Ingleichen mit Auslassung des wenn und ob, wie gleich. Muß ich schon kümmerlich leben, so u. s. f. 3) * Für dennoch, gleichwohl; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, in welcher aber die Niedersachsen ihr schöners häufig gebrauchen.

Anm. Das Umstandswort lautet im Isidor iu, im Kero und Tatian giu, woraus mit dem Zischlaute und dem Endlaute n in den spätern Zeiten schon geworden zu seyn scheinet; im Niedersächs. schoon, schoonst, bey dem Ulphilas suns, im Angels. sona, bey den Krainerischen Wenden she. Frisch leitet es von schön ab, wobey er der Bedeutung des Wortes freylich viel Gewalt anthun muß. Die erste, aber jetzt veraltete, Bedeutung scheinet bald, jähe, zu seyn, welche Bedeutung des Engl. soon, bald, und sooner, eher, noch hat. Alsdann würde es mit schehen in geschehen Eines Stammes, und eigentlich eine Onomatopöie der Geschwindigkeit seyn. Aus der alten Oberdeutschen Form iu und giu erhellet zugleich die Verwandtschaft mit unserm jähe, dem Ital. gia, dem Franz. deja, und vielleicht auch mit dem Latein. jam.


Schön (W3) [Adelung]


Schön, -er, -ste, adj. et adv. 1. * Im eigentlichen Verstande, glänzend, hell, und in weiterer Bedeutung rein, sauber. Diese Bedeutung ist zwar gegenwärtig im Hochdeutschen veraltet, allein, es sind doch noch Spuren genug vorhanden, daß sie ehedem gangbar gewesen. In der Monseeischen Glosse ist Sconi der Glanz, und in dem Schwabenspiegel bey schonem tage bey hellem Tage. Schone als ein Spigelglas heißt es in dem alten Fragmente auf Carls des Großen Feldzug bey dem Schilter, von einem Schwerte. Im Niedersächsischen und Holländischen ist schön noch jetzt sauber, rein, hell; ein schönes Hemd anlegen, ein reines; schön machen, putzen, reinigen. Lauterer Wein, d. i. abgezogener Wein ohne Hefen heißt in Holland klinkschön. Der schöne Glanz Gottes, Ps. 52, 2, ist doch wohl auch nichts anders als der helle Glanz, und wenn wir noch jetzt schönem Wetter, und von einem schönen Tage reden, so verstehen wir darunter gleichfalls zunächst ein helles, heiteres Wetter. ( S. auch Schönbaum, Schönblind, Schöndruck, Schönfärber, wo diese Bedeutung noch zum Grunde liegt.) In einigen alten Deutschen Bibeln des 15ten Jahrhundertes lieset man Richt. 5, 10, für schöne Eselinnen, scheinende Eßelinen, woraus erhellet, daß man scheinend und schön ehedem als gleichbedeutend gebraucht habe. Ohne Zischlaut ist im Wallisischen cain weiß, wohin auch das Latein. canus gehöret. 2. In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung nennet man alles dasjenige schön, was mit Verwunderung und Wohlgefallen empfunden wird, wo es denn wiederum in verschiedenen Fällen gebraucht wird. 1) Was durch seine äußere Gestalt Verwunderung und Vergnügen erwecket, wozu oft helle Farben, Glanz und Reinlichkeit im Äußern hinlänglich sind, oft aber auch nach Übereinstimmung aller Theile zu einem vollkommenen Ganzen erfordert wird; im Gegensatze des häßlich. Schöne Kleider, schönes Hausgeräth, ein schöner Edelstein, ein schönes Gemählde, ein schönes Haus, ein schöner Garten, ein schöner Baum, schöne Haare, schöne Farben. Ein schönes Pferd. Eine schöne Hand schreiben. Ein schönes Colorit. Eine schöne Gegend. Eine schöne Stadt. Schön lassen, schön aussehen, schön stehen. Auch selbst der Zorn läßt ihr noch schön, Gell. Wenn gleich ihr Auge zürnt, so zürnt es dennoch schön, ebend. Schön, schön ist die ganze Gegend in des Herbstes feyerlichstem Schmucke, Geßn. O wie schön bist du Natur, in deiner kleinsten Verzierung wie schön! ebend. Wunderschön, im gemeinen Leben, im hohen Grade schön. Besonders von der Gesichtsbildung, Gestalt des Leibes und dessen Theilen. Ein schönes Gesicht. Eine schöne Gestalt. Eine schöne Person. Ein schöner Körper. Bildschön, so schön wie ein gemahltes Bild. Schön von Gesicht, von Gestalt. Schöne Augen, schöne Zähne, schöne Hände haben. Das schöne Geschlecht, das weibliche, weil die Schönheit demselben vorzüglich eigen ist. Wo die schöne Welt beym Spieltische sich sammelt, Geßn, von mehrern Personen des andern Geschlechtes. Die Schöne, eine schmeichelhafte Benennung einer Person weiblichen Geschlechtes. Aus obigem erhellet, daß man in dem gewöhnlichen Sprachgebrauche in dieser Bedeutung alles schön nennet, was mit Bewunderung und Wohlgefallen durch das Gesicht empfunden wird. Weil nun die Empfindung der Richter der Schönheit ist, so rühret daher auch die große Verschiedenheit in dem Urtheile über dasjenige, was schön ist. In Afrika ist eine stumpfe Nase schön, in Europa nicht; rothes Haar war bey vielen alten Völkern eine Schönheit, bey uns hasset man es. Schön ist, was da gilt, wo wir wohnen, Lichtw. In den Wissenschaften, wo man einen festen Begriff dessen, was schön ist, fest zu setzen gesucht, und es bald durch sinnliche Vollkommenheit, (ein eben so schwankender Ausdruck als Schönheit,) bald durch genaue Übereinstimmung aller regelmäßigen Theile erkläret hat, hat man daher das Wort zu sehr eingeschränkt, indem die Übereinstimmung aller regelmäßigen Theile nur eine Art der Schönheit ausmacht. 2). In weiterer Bedeutung ist schön, was auch durch die übrigen Sinne, wenigstens durch einige derselben, mit einem hohen Grade des Wohlgefallens empfunden wird. Vornehmlich in Ansehung des Gehöres. Eine schöne Musik. Eine schöne Melodie. Eine schöne Stimme. Eine schöne Arie. Schön singen, spielen. Der Vogel schlägt gar schön. Zuweilen auch von dem Geschmacke und Geruche. Das schmeckt, das riecht schön. Von dem Gefühle wird es wohl nur in so fern gebraucht, als es in weiterer Bedeutung von der ganzen sinnlichen Empfindung gesagt wird. Schönes Wetter, welches uns in einem hohen Grade angenehm ist. Vielleicht, wenn du wieder kömmst, schöner Herbst, vielleicht seh' ich dich dann nicht mehr, Geßn. Unsere schönen Tage, die Jugend. 3) In noch weiterm Verstande, was von der Seele und ihren Fähigkeiten unmittelbar mit einem vorzüglichen Wohlgefallen empfunden wird; da es denn wiederum zunächst von den untern Fähigkeiten der Seele, in weitern Umfange aber auch von den obern gebraucht wird. Ein schöner Gedanke. Eine schöne Antwort. Ein schönes Buch. Eine schöne That, welche uns ein vorzügliches Vergnügen erweckt. Sie müssen noch viele schöne Thaten thun, wenn sie dieß Gewebe von Unedlen vertilgen wollen. Eine schöne Seele haben. Schöne Gesänge künstlicher Saiten- spieler entzücken da das Ohr, Geßn. wo schön sich nicht bloß auf die Musik bezieht. Lyäens und Cytherens Sohn Im schönsten Rausch geboren, Raml. Welches Lob ist größer, blühende Wangen, oder eine schöne Seele? Dusch. Auch unter schlauen Scherzen Bleibt doch die Liebe schön, Weiße. Nimmt man die zwey vorigen und die erste Hälfte dieser Bedeutung zusammen, so ist schön, was von den Sinnen und der Einbildungskraft mit Wohlgefallen empfunden wird, was sinnliches Vergnügen erwecket. In diesem Verstande sagt man die schöne Natur, dasjenige in der Natur zu bezeichnen, was einen hohen Grad dieses Wohlgefallens in uns hervor bringet. Die schönen Künste, die schönen Wissenschaften, deren nächste Absicht ist, zu gefallen und zu vergnügen. Ein schöner Geist, bey welchem sinnliche Empfindung, Einbildungskraft und Geschmack vorzüglich wirksam sind. 3. Figürlich. 1) Schön mit einer Person thun, in der vertraulichen Sprechart, verliebt. Jemanden schöne Worte geben, freundliche, schmeichelhafte. Jemanden schön grüßen, auf das schönste grüßen, ich danke schön, sich zum schönsten oder schönstens bedanken, im gemeinen Leben für freundlich. 2) Oft gebraucht man es als eine Art einer Intension. Eine schöne Summe Geldes, eine beträchtliche. Ein schönes Alter, ein hohes. 3) Noch öfter ist es für sehr gut, d. i. unserer Absicht, seiner Bestimmung sehr gemäß, üblich. Eine schöne Gelegenheit. Das schönste ist noch, u. s. f. das beste. 4) Ingleichen wird es ironisch gebraucht, das Gegentheil zu bezeichnen. Er ist mir ein schöner Herr. Du bist ein schöner Vogel. Das wäre schön! Da würde ich schön ankommen. Das wird ihm schön bekommen seyn.

Anm. 1. Dieses Beywort wird auch häufig als ein Hauptwort gebraucht. Die Schöne, eine schöne Person weiblichen Geschlechtes, und in weiterer schmeichelhafter Bedeutung, eine jede weibliche Person. Das Schöne, dasjenige, was an einem Dinge schön ist, ohne Plural; wofür man in manchen Fällen auch die Schönheit gebraucht. Hier hat die Natur alles versammelt, was sie Schönes hat, um deinen Aufenthalt schön zu machen, Dusch. Die Natur, die Mahlerey, die Baukunst, und die Musik geben uns das Schöne für die Sinne, Sulz.

Anm. 2. Bey dem Ottfried scono, bey dem Willeram scon, in Schlesien schin, im Nieders. schon und scheun, im Angels. scon, und scen, im Schwed. skön, im Dänischen ohne Zischlaut kion, im Finnländ. caunis. Frisch läßt es sehr gezwungen von schonen abstammen; allein Wachter hat schon die bessere Ableitung von scheinen, so daß dieses Wort zunächst glänzend bedeutet. Wollte man lieber die Niedersächsische Bedeutung, da es für rein, sauber, gebraucht wird, als die erste ursprüngliche annehmen, so würde man es von scheuen, dem veralteten Stammworte des heutigen intensiven scheuern, abstammen lassen, welches aber mit scheinen doch auch nahe verwandt ist.


Schönadel (W3) [Adelung]


Der Schönadel, des -s, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme derjenigen Weintrauben und ihrer Stöcke, welche am häufigsten Gutedel genannt werden; wo schön für gut stehet.


Schönbaum (W3) [Adelung]


Der Schönbaum, des -es, plur. die -bäume, in einigen Gegenden ein Nahme des Lärchenbaumes, vermuthlich wegen seines guten Wuchses und seiner röthlichen Rinde, daher er Brechtanne, von brechen, glänzen, und Rothtanne genannt wird.


Schönblatt (W3) [Adelung]


Das Schönblatt, des -es, plur. inus. ein Ostindisches Gewächs, Calophyllum L. wegen der schönen Gestalt der Blätter, welche an jeder Seite der Rippe viele einfache Rippen haben.


Schönblind (W3) [Adelung]


Schönblind, adj. et adv. welches im gemeinen Leben von dem Pferden üblich ist, wenn sie den Mondschein nicht vertragen können, bey dem Mondscheine blind sind; mondblind. Von Schön, so fern es ehedem Schein, Glanz, bedeutet hat. S. Schön 1.


Schöndruck (W3) [Adelung]


Der Schöndruck, des -es, plur. die -e, bey den Buchdruckern, die erste bedruckte Seite eines noch weißen Bogens; im Gegensatze des Widerdruckes. Vielleicht auch von schön, weiß, rein.


Schöne (W3) [Adelung]


1. Die Schöne, plur. die -n, eine schöne weibliche Person. S. Schön 2 1).


Schöne (W3) [Adelung]


2. Die Schöne, plur. car. das Abstractum von schön, der Zustand, die Eigenschaft eines Dinges, da es schön ist; die Schönheit. Bey dem Ottfried Scone und Sconi. Ir Schoene lengert mir den tod, Markgr. Heinrich von Meißen, und bey allen Schwäbischen Dichtern sehr häufig. So sey auch bekleyd Mit schön und Schicklicheyt, Theuerd. Kap. 25. Seine Schöne wird verzehret wie von Motten, Ps. 39, 12. Der König wird Lust an deiner Schöne haben, Ps. 45, 12. Laß dich ihre Schöne nicht gelüsten, Sprichw. 6, 25; und so in andern Stellen mehr. Im Hochdeutschen ist es veraltet, seitdem Schönheit üblicher geworden. Einige neuere Dichter haben es zwar wieder einzuführen gesucht, aber wenig Nachfolger gefunden. Es ist ein vermittelst des Endlautes gebildetes Abstractum.


Schönen (W3) [Adelung]


Schönen, verb. reg. act. schön machen; ein gleichfalls veraltetes Zeitwort, welches noch in beschönen, noch mehr aber in dem Intensivo beschönigen üblich ist. ( S. Frischens Wörterbuch.) Schönern in verschönern, ist von dem Comparativo schöner gebildet.


Schonen (W3) [Adelung]


Schonen, verb. reg. act. 1) Sich scheuen etwas zu thun; eine veraltete Bedeutung. Sie schonen nicht vor meinem Angesichte zu speyen, Hiob 30, 10. Man gebraucht es nur noch zuweilen in engerer Bedeutung, sich scheuen etwas aus- oder wegzugeben. Die Unkosten, das Geld schonen. Thrax schont die Pünctchen auf dem i, Um Dinte zu ersparen, Haged. 2) Am häufigsten ist schonen, durch Behuthsamkeit vor Verletzung, Schaden, Verminderung oder Verschlimmerung und in weiterer Bedeutung vor unangenehmen Empfindungen zu bewahren suchen; wo es im Hochdeutschen in der gewöhnlichen Schreib- und Sprechart mit der vierten Endung gebraucht wird. Den Acker schonen, ihn von Verschlimmerung bewahren. Seine Kleider schonen, sie vor Verletzung oder Abnützung bewahren. Keine Unkosten, kein Geld schonen. Die Soldaten schonen, ihnen Beschwerden zu ersparen suchen, ingleichen ihre Anzahl unverletzt zu erhalten suchen. Ich will ihn nicht weiter schonen, ihn nicht weiter mit Nachsicht behandeln. Sich schonen, sich vor Beschwerden, Ausgaben, unangenehmen Empfindungen u. s. f. zu bewahren suchen. Ihr Ziegen und ihr Schafe, schonet, o schonet, und reißt das junge Epheu nicht vom weißen Stamme, Geßn. Nur ein Freund schont die Eigenliebe nicht. Im Oberdeutschen und der höhern Schreibart der Hochdeutschen auch in der zweyten Endung. Du sollt ihrer nicht schonen, 5 Mos. 7, 16. Ein frech Volk, das nicht schonet der Jünglinge, Kap. 28, 50. Schone mein nach deiner Barmherzigkeit, Nehem. 13, 22. Herr! schone dein! Matth. 16, 22. Der Unkosten, der Zeit schonen. Schonet ihr Sturmwinde, schonet des herbstlichen Schmuckes, Geßn. Mit dem Intensivo ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. Er schonete zu nehmen von seinen Schafen und Rindern, 2 Sam. 12, 4. So auch das Schonen und die Schonung. Kannst du vergessen, wie viel Schonung du ihm jetzt schuldig bist? Es war entweder Eigennutz oder Schonung, daß er nichts entscheidendes sagen wollte. Anm. Im Nieders. schonen, im Pohln. szanowac. Bey unsern alten Oberdeutschen Schriftstellern kommt es wenig vor, als in den verwandten Sprachen. Es stammet entweder von dem veralteten schon, ganz, welches noch bey dem Kaisersberg vorkommt, her, so daß es eigentlich ganz, unverletzt, erhalten bedeuten, und mit dem Latein. sanus Eines Geschlechtes seyn würde, oder auch, und zwar noch wahrscheinlicher, von scheuen, von welchem es als ein Intensivum, vermittelst der Endsylbe -nen gebildet worden, sich scheuen, schonen, sich scheuen, entstehen.


Schoner (W3) [Adelung]


Der Schoner, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art in England üblicher platter Schaluppen, welche zum Anlanden sehr bequem sind. Der Nahme ist gleichfalls Englisch.


Schönfahrsegel (W3) [Adelung]


Das Schönfahrsegel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Seefahrt, das große Segel an dem Mittelmaste. Da dieses Wort auf eine sehr ungewöhnliche Art zusammengesetzt seyn würde, wenn die erste Hälfte desselben aus den Wörtern schön und fahren bestehen sollte; so scheinet es aus irgend einem andern Niederdeutschen Worte verderbt zu seyn.


Schönfärber (W3) [Adelung]


Der Schönfärber, des -s, plur. ut nom. sing. eine Benennung derjenigen Färber, welche die Zeuge, besonders die wollenen und seidenen, mit allerley hohen und hellen Farben zu färben wissen, Waidfärber, Kunstfärber; zum Unterschiede von den ältern Schwarzfärbern, welche nur schwarz, braun und dunkelblau färben, und auch diese Farben gemeiniglich nur auf Leinwand und halb wollene Zeuge zu setzen wissen. Von schön, hell, glänzend.


Schönfeiler (W3) [Adelung]


Der Schönfeiler, des -s, plur. inus. eine Art Weintrauben und Weinreben, deren Trauben grünlicher und kürzer sind, als die Trauben des Gutedels.


Schönfleckchen (W3) [Adelung]


Das Schönfleckchen, S. Schönpflas=ter.


Schönheit (W3) [Adelung]


Die Schönheit, plur. die -en, das Abstractum des Beywortes schön. 1. Der Zustand, die Eigenschaft eines Dinges, da es schön ist, in allen Bedeutungen dieses Wortes, und ohne Plural; die Eigenschaft, da ein durch die Sinne, besonders durch das Gesicht und Gehör, und durch die Einbildungskraft empfundener Körper einen hohen Grad des mit Verwunderung verknüpften Wohlgefallens in uns erwecket, Vollkommenheit, so fern sie durch die Sinne und Einbildungskraft empfunden wird. Die Schönheit des Regenbogens, des Wetters, des Gesichts, einer Person, einer Gegend, der Seele, des Geistes u. s. f. 2. Als ein Concretum. 1) Dasjenige, was an einem Dinge schön ist, ein schöner Theil eines Dinges. Das Grübchen in den Wangen wird für eine Schönheit gehalten. Wie begierig blieb dein Auge auf allen Schönheiten haften! Freuden, die die Schönheiten der Natur in endloser Mannigfaltigkeit uns anbiethen, Geßn. 2) Eine schöne Person, besonders weiblichen Geschlechtes. Chloris ist eine wahre Schönheit. Im Plural ist es hier ungewöhnlich. Anm. Schon bey dem Stryker Schonhait. Ältere Schriftsteller gebrauchen dafür das jetzt veraltete die Schöne. S. dasselbe.


Schönsäulig (W3) [Adelung]


Schönsäulig, adj. et adv. welches in der Baukunst von derjenigen Säulenweite üblich ist, da die Säulen 6 1/2 Model von einander stehen, weil diese Entfernung die schönste und beste ist; evstilon, feinsäulig.


Schonzeit (W3) [Adelung]


Die Schonzeit, plur. die -en, diejenige Zeit, zu welcher das Wild, die Wiese oder ein Wald geschonet wird, d. i. wo das Wild nicht gejaget, die Wiese und der Wald aber nicht mit dem Viehe betrieben wird; die Hägezeit.


Schooß (W3) [Adelung]


Der Schooß, des -es, plur. die Schöße, Diminut. das Schößchen, Oberd. Schößlein, ein Wort, welches in einer doppelten Bedeutung gangbar ist. 1) Der Bug am Unterleibe eines Menschen, besonders wenn er sitzet, wo es bald von diesem Buge, und in der anständigen Sprechart auch von den in dessen Gegend befindlichen Theilen gebraucht wird; die Mutterscheide erstreckt sich von der Bärmutter bis in den weiblichen Schooß. Bald von der Vertiefung, welche im Sitzen in dieser Gegend zwischen den Schenkeln entstehet; einen Schooß machen, besonders von weiblichen Personen, im Sitzen die Schenkel ein wenig von einander thun, damit eine Vertiefung entstehe. Das Schäflein schlief in seinem Schooß, 2 Sam. 12, 3. Bald aber auch von den Schenkeln eines Sitzenden, mit dem Vorworte auf; ein Kind auf den Schooß nehmen; jemanden auf dem Schooße sitzen. Daher die figürlichen Redensarten. Die Hände in den Schooß legen, müßig gehen. Dem Glücke im Schooße sitzen, ein anhaltendes Glück, eine fortdauernde Glückseligkeit genießen. In dem Schooße des Glückes ist noch selten ein Mann erzogen worden, Dusch. Ingleichen in einigen Fällen figürlich, das Innere, das Mittel eines Dinges. In den Schooß der Kirche zurück kehren, in die Gemeinschaft der Glieder derselben. Der süße Friede, welchen man im Schooße seiner Familie genießt. Sein Herz in den Schooß eines Freundes ausschütten. Aus dem Schooße beyder Indien hohlt die Handelschaft neuen Samen von Haß, "Zwist" und Krieg. Erde, mein mütterlich Land, die du mich im kühlenden Schooße Einst zu den Schlafenden Gottes begräbst, Klopst. 2) Derjenige Theil der männlichen Kleidung, welcher sich zur Seite des Schooßes von dem Leibe an erstrecket. Der Schooß eines Kleides. Ein Kleid mit gesteiften Schößen. Gemeiniglich glaubt man, daß diese Bedeutung eine Figur der vorigen sey, weil diese Theile sich wirklich zu beyden Seiten des Schooßes befinden. Allein aus den gemeinen Mundarten erhellet, daß Schooß hier zunächst zu einem andern Stamme gehöret. Das Nieders. Schoot bedeutet nicht allein diesen Theil des männlichen Kleides, sondern den Zipfel eines jeden Kleidungsstückes, ja auch eines Segels, den Schweif, die Schleppe, ferner einen jeden Keil, Zwickel oder Gehren an einem Kleidungsstücke; welche Bedeutung schon das alte Gothische Skauta, der Schweif, das Angels. Sceat, und Schwed. Sköt, haben, welche auch den Winkel, die Ecke, bedeuten. Bey den Niedersächsischen Schneidern ist schöteln, das Stück Zeug, welches das Kleid länger und weitläufiger machen, und Falten verursachen soll, ansetzen. Die Obersächsischen Fleischer nennen auch das lappige dünne Fleisch an einem Kinde, welches noch unter den Lappen hängt, den Schooß. Aus welchen allen erhellet, daß dieses Wort hier etwas hervor ragendes, eine Ecke, einen Zipfel bedeutet, und allem Ansehen nach zunächst zu schießen und Schoß gehöret.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Notker im weiblichen Geschlechte Scozza, im Schwabensp. die Schoeze, und noch jetzt durch ganz Oberdeutschland die Schooß, bey dem Stryker hingegen im ungewissen Geschlechte das Schos, im Nieders. Schoot. Im Hochdeutschen ist das männliche Geschlecht das gangbarste. Der Begriff der Vertiefung, des hohlen Raumes, ist in dieser Bedeutung der herrschende, ( S. Schüssel,) so wie es in der zweyten der Begriff der Hervorragung, der Spitze, des Winkels ist. Man hat es schon lange für nöthig gehalten, das gedehnte o in diesem Worte, wodurch sich dasselbe von Schoß, tributum, unterscheidet, ausdrücklich zu bemerken. Frisch schreibt Schos, welches aber wider die Aussprache des s ist, welches in der Verlängerung deutlich genug wie ß lautet, und folglich auch so geschrieben werden muß. Die gewöhnlichste Schreibart ist Schooß, welche aber auch ihre Unbequemlichkeit hat, besonders im Plural, und in den Ablei- tungen, wo man wider die Gewohnheit entweder Schööße und Schöößchen, oder auch die Gewohnheit zu Folge, Schöße und Schößchen schreiben muß, in welchem letztern Falle es denn wieder nicht von Schößchen mit dem geschärften o, ein kleines Fenster in einem größern, ein kleines Stockwerk, ingleichen ein kleines Jahrreis, unterschieden werden kann. Am besten wäre es, man schriebe statt des verdoppelten Vocals hier und in allen ähnlichen Fällen Schohß, Schöhße, Schöhßchen.


Schooßfall (W3) [Adelung]


Der Schooßfall, des -es, plur. die -fälle, in den Rechten einiger Gegenden, derjenige Fall oder Erbfall, vermöge dessen bey dem Tode eines Kindes der Nießbrauch seines väterlichen Vermögens der Mutter anheim fällt, oder, wie es in den Bautzener Statuten heißt, in den Schooß der Mutter fällt, wobey doch das Eigenthum den übrigen Kindern verbleibt.


Schooßfell (W3) [Adelung]


Das Schooßfell, des -es, plur. die -e, nur in einigen, besonders Niederdeutschen Gegenden, ein Schurzfell, weil es den Schooß bedecket; Nieders. Schootfell. Frisch glaubt irrig, daß es aus Schurzfell durch Ausstoßung des r zusammen gezogen sey.


Schooßhund (W3) [Adelung]


Der Schooßhund, des -es, plur. die -e, Diminut. das Schooßhündchen, Oberd. Schooßhündlein, ein kleiner, zierlicher Hund, dergleichen das andere Geschlecht gern auf dem Schooße zu haben pflegt; Nieders. Jumfernhund.


Schooßjünger (W3) [Adelung]


Der Schooßjünger, des -s, plur. ut nom. sing. eine figürliche Benennung des geliebtesten unter den Schülern, Clienten oder Nachfolgern eines Lehrers oder Gönners; eine von Johanne, der seinem Lehrer Jesu im Schooße lag, entlehnte Figur.


Schooßrippe (W3) [Adelung]


Die Schooßrippe, plur. die -n, bey den Fleischern, die mit Fleisch bewachsenen Rippen, welche aus dem Schooße des Rindes gehauen werden; eine sehr uneigentliche Benennung, weil das Wort Schooß von Thieren sonst nicht üblich ist.


Schooßsünde (W3) [Adelung]


Die Schooßsünde, plur. die -n, in der Theologie, eine figürliche Benennung solcher Sünden, welche jemand am häufigsten und liebsten begehet und am längsten beyzubehalten sucht, die er gleichsam in seinem Schooße trägt und pfleget; Busensünden, Lieblingssünden.


Schoote (W3) [Adelung]


Die Schoote, S. Schote.


Schöp (W3) [Adelung]


Der Schöp, der Kalkstein in den Salzwerken, S. Schepp.


Schöpf (W3) [Adelung]


Der Schöpf, S. Schöppe.


Schopf (W3) [Adelung]


Der Schopf, des -es, plur. die Schöpfe, Diminut. das Schöpfchen, Oberd. Schöpflein, ein Wort, welches theils den Begriff des Gipfels, des Obersten, theils aber auch eines Bündels mehrerer Dinge, hat, aber nur noch in einigen Fällen üblich ist. 1) Der Gipfel eines Baumes heißt im Forstwesen, bey den Zimmerleuten u. s. f. so wohl der Schopf als der Zopf, und in den gemeinen Sprecharten der Schopp, Schoppen, Schuppen. Daher ist das Schopfende, dasjenige Ende eines Baumes, wo der Gipfel befindlich ist, zum Unterschiede von dem Stammende. Der Schoppenschlag oder Schuppenschlag ist in einigen Gegenden ein Collectivum, abgehauene Schöpfe und Äste von den Bäumen zu bezeichnen; der Afterschlag, Wipfelschlag. Hier ist der Begriff des Höchsten, des Obersten an einem Dinge, der herrschende, ohne doch den folgenden auszuschließen. 2) Ein Bündel oder Büschel mehrerer Dinge, wo es doch nur von weichen Körpern, dergleichen Haare, Federn u. s. f. sind, gebraucht wird. Jemanden einen Schopf, ein Schöpfchen Haare ausreißen. Besonders werden die in Gestalt eines Busches gewachsenen Haare auf dem Wirbel der Menschen und mancher Thiere ein Schopf genannt. Da fassete der Engel ihn oben beym Schopf, Bel. V. 35. Judith ergriff den Holofernes beym Schopf, Jud. 13, 8. bey den Haaren auf dem Wirbel. Manche orientalische Völker scheren das Haupt und lassen nur auf der Mitte des Kopfes einen Schopf stehen. Der Schopf an einem Pferde, die Mähne auf der Stirn. Auch in Gestalt eines Büschels gewachsene Federn auf den Köpfen mancher Thiere werden ein Schopf genannt, z. B. bey einigen Lerchen, Meisen u. s. f.

Anm. Ohne Zischlaut ist dafür in einigen Gegenden auch Gaup und Gauf üblich. Im Holländ. Tsop; bey dem Ulphilas ist Skufta das Haupthaar. Die Begriffe des Obersten, des Gipfels, und eines Büschels sind nahe verwandt, so daß dieses Wort zu Schaup, schoppen, stopfen, Zopf, Zapfen, und ohne Zischlaut auch zu Gipfel, Kopf, Haube, dem Lat. Juba u. a. m. gehöret. Im mittlern Lat. ist Covis, Cova, eine Hand voll.


Schöpfbrunnen (W3) [Adelung]


Der Schöpfbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing. ein gewöhnlicher Brunnen, aus welchem man das Wasser mit Eimern schöpft, ein Ziehbrunnen; zum Unterschiede von einem Röhrbrunnen, Springbrunnen, einer Pumpe u. s. f.


Schöpfe (W3) [Adelung]


Der Schöpfe, S. Schöppe.


Schöpfe (W3) [Adelung]


Die Schöpfe, plur. die -n, ein Ort, wo man Wasser schöpft. So wird an einem Flusse oder Graben, der mit Stufen oder Tritten versehene Ort, Wasser daselbst zu schöpfen, eine Schöpfe genannt.


Schöpfeimer (W3) [Adelung]


Der Schöpfeimer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Eimer, Wasser damit zu schöpfen, dergleichen die Eimer an den Schöpf- und Ziehbrunnen sind.


Schopfen (W3) [Adelung]


1. Schopfen, verb. reg. act. mit einem Schopfe versehen, wo doch das Mittelwort geschopft am üblichsten ist.


Schopfen (W3) [Adelung]


2. Schopfen, verb. reg. act. stopfen, S. Schoppen.


Schopfen (W3) [Adelung]


3. Schopfen, verb. reg. welches der Form nach ein Intensivum von schaffen und schieben ist, seinem Wesen und Ursprunge nach aber eigentlich eine unmittelbare Nachahmung des Tones ist, den es bezeichnet, und daher von mehrern dem Anscheine nach verschiedenen Handlungen und Veränderungen gebraucht wird, welche aber mit diesem Laute verbunden sind, oder doch anfänglich unter demselben gedacht worden. Es kommt in doppelter Gestalt vor. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Das Wasser durch einen Ritz oder durch eine Öffnung einlassen. Das Schiff, der Kahn schöpfet Wasser, wenn beyde einen Leck haben. In einigen Gegenden sagt man auch, die Schuhe schöpfen Wasser, wenn sie Wasser ziehen, die Sonne schöpft Wasser, wenn sie Wasser ziehet. 2) Trinken; ein nur bey den Jägern üblicher Gebrauch, welche es von dem Wildbret, dem wilden Geflügel u. s. f. gebrauchen. Der Falk schöpft, er trinkt. Eben daselbst ist es auch active oder factitive gangbar; einen Habicht schöpfen, ihn tränken, ingleichen ihn haben, oder zu baden geben. 3) Blühen; wo es doch nur im Hopfenbaue von dem Hopfen gebraucht wird. Der Hopfen schöpft, blühet. Es scheinet, daß es hier zunächst von Schopf oder Kopf abstammet, weil der Hopfen, wenn er blühet, Schöpfe oder Köpfe bekommt. II. Als ein Activum. 1. Mit einem Gefäße einen Theil eines flüssigen Körpers aus einem größern Vorrathe auffassen und wegnehmen. 1) Im eigentlichsten Verstande. Wasser schöpfen, es geschehe nun mit einem Eimer, einer Gelte u. s. f. Wasser mit dem Siebe schöpfen, vergebliche Arbeit verrichten. Aus einem Brunnen schöpfen. Einen Brunnen leer schöpfen. Einen Zuber voll schöpfen. Das Fett mit dem Löffel oben abschöpfen. Bernstein schöpfen, ihn mit geflochtenen Körben aus dem Wasser hohlen, so daß das Wasser durchlaufe, der Bernstein aber zurück bleibe. 2) In weiterer Bedeutung wird es auch von der Einziehung des Athems und der Luft gebraucht. Athem schöpfen. Luft schöpfen. Beklemmt mit Bangigkeit, Schöpf' ich nach Luft, und fast zerspringt mein Herz, Weiße. Frische Luft schöpfen, in die freye Luft gehen oder kommen. 3) Figürlich gebraucht man es auch, doch nur mit gewissen Hauptwörtern, für bekommen. Muth schöpfen. Aus der Überwundenen Schwierigkeit schöpft die Vernunft Muth und Geduld zur neuen Arbeit, Gell. Hoffnung schöpfen. Trost aus etwas schöpfen. Nutzen aus etwas schöpfen. Einen Argwohn, einen Verdacht schöpfen. Im Oberdeutschen sagt man auch, einen Haß wider jemanden schöpfen, Eifersucht schöpfen, ein Verlangen, eine Begierde schöpfen, eine Meinung schöpfen u. s. f. Ingleichen eben daselbst für schließen, urtheilen; hieraus ist zu schöpfen, wo es aber auch zur folgenden Bedeutung gehören kann. 2. * Ehedem war es auch für urtheilen, richten, entscheiden, sehr gangbar, und noch jetzt sagt man im Österreichischen, ein Urtheil schöpfen, für fällen. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung längst veraltet, hat aber doch das Hauptwort Schöppe zurück gelassen, ( S. dasselbe.) Schöpfen scheinet hier das Intensivum von schaffen zu seyn, entweder so fern es befehlen, entscheiden u. s. f. bedeutet, oder auch so fern es anordnen, verwalten, handhaben ist. Im Schwed. sagt man skippa Lagh oder Rätta, das Recht verwalten, handhaben. ( S. Schaffen.) Indessen ist doch schon im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - richten, Recht sprechen. 3. * Hervor bringen, machen, bilden; gleichfalls als das Intensivum von schaffen. Auch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet, und kommt nur noch in einigen Oberdeutschen Gegenden vor. Ich habe die vom Herrn Baron von Wolf geschöpfte Nahmen und Ausdrücke beybehalten, sagt Klemm in seinem mathematischen Lehrbuche. Besonders gebrauchte man es ehedem in engerm Verstande von Gott, für schaffen, aus nichts hervor bringen, von welcher veralteten Bedeutung noch die Hauptwörter Schöpfer, Schöpfung und Geschöpf üblich sind, ( S. dieselben.) So auch das Schöpfen, und in der letzten Bedeutung die Schöpfung, siehe dasselbe an seinem Orte besonders. Anm. In der ersten thätigen Bedeutung, wo man es gewisser Maßen als ein Intensivum von schieben ansehen kann, bey dem Ottfried skepphan, im Tatian schephan, bey dem Willeram skeffan, im Nieders. scheppen, im Engl. to scoop, und schon im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Schaff, Schoppen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - u. a. m. stammen davon ab, und sind nicht, wie gemeiniglich geglaubt wird, das Stammwort von schöpfen. Ohne Zischlaut und ohne Intension ist im Ital. cavare schöpfen, woraus zugleich die Verwandtschaft mit cavus, Kufe u. s. f. erhellet.


Schöpfer (W3) [Adelung]


Der Schöpfer, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Ein Werkzeug zum Schöpfen, wo es nur in einigen Fällen und Gegenden üblich ist. Im Nieders. wird ein jedes Schöpfgefäß, ein Gefäß, womit man schöpfet, Schepper genannt. In weiterer Bedeutung ist der Schöpfer oder das Schöpfrad in dem Schlagewerke der Uhren ein Rad von 48 Zähnen mit einer stählernen Klinke, welche allemahl einen Zahn des Rechens in dem Vorlegewerke bey jedem Stundenschlage aushebt, und daher auch der Ausheber genannt wird. 2. Eine Person, welche schöpft, Fämin. die Schöpferinn. 1) In der ersten Bedeutung des Activi, und zwar in deren ersten eigentlichem Verstande, eine Person, welche einen flüssigen Körper schöpft. Da die Schützen schrien zwischen den Schöpfern, Richt, 5, 11, zwischen denen, welche Wasser schöpften. In dem Salzwerke zu Halle sind die Schöpfer diejenigen Arbeiter, welche die von den Bornknechten herauf gezogenen Eimer Sohle ausschütten. Bey den Papiermachern ist der Schöpfer derjenige, welcher den Zeug mit der Form aus der Bütte schöpft, der in einem vorn offenen Kasten, welcher der Schöpferstuhl heißt, vor der Bütte stehet. 2) In der dritten Bedeutung des Activi. (a) Eine jede Person, welche ein Werk aus eigner Kraft hervor bringet. Ein weiser Mann ist der Schöpfer seiner Sitten. Sie sind die Schöpferinnen meines Glücks. (b) In der engsten Bedeutung, so fern das veraltete schöpfen und das heutige schaffen aus nichts hervor bringen bedeutet, wird es besonders von Gott gebraucht, so fern er der Grund und Urheber aller vorher nicht vorhandenen Wesen ist. Gedenke an deinen Schöpfer in deiner Jugend. Gott, der Schöpfer aller Dinge.

Anm. In der letzten Bedeutung schon bey dem Ottfried Scepher, bey dem Stryker Scheppher, im Nieders. Schepper, Schipper, und mit andern Endsylben bey dem Kero Sceffanto, welches das Mittelwort von schaffen ist (Angels. Scyppene, Scyppende,) im Isidor Scheffida, bey dem Notker Skephe, alle von Gott gebraucht.


Schöpferisch (W3) [Adelung]


Schöpferisch, zusammen gezogen schöpfrisch, adj. et adv. in den Fähigkeiten eines Schöpfers gegründet; doch nur in der zweyten Bedeutung dieses Hauptwortes, und in der dichterischen Schreibart. Ein wahrer Macen von allen schöpferischen Geistern, Zachar. von allen Urhebern künstlicher Werke des Witzes. Ingleichen von Gott; der mit schöpferischer Kraft die Welt aus dem Nichts hervor gehen hieß. S. Schöpfer 2, 2).


Schöpferstuhl (W3) [Adelung]


Der Schöpferstuhl, des -es, plur. die -stühle, siehe Schöpfer 2, 1).


Schöpfgelte (W3) [Adelung]


Die Schöpfgelte, plur. die -n, eine Gelte zum Schöpfen, Wasser damit aus Kellen, Pfannen u. s. f. zu schöpfen. So auch Schöpfeimer, Schöpfkanne, Schöpfnapf, Schöpfkelle, Schöpflöffel, Schöpftopf u. s. f.


Schopfig (W3) [Adelung]


Schopfig, -er, -ste, adj. et adv. einen Schopf habend; geschopft.


Schöpfkübel (W3) [Adelung]


Der Schöpfkübel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kübel, Wasser damit zu schöpfen, besonders bey dem Feuergeräth, das Wasser damit aus den großen Kufen in die Spritzen zu gießen.


Schopfmeise (W3) [Adelung]


Die Schopfmeise, plur. die -n, eine Art Meisen, welche einen Schopf oder Federbusch auf dem Kopfe hat, und daher auch Kobelmeise, Haubelmeise, Haubenmeise, Straußmeise genannt wird; Parus cristatus Klein.


Schöpfmühle (W3) [Adelung]


Die Schöpfmühle, plur. die -n, ein Mühlwerk, Wasser damit aus Teichen, Canälen, Gräben u. s. f. zu schöpfen.


Schöpfrad (W3) [Adelung]


Das Schöpfrad, des -es, plur. die -räder. 1) Ein zwischen den Schaufeln mit Kasten oder Eimern versehenes Rad, Wasser damit zu schöpfen und in die Höhe zu bringen. 2) In den Schlaguhren, S. Schöpfer 1.


Schöpfschaufel (W3) [Adelung]


Die Schöpfschaufel, plur. die -n, tiefe Schaufeln, Wasser damit aus- und einzuschöpfen. Auf den Flußschiffen hat man dergleichen an einem Stricke befestigte Schaufeln, das Wasser damit über Bort zu werfen.


Schöpfung (W3) [Adelung]


Die Schöpfung, plur. inus. von dem Activo schöpfen, und zwar in dessen veralteten dritten Bedeutung für schaffen, erschaffen, wo es doch nur in engerer Bedeutung von der unmittelbaren Hervorbringung eines Dinges, das vorher nicht da war, durch eine bloße Thätigkeit des Willens, gebraucht wird, welche denn nur Gott allein zukommt. Es wird hier so wohl von fder ganz unmittelbaren Hervorbringung der einfachen Dinge, als auch von der mittelbarern Zusammensetzung der Dinge aus diesen einfachen gebraucht. Die Schöpfung der Welt aus Nichts. Die Schöpfung des Menschen, der Engel. Vor der Schöpfung, d. i. der Welt. Zuweilen, obgleich seltener, kommt es auch figürlich von Gott vor, die Hervorbringung zufälliger Beschaffenheiten und Veränderungen, oder eines Zustandes zu bezeichnen. Schöpfung und Erschaffung sind zwar der Form nach gar sehr verschieden; allein sie werden doch in manchen Fällen als gleichbedeutend gebraucht. Stosch bemerkt sehr richtig, daß, wenn das Object ausdrücklich gemeldet werde, man so wohl eines als das andere gebrauchen könne. Die Schöpfung des Menschen, der Welt, der Engel u. s. f. und die Erschaffung. Wird der Gegenstand verschwiegen, so findet nur allein Schöpfung Statt. Eben so richtig ist die Bemerkung, daß Schöpfung sich besser von der ganz unmittelbaren Hervorbringung, Erschaffung aber von der mittelbarern Zusammensetzung gebrauchen lasse. Der Grund scheint in der intensiven Form des Wortes Schöpfung zu liegen, welche wegen dieser Intension mehr sagt, als Erschaffung. In der edlern Schreibart hat man dieses Wort auch figürlich von dem ganzen Inbegriff der erschaffenen Dinge, von der Welt, zu gebrauchen angefangen. Wir müssen den flüchtigen Anblick der Schöpfung in einen bedachtsamen verwandeln, Gell. Der Mensch, das Meisterstück der Schöpfung. Die ganze Schöpfung schläft, Klopst. O Lied, verewige nicht die Grausamkeit des Menschen, Wie er zum Wüthrich der Schöpfung sich würgt, Giseke. Da es denn auch wohl von einigen im Plural statt Welten gebraucht wird. Daß ichs durch die Schöpfungen laut ausrufe, Klopstock.


Schöpfwerk (W3) [Adelung]


Das Schöpfwerk, des -es, plur. die -e, eine zusammen gesetzte Maschine, das Wasser damit aus einem Orte zu schöpfen.


Schöpp (W3) [Adelung]


Der Schöpp, der Salz- oder Pfannenstein, S. Schepp.


Schoppe (W3) [Adelung]


Die Schoppe, S. der Schoppen.


Schöppe (W3) [Adelung]


Der Schöppe, des -n, plur. die -n, ein sehr altes Wort, den Beysitzer eines Gerichts zu bezeichnen, welches noch in einigen alten Gerichten, besonders auf dem Lande, üblich ist, dagegen in den meisten neuern das Lateinische Assessor, oder auch das Deutsche Beysitzer üblich geworden. Ez ist etuva geuuonhait, daz man zuuelf man nimpt die dem Richter sullen helfen rinten, die haizent Schepfen. Die sulen uuise luite sin, und suln vor geriht urtail vinden umb ain iegliche sach u. s. f. Schwabensp. Kap. 164. S. auch Kap. 135. Da man denn so wohl geringere Schöppen in den Dorf- und Feldgerichten, als auch in höhern, besonders Criminal-Gerichten, hat. Weil ihr Amt eigentlich darin bestand, das Urtheil zu finden, d. i. dem Richter das Urtheil und die Gründe, worauf es gebauet war, anzugeben, so wurden sie ehedem auch Finder, Urtheilfinder, Urtheiler, Rechtsprecher u. s. f. genannt. ( S. Schöppenstuhl.) In einigen Gegenden werden auch die Handwerksältesten, d. i. die Beysitzer des Obermeisters, Schöppen genannt.

Anm. Schöppe, welches im Hochdeutschen die gangbarste Form ist, aus der Niederdeutschen Mundart entlehnet, dagegen die Oberdeutsche dieses Wort Schöpfe, Schöffe und Scheffe spricht und schreibt. Im Sachsenspiegel lautet es Scepene, im Franz. Echevin. Das mittlere Lat. Scabinus ist sehr früh daraus gebildet worden. Es stammet von dem Zeitworte schaffen und dessen Intensivo schöpfen her, entweder so fern es befehlen, anordnen, und in engerm Verstande Recht sprechen, urtheilen bedeutet, oder auch so fern es in manchen Fällen noch für ausfündig machen gebraucht wird, z. B. Rath schaffen; weil sie, wie man ehedem sagte, das Urtheil finden mußten. Wie alt diese Bedeutung sey, erhellet unter andern auch aus dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, richten, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Richter. S. Schaffen.


Schoppen (W3) [Adelung]


1. Der Schoppen, des -s, plur. ut nom. sing. ein leichtes Gebäude, welches vornehmlich aus einem Dache bestehet, und auf den Seiten zuweilen offen, zuweilen aber auch eingeschlossen ist, gewisse Dinge darin vor der Witterungen bedecken. Ein Wagenschoppen, für die Wagen, ein Waschschoppen, darin zu waschen, ein Feldschoppen, auf dem Felde, Garben u. s. f. darin vor der Witterung zu bewahren, ein Ziegelschoppen, Ziegel darin zu trocknen u. s. f.

Anm. Im Nieders. Schupp, auch in einigen Hochdeutschen Gegenden Schuppen, im Oberd. Schupf, Schupfe, Schupfen, in der Schweiz Schaub, im Angels. Sceof, Scypen, im Engl. Shop, im Französ. Echope, im Pohln. Szopa, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es stammet von einem im Hochdeutschen veralteten Zeitworte her, welches noch im Hannöverischen gangbar ist, wo schuppen so viel als bedecken, beschützen, bedeutet, Wend. schowam, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Im mittlern Lat. ist Eschopa ein Haus, vielleicht auch zunächst ein Schoppen. S. auch Schaube, Schuppe und das folgende.


Schoppen (W3) [Adelung]


2. Der Schoppen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schöppchen, Oberd. Schöpplein, ein Wort, welches überhaupt ein hohles Gefäß bedeutet, aber nur noch in einigen Fällen üblich ist. 1) Im Niederdeutschen ist Schopen eine große Gelte, eine Schöpfkelle, Engl. Scoop, Holländ. Schoepe, Schuppe, Schwed. Skopa; Schepken aber eine Art Trinkgeschirr. 2) Im Oberdeutschen hingegen ist es ein bestimmtes Maß flüssiger Dinge, welches in einigen Gegenden der vierte Theil, in den meisten aber die Hälfte eines Maßes ist. Ein Schoppen Wein, Bier.

Anm. In der zweyten Bedeutung im mittlern Lateine Copina, Chopina, Cuppina, im Franz. Chopine. Ohne Zischlaut gehöret auch das Oberd. Kopf, Köpf, in der ähnlichen Bedeutung eines Maßes, dahin. Da die Begriffe der Bedeckung und des hohlen Raumes sehr nahe verwandt sind, so erhellet daraus die Verwandtschaft dieses Wortes mit dem vorigen, und zugleich mit dem ganzen großen Geschlechte von Schaff, Scheffel, Schaufel, (Nieders. Schüppe,) dem Nieders. Schapp, ein Schrank, Schiff, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Koben, Kuse u. s. f.


Schoppen (W3) [Adelung]


* Schoppen, verb. reg. act. welches im Hochdeutschen wenig gehöret wird, im Oberdeutschen aber für stopfen sehr gangbar ist, besonders von dem Stopfen mit einem weichen Körper. Groß not Sy allda erlitten, Ee Sy den segel zerschnitten, Mit dem und auch iren Joppen Musten Sy die löcher verschoppen, Theuerd. Kap. 46. Ein Kummet mit Kühhaaren schoppen. Ausgeschoppte Vögel, ausgestopfte. Gänse, Kapaunen, schoppen, im Hochdeutschen stopfen, eine Art des Mästens, da man ihnen die Speise in Gestalt der Nudeln, die daher im Oberd. Schoppnudeln heißen, in den Hals stopfet. In eben dieser Mundart werden auch die Flicksteine der Maurer Schoppsteine genannt. Geschoppt voll, gestopft, gepropft voll. Daher das Schoppen.

Anm. Es ist ein Intensivum von schieben, weil das Schoppen wirklich eine Art des Schiebens ist. Siehe auch Schuppen, mit einem Stoße schieben, welches gleichfalls ein Intensivum davon ist.


Schöppenbank (W3) [Adelung]


Die Schöppenbank, plur. die -bänke, da, wo die Beysitzer eines Gerichtes noch unter dem Nahmen der Schöppen bekannt sind, der Sitz derselben in einem Gerichte. Ehedem auch wohl ein mit Schöppen besetztes Gericht; ein Schöppenstuhl.


Schöppenbar (W3) [Adelung]


Schöppenbar, adj. et adv. welches ehedem gangbarer war als jetzt, einen Schöppen in einem obern Gerichte an Würden und Vorzügen gleich.


Schöppenbrot (W3) [Adelung]


Das Schöppenbrot, des -es, plur. die -e, zu Halle in Sachsen, gewisse Brote, welche den Schöppen alle hohe Feste in das Haus geschickt werden müssen.


Schöppenbuch (W3) [Adelung]


Das Schöppenbuch, des -es, plur. die -bücher, an einigen Orten, das Gerichtsbuch in einem mit Schöppen besetzten Gerichte.


Schöppenpferd (W3) [Adelung]


Das Schöppenpferd, des -es, plur. die -e, an einigen Orten, das beste Pferd eines Dorfschöppen, welches bey dessen Absterben dem Gerichtsherren anheim fällt; eine Art der Baulebung oder des Todfalles.


Schöppenschreiber (W3) [Adelung]


Der Schöppenschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. der Schreiber in einem mit Schöppen besetzten Gerichte.


Schöppenstube (W3) [Adelung]


Die Schöppenstube, plur. die -n, eigentlich die Stube, oder das Zimmer, worin sich die Schöppen versammeln, die Gerichtsstube; an einigen Orten auch ein mit Schöppen besetztes Gericht, wie Schöppenbank und Schöppenstuhl.


Schöppenstuhl (W3) [Adelung]


Der Schöppenstuhl, des -es, plur. die -stühle. 1) In weiterer, aber jetzt ungewöhnlicherer Bedeutung, ein jedes mit Schöppen besetztes Gericht; in welchem Verstande in einigen Gegenden noch die Ausdrücke Schöppenbank und Schöppenstube üblich sind. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist es ein Gerichtsstuhl in welchem die Beysitzer noch nach alter Art den Nahmen der Schöppen führen, d. i. ein Collegium von Rechtsgelehrten, welche die Gesetze auf die ihnen vorgelegten Fälle anwenden, bloß Antworten und Entscheidungen geben, und sich dadurch von einem Gerichte in engerer Bedeutung, welches diese Aussprüche in Vollziehung bringet, unterscheiden. Die Facultäten auf den Universitäten sind solche Gerichtsstühle. Wo die Beysitzer eines solchen Collegii noch den Nahmen Schöppen führen, da ist von demselben auch noch der Nahme Schöppenstuhl üblich. Siehe Stuhl.


Schöpps (W3) [Adelung]


Das Schöpps, ein Bier in Breslau, S. Scheps.


Schöpps (W3) [Adelung]


Der Schöpps, des -es, plur. die -e, im Oberd. des -en, die -en, ein verschnittener Schafbock, welcher auch ein Hammel genannt wird, 3 Mos. 6, 6; Tob. 7, 9. Daher das Schöppsenfleisch, der Schöppsenbraten, die Schöppsenkeule u. s. f. Figürlich ist wegen der diesem Thiere eigenen Dummheit das Wort Schöpps auch eine verächtliche Benennung eines einfältigen, dummen Menschen, in welchem figürlichen Verstande das Wort Hammel nicht üblich ist.

Anm. Schöps, oder richtiger Schöpps, lautet im Pohlnischen Skop, und im Böhm. Skopec. frisch leitet es von Schaf, Nieders. Schaap, her; allein da das gleichbedeutende Hammel von hammen, verschneiden, herkommt, so ist Wachters Ableitung, der es vermittelst des Zischlautes von kappen, schneiden, abstammen läßt, wahrscheinlicher. In Franken heißt ein Schöpps ein Schütz, Schöppsenfleisch Schützenfleisch u. s. f. welches mit dem mittlern Lat. Escodatus, ein Schöpps, überein kommt, und auf ähnliche Art von dem alten kutten, schneiden, gebildet seyn kann. Im Österreichischen ist dafür Castraun üblich. Das Wort Schöpps ist den Niederdeutschen unbekannt, welche dafür Hammel sagen; die Hochdeutschen gebrauchen beyde, doch mehr das erste als das letzte.


Schöppsbutten (W3) [Adelung]


Der Schöppsbutten, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, z. B. Meißens, der Butten, d. i. der Magen mit dem übrigen Eingeweide eines Schöppses.


Schore (W3) [Adelung]


* Die Schore, plur. die -n, ein nur in dem Schiffbaue der Niederdeutschen übliches Wort, die starken Stützen zu bezeichnen, welche das Schiff auf dem Stapel halten. In andern Niederdeutschen Gegenden werden die breiten Pfähle, welche an den Deichen und Dämmen eingeschlagen werden, sie vor dem Wasser zu schützen, Schoren und Scharren genannt.


Scharerde (W3) [Adelung]


Die Scharerde, S. Scharrerde.


Schorf (W3) [Adelung]


Der Schorf, des -es, plur. inus. die rauhe Rinde auf einer Wunde. Ingleichen die rauhe Rinde, welche sich bey der Krätze, und bey einem ausgeschlagenen Kopfe ansetzet, und im Hochdeutschen der Grind, im Oberdeutschen aber die Kufe genannt wird, daher in einigen Gegenden diese Krankheiten selbst auch der Schorf genannt werden.

Anm. Im Nieders. Schorf, Schörft, im Angels. Scorf, wo auch Scorfa die Krätze ist, im Engl. Scurf, im Schwed. Skorf, welches gleichfalls die Krätze bedeutet. In der ersten allgemeinen Bedeutung scheint es von scharf, rauh, in der zweyten aber zunächst von dem nahe verwandten scharren, scheuern, abzustammen, so wie Scabies von scabere, Krätze von kratzen u. s. f. gebildet sind. Im Lat. ist scarrosus krätzig, von dem alten scarrere, scharren, schaben. Ohne Zischlaut ist im Böhmischen Kura die Brotrinde.


Schorigeln (W3) [Adelung]


Schorigeln, S. Schurigeln.


Schörl (W3) [Adelung]


Der Schörl, des -s, plur. inus. im Bergbaue, eine eisenhaltige Steinart, welche dem äußern Ansehen nach dem Wolfram gleicht, nur daß sie leichter und schwärzer ist, bey dem Schaben nicht roth wird, und vieleckiger und cubischer angeschossen ist. Er pflegt zuweilen unter den Zinngraupen zu brechen, deren feines Korn und Glanz er doch nicht hat, so wie er auch länglicher als diese angeschossen ist. Bey den Bergleuten "Schirl" und "Schorlet". Daher das "Schörlkorn", ein Korn "Schörl", Schörl in Körnern, mit welchem Nahmen man auch die Flußgranaten zu benennen pflegt, vielleicht weil sie dem "Schörl" ähnlich sind. Heakel leiter den Nahmen daher, weil diese Bergart im Wasser mit aufschielet, oder aufquillet, (im Wendischen ist "zorliu" quellen, und "Zorlo" die Quelle,) und aus den Zinnseifen, als aus einer Quelle, mit heraus rinnet; allein dieses passet auch auf die Zinnzwitter. Es scheinet daher wohl eine unnütze, schädliche Bergart überhaupt zu bedeuten, und mit dem alten "Schor", Nieders. "Scharn", "Unreinigkeit", "Auswurf", "Abraum", Eines Geschlechtes zu seyn.


Schorstein (W3) [Adelung]


Der Schorstein, des -es, plur. die -e, ein gemauerter Rauchfang, eine Feuermauer, und in weiterer Bedeutung, ein jeder, gemeiniglich senkrecht gehender Canal, den Rauch aus den Küchen und andern Feuerstätten eines Gebäudes zu führen.

Anm. Im Nieders. Schornsteen, Scheurnsteen, Schosteen, im Schwed. Skorsten. Frisch erkläret die letzte Hälfte -stein nach einer sehr ungewöhnlichen Figur durch Mauer, und leitet die erste Hälfte eben so gezwungen von scharren, scheuern, her, weil die Feuermauer gereiniget werden müsse. Allein aus Ihre Gloss. erhellet, daß Scarstain im Schwedischen ehedem eigentlich den Herd bedeutet habe, d. i. denjenigen flachen Stein welcher ehedem statt des Herdes dienete. In den ältern Zeiten waren alle Arten von Rauchfängen und Feuermauern unbekannt, und auf dem Lande vieler, besonders nördlicher Gegenden, läßt man noch jetzt den Rauch zu den Fenstern hinaus gehen, und hat dessen ungeachtet Schorsteine, d. i. steinerne Herde. Die erste Hälfte ist allem Ansehen nach das alte Europäische Skior, Schor, Feuer, welches auch in dem alten Persischen Cyrus, die Sonne, das Feuer, und den Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, der Herd, zum Grunde liegt; (siehe Schüren.) Schorstein, alt Schwed. Scarstain und Branstein, bedeutet also eigentlich den Herd, und nach einer gewöhnlichen Figur auch den über dem Herd zur Abführung des Rauches aufgeführten Canal. Siehe auch Feuermauer, Rauchfang, Schlot, Kamin u. s. f.


Schorsteinfeger (W3) [Adelung]


Der Schorsteinfeger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schorsteinfegerinn, derjenige, welcher den Schorstein feger, ihn von dem Ruße reiniget, besonders der zünftige Handwerker dieser Art; der Feuermauerkehrer, der Rauchfangkehrer, Schlotfeger. Figürlich ist der Schorsteinfeger eine Art kleiner, schwarger Dickschnäbler oder Steinbeißer, von der Größe eines Canarien-Vogels, der bey den Flügeln ein wenig weiß ist; Coccothraustes, Rubicella minor nigra Klein.


Schoß (W3) [Adelung]


Der Schoß, S. Schooß.


Schoß (W3) [Adelung]


Der Schoß, des -sses, plur. die Schosse, und in einigen Mundarten die Schösse, Dimin. das Schößchen, Oberd. Schößlein; von dem Zeitwort schießen, daher es so wie dieses in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. 1. Was schießet, ein schießendes Ding. 1) Von schießen, schnell in die Höhe wachsen. (a) Die jungen Zweige an den Bäumen und Pflanzen werden Schosse, Schüsse, Schößlinge genannt, worunter man doch allemahl nur junge Zweige von diesem Jahre verstehet. Englisch Shoot. ( S. Nebenschoß, Rebschoß, Wasserschoß u. s. f.) (b) Das Stockwerk eines aufgeführten Gebäudes wird in manchen Gegenden gleichfalls Schoß, am häufigsten aber Geschoß genannt, wo es eine Figur von schießen, sich der Höhe nach ausdehnen, zu seyn scheinet. Im Schwed. ist Skate der Gipfel eines Baumes. 2) Von schießen, schnell daher fahren, ist der Schoß, und im Plural die Schösse, im Bergbaue, das herein geschossene oder herein gestürzte Erdreich oder Gestein. Die Schösse abräumen, das herein gestürzte Gestein. Von schießen, schnell fließen, kommt es in den Zusammensetzungen Schoßgerinne u. s. f. vor. 3) Von schießen, schnell schieben und fallen, wird im Niederdeutschen eine jede Schub- oder Fallthür ein Schott genannt. Vermuthlich rühret es daher, daß auch im Hochdeutschen ein kleines Fenster in einem größern, welches ohne dieses geöffnet werden kann, im Dimin. ein Schößchen genannt wird. 2. Ein Werkzeug, womit man schießet, in welchem Verstande ehedem ein jedes zum Schießen bestimmtes Gewehr, es sey nun ein Bogen, Feuergewehr u. s. f. ein Schoß genannt wurde, welches in der dichterischen Schreibart wohl noch zuweilen gebraucht wird, obgleich Geschoß üblicher ist, S. dasselbe. 3. Was geschossen wird, in welchem Verstande es doch nur von zusammen geschossenem Gelde üblich ist. So ist in Bremen der Schott dasjenige Geld, welches die Bürgerschaft zum allgemeinen Besten freywillig zusammen schießet. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung nicht üblich, wohl aber von gewissen auf den Grundstücken haftenden obrigkeitlichen Abgaben, welche sonst auch Steuern genannt werden, und wöfur auch Geschoß üblich ist. So werden sie Schoß, Zoll und jährliche Zinse nicht geben, Esr. 4, 13. Ists recht, daß wir dem Kaiser den Schoß geben oder nicht? Luc. 20, 22. Schoß, dem der Schoß gebühret, Röm. 13, 7. Drey Schosse geben, diejenige Summe, welche als ein Schoß auf einem Grundstücke haftet, dreyfach entrichten. Der Schoß ist eine der ältesten Abgaben, und wird eigentlich von Grundstücken entrichtet; indessen ist in vielen Gegenden dafür das Wort Steuer üblich, und in manchen sind so wohl Schoß als Steuer gangbar, aber durch das Herkommen auf besondere Art eingeschränkt. Ehedem aber wurde oft eine jede Abgabe an die Obrigkeit ein Schoß genannt, S. zum Beyspiel Abschoß.

Anm. In dieser letzten Bedeutung einer Abgabe kann es so wohl von schießen, hergeben, als auch zunächst von Schatz, Schatzung, gebildet seyn, ( S. dieses Wort.) Es ist in dieser Bedeutung sehr alt und von einem sehr weiten Umfange. Denn das Nieders. Schott, das alte Gothische Skott, das Angels. Skeat, das Span. Escot, das alte Franz. Chas, das Böhm. Ssos, die mittlern Lat. Scottum, und ohne Zischlaut Cossa, Cocia, Cossatum, und andere mehr, bedeuten theils Steuer, Schoß, obrig- keitliche Abgabe, theils auch Geld überhaupt; Schatz. Daß man dieses Wort schon vor Alters von dem zusammen schießen abgeleitet habe, erhellet aus den spätern Lat. Conjectus, Conjecta, Conjectio, Consagittatio, welche alle so wohl von Contributionen, als auch von freywillig zusammen geschossenen Geldsummen vorkommen. Im Ital. ist Scotto die Zeche.


Schoßbalg (W3) [Adelung]


Der Schoßbalg, des -es, plur. die -bälge, in der Landwirthschaft, der Balg, oder hohle Theil an den Getreidehalmen, worin die Ähre, ehe sie hervor schießet, verbogen ist; die Scheide, Kappe. S. Schoß 1, 1) (a).


Schoßbank (W3) [Adelung]


Die Schoßbank, plur. die -bänke, in einigen Gegenden, eine lange hölzerne Bank mit einer Lehne, worauf mehrere Personen zugleich sitzen können. Vielleicht von schießen, sich in die Länge erstrecken.


Schoßbar (W3) [Adelung]


Schoßbar, adj. et adv. verpflichtet, Schoß oder Geschoß zu geben, schoßpflichtig; im Gegensatze des schoßfrey. Schoßbare Unterthanen, Hufen, Äcker, Häuser u. s. f. S. Schoß 3.


Schoßbuch (W3) [Adelung]


Das Schoßbuch, des -es, plur. die -bücher, dasjenige Buch, worin die schoßbaren Güter und Unterthanen nebst der Summe ihres Schosses verzeichnet sind; das Schoß-Register.


Schossen (W3) [Adelung]


Schossen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, von Schoß, 1, 1) (a), oder vielmehr auch als ein Intensivum von schießen, in die Höhe wachsen, schnell in die Höhe wachsen, wo es doch in engerer Bedeutung am üblichsten ist, Stängel, Halme gewinnen, besonders von den Getreidearten. Der Rocken schosset, wenn er Halme zu treiben anfängt. Ingleichen Ähren gewinnen. Die Gerste hat geschosset, 2 Mos. 9, 31. 2) Als ein Activum, von Schoß 3, Schoß oder Geschoß geben. Ein Haus schosset jährlich zehen Thaler, wenn es so viel an Geschoß gibt. S. auch Verschossen. So auch das Schossen.


Schösser (W3) [Adelung]


1. Der Schösser, des -s, plur. ut nom. sing. ein schießendes Ding oder Werkzeug zum Schießen, ein nur in einigen einzelnen Fällen übliches Wort. So pflegen die Bäcker in einigen Gegenden die flache Schaufel, womit sie das Brot in den Ofen schießen, so wohl den Schießer als den Schösser zu nennen. Der Hänfling wird, weil er Schußweite zu fliegen pflegt, in einigen Gegenden so wohl Schösserlein als Schößlein genannt.


Schösser (W3) [Adelung]


2. Der Schösser, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schösserinn, von Schoß 3, eine Person, welche dazu gesetzt ist, den Schoß von den schoßbaren Personen einzunehmen und zu berechnen; wo dieses Wort doch nur in manchen Gegenden üblich ist, in manchen aber auch von einem solchen Einnehmer aller obrigkeitlichen Gefälle gebraucht wird. Der Amtsschösser, der Einnehmer der oberigkeitlichen Schosse oder Steuern in einem Kammeramte. Von Schoß und der Ableitungssylbe -er, eine Person männlichen Geschlechtes, daher er im Schwed. Skutman heißt.


Schösserey (W3) [Adelung]


Die Schösserey, plur. die -en, das Amt, die Stelle eines Schössers, dessen Wohnung, ingleichen der Ort, wo er die Schosse einnimmt.


Schoßfaß (W3) [Adelung]


Das Schoßfaß, des -sses, plur. die -fässer, in den Brauhäusern einiger Gegenden, diejenige Kufe, in welche man das gekochte Bier schießen oder laufen läßt.


Schoßfrey (W3) [Adelung]


Schoßfrey, adj. et adv. von der Verbindlichkeit, Schoß oder Steuern zu bezahlen, frey; im Gegensatze des schoßbar. Schoßfreye Einwohner, Häuser, Güter.


Schoßgerinne (W3) [Adelung]


Das Schoßgerinne, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue. 1) Dasjenige Gerinne, aus welchem und durch welches das Wasser auf die Räder schießet. Ingleichen in den Pochwerken, dasjenige Gerinne, worin das Wasser aus dem Pochtroge abschießet oder abfließet. Da denn 2) auch das klein gepochte Erz, welches das Wasser durch dieses Gerinne mit sich führet, das Schoßgerinne genannt wird.


Schoßjahr (W3) [Adelung]


Das Schoßjahr, des -es, am häufigsten im Plural, die -e, die Jahre, da eine Person noch schießet, d. i. in die Länge wächst. Ein rüstiges Mädchen in den besten Schoßjahren.


Schoßkelle (W3) [Adelung]


Die Schoßkelle, plur. die -n, eine Benennung des hinten an den Postwagen und Landkutschen befindlichen Raumes, Koffer und andere Packe darin zu verwahren. Kelle hat hier noch die alte Bedeutung eines hohlen vertieften Raumes. Die erste Hälfte ist ein wenig dunkel. Ist sie etwa von Schooß, so fern es auch einen hohlen Raum bedeutet, oder von schießen, weil man die Packereyen da hinein zu schießen oder zu werfen pflegt? Die Dunkelheit ist ein Beweis des hohen Alters dieses Wortes, welches allem Ansehen, nach ehedem im weiterer Bedeutung üblich gewesen.


Schoßkiel (W3) [Adelung]


Der Schoßkiel, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft, die Kiele, d. i. jungen und noch kleinen Halme des Getreides, welche zum Vorschein kommen, wenn das Getreide anfängt zu schossen.


Schößling (W3) [Adelung]


Der Schößling, des -es, plur. die -e, ein in die Höhe geschossenes, schnell in die Höhe gewachsenes Ding. So werden die jährigen jungen Zweige an den Bäumen und Gewächsen, die Schosse, auch Schößlinge genannt; das Schoßreis. Die Schößlinge an einem Baum hören nicht auf, Hiob 14, 7. Auch ein junger schnell aufgewachsener Mensch.


Schoßpflichtig (W3) [Adelung]


Schoßpflichtig, adj. et adv. verpflichtet, Schoß zu geben; schoßbar. Daher die Schoßpflichtigkeit, plur. inus. die Verbindlichkeit, Schoß zu geben.


Schoßrebe (W3) [Adelung]


Die Schoßrebe, plur. die -n, ein Schoß oder Schößling an dem Weinstocke, eine junge Rebe.


Schoß-Register (W3) [Adelung]


Das Schoß-Register, des -s, plur. ut nom. sing. das Register oder Verzeichniß über die schoßbaren Unterthanen und Grundstücke; das Schoßbuch.


Schoßreis (W3) [Adelung]


Das Schoßreis, des -es, plur. die -er, S. Schößling.


Schoßrinne (W3) [Adelung]


Die Schoßrinne, plur. die -n, in einigen Gegenden, eine kleine Rinne von Hohlziegeln, zwischen dem Dache und den an dessen Seiten heraus gehenden Schorsteinen; vermuthlich weil durch dieselbe das Wasser abschießet. Nieders. Schottronne.


Schoßstein (W3) [Adelung]


Der Schoßstein, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme der Belemniten, weil der große Haufe glaubt, daß sie bey einem Gewitter aus den Wolken geschossen werden, daher er sie Donnersteine, Pfeilsteine u. s. f. nennet.


Schoßwurz (W3) [Adelung]


Die Schoßwurz, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme der Stabwurz ohne Zweifel, wegen ihrer langen und geraden, den Schossen der Bäume ähnlichen Zweige.


Schote (W3) [Adelung]


1. Die Schote, plur. die -n, in der Schifffahrt, eine Art Seile an den Ecken der Segel, vermittelst welcher man sie so stellet, daß sie den Wind fassen. Die Schoten bekommen den Nahmen von dem Segel, woran sie sich befinden; die Marsschote, Bramschote, Steuerschote u. s. f. Die Schoten und Halsen sind bloß darin unterschieden, daß sich jene am Hintertheile, diese aber am Vordertheile befinden.


Schote (W3) [Adelung]


2. Die Schote, plur. die -n, Dimin. das Schötchen, Oberd. das Schötlein, eine Art Samengehäuse an den Gewächsen, welches aus zwey gleichen länglichen Stücken bestehet, die durch zwey Nähte an einander befestiget sind, in welchen der Same befindlich ist. In engerm Verstande ist nur ein solches Samengehäuse eine Schote, wenn der Same darin von einer Naht zur andern wechselsweise sitzet; zum Unterschiede von einer Hülse im engsten Verstande, wo der Same nur allein an der Obernaht befestigt ist. Schoten tragen. Figürlich, eine Pflanze, ein Gewächs, welches Schoten trägt; doch nur in einigen zusammen gesetzten Nahmen, z. B. Wolfsschote. Im engsten Verstande verstehet man unter Schoten schlechthin, die noch grünen Schoten der Erbsen. Feldschoten, von Felderbsen, Zuckerschoten, von Zuckererbsen; da man denn auch wohl das ganze Gewächs, so lange der Same und dessen Schoten noch grün sind, Schoten zu nennen pflegt.

Anm. Die Niederdeutschen kennen dieses Wort, wie es scheinet, nicht, indem die Niedersachsen dafür Paale oder Pahle gebrauchen, welches mit unserm Fell verwandt ist. Andere verwandte Sprachen haben zwar dieses Wort, aber ohne Zischlaut; Angels. Coddas, Engl. Cod, im mittlern Latein. Cossae, im Französ. Ecosses, im Schwed. Kudde, welches aber auch einen Beutel bedeutet, woraus zugleich die Verwandtschaft mit unserm Kutte, Katze, ein langer Geldbeutel, u. a. m. erhellet.


Schotendorn (W3) [Adelung]


Der Schotendorn, des -es, plur. inus. ein dornartiger Strauch, welcher seinen Samen in Schoten trägt, deren man mehrere Arten hat. Der Ägyptische Schotendorn, oder bey den Neuern Schotendorn schlechthin, ist eine Art der Sinnpflanze mit Stacheln, welche in Arabien, Ägypten und Senegal häufig wächst, und aus dessen Holze das Arabische Gummi schwitzet; Mimosa Senegal L. Bey den Älteren Acacia. Der Amerikanische Schotendorn, welchen andere den Wunderbaum nennen, wächst zu einem ziemlich hohen Baume und hat zum Theil stachlige Schoten; Robinia Pseudo-Acacia, echinata und hispida L. Ein anderer Amerikanischer Schotendorn, welcher gleichfalls zu einem starken Baume wächst, wird auch Heuschreckenbaum und Honigerbse genannt; Gleditsia L.


Schotenerbsen (W3) [Adelung]


Die Schotenerbsen, sing. inus. grüne Erbsen in ihren grünen Schoten.


Schotenkaper (W3) [Adelung]


Die Schotenkaper, plur. die -n, eine Art Kaper, welche ihren Samen in Schoten trägt, und in Jamaika einheimisch ist; Capparis siliquosa L.


Schotenklee (W3) [Adelung]


Der Schotenklee, des -s, plur. inus. ein dem Klee ähnliches Gewächs, welches seinen Samen in Schoten trägt; Lotus L. Im gemeinen Leben pflegt man auch wohl einige Arten des Steinklees, als das Trifolium hybridum L. dessen T. repens und alpinum, um eben dieser Ursache willen Schotenklee zu nennen.


Schotenweiderich (W3) [Adelung]


Der Schotenweiderich, des -es, plur. inus. eine Art des Weiderichs, welcher seinen Samen in Schoten trägt.


Schott (W3) [Adelung]


* Das Schott, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Gegenden, z. B. in Danzig, für Karat übliches Wort. Ein Schott oder Karat hält 4 Gran oder 12 Grän, 3 Schott machen eine Unze, und 24 eine Mark.


Schotte (W3) [Adelung]


Der Schotte, des -n, plur. die -n. 1) Ein Einwohner Schottlandes, ein Schottländer. 2) Ehedem pflegte man auch verschiedene Arten von Hausirern oder im Lande herum reisenden Krämern und Handwerkern, welche keine feste Wohnung hatten, Schotten zu nennen. Ein Pfrogner, Sonnenkrämer, Scholderer und Schott, der mit seiner gefälschten Mütze (Metze, Maß,) die Leute besebelt, Matthes. bey dem Frisch. Fremde Krämer. Landfahrer, Schotten, Juden, in einer Chur-Brandenburg. Verordnung bey dem Scherlitz und Frisch. In der Preußischen Landesordn. befindet sich ein eigener Artikel von den Krämern Schotten, wo es heißt; Schotten, die allhier in unserm Fürstenthum Preußen seßhaftig, sollen feil haben, aber ohne Betrug und falsch an Waaren, Ellen, Maß, Gewicht u. s. f. Und daher pflegen die Weißgärber noch diejenigen von ihrem Handwerke, welche nicht in ihrer Werkstätte bleiben, sondern im Lande herum hausiren, Schotten zu nennen. Sollten etwa ehedem die Schottländer, wie jetzt die Wälschen, aus ihrem Lande ausgewandert seyn, und sich in fremden Ländern genähret haben?


Schotten (W3) [Adelung]


Der Schotten, des -s, plur. car. oder auch, wie in einigen Gegenden üblich ist, die Schotten, sing. car. ein vorzüglich im Oberdeutschen gangbares Wort, die Mollen, oder den übrig bleibenden wässerigen Theil von der gekäseten Milch zu bezeichnen. In andern Gegenden pflegt man den geronnenen Theil der Milch, den eigentlichen Käse, Schotten zu nennen; zu Schotten werden, gerinnen. Woraus erhellet, daß dieses Wort zu schütten gehöret, so fern es gerinnen, sich scheiden, bedeutet, von welchem letztern es in dieser Bedeutung das Intensivum ist.


Schovel (W3) [Adelung]


Schovel, S. Schofel.


Schraffiren (W3) [Adelung]


Schraffiren, verb. reg. act. welches vornehmlich bey den Kupferstechern und im Zeichnen üblich ist, über einander, oder in das Kreuz gehende Linien machen, welches auf dem Papiere mit der Feder, und auf der Kupferplatte mit dem Grabstichel, geschiehet, die Schatten dadurch zu bezeichnen. Daher die Schraffirung, so wohl das Schraffiren, als auch der durch über einander gehende Linien angedeutete Schatten. Es ist aus dem Ital. sgraffiare, welches vermittelst des Zischlautes von graver und graben gebildet ist, und auch kratzen bedeutet.


Schräge (W3) [Adelung]


Schräge, -r, -ste, adj. et adv. mit der Horizontal- oder Perpendicularlinie einen schiefen Winkel machend. Eine schräge Linie, eine gerade Linie, welche diese Richtung hat, und folglich als die Diagonallinie eines Quadrates angesehen werden kann. Schräge gegen jemanden über wohnen, im Gegensatze des gerade gegen über. Der Tisch steht schräge, wenn das Blatt keine völlig horizontale Richtung hat. Eine schräge Fläche. Wenn schrägere Strahlen (der Sonne) auf diese grüne Ebene fallen, Dusch. Anm. Im Niedersächsischen mit andern Endlauten, so wie auch in einigen Oberdeutschen Mundarten, schrad und schräm, ( S. das letztere, welche aber auch schief überhaupt bedeuten, dagegen schräge nur eine Art der schiefen Richtung ist.) Das e am Ende ist das e euphonicum, ohne welches das g einen zu harten Laut haben würde. Es ist mit Schragen und schränken nahe verwandt, und scheint, so fern eine schräge Linie allemahl länger ist, als eine horizontale und senkrechte, oder so fern sie die Bewegung eines Körpers auf derselben beschleuniget, zu dem Intensivo schrecken, springen, zu gehören. Bey dem Notker screchen, eilen, wohin ohne Zischlaut auch rege und regen gehöret.


Schräge (W3) [Adelung]


Die Schräge, plur. inus. das Abstractum des vorigen, die schräge Beschaffenheit einer Linie oder Fläche.


Schragebock (W3) [Adelung]


Der Schragebock, des -es, plur. die -böcke, bey den Weißgärbern, der Bock oder die Stütze des Schragens.


Schrägemaß (W3) [Adelung]


Das Schrägemaß, des -es, plur. die -e, bey den Tischlern, ein bewegliches Winkelmaß, die schrägen, d. i. diagonal gehenden Linien und Flächen und die Winkel, welche sie machen, zu messen; die Schmiege, das Winkelmaß, Gehrmaß.


Schragen (W3) [Adelung]


1. Der Schragen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches ehedem einen jeden Haufen bedeutet zu haben scheinet, aber nur noch im Forstwesen üblich ist, wo es einen Haufen Scheitholzes bedeutet, welcher eine Klafter hoch und drey Klafter tief ist, folglich drey Klafter ausmacht. In manchen Gegenden werden auch wohl längere Reihen aufgesetztes Scheitholzes, wenn sie eine Klafter hoch und breit aber mehrere Klafter tief sind, Schragen genannt.

Anm. Daß dieses Wort ehedem einen Haufen überhaupt bedeutet habe, erhellet aus den verwandten Sprachen, denen doch der ohnehin nicht allemahl wesentliche Zischlaut mangelt. Dergleichen sind das Schwed. Roge und Rök, das Angels. Hreac, Rug, das Engl. Reek, Rick, das Holländ. Rook, welche alle theils einen Haufen überhaupt, theils einen Haufen Garben oder Heu besonders bedeuten, wohin auch das Lat. Rogus, ein Scheiterhaufen, gehöret. Bey dem Ulphilas ist rikan häufen. S. 2 Roche uns 1 Rocken.


Schragen (W3) [Adelung]


2. Der Schragen, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus kreuzweise oder schräge stehenden, verschränkten Füßen bestehendes Gestell, da denn dieses Wort in sehr vielen Fällen von Gestellen die- ser Art gebraucht wird. Der Sägebock, welcher aus solchen kreuzweise gestellten Hölzern bestehet, heißt in vielen Gegenden ein Sägeschragen. Das ähnliche Gestell, worauf der Backtrog der Bäcker und der Waschtrog der Wäscherinnen steht, heißt ein Schragen. Der Schragen eines Tisches, eines Bettes, ein bewegliches Gestell mit gekreuzten Füßen, daher auch in Niederdeutschland ein Faulbett, weil es vor Alters solche Füße hatte, ein Schragen genannt wird. Bey den Schwäbischen Dichtern ist schon geschragen ein Bettgestell aufschlagen. Der Schragen der Weißgärber bestehet aus einer horizontalen Latte auf gekreuzten Füßen, und wird auch der Schlichtrahmen genannt. Der Schragen der Zinngießer ist ein starkes eichenes Kreuzholz, woraus die Drehlade besteht. Bey den Ankerschmieden ist es der Kranich, der vermittelst einer Kette die schweren Lasten in die Esse hebt. In weiterer Bedeutung wird auch wohl ein Gestell, welches aus horizontalen und perpendicularen Latten bestehet, ein Schragen genannt, dergleichen die Gestelle dieser Art sind, worauf die Krämer ihre Waaren liegen haben.

Anm. Im Niedersächsischen und einigen Oberdeutschen Gegenden die Schrage. Es stammet ohne Zweifel von schräge und schränken ab. ( S. das letztere.) Das Geschräge um die Felder ist an einigen Orten eine Befriedigung derselben, welche aus perpendiculären Pfählen und horizontalen Latten oder Stangen bestehet.


Schrägen (W3) [Adelung]


Schrägen, verb. reg. act. mit einem Geschräge versehen; nur in einigen Gegenden, besonders in den Zusammensetzungen verschrägen, umschrägen, einschrägen u. s. f. S. das vorige, Anm.


Schragenholz (W3) [Adelung]


Das Schragenholz, des -es, plur. inus. Holz, welches nach Schragen oder in Schragen verkauft wird. S. 1 Schragen.


Schragstängel (W3) [Adelung]


Der Schragstängel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Weißgärbern, die Stange oder Latte an dem Schragen oder Schlichtrahmen.


Schragstein (W3) [Adelung]


Der Schragstein, des -es, plur. die -e, eben daselbst, das aus Steinen bestehende Gewicht an dem Schragen. S. 2 Schragen.


Schram (W3) [Adelung]


Der Schram, des -es, plur. die Schräme, ein nur in dem Bergbaue übliches Wort, wo es die Öffnung bedeutet, welche zur Gewinnung des Erzes zwischen demselben und dem Gestein gemacht wird, und gemeiniglich so breit und hoch ist, daß sich ein Arbeiter darin genau bewegen kann. S. Schrämen und Schrämhäuer.


Schräm (W3) [Adelung]


* Schräm, adj. et adv. welches nur in einigen gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, für schräge üblich ist. Ein schrämer Strich. Schräm gegen über. Nieders. schreem. S. Schräge, Anm.


Schrämen (W3) [Adelung]


Schrämen, verb. reg. act. im Bergbaue, Schräme machen, d. i. einen Ort neben dem Gange treiben, um Erze von der Seite bey zukommen, welches auch verschrämen genannt wird. Es ist mit Schrammen Eines Geschlechtes, welches letztere das Intensivum davon zu seyn scheinet. ( S. dasselbe und Schramme.) Von schräm, schräge, ist im Niedersächs. schrämen oder schremen eine schräge Richtung geben, abschremen, schräge abschneiden, zuschrämen, spitzig zulaufen lassen.


Schrämhammer (W3) [Adelung]


Der Schrämhammer, des -s, plur. die -hämmer, im Bergbaue, ein Hammer, welcher auf der einen Seite eine gewöhnliche Bahn hat, auf der andern aber spitzig ist, und in welchem Gesteine gebraucht wird. Etwa, weil man sich seiner vorzüglich bey dem Schrämen bedienet?


Schrämhäuer (W3) [Adelung]


Der Schrämhäuer, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Häuer, welcher schrämet, die Schräme verfertiget, d. i. das Gestein neben dem Erze weghauet, die Gewinnung des Erzes selbst aber andern Häuern überläßt.


Schramme (W3) [Adelung]


Die Schramme, plur. die -n, Diminut. das Schrämmchen, Oberd. Schrämmlein, eine leichte Verletzung der Oberfläche ei- nes Dinges der Länge nach. Eine Schramme in einem Glase, in dem Holze, in der Rinde eines Baumes. Besonders in der Oberfläche der Haut, dergleichen z. B. entstehet, wenn man sich an einer Nadel oder an einem andern spitzigen Werkzeuge ritzet; eine Streifwunde. In einigen Gegenden wird es auch von einer Schmarre, d. i. so wohl von einer langen tiefen Fleischwunde, als auch deren Spur, von einer Narbe, gebraucht, in welchen Bedeutungen es doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.

Anm. Das Wort ist alt, und scheinet ehedem eine jede Verletzung in die Länge bedeutet zu haben. Im Nieders. lautet es Schramm, im Schwed. Skrama, im Isländ. Skrama, welche beyde eine lange Fleischwunde bedeuten, so wie im Böhm. Ssram und im Pohln. Szram eine Narbe ist. Im mittlern Lat. ist Scrama und Scramasaxus eine Art eines breiten Degens. Das oben angeführte bergmännische Schram ist genau damit verwandt, so wie ohne Zischlaut auch das Schwed. remna, Risse bekommen, Remna, ein Riß, Spalt, und das Lat. Rima hierher gehören. Frisch glaubt, Schramme wäre durch Versetzung der Buchstaben aus Schmarre entstanden; allein keine Ableitung ist betrüglicher, als die, welche sich auf Versetzung der Buchstaben gründet.


Schrammen (W3) [Adelung]


Schrammen, verb. reg. act. eine Schramme machen, ein Ding leicht auf der Oberfläche der Länge nach verletzen. Sich schrammen, sich die Haut an einem spitzigen Werkzeuge der Länge nach verletzen, sich streifen. Nieders. gleichfalls schrammen, Böhm. ssramowati.


Schrammschuß (W3) [Adelung]


Der Schrammschuß, des -sses, plur. die -schüsse, ein Schuß, welcher einen Körper nur an der Oberfläche der Länge nach verletzet; wofür doch Streifschuß edler ist.


Schrank (W3) [Adelung]


1. Der Schrank, des -es, plur. die Schränke, siehe die Schranke.


Schrank (W3) [Adelung]


2. Der Schrank, des -es, plur. die Schränke, bey den Jägern, den geschränkten Schritt des Hirsches zu bezeichnen; so wohl von der Art und Weise dieses Ganges und ohne Plural, als auch von einzelnen Schritten und deren Spur auf dem Boden. Der Schrank eines jagdbaren Hirsches hält 2 1/2 Fuß in die Länge, der Schritt. S. Schränken.


Schrank (W3) [Adelung]


3. Der Schrank, des -es, plur. die Schränke, Diminut. das Schränkchen, ein Behältniß mit Thüren, dessen Höhe die Breite, noch mehr aber die Tiefe übertrifft, allerley Dinge darin zu verwahren. Der Wäschschrank, Brotschrank, Kleiderschrank, Bücherschrank u. s. f. Schrank ist der Hochdeutsche überall verständliche Nahme eines solchen Behältnisses; in den Provinzen hat fast jede ihren eigenen Nahmen. Dahin gehören das Meißnische Köthe, das Erzgebirgische Almet und Ulm, die Oberd. Almer, Behalter, Gehalter, und zusammen gezogen Kalter, das Fränkische Schrein, die Niederd. Spind und Schapp oder Schaff, und andere mehr. Anm. Schrank stammet freylich von Schranke und schränken her, aber wohl nicht so fern dieses Behältniß ehedem mit Gittern versehene Thüren hatte, sondern so fern diese Wörter ehedem einschließen überhaupt bedeuteten, daher Schrank ehedem auch von einem jeden eingeschlossenen Raume, einem Gefängnisse u. s. f. gebraucht wurde. Im Böhmischen ist Ssranka ein jedes Behältniß. S. Schranke, Schranne und Schrein.


Schrankader (W3) [Adelung]


Die Schrankader, plur. die -n, an den Pferden, die inwendig an den Schenkeln befindliche Ader; Vena saphaena, welche am Menschen die Frauen- oder Rosenader genannt wird. In weiterer Bedeutung wird von einigen auch die Ader am Innern des Armes, oder die Armader, Bugader oder Kegelader, Vena cephalica, mit dem Nahmen der Schrankader, oder zum Unterschiede, der vordern Schrankader, belegt.


Schranke (W3) [Adelung]


Die Schranke, plur. die -n, oder der Schranken, des -s, plur. ut nom. sing. ein jetzt nur im Plural am häufigsten übliches Wort. 1) Eigentlich, die aus verschränkten oder über das Kreuz mit einander verbundenen Stäben bestehende Einschließung oder Befriedigung eines Ortes. Schranken um etwas machen oder setzen. Die Gerichtsschranken, das Gitter, welches die Parteyen von den Sitzen des Richters und seiner Beysitzer absondert. Die Schranken um einen Turnierplatz, Fechtplatz, Rennplatz u. s. f. welche ehedem am häufigsten unter dem Worte Schranken verstanden wurden. In den Schranken laufen, 1 Cor. 9, 24, um die Wette, innerhalb der dazu errichteten Schranken. In dem gemeinen Leben ist dieses Wort großen Theils ungangbar geworden, indem in den meisten Fällen dafür Geländer üblich ist. Im Oberdeutschen höret man es noch am häufigsten, wo es auch einen mit solchen Schranken verwahrten Ort, ein Gericht, eine Einnahme u. s. f. bedeutet. So wird z. B. in Wien die Wegemauth bey den Landschranken errichtet, d. i. in der dazu verordneten Einnahme. ( S. auch Schranne.) 2) Figürlich, das letzte an einem Dinge, da wo ein Ding seiner körperlichen Ausdehnung nach aufhöret, und in noch weiterer Bedeutung, da wo dessen Realität, dessen Kraft und Wirkung aufhöret. Das Gefühl seiner engen Schranken, seiner geringen Fähigheit, Kraft und Vermögens. Ingleichen dasjenige, wo eine Wirkung aufhören soll, die von den Gesetzen, von der Billigkeit, von der Klugheit, von dem Wohlstande vorgeschriebenen Schranken oder Gränzen. Sich in seinen Schranken halten, in seinen Schranken, in den Schranken bleiben. Über die Schranken schreiten. Die Schranken der Mäßigung, der Billigkeit u. s. f. überschreiten.

Anm. Im Hochdeutschen kommt der Singular dieses Wortes nicht leicht vor; indessen scheinet er in einigen Provinzen gangbar zu seyn, da er denn bald die Schranke, bald der Schrank, bald aber auch der Schranken lautet. Der Bornschrank oder Brunnenschrank ist in einigen Gegenden das Geländer um einen Brunnen. Er machte einen Hof für die Priester und einen großen Schranken, und Thüren in die Schranken, 2 Chron. 4, 9. Ein Ritter, Der, wenn der Schranken offen steht, Nicht kämpft, auch nicht um Gnade fleht, Haged. Im Böhmischen lautet dieses Wort Ssranky, in einigen Oberdeutschen Gegenden Schranne, Pohln. Szranni. Notker nennet die Schranken in einer andern Form Gisorenke. ( S. das folgende, ingleichen Schranne.) Gränze scheinet mit diesem Worte gleichfalls verwandt zu seyn, und sich unter andern auch durch den Mangel des Zischlautes zu unterscheiden.


Schränken (W3) [Adelung]


Schränken, verb. reg. welches in einer doppelten Gestalt vorkommt. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es vorzüglich bey den Jägern üblich ist, bey weichen der Hirsch schränkt, wenn er im Gehen die Beine aus einander setzet, wenn er geschränkt, (in der niedrigen Sprechart gekretscht,) gehet. Je größer und stärker der Hirsch ist desto weiter schränkt er auch. ( S. 2 Schrank.) Sonst sagt man auch in einem andern Verstande, im Gehen schränken oder geschränkt gehen, wenn man im Gehen die Füßekreuzweise setzet, wie Betrunkene zu thun pflegen. Ehedem war es auch für hinken üblich, in welchem Verstande es aber veraltet ist. 2. Als ein Activum. 1) Kreuzweise über einander legen. Mit geschränkten Füßen sitzen, wie den Morgenländer, und unter den Abendländern die Schneider. Die Bäcker schränken das Holz in dem Ofen, wenn sie es kreuzweise über einander legen. Bey den Sägeschmieden wird die Säge geschränkt, wenn die Zähne aus einander gebogen werden, wo es aber auch das Activum von dem vorigen Neutro seyn kann. 2) Schlingen, win- den. Die leinen schränken, bey den Jägern sie über einander schlingen oder winden. Die Arme über oder in einander schränken. Die Freundschaft meiner Brust, Die dieses schlechte Blatt um deine Kränze schränket, Günth. Im Hochdeutschen kommt es in dieser Bedeutung seltener vor. 3) Mit Schranken versehen, einen Platz schränken; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung, welche daselbst nur in den Zusammensetzungen beschränken, einschränken und umschränken, auch im figürlichen Verstande vorkommt. So auch das Schränken.

Anm. Im Nieders. schrenken. Da die schräge oder schiefe Richtung in allen Bedeutungen dieses Wortes die herrschende ist, so scheinet es mit schräge Eines Geschlechtes zu seyn, zumahl da das n ohnehin oft ein müßiger Begleiter der Gaumenlaute ist. Für Schranken, eine Befriedigung oder ein Gestell, welches aus über das Kreuz gelegten Theilen bestehet, ist daher in manchen Fällen auch Schragen üblich. Ehedem wurde es auch figürlich theils für ausschweifen, theils auch für sich verstellen gebraucht, wovon Frisch Beyspiele anführet; Bedeutungen, welche in mehrern Fällen Figuren der schiefen Richtung sind. Bey dem Ottfried ist screnkan, und biscrenkan binden, gleichsam enge einschränken, und Scrank das Gefängniß.


Schrankenlos (W3) [Adelung]


Schrankenlos, -er, -este, adj. et adv. der Schranken beraubt, besonders in der figürlichen Bedeutung dieses Wortes, der Einschränkung beraubt. Der Gottesläugner behält die innere Verbindlichkeit der Naturgesetze bey: er wird also nicht ganz schrankenlos, wenn er sich gleich einbildet, gesetzlos zu werden. So auch die Schrankenlosigkeit.


Schränkklinge (W3) [Adelung]


Die Schränkklinge, plur. die -n, bey den Sägeschmieden, eine stählerne Platte mit Kerben an beyden Seiten, die Säge damit zu schränken, d. i. die Zähne aus einander zu biegen.


Schranne (W3) [Adelung]


Die Schranne, plur. die -n, ein nur im Oberdeutschen übliches und mit Schranke gleichbedeutendes Wort, so wohl ein Geländer, eine aus Gitterwerk bestehende Einfassung und Befriedigung, als auch den auf solche Art befriedigten Ort zu bezeichnen. Daher ist daselbst die Brotschranne die Brotbank, die Fleischschranne die Fleischbank, die Gerichtsschranne die Gerichtsstelle, das Gericht, die Landschranne das Landgericht, die Mauthschranne die Zolleinnahme. In München wird auch der Getreidemarkt die Schranne genannt. Zu Wien führet das Stadtgericht und das Gebäude, worin sich dasselbe versammelt, den Nahmen der Schranne oder des Schrannengerichts. Daher der Schrannenschreiber, der Gerichtsschreiber. Figürlich ist die Schranne in einigen Oberdeutschen Gegenden auch die Gerichtbarkeit, der Gerichtsbezirk.

Anm. Im mittlern Latein. Escrannium, im Ital. Scranna. Entweder von den Schranken, womit dergleichen Orte umgeben sind, oder auch in der alten Bedeutung einer Bank, eines Sessels oder Tisches, welche doch auch von dem geschränkten Gesielle oder Fuße entlehnet ist, daher eine Bank und ein Bett ehedem auch ein Schragen genannt wurde. Schon bey dem Kero ist Scranno die Bank, Ottfried nennet die Bänke und Tische der Wechsler die Skrannon, und im Ital. ist Ciscranna eine Art Armsessel mit Lehnen.


Schranz (W3) [Adelung]


* Der Schranz, des -en, plur. die -en, ein im Hochdeutschen ungangbar gewordenes Wort, welches in einer doppelten Hauptbedeutung vorkommt. 1) * Als eine unmittelbare Onomatopöie ist es der mit einem Risse, Bruche oder Spalte verbundene Laut, in welchem Verstande es bey dem Pictorius vorkommt. Eben derselbe gebraucht es auch von dem Klange der Trompeten, woraus erhellet, daß es mit unserm schreyen nahe verwandt ist. Als eine sehr gewöhnliche Figur wurde es denn nachmahls auch von einem Risse, Bruche, Spalte u. s. f. gebraucht, wo es mit unserm Schrunde verwandt ist. Beyspiele von dieser Bedeutung führet Frisch an. Das din lob stet ane Schranz, singt auch Bruder Eberhart von Sax unter den Schwäbischen Dichtern. Daher war denn das Neutrum schranzen, reißen, spalten, brechen, und das Activum schränzen oder schrenzen, zerreißen, und in weiterm Verstande, theilen. Das Reich wurde nach Clodoväo in vier minder Reich zerschrenzet, Wurstisen. In dieser Bedeutung ist es mit seinen beyden Zeitwörtern im Hochdeutschen völlig unbekannt. Nach einer andern Figur sagt man im Niedersächsischen einem etwas zuschranzen, zuschanzen, zuwenden; zutheilen. 2) Das Zeitwort schranzen ist noch in den gemeinen Sprecharten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes für stark essen, fressen sehr gangbar; da es denn ehedem auch in weiterm Verstande von allen Arten der Uppigkeit gebraucht wurde, und entweder eine eigene Onomatopöie des Fressens oder auch eine Figur des Reißens ist. Nieders. schranzen, Holländ. schrantsen, Engl. to scranch. Gut schranzen können, gut essen. Daher war denn Schranzer und Schranz ein Schlemmer, Fresser, welches wir noch in dem zusammen gesetzten Hofschranz haben, einen üppigen Hofmann im verächtlichen Verstande zu bezeichnen, außer welchem Worte so wohl Schranz als schranzen im Hochdeutschen wenig mehr gehöret werden.


Schrape (W3) [Adelung]


* Die Schrape, plur. die -n, und das Zeitwort schrapen, zwey eigentlich Niederdeutsche Wörter, welche im Hochdeutschen nur in einigen gemeinen Sprecharten gebraucht werden. Schrapen, Angels. screopan, Engl. to scrape, Schwed. skraba, Isländ. sgrabam, in Bretagne scrabat, im Pohln. skrobie, bedeutet mit einem heftigen rauhen Laute, welchen dieses Zeitwort nachahmet, schaben, scharren oder kratzen, wo es ein doppeltes Intensivum von reiben ist. Schrape ist ein Werkzeug dazu, daher die Pferdestriegel in einigen Gegenden diesen Nahmen führet. In den Salzwerken hat man Schrapen oder Salzschrapen, welche den Pferdestriegeln gleichen, den Schmutz damit von den Salzstücken zu scharren oder kratzen. ( S. Schraffiren, Schroff, Schröpfen, Schrauben u. s. f.) welche insgesammt damit verwandt sind, ob sie gleich allerley Abänderungen dieses Lautes bezeichnen. In einigen Gegenden hat man davon auch die neuen Intensiva Schrappe und schrappen.


Schraube (W3) [Adelung]


Die Schraube, plur. die -n, Diminut. das Schräubchen, Oberd. Schräublein, ein Werkzeug zum Schrauben, d. i. ein mit Gewinden versehener Cylinder, welcher in eine dazu gehörige Mutter paßt, einen andern Körper durch Umdrehung des Cylinders mit verstärkter Kraft zu drücken; da denn bald das ganze Werkzeug, an welchem dieser Cylinder der vornehmste Theil ist, eigentlich und zunächst aber der mit Gewinden versehene Cylinder eine Schraube genannt wird. Die hohle mit ähnlichen Gewinden versehene Fläche, worein der Cylinder paßt, heißt die Mutter oder Schraubenmutter. Die Schraube ohne Ende, ist in der Mechanik eine Schraube, welche in ein Stirnrad eingreift. Etwas mit einer Schraube befestigen. ( S. auch Stellschraube, Schwanzschraube u. s. f.) In weiterm Verstande pflegt man auch zuweilen glatte Cylinder ohne Gewinde, wenn sie wie eine Schraube umgedrehet werden, Schrauben zu nennen, dergleichen die Schrauben an den Saiten Instrumenten sind, die Saiten damit zu spannen. Figürlich sagt man, eine Sache stehe auf Schrauben, wenn sie unbestimmt und schwankend ist. Die Freundschaft, die sie mit ihm halten, stehet auf lauter Schrauben. Seine Worte auf Schrauben stellen, sie so wählen, daß man sie nach Erfordern der Umstände erklären könne, wie man will. Dein Versprechen steht auf Schrauben, ist vorsetzlich unbestimmt und unsicher.

Anm. Im Nieders. Schruve, im Engl. Screw, im Holländ. Schroes, im Schwed. Skrus, im Franz. Ecrou, im Pohln. Szruba, im Finnischen Scruuwi. S. das folgende.


Schrauben (W3) [Adelung]


Schrauben, verb. reg. et irreg. act. welches im letztern Falle im Imperf. schrob, und im Mittelw. geschroben hat, die Schraube, d. i. den mit Gewinden versehenen Cylinder, umdrehen, um dadurch zu drücken. Fester schrauben, lockerer schrauben. Anschrauben, abschrauben, einschrauben u. s. f. Ingleichen, vermittelst einer Schraube drücken. Fest zusammen schrauben. Jemanden die Daumen schrauben, eine Art der Tortur. Figürlich. 1) Jemanden schrauben, oder um sein Geld schrauben, ihn durch List, durch einen ungegründeten Vorwand um sein Geld bringen. Noch häufiger aber ist im Hochdeutschen, 2) jemanden schrauben, ihn aufziehen, vexiren, ihm seine Unvollkommenheiten scherzend vorrücken. So auch das Schrauben.

Anm. Im Nieders. schruven, im Engl. to screw, im Franz. ecrouer, im Schwed. skrufva. Es ist eine Nachahmung des Lautes, welchen eine Schraube, wenigstens von der ersten rohen Art, dergleichen dieses Werkzeug bey seiner ersten Erfindung und bey dem Ursprunge des Wortes im Umdrehen nothwendig von sich geben mußte, da es denn als ein Intensivum von reiben angesehen werden kann. Die irreguläre Conjugation ist die älteste, die reguläre aber im Hochdeutschen die üblichste, wenigstens wird es in den figürlichen Bedeutungen nicht leicht anders als regulär gebraucht.


Schraubenbaum (W3) [Adelung]


Der Schraubenbaum, des -es, plur. die -bäume, der Nahme eines in bey den Indien einheimischen Baumes, welcher eine schraubenförmig in einander gedrehte Frucht träget; Helicteres L.


Schraubenblech (W3) [Adelung]


Das Schraubenblech, des -es, plur. die -e, bey den Goldschmieden, eine mit Schraubenmüttern versehene stählerne Platte, silberne Schrauben darin auszuschneiden.


Schraubenbohrer (W3) [Adelung]


Der Schraubenbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein stählerner eckiger Bohrer, Schraubenmütter damit auszubohren.


Schraubendocke (W3) [Adelung]


Die Schraubendocke, plur. die -n, an einer Drehbank, eine Docke, Schrauben damit zu drehen.


Schraubeneisen (W3) [Adelung]


Das Schraubeneisen, des -s, plur. ut nom. sing. eine eiserne Platte der Eisenarbeiter, die Schrauben darin zu schneiden.


Schraubenfutter (W3) [Adelung]


Das Schraubenfutter, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Drechslern, eine hohle Büchse, welche an die Spindel befestiget wird, kleine Sachen, welche gedrehet werden sollen, darein zu spannen.


Schraubengang (W3) [Adelung]


Der Schraubengang, des -es, plur. die -gänge, die Gänge oder Gewinde an einer Schraube und in einer Schraubenmutter, welche entstehen, wenn eine schiefe Fläche um einen Cylinder herum geführet wird.


Schraubenkloben (W3) [Adelung]


Der Schraubenkloben, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Kupferschmieden, ein Nahme der kleinen Schraubstöcke.


Schraubenlinie (W3) [Adelung]


Die Schraubenlinie, plur. die -n, eine um einen Cylinder in gleicher Weite laufende schiefe Linie, welche der Grund der Schraubengänge ist.


Schraubenmutter (W3) [Adelung]


Die Schraubenmutter, plur. die -mütter, der mit Schraubengängen versehene hohle Raum, welcher die eigentliche Schraube aufnimmt, und auch nur die Mutter schlechthin genannt wird. (Siehe dieses Wort.) In einigen Gegenden heißt sie die Binnenschraube.


Schrauben-Register (W3) [Adelung]


Das Schrauben-Register, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Drechslern, die sämmtlichen zu einer Drehbank gehörigen Schraubendocken, Schrauben von verschiedener Stärke darauf zu drehen. S. Register.


Schraubenreif (W3) [Adelung]


Der Schraubenreif, des -es, plur. die -e, bey den Böttchern, ein eiserner Reif, welcher mit Schrauben an einem Fasse befestiget wird, wenn die gewöhnlichen Reife gesprungen sind.


Schraubenschlüssel (W3) [Adelung]


Der Schraubenschlüssel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Schlüssel zu den Vorlegeschlössern, welche statt des Bartes Schraubengänge haben.


Schraubenschnecke (W3) [Adelung]


Die Schraubenschnecke, plur. die -n, einer Art gewundener einfächeriger Schnecken, deren erstes Gewinde viel breiter als die übrigen, der Unterschied der Windungen nur flach, und der Mund lang und schmal ist; Strombus. Sie sind eine Art der Schraubhörner.


Schraubenschnur (W3) [Adelung]


Die Schraubenschnur, plur. die -schnüre, schmale halb seidene Bänder, womit die Frauensmützen gebunden werden.


Schraubenstein (W3) [Adelung]


Der Schraubenstein, des -es, plur. die -e, eine Art Versteinerungen, welche wie eine Schraube aussehen, nur daß jeder Gang einen für sich bestehenden Zirkel ausmacht. Man hält sie für Überbleibsel der Walzensteine und Sternsäulensteine.


Schraubenzange (W3) [Adelung]


Die Schraubenzange, plur. die -n, bey den Gürtlern, eine Zange, welche vermittelst einer Schraube geöffnet und geschlossen wird, und bey andern Handwerkern unter dem Nahmen des Schraubstockes am bekanntesten ist.


Schraubenzeug (W3) [Adelung]


Das Schraubenzeug, des -es, plur. die -e, ein Collectivum, die zum Verfertigung der Schrauben und Schraubenmütter gehörigen Werkzeuge zu bezeichnen.


Schraubenzwinge (W3) [Adelung]


Die Schraubenzwinge, plur. die -n, bey den Tischlern, eine mit einer Schraube versehene Zwinge, das geleimte Holz damit an einander zu schrauben, Breter damit fest zu schrauben u. s. f.


Schraubhorn (W3) [Adelung]


Das Schraubhorn, vielleicht richtiger Schraubenhorn, des -es, plur. die -hörner, eine Art einfächeriger gewundener Schnecken, von länglicher, einem Bohrer ähnlicher Gestalt, mit einer flachen Grundfläche, und einer kleinen runden Öffnung; Turbo. Die Schraubenschnecken sind eine Art davon.


Schraubstock (W3) [Adelung]


Der Schraubstock, des -es, plur. die -stöcke, bey vielen Künstlern und Handwerkern, eine starke Zange, welche mit einer Schraube fest verschlossen werden kann, Dinge, welche man bearbeiten will, dazwischen einzuschrauben; bey den Gürtlern die Schraubenzange, bey den Kupferschmieden der Schraubenkloben. Die größern werden senkrecht an die Werkstätte befestiget, dagegen man die kleinern frey in der Hand hält. S. Stock. Nieders. Schruvsticke.


Schreck (W3) [Adelung]


Der Schreck, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schrecken. 1. Von dem Neutro schrecken, in einigen Gegenden schricken, ist Schreck oder Schrick ein Riß, Sprung oder Spalt in einem festen Körper; eine im Hochdeutschen, einige Mundarten ausgenommen, unbekannte Figur. Das Glas hat einen Schreck bekommen, einen Riß, Sprung. Im Ital. ohne Zischlaut Cricco, Cricchio. 2. In der figürlichen Bedeutung. 1) Der Zustand, da man erschrickt, ( S. der Schrecken.) 2) Bey den Jägern, werden auch die Schrecktücher, womit man das Wild schrecket oder abschrecket, Schrecke genannt. S. Schrecken das Zeitwort.


Schreckbild (W3) [Adelung]


Das Schreckbild, des -es, plur. die -er, ein Bild, eine Gestalt, welche Schrecken erreget, und in engerer Bedeutung welche dazu bestimmt ist, Schrecken zu erregen; im Oberd. ein Schreckbutzen, Schreckputz, von Butzen, eine Larve, Nieders. Schoudüvel, gleichsam Scheuteufel. Unsere Einbildungskraft kann uns tausend Schreckbilder ohne Wirklichkeit vorstellen. Wird sich deine Fantasie mit ewigen Schreckbildern quälen? Weiße.


Schrecke (W3) [Adelung]


Die Schrecke, plur. die -n, von dem Zeitworte schrecken, ein schreckendes Ding; wo es doch nur in einigen wenigen Fällen üblich ist. 1) Von schrecken, so fern es das Intensivum von schreyen ist, wird der so genannte Wachtelkönig in einigen Gegenden auch Schrecke, und in andern im männlichen Geschlechte der Schrick genannt, welches mit seinem Griechischen Nahmen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, dem nur der Zischlaut mangelt, genau überein kommt. Es ist hier eine unmittelbare Nachahmung seines Geschreyes, so wie die in andern Gegenden üblichen Nahmen, Schnarre, Heckschnarre, Thauschnarre, Schnerf, Größel, Kreßler u. s. f. 2) Von schrecken, springen, ist es nur in dem zusammen gesetzten Heuschrecke üblich, welche bey dem Notker Mattoscrecche heißt, d. i. Matten- oder Wiesenschrecke. S. Heuschrecke.


Schrecken (W3) [Adelung]


Schrecken, ein Zeitwort, welches in doppelter Gestalt üblich ist, und zugleich auf doppelte Art conjugiret wird. Überhaupt ist es eine Onomatopöie, welche einen gewissen Laut nachahmet, und daher von mehrern sehr verschiedenen Veränderungen gebraucht wird, wenn dieselben mit einem und eben demselben Laute verbunden sind. Es ist, I. Ein Neutrum, welches bald regulär, bald aber auch irregulär abgewandelt wird, und im letztern Falle so gehet: ich schrecke, du schrickst, er schrickt, Imperf. ich schrak; Mittelw. geschrocken. 1. * Als eine Nachahmung einer lauten plötzlichen Stimme, so wohl bey Menschen als Thieren, wo es das Hülfswort haben bekommt, und der Form nach das Intensivum von schreyen ist. Es ist in dieser Bedeutung im Hochdeutschen ungewöhnlich, außer daß es noch bey den Jägern von dem Wildbrete und Rehbocke gebraucht wird, wenn sie etwas ungewöhnliches erblicken, und daher einen plötzlichen Laut von sich geben, welches auch melden, und bey dem Rehe schmälen genannt wird. Sie pflegen es auch wohl regulär abzuwandeln. Der Rehbock schreckt, hat geschreckt. Daß es ehedem in mehrern Fällen üblich gewesen, erhellet auch aus dem Hauptwort Schrecke. In den verwandten Sprachen kommt es noch häufiger vor, wohin das Schwed. skrika, das Intensivum von skria, schreyen, das Isländ. skraeka, das Engl. to shriek und to screch, das Isländ. schreacham, das Ital. scricciolare, schreyen, und Scriccio, ein heftiges Geschrey, und ohne Zischlaut das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und das Wallische Criccied, der Lärm, gehören. 2. * Mit einem ähnlichen hellen durchdringenden Laute zerspringen oder platzen, wo es mit dem Hülfsworte seyn gebraucht wird, im Hochdeutschen aber gleichfalls unbekannt ist. Das Glas schrickt, ist geschrocken. In Manchen Provinzen ist dafür schricken üblich, welches alsdann regulär abgewandelt wird, und von welchem die zweyte und dritte Person des Präsentis, du schrickst, er schrickt, des Hochdeutschen Neutrius schrecken, besonders in erschrecken entlehnet sind. Das Glas wird im Feuer schricken. Das Eis ist geschrickt. Es ahmet eigentlich den mit dem Springen oder Platzen verbundenen Laut nach, und ist mit krachen verwandt. Die Ital. scricchiare, criccare, cricchiare, bedeuten gleichfalls springen, platzen. S. der Schreck. 3. In eine plötzliche und heftige Bewegung gerathen, eine plötzliche und heftige Bewegung machen; zunächst auch, den mit dieser Bewegung oft verbundenen Laut von sich geben; wo ihm gleichfalls das Hülfswort seyn zu gebühren scheinet. 1) * Eigentlich, wo es ehedem sehr häufig für springen, salire, gebraucht wurde, im Hochdeutschen aber gleichfalls veraltet ist. Bey dem Ottfried skrikkan, si skrigtin, sie sprangen, eben derselbe. Bey dem Notker screcchen. Unser Schrecke in Heuschrecke stammet davon her. In weiterer Bedeutung wurde es ehedem auch von mehrern Arten schneller Bewegungen gebraucht; so ist in der Monseeischen Glosse danscrichan von dannen fliegen. 2) * Durch den plötzlichen Anblick einer unerwarteten Sache in eine heftige Erschütterung gerathen, wo es besonders von der heftigen Erschütterung und damit verbundenen Empfindung des Gemüthes üblich ist, welche durch den plötzlichen Anblick eines Übels verursacht wird. Es ist auch hier veraltet, seitdem das intensive erschrecken dafür gangbar geworden, welches denn, so wie dieses veraltete schrecken, irregulär angewandelt wird, und das Hülfswort seyn erfordert. Daß die Figur von der heftigen Erschütterung oder dem Zusammenfahren entlehnet worden, welches mit dem Schrecken verbunden ist, erhellet unter andern auch aus dem Lat. tremere, trepidare, und dem Nieders. verfähren, erschrecken, welches von fahren, abstammet, so wie unser befahren, und das Intensivum fürchten. Frisch und andere bleiben bey der Bedeutung des Springens stehen, weil man im Erschrecken oft aufzuspringen pfleget. II. Als ein Activum, mit regulärer Abwandlung, folglich du schreckst, er schreckte, ich schreckte, habe geschreckt. 1. * Springen, und in weiterer Bedeutung plötzlich fallen machen, niederstürzen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher noch Notker sagt: screche sie nieder, stürze sie zu Boden. In weiterer Bedeutung und ohne Zischlaut ist im Schwed. und Isländ. reka jagen, treiben. 2. Plötzlich in eine heftige Erschütterung versetzen. 1) Eigentlich; wo es nur noch in einigen Fällen üblich ist. So wird z. B. in den Küchen eine Speise geschreckt, wenn sie schnell mit etwas Flüssigem begossen, schnell und nur ein wenig geröstet u. s. f. wird. 2) Figürlich, durch plötzliche Vorhaltung eines unerwarteten Übels in eine heftig unangenehme Empfindung versetzen. Ich will Friede geben, daß ihr schlafet und euch niemand schrecke, 3 Mos. 26, 6. Er ließ sehr blitzen und schreckte sie, Ps. 18, 15. Angst und Noth schrecken ihn, Hiob 15, 24. Die Thiere werden dich schrecken Hab. 3, 17. Jetzt ist auch in dieser weitern Bedeutung das intensivere erschrecken üblicher, und das einfache Zeitwort wird gemeiniglich nur alsdann gebraucht, wenn man jemanden durch plötzliche Vorhaltung eines Übels zu etwas zu bewegen sucht, ohne ihm dieses Übel wirklich zuzufügen. Ich wollte ihn nur schrecken. Jemanden mit etwas schrecken. Die Kinder mit dem Mummel schrecke. So auch das Schrecken.

Anm. In dieser letzten figürlichen Bedeutung lautet dieses Zeitwort schon bey dem Stryker schrechen. Auch im Pohlnischen ist scrogi schrecklich, grausam.


Schrecken (W3) [Adelung]


Der Schrecken, des -s, plur. ut nom. sing. von der figürlichen Bedeutung des vorigen Zeitwortes. 1) Von dem veralteten Neutro schrecken. Die heftige Erschütterung, und in weiterer Bedeutung die heftige unangenehme Empfindung bey dem plötzlichen Anblicke einer unerwarteten Sache, besonders bey dem plötzlichen Anblicke eines unvermutheten Übels. In Schrecken gerathen, erschrecken. Von einem Schrecken befallen oder Überfallen werden, plötzlich erschrecken. Jemanden einen Schrecken machen, verursachen, ihn in Schrecken setzen; im gemeinen Leben, ihm einen Schrecken einjagen. Vor Schrecken zusammen fahren. Sich von seinem Schrecken wieder erhohlen. Der Schrecken ist mir in die Glieder gefahren, geschlagen, sagt man, wenn der Schrecken üble Folgen auf den Körper zurück läßt. Dem Tode ohne Schrecken entgegen gehen. Die biblische R. A. zu Schrecken kommen, Schrecken kommt sie an u. s. f. sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. Am häufigsten wird der Schrecken durch den plötzlichen Anblick eines unvermutheten Übels erregt; allein zuweilen auch durch den plötzlichen Anblick eines unerwarteten großen Gutes. Welch freudig Schrecken nimmt mich ein! Gell. In dem gewöhnlichen Sprachgebrauche ist der Plural nicht üblich; allein die höhere Schreibart gebraucht ihn sehr häufig. Und Schrecken strämen über, Gell. Lied. Denk an den Tod zur Zeit der Schrecken, ebend. 2) Von dem Activo schrecken, diejenige Handlung, da man andern Schrecken verursacht; eine nur zuweilen in der höhern Schreibart übliche Bedeutung. Das Schrecken des Königs ist wie das Brüllen eines jungen Löwen, Sprichw. 20, 2. Dein Schrecken erschreckt mich, Hiob 13, 21. Wo es aber auch der bloße Infini- tiv des Zeitwortes seyn kann, zumahl wenn es nach Oberdeutscher Art in dem ungewissen Geschlechte gebraucht wird. 3) Der Gegenstand des Schreckens, dasjenige, was uns erschreckt; eigentlich ohne Plural, in der höhern Schreibart aber auch mit demselben. Zum Schrecken will ich dich machen, Ezech. 26, 21; daß andere vor dir erschrecken sollen. Ein Herz, das seiner Sache gewiß ist, fürchtet sich vor keinem Schrecken, Sir. 22, 19. Die Schrecken des Schiffbruchs, Less. Tod, wo sind nun deine Schrecken? Gell. Lied. Du kennst nicht halb die Schrecken meines Schicksals, Schleg. Daß Albion -das Schrecken der beraubten Oceane werde, Ramler.

Anm. Die Endsylbe -en ist die Ableitungssylbe, welche ein Subject bezeichnet, und von manchen, aber unrichtig, in der ersten Endung des Singulars verbissen wird, der Schreck, die es doch in den folgenden Endungen nicht entbehren können; wenigstens hat noch niemand Schreck, Schreckes, Schrecke declinirt. Wenn die es Wort der Infinitiv des Zeitwortes ist, so ist es ohne Ausnahme ungewissen Geschlechtes; das Schrecken der Kinder mit dem Popanz ist unvernünftig. Allein das eigentliche Hauptwort wird bald männlich, bald ungewiß gebraucht. Das ungewisse Geschlecht ist im Oberdeutschen am gangbarsten, kommt in Luthers Deutscher Bibel am häufigsten vor, und wird auch von manchen Hochdeutschen Schriftstellern in der höhern Schreibart gebraucht. Das fürchterliche Schrecken Steht an dem dunkeln Thor, Zach. Indessen ist der gewöhnlichen Sprechart das männliche Geschlecht das gangbarste, welches auch die meisten übrigen mit der Endsylbe -en gemachten Hauptwörter haben, der Boden, Braten, Faden, Graben, Hopfen, Schaden, Magen, Segen, Nutzen u. s. f.


Schreckenberger (W3) [Adelung]


Der Schreckenberger, des -s, plur. ut nom. sing. der Nahme einer ehemahligen Chursächsischen Münze, welche unter Churfürst Friedrich dem Weisen am häufigsten gemünzt wurde, und den Nahmen von dem Bergwerke und Dorfe Schreckenberg harte, woraus die jetzige Bergstadt Annaberg geworden ist. Am häufigsten galt diese Münze drey gute Groschen, und wurde, weil ein Engel darauf geprägt wurde, auch Engelgroschen genannt. Unter dem gemeinen Manne in Meißen sind die Schreckenberger als eine Rechnungsmünze noch gangbar, werden aber jetzt zu 3 Gr. 6 Pf. gerechnet.


Schreckhaft (W3) [Adelung]


Schreckhaft, -er, -este, adj. et adv. 1) Von dem Neutro schrecken, geneigt leicht Schrecken zu empfinden, der leicht in Schrecken gesetzt werden kann. Schreckhaft seyn. Ein schreckhafter Mensch. In den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden schreckig, besonders in dem zusammen gesetzten hasenschreckig, so schreckhaft wie ein Hase. 2) Von dem Activo schrecken, geschickt Schrecken einzuflößen; eine schreckhafte Begebenheit. Wo es doch um der Zweydeutigkeit mit der vorigen Bedeutung willen wenig gebraucht, und nur in einigen gemeinen Sprecharten gehöret wird.


Schreckherd (W3) [Adelung]


Der Schreckherd, des -es, plur. die -e, ein Vogelherd, welcher vier Seitenwände und einen Himmel oder Decke hat, und in welchen die Vögel durch Raubvögel hinein geschrecket werden. S. Ein schrecken.


Schrecklich (W3) [Adelung]


Schrecklich, -er, -ste, adj. et adv. Schrecken erweckend, fähig Schrecken zu erwecken; erschrecklich. 1) Eigentlich. Ein schreckliches Ungewitter. Das ist schrecklich anzusehen. Das Vertrauen auf Gott entziehet unsern Kümmernissen die schreckliche Gestalt, und gibt ihnen eine tröstliche, Gell. Ingleichen in weiterm Verstande, einen hohen Grad der Furcht erweckend. Mangel und Armuth sind schreckliche Feinde der menschlichen Glückseligkeit. Ehe ich weiß, wo ich anfange, wird er oder noch ein schrecklicherer Mann wieder da seyn, Weiße. 2) Im weitesten Verstande wird es, so wie erschrecklich, im gemeinen Leben auch sehr häufig von Dinge gebraucht, welche einen hohen Grad der Verwunderung erwecken, da es denn in den niedrigen Sprecharten oft zu einem intensiven Worte wird. Schrecklich groß. Eine schreckliche Summe Geldes. Schrecklich laut schreyen.


Schrecklichkeit (W3) [Adelung]


Die Schrecklichkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges da es schrecklich ist, in der ersten Bedeutung des Beywortes.


Schreckniß (W3) [Adelung]


Die Schreckniß, oder das


Schreckniß (W3) [Adelung]


Schreckniß, des -sses, plur. die -sse, ein statt des Hauptwortes Schrecken in einigen Oberdeutschen Gegenden gangbares Wort, welches zuweilen auch von Hochdeutschen Schriftstellern gebraucht wird, ungeachtet es dieser Mundart fremd ist. 1) In der ersten Bedeutung des Hauptwortes Schrecken. Die sich unterwunden, die Furcht und Schreckniß von den kranken Seelen zu vertreiben, Weish. 17, 8. Du kannst dir nunmehr deine Schrecknisse ersparen, Weiße; du darfst nicht erschrecken. 2) In dessen dritter Bedeutung. Schrecknisse Gottes, Hiob 6, 4. Und wenn sie schon keines solcher Schreckniß hätte erschreckt, Weish. 17, 9. Auch werden Schrecknisse und große Zeichen vom Himmel geschehen, Luc. 21, 11. Die Endsylbe -niß vertritt hier die Stelle der Sylbe -en. Von dem Geschlechte der damit gemachten Wörter, S. -Niß.


Schreckschuß (W3) [Adelung]


Der Schreckschuß, des -sses, plur. die -schüsse, ein Schuß, welcher nicht so wohl zum Tödten, als nur zum Schrecken geschiehet.


Schrecksprung (W3) [Adelung]


Der Schrecksprung, des -es, plur. die -sprünge, bey den Jägern, ein Sprung, welchen ein angeschossenes Thier vor Schrecken, oder in dem ersten Schrecken thut.


Schreckstein (W3) [Adelung]


Der Schreckstein, des -es, plur. die -e. 1) Bey dem großen Haufen, ein Nahme des Malachiten, weil er wilder den jähen Schrecken gut seyn soll. 2) Steine, welche man an die Ecken der Häuser setzt, damit selbige nicht von den Wagen beschädiget werden.


Schrecktuch (W3) [Adelung]


Das Schrecktuch, des -es, plur. die -tücher, im Jagdwesen, ein Nahme aller derjenigen Lappen oder Tücher, womit ein Jagdraum umstellet wird, um das Wild dadurch abzuschrecken, damit es nicht durchgehe, und welche auch Schrecke heißen.


Schreckwasser (W3) [Adelung]


Das Schreckwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. im gemeinen Leben, ein destillirtes Wasser, den üblen Folgen eines jähen Schreckens auf den Körper vorzubeugen.


Schreibart (W3) [Adelung]


Die Schreibart, plur. die -en, die Art und Weise zu schreiben. 1) Die Art und Weise die Schriftzüge zu machen; in welcher Bedeutung es doch nicht üblich ist, weil man dafür das Wort Hand gebraucht. 2) Von der figürlichen Bedeutung des Zeitwortes schreiben, die Art und Weise, seine Gedanken durch geschriebene Worte auszudrucken; zum Unterschiede von der Sprechart, das ist, der Art und Weise, seine Gedanken durch gesprochene Worte, mündlich, auszudrucken, obgleich auch diese unter der Schreibart in weiterer Bedeutung oft mit begriffen wird. Mit einem Lateinischen Kunstworte der Styl, Stylus. Die historische Schreibart, rednerische, briefliche, poetische u. s. f. Die niedrige, gesellschaftliche, wissenschaftliche, edle, höhere, erhabene Schreibart. Die männliche, kräftige, weitschweifige, schleppende Schreibart. In weiterer Bedeutung ist die Schreibart in der Musik die Art und Weise, seine Gedanken durch Töne und deren Verbindung auszudrucken, da sie denn zur Composition gehöret.


Schreibebley (W3) [Adelung]


Das Schreibebley, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein dem Bleye ähnliches Mineral, womit man schreiben kann, und welches unter dem Nahmen des Reißbleyes und Wasserbleyes am bekanntesten ist, S. diese Wörter.


Schreibebuch (W3) [Adelung]


Das Schreibebuch, des -es, plur. die -bücher, nicht so wohl ein Buch, worein man schreibt, als vielmehr im engern Verstande, worein man zur Übung schreibt, um das Schreiben zu erlernen.


Schreibeflechte (W3) [Adelung]


Die Schreibeflechte, plur. inus. eine Art der Flechte von weißlicher Farbe mit schwarzen, den Schriftzügen ähnlichen Linien; Lichen scriptus L. Der Deutsche Nahme, der nur von einigen neuern Schriftstellern herzurühren scheinet, ist unrichtig gebildet, und sollte billig beschriebene Flechte oder Schriftflechte heißen.


Schreibegebühr (W3) [Adelung]


Die Schreibegebühr, plur. die -en, welches auch nur im Plural allein gebraucht wird, die Gebühr oder Gebühren, welche man einem andern für das Ab- oder Einschreiben entrichtet, und welche zuweilen auch das Schreibegeld genannt wird. Ein Copist, welcher Sachen abschreibet, bekommt dafür die Schreibegebühren oder mit einem halb Lateinischen Ausdrucke die Copial-Gebühren.


Schreibegroschen (W3) [Adelung]


Der Schreibegroschen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, eine Schreibegebühr, wenn sie aus einem Groschen bestehet. So wird die Gebühr, welche manche Zinsgüter in Sterbefällen dem Gerichte des Eigenthumsherren für das Einschreiben entrichten, der Schreibegroschen genannt.


Schreibekitzel (W3) [Adelung]


Der Schreibekitzel, des -s, plur. inus. die ungeordnete vorwitzige Begierde zum Schreiben, d. i. andere mit seinen Schriften zu unterhalten. Den Schreibekitzel haben.


Schreibekunst (W3) [Adelung]


Die Schreibekunst, plur. die -künste. 1) Die Kunst zu schreiben, d. i. seine Worte und Gedanken durch Züge dem Auge sichtbar zu machen, und in engerer Bedeutung, die Kunst schöne, zierliche Schriftzüge zu machen, die Kalligraphie; ohne Plural. 2) Die Fertigkeit, im Schreiben oder durch Schreiben andern unbekannte Wirkungen hervor zu bringen. Allerley Schreibekünste können, z. B. mit sympathetischen Tinten zu schreiben, u. s. f.


Schreibemeister (W3) [Adelung]


Der Schreibemeister, des -s, plur. ut nom. sing. ein Lehrmeister, welcher andere im Schreiben unterrichtet, Schriftzüge machen lehret.


Schreiben (W3) [Adelung]


Schreiben, verb. irreg. act. Imperf. ich schrieb; Mittelw. geschrieben; Imper. schreib. 1) Eigentlich Schriftzüge machen, Worte durch lesbare Zeichen dem Auge sichtbar machen, so daß es zunächst auf die sichtbaren Zeichen gehet. Mit Kreide, mit einem Schieferstifte, mit Röthel u. s. f. schreiben. Mit dem Finger in den Sand schreiben. Auf Papier, Pergament, Erz, "Marmor" schreiben. Es läßt sich nicht darauf schreiben. Leserlich, deutlich, undeutlich schreiben. Eine gute, schlechte Hand schreiben. Enge, weitläufig schreiben. Falsch schreiben. Etwas in das Reine schreiben. Den ganzen Tag schreiben. Sich etwas hinter die Ohren schreiben, figürlich, es sich zur künftigen Ahndung oder Wiedervergeltung merken. Das geschriebene Wort Gottes, zum Unterschiede von dem gesprochenen. Ingleichen von den Werkzeugen, womit man schreibt. Die Kreide schreibt nicht, wenn sie naß ist. Die Feder schreibt schlecht, gut, will nicht schreiben. Schreiben wird nur von derjenigen Art der Verfertigung sichtbarer Zeichen der Worte und Gedanken gebraucht, welche vermittelst eines flüssigen oder abfärbenden Körpers, oder auch durch bloße einfache vertiefe Züge vermittelst eines spitzigen Werkzeuges hervor gebraucht werden; um diese Verrichtung von dem Schneiden, Stechen, Ätzen, Hauen u. s. f. zu unterscheiden. 2) Durch mehrere schriftlich ausgedruckte Worte und Gedanken hervor bringen. Eine Rechnung, ein Urtheil, einen Brief, ein Buch schreiben. Eine Grammatik, ein Wörterbuch, eine Geschichte u. s. f. schreiben. Ein Recept schreiben. Die Zeitungen schreiben. Nicht seinen Nahmen schreiben können. Ein Paar Zeilen an jemanden schreiben. Eine Sprache schrei- ben, aber nicht reden können, sich schriftlich aber nicht mündlich darin ausdrucken können. Das Buch ist Lateinisch, in Lateinischer Sprache geschrieben. Sich schreiben, sich unterschreiben, von der Art und Weise, wie jemand seinen Nahmen ausdrückt. Wie schreibt er sich? auf was für Art pflegt er sich zu unterschreiben? Sehr oft wird schreiben absolute von Verfertigung einer Schrift gebraucht. Über einen Text schreiben. Wider jemanden schreiben. Besonders von Verfertigung eines Briefes. Ich will an euren Freund schreiben. Cajus hat noch nicht geschrieben. Man schreibt nicht viel Neues von Berlin. Nach Berlin schreiben. Wir wollen darum schreiben. Er schreibt nicht gern, nähmlich Briefe. Da es denn auch figürlich reciproce gebraucht wird. Wo schreibt sich die Nachricht her? eigentlich, wer hat sie geschrieben? und in weiterer Bedeutung auch, von wem kommt sie her? wer hat sie ertheilet? Ja auch von einer jeden andern Sache. Wo schreibt sich das her? wo kommt das her? Zuweilen wird es auch für abschreiben gebraucht. Sich vom Schreiben nähren, vom Abschreiben. Acten schreiben, abschreiben. 3) In Rücksicht auf die schriftlich ausgedruckten Worte und Gedanken, wo der Begriff der Schriftzeichen verschwindet. Schön, zierlich, rein, erhaben, niedrig u. s. f. schreiben. Das Buch ist vortrefflich geschrieben. So auch das Schreiben.

Anm. Schon in dem Isidor und bey dem Kero scriban, bey dem Ottfried screiban, im Niedersächsischen schriven, im Schwedischen skrifva, welches auch mahlen bedeutet, im Bretagnischen skriva, im Irländ. schriobbam, im Wallisischen ysgrivenny, im Lat. scribere, im Griech. ohne Zischlaut - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Die beyden letzten siehet man gemeiniglich als die Stammwörter des Deutschen an, allein sie sind nur Seitenverwandte. Der Grund der Benennung liegt in der ältesten Art der Verfertigung der Schriftzüge, welche ein Schneiden, Graben, mit Reiben verbundenes Graben u. s. f. war, so war, so daß unser graben, reiben, (dem es auch in der Conjugation gleich ist,) das Schwed. rifva, schneiden, u. a. m. die nächsten Stammwörter sind, woraus schreiben vermittelst des oft intensiven, oft aber auch müßigen Zischlautes gebildet worden. ( S. Schrift.) Da das b am Ende sehr gelinde lautet, so bekommt es in der Zusammensetzung, wenn ein Consonans folget, gern ein e euphonicum, damit die gelinde Aussprache nicht verloren gehe; Schreibebuch, Schreibepult u. s. f. Aber in manchen ist doch die Auslassung des e und zugleich die härtere Oberdeutsche Aussprache des b hergebracht, wie in Schreibfeder, Schreibfehler, Schreibpapier, Schreibstube u. s. f. für Schreibefeder u. s. f.


Schreiben (W3) [Adelung]


Das Schreiben, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Der Infinitiv des vorigen Zeitwortes, die Handlung des Schreibens; ohne Plural. 2) Als ein vermittelst der Endsylbe -en gebildetes eigenes Hauptwort, wo es in der edlern und anständigern Schreibart für das gemeinere Brief gebraucht wird. Ew. -geehrtes Schreiben habe, u. s. f. wo das Wort Brief nicht gern gebraucht wird, außer in der vertraulichen Sprechart, und an einen geringern. Auch die offenen Briefe regierender Herren werden lieber Schreiben als Briefe genannt. ( S. auch das Ausschreiben.) So auch das Handschreiben, Sendschreiben, Einladungsschreiben, Trauerschreiben, Glückwünschungsschreiben, Kreisschreiben; dagegen in denjenigen Zusammensetzungen, wo Brief voran stehet, dieses nicht mit Schreiben verwechselt werden kann; Briefwechsel. Briefsteller u. s. f. nicht Schreibenwechsel, Schreibensteller.


Schreibepult (W3) [Adelung]


Das Schreibepult, des -es, plur. die -e, ein Pult, an und vor demselben zu schreiben; zum Unterschiede von einem Lesepulte, Nähpulte u. s. f.


Schreiber (W3) [Adelung]


Der Schreiber, des -s, plur. ut nom. sing. Fäm. die Schreiberinn, von dem Zeitworte schreiben. 1) So fern dasselbe sich bloß auf die Schriftzüge beziehet, saget man wohl zuweilen, aber nur felten, ein guter, ein schlechter Schreiber. 2) In engerer Bedeutung ist derjenige ein Schreiber, dessen vornehmste Beschäftigung im Schreiben bestehet, d. i. der dasjenige auf- ab- oder niederschreibet, was ihm von einem andern befohlen wird. Ein Copist, oder dessen Beschäftigung im Abschreiben bestehet, heißt ein Schreiber, so wie auch derjenige, welcher dasjenige niederschreibt, was ihm von einem andern dictirt wird. Der Schreiber eines Advocaten. Sich einen Schreiber halten. Der Geheimschreiber, welcher doch jetzt unter dem Nahmen eines Secretärs am bekanntesten ist. In noch engerer Bedeutung werden in den Collegiis oder obrigkeitlichen Ämtern alle diejenigen Schreiber genannt, welche mit der Feder dienen und keine Räthe sind. Daher hat man Amtsschreiber, Gerichtsschreiber, Postschreiber, Stadtschreiber, Landschreiber, Steuerschreiber, Forstschreiber, Kammerschreiber, Rentschreiber, Schiffschreiber, Bergschreiber u. s. f. Da aber dieses Wort durch den häufigen Gebrauch, besonders von geringen Abschreibern, etwas verächtliches bekommen, so hat man dafür in manchen Gegenden und Fällen andere Benennungen eingeführet. So pfleget man einen Gerichtsschreiber an vielen Orten lieber einen Actuarium, einen Schreiber in einem andern Collegio aber gern Secretarium zu nennen, ja in manchen Gegenden bekommen alle Schreiber diesen letzten Nahmen, ungeachtet er eigentlich nur einem Geheimschreiber zukommt. In der Schweiz heißt noch der Syndicus eines ganzes Cantons Landschreiber. 3) In Rücksicht auf die schriftlich vorgetragenen Gedanken und Worte ist Schreiber der Verfasser, der Urheber eines schriftlichen Aufsatzes oder Werkes. Der Schreiber eines Briefes, dessen Verfasser. Der Komödien-Schreiber, Kalender-Schreiber, Bücherschreiber, Zeitungsschreiber u. s. f. Um des schon vorhin gedachten verächtlichen Nebenbegriffes willen, wird es auch hier nicht leicht mehr außer im verächtlichen Verstande, oder von geringen Personen gebraucht. Nur Geschichtschreiber hat sich noch in seiner ganzen Würde erhalten. Für Schriftsteller überhaupt, welchen schon Ottfried Scribar nennet, ist es in Hochdeutschen veraltet.


Schreiberdienst (W3) [Adelung]


Der Schreiberdienst, des -es, plur. die -e, der Dienst eines Schreibers, in der zweyten Bedeutung dieses Wortes.


Schreiberey (W3) [Adelung]


Die Schreiberey, plur. die -en. 1) Eine geschriebene oder aufgeschriebene Rede, zunächst in Ansehung der Schriftzüge, und der Art und Weise derselben; eine schlechte Schreiberey, ein schlechtes Geschreibe. In weiterer Bedeutung auch in Absicht auf die vorgetragenden Worte und Sachen, eine Schrift. In beyden Fällen nur in verächtlichem Verstande. 2) Ohne Plural, die Geschicklichkeit und Fertigkeit zu schreiben, im gemeinen Leben; die Schreibekunst. Sich der Schreiberey befleißigen. Ingleichen die Beschäftigung eines Schreibers, in der zweyten Bedeutung. Sich der Schreiberey widmen. Die Schreibereyverwandten, Schreiber und die zu ihnen gehörigen Personen, welche mit der Feder dienen und geringer als Räthe sind.


Schreibeschilling (W3) [Adelung]


Der Schreibeschilling, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme der kleinen Lehenwaare, welche den Kanzelley- oder Gerichtsbedienten für die Ausfertigung des Lehenbriefes gegeben wird; bey geringen Lehen auch der Schreibegroschen.


Schreibeschrank (W3) [Adelung]


Der Schreibeschrank, des -es, plur. die -schränke, ein Schrank mit einem Schreibetische, welcher heraus geschlagen werden kann, um davor zu schreiben.


Schreibetag (W3) [Adelung]


Der Schreibetag, des -es, plur. die -e, in dem Forstwesen, derjenige Tag, da das Holz von den Forstbedienten zum Verkaufe geschrieben, und angewiesen wird, und welcher auch das Waldgedinge heißt.


Schreibetisch,Schreibtisch (W3) [Adelung]


Der Schreibetisch, oder Schreibtisch, des -es, plur. die -e, ein Tisch, welcher vornehmlich dazu bestimmt ist, daran zu schreiben.


Schreibezeug (W3) [Adelung]


Das Schreibezeug, des -es, plur. die -e, ein Behältniß, mit den vornehmsten zum Schreiben gehörigen Werkzeugen.


Schreibfeder (W3) [Adelung]


Die Schreibfeder, plur. die -n, eine Feder zum Schreiben, womit man schreibt.


Schreibfehler (W3) [Adelung]


Der Schreibfehler, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Schreiben gemachter Fehler, ein Fehler des Schreibenden.


Schreibpapier (W3) [Adelung]


Das Schreibpapier, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, geleimtes Papier, auf welches man schreiben kann; zum Unterschiede von dem Druckpapiere, Löschpapiere und so ferner.


Schreibschule (W3) [Adelung]


Die Schreibschule, plur. die -n, eine Schule, in welcher Unterricht im Schreiben gegenben wird.


Schreibselig (W3) [Adelung]


Schreibselig, -er, -ste, adj. et adv. geneigt, begierig, viel zu schreiben. So auch die Schreibseligkeit. S. -Selig.


Schreibstube (W3) [Adelung]


Die Schreibstube, plur. die -n, eine Stube, in welcher geschrieben wird, welche vornehmlich dazu bestimmt ist, daß darin geschrieben werde. So pflegen die Kaufleute dasjenige Zimmer, in welchem die Rechnungen und Handelsbriefe geschrieben, und die Handelsbücher geführet werden, die Schreibstube zu nennen. Auch diejenigen Orte bey manchen Collegiis, wo Rechnungen geführet, Acten abgeschrieben, Ausfertigungen gemacht werden u. s. f. welche im Großen Kanzelleyen heißen, werden im Kleinen oft Schreibstuben genannt.


Schreibsüchtig (W3) [Adelung]


Schreibsüchtig, -er, -ste, adj. et adv. eine anhaltende ungeordnete Begierde habend zu schreiben, und darin gegründet. So auch Schreibsucht und Schreibsüchtigkeit.


Schreibtafel (W3) [Adelung]


Die Schreibtafel, plur. die -n, eine Tafel darauf zu schreiben. Indessen führen in engerer Bedeutung nur die schiefernen zu diesem Behufe verfertigten Tafeln diesen Nahmen, welche aber noch häufiger Rechentafeln heißen. Noch mehr und in manchen Gegenden nur allein, sind die Schreibtafeln kleine Tafeln von Elfenbein, Pergament u. s. f. welche man bey sich trägt, die vorkommenden Dinge darauf niederzuschreiben; da denn auch mehrere als ein Buch eingebundene Tafeln dieser Art im Singular eine Schreibtafel genannt werden.


Schrein (W3) [Adelung]


Der Schrein, des -es, plur. die -e, Diminut. das Schreinchen, Oberd. Schreinlein, ein im Hochdeutschen ungewöhnliches, nur noch in einigen Provinzen, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes übliches Wort, welches einen Kasten, eine Kiste, eine Lade, ingleichen einen Schrank bedeutet. Daher hat man daselbst Geldschreine, Bücherschreine, Kleiderschreine, Schriftenschreine, zur Verwahrung der Schriften oder Acten, Speiselschreine, Silberschreine, Juwelenschreinchen u. s. f. Ein Archivarius wurde um deßwillen ehedem Schreinhalter genannt. Besonders wurde dieses Wort vor diesem von Behältnissen der Reliquien und Heiligthümer, von einem Reliquien-Kasten gebraucht, wovon Frisch einige Beyspiele anführet, so wie es auch von einem jeden Behältnisse vorkommt. Diu mir wol froide mag gegeben Der lib aller selden Schrin, Herzog Heinrich von Breslau; d. i. ein Behältniß, ein Inbegriff aller Glückseligkeit.

Anm. Im Osnabrück. Schreen, im Angels. Scrin, im Engl. Shrine, im Schwed. Skrin, im Isländ. Skrijn, im Bretagn. Scrin, im Wallis. Ysgrin, im Lettischen Skryne, im mittlern Latein. Screona, Escrinium, und ohne Zischlaut Crineum, im Franz. ehedem Escrin, im Ital. Scrinio, Scrigno, Ciscranno, alle in der Bedeutung eines Kastens oder Schrankes; aus welchem weiten Umfange erhellet, daß dieses Wort nicht unmittelbar von dem Lat. Scrinium abstammet, wohl aber ein Seitenverwandter desselben ist. S. Schrank, mit welchem es aus einer und eben derselben Quelle herstammet.


Schreiner (W3) [Adelung]


Der Schreiner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schreinerinn, eine noch im Oberdeutschen sehr gangbare Benennung desjenigen Handwerkers, welcher unter dem Nahmen des Tischers oder Tischlers am bekanntesten ist, von den Schreinen, welche ehedem ihre vornehmste und häufigste Arbeit waren; Franz. ehedem Escrinier, im mittlern Lat. Arcularius, Capsarius, Scriniarius. Im Osnabrück. heißt er Schatilger, ohne Zweifel von Schatulle, in Schwaben Kistler. Das Wort Schreiner ist auch im Hochdeutschen nicht selten, besonders in Schriften.


Schreiten (W3) [Adelung]


Schreiten, verb. irreg. neutr. Imperf. ich schritt, Mittelw. geschritten. Es wird mit dem Hülfsworte seyn verbunden. 1) Die Füße zum Gehen aus einander thut, einen Schritt machen. Enge schreiten, weit schreiten, enge, weite Schritte machen. Nicht so weit schreiten können. Über die Schwelle, über einen Graben schreiten. Er soll mir nicht mehr über die Schwelle schreiten, nicht mehr in mein Haus kommen. In den Zusammensetzungen abschreiten und überschreiten wird es auch thätig gebraucht. 2) Mit festen, abgemessenen Schritten gehen. Im eisernen Getöse von Waffen schreitet er durch rauchende Ruinen, Dusch. Er schreitet daher, wie ein Frosch im Mondscheine, sagt man in Niedersachsen von jemanden, welcher mit einem lächerlich ernsthaften Stolze einher gehet. 3) Figürlich, sich bedächtlich zur Vollziehung einer Handlung begeben. Zum Werke schreiten. Zur Sache, zum Urtheil, zur zweyten Ehe schreiten. Lassen sie uns nun zu den Heirathspuncten schreiten, Gell. Ist eure Sache gut, so schreitet zum Vergleich, Und ist sie schlimm, so rechtet, Haged. Zuweilen auch, sich begeben, überhaupt. Mit seinen Gedanken über die dumme Alltäglichkeit hinweg schreiten, Zimmerm. So auch das Schreiten.

Anm. In dem alten Fragmente Carln den Großen bey dem Schilter schraiten, im Nieders. schriden, im Angels. scrithan, welches aber auch hin und her gehen bedeutet, im Schwed. skrida, und im Lat. ohne Zischlaut gradi, womit auch das in den gemeinen Sprecharten übliche gräten, grätschen verwandt ist. Das Nieders. striden, Engl. to stride, Schwed. strida, schreiten, ist nur im Präfixo verschieden. Bey dem Ottfried ist irscritan in weiterer Bedeutung, entwischen.


Schrepfen (W3) [Adelung]


Schrepfen, S. Schröpfen.


Schretz (W3) [Adelung]


Der Schretz, des -es, plur. die -e, S. Alp.


Schrey (W3) [Adelung]


Der Schrey, des -es, plur. die -e, die schnelle und heftige Erhebung der Stimme, welche man als eine Handlung durch schreyen ausdruckt. Ein heller, ein lauter Schrey. Einen Schrey thun. Zwey laute Schreye thun. Im Oberdeutschen kommt dieses Wort häufiger vor als im Hochdeutschen. Geschrey ist das Intensivum und Iterativum davon.


Schreyen (W3) [Adelung]


Schreyen, verb. irreg. Imperf. ich schrie, (einsylbig;) Conj. ich schrie, (zweysylbig;) Mittelw. geschrien, (dreysylbig;) Imperat. schreye. Es wird so wohl als ein Neutrum, als auch als ein Activum gebraucht, da es denn im ersten Falle das Hülfswort haben bekommt. Es bedeutet, sich mit heftiger Stimme hören lassen. 1. Eigentlich, wo es auch von einigen Thieren gebraucht wird, wenn sie ihre Stimme mit heftiger Anstrengung hören lassen. Die Jäger gebrauchen es in diesem Verstande von dem Hirsche, dem Hasen, dem Feldhuhne, der Eule und dem Kautze; indessen sind doch von den meisten Thieren eigene Zeitwörter gangbar, welche die Art ihres Geschreyes näher nachahmen. Wie der Hirsch schreyet nach frischem Wasser, Ps. 42, 2. Das Wild schreyet nicht, wenn es Gras hat, Hiob 6, 5. Besonders von der heftigen Anstrengung der menschlichen Stimme, sie bestehe nun in vernehm- lichen Lauten oder nicht. Aus vollem Halse, aus aller Mache schreyen. Hinter Jemanden her schreyen. Jemanden schreyen hören. Wie man in das Holz schreyet, so schallet es wieder heraus. Sie schrien: weg mit Jesu! Joh. 19. Einem etwas in die Ohren schreyen. Ein Vivat schreyen. Vornehmlich, wenn dieses Schreyen eine Wirkung heftiger Schmerzen oder der Ausbruch des höchsten Grades der Traurigkeit u. s. f. ist. Vor Schmerzen schreyen. Um Gnade, um Hülfe, um Brot, um Rache schreyen. Über etwas schreyen, sich mit lautem Geschreye darüber beklagen. Zu Gott schreyen. 2. Figürlich. 1) Mit unangenehmer lauter Stimme reden. 2) Mit lauter Stimme weinen. Das Kind schreyet. Heulen und schreyen. 3) Mit lauter Stimme zanken, schmälen; eine nur im gemeinen Leben einiger Oberdeutschen Gegenden übliche Bedeutung. 4) Eine öffentliche Ahndung erfordern. Schreyende, himmelschreyende Sünden, welche wegen ihrer Unläugbarkeit und großen Strafbarkeit eine öffentliche Ahndung erfordern. Eine schreyende Ungerechtigkeit. Schreyende Grobheiten. So auch das Schreyen.

Anm. Bey dem Ottfried skreian, scrivan, bey dem Notker scriian, im Nieders. schrauen und schrijen, im Holl. schreeuwen, im Engl. to screech, to screek und to shrike, im Schwed. skria; wohin ohne Zischlaut auch unser krähen, das Nieders. kreien, schreyen, kreischen, Notkers chraden, das Ital. gridare, das Franz. crier, das mittl. Lat. chriare, die Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und selbst das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rufen, und ohne Gaumenlaut Ottfried riunuon, wehklagen, und unser noch nicht ganz veraltetes reihen, ( S. 1 reihen,) gehören. Es ist mit allen seinen Verwandten eine unmittelbare Nachahmung des Lautes. Das y ist zum Merkmahle des Gaumenlautes beybehalten, der in manchen Sprachen und Mundarten noch deutlich hervorsticht. Der Niedersachse sagt schrijen, und der große Haufe in Meißen im Mittelworte geschriegen. schrecken ist in manchen Bedeutungen das Intensivum davon, ( S. dasselbe.) In einigen Gegenden gehet dieses Zeitwort regulär, ich schreyete, geschreyet; welche Form aber im Hochdeutschen unbekannt ist.


Schreyer (W3) [Adelung]


Der Schreyer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schreyerinn, eine Person, welche schreyet. Auch figürlich im verächtlichen Verstande, eine Person, welche mit Ungestüm viele Worte macht. Ganz Deutschland quillt mit (von) nüchtern Schreyern, Haller. S. auch Marktschreyer.


Schreyhals (W3) [Adelung]


Der Schreyhals, des -es, plur. die -hälse, im gemeinen Leben, ein Kind, welches viel und heftig schreyet; Nieders. Schrauhals, Schrauke, Schrauwauke.


Schrick (W3) [Adelung]


Der Schrick, S. Schreck.


Schrift (W3) [Adelung]


Die Schrift, plur. die -en, von dem Zeitwort schreiben. 1. Geschriebene Zeichen der Gedanken, wo dieses Wort wiederum in verschiedenen Bedeutung üblich ist. 1) Geschriebene Zeichen der Worte und Gedanken überhaupt; wo der Plural nur von Mehrern Arten Statt findet. Indessen ist es in dieser Bedeutung wenig mehr gangbar. Druck, aber nicht Schrift lesen können. Zu lernen Chaldäische Schrift und Sprache, Dan. 1, 4. Gott hatte selbst die Schrift in die Tafeln gegraben, 2 Mos. 32, 16. In weiterer Bedeutung auch wohl die gedruckten Zeichen der Worte und Gedanken, daher man in Niederdeutschland die geschriebene Schrift von der gedruckten Schrift unterscheidet. 2) Die Art und Weise dieser geschriebenen Zeichen in Ansehung ihrer Züge. Eine gute, eine schlechte Schrift schreiben, für Hand; eine nur im gemeinen Leben übliche Bedeutung. Geheime Schriften, den meisten unbekannte Arten zu schreiben, oder Zeichen der Worte und Gedanken. Am üblichsten ist es noch in den Zusammensetzungen Kanzelleyschrift, Mönchsschrift, Fracturschrift, Current-Schrift u. s. f. 2. Die gegossenen Buchstaben werden in den Buchdruckereyen collective im Plural Schriften oder Lettern genannt. Neue Schriften zu einem Werke gießen lassen. Auch wird es im Singular von den zusammen gehörigen Schriften oder Buchstaben einer Art gebraucht. Die Griechische Schrift, die Versal-Schrift, die Schwabacher Schrift. Wenn mit diesen Ausdrücken bloß auf die Gestalt und Züge der Zeichen gesehen wird, so gehören sie zur vorigen Bedeutung. 3. Geschriebene Worte oder Gedanken. 1) Überhaupt. Welcher Mensch diese Schrift lieset, Dan. 5, 7. Wo es doch auch nur in den Zusammensetzungen Aufschrift, Unterschrift, Umschrift, Inschrift u. s. f. am üblichsten ist. Zuweilen verstehet man darunter auch den beschriebenen oder bedruckten Theil eines Buches, Blattes u. s. f. Der Buchbinder hat in die Schrift geschnitten. 2) Ein geschriebener Aufsatz, er sey von welcher Art er wolle. Etwas unter jemandes Schriften finden, unter den beschriebenen Papieren. Acten, Documente u. s. f. werden sehr häufig Schriften genannt. Schriften wechseln, vor Gerichte. Eine Schrift aufsetzen, eingeben, überreichen. Mit einer Schrift bey dem Rathe einkommen. So auch Abschrift, Bittschrift, Zueignungsschrift u. s. f. 3) Ein Buch, eine geschriebene oder gedruckte Rede wird oft nur eine Schrift genannt. Lutheri Schriften, alles, was er geschrieben hat; seine Werke. Eine Schrift drucken lassen, beurtheilen. Sich durch Schriften berühmt machen. Die Wochenschrift, Monathschrift u. s. f. Besonders gebraucht man es gern von kleinern gedruckten Aufsätzen, welche noch nicht Bücher genannt werden können, da man denn auch wohl das Dimin. Schriftchen gebraucht. 4) Im engsten Verstande verstehet man unter Schrift, oder heilige Schrift schlechthin, die Bibel, wo es collective und im Singular allein von dem ganzen Umfange der göttlichen Schriften gebraucht wird. Die Schrift gebeut, die Wohlthäter ins besondere zu lieben, Gell. Anm. Im Isidor Chischribe, bey dem Kero Keschrifti, bey dem Ottfried Scrip. Giscrib, bey dem Notker Skrifte. In Westphalen und andern Niederdeutschen Städten wird die Sammlung der Stadtgesetze, der Statuten die Schraa genannt, das ist, die Schrift.


Schriftgelehrte (W3) [Adelung]


Der Schriftgelehrte, des -n, plur. die -n, in der Deutschen Bibel und der biblischen Schreibart, ein Gottesgelehrter der ältern Juden, eigentlich, der in der heil. Schrift gelehrt und erfahren ist, da es denn ehedem von einer jeden in der heil. Schrift bewanderten Person gebraucht wurde, und bey dem großen Haufen wohl noch üblich ist. Die ältern Oberd. Schriftsteller gebrauchten andere Ausdrücke, die Schriftgelehrten der ältern Juden, oder die Scribas, wie sie in der Vulgate heißen, zu bezeichnen. Ottfried nennt sie Buachara und Eruahton, welches letztere aus E, Gesetz, und ruahon, sorgen, zusammen gesetzt ist, und eigentlich Gesetzkundige bedeutet; Notker Prievarra, von Brief, Schrift, und die Monseeische Glosse Puochmeister.


Schriftgewölbe (W3) [Adelung]


Das Schriftgewölbe, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gewölbe, worin Schriften, d. i. Urkunden, Documente u. s. f. verwahret werden; wofür doch das ausländische Archiv üblicher ist.


Schriftgießer (W3) [Adelung]


Der Schriftgießer, des -s, plur. ut nom. sing. dessen Gattinn die Schriftgießerinn, ein Künstler, welcher die Schriften der Buchdrucker aus Metall gießet. Daher die Schriftgießerey, dessen Werkstätte.


Schriftkasten (W3) [Adelung]


Der Schriftkasten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kasten, in welchem Schriften, d. i. geschriebene Urkunden, verwahret werden. Von Schriften, bewegliche metallene Buchstaben, ist der Schriftkasten bey den Buchdruckern ein Behältniß in Gestalt eines Pultes, wo die Schriften in ihren gehörigen Fächern liegen. Einen ähnlichen Schriftkasten haben auch die Buchbinder zu den Schriften der Titel.


Schriftlich (W3) [Adelung]


Schriftlich, adj. et adv. in Gestalt einer Schrift, vermittelst einer Schrift, im Gegensatze des mündlich. Eine schriftliche Antwort. Ein schriftliches Zeugniß, Bekenntniß. Ein schriftlicher Beweis, Contract. Schriftliche Aufsätze, Urkunden u. s. f. geschriebene. Sich schriftlich erklären, verantworten. Seine Sache schriftlich vorbringen. Ich will es dir schriftlich geben. Bey einem Collegio schriftlich einkommen, sein Anliegen schriftlich, vermittelst einer Schrift, vortragen.


Schriftmäßig (W3) [Adelung]


Schriftmäßig, adj. et adv. von Schrift, 3, 4), die heil. Schrift, dem geschriebenen Worte Gottes gemäß, in demselben gegründet. So auch die Schriftmäßigkeit.


Schriftsaß (W3) [Adelung]


Der Schriftsaß, des -ssen, plur. die -ssen, von Schrift, 3, 2), ein schriftlicher Aufsaß. 1) In weiterer Bedeutung, ein jeder Vasall oder Unterthan, welcher das Vorrecht hat, daß ihm die Ladungen, Zufertigungen u. s. f. aus den Gerichten und andern Collegiis schriftlich, und nicht bloß durch die untern Bedienten mündlich, zu wissen gethan werden. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung sind Schriftsassen solche Vasallen, welche dem Landesherren und seiner Kanzelley unmittelbar unterworfen sind, von welchen man daher sagt, daß sie auf Schrift sitzen, weil ihnen der Wille des Lehens- und Landesherren unmittelbar aus dessen Kanzelley schriftlich bekannt gemacht wird; Kanzelleysassen, zum Unterschiede von den Amtssassen, welche den Kammerämtern unterworfen sind. S. Saß.


Schriftsässig (W3) [Adelung]


Schriftsässig, adj. et adv. auf Schrift sitzend, d. i. dem Lehens- und Landesherren und dessen Kanzelley unmittelbar unterworfen; kanzelleysässig, zum Unterschiede von dem amtssässig. Ein schriftsässiger Edelmann. Schriftsässige Güter.


Schriftsässigkeit (W3) [Adelung]


Die Schriftsässigkeit, plur. car. die Eigenschaft, da ein Vasall oder Grundstück schriftsässig ist; die Kanzelleysässigkeit, zum Unterschiede von der Amtssässigkeit.


Schriftspötter (W3) [Adelung]


Der Schriftspötter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schriftspötterinn, eine Person, welche mir der Schrift, d. i. dem geschriebenen göttlichen Worte, ihr Gespött treibet.


Schriftsprache (W3) [Adelung]


Die Schriftsprache, plur. die -n, diejenige Sprache, deren sich ein Volk in Schriften bedienet. In engerer Bedeutung, diejenige Mundart unter mehrern, welche dazu gebraucht wird, und welches allemahl die ausgebildetste eines Landes ist.


Schriftsteller (W3) [Adelung]


Der Schriftsteller, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schriftstellerinn. 1) Derjenige, welcher eine Schrift stellet, d. i. einen schriftlichen Aufsatz verfertiget, in welchem Verstande, die Versasser der schriftlichen gerichtlichen Aufsätze für andere, und in weiterer Bedeutung, der Verfasser einer gewissen bestimmten Schrift, eines geschriebenen oder gedruckten Aufsatzes diesen Nahmen führeten, und ihn, besonders im Oberdeutschen, noch bekommen. 2) In weiterer Bedeutung ist Schriftsteller ein jeder, welcher eine eigene Schrift durch den Druck bekannt gemacht hat, welcher etwas geschrieben hat; mit einem Lateinischen Ausdrucke, ein Autor. Ein Schriftsteller seyn, eigene Bücher oder Schriften drucken lassen.


Schrimpf (W3) [Adelung]


Der Schrimpf, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden für Schrumpf oder Fruchtschrumpf, denjenigen Abgang an dem aufgeschütteten Getreide zu bezeichnen, welcher durch das Einschrumpfen oder Eintrocknen verursacht wird. S. Schrumpfen.


Schritt (W3) [Adelung]


Der Schritt, des -es, plur. die -e, Diminut. das Schrittchen, Oberd. Schrittlein, von dem Zeitworte schreiten. 1. Die Öffnung der Füße zum Gehen, in dem gewöhnlichen langsamen Gange eines Menschen oder Thieres. 1) Eigentlich. Einen Schritt thun oder machen, einen Fuß vor den andern setzen, um sich dadurch fortzubewegen. Weite, enge, große, kleine Schritte thun oder machen. Mit starken Schritten kommen. Bey einem jeden Schritte stolpern. Mit leisen Schritten gehen. Einem auf allen Schritten nachlaufen. Seine wankenden Schritte verrathen Angst und Entsetzen. Schritt für Schritt, d. i. langsam, mit bedachtsamen Schritten, im Oberd. schrittlings; ingleichen figürlich: Er wies dem Alten Schritt für Schritt Hier bald das Matte, bald das Leere, (in einem Gedichte.) Gell. 2) Figürlich. Den ersten Schritt in einer Sache thun, den Anfang in derselben machen. Kann es ihnen denn fauer werden, den zweyten Schritt zu thun, wenn ein so liebreicher Vater schon den ersten gethan hat? Less. Starke Schritte zu seinem Glücke thun. Die Jugend, welche den ersten Schritt in die Welt wagt. 2. Die Entfernung beyder Füße von einander im Schritte, die Weite der Öffnung beyder Füße. 1) Eigentlich, da es denn als ein Maß der Länge, besonders als ein Feldmaß üblich ist. Es ist nur Ein Schritt davon. Sechs Schritte lang. Tausend Schritte weit. Der gewöhnliche oder einfache Schritt (Gressus) wird auf 2, 2 auch wohl 3 Fuß gesetzet, dagegen der doppelte Schritt (Passus) 4 oder 5, der geometrische Schritt aber allemahl 5 Fuß hat. 2) Figürlich, von einer kurzen Entfernung so wohl des Raumes als der Zeit. Es ist nur Ein Schritt zwischen mir und dem Tode, 1 Sam. 20, 3. Ist es wahr, daß von der Freundschaft nur Ein Schritt zur Liebe ist? Es ist ein kurzer Schritt vom Grabe zu der Wiegen, Can. 3. Diejenige Art des Ganges, da man einen Fuß langsam vor den andern setzet; die gewöhnlichste Art des Ganges, zum Unterschiede von dem Laufen. Ohne Plural. Einen Schritt gehen, im Oberd. schrittlings. Einen starken Schritt gehen. So auch der Schritt eines Pferdes, die langsame, abwechselnde und wenig erhabene vorwärts gerichtete Bewegung aller vier Füße nach einander, so daß jedes Mahl nur Ein Fuß in Bewegung ist; zum Unterschiede von dem Passe, Trabe oder Trotte und Galoppe. Das Pferd gehet einen guten Schritt. Ein Pferd den Schritt gehen, lassen. Einen Schritt reiten.

Anm. Im Tatian Scrito, im Nieders. Schrede, Schree. ( S. Schreiten.) Von dem Nieders, striden für schreiten, ist in dieser Mundart auch Strede für Schritt üblich, Angels. Straede, Engl. Stride.


Schrittlings (W3) [Adelung]


* Schrittlings, adv. schreitend, im Schritte; ein nur im Oberdeutschen übliches Wort, S. Schritt 1 und 3.


Schrittmesser (W3) [Adelung]


Der Schrittmesser, S. Schrittzähler.


Schrittschuh (W3) [Adelung]


Der Schrittschuh, des -es, plur. die -e, glatte viereckte vorn krumm gebogene Stäbe von Eisen oder Stahl, welche man unter die Schuhsohlen befestiget, um vermittelst derselben schnell auf dem Eise fortzuschreiten; Schlittschuhe. Ramler singt von diesen Schrittschuhen: Und haben Schuhe von Stahl, der Mann der freundlichen Venus Verbarg des Blitzes Geschwindigkeit drein. Im Nieders. Striedschoh, von strieden, schreiten, ingleichen Schlittschoh, von slidden, sliddern, gleiten. S. Schlittschuh.


Schrittstein (W3) [Adelung]


Der Schrittstein, des -es, plur. die -e, Steine, welche in ein seichtes, nicht tiefes Wasser gelegt werden, um vermittelst derselben über dasselbe zu schreiten, ohne sich die Füße zu benetzen.


Schrittzähler (W3) [Adelung]


Der Schrittzähler, des -s, plur. ut nom. sing. ein geometrisches Werkzeug, welches in einem an einem Wagen angebrachten Räderwerke bestehet, die Länge der Wege nach Schritten zu bestimmen; der Schrittmesser, Wegemesser.


Schrobben (W3) [Adelung]


Schrobben, S. Schrubben.


Schroff (W3) [Adelung]


Schroff, -er, -este, adj. et adv. ein vornehmlich in doppelter Bedeutung übliches Wort. 1) Rauh, viele Erhöhungen oder Ungleichheiten auf der Oberfläche habend; wo es doch im Hochdeutschen wenig gehöret wird. Der rautenförmige Schwefelkies zu Freyberg ist schroff, hat eine schroffe Oberfläche. Ein schroffer Weg. Schroffe Felsen, welche eine sehr rauhe Oberfläche haben. Schroff setzt größere, vielleicht auch schärfere Erhöhungen voraus als rauh. Im Italiänischen lautet es ohne Zischlaut ruvido, in Baiern roppet. Rufe, die rauhe Rinde auf einer Wunde, ist gleichfalls damit verwandt. 2) Jähe, steil, am häufigsten von Bergen und Felsen, so daß der vorige Begriff nicht ganz ausgeschlossen bleibt; da es denn, im Oberdeutschen auch schroffig, schroffachtig lautet. Schroffe Berge. Schroffe Felsen. Noch schlief ich nicht ganz, als ich mich auf einmahl an dem schroffsten Theile des schrecklichsten Felsen sahe, Less.

Anm. Zu der zweyten Bedeutung gehöret das Schwed. Skrefva, eine Felsenspalte, welches vermittelst des Zischlautes von rifva, reißen, spalten, abstammet, wohin auch unser Schroff, das Lat. Scrupus, Scrupulus, Rupes, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und andere mehr gehören.


Schroffe (W3) [Adelung]


Die Schroffe, plur. die -n, ein nur im Oberdeutschen übliches Wort, die schroffe Seite eines Felsen, ingleichen einen schroffen gleichsam abgerissenen Felsen zu bezeichnen. Die hohen Schroffen, hohen und steilen Felsen, Walser. Im Ital. ohne Zischlaut Groppo. S. das vorige.


Schroffheit (W3) [Adelung]


Die Schroffheit, plur. inus. der Zustand, da etwas schroff ist.


Schrolle (W3) [Adelung]


1. * Die Schrolle, plur. die -n, ein Oberdeutsches, für Scholle, d. i. ein Stück Erde oder Eis, übliches Wort, S. Scholle.


Schrolle (W3) [Adelung]


2. Die Schrolle, plur. die -n, in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, ein Anfall von Unsinn und böser Laune Seine Schrollen haben, bekommen. Nieders. Schrulle. Es scheinet hier vermittelst des intensiven Zischlautes von dem gelindern und weniger sagenden Grille gebildet zu seyn.


Schröpfe (W3) [Adelung]


Die Schröpfe, plur. die -n, in der Landwirthschaft, die Handlung des Schröpfens in Ansehung des Getreides. Die Schröpfe des Weitzens. S. 1 Schröpfen 1.


Schröpfeisen (W3) [Adelung]


Das Schröpfeisen, des -s, plur. ut nom. sing. eine ungewöhnlich gewordene Benennung der Lanzette der Wundärzte, weil man ehedem das Schröpfen damit verrichtete.


Schröpfen (W3) [Adelung]


Schröpfen, verb. reg. act. welches in zwey dem Ansehen nach verschiedenen Bedeutungen üblich ist. 1) In der Landwirthschaft schröpfet man das Getreide, wenn man es, ehe es in die Kiele tritt, mit der Sichel abschneidet, damit es nicht zu stark und voreilig wachse. Den Weitzen schröpfen, in einigen Gegenden, ihn vergrasen. Es wird in dieser Bedeutung gemeiniglich schrepfen oder schräpfen geschrieben. 2) Ritzen; eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. In den Küchen schröpfet man die Äpfel, wenn sie in vier Theile schneidet, die Oberfläche rings herum mit einem Messer subtil ritzet oder aufhacket, und sie hernach in Wein kocht; geschröpfte Äpfel. Die Gärtner schröpfen kranke Bäume, wenn sie die äußere Rinde derselben mit einem Messer aufritzen, damit der Saft Luft bekomme. Am üblichsten ist es von einer Art des Aderlasses, da man ehedem die Haut mit einer Lanzette mehrmahls aufritzte, um das zwischen Fell und Fleisch befindliche Blut abzuzapfen; welche die älteste Art des Schröpfens ist. Jetzt bedienet man sich statt der Lanzette eines eigenen Schröpfschneppers zu den Einschnitten, und zur Aussaugung des Blutes der Schröpfköpfe, da denn der Nahme des Schröpfens geblieben ist obgleich die Onomatopöie bey dieser Erfindung verloren gegangen. Figürlich ist jemanden schröpfen ihn auf unbillige Art um sein Geld bringen. Der Wirth schöpft seine Gäste, wenn er sich Zeche zu theuer bezahlen läßt. So auch das Schröpfen.

Anm. Dieses Zeitwort, welches den Niederdeutschen und den mit ihnen verwandten Sprachen fremd zu seyn scheinet, indem die ersten das Schröpfen der Wundärzte Köpfe setzen nennen, ist in beyden Fällen eine Nachahmung des Lautes, so wie die Niederdeutschen schrapen, schrubben u. s. f. ähnliche Laute, obgleich ganz verschiedene Handlungen, bezeichnen. Frisch leitet es daher in der letzten chirurgischen Bedeutung sehr unschicklich von dem Lat. scarificare her; ohne Zweifel weil ihm die übrigen Bedeutungen unbekannt waren. Im Oberdeutschen wird es häufig schrepfen und schräpfen geschrieben, weil man daselbst so spricht, im Hochdeutschen hingegen sticht, wenigstens in der zweyten Bedeutung, das ö merklich hervor.


Schröpfkopf (W3) [Adelung]


Der Schröpfkopf, des -es, plur. die -köpfe, kleine cylindrische Gefäße von Glas oder Messing, welche man über ein Licht hält, um die Luft heraus zu treiben, und sie geschwinde über den mit dem Schröpfschnepper aufgeritzten Theil der Haut decket, da sie denn das Blut aus demselben an sich ziehen; Ziehköpfe, Laßköpfe, gleichsam Aderlaßköpfe, ehedem Badeköpfe, weil das Schröpfen eigentlich eine Verrichtung der Bader ist, und ehedem im Bade geschabe, mit einem Lateinischen Kunstworte Ventosen, im Nieders. nur Köpfe, daher Köpfe setzen daselbst so viel als schröpfen, und Kopfsetzer ein Bader ist. Kopf hat hier die Bedeutung eines Gefäßes.


Schröpfschnepper (W3) [Adelung]


Der Schröpfschnepper, des -s, plur. ut nom. sing. ein eigener Schnepper der Bader und Wundärzte, die zu dem Schröpfen nöthigen Einschnitte in die Haut zu machen. S. 2 Schnepper.


Schrot (W3) [Adelung]


Das Schrot, des -es, plur. die -e, Dimin. das Schrötchen, Oberd. Schrötlein. 1. Von schroten, der Quere nach zersägen, zerhauen, zertheilen, zerschneiden, ist Schrot ein auf solche Art entstaudenes Stück. 1) Eigentlich. Wenn man den Stamm eines Baumes in mehrere Stücke säget oder hauet, um Breter daraus zu schneiden, Klafterholz daraus zu schlagen u. s. f. werden diese Stücke Schrote genannt; welchen Nahmen im Forstwesen auch alle dickere Stücken Holz bekommen, welche zu mehrern Scheiten gehauen werden Müssen. Die Schrote zu den Brunnenröhren, die Blöcke, ehe sie zu eigentlichen Röhren gebohret worden. Im Bergbaue wird ein Gevierte von Zimmerholz, womit ein Schacht ausgezimmert wird ein Schrot genannt; ohne Zweifel auch, weil es aus vier Schroten bestehet. Ein von einer Stange Eisen abgehauenes Stück heißt im Eisenhandel ein Schrot. In weiterer Bedeutung ist Schrot in vielen Fällen ein jedes Stück eines Ganzen, ein abgeschnittenes, abgesägtes, abgehauenes Stück. Im Nieders. ist Schraad oder Schrot ein Stück Leinwand, welches der Länge nach von einem ganzen Stücke abgeschnitten worden. Ein Betttuch bestehet aus zwey oder drey Schroten, wenn es zwey oder drey solcher Stücke in der Breite hat. In den Münzen werden die aus den Zainen gehauenen runden Stücke, welche hernach gepräget werden, Schrote genannt daher denn auch figürlich das gehörige Gewicht dieser Stücke das Schrot heißt welches doch nur in der R. A. Schrot und Korn üblich ist, wo Schrot das gehörige Gewicht, Korn aber die gehörige Güte des Metalles bezeichnet. Wachter lässet es sehr gezwungen von dem Arabischen Karat abstammen. Nach einer noch weitern Figur gebraucht man diese R. A. von der innern Güte eines jeden Dinges. Ein Mann von altem Schrot und Korn, der nicht nur die dauerhafte Gesundheit, sondern auch die offenherzige Redlichkeit der alten Deutschen hat. Ehedem gebrauchte man auch Schrot allein in ähnlichen Figuren. So hat Frisch die Ausdrücke gefunden, nach altem Schrot, nach alter Weise, auf seinen Schrot ziehen, seiner Weise folgen, diesen Schrot brauchen, diesem Schrote nachfahren, dieser Weise folgen; welche vermuthlich auch aus den Münzen entlehnet sind, wenn hier Schrot nicht vielmehr Schnitt überhaupt bedeutet. Auch die Abgänge von dem Schneiden, Sägen oder Hauen, die davon übrig bleibenden Stücke werden in manchen Fällen Schrote, und im Diminutivo Schrötchen oder Schrötlein genannt. So führen diesen Nahmen in den Münzen die übrig gebliebenen Stücke Silbers oder Kupfers, nachdem die Schrote zu den Münzen ausgehauen oder ausgeschroten worden; ingleichen bey den Oblaten-Bäckern, die Abgänge von den Oblaten, bey den Steinmetzen, die Abgänge von den Steinen, da denn das Wort Schrot auch oft collective gebraucht wird. Das in manchen Fällen gleichbedeutende Krätz, Gekrätz, ist damit verwandt, ( S. 2 Krätze.) Die äußersten Enden des gewebten Tuches führen in manchen Gegenden gleichfalls den Nahmen des Schrotes, ( S. auch Anschrote.) In noch weiterer Bedeutung sind Schrote alle kleine Stücke eines Ganzes; wo es besonders als ein Collectivum, folglich ohne Plural, außer von mehrern Arten, in zwey Fällen üblich ist. 1) Klein gehackte Stücke Bley oder Eisen, damit zu schießen, heißen collective Schrot, zuweilen auch Hagel. Wolfsschrot, Fuchsschrot, Hasenschrot u. s. f. da denn in weiterer Bedeutung auch die runden gegossenen Bleykörner, deren man sich statt des gehackten Bleyes bedienet, diesen Nahmen führen. Es ist hier als ein Collectivum am üblichsten, mit Schrot schießen; doch gebraucht man es auch von einzelnen Körnern dieser Art, zwey, drey Schrote oder Schrotkörner. 2) Gröblich gemahlnes und ungebeuteltes Getreide heißt in den Mühlen und in der Hauswirthschaft Schrot; Nieders. Schradels, Schradkorn, Böhm. Ssrot. Die Schweine mir Schrot füttern. Gerstenschrot, Rockenschrot. Bohnenschrot, Erbsenschrot u. s. f. gröblich gemahlne Bohnen oder Erbsen. 2) * Figürlich, wo es in einigen Gegenden und in einigen Fällen etwas kleines in seiner Art bedeutet zu haben scheinet. Bey dem Frisch ist Schrötlein ein kleines Gehölz. Auch die Oberdeutsche Benennung des Alpes, da er Schröter, Schrötlein, Schretz, Schretzel u. s. f. heißt, scheinet dahin zu gehören, ob sie gleich auch noch andere Ableitungen leidet. 2. In einigen Fällen scheinet dieses Wort auch den Begriff eines hohlen Raumes zu haben. Im gemeinen Leben mancher Gegenden werden die Behältnisse oder Kapseln, welche die Landleute aus jungen Baumrinden machen, die Erdbeeren, Heidelbeeren u. s. f. darein zu sammeln, Schrote genannt. An andern Orten heißen sie Kietzen, ( S. 2 Kietze.) In den Bergwerken wird so wohl das Gebäude an der Seite der Radstube, als auch das kleine Gebäude über dem Rande, welches auf dem untersten Säulwerke stehet, das Schrot genannt; welchen Nahmen sie aber auch führen können, weil sie vielleicht aus Schroten oder Blöcken aufgeführet sind, zumahl da das erste dieser Gebäude auch das Schrotwerk genannt wird. Das Geschröte, so fern es von dem Hodensacke gebraucht wird, und das Lateinische gleichbedeutende Scrotum gehören gleichfalls hierher, so wie ohne Zischlaut auch Grotte damit verwandt ist. ( S. Schroten.) In einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, ist dieses Wort im männlichen Geschlechte üblich, der Schrot; im Hochdeutschen ist das ungewisse das gangbarste.


Schrotaxt (W3) [Adelung]


Die Schrotaxt, plur. die -äxte, eine Axt, welche wie eine Zimmermannsaxt gestaltet ist, Bäume damit von einander zu schroten, oder zu hauen. Sie hat oben kein so breites und dickes Öhr, wie die Holzaxt, damit keine so breite Kerbe nöthig werde. Die Schrotaxt der Bergleute ist ganz von Eisen, und hat die Gestalt eines Winkeleisens, wovon die eine Seite drey Zoll breit und einen Zoll stark ist, die andere aber die Stelle des Stieles vertritt.


Schrotbaum (W3) [Adelung]


Der Schrotbaum, des -es, plur. die -bäume, die Bäume an den Schrotleitern, ingleichen starke Bäume, Lasten damit von den Wagen und auf dieselben zu schroten.


Schrotbeutel (W3) [Adelung]


Der Schrotbeutel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Beutel, worin die Jäger und Schützen das zum Schießen bestimmte Schrot bey sich führen.


Schrotbock (W3) [Adelung]


Der Schrotbock, des -es, plur. die -böcke, ein Bock oder Gestell, Lasten damit von dem Wagen abzuschroten.


Schrotbohrer (W3) [Adelung]


Der Schrotbohrer des -s, plur. ut nom. sing. ein Bohrer, welcher an dem Ende einen Haken hat, der die Späne heraus ziehet. Man gebraucht ihn vornehmlich, die Pumpenröhren damit auszubohren. Entweder von Schrot, ein solcher zu einer Pumpenröhre bestimmter Block, oder auch, weil er nur gröblich zermalmete Späne macht.


Schrotbüchse (W3) [Adelung]


Die Schrotbüchse, plur. die -n, eine Büchse, d. i. gezogenes Feuergewehr, aus welcher mit Schrot geschossen wird; zum Unterschiede von einer Kugelbüchse.


Schrotbunzen (W3) [Adelung]


Der Schrotbunzen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Goldschmieden, ein Bunzen, etwas damit abzuschroten; bey andern Metallarbeitern der Schrotmeißel.


Schrote (W3) [Adelung]


Die Schrote, plur. die -n, bey verschiedenen Handwerken und Künstlern, ein Werkzeug etwas damit abzuschroten, welches in den meisten Fällen ein Schroteisen, Schrotmeißel u. s. f. genannt wird. So ist bey den Schlössern die Abschrote oder Nagelschrote ein scharfes Eisen auf einem Klotze, Nägel und andere Stücken Eisen darauf abzuschroten oder abzuhauen.


Schroteisen (W3) [Adelung]


Das Schroteisen, des -s, plur. ut nom. sing. ein eisernes Werkzeug etwas damit abzuschroten. So wird ein Meißel mit oder ohne Heft, Holz, Stein oder Metall vermittelst eines darauf geführten Schlages damit abzusondern, in vielen Fällen ein Schroteisen genannt. Auch die Gärtner haben ein solches Schroteisen mit einem langen Hölzernen Stiele, die verdorrten Zweige damit abzustoßen oder abzuschlagen, welches auch der Baummeißel genannt wird. Auch die Abschrote oder Schrote der Schmiede führet diesen Nahmen. Von schroten, schneiden, wird in einigen Gegenden das Messer, womit die Schuster das Leder zuschneiden, das Schroteisen genannt.


Schroten (W3) [Adelung]


Schroten, verb. reg. außer, daß es im Mittelworte lieber geschroten als geschrotet hat. Es ist eigentlich eine Onomatopöie, welche den Laut, den sie ausdruckt, genau nachahmet, und ursprünglich als ein Neutrum üblich war, diesen Laut von sich geben, oder hervor bringen. Die Schilde begunden schroten, bey dem Stryker; vermuthlich, die Schilde fingen an zu rasseln oder ein Geräusch zu machen. In dieser Gestalt ist es veraltet, indem wir es nur noch als ein Activum kennen, wo es von mehrern sehr verschiedenen Handlungen üblich ist, welche aber insgesammt mit diesem Laute verbunden sind, oder doch ursprünglich damit verbunden waren. Diese Handlungen sind, 1. Nagen, wenigstens diejenige Art des Nagens, deren Laut der im Zeitworte liegenden Onomatopöie am nächsten kommt, der gleichen das Nagen größerer Thiere an großen Körpern ist. Nieders. schraden, und im Latein. ohne Zischlaut rodere. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung noch hin und wieder gangbar, daher auch gewissen Arten Käfer Schröter genannt werden. Siehe dasselbe, ingleichen Katze. 2. Gröblich zermalmen, auch nur von solchen Arten, welche mit diesem Laute verbunden sind. Die Nagethiere schroten das Holz, das Getreide, wenn sie es durch Nagen gröblich zermalmen. Am üblichsten ist es in den Mühlen, wo das Getreide geschroten wird, wenn man es von dem Steine in grobe Stücke zerbrechen läßt, ohne es durch das Beuteltuch gehen zu lassen. Geschrotene Gerste, geschrotenes Malz, geschrotene Bohnen, Erbsen u. s. f. Dergleichen auf den Mühlen gröblich gemahlne Früchte denn auch collective Schrot genannt werden. Ohne Zischlaut sind auch Krütze, Kraut, so fern es ehedem gröbliches Pulver bedeutete, u. a. m. damit verwandt. Das Nieders. schraden, Angels. scredan und Schwed. skräda, bedeuten gleichfalls zermalmen. 3. Mit dem diesem Zeitworte eigenen Laute, aushöhlen; wo es doch nur selten vorkommt. Ehedem scheinet es auch in weiterm Verstande für aushöhlen überhaupt üblich gewesen zu seyn, wovon denn Schroten ein hohles Gefäß, und das Geschröte, der Hodensack, Lat. Scrotum, abstammen. Das Bergmännische schroten, durch Erde und Gestein arbeiten, gehöret so wohl zu dieser, als der vorigen Bedeutung. Es ist daselbst besonders in den Zusammensetzungen erschroten, unerschroten, verschroten üblich. Der Bergmann hat starke Wasser erschroten, wenn es in Erbrechen eines Ganges oder einer Kluft auf Wasser kommt. Einen Gang mit einem Stollen erschroten, durch Führung oder Grabung eines Stollens auf einen Gang kommen. Ein unerschrotenes Feld, wo noch nicht nach Erz gegraben worden, ein uneröffnetes, im Gegensatze des verschrotenen Feldes. 4. Der Quere nach zertheilen, es geschehe nun durch Sägen, Hauen, Schneiden oder auf andere Art. 1) Eigentlich; Nieders. schraden, schon bey dem Ulphilas skreitan, im Angels. screadan, im Engl. to shred, to shroud. Besonders von denjenigen Gattungen des Theilens dieser Art, wobey der diesem Zeitworte eigenthümliche Laut Statt findet, welches bey dem Zertheilen großer, harter, aber doch dabey gewisser Maßen zäher Körper zu geschehen pfleget. Einen Baum in zwey Stücke schroten, ihn in der Quere in zwey Stücke theilen, es geschehe nun durch Hauen vermittelst der Schrotart, oder durch Sägen vermittelst der Schrotsäge. Die Nadler schroten den Draht zu Nadeln, wenn sie ein Pack Draht mit der Schrotschere durchschneiden. Von dieser Bedeutung stammet vermuthlich das Nieders. schrad, schräge, ab. 2) In weiterer Bedeutung wird es in vielen Fällen für zertheilen überhaupt gebraucht, es geschehe nun durch Schneiden, oder durch Hauen, Sägen u. s. f. wo doch immer mit auf den eigenthümlichen Laut des Zeitwortes Rücksicht genommen werden muß. Die Schmiede schroten ein Stück Eisen entzwey, wenn sie es entzwey hauen, d. i. es auf das Schroteisen legen, oder auch den Schrotmeißel darauf setzen, und es solcher Gestalt vermittelst des Hammers theilen. Geschrotene Eisen sind im Bergbaue von dem Stangeneisen abgeschlagene Stück. In den Münzen werden die Zaine geschroten, wenn man mit einem hohlen, runden, scharfen Eisen die runden Stücke, welche hernach gepräget werden, aus den Zainen hauen. Auf eben dieselbe Art werden auch die Oblaten geschroten. Eben so wird es in vielen Fällen für sägen gebraucht. Die Kammmacher schroten das Horn, wenn sie es sägen. Ingleichen für schneiden. Ehedem schrotete man das Getreide, wenn man es mit der Sichel abschnitt, ja man gebrauchte es vor diesem von einem jeden Schneiden mit der Schere, in welchem Verstande das Nieders. schraden noch üblich ist; daher ein Schneider ehedem auch Schröter Nieders. Schrader genannt wurde. Im Hochdeutschen ist es hier wenig mehr gangbar, außer in einigen Fällen des gemeinen Lebens; der ehemahlige figürliche Gebrauch aber ist völlig veraltet. Min lib ist abageschroten, mein Leben ist abgekürzet, Notker. Er beschrotete ihre Pfründen, für beschnitt, Walser ein Schweizer. Ohne Zischlaut ist auch im Böhm. Kratj schneiden. 3) * Eine Figur dieser Bedeutung des Theilens, Zertheilens scheinet auch der nunmehr längst veraltete Gebrauch für erforschen, durchforschen, zu seyn, wo es mit dem Lat. scrutari sehr nahe verwandt ist. Sie durhscroteton, sie durchforschten, Notk. bey welchem scrodende auch scrutantes ist. Wenn es hier nicht vielmehr eine Onomatopöie des Fragens, der menschlichen Stimme, ist da es mit grüßen, Nieders. gröten, verwandt seyn würde. Im Schwed. ist skräda auswählen, Nieders. so fern es von dem Auswählen der Speisen gebraucht wird, krüden, wo der Begriff des Zertheilens der hervorstechendste ist. 5. Schieben und wälzen; doch auch nur von dieser Behandlung schwerer Körper, welche, wenn sie geschoben oder gewälzet werden, den diesem Zeitworte eigenen Laut machen, daher es nur in einigen Fällen üblich ist. Im Lat. ohne Zischlaut rotare, bey dem Pictorius roden, movere ac moliri, wohin auch unser Frequentativum rütteln gehöret. Einen Stein fortschroten, mühsam fortschieben oder fortwälzen. Eine Last von dem Wagen, auf den Wagen schroten. Ein Faß Wein, ein Faß Bier in den Keller schroten, aus dem Keller schroten. ( S. Schröter, Schrotleiter Schrotseil.) Hierher scheinet, doch ohne Zischlaut, auch das Nieders. kroden zu gehören, welches besonders in den Torfländern üblich ist, wo der gegrabene Torf gekrodet wird, wenn er auf einem Karren an den Ort geschoben wird, wo er trocknen soll, welches von den Krodern geschiehet. So auch das Schroten.

Anm. Ehedem ging dieses Zeitwort irregulär; Imperf. ich schriet. Mittelw. geschrieten oder geschroten, von welcher Form noch jetzt das Mittelwort geschroten für geschrotet üblich ist.


Schröter (W3) [Adelung]


Der Schröter, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Ein Werkzeug zum Schroten. So wird ein Schroteisen oder Schrotmeißel in Gestalt eines Hammers, d. i. ein Hammer, welcher an einer Seite ein Meißel ist, an der andern aber eine Bahn hat, Eisen und Stahl damit von einander zu schroten oder zu hauen, im Bergbaue und anderwärts ein Schröter, ingleichen Schrothammer, Schrotmeißel genannt. 2. Ein Thier oder eine Person, welche schrotet; im letztern Falle im Fämin. die Schröterinn. 1) Von schröten, nagen, werden die Käfer in manchen Mundarten Schröter genannt, so wie sie von kauen den Nahmen Käfer haben, ( S. dasselbe.) Im Hochdeutschen ist der gehörnte Käfer oder Hirschkäfer. Scarabaeus cervus L. auch wohl unter dem Nahmen des Feuerschröters oder Hornschröters bekannt, und in manchen Gegenden heißt er nur Schröter schlechthin. 2) Von schroten, hauen, sägen, schneiden, ist Schröter in vielen Fällen derjenige, welcher dieses verrichtet. So heißt in den Münzstätten derjenige, welcher die Schrotstücke aus den Zainen schrotet, der Münzschröter, in den Messerfabriken derjenige, welcher die Beine, Knochen u. s. f. zu den Messerschalen zerschneidet, der Schalenschröter u. s. f. Ehedem wurden auch die Schneider Schröter, Nieders. Schrader, genannt, welche Wörter nur noch als eigenthümliche Nahmen üblich sind. Indessen heißt im Schwed. Skräddare noch jetzt ein Schneider. 3) Von schroten, wälzen, schieben, sind die Schröter gewisse verpflichtete Arbeiter, welche das in Fässern befindliche Getränke in die Keller und aus denselben schroten; Bierschröter, zum Unterschiede von dem Weinschrötern. Ich will Schröter schicken, die sie ausschroten, und ihre Fässer ausleeren sollen, Jerem. 48, 12.

Anm. Wenn der Alp in einigen Oberdeutschen Gegenden Schröterlein, Schrötlein, und verderbt Schretz genannt wird, so scheinet damit auf dessen drückende Eigenschaft gesehen zu haben. Siehe Alp.


Schrotform (W3) [Adelung]


Die Schrotform, plur. die -en, S. Schrotmodel.


Schrothammer (W3) [Adelung]


Der Schrothammer, des -s, plur. die -hämmer, siehe Schröter 1.


Schrothobel (W3) [Adelung]


Der Schrothobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel, dessen Klinge eine rundliche Schneide hat, das Holz damit aus dem Groben zu behobeln; der Schärfhobel, Schrupphobel, zum Unterschiede von dem Schlichthobel.


Schrotkleye (W3) [Adelung]


Die Schrotkleye, plur. inus. oder die Schrotkleyen, sing. inus. bey den Müllern, die gröblichen Kleyen, welche von dem Griese in dem Siebe zurück bleiben.


Schrotkorn (W3) [Adelung]


Das Schrotkorn, des -es, plur. car. geschrotenes Korn oder Getreide, welches auch nur Schrot schlechthin genannt wird.


Schrotleiter (W3) [Adelung]


Die Schrotleiter, plur. die -n, zwey an beyden Enden in Gestalt einer Leiter verbundene Bäume, Lasten und Fässer damit in die Höhe oder in die Tiefe zu schroten; von schroten, wälzen, schieben. Nieders. Striekledder.


Schrötling (W3) [Adelung]


Der Schrötling, des -es, plur. die -e, ein abgeschrotenes, d. i. abgehauenes, abgesägtes oder abgeschnittenes Stück; ein Schrotstück. So werden in den Münzen die aus den Zainen geschrotenen Stücke, in den Eisenhämmern die von den Teulen abgeschrotenen Stücke Eisen u. s. f. Schrötlinge genannt.


Schrotmehl (W3) [Adelung]


Das Schrotmehl, des -es, plur. inus. in den Mühlen, das gröbliche Mehl von dem Griese des gespitzten Weitzens.


Schrotmeißel (W3) [Adelung]


Der Schrotmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. bey verschiedenen Handwerkern und Künstlern, ein Meißel, vermittelst Eines oder mehrerer darauf geführten Schläge damit zu schroten, d. i. zu hauen oder zu zertheilen; dergleichen Meißel die meisten Metallarbeiter haben. S. Schröter 1.


Schrotmessing (W3) [Adelung]


Das Schrotmessing, des -es, plur. inus. geschrotenes Messing, Messing in kleinen Stücken. So pflegen die Nadler allen Abgang von dem Drahte so wohl Schrotmessing als Krätzmessing zu nennen; Franz. Courtailles.


Schrotmodel (W3) [Adelung]


Der Schrotmodel, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige Model oder die Form, worin das Schrot, d. i. die zum Schießen bestimmten Bleykörner, gegossen werden; die Schrotform.


Schrotsack (W3) [Adelung]


Der Schrotsack, des -es, plur. die -säcke, in der Geschützkunst, besonders auf den Schiffen, kleine Säcke, welche mit Cartätschen-Zeug, d. i. gehacktem Bley und Eisen, kleinen Kugeln u. s. f. gefüllet und aus Kanonen geschossen werden.


Schrotsäge (W3) [Adelung]


Die Schrotsäge, plur. die -n, eine große lange Säge, mit zwey senkrechten Handhaben, Bäume damit zu durchschroten, d. i. nach der Quere durchzusägen; die Baumsäge. Von schroten, sägen überhaupt, pflegen die Kammmacher diejenige Säge, mit welcher sie das Horn schroten oder sägen, die Schrotsäge zu nennen.


Schrotschere (W3) [Adelung]


Die Schrotschere, plur. die -n, in vielen Fällen, eine große Schere, andere Dinge damit zu durchschroten oder zu durchschneiden. Von dieser Art ist die große Schere der Nadler, ganze Packe Draht auf Ein Mahl damit zu durchschneiden.


Schrotschwein (W3) [Adelung]


Das Schrotschwein, des -es, plur. die -e, in der Hauswirtschaft, besonders Niedersachsens, kleine, zum Schlachten bestimmte oder geschlachtete Schweine, welche keine ganze Speckseiten, sondern nur Schrotspeck geben, d. i. mit sammt den Rippen der Länge nach durchgehauene Speckseiten.


Schrotseil (W3) [Adelung]


Das Schrotseil, des -es, plur. die -e, ein starkes Seil der Bierschröter, Weinschröter und andere Abläder, Fässer und andere Lasten damit in die Höhe oder in die Tiefe zu schroten.


Schrotstahl (W3) [Adelung]


Der Schrotstahl, des -es, plur. die -stähle, bey den Drechslern, der Stahl oder das Dreheisen, einen Körper aus dem Groben damit abzudrehen, wie der Schrothobel der Tischler, ihn aus dem groben zu behobeln.


Schrotstück (W3) [Adelung]


Das Schrotstück, des -es, plur. die -e. 1) Ein abgeschrotenes, d. i. abgeschnittenes, abgesägtes oder abgehauenes Stück, in verschiedenen einzelnen Fällen. 2) In der Geschützkunst wird eine Kanone, welche 48 Pfund Eisen schießt und 8 1/2 oder Cali- ber in die Länge hält, auch ein Schrotstück genannt. Etwa, weil man sie ehedem gern mit Schrot, d. i. gebacktem Bley oder Eisen geladen? Oder, weil man nicht so wohl Kugeln als Schrote, d. i. Stücken Stein, daraus schoß, daher sie auch Steinstücke genannt werden? Oder von schroten 5, wegen ihrer Schwere? Weil sie, wie ein Mörser, mit einer Kammer versehen sind, so werden sie auch Kammerstücke genannt.


Schrotwage (W3) [Adelung]


Die Schrotwage, plur. die -n, ein Nahme, welchen auch die Bley- oder Setzwage führet, die horizontale Richtung einer Linie oder Fläche damit zu messen. Etwa von Schrot, so fern es ehedem auch den Fall, d. i. den Abhang einer horizontalen Fläche, bedeutet haben kann?


Schrotwerk (W3) [Adelung]


Das Schrotwerk, des -es, plur. inus. im Bergbaue, diejenige Art der Auszimmerung eines Schachtes, wo selbige mit Schroten, d. i. Baumstücken, geschiehet, welche in das Gevierte über einander gelegt werden. S. Schrot.


Schrotwurm (W3) [Adelung]


Der Schrotwurm, des -es, plur. die -würmer, in einigen Gegenden ein Nahme der Erdgrille oder des Gerstenwurmes, Grillotalpa, weil er die Wurzeln der aufgegangenen Gerstensaat abschrotet oder abnaget. S. Erdgrille.


Schrotzeug (W3) [Adelung]


Das Schrotzeug, des -es, plur. inus. in den Münzen, diejenigen Werkzeuge, welche zum Schroten der Münzen gehören; als ein Collectivum.


Schrubbeln (W3) [Adelung]


Schrubbeln, verb. reg. act. welches das Dimin. des folgenden ist, aber nur bey den Tuchwebern gehöret wird, die Wolle zwischen zwey Kämmen kämmen oder zerzausen, um die langen und kurzen Haare über und neben einander zu werfen.


Schrubben (W3) [Adelung]


Schrubben, verb. reg. act. welches eine unmittelbare Nachahmung eines gewissen Lautes ist, welcher z. B. entstehet, wenn ein rauher Körper mit stumpfen Besen oder steifen Bürsten heftig gerieben wird, welches im Nieders. schrubben, im Holländ. schrobben, im Engl. to scrub, und im Schwed. skrubba heißt, da es denn zugleich ein doppeltes Intensivum von reiben ist. Daher wird der stumpfe Besen, oder die steife Bürste, womit ein Ding gescheuert wird, im gemeinen Leben ein Schrubber oder Schrubbert genannt. Die Tischler schrubben, wenn sie ein Holz aus dem Groben behobeln, daher der Schärf- oder Schrothobel, womit solches geschiehet, in vielen Gegenden auch der Schrubbhobel oder Schrupphobel genannt wird. Schroff, Schraube u. a. m. sind mit diesem Worte nahe verwandt.


Schrumpf (W3) [Adelung]


Der Schrumpf, des -es, plur. die -e, von dem folgenden Zeitworte, der Zustand, da ein Körper schrumpfet oder ein einschrumpfet; ohne Plural. Man gebraucht es nur in dem zusammen gesetzten Fruchtschrumpf, den Abhang zu bezeichnen, welchen das Getreide auf dem Boden durch die Eintrocknung an dem Maße erleidet. Ingleichen eine Runzel oder Falte, im gemeinen Leben Schrumpel; wo es doch im Hochdeutschen wenig gehöret wird.


Schrumpfen (W3) [Adelung]


Schrumpfen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, Runzeln oder Falten bekommen. Das Wasser schrumpfet, wenn es anfängt zu gefrieren, da es dem Scheine nach auf der Oberfläche Runzeln bekommt; die Milch schrumpfet, wenn sie anfängt zu gewinnen. Besonders wenn diese Runzeln durch Austrocknung der Säfte entstehen. Die Äpfel schrumpfen, wenn der Saft verdunstet, so daß sie auf der Oberfläche Runzeln bekommen. Zusammen schrumpfen, durch diese Eintrocknung runzelig und zugleich kleiner werden. Man gebraucht es auch wohl als ein Reciprocum, sich schrumpfen. Die Haut schrumpft sich. So auch das Schrumpfen.

Anm. Im Nieders. schrumpen, und im Iterativo oder Intensivo, welches auch im gemeinen Leben der Hochdeutschen nicht selten ist, schrumpeln, im Schwed. skrumpen. Das sch ist hier ein Zeichen der Intension, daher es nicht nur mit krimpfen oder krümpfen, sondern auch mit rümpfen nahe verwandt ist, ( S. diese Wörter.) Im gemeinen Leben ist auch Schrumpel, Nieders. ohne Zischlaut Rumpel und Rimpel, für Runzel, Falte, üblich.


Schrumpfig (W3) [Adelung]


Schrumpfig, -er, -ste, adj. et adv. Schrumpfe, d. i. Runzeln, habend; im gemeinen Leben schrumpelig.


Schrunde (W3) [Adelung]


Die Schrunde, plur. die -n, Diminut. das Schründchen, Oberd. Schründlein, ein im Hochdeutschen seltenes Wort, welches im Oberdeutschen am gangbarsten ist, einen Riß, Ritz oder Spalt in festen Körpern zu bezeichnen. Die Schrunden der Felsen, oder in den Felsen, die Spalten, Risse. Das Eis hat Schrunden, Spalten. Schrunden in der Erde. Im Hochdeutschen gebraucht man es noch zuweilen von den Spalten oder Rissen, welche in der Haut des menschlichen Körpers entstehen. Von vielen Waschen bekommt man Schrunden an den Händen, von der Kälte Schrunden an den Lippen u. s. f. Im Oberdeutschen ist es auch im männlichen Geschlechte gangbar, der Schrund, des -es, plur. die Schründe.


Schrunden (W3) [Adelung]


Schrunden, verb. reg. nur daß es im Mittelworte nicht geschrundet, sondern geschrunden hat. Es ist ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, und gespalten werden, aufspringen, einen Riß oder mehrere Risse bekommen, bedeutet, und im Hochdeutschen wenig, im Oberdeutschen aber desto häufiger gehöret wird. Die Erde schrundet vor Hitze, reiß auf, bekommt Spalten. Geschrundene Lippen oder Hände haben, aufgesprungene. Zuweilen wird es auch als ein Reciprocum gebraucht, sich schrunden. Die Mauer schrundet sich, wenn sie Risse bekommt. Anm. Es ist ohne Zweifel auch ursprünglich eine Onomatopöie, welche den mit dem Aufspringen oder Spalten verbundenen Laut nachahmet. Im Oberdeutschen wird ein Riß auch ohne Zischlaut eine Runze genannt. Hornegk gebraucht das Wort Schranz für einen solchen Riß oder Spalt. Schrein, Schrank, Runzel und andere sind damit verwandt. Aus dem Mittelworte geschrunden für geschrundet erhellet, daß dieses Zeitwort ehedem irregulär gewesen ist, und vielleicht ich schrinde. Imperf. ich schrunde, Mittelw. geschrunden, Infinit. schrinden, gelautet hat.


Schub (W3) [Adelung]


1. * Der Schub, des -es, plur. die -e, ein jetzt völlig veraltetes Wort, welches aber ehedem für Augenschein, Besichtigung sehr üblich war, da es denn von schauen abstammet, und für Schau stehet. Daher sagte man ehedem, den Schub nehmen, besichtigen, in Augenschein nehmen, jemanden mit Schub überkommen, ihn durch den Augenschein überführen u. s. f. Siehe Frischens Wörterb. ingleichen den Schwabenspiegel Kap. 37 bey dem Schilter.


Schub (W3) [Adelung]


2. Der Schub, des -es, plur. die Schübe, von dem Zeitworte schieben. 1. Die Handlung des Schiebens, so wohl als ein Abstractum und ohne Plural, als auch als ein Concretum, von einzelnen Handlungen dieser Art, und mit dem Plural. 1) Eigentlich, wenigstens in der jetzt gewöhnlichen Bedeutung des Zeitwortes. Einen Schub thun, Ein Mahl schieben, z. B. im Kegelspiele. Bey dem Kegelspiele darf in dem Schub niemand reden. In einem Schube. Das Intensivum davon ist Schupp, ( S. dasselbe.) 2) In weiterer und figürlicher Bedeutung. (a) Von schieben, so fern es ehedem auch für schicken, transportiren üblich war, ist im Oberdeutschen, besonders im Österreichischen, der Schub noch für Transport, Fortschaffung, üblich. Der Schub des Getreides, der Körnerschub, d. i. der Transport. Daher wird auch der Transport des liederlichen Gesindels auf der Donau von Wien nach Ungarn zu Wien der Schub genannt. Den Schub vornehmen, diesen Transport; wo Frisch das Wort irrig von schauen ableitet, indem es im Österreichischen von dem Transporte aller Sachen gangbar ist. (b) So fern schieben so viel ist, als neue Zähne bekommen, ist daselbst der Schub auch das Zah- nen, die Überkommung neuer Zähne. Wenn ein Pferd zwey und ein halbes Jahr alt ist, so thut es den ersten Schub, im vierten Jahre den zweyten u. s. f. (c) So fern schieben ehedem auch für appelliren gebraucht wurde, ist Schub in einigen Oberdeutschen Gegenden, besonders im Österreichischen, noch die Appellation. Daher das Schubamt, ein Appellations-Gericht, der Schubschreiber, derjenige, welcher die Appellationen in dem Gerichte ausfertiget. (d) Ehedem wurde auch Schub schlechthin für Aufschub gebraucht, und bey dem Logau kommt Beyschub für Beystand, Vorschub, vor. 2. So viel, als auf Ein Mahl geschoben wird. So ist bey den Bäckern ein Schub Brot, Semmel u. s. f. so viel, als auf Ein Mahl in den Ofen geschoben wird. Ein Schub Kegel hingegen ist ein Spiel Kegel, so viel Kegel, als zum Kegelschieben gehören. In Kegelschub aber bedeutet es den Ort, wo Kegel geschoben werden. 3. An den Schiffen wird die Krümmung der ersten Reihen Breter der äußern Verkleidung vom Kiele herauf bis über die Bauchstücke der Schub genannt; ohne Zweifel von schieben, so fern es ehedem auch für krümmen gebraucht wurde.

Anm. In der ersten eigentlichen Bedeutung im Nieders. Schuf, im Engl. Shove. In den meisten der folgenden Zusammensetzungen ist für Schub - auch Schiebe - oder Schieb - üblich.


Schubbiack (W3) [Adelung]


Der Schubbiack, des -es, plur. die -e, S. Schuft.


Schubblech (W3) [Adelung]


Das Schubblech, des -es, plur. die -e, bey den Bäckern, dasjenige Blech, welches vor den Ofen geschoben wird, um denselben zuzumachen.


Schubfenster (W3) [Adelung]


Das Schubfenster, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fenster, welches in seiner Ruth auf- und zugeschoben wird; ein Schübling.


Schübisch,Schiebisch (W3) [Adelung]


Schübisch, oder Schiebisch, -er, -te, adj. et adv. ein nur im Bergbaue übliches Wort, welches für abhängig, doch nur von einem sanften, flachen Abhange, gebraucht wird; im Gegensatze des horizontal. Eine schübische Fläche, eine abhängige, donlege. Gleichfalls von schieben, gleichsam einen Schub, d. i. Fall oder Abhang, habend.


Schubkarren (W3) [Adelung]


Der Schubkarren, S. Schiebekarren. Daher der Schubkärner oder Schiebkärner, der gewöhnlicher Weise mit einem Schubkarren fähret.


Schubkasten (W3) [Adelung]


Der Schubkasten, des -s, plur. ut nom. sing. Dimin. das Schubkästchen, Oberdeutsch Schubkästlein, ein Kasten in einem größern Behältnisse, welcher heraus und hinein geschoben werden kann; die Schublade.


Schublade (W3) [Adelung]


Die Schublade, plur. die -n, Diminut. das Schublädchen, S. das vorige, ingleichen Lade.


Schübling,Schiebling (W3) [Adelung]


Der Schübling, oder Schiebling, des -es, plur. die -, in einigen Fällen des gemeinen Lebens, ein Ding, welches in oder auf ein anderes geschoben wird. So heißt ein Schubriegel in manchen Gegenden ein Schübling oder Schübel, welchen Nahmen zuweilen auch ein Schubfenster bekommt. Von schieben, aufwachsen, besonders schnell aufwachsen, ist Schübling in einigen Gegenden ein junger Baum, ein aufgeschossenes Bäumchen, welches auch wohl ein Aufschübling genannt wird.


Schubloch (W3) [Adelung]


Das Schubloch, des -es, plur. die -löcher, im Hüttenbau, Löcher, welche quer durch den Treibehut gehen, und wodurch das Holz auf den Herd geschoben wird.


Schubochs (W3) [Adelung]


Der Schubochs, des -en, plur. die -en, ein Ochs, welcher das Joch an der Stirne träget, folglich die Last mehr schiebt, als eigentlich ziehet; der Schiebochs, zum Unterschiede von dem Zugochsen.


Schubriegel (W3) [Adelung]


Der Schubriegel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Riegel, welcher zur Verfestigung vorgeschoben wird, zum Unterschiede von Riegel in der weitesten Bedeutung. Indessen wird ein solcher Schubriegel am häufigsten nur Riegel schlechthin genannt.


Schubsack (W3) [Adelung]


Der Schubsack, des -es, plur. die -säcke, ein vornehmlich im Oberdeutschen übliches Wort, eine Tasche an der Seite eines Kleidungsstückes zu bezeichnen, welches auch Schiebsack lautet; Nieders. Küpsack, Kiepsack.


Schubut (W3) [Adelung]


Der Schubut, S. Schufut.


Schubwand (W3) [Adelung]


Die Schubwand, plur. die -wände, im Bergbaue, Theile eines Ganges, welche das Wasser abgeschoben hat; Geschiebe.


Schüchtern (W3) [Adelung]


Schüchtern, -er, -ste, adj. et adv. 2) * In thätigem Verstande, Scheu und Furcht erweckend, furchtbar, fürchterlich; eine nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche, im Hochdeutschen aber völlig unbekannte Bedeutung. Die unermeßlichen Klüfte kommen denen, die sie nicht gewohnt sind, schüchter vor, Altmann von den Schweizer. Eisbergen. 2) Im leidenden Verstande, geneigt, bey dem Anblicke eines Übels leicht in Schrecken zu gerathen, und bey dessen Annäherung zu fliehen. Ein schüchternes Reh. Schüchtern antworten. Sich schüchtern umsehen.

Anm. Im Oberdeutschen ohne n schüchter. Es stammet von scheuchen ab, und vielleicht von einem veralteten Intensivo desselben schüchtern, von welchem vermittelst der Ableitungssylbe -er, oder -ern, schüchtern gebildet worden.


Schüchternheit (W3) [Adelung]


Die Schüchternheit, plur. inus. in der zweyten Bedeutung des vorigen Wortes, der Zustand und die Fertigkeit, da man schüchtern ist.


Schuckeln (W3) [Adelung]


Schuckeln, verb. reg. act. welches das Intensivum und Iterativum von schaukeln ist, schnell schaukeln, aber nur im gemeinen Leben gehöret wird; Nieders. suckeln. Es war ein Thurm da, funfzig Ellen hoch voll Asche, und auf der Asche stand ein umlaufend und Schuckelrad. Darauf räderte man die Gotteslästerer und großen Übelthäter, 2 Macc. 13, 5, 6.


Schuffe (W3) [Adelung]


Die Schuffe, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, ein Gefäß mit einem langen Stiele zum Schöpfen zu bezeichnen, dergleichen die Seifensieder, Bierbrauer u. s. f. haben; eine Schöpfgelte mit einem langen Stiele. Die Bierschuffe, oder Ausbruchschuffe, in Meißen, das Bier oder Wasser damit auszubrechen, d. i. aus dem Bottich oder der Pfanne in die Rinnen zu schöpfen. Böhm. Ssauff. Es ist mit Schöpfen, Schaufel, u. s. f. verwandt. In einigen Gegenden, z. B. im Mecklenburgischen, hat man auch eine Art des Fischerhamens, welcher Schuffhamen genannt wird, wo es aber von schieben, Nieders. schuven, schufen, abzustammen scheinet.


Schufut,Schubut (W3) [Adelung]


Der Schufut, oder Schubut, des -es, plur. die -e, in den gemeinen Sprecharten, ein Nahme der größern Eulenarten, welche auch Uhu genannt werden. Im Oberdeutschen Schaufeule, Schauffaut, Nieders. Schuvuut, Schuhu, Franz. Chouette, ohne Zischlaut im Schwed. Uf, und in einigen Oberdeutschen Gegenden Auffe. Es ahmet, so wie Uhu, ohne Zweifel das dumpfige, traurige Geschrey dieses Vogels nach. S. Uhu und Eule.


Schuh (W3) [Adelung]


Der Schuh, des -es, plur. die -e, Diminut. welches doch nur zuweilen im gemeinen Leben vorkommt, das Schühchen, in der niedrigen Sprechart Schüchelchen. 1. Eine jede Bekleidung oder Bedeckung, besonders des äußersten Theiles eines Dinges, so fern selbige eine hohle Gestalt hat, und aus einer etwas festen Materie bestehet; doch nur in verschiedenen einzelnen Fällen. So wird ein eisernes hohles Beschläge, womit das Ende einer Stange, eines Spießes, eines Pfahles u. s. f. beschlagen wird, sehr häufig ein Schuh genannt. Der Schuh eines Pfahles, eines Spießes ist nähmlich ein solcher spitzig zulaufender hohler Theil, der das unterste zugespitzte Ende bekleidet, damit dasselbe, wenn es in die Erde gesteckt wird, sich nicht so bald abnutze. Der Flintenschuh der Reiter ist eine längliche lederne Büchse an der rechten Seite des Pferdezeuges, die Flinte darein zu stellen. Von ähnlicher Art ist der Fahnenschuh, welcher einer Scheide von Leder oder Wachsleinwand ist, worein der unterste Theil der Fahne im Tragen gesteckt wird. Die Eckschuhe an den Kasten, Koffern, Laden u. s. f. sind eiserne Beschläge der Ecken, damit selbige sich nicht abstoßen. Das rund geschmiedete hohle Eisen, welches vorn an die Linse eines Blasebalges gesteckt wird, und in die Form kommt, heißt im Hüttenbaue u. s. f. ein Schuh. Eben diesen Nahmen führen im Bergbaue so wohl die kurzen Schwellen, worin die Spießbäume ruhen, als auch die kleinen Hölzer an den Kunststangen, wodurch die Stecknägel gehen. Unten an dem Rumpfe der Windmühlen ist der Schuh eine schräge Rinne, durch welche das Korn aus demselben auf den Stein fällt. Der Hemmschuh der Fuhrleute ist ein Holz an einer Kette, womit sie ein Rad einzuhemmen pflegen. Und die Handschuhe, was sind die anders als Bekleidungen der Hände? Die Riemen, welche den Falken um die Füße gelegt werden, die Wurfriemen daran zu befestigen, heißen gleichfalls die Schuhe, noch häufiger aber collective das Geschühe. Das hornartige Wesen oder die hohlen Schalen an den untersten Theilen der Pferde, des Rind- Schaf- und Schweineviehes, ingleichen der Hirsche u. s. f. ist überall unter dem Nahmen eines Schuhes bekannt, welchen Nahmen auch wohl die harte Haut an den Füßen einiges Federviehes bekommt, besonders nachdem dieselbe abgestreifet worden. Figürlich pflegt man in manchen Fällen auch wohl das äußerste Ende an einem Dinge den Schuh zu nennen. So führen diesen Nahmen die beyden krummen Stücken unten an einer Blechstange. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Schuh 1) die mit einer festen Sohle versehene Bekleidung des untern menschlichen Fußes bis an die Knöchel, da es nur von solchen Bekleidungen dieser Art gebraucht wird, welche den ganzen untern Fuß bis an die Knöchel bedecken, zum Unterschiede von den Pantoffeln u. s. f. Ein Paar Schuhe. Lederne, zeugene Schuhe u. s. f. Filzschuhe, Holzschuhe u. s. f. Umgewendete Schuhe, welche anfänglich so gemacht werden, daß die inwendige Seite auswärts gekehret ist, worauf sie umgekehret werden. Der Schuh an einem Stiefel, zum Unterschiede von dem Schafte. In dem Worte Schrittschuh kommt es in etwas uneigentlicher Bedeutung vor, ( S. dasselbe.) Aus den Kinderschuhen getreten seyn, die Kinderjahre zurück geleget haben, im gemeinen Leben, aber unrecht, die Kinderschuhe ausgetreten haben, ( S. Austreten.) Etwas an den Schuhen zerrissen haben, es schon vor langer Zeit ge- wußt haben. Es weiß ein jeder am besten, wo ihn der Schuh drückt, eine alte sprichwörtliche R. A. welche schon im Plutarch vorkommt. Da, da, drückt uns der Schuh, das kränkt uns, macht uns Sorge, da fehlt es uns. Jemanden die Schuhe austreten, ihm in einer vortheilhaften Sache zuvor kommen, ihn eines Vortheils, einer Stelle berauben. Jemanden etwas in die Schuhe gießen, es ihm Schuld geben. 2) Wird es auch sehr häufig als ein Längenmaß gebraucht, da es denn mit Fuß gleichbedeutend ist, ehedem aber von demselben noch verschieden gewesen zu seyn scheinet, da denn Fuß das Maß des ungeschuheten, Schuh aber des mit Schuhen bekleideten Fußes war. In dem dritten Bande der Script. Brunsu. S. 549 heißt es nach dem Frisch, in den Goßlarschen Berggesetzen: eine Grube solle fünf Fuß in die Breite und sieben Fuß in die Länge halten, mit dem Beysatze: der Vote schal en sin gheschoet, der ander bervot. ( S. Fuß.) In dieser Bedeutung bleibt es so wie Fuß, Zoll u. a. m. im Plural unverändert, wenn ein Zahlwort vorher gehet. Sechs Schuh, nicht Schuhe. Aber ohne Zahlwort behält es seine gewöhnliche Form. Die Länge eines Dinges nach Schuhen bestimmen. Anm. Es ist dieses Wort, selbst in der zweyten engern Bedeutung der Bekleidung des Fußes, schon sehr alt. Bey dem Ulphilas lautet es Sko, bey dem Kero und Ottfried Scuah, bey dem Willeram Gescuche, in einigen hauchenden Oberdeutschen Mundarten Schuch, im Nieders. Scho, im Angels. Sceo, Sco, im Engl. Shoe, im Schwed. Sko. Martinius und Frisch leiten es sehr unwahrscheinlich von dem Lateinischen Soccus her, Junius von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Leder, Stiernhielm, Ihre und andere richtiger von dem alten skya, bedecken, wovon mit veränderten Endlauten Schale, Schauer, Scheide, schützen, das alte Schin, die Haut u. s. f. abstammen. Bey dem Ulphilas heißt der Schuh auch wirklich Skaud, im Gothländischen Gesetze Scyth, im Wallis. Esgid, und nach dem Harpokration war auch bey den Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - eine Art der Schuhe; woraus wenigstens die Verwandtschaft mit Schutz schützen u. s. f. erhellet.


Schuhahle (W3) [Adelung]


Die Schuhahle, plur. die -n, eine Ahle, wie sie von den Schustern gebraucht wird; die Schusterahle.


Schuhbank (W3) [Adelung]


Die Schuhbank, plur. die -bänke, in einigen Städten, ein bedeckter Ort, wo die Schuster die Schuhe feil haben; wie Brotbank, Fleischbank, S. Bank.


Schuhblatt (W3) [Adelung]


Das Schuhblatt, des -es, plur. die -blätter, das Oberleder eines Schuhes, besonders so fern es noch nicht mit der Sohle und dem Hinterleder verbunden ist; das Vorblatt, in einigen Gegenden auch der Ferbs.


Schuhbürste (W3) [Adelung]


Die Schuhbürste, plur. die -n, eine Bürste, die Schuhe damit zu reinigen; zum Unterschiede von andern Arten von Bürsten.


Schuhdraht (W3) [Adelung]


Der Schuhdraht, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, Pechdraht, so fern er vornehmlich von den Schustern gebraucht wird. S. Pechdraht.


Schuhen (W3) [Adelung]


Schuhen, verb. reg. act. mit Schuhen in der zweyten Bedeutung versehen; in welchem Verstande doch nur das Mittelwort geschuhet zuweilen vorkommt. Christus geboth seinen Jüngern, Marc. 6, 9, daß sie geschuhet seyn sollten. In der ersten weitern Bedeutung des Hauptwortes Schuh ist dafür beschuhen üblicher. Einen Pfahl beschuhen.


Schuhflicker (W3) [Adelung]


Der Schuhflicker, des -s, plur. ut nom. sing. dessen Gattinn, die Schuhflickerinn, eine Art Schuster, welche nur allein zerrissene Schuhe ausbessern, und höchstens aus altem Leder neue Schuhe verfertigen; Altmeister, in einigen Gegenden Altmacher, Altflicker, Altreiß, Schuhblätzer, Nieders. Scholapper.


Schuhknecht (W3) [Adelung]


Der Schuhknecht, des -es, plur. die -e, ein Nahme, welchen die Gesellen der Schuster führen, S. Knecht.


Schuhmacher (W3) [Adelung]


Der Schuhmacher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schuhmacherinn, ein zünftiger Handwerker, welcher Schuhe verfertiget, wo dieses Wort für edler, als das gemeinere Schuster gehalten wird, übrigens aber mit demselben gleichbedeutenden ist.


Schuhnagel (W3) [Adelung]


Der Schuhnagel, des -s, plur. die -nägel, eiserne oder hölzerne Nägel zu den Absätzen der Schuhe.


Schuhputzer (W3) [Adelung]


Der Schuhputzer, des -s, plur. ut nom. sing. ein geringer Bedienter, dessen vornehmste Beschäftigung ist, andern die Schuhe zu reinigen.


Schuhriemen (W3) [Adelung]


Der Schuhriemen, des -s, plur. ut nom. sing. ein lederner Riemen, womit die Schuhe zuweilen zugebunden werden; bey dem Ottfried Scuah rimo, im Oberd. Schuhnestel.


Schuhschnalle (W3) [Adelung]


Die Schuhschnalle, plur. die -n, eine Schnalle, den Schuh damit zuzuschnallen.


Schuhschwärze (W3) [Adelung]


Die Schuhschwärze, plur. inus. eine Schwärze, die Schuhe damit zu schwärzen. Ist der vornehmste Bestandtheil Wachs, so heißt sie Schuhwachs.


Schuhsohle (W3) [Adelung]


Die Schuhsohle, plur. die -n, die Sohle an einem Schuhe.


Schuhu (W3) [Adelung]


Der Schuhu, S. Schufut.


Schuhwachs (W3) [Adelung]


Das Schuhwachs, des -es, plur. inus. S. Schuhschwärze.


Schuite (W3) [Adelung]


Die Schuite, S. Schüte.


Schulamt (W3) [Adelung]


Das Schulamt, des -es, plur. die -ämter. 1) Ein Amt bey einer Schule; von geringen Schulen oder Ämtern der Schuldienst. 2) Ein Kammeramt, dessen Einkünfte zum Unterhalte einer Schule bestimmt sind; dergleichen in Meißen das Schulamt Grimma und in dem Thüringischen Kreise das Schulamt Pforta sind. Ersteres wird von einem Schulverwalter verwaltet.


Schulbuch (W3) [Adelung]


Das Schulbuch, des -es, plur. die -bücher, Bücher, welche in den Schulen zum Unterrichte der Jugend gebraucht werden.


Schuld (W3) [Adelung]


Die Schuld, plur. die -en, ein sehr altes Wort, welches einer doppelten Hauptbedeutung vorkommt. I. Mit dem herrschenden Begriffe eines begangenen Fehlers, Vergehens oder Verbrechens. 1. Ein Verbrechen. 1) Eigentlich. Auf daß sie sich nicht mit Missethat und Schuld beladen, 3 Mos. 22, 10. Daniel war treu, daß man keine Schuld noch Übelthat an ihm finden mochte, Dan. 6, 4. Und so in andern Stellen mehr, wo es gemeiniglich durch die folgende Verbindlichkeit zur Strafe erkläret wird. Allein, daß es ehedem wirklich eine böse That, ein Verbrechen bedeutet habe, erhellet auch aus alten Niedersächsischen Statuten, wo mit der Schuld begrepen so viel ist, als auf einer bösen That ergriffen seyn. In der Monseeischen Glosse ist Sculd gleichfalls Crimen, Vitium. Indessen ist es in dieser Bedeutung jetzt veraltet, außer daß es noch dann und wann in der höhern Schreibart gebraucht wird. 2) Die Folge eines Verbrechens, oder die Verbindlichkeit zur Strafe, ohne Plural; eine noch in einigen R. A. übliche Bedeutung. Wenn ich dir ihn nicht wiederbringe, so will ich mein Leben lang die Schuld tragen, 1 Mos. 43, 9. Das ist der Sünde Schuld, die Folge, die Strafe der Sünde. So mag sie die Schuld ihrer Thorheit tragen. 2. In weiterer Bedeutung, ein Fehler, ein Versehen, ingleichen die wirkende oder veranlassende Ursache eines Übels, und die daraus folgende Verbindlichkeit zum Ersatz oder zur Strafe; wo es nur im Singular allein, und gemeiniglich nur in einigen besondern R. A. gebraucht wird. Es ist deiner Bosheit Schuld, daß du so gezüchtiget wirst, Jer. 2, 19. das ist ohne meine Schuld geschehen. Einem etwas Schuld geben, ihn für die wirkende Ursache eines Verbrechens oder auch eines Übels überhaupt erklären. ( S. Beschuldigen.) Ich werde ihm die Schuld nicht beymessen. Die Schuld auf jemanden schieben. Endlich wird alle Schuld auf mich fallen. Wer hat die Schuld? An wem liegt die Schuld? Die Schuld liegt an mir. Was hilft dein Zorn? du selbst hast alle Schuld, Rost. Hingegen mit dem Vorworte an ist diese R. A. mit haben unrein. Bloß deine Gelindigkeit hat Schuld daran, Gottsch, besser, ist Schuld daran. Ohne Schuld seyn. Eine Schuld auf sich nehmen. Schlägt es fehl, so ist das meine Schuld nicht. Es war gewiß seine Schuld nicht, daß er nicht noch rechtschaffener war, Less. Eine besondere Redensart ist es, sich etwas zu Schulden kommen lassen, sich eines Vergehens schuldig machen. Daß keiner der Unglücksfälle mir zu Schulden kommen solle, Less. Mit dem Zeitworte seyn wird es in eben dieser Bedeutung oft in adverbischer Gestalt gebraucht. An etwas Schuld seyn. Ich bin nicht Schuld daran. Ist sie nicht selber Schuld, wenn mir ein Wort im Zorne entfährt? Gell. Du bist an allem Schuld. Doch hat er schon die Flucht genommen, So seyd ihr selbst durch eure Blicke Schuld, Gell. Zuweilen ist es mit dem Zeitworte seyn auch wohl für Ursache überhaupt gebraucht; ich bin Schuld, daß du das Geld bekommen hast. Allein alsdann geschiehet es sehr uneigentlich und gemeiniglich nur im Scherze. Eigentlich bedeutet Schuld allemahl die Ursache eines Übels. II. Mit dem herrschenden Begriffe der Verbindlichkeit. 1. Im weitesten Verstande, eine jede Verbindlichkeit, welche man einem andern zu leisten verbunden ist; wo es doch nur seltener und am liebsten im Singular gebraucht wird. Versprechen macht Schuld. "Die Schuld der Natur bezahlen", "sterben". Dieses Geständniß ist eine Schuld, die ich dem Verdienste abtragen muß. Ich bin noch in ihrer Schuld, bin ihnen noch zu einer Pflicht verbunden. 2. In der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung, eine Geldsumme, welche man einem andern zu zahlen verbunden ist, wo von mehrern solchen Geldsummen auch der Plural üblich ist. Seine Schuld bezahlen. Einem eine Schuld erlassen. Schulden machen. In Schulden stecken, gerathen. Frey von Schulden seyn. Ein Gut, auf welchem viele Schulden haften. Zuweilen, obgleich seltener, wird es auch von Geldsummen gebraucht, welche man von andern zu fordern hat, welche man auch wohl activ-Schulden zu nennen pflegt, zum Unterschiede von den vorigen passiven. Seinem Nächsten eine Schuld borgen, 5 Mos. 24, 10. Seine Schulden eintreiben. Viele Schulden ausstehen haben. Anm. Dieses alte Wort lautet in der Fränkischen Mundart schon im 8ten Jahrhunderte Sculd, bey dem Kero gleichfalls Sculd, im Nieders. Schuld, im Schwed. Skuld, im Lettischen Skola. Die gemeinste und fast von allen Wortforschern angenommene Ableitung ist von sollen, welches im Nieders. schallen, Imperf. ich schull, lautet, da denn der Begriff der Verbindlichkeit als der herrschende angegeben wird. Allein, so gut sich diese Ableitung zu der zweyten Hauptbedeutung schickt, so gezwungen wird sie für die erste, besonders in dem Verstande eines Verbrechens, eines Versehens, welchem Zwange durch die Verbindlichkeit zur Strafe, durch welche man es gemeiniglich erkläret, nicht abgeholfen wird, und der noch mehr hervor leuchtet, wenn man die veralteten Bedeutungen dieses Wortes mit in Erwägung ziehet. In der Monseeischen Glosse ist Sculd theils Lohn, Gold, ane sculd, umsonst, theils Recht, Billigkeit, von Sculde, von Rechts wegen. Bey andern alten Schriftstellern bedeutet es den Fall, Zufall. Ob es zu solchen Schulden queme, wenn sich der Fall ereignen sollte. Im Schwedischen bedeutet Skuld nicht allein alles, was unser Deutsches Schuld ausdruckt, sondern auch Steuer, Zins, Abgabe, Ursache überhaupt, for min Skuld, um meinetwillen, Pflicht u. s. f. Hierzu kommt noch, daß der Zischlaut diesem Worte nicht wesentlich ist. Im Galischen Gesetze ist Chalta Geldstrafe, Ersatz und Verbrechen, im Schwabenspiegel Gelte, im Schwed. Geldeta, im Dänischen Giäld, und im Lettischen Kalte, die Schuld, bey den Schwäbischen Dichtern ist Gelter der Schuldner; so daß es scheinet, daß dieses Wort eher von gelten als von sollen abgeleitet werden müsse, zumahl da gelten ehedem nicht allein zahlen hieß, sondern auch zum Ersatz, und in dessen Ermanglung zur Strafe verbunden seyn.


Schuldbrief (W3) [Adelung]


Der Schuldbrief, des -es, plur. die -e, ein Brief, d. i. eine Urkunde, worin man einem andern eine Geldsumme schuldig zu seyn bekennet; eine Obligation, Handschrift.


Schuldbuch (W3) [Adelung]


Das Schuldbuch, des -es, plur. die -bücher, ein Buch, worin man diejenigen Geldsummen verzeichnet, welche man von andern zu fordern hat; zuweilen auch, welche man andern schuldig ist.


Schuldheiß (W3) [Adelung]


Der "Schuldheiß", zusammen gezogen "Schulze", des -en, plur. die -en, dessen Gattinn, die "Schuldheißinn", "Schulzinn".

1) * Überhaupt, eine Person männlichen Geschlechtes, welche andern zu befehlen hat, sie zu Erfüllung ihrer Schuldigkeit heischet, oder anhält; eine jetzt veraltete Bedeutung. Bey dem Ottfried ist "Sculdheizzo" ein Hauptmann, bey dem Notker Commentariensis, und in der Monseeischen Glosse, ein Procurator, Kravo, Graf. Dem "Paulus Diaconus" zu Folge wurden bey den "Longobarden" die Landvögte oder Gouverneurs der Provinzen "Schuldaben" genannt, welche die Deutschen "Schultheißen" nannten. In einigen Niederdeutschen Gegenden wird der erste und oberste Knecht auf den adeligen Gütern und Meierhöfen, welche die Aufsicht über die andern hat, "Schulte" genannt, welches unser Hochdeutsches "Schulze" ist.

2) Derjenige, welcher an einem Orte die Gerichtbarkeit ausübet, Präsident in einem Gerichte ist, und die Gerechtigkeit handhabet. In diesem Verstande werden die Richter in manchen Städten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes noch jetzt "Schuldheißen", "Stadtschuldheißen" und zusammen gezogen "Schulzen", "Stadtschulzen" genannt, da denn auch in Reichsstädten derjenige, welcher die obere Gerichtbarkeit im Nahmen des Kaisers und Reichs verwaltet, der "Reichsschuldheiß" genannt wird. An andern Orten heißen sie "Vögte", "Stadtvögte", "Reichsvögte". Am üblichsten ist dieses Wort auf den Dörfern, wo der "Schuldheiß" und im gemeinen Leben "Schulze", eine obrigkeitliche Person ist, welche für die Aufrechthaltung der Polizey und guten Ordnung sorgt, die Befehle des Gerichtsherren vollziehet, die Abgaben einsammelt und weiter liefert, zuweilen auch der "Dorfrichter", oft aber noch von demselben verschieden ist.

Anm. Im mittlern Lateine "Sculdasius", "Sculdasio", "Scultetus". Da dieses Wort von den ältesten Zeiten an sehr bestimmt "Schuldheiß" geschrieben wird, so wird es sehr wahrscheinlich, daß es von "Schuld", "Schuldigkeit", und "heißen" oder "heischen", zusammen gesetzt ist, weil der "Schuldheiß" in den ältern Zeiten bloß über "Schuld" und "Gülte" oder bürgerliche Sachen zu richten hatte, dagegen die peinlichen für den Grafen gehörten. In der Folge ward der "Schuldheiß" oft des Grafen Vicarius in peinlichen Sachen. Das im gemeinen Leben, besonders von "Dorfschuldheißen" übliche "Schulze" wird füglich als eine Zusammenziehung davon angesehen. Im Angels. lautet dieses Wort "Scultheta", im Sachsenspiegel "Scultheit", von dem Nieders. "heten", "heißen"; woraus denn gleichfalls das Nieders. "Schulte", Fries. "Schelta", Wend. "Scholta", verkürzet sind, obgleich Wachter und andere dieses lieber von "schalten", "befehlen", "ableiten" wollen.


Schuldheißerey (W3) [Adelung]


Die Schuldheißerey, plur. die -en, in einigen Gegenden, das Amt, die Wohnung, ingleichen das Gebieth eines Schuldheißen.


Schuldherr (W3) [Adelung]


Der Schuldherr, des -en, plur. die -en, derjenige, welchen man eine Geldsumme schuldig ist, und welcher am üblichsten der Gläubige genannt wird, Lat. Creditor; im Gegensatze des Schuldners.


Schuldienst (W3) [Adelung]


Der Schuldienst, des -es, plur. die -e, S. Schulamt.


Schuldig (W3) [Adelung]


Schuldig, adj. et adv. welches vermittelst der Ableitungssylbe -ig, von dem Hauptworte Schuld abstammet, Schuld habend. 1. In der ersten Hauptbedeutung des Hauptwortes. 1) Eine Schuld, d. i. ein Verbrechen oder ein Vergehen, auf sich habend, im Gegensatze des unschuldig. So wohl absolute. Sich schuldig wissen, wissen, daß man ein Verbrechen, ein Vergehen begangen habe. Sich als schuldig angeben. Daher der Schuldige, im Gegensatze des Unschuldigen. Als auch mit Beyfügung der Sache oder des Vergehens, welche alsdann in der zweyten Endung steht. Eines Verbrechens schuldig seyn. Einer Missethat schuldig seyn, 3 Mos. 5. 1, 17. Die Person oder Sache, an welcher man ein Verbrechen begehet, oder an welcher man sich versündiget, bekommt das Vorwort an, welche Verbindung doch nur noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Ich bin schuldig an allen Seelen deines Vaters Hauses, 1 Sam. 22, 22. Der ist schuldig an dem Leibe und Blute des Herren, 1 Cor. 11, 27. 2) Um eines begangenen Verbrechens willen zur Erduldung einer Strafe verpflichtet, gleichfalls mit der zweyten Endung der Strafe; eine größten Theils veraltete Bedeutung. Des Todes schuldig seyn. Der ist des höllischen Feuers schuldig, Matth. 5, 22. Völlig veraltet sind die biblischen R. A. des Gerichts, des Raths schuldig seyn. 3) In der dritten Bedeutung der Ursache eines Übels ist es nicht gebräuchlich, indem man dafür entweder das Hauptwort Schuld adverbialiter gebraucht, oder sich andere Ausdrücke bedienet. An eines Tode Schuld seyn, nicht schuldig. S. Schule I. 2. 2. In der zweyten Hauptbedeutung des Hauptwortes. 1) Vermöge einer Pflicht zu etwas verbunden, in einer Pflicht gegründet. Du bist schuldig, mir zu gehorchen. Jemanden Gehorsam schuldig seyn. Die Pflicht, die ich meinem Nachfolger schuldig bin, drang mich. Vergiß nicht, wie viel Schonung du ihm schuldig bist. Die schuldige Achtung, für sein Vaterland vergessen. Die Demuth erfreuet sich des Überflusses desto mehr, je weniger sie ihn als eine schuldige Belohnung ihres eigenen Werthes ansteht, Gell. In Westphalen sind Vollschuldige und Halbschuldige eine Art Leibeigener, ( S. diese Wörter.) 1) Im engsten Verstand ist man schuldig, wenn man verbunden ist, einem andern Geld oder Geldes werth zu erstatten, wenn man eine Schuld auf sich hat. Jemanden zehen Thaler, zwanzig Scheffel Korn u. s. f. schuldig seyn. Bezahle, was du schuldig bist. Ingleichen absolute; jemanden schuldig seyn, und noch unbestimmter, schuldig seyn, viel schuldig seyn, Schulden, viele Schulden haben. Im weitesten Verstande sagt man oft, jemanden eine Antwort, eine Höflichkeit u. s. f. schuldig bleiben, sie nicht erwiedern, wenn gleich keine eigentliche Verbindlichkeit dazu vorhanden ist.

Anm. Schon bey dem Ottfried ist Sculdig, und bey dem Kero Scultika, der Schuldige, d. i. derjenige, welcher eines Vergehens schuldig ist. Der Comparativ und Superlativ sind von diesem Beyworte nicht üblich, außer daß man den Superlativ zuweilen wohl noch im Briefstyl gebraucht und sich des andern schuldigsten Diener, d. i. verbundensten, verpflichtetsten Diener unterschreibt, wofür aber doch auch lieber ein anderer Ausdruck gebraucht wird.


Schuldigen (W3) [Adelung]


* Schuldigen, verb. reg. act. welches jetzt veraltet ist, aber noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt, wo es so wohl Schuld geben, beschuldigen, anklagen, als auch eines Verbrechens überführen bedeutet. Wo einer den andern schuldiget, um einigerley Unrecht, 2 Mos 22, 9. Darum schuldige ich mich und thue Buße, Hiob 42, 6, erkenne mich für schuldig. Schuldige sie Gott und strafe, Ps. 5, 11, überzeuge sie ihrer Schuld. Siehe Beschuldigen.


Schuldiger (W3) [Adelung]


* Der Schuldiger, des -s, plur. ut nom. sing. ein wider die Analogie und Regel gebildetes Hauptwort von schuldig, welches in der Deutschen Bibel vorkommt, außer derselben aber auch nicht gewöhnlich ist, so wohl denjenigen zu bezeichnen, welcher uns eine Pflicht leisten schuldig ist, als auch in engerer Bedeutung, welcher uns eine Geldsumme schuldig ist, den Schuldner. Wie wir vergeben unsern Schuldigern. Dem Mahnenden soll es gehen, wie dem Schuldiger, Es. 14, 2. Die Schuldiger treiben, Kap. 58, 3. Der Regel nach müßte es heißen der Schuldige, oder ein Schuldiger, obgleich in der zweyten Hauptbedeutung des Beywortes schuldig dieses Hauptwort nicht leicht gebraucht wird.


Schuldigkeit (W3) [Adelung]


Die Schuldigkeit plur. die -en, das Hauptwort des Beywortes schuldig, welches nur in der zweyten Hauptbedeutung desselben üblich ist. 1) Als ein Abstractum und ohne Plural, der Zustand der pflichtmäßigen Verbindlichkeit. Es ist meine Schuldigkeit. Noch mehr, 2) als ein Concretum, dasjenige, wozu man auf eine pflichtmäßige Art verbunden ist; eine Pflicht. Etwas als eine Schuldigkeit fordern. Seine Schuldigkeit beobachten. Im gemeinen Leben gebraucht man es auch wohl in engerm Verstande von einer Geldsumme, welche man einem andern schuldig ist. Seine Schuldigkeit entrichten.


Schuldlos (W3) [Adelung]


Schuldlos, -er, -este, adj. et adv. von Schuld, ein Verbrechen, Vergehen, von demselben frey; wo es besonders in der edlern Schreibart für unschuldig gebraucht wird. So verstreichet dem Landmanne der Morgen in schuldlosen Freuden, Zachar. So auch die Schuldlosigkeit für Unschuld.


Schuldmann (W3) [Adelung]


Der Schuldmann, des -es, plur. die -männer, und Schuldleute, ein nur im gemeinen Leben übliches Wort, einen Schuldner, besonders von geringem Stande, zu bezeichnen. Schuldmann wird alsdann wohl von beyden Geschlechtern, der Plural Schuldmänner nur allein von dem männlichen, Schuldleute aber von beyden, oder auch von Personen ohne Bestimmung des Geschlechts gebraucht.


Schuldner (W3) [Adelung]


Der Schuldner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schuldnerinn, von der zweyten Hauptbedeutung des Wortes Schuld, eine Person, welche uns zu Leistung einer Pflicht oder Schuldigkeit verbunden ist. Ich bin noch ihr Schuldner. In engerer Bedeutung, eine Person, welche uns Geld oder Geldes werth schuldig ist, ehedem Schuldiger, Gelter, im gemeinen Leben Schuldmann; im Gegensatze des Schuldherren oder Gläubigers. Schon bey dem Ottfried Sculdenar.


Schuldopfer (W3) [Adelung]


Das Schuldopfer, des -s, plur. ut nom. sing. nur in der Deutschen Bibel von dem Gottesdienste der ältern Juden, ein Opfer, welches für eine begangene Schuld oder Vergehen gebracht werden mußte, so daß es mit Sündopfer gleichbedeutend ist. In engerm Verstande unterscheidet man noch beyde, und glaubt, daß das Sündopfer für Vergehungs- das Schulopfer aber für Unterlassungssünden gebraucht werden mußte.


Schuldpost (W3) [Adelung]


Die Schuldpost, plur. die -en, eine Post, d. i. Geldsumme, welche man einem andern schuldig ist, oder auch, welche man als eine Schuld von einem andern zu fordern hat. S. Post.


Schuldthurm (W3) [Adelung]


Der Schuldthurm, des -es, plur. die -thürme, ein Thurm, so fern derselbe zu einem Gefängnisse für böse Schuldner bestimmt ist, welche nicht bezahlen können oder wollen.


Schuldverschreibung (W3) [Adelung]


Die Schuldverschreibung, plur. die -en, diejenige Schrift oder Urkunde, worin man einem andern eine gewisse Geldsumme schuldig zu seyn bedeutet; der Schuldbrief, die Obligation.


Schule (W3) [Adelung]


Die Schule, plur. die -n. 1. Eigentlich der Ort, wo andere, besonders junge Leute, in nützlichen Kenntnissen und angenehmen Künsten unterrichtet werden. 1) Im weitesten Verstande, wo die- ses Wort oft von allen Orten dieser Art gebraucht wird. Eine hohe Schule, wo die höhern Wissenschaften gelehret werden, und welche man auch eine Universität, eine Akademie zu nennen pflegt; zum Unterschiede von den niedern Schulen, wo nur die freyen Künste und die ersten Anfangsgründe der Wissenschaften gelehret werden. Ehedem nannte man auch eine hohe Schule nur schlechthin die Schule, welcher Gebrauch nicht mehr üblich ist, aber noch in einigen Zusammensetzungen vorkommt, z. B. Schul-Theologie, die scholastische Theologie, Schulwitz im Gegensatze des Mutterwitzes u. s. f. Auch Örter oder Anstalten, wo mehrern in den schönen und angenehmen Künsten, ingleichen in den so genannten ritterlichen Übungen Unterricht ertheilet wird, heißen Schulen, im ersten Falle auch zuweilen Akademien. Die Mahlerschule, Zeichenschule, Singeschule, Reitschule, Fechtschule, Tanzschule u. s. f. 2) In engerer Bedeutung verstehet man unter Schule schlechthin die niedere Schule, einen Ort oder eine Anstalt, wo die ersten Anfangsgründe der Wissenschaften nebst den freyen Künsten gelehret werden, wohin die Leseschulen, Deutschen Schulen, Lateinischen Schulen, Stadtschulen, Dorfschulen, Schreibeschulen, Rechenschulen, Knabenschulen, Mädchenschulen, öffentliche Schulen, Hausschulen u. s. f. und in noch weiterm Verstande auch die Näheschulen gehören. In die Schule gehen. Von der Schule auf die Universität gehen. Nicht viel mit von der Schule bringen, in der Schule nicht viel gelernet haben. Ein Kind zur Schule halten. Aus der Schule schwatzen, figürlich, etwas ausschwatzen, welches verschwiegen bleiben sollte. Jemanden in die Schule führen, figürlich, seine Fertigkeit in einer Sache, seine Geduld u. s. f. üben oder auch auf die Probe stellen. 3) Figürlich. (a) Eine Schule der Geduld, des Gehorsams u. s. f. eine Sache, bey welcher man seine Geduld oder seinen Gehorsam übet. Wenn unsere Geschäfte keine Schule des Gehorsams gegen den Geber unsers Lebens seyn sollen, was ist alsdann die Tugend? Gell. (b) In Judenschule bedeutet es den Ort der gottesdienstlichen Versammlung der neuern Juden, weil derselbe ehedem auch der Ort des öffentlichen Unterrichtes war. (c) In Baumschule und Pflanzschule bedeutet es den Ort, wo junge Bäume oder Pflanzen zur künftigen Versetzung in Menge gezogen werden. 2. Figürlich. 1) Die Versammlung des Lehrers und der Lernenden, wo es doch nur von solchen Versammlungen dieser Art üblich ist, in welchen die ersten Anfangsgründe der menschlichen Kenntnisse oder Fertigkeiten gelehret werden; ohne Plural. Schule halten. Die Schule anfangen. Die Schule ist aus. 2) In den Reitschulen werden die künstlichen und regelmäßigen Gänge eines Pferdes Schulen genannt. Ein Pferd alle Schulen machen lassen, es durch alle Schulen führen. 3) In den bildenden Künsten, besonders der Mahlerey, werden nicht nur die sämmtlichen Schüler eines großen Meisters dessen Schule genannt, die Schule des Raphael, Caraccio, Rubens; sondern auch die Folge der sämmtlichen Mahler eines Landes oder einer Provinz, in deren Werken man einerley Geschmack antrifft, in welchem Verstande man denn gemeiniglich fünf Mahlerschulen in Europa anzunehmen pflegt, die Römische oder Florentinische, die Venezianische, die Lombardische, die Niederländische oder Deutsche, und die Französische Schule. Die übrigen Nationen haben keine Schulen, welche ihren Nahmen führeten. Anm. Schon bey dem Kero Scuala, im Nieders. Schoole, im Engl. School, im Schwed. Skosa, im Böhm. Sskola, im mittlern Lat. Escola, im Franz. Ecole; alle aus dem Latein. Schola, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Das letzte leitet man gemeiniglich von einem Stammworte her, welches Ruhe bedeutet, weil zum Lernen so wohl Ruhe des Leibes, als auch richtige Fassung des Gemüthes nöthig ist; allein es kann auch ein Verwandter von unserm Gilde, Versammlung, seyn, und mit demselben zu Gall, gällen, schallen u. s. f. gehören, und zunächst das mit einer Versammlung mehrerer verbundene Geräusch bezeichnen.


Schüler (W3) [Adelung]


Der Schüler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schülerinn. 1) Im weitesten Verstande des Wortes Schule, eine jede Person, welche eines andern Lehre zum Erkenntniß- und Bestimmungsgrund ihrer Einsichten annimmt, wo es nur noch zuweilen im Gegensatze des Lehrers oder Meisters im edlen Verstande gebraucht wird. Julius der Römer, Penni, Peligrino u. s. f. waren Schüler Raphaels. Im gemeinen Leben hält man das unmittelbar aus dem Lateinischen gebildete Scholar von solchen Personen, welche außer den gewöhnlichen Schulen eine anständige Kunst oder Wissenschaft von jemanden erlernen, für edler als Schüler ( S. Scholar.) Von denjenigen, welche Künste und Wissenschaften auf hohen Schulen erlernen, ist dieses Wort gleichfalls nicht mehr üblich, außer im obigen ganz allgemeinen Verstande; zu welchem Verfalle dieses Wortes die folgende engere Bedeutung Anlaß gegeben hat. 2) Im engsten Verstande ist dieses Wort nur von denjenigen üblich, welche in den niedern Schulen die Anfangsgründe der Künste und Wissenschaften erlernen.

Anm. Schon bey dem Ottfried Scular. Ehedem waren dafür im weitern Verstande Jünger, Lehrgesinde, welches noch bey dem Opitz vorkommt, Lerenkint im Schwabenspiegel, u. s. f. üblich.


Schülerhaft (W3) [Adelung]


Schülerhaft, -er, -este, adj. et adv. einem Schüler in der zweyten Bedeutung d. i. einem Anfänger in den Künsten und Wissenschaften, ähnlich, in dessen mangelhaften Kenntniß gegründet.


Schulfreund (W3) [Adelung]


Der Schulfreund, des -es, plur. die -e, Fämin. die Schulfreundinn. 1) Eine Person, welche das Beste der niedern Schulen aus eigenem Wohlwollen zu befördern sucht. 2) Eine Person, mit welcher man auf Schulen Freundschaft errichtet hat, deren Freund man von Schulen her ist. Daher die Schulfreundschaft.


Schulfuchs (W3) [Adelung]


Der Schulfuchs, des -es, plur. die -füchse. 1) Ein Schüler auf niedern Schulen, in verächtlichem Verstande, besonders auf den Universitäten, wo die von Schulen ankommenden im ersten halben Jahre von den ältern Studenten aus Verachtung mit diesem Nahmen beleget werden. ( S. Fuchs.) 2) In weiterer Bedeutung, ein pedantischer Gelehrter, ein Gelehrter ohne Sitten und Weltkenntniß, ein Pedant; gleichfalls im verächtlichen Verstande. Ein Schulfuchs hofft mit dürren Gründen Den Beyfall aller Welt zu finden; Allein er wird geprellt, Haged.

Anm. Richey und andere leiten die ersten Hälfte dieses Wortes nicht von Schule, sondern von dem Nieders. schulen, sich zaghaft verbergen, her; eine sehr unwahrscheinliche Ableitung, weil Schulfuchs alsdann ein allgemeines Scheltwort seyn würde, welches es doch nicht ist, sondern das allgemeinere Fuchs enger auf die Schulen und neuen Abkömmlinge von den Schulen einschränket.


Schulgeld (W3) [Adelung]


Das Schulgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches man in den niedern Schulen für den öffentlichen Unterricht bezahlet.


Schulgerecht (W3) [Adelung]


Schulgerecht, -er, -este, adj. et adv. 1) Von Schule, im weitesten Verstande, selbst so fern es ehedem auch den Ort bedeutete, wo höhere Wissenschaften gelehret werden, den Regeln solcher Schulen und ihrer Lehrer gemäß. Er bath abstract und tiefgelehrt Durch schulgerechte Schlüsse Um seiner Chloris Küsse, Uz. 1) In engerer Bedeutung ist es in den Reitschulen, den Regeln der Reitkunst gemäß. Ein schulgerechtes Pferd. Schulgerecht absitzen.


Schulgesell (W3) [Adelung]


Der Schulgesell, des -en, plur. die -en, im gemeinen Leben, ein Mitschüler. Ehedem, da man die Rectores der Lateinischen Schulen noch Schulmeister nannte, führeten dessen Collegen den Nahmen der Schulgesellen.


Schulhalter (W3) [Adelung]


Der Schulhalter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schulhalterinn, eine Person, welche eine niedere Privat-Schule hält, Kinder in ihrer Wohnung im Lesen und Schreiben unterrichtet; zum Unterschiede von einem Schulmeister, welcher einer öffentlichen Trivial-Schule vorgesetzt ist.


Schulherr (W3) [Adelung]


Der Schulherr, des -en, plur. die -en. 1) Ein besonders im Oberdeutschen gangbares Wort, den Vorgesetzten einer Lateinischen Schule zu bezeichnen, welchen man in Ober- und Niedersachsen einen Rector nennt. 2) An andern Orten werden die obrigkeitlichen Personen, welche die Aufsicht über die Schulen eines Ortes führen, Schulherren genannt, welche an andern Scholarchen heißen.


Schuljahr (W3) [Adelung]


Das Schuljahr, des -es, plur. die -e, Jahre, welche man auf niedern Schulen zubringt.


Schulknabe (W3) [Adelung]


Der Schulknabe, des -, plur. die -n, ein Knabe, welcher eine niedrige Schule besucht; in der niedrigen Sprechart der Schuljunge, Fämin. das Schulmädchen oder Schulmägdlein, Schulkind wird von beyden Geschlechtern gebraucht.


Schulkrankheit (W3) [Adelung]


Die Schulkrankheit, plur. die -en, eigentlich, eine verstellte Krankheit, wodurch sich faule Schüler dem Besuche der niedern Schulen zu entziehen pflegen. In weiterm Verstande, eine jede vorgegebene Krankheit, um sich unter diesem Vorwande einem unangenehmen Geschäfte zu entziehen. Die Schulkrankheit haben. In welchem Verstande man auch wohl das Bey- und Nebenwort schulkrank gebraucht. Schulkrank seyn.


Schullehrer (W3) [Adelung]


Der Schullehrer, des -s, plur. ut nom. sing. eine allgemeine Benennung aller derjenigen, welche in Gymnasiis und niedern Schulen ein öffentliches Lehramt verwalten.


Schulmann (W3) [Adelung]


Der Schulmann, des -es, plur. die -männer, eine Person männlichen Geschlechtes, in Ansehung ihrer Fähigkeiten zu einem Schulamte, oder in weiterm Verstande, zum Unterrichte der Jugend. Ein guter Schulmann seyn. Auch wohl in weiterm Verstande für einen Schullehrer.


Schulmeister (W3) [Adelung]


Der Schulmeister, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schulmeisterinn. 1) * Im weitesten Verstande, ein jeder Lehrer, welcher andern Unterricht ertheilet; eine in der anständigen Sprechart veraltete Bedeutung. 2 Macc. 1. 10 heißt Aristobulus des Königs Ptolemäi Schulmeister. Mehrere Beyspiele führet Frisch an. 2) * Der erste Lehrer an einer öffentlichen Schule; in welchem Verstande es ehedem so wohl von den ersten Lehrern an den Stadt- und Lateinischen Schulen gebraucht wurde, welche man jetzt Rectores und im Oberdeutschen Schulherren nennet, als auch an den Kathedral- und Collegiat-Stiftern von denjenigen Canonicis und Domherren, welchen nach der ersten Einrichtung dieser Stifter der Unterricht der Jugend oblag, und welche man jetzt Scholaster oder Scholasticos zu nennen pflegt. In beyden Bedeutungen ist es in der anständigen Sprechart der Hochdeutschen veraltet, wo man 3) nur noch den Lehrer an einer Deutschen Schule, besonders auf dem Lande, einen Schulmeister zu nennen pflegt.


Schulordnung (W3) [Adelung]


Die Schulordnung, plur. die -en, eine obrigkeitliche Verordnung für die Schulen und die dazu gehörigen Personen.


Schulpferd (W3) [Adelung]


Das Schulpferd, des -es, plur. die -e, eine auf der Reitschule befindliches, ingleichen ein daselbst zugerittenes Pferd.


Schulrede (W3) [Adelung]


Die Schulrede, plur. die -n, Reden, welche auf den Schulen von den Lehrern oder Lernenden gehalten werden.


Schulsattel (W3) [Adelung]


Der Schulsattel, des -s, plur. die -sattel in den Reitschulen, eine Art Sättel für diejenigen, welche reiten lernen, und welche hohe Aster, hohe Pauschen und einen festen Schenkelfuß haben.


Schulschiff (W3) [Adelung]


Das Schulschiff, des -es, plur. die -e, in den See-Akademien, ein ausgerüstetes Schiff, worauf die Anfänger in der Handhabung eines Schiffes unterrichtet werden.


Schulstaub (W3) [Adelung]


Der Schulstaub, des -es, plur. car. eigentlich, der Staub, welcher in den niedern Schulen von ungezogenen Schülern erreget wird. Noch mehr figürlich, der Stand eines Lehrers in niedern Schulen. Im Schulstaube leben.


Schulstolz (W3) [Adelung]


Der Schulstolz, des -es, plur. car. der Stolz auf Gelehrsamkeit.


Schulter (W3) [Adelung]


Die Schulter, plur. die -n, der erhabene und zugleich breite Theil zu beyden Seiten des Rückens unmittelbar hinter und unter der Achsel; wo es zunächst von diesem Theile des menschlichen Körpers gebraucht wird. Etwas auf den Schultern tragen, auf die Schulter nehmen. Die Schultern ziehen, oder zucken. Schulter und Achsel werden im gemeinen Leben sehr häufig verwechselt, ob sie gleich eigentlich sehr genau verschieden sind. Achsel ist der oberste Theil des Armes, wo es mit der Schulter verbunden ist. Meine Schulter falle von der Achsel, Hiob 31, 22. In weiterm Verstande gebraucht man es auch von einigen Thieren, z. B. dem Pferde, von dem obersten Theile des Vorderfußes, so fern derselbe einer menschlichen Schulter ähnlich ist. Die rechte Schulter vom Opfervieh, 2 Mos. 29, 22. Figürlich wird im Festungsbaue das Stück des Bastiones zwischen der Faße und Streiche die Schulter, Franz. Epaule, genannt. S. Schulterwinkel.

Anm. Bey dem Raban Maurus im 8ten Jahrhunderte schon Scultyria, im Isidor Sculdro, im Schwabensp. Scultergu, im Engl. Shoulder, im Angels. Sculdor, im Schwed. Skuldra. Ohne Zweifel mit Schild von einem und eben demselben Stammworte, eine erhabene, feste Bedeckung zu bezeichnen, welcher Begriff der Schulter sehr angemessen ist. ( S. Schild.) Bey dem Notker kommt für Schulter das veraltete Skerte vor, welches eine ähnliche Ableitung leidet, und zu Schurz, Nieders. Schort, Schirm, so wird das Lat. Scapula zu Schuppe, und Humerus zu Hemd, Himmel, von dem alten hemen, decken, gerechnet werden kann.


Schulterbein (W3) [Adelung]


Das Schulterbein, des -es, plur. die -e, diejenigen Beine, welche zusammen genommen die Schulter ausmachen, wohin denn so wohl das Schulterblatt, als auch das darein gefügte Arm- oder Achselbein gehören.


Schulterblatt (W3) [Adelung]


Das Schulterblatt, des -es, plur. die -blätter, ein breites von außen erhabenes und fast dreyeckiges Bein, welches an der Seite des obern Rückgrathes unmittelbar unter der Achsel des menschlichen Körpers lieget, und von einigen auch das Achselbein genannt wird; Lat. Scapula. Blatt heißt es wegen seiner breiten dünnen Gestalt. Bey dem Stryker Sculterplat, Griech. Homoplata.


Schulterhöhe (W3) [Adelung]


Die Schulterhöhe, plur. die -n, in der Anatomie, die obere Spitze des Schulterblattes, woran die Schlüsselbeine befestiget sind; Acromion.


Schultern (W3) [Adelung]


Schultern, verb. reg. act. auf die Schulter nehmen; ein nur in den Übungen der Soldaten übliches Wort. Das Gewehr schultern.


Schulterwinkel (W3) [Adelung]


Der Schulterwinkel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Kriegsbaukunst, der Winkel an der Schulter eines Bollwerkes, der Winkel, welchen die Faße mit der Streiche macht.


Schultheiß (W3) [Adelung]


Der Schultheiß, S. Schuldheiß.


Schul-Theologie (W3) [Adelung]


Die Schul-Theologie, plur. car. die ehemahlige scholastische Theologie, welche in einer Verbindung der Aristotelischen Philosophie mit den Lehren des Christenthums bestand. S. Schule und Scholastisch.


Schulverwalter (W3) [Adelung]


Der Schulverwalter, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Schulamt.


Schulwitz (W3) [Adelung]


Der Schulwitz, des -es, plur. car. Witz, d. i. Kenntniß, Fähigkeit, welche man in den Schulen, und in weiterm Verstande durch Unterricht und Nachdenken erlangt; im Gegensatze des Mutterwitzes, der natürlichen Fähigkeit des Verstandes. Den Mutterwitz bringt jeder auf die Welt; Der Schulwitz wird durch Bücher uns gegeben, Haged.


Schulze (W3) [Adelung]


Der Schulze, des -n, plur. die -n, Fämin. die Schulzinn, ein aus Schuldheiß zusammen gezogenes Wort, ( S. dasselbe.) In einigen Gegenden lautet dieses Wort Scholze, Scholz, im Nieders. Schulte, Holländ. Schout.


Schummer (W3) [Adelung]


* Der Schummer, und das Zeitwort Schummern, zwey mit ihren Ableitungen nur in der Niederdeutschen Mundart übliche Wörter, wofür die Hochdeutschen Schimmer und Schimmern gebrauchen, S. dieselben.


Schund (W3) [Adelung]


+ Der Schund, des -es, plur. car. nur in den niedrigen Sprecharten, den Unflath in einer Cloak zu bezeichnen; daher die Zusammensetzungen, die Schundgrube, die Grube, worin derselbe zusammen fließet, in der anständigern Sprechart die Schwindgrube, ( S. dasselbe;) die Schundfeger, im gemeinen Leben Schundkönige, niedrige Personen, welche die Cloaken und Abtritte räumen u. s. f. Es ist mit Schande, so fern es ehedem eine Cloak bedeutete, dem Latein. Sentina, die Grundsuppe, u. s. f. verwandt, ( S. Schande.) Wenn aber die Gärber das von den Häuten abgeschabte Fleisch Schund nennen, so scheinet es hier zunächst von schinden abzustammen. In den niedrigen Sprecharten pflegt man auch wohl eine jede untaugliche Sache, welche weggeworfen wird, im verächtlichen Verstande Schund zu nennen.


Schupfen (W3) [Adelung]


Schupfen, verb. reg. act. welches im Oberdeutschen für das mehr Hoch- und Niederdeutsche schuppen üblich ist, ( S. dasselbe.) Daher der Schupf, für Schupp. Die Schupfe oder die Strafe des Schupfen ist noch in einigen Oberdeutschen Gegenden üblich, da gewisse Verbrecher in einem Käfich vermittelst einer über einen Schnellgalgen gehenden Strickes mehrmahls in das Wasser gelassen werden. Noch 1746 wurde in Wien ein Bäcker, welcher das Brot zu leicht gebacken hatte, auf diese Art geschupft. In Metz heißt diese Strafe la Xeuppe oder Cheuppe.


Schupfen (W3) [Adelung]


Der Schupfen, ein gleichfalls im Oberdeutschen für Schoppen übliches Wort, wo es in einigen Gegenden auch wohl die Schupfe lautet. S. Schoppen.


Schupflehen (W3) [Adelung]


Das Schupflehen, des -s, plur. ut nom. sing. in vielen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, ein Lehen, welches nur auf Lebenszeit verliehen wird, aus dessen Besitz die Erben nach dem Tode des Lebensmannes gleichsam geschupft werden; Fallgut, Falllehen, leibfällig Lehen, Feudum mobile. In weiterer Bedeutung wird oft auch ein jedes Grundstück, welches auf unbestimmte Zeit verliehen wird, und welches der Eigenthümer einziehen kann, wenn er will, mit diesem Nahmen belegt.


Schupp (W3) [Adelung]


Der Schupp, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte schuppen, ein mit Schieben verbundener Stoß, ein mit einem stoße begleiteter Schub, von welchem letztern es das Intensivum ist, wie schuppen von schieben. Jemanden einen Schupp geben. S. Schuppen.


Schüppe (W3) [Adelung]


* Die Schüppe, ein im Niederdeutschen für Schaufel übliches Wort, S. dasselbe, und von der R. A. die Schüppe bekommen, wo Schüppe von vielen irrig von schuppen abgeleitet wird, S. Korb.


Schuppe (W3) [Adelung]


Die Schuppe, plur. die -n, Dimin. das Schüppchen, Oberd. Schüpplein, ein dünner flacher fester Körper, so fern er in Verbindung mit mehrern von eben derselben Art einem andern Dinge zur Bedeckung dienet. So ist der Körper der Fische und Schlangen mit Schuppen bedeckt, welche kleine feste Schilde sind, wovon die innere und untere Hälfte des einen die äußere und obere Hälfte des andern bedeckt, durch welche Art der Bekleidung die Bewegung nicht gehindert wird. Ehedem hatte man auch Panzer, welche aus ähnlichen über einander befestigten eisernen Blechen bestanden, und den Körper bedecken, ohne die Bewegung sehr zu hindern. Auch dünne flache Theile der Haut, des Grindes u. s. f. wenn sie sich in dünnen über einander liegenden Blättern ablösen, Nieders. Schin, werden Schuppen genannt.

Anm. Nieders. Schubbe, Schüwwe, im Holländ. Schob, Schub, im Böhm. Ssupina. Frisch leitet es sehr irrig von schaben her, als wenn es zuerst von dem Grinde wäre gebraucht worden, Wachter etwas erträglicher von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bedecken. Schuppe ist, wie aus dem verdoppelten erhellet, ein Intensivum, und zwar ohne Zweifel von einem Worte, von welchem unser Scheibe, Schiefer u. s. f. abstammen, so daß damit zunächst auf die dünne flache Beschaffenheit gesehen wird. Da der Begriff der Bedeckung damit genau verbunden ist, so gehören auch Schoppen, ein bedeckter Ort, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und ohne Endlaut das alte Schwed. skya, bedecken, mit zur Verwandtschaft. Um deßwillen heißt auch eine Schuppe im Schwed. Fjäll, welches unser Fell ist.


Schuppen (W3) [Adelung]


Der Schuppen, S. Schoppen.


Schuppen (W3) [Adelung]


1. Schuppen, verb. reg. act. von dem Hauptworte Schuppe. 1) Mit Schuppen versehen, in welchem Verstande das Mittelwort geschuppt für schuppig am üblichsten ist. In der Wapenkunst heißt eine Figur geschuppt, wenn sie mit halben Zirkelstreifen in Gestalt der Schuppen versehen ist. 2) Im entgegen gesetzten Verstande, der Schuppen berauben, auf welche Art man in den Küchen die Fische zu schuppen pflegt. Die Haut schuppt sich, wenn sie sich in Gestalt der Schuppen oder dünner flacher Blätter ablöset. Daher das Schuppen.


Schuppen (W3) [Adelung]


2. Schuppen, verb. reg. act. welches das Intensivum von schieben ist, mit einem Stoße schieben. Jemanden aus dem Wege in das Wasser schuppen. Daher das Schuppen.

Anm. Im Nieders. gleichfalls schuppen, im Oberd. mit dem gelindern Blaselaute schupfen, im Schwed. skufva, skuffa, ( S. Schieben.) Ehedem wurde es auch in verschiedenen weitern Bedeutungen gebraucht. Jemanden von einem Amte schuppen oder schupfen, war, ihn von demselben vertreiben, ingleichen ihn desselben entsetzen, entschupft werden, sich entsetzen; verschupfen, verwerden u. s. f. Verwandt sind damit das Franz. chopper, straucheln, und vielleicht auch Coup, ein Stoß, Schlag. In dem im gemeinen Leben üblichen beschuppen, durch List oder Geschwindigkeit betriegen, ist es in figürlichem Verstande üblich.


Schuppenbein (W3) [Adelung]


Das Schuppenbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, der schuppige Theil des Schlafbeines, welcher an der äußern und mittlern Gegend der Hirnschale liegt.


Schuppenfisch (W3) [Adelung]


Der Schuppenfisch, des -es, plur. die -e, ein mit Schuppen versehener Fisch, zum Unterschiede von den ungeschuppten.


Schuppengrind (W3) [Adelung]


Der Schuppengrind, des -es, plur. inus. eine Art des Grindes, der wie Schuppen abfällt; der Erbgrind, Achores.


Schuppennaht (W3) [Adelung]


Die Schuppennaht, plur. die -nähte, in der Anatomie eine den Schuppen ähnliche Naht der Hirnschale, wo die Zacken nicht in einander passen.


Schuppenwurz (W3) [Adelung]


Die Schuppenwurz, plur. car. eine Pflanze, deren Wurzel aus lauterer über einander liegenden Schuppen bestehet; Lathraea L. Zahnkraut, Zahnwurz, weil die Schuppen eine Ähnlichkeit mit den Zähnen haben, Schnappenwurz, Fraisamkraut, Anblatt.


Schuppicht (W3) [Adelung]


Schuppicht, -er, -ste, adj. et adv. den Schuppen ähnlich.


Schuppig (W3) [Adelung]


Schuppig, -er, -ste, adj. et adv. mit Schuppen, d. i. über und neben einander liegenden Blättern versehen. Ein schuppiger Fisch, wofür Schuppenfisch üblicher ist, ein schuppiger Panzer, eine schuppige Haut.


Schur (W3) [Adelung]


Die Schur, plur. inus. von dem Zeitworte scheren. 1) Die Handlung des Scherens. Die Schur der Schafe, 5 Mos. 18, 4. Die Schafschur oder Wollschur. 2) Im figürlichen Verstande des Zeitwortes sagt man im gemeinen Leben, das macht mir viel Schur, ich habe meine Schur damit, das scheret mich, macht mir viele unnütze Mühe. 3) Von scheren, theilen, brechen u. s. f. ist im Bergbaue die Schur, dasjenige, was von den Ofenbrüchen ausgebrochen worden. S. Scheren.


Schürbaum (W3) [Adelung]


Der Schürbaum, des -es, plur. die -bäume, im Forstwesen einiger Gegenden, alte Bäume schwarzen Holzes, welche man auf den Schlägen und Hieben zur künftigen Fortpflanzung stehen lässet.


Schüren (W3) [Adelung]


Schüren, verb. reg. act. welches nur noch im gemeinen Leben üblich ist, eigentlich rütteln bedeutet, aber nur noch von dem Feuer gebraucht wird, wenn man das brennende Holz auf- oder zusammen rüttelt, damit das Feuer desto heller brenne. Das Feuer wurde im glühenden Ofen so sehr geschüret, daß die Männer, die solches thaten, von des Feuers Flammen verdarben, Dan. 3, 22. Im Bergbaue wird solches auch zustöhren genannt. In weiterer Bedeutung ist Feuer schüren oder anschüren, Feuer anmachen, das Holz dazu in dem Ofen oder auf dem Herde zurecht rütteln und anzünden. So auch das Schüren.

Anm. Schüren ist mit scheuern, welches im Nieders. gleichfalls schüren lautet, in gleichen mit scheren, in vielen Bedeutungen desselben, nahe verwandt, daher es in seinen Zusammensetzungen auch in verschiedenen figürlichen Bedeutungen vorkommt, wohin unter andern die gemeinen besonders Nieders. anschüren und zuschüren, aufhetzen, und die niedrigen Intensiva scherchen und schirgen gehören, ( S. Scheren und Scherge.) Die erste und herrschende Bedeutung ist, wie in scheren und scheuern, die heftige Bewegung und der dadurch verursachte Laut.


Schurf (W3) [Adelung]


1. Der Schurf, der Grind, S. Schorf.


Schurf (W3) [Adelung]


2. Der Schurf, des -es, plur. die Schürfe, eine Öffnung, Wunde, Loch u. s. f. ein nur noch in einigen Fällen übliches Wort. 1) Bey den Jägern, welche für schneiden schärfen sagen, ist der Schurf ein Schnitt. Einen Schurf machen, einen Schnitt. 2) Im Bergbaue ist der Schurf ein senkrechtes Loch in die Erde. So werden daselbst die Löcher, worein die Lochsteine gesetzt, worin die Böcke der Tagekünste befestiget werden, Schürfe genannt. Am häufigsten kommt es daselbst von denjenigen Öffnungen vor, welche der Bergmann durch die Oberfläche der Erde gräbt, um sich dadurch den Weg zur Kenntniß des Ganges zu bahnen, ( S. Schürfen.) Einen Schurf oder mehrere Schürfe machen.

Anm. Es stammet von schürfen her, ( S. dasselbe.) Da dieses Wort auch bey den Böhmischen Bergleuten üblich ist, bey welchen es Ssorsfy lautet, so haben es viele nebst andern bergmännischen Wörtern aus dieser Sprache herleiten wollen. Allein bey dem Zeitworte wird gezeigt werden daß es echten Deutschen Ursprunges ist. Der größte Theil der Böhmischen Bergsprache gehöret viel mehr den Deutschen zu, indem es erweislich genug ist, daß diese die Lehrmeister der Böhmen im Bergbaue gewesen. In dem Lateinischen Tridentinischen Bergabschiede vom Jahre 1213 in Sperges Tirolerischer Bergwerksgeschichte kommt schon das Wort Xurfus vor.


Schürfen (W3) [Adelung]


Schürfen, verb. reg. act. welches eigentlich ritzen, schneiden, ein Loch machen u. s. f. bedeutet. In Schwaben ist es für ritzen noch völlig gangbar. Ehedem bedeutete es auch schneiden, wofür die Jäger heut zu Tage schärfen gebrauchen. Im üblichsten ist es im Bergbaue, wo man schürfet, wenn man am Tage einschläget, d. i. durch die Oberfläche der Erde gräbt, um nach Gängen, Klüften oder Flötzen zu suchen. Nach Gängen schürfen. Daher das Schürfen.

Anm. Notker gebraucht skurfan für excudere, heraus schlagen. Im Schwed. ist skarfva schneiden, und Skarra ein Ritz eine Wunde. Schürfen gehöret zu schärfen und scharf, und noch weiter zurück zu scheren, theilen. Das Böhmische ssorffo wati ist aus dem Deutschen entlehnet.


Schürfer (W3) [Adelung]


Der Schürfer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Bergmann, welcher schürfet, durch die Oberfläche der Erde nach Gangen oder Flötzen gräbt.


Schürfgeld (W3) [Adelung]


Das Schürfgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches der zur Belohnung bekommt, welcher einen neuen Gang erschürfet.


Schürfhobel (W3) [Adelung]


Der Schürfhobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern einiger Gegenden, der Hobel mit einem rundlichen Eisen, womit das Holz aus dem Groben bearbeitet wird, und welcher auch der Schärfhobel, Scharfhobel, Schrothobel, Schrupphobel heißt.


Schürfzettel (W3) [Adelung]


Der Schürfzettel, des -s, plur. ut nom. sing. eine schriftliche Erlaubniß des Bergmeisters, zu schürfen, d. i. Mineralien durch Graben ausfündig zu machen, wo man will.


Schürhaken (W3) [Adelung]


Der Schürhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein eiserner Haken an einem Stiele verschiedener Arbeiter, das Feuer damit zu schüren. Im Hüttenbaue ist ein Haken, womit das Gekrätz vorgeschüret wird.


Schürholz (W3) [Adelung]


Das Schürholz, des -es, plur. car. ein Collectivum, das zur Feuerung nöthige Holz in den Glashütten, Vitriolwerken u. s. f. im Gegensatze der Kohlen zu bezeichnen.


Schurigeln (W3) [Adelung]


+ Schurigeln, verb. reg. act. welches nur in der niedrigen Sprechart, besonders Niederdeutschlandes, üblich ist, wo es wie scheren 2 2), jemanden ohne Noth und Nutzen, gleichsam zur Lust, plagen und bemühen, bedeutet. Manzel glaubte in seinem Meklenb. Idiotico, es stamme von Schub und riegeln her, und beziehe sich vornehmlich auf die Fesselung gefangener Missethäter; Wachter leitete es von Schur und dem Angels. eglan, vexieren, ab; Ihre das Schwed. skurigla, welches es ihm zu Folge increpare bedeutet, von dem Ital. scoreggia, Peitsche, Geißel; Frisch mit mehrerm Rechte von schürgen, dem Intensivo von scheren, schurigeln für schürgeln, oft und viel scheren. S. Scheren 2 2).


Schurke (W3) [Adelung]


Der Schurke, des -n, plur. die -n, ein in den gemeinen Sprecharten aller Deutschen Provinzen sehr übliches Schmähwort, eine nichtswürdige männliche Person von jeder Art zu bezeichnen. Nieders. gleichfalls Schurk, Schwed. Skurk, Isländ. Skurka, Engl. Shark. Die Abstammung dieses Wortes ist wie der meisten ähnlichen Scheltwörter dunkel; wahrscheinlich ist es indessen doch, daß dieses Wort mit dem Lateinischen Scurra verwandt ist, wofür im mittlern Lateine ohne Zischlaut Curro und Curilis vorkommen. Schurk läßt sich figürlich von scheren und dessen Intensivo schergen, schürgen ableiten, so fern sie ehedem auch laufen, ingleichen im Lande umher streichen bedeuteten. Frisch führet bey dem Worte Scherge mehrere Beyspiele an, aus welchen erhellet, daß schurgen nicht nur antreiben, sondern auch laufen bedeutet. Vor etlicher Jahren Schurg, ist bey dem Jeroschin, vor einigen verlaufenden Jahren; in des Mayen Geschurg, im laufenden May, im Maymonath. Schurk würde also eigentlich einen Landläufer, Landstreicher bedeuten können. Das Schlesische Schurk, ein Tannapfel, Tannzapfen, gehöret zu einem ganz andern Stamme.


Schurkisch (W3) [Adelung]


Schurkisch, -er, -te, adj. et adv. einem Schurken ähnlich, in dessen Art zu denken und zu handeln gegründet.


Schürknecht (W3) [Adelung]


Der Schürknecht, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue, geringe Arbeiter, welche dem Abtreiber zur Hand gehen, das Feuer schüren, das Gekrätz verschüren u. s. f.


Schürl (W3) [Adelung]


Der Schürl, im Bergbaue, S. Schörl.


Schürloch (W3) [Adelung]


Das Schürloch, des -es, plur. die -löcher, das Loch in einem Ofen, durch welches das Feuer angeschüret, oder auch nur geschüret wird.


Schurren (W3) [Adelung]


Schurren, S. Scharren.


Schürschaufel (W3) [Adelung]


Die Schürschaufel, plur. die -n, im Hüttenbaue, eine Schaufel, womit man die vorgeschürten Ofenbrüche hinaus wirft.


Schurwolle (W3) [Adelung]


Die Schurwolle, plur. car. in einigen Mundarten für Scherwolle, abgeschorenen Wolle, im Gegensatze der Kaufwolle.


Schurz (W3) [Adelung]


Der Schurz, des -es, plur. die Schurze, ein Wort, welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Von einem Dinge, welches ein anderes zur Bedeckung oder zur Befestigung umgibt. 1) Im weitern Verstande, von einem jeden Dinge dieser Art; wo es doch nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist. Im Bergbaue heißt eine Kette, welche um ein Gefäß gelegt wird, ein Schurz. Der Schurz am Dache ist in den Salzkothen der unterste Theil des Kothdaches, welcher stärker mit Stroh belegt, und mit einem Brete verwahret ist. In den Küchen und andern Feuerstätten ist der Schurz am Herde eine Art Rauchfanges in der Höhe rings um den Herd, welcher den Rauch fasset und ihn nach dem Schlunde der Feuermauer leitet; er wird auch das Sturz, ingleichen der Mantel genannt. 2) In engerer Bedeutung ist der Schurz eine Art des Kleidungsstückes, mit welchem man die Blöße des Unterleibes bedeckt, und welches gemeiniglich ganz um den mittlern Theil des Leibes gehet, und so wohl die Schamtheile als auch den Hintern bedecket. Sie flochten Feigenblätter zusammen und machten ihnen Schürze, (Schurze,) 1 Mos. 3, 7. Jesus nahm einen Schurz und trocknete damit die gewaschnen Füße der Jünger, Joh. 13, 4, 5. Der Schurz ist in den heißen Ländern am gewöhnlichsten, wo man wegen der Hitze nackend gehet, um die Schamtheile zu bedecken, da er denn gemeiniglich die Gestalt eines langen Tuches hat, welches man um den mittlern Theil des Leibes wickelt. Nachmahls pflegt man auch gewisse kurze Schürzen, besonders wenn sie um den ganzen Leib gingen, Schurze zu nennen, von welcher Art auch der Schurz an dem ehemahligen Panzern ist. Die ähnliche Bekleidungen vieler Arbeiter und Handwerker, welche nur den Vordertheil des Unterleibes bedecken, heißen jetzt Schürzen, und wenn sie von Leder sind Schurzfelle, so daß Schurz in dieser Bedeutung wenig mehr gehöret wird. Wenn die Jäger das kurze Büschel Haare des Rehwildbretes und in weiterer Bedeutung auch wohl den ganzen hintern Theil der Hirsche, Rehe und Thiere den Schurz nennen, so scheinet es eine Figur dieser Bedeutung zu seyn. In noch weiterm Verstande heißt in Franken der Kittel der Landleute ein Schurz, wo denn die allgemeinen Bedeutung der Bedeckung hervorsticht. S. die

Anm. zu Schürze. 2. Von einem Dinge, welches einem andern zum Bande, zur Verbindung dienet. 1) Eigentlich, wo es gleichfalls nur in einigen einzelnen Fällen vorkommt. Im Bergbaue nennet man die Kette über der Stürzbühne, womit die Tonnen gefangen werden, einen Schurz, welchen Nahmen auch die Kette vor dem Brennofen, worein die Krücke und der Bock gelegt werden, führet, ingleichen dasjenige Stück einer Kette, womit das Holz, welches aus der Grube geschaffet werden soll, zusammen geschürzet oder gerädelt wird. Eben daselbst heißen auch die Ketten an den Kunststangen in den Gruben, und die Ketten, welche bey in einander Fügung der Kunststangen außer den Gruben gebraucht werden, Schurze. 2) Figürlich, mehrere mit einander verbundene Dinge Einer Art; gleichfalls nur in einigen Fällen. In großen Landwirthschaften einiger Gegenden pflegt man die zu einem Hofe gehörigen Schweine nach dem Alter in mehrere Haufen einzutheilen, und jeden Haufen mit einer eigenen Stallung zu versehen. Ein solcher Haufen heißt alsdann ein Schurz. Bey gerichtlichen Taxationen der Landgüter, wo sich jeder Theil Taxatores wählet, pflegen sich diese wieder in Parteyen abzusondern, so, daß immer zwey und zwey (von jedem Theile Einer) das Vieh, das Getreide u. s. f. taxiren, und solche zwey Taxatores heißen in Sachsen gleichfalls ein Schurz.

Anm. In der ersten Hauptbedeutung lautet dieses Wort auch im Böhm. und Pohln. Ssorc, Szorc. Es gehöret hier ohne Zweifel zur Gurt, dem nur der zufällige Zischlaut mangelt. ( S. Schürze und Schürzen.) In der zweyten Hauptbedeutung, besonders deren letztem Falle ist es mit Schar und ohne Zischlaut auch mit Herde verwandt. S. Schürzen.


Schürzband (W3) [Adelung]


Das Schürzband, des -es, plur. die -bänder, ein Band, womit man sich die langen Unterkleider aufschürzet, um von ihnen in manchen Verrichtungen desto weniger gehindert zu werden.


Schürze (W3) [Adelung]


Der Schürze, plur. die -n, Diminut. das Schürzchen, Oberd. Schürzlein. 1) * Von schürzen, knüpfen, ist die Schürze eine Schleife; in welcher Bedeutung es doch im Hochdeutschen nicht üblich ist, obgleich die Niedersachsen ihr Schorte in derselben gebrauchen. ( S. Schürzen.) Ein Kleidungsstück in Gestalt eines Tuches, welches um den Leib gebunden wird, und den Vordertheil des Unterleibes bedeckt. Dergleichen Schürzen haben verschiedene Arbeiter und Handwerker, um sich bey ihren Arbeitern die darunter befindlichen Kleidungsstücke nicht zu beschmutzen. Ist sie von Leder, so heißt sie alsdann ein Schurzfell. Besonders sind Schürzen ein gewöhnliches Kleidungsstück des andern Geschlechtes, dem es so wohl zur Reinlichkeit, als auch zum Putze dienet. Eine solche weibliche Schürze heißt im Nieders. Schorte, Schörte, im Osnabrück. Fördauk, Fürdook, um Bremen und Hamburg Slippe, Plate, im Oberdeutschen Fürtuch, Fürtüchel, (Pohln. Fartuch,) in Baiern Fürfleck, in Augsburg Fürsteck, im Nürnbergischen ein Fleck, Fleckel, und in der Rothwälschen Diebessprache Fürling, Fürbretling. Figürlich bedeutet Schürze zuweilen eine Person weiblichen Geschlechtes. Aber im Vertrauen, ich mag keiner Schürze mein Glück zu danken haben, Weiße.

Anm. In der zweyten Bedeutung der Begriff der Bedeckung, Bekleidung der herrschende zu seyn, weil die Schürzen bey der ersten ursprünglichen Einfalt eigentlich Bedeckungen der Blöße waren, ( S. Schurz, von welchem Wort dieses nur in dem Endlaute unterschieden ist.) Im Engl. ist daher Shirt, im Isländ. Skirta und im Schwed. Skörte, ein Unterkleid, ein Hemd, so daß das alte skar, bedecken, wovon Schauer, Schirm u. a. m. herkommen, als das Stammwort angesehen werden muß. Im Holländ. ist Schors die Rinde.


Schürzen (W3) [Adelung]


Schürzen, verb. reg. act. 1) Knüpfen, einen Knoten, eine Schleife machen. Einen Knoten schürzen. Eine Schleife schürzen. Die Natur hat ein festes Band zwischen Ältern und Kindern geschürzet, geknüpfet. 2) Vermittelst eines Gurtes befestigen. Die Kleider schürzen, die langen Unterkleider mit einem Gurte oder Schürzbande in die Höhe binden, wofür doch jetzt aufschürzen üblicher ist. Schürze dich, Luc. 17, 8. Figürlich sagt man eine aufgeschürzte Nase, eine kurze aufgeworfene Nase. Ehedem wurde aufschürzen auch für aufschieben gebraucht, welche Bedeutung das Nieders. upschorten noch hat. So auch das Schürzen, und in der ersten Bedeutung auch die Schürzung.

Anm. Im Nieders. schorten. In der ersten Bedeutung des Knüpfens scheinet es von Gurt, Chorda u. s. f. nur in dem Zischlaute unterschieden zu seyn; und dieser Sinn des Gürtens sticht auch in der zweyten Bedeutung merklich hervor, obgleich Frisch und andere es hier lieber von kurz und kürzen ableiten wollen.


Schürzenzins (W3) [Adelung]


Der Schürzenzins, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -e, in einigen Gegenden, eine Abgabe an Geld, welche die Leibeigenen oder Unterthanen dem Gutsherren für die Erlaubniß zu heirathen entrichten müssen, und welche an andern Orten der Hemdeschilling, das Frauengeld, der Fersenpfennig, der Bunzenzins u. s. f. heißt. Der letzte Nahme war ehedem zu Farnstädt im Querfurtischen üblich.


Schurzfell (W3) [Adelung]


Das Schurzfell, des -es, plur. die -e, eine Schürze von Leder, wie verschiedene Arbeiter dieselbe gebrauchen. ( S. Schurz.) Nieders. Schootvell, von Schoot, Schooß, eigentlich Schooßfell. Pohln. Szuftfal.


Schurzwerk (W3) [Adelung]


Das Schurzwerk, des -es, plur. inus. an einigen Orten, diejenige Bauart, nach welcher ein Haus aus über einander gelegten Balken erbauet wird.


Schuß (W3) [Adelung]


Der Schuß, des -sses, plur. die Schüsse, von dem Zeitworte schießen. I. So fern dasselbe ein Neutrum ist, ist der Schuß: 1. Der Zustand da ein Ding schießt, d. i. sich sehr schnell fortbeweget; ohne Plural. Der Schuß des Wassers. Das Wasser ist im Schusse, fließt unaufhaltbar schnell. Der Vogel ist am Schusse, wenn er äußerst schnell fortschießt. Ingleichen von einem mit der größten Geschwindigkeit laufenden Menschen oder Thiere. Daher sagt man auch figürlich, in den Schuß kommen, wenn man einen hohen Grad der Fertigkeit in einem Dinge erlanget. Noch figürlicher sagt man, ein Bienenstock stehe im Schusse, wenn er nach dem Schnitte von den Bienen wieder zugebauet wird. 2. Dasjenige, was schießet. 1) Von flüssigen Körpern, wo es nur in den Zusammensetzungen Vorschuß, Nachschuß u. s. f. üblich ist, ( S. dieselben.) 2) Von Gewächsen, so fern sich schießen schnell aufwachsen bedeutet, ist der Schuß, ein dieses Jahr gewachsenes Reis oder Theil an einem Gewächse, wo das Wort in einigen Fällen auch Schoß, Schößling und Schüßling lautet. 3) In einigen im Bergbaue üblichen Zusammensetzungen bedeutet Schuß etwas, das einem andern Dinge von außen ähnlich ist, ohne zu demselben zu gehören. So ist Eisenschuß eine Bergart, welche dem Eisenerze ähnlich ist, aber kein Eisen enthält. Ingleichen, was mit einer gewissen Bergart vermischt ist. Bergschüssiges Erz, welches mit tauben Stein- oder Erdarten vermischt ist. II. So fern dasselbe ein Activum ist. 1. So fern es von einem Schießgewehre und in noch engerer Bedeutung von einem Feuergewehre gebraucht wird. 1) Der Knall eines Schießgewehres, und die Handlung, da man dasselbe abdrückt und losbrennt. Es geschiehet ein Schuß. Ich hörte einen Schuß. Ein Schuß aus einer Flinte, Kanone u. s. f. Einen Schuß thun. Sich zum Schusse fertig machen. Es fiel gleich auf den ersten Schuß. Es treffen nicht alle Schüsse. Sprichw. Weit davon ist gut vor dem Schuß; im Theuerd. weit hindan ist für die schüß gut. 2) Der Zustand, da man von einem solchen Schusse getroffen wird. Einen Schuß aushalten. Einen Schuß bekommen, haben. Figürlich ist, einen Schuß haben, eben das, was mit härtern Ausdrücken, ein Narr seyn, ist; eine R. A. welche mit der, einen Nagel haben, allem Anschein nach einerley Ursprung hat, S. 2 Nagel, ingleichen Schießen. 3) Die Stelle, wo ein Thier durch den Schuß verwundet worden, besonders bey den Jägern. 4) Die Ladung eines Schießgewehres. Den Schuß aus der Flinte, aus der Kanone heraus ziehen. Der Schuß ist stecken geblieben. Ein Schuß Pulver, so viel Pulver als man zu einer Ladung gebraucht. 5) Die Richtung, wohin man schießet; ohne Plural. Jemanden in den Schuß kommen, treten. 2. So fern schießen oft für werfen gebraucht wird, ist Schuß zuweilen so viel als ein Wurf, zuweilen auch so viel als auf Ein Mahl geworfen, geschoben u. s. f. wird. Wo schießen von dem Geldzählen gebraucht wird, da ist ein Schuß so wohl der Wurf mehrerer Geldstücke auf Ein Mahl, als auch so viel Geldstücke, als man auf Ein Mahl aus der Hand zu werfen pflegt. Bey den Bäckern ist ein Schuß Brot so viel als auf Ein Mahl in den Ofen geschossen oder geschoben wird, ein Ofen voll, ein Gebäcke.

Anm. Im Nieders. Schott, Schötte, im Engl. Shot, im Schwed. Skott. S. Schießen.


Schußbaum (W3) [Adelung]


Der Schußbaum, des -es, plur. die -bäume, im Bergbaue, Bäume oder Hölzer, welche über den Schacht gelegt werden, damit nichts hinein schieße und der Bergmann sicher darunter arbeiten könne. Ein solches Gerüst aus Bäumen und Bretern heißt eine Schußbühne.


Schußbolzen (W3) [Adelung]


Der Schußbolzen, des -s, plur. ut nom. sing. ein gewisser Bolzen in der zur Ausstückelung der Münzen in den Münzstädten üblichen Maschine.


Schußbühne (W3) [Adelung]


Die Schußbühne, plur. die -n, S. Schußbaum.


Schüssel (W3) [Adelung]


Die Schüssel, plur. die -n, Dimin. das Schüsselchen, Oberd. Schüssellein, ein rundes oder ovales Gefäß mit einem flachen Boden und flachen Rande, die Speisen darin aufzutragen. Eine Bratenschüssel, Suppenschüssel u. s. f. Eine Schüssel Fische, ein Gericht Fische. In Niedersachsen sagt man sprichwörtlich: wenn es Brey regnet, sin meine Schüsseln umgekehrt, mich trifft kein Glück, wenn eine Gelegenheit zum Glücke da ist, so muß sie mir allemahl durch ein Hinderniß vereitelt werden. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit der Gestalt wird auch eine Art Schalthiere mit einer ungewundenen kenoidischen Schale die Schüssel, das Schüsselchen oder die Schüsselmuschel, Napfmuschel, Schalmuschel genannt; Patella. Schale und Schüssel sind in der Gestalt der Vertiefung unterschieden. Die erste gleicht mehr einer halben Kugel, die letzte ist flacher. Indessen werden beyde in manchen Fällen auch als gleichbedeutend angesehen. So sagt man so wohl Schleifschale als Schleifschüssel, obgleich der erste Ausdruck hier der eigentliche ist. Schüssel und Teller sind oft in der Gestalt sehr gleich, aber in der Größe und dem Gebrauche verschieden.

Anm. Im Tatian Scuzzila, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Scuzel, im Niedersächs. Schottel, Schöttel, im Engl. Scuttle, im Angels. Scutel, im Bretagn. Scudel, im Lat. Scutula, Scutella, im Ital. Scodella und Ciottola, welches letztere eine kleine Trinkschale ohne Füße bedeutet, im Franz. Escuelle für Escudelle, im Span. Escudilla. Die Endsylbe -el bedeutet ein Subject, ein Ding, daher es nur auf die erste Sylbe ankommt, welche zu Schooß, Schatz in der Bedeutung eines hohles Raumes, Scheide, und ohne Zischlaut zu Katze, in der Bedeutung eines Behältnisses, Cadus, Kutte, Kasten, Casse u. s. f. gehöret. Indessen findet auch der Begriff der flachen Beschaffenheit Statt, indem im Schwed. und Isländ. Skutul eigentlich einen Tisch oder vielmehr nur das Tischblatt bedeutet, wobey denn die alte so wohl bey den Griechen als nördlichen Völkern übliche Art zu speisen erwogen werden muß, wo immer zwey und zwey an einem viereckten Tischblatte saßen, auf welches die Speisen, vermuthlich ohne alles andere Gefäß, gelegt wurden. An die Stelle dieser Tischblätter sind unsere heutigen Schüsseln mit Beybehaltung des alten Nahmens gekommen. Indessen sind beyde Bedeutungen nahe verwandt, so wie auch Schale so wohl ein tiefes Gefäß, als einen dünnen flachen Körper bedeutet.


Schüsselhecht (W3) [Adelung]


Der Schüsselhecht, des -es, plur. die -e, in den Küchen ein Nahme der Hechte von mittelmäßiger Größe, vielleicht weil man mit einem solchen Hechte, eine mäßige Schüssel füllen kann; der Mittelhecht. Ingleichen ein Hecht, welcher auf einer Schüssel über Kohlen, ohne Wasser, in seiner eigenen Brühe gekocht wird.


Schüsselknecht (W3) [Adelung]


Der Schüsselknecht, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein hölzernes Gestell, die abgewaschenen Schüsseln und Teller darauf zu trocknen. S. Knecht.


Schüsselkoch (W3) [Adelung]


Der Schüsselkoch, des -es, plur. die -köche, eben daselbst, eine Art Milchspeise, welche in der Schüssel in einem Ofen gebacken wird. S. Koch.


Schüssellehen (W3) [Adelung]


Das Schüssellehen, des -s, plur. ut nom. sing. eine nur in einigen Gegenden übliche Art des Lehens, vielleicht, weil es mit einer Schüssel, d. i. einem Gerichte Essen, verdienet, oder eine solche Schüssel voll Essen bey der Lehensempfängniß dem Lehensherren entrichtet wird. S. Becherlehen.


Schüsselmorchel (W3) [Adelung]


Die Schüsselmorchel, S. Becherschwamm.


Schüsselmuschel (W3) [Adelung]


Die Schüsselmuschel, plur. die -n, S. Schüssel.


Schüssel-Pastete (W3) [Adelung]


Die Schüssel-Pastete, plur. die -n, in den Küchen, eine nach Art der Pasteten zugerichtete Speise, welche in der Schüssel gebacken wird.


Schüsselpfennig (W3) [Adelung]


Der Schüsselpfennig, des -es, plur. die -e, bey dem großen Haufen, ein Nahme der ehemahligen Bracteaten oder Hohlmünzen, weil sie einige Ähnlichkeit mit einer Schüssel haben.


Schüsselring (W3) [Adelung]


Der Schüsselring, des -es, plur. die -e, ein runder zierlich gearbeiteter Ring oder Kranz vom Zinn, Kupfer, Silber u. s. f. die Schüsseln auf den Tisch darauf zu stellen, um das Tischtuch nicht zu beschmutzen. Geringere werden auch das Weiden, Stroh u. s. f. geflochten.


Schusser (W3) [Adelung]


Der Schusser, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Schüsserchen, Oberd. Schüsserlein, kleine Kugeln von Alabaster oder Thon, womit die Kinder gewisse Spiele zu spielen pflegen, und welche auch Schnellkügelchen, heißen, ( S. Schnellkugel.) Es ist von schießen, so fern es für schnellen stehet.


Schusserbaum (W3) [Adelung]


Der Schusserbaum, des -es, plur. die -bäume, der Nahme eines Indianischen und Amerikanischen Baumes, dessen kugelrunde steinharte Früchte den Kindern der Indianer statt der Schusser dienen; Guilandina L. nach dem Paduanischen Professor Melchior Guilandini. Die Behennuß ist eine Art davon.


Schußgatter (W3) [Adelung]


Das Schußgatter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gatter oder Gitterthor, so fern es sich vor dem Ausflusse eines Wassers befindet, welches daselbst seinen Schuß, d. i. schnellen Ablauf hat; bey einigen Schutzgatter. S. Schutzgatter.


Schußgeld (W3) [Adelung]


Das Schußgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches einem Jäger für jedes geschossene Wild oder Raubthier bezahlet, und ihm damit der Aufwand des Schusses, d. i. des Pulvers und Bleyes, vergütet wird; das Schießgeld.


Schüßkeil (W3) [Adelung]


Der Schüßkeil, des -es, plur. die -e, in der Geschüßkunst ein Nahme des Richtkeiles, weil die Kanonen kann zum Schusse gerichtet werden.


Schüßling (W3) [Adelung]


Der Schüßling, in einigen Mundarten für Schößling, siehe dasselbe.


Schußmäßig (W3) [Adelung]


Schußmäßig, -er, -ste, adj. et adv. bey dem Jägern, dem Schusse gemäß, d. i. in der gehörigen Entfernung, in welcher man ein Thier durch den Schuß erlangen kann. Der Hirsch steht schußmäßig.


Schußpferd (W3) [Adelung]


Das Schußpferd, S. Schießpferd.


Schußwunde (W3) [Adelung]


Die Schußwunde, plur. die -n, eine durch einen Schuß verursachte Wunde.


Schuster (W3) [Adelung]


Der Schuster, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schusterinn, ein zünftiger Handwerker, welcher Schuhe verfertiget, und welchen man in der anständigern Sprechart lieber einen Schuhmacher nennet. In manchen Arten der Spiele pflegt man denjenigen, welcher ein doppeltes Spiel verlieret, Schuster zu nennen; Schuster werden, jemanden zum Schuster machen. Das Wort Schneider ist auf ähnliche Art üblich. In Niedersachsen werden die langbeinigen Spinnen, welche sich gegen den Herbst häufig unter den Dächern, an den Wänden und Zaunen einfinden, Schuster genannt.

Anm. Nieders. Schöster. Die unmittelbare Ableitung von Schuh, vermittelst der Endsylbe -er, welche sonst in ähnlichen Fällen Statt findet, hat Schwierigkeiten, weil man für das eingeschaltete st keinen wahrscheinlichen Grund finden würde. Ehedem nannte man einen Schuster häufig Suter, aus dem Lat. Sutor, und um der deutlichern Bestimmung willen Schuh suter, welches in Twingers Vocabulario und andern alten Schriften häufig vorkommt. Frisch glaubt nicht unbillig, daß unser Schuster daraus zusammen gezogen sey. Indessen stehet es dahin, ob es nicht von dem Französischen Chaussetier abstammet, welches eigentlich einen Handwerker bedeutet, der die kurzen Stiefel verfertiget, welche ehedem unter dem Nahmen der Hosen, Franz. Chausses, bekannt waren. ( S. 2 Hose.) Unsere Schuhe sind eine ausländische Erfindung, daher man sich auch die fremde Benennung ihres Verfertigers nicht befremden lassen darf. In alten Osnabrückischen Urkunden heißt ein Schuster Schowerte.


Schusterahle (W3) [Adelung]


Die Schusterahle, S. Schuhahle.


Schusterkarpfen (W3) [Adelung]


Der Schusterkarpfen, des -s, plur. ut nom. sing. im Scherze, ein Nahme der Schleyen, so wie man die Häringe aus einer ähnlichen Ursache Schneiderkarpfen zu nennen pflegt, S. dasselbe.


Schusterkneif (W3) [Adelung]


Der Schusterkneif, des -es, plur. die -e, ein Kneif oder rundes Messer, wie es die Schuster gebrauchen, S. Kneif.


Schusterlicht (W3) [Adelung]


Das Schusterlicht, des -es, plur. die -e, oder -er, eine Art Lichte mit zwey Dochten, wie selbige die Schuster gebrauchen.


Schustern (W3) [Adelung]


Schustern, verb. reg. act. welches nur im gemeinen Leben üblich ist. 1) Schuhe machen, ausbessern, oder solche Arbeit verrichten, welche die Schuster zu verrichten pflegen, auf welche Art man im ähnlichen Verstande auch schneidern sagt. 2) Im Tricktrack schustert man, wenn man seinem Mitspieler so weit überlegen ist, daß man gleich in der ersten Hälfte des Bretes sechs doppelte Steine stehen hat, welches gewöhnlicher Weise erst in der zweyten Hälfte zu geschehen pflegt; vermuthlich weil der Mitspieler dabey in Gefahr ist, Schuster zu werden. 3) Von dem zusammen gesetzten einschustern, welches auch die Ableitung von der vorigen Bedeutung leiden würde, S. dieses Wort.


Schusterpech (W3) [Adelung]


Das Schusterpech, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, eine besondere Art weichen Peches, so wie die Schuster es zum Pechdraht gebrauchen.


Schusterschwärze (W3) [Adelung]


Die Schusterschwärze, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, eine Schwärze oder schwarze Farbe, womit die Schuster das Leder, die Absätze u. s. f. schwärzen.


Schusterzwecke (W3) [Adelung]


Die Schusterzwecke, plur. die -n, eiserne Zwecken, wie die Schuster sie gebrauchen; Schuhzwecken.


Schut (W3) [Adelung]


Der Schut, das Holländ. Schout, welches mit unserm Schulze ein Vorgesetzter, gleichbedeutend ist. Wir kennen es nur aus dem Holländischen Seewesen, wo der Schut bey Nacht ein Flaggen-Officier ist, welcher die dritte Abtheilung einer Flotte, oder die Arrier-Garde führet, und besonders auf die Fahrt der Schiffe bey der Nacht Acht hat. Aus dem Holländischen Seewesen haben auch die Schweden, Dänen, Russen und andere dieses Wort angenommen, Nach der Schlacht bey Pultawa ließ Peter der I. sich selbst zum Schut by Nacht bestellen.


Schüte (W3) [Adelung]


Die Schüte, (nicht Schuite) plur. die -n, Dimin. das Schütchen, in dem Niederdeutschen Seewesen, eine Benennung einer Art Fahrzeuge oder Schiffe, welche doch von verschiedener Art sind. In Bremen u. s. f. ist es ein bloßer Kahn oder Rachen, ohne Mast und Segel, zum Übersetzen über Flüsse. Eine Hamburger Schute oder Schüte ist ein großer Kahn, welcher 120 Fuß lang, in der Mitte 18 Fuß breit, und 5 Fuß hoch ist, vorn einen Schnabel, hinten eine Kajüte, und ein breites Hintertheil hat, und auf der Spree, Havel und Elbe gebraucht wird. Auf der Ostsee sind die Schuten oder Schüten eine Art Schiffe mit drey Masten, ohne Körbe, welche kurz und breit sind, und vorn und hinten spitzig zugehen. In Holland nennet man alle Fahrzeuge, welche stärker von Holz als gewöhnlich sind, Schüten, wohin denn nicht nur die Schaluppen gehören, welche neben den Segeln auch Ruder führen, sondern auch die Treckschüten, von dem Niederdeutschen trecken, ziehen, weil sie auf den Canälen fortgezogen werden.

Anm. Im Engl. Scute, im Holländ. Schuyte, im Schwed. und Isländ. Skuta, im Irländ. Scud, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Lat. Schedium, im mittlern Lat. Escauda. Die Abstammung ist ungewiß. Das Wort kann, wie so viele andere ähnliche, eigentlich eine allgemeine Benennung eines hohlen Behältnisses seyn, da es denn zu Schooß, Nieders. Schoot, Schüssel u. s. f., gehören würde. Es kann aber auch von dem Nieders. Schutt, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Haut, Fell, weil man die Nachen ehedem aus Thierhäuten verfertigte, oder auch von schießen, Nieders. scheten, abstammen, da es denn zunächst einer Art schneller Schiffe zukommen würde; anderer Muthmaßungen zu geschweigen.


Schutt (W3) [Adelung]


Der Schutt, des -es, plur. doch nur in der folgenden ersten Bedeutung, die Schütte, von dem Zeitworte schütten, was geschüttet wird; wo es doch nur in einigen einzelnen Fällen üblich ist. 1. * Ein Erdwall, weil er aus zusammen geschütteter Erde entstehet und bestehet; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Sie schütteten einen Schutt um die Stadt, 2 Sam. 20, 15. Nebucadnezar lagerte sich vor Jerusalem und bauete einen Schutt um sie her, 2 Kön. 25, 1. Daß es Böcke führen soll wider die Thore, und da Wall, Schütte und Bollwerke baue, Ezech, 21, 22; und so in andern Stellen mehr. 2. Als ein Collectivum und ohne Plural. 1) Unbrauchbare, weggeschüttete Erde und deßgleichen, besonders die Überbleibsel beym Bauen von Steinstücken, Kalk u. s. f. Den Schutt wegführen. 2) Im Brauwesen wird das zu einem Gebräude gehörige Malz der Schutt genannt, besonders wenn es mit Guß, das Wasser, in Verbindung stehet. Nach dem vorgeschriebenen Schutt und Guß brauen, die vorgeschriebene Menge Malzes und Wassers nehmen. Zu einem Gebräude Bier gehören zwölf Scheffel Schutt, (Malz,) zwanzig Eimer Guß, (Wasser,) und zwey Scheffel Hopfen. 3) Auch in der Landwirthschaft wird unter Schutt oft das Getreide verstanden. Der Hirtenlohn und Schutt, der Hirtenlohn und das Getreide, welches dem Hirten so wohl als Lohn als auch für das Vieh gegeben wird. Auf manchen Gütern pflegt am vier Schafe für eine Kuh im Hirtenschutte zu rechnen. Wo aber auch schütten in diesem Verstande gangbar ist. Dem Hirten drey Viertel Korb erschütten, entrichten. Das Vieh aufs Jahr verschütten, den Hirtenlohn an Getreide dafür entrichten.


Schütt (W3) [Adelung]


Die Schütt, plur. die -en, ein nur in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, übliches Wort, eine Insel in einem Flusse zu bezeichnen, wo es auch als ein eigenthümlicher Nahme solcher Flußinsel vorkommt. In Nürnberg macht die Pegnitz zwey Inseln, wovon die eine die Schütt heißt. Um Wien, in Ungarn u. s. f. heißen mehrere Inseln in der Donau die Schütt. Es stammet allem Ansehen nach auch von schütten her, und bedeutet eigentlich ein von dem Flusse angeschüttetes oder zusammen gespültes Land. Eben so wird auch das von dem Wasser an festes Land angespültes Erdreich in vielen Gegenden die Anschütt genannt.


Schüttboden (W3) [Adelung]


Der Schüttboden, des -s, plur. die -böden, ein Boden, auf welchem man das Getreide zu künftigem Gebrauche in Menge aufschüttet; in Niedersachsen ein Speicher, in der Schweiz die Schütte.


Schütte (W3) [Adelung]


Die Schütte, plur. die -n, gleichfalls von dem Zeitworte schütten. 1) * Ein Schüttboden, oder Schütthaus; doch nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, ( S. das vorige.) 2) * Ein Haufen mehrerer auf einander geschütteter Dinge, und in weiterer Bedeutung, ein Haufen überhaupt; gleichfalls nur im Oberdeutschen. Eine Sandschütte, Kalkschütte, Steinschütte. ( S. Geschütte.) 3) Figürlich, ein Bund, ein Bündel, in der Landwirthschaft, wo es doch nur in Meißen Thüringen u. s. f. von den Bünden langen ausgedroschenen Strohes von mittelmäßiger Stärke üblich ist, welche man in Oberdeutschland Schauben, und in Niedersachsen Schoose zu nennen pflegt. Eine Schütte Stroh. Von krummen Stroh oder andern Dingen ist dieses Wort nicht üblich. Im Wendischen ist schiju heften, und schity zusammen geheftet.


Schütteln (W3) [Adelung]


Schütteln, verb. reg. act. welches das verkleinernde Frequentativum des folgenden schütten ist, aber nur in der dritten Bedeutung vorkommt, zitternd hin und her bewegen. Jemanden die Hände schütteln, zum Zeichen der Treuherzigkeit. Den Kopf schütteln, den Kopf zu etwas schütteln, zum Zeichen der Verneinung, der Mißbilligung, der Bedenklichkeit. In der Deutschen Bibel kommt es auch als ein Zeichen der Verachtung, der Verspottung vor, auf welche Art es sonst ungewöhnlich ist. Daß die Völker das Haupt über uns schütteln, Ps. 44, 15. Die aber vorüber gingen, lästerten ihn, und schüttelten ihre Köpfe, Matth. 27, 39. Das Fieber schüttelt mich. Von einem Pferde, auf einem Wagen geschüttelt werden, im Reiten oder Fahren, wenn das Pferd einen schweren Gang hat, und der Wagen stößt; wo die Niedersachsen ihr suckeln gebrauchen. Einen Baum schütteln, damit die Früchte u. s. f. herunter fallen. Ingleichen, durch ein solches Schütteln heraus, davon herab bringen. Äpfel von dem Baume schütteln. Pflaumen schütteln. Den Staub von den Füßen schütteln, Matth. 10, 14. Eine Rede aus dem Ärmel schütteln, figürlich, sie aus dem Stegreife, unvorbereitet, halten. Die Schafe schüttelten den Regen von der triefenden Wolle, Geßn. Eben hatte der weichende Winter von stürmischen Schwingen Seine letzten Schauer von rieselndem Hagel geschüttelt, Zach. S. auch das Schütteln.

Anm. Im Nieders. schuddeln, in Oberschwaben schotteln, welches daselbst auch für rütteln gebraucht wird, welches doch im Hochdeutschen davon verschieden ist. Die ältern Deutschen Schriftsteller gebrauchen für schütteln das einfachere Stammwort schütten, wie Kero scutan; auch die Niedersachsen sagen noch schudden. Siehe das folgende.


Schütten (W3) [Adelung]


Schütten, verb. reg. welches ein sehr altes Zeitwort von vielfacher Bedeutung ist. Das doppelte t in der Mitte zeiget schon an, daß es der Form nach ein Intensivum, dessen einfacheres Stamm- wort schaden, scheden, scheiden, schuden u. s. f. gelautet hat, und so wie alle Zeitwörter ursprünglich eine Nachahmung eines gewissen Lautes, wegen des vorgesetzten Zischlautes aber wiederum ein Intensivum von einem alten gaden, geden, (Nieders. geten, gießen,) u. s. f. war. Da einerley Laut oft mit sehr verschiedenen Handlungen verknüpft ist, so rühretes daher, daß dieses Zeitwort noch jetzt in manchen, der Bedeutungen noch sehr weit von einander entfernten Fällen gebraucht wird, die man aber bey der Bildung der Wörter unter einerley Laut empfunden hat. Ich will nur noch die jetzt gebräuchlichen anführen, denn der veralteten oder in andern Sprachen gangbaren ist eine große Menge. ES ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Activum. 1. * Bedecken, und figürlich beschützen; eine jetzt veraltete Bedeutung, welche noch im Theuerdanke vorkommt: Der sy schirmet vnnd endtschüttet. Wir gebrauchen in diesem Verstande das neue davon gemachte Intensivum schützen, ( S. dasselbe.) Verwandt sind damit, in Ansehung der ersten ursprünglichen Bedeutung, unser Scheide, Schatz, das Nieders. Schuut, die Haut, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und ohne Zischlaut, Haut, Hütte, Kutte und hundert andere mehr. Eine Figur eben dieser Bedeutung ist das noch in Niederdeutschland gangbare schütten, pfänden, welches doch nur von dem Viehe gebraucht wird, wenn es auf eines andern Grund Schaden gethan hat, und bis zur Ersetzung dieses Schadens von dem Eigenthümer eingesperret wird. Im Englischen ist so shut zuschließen, und im Nieders. Schott ein Riegel, und schotten riegeln, in welchem Falle es aber auch von schießen, Nieders. scheten, so fern es schnell schieben bedeutet, abstammen kann. Von diesem schütten oder pfänden wird eine vereidigter Feldwächter auch im Hochdeutschen eine Schütze genannt, S. dieses Wort. 2. Gerinnen, wo es als ein Reciprocum gebraucht wird. Die Milch hat sich geschüttet. Daher wird der geronnene Theil der Milch in der Schweiz Schotten ( S. dieses Wort) und im Holländischen Hotte genannt. Es scheinet hier ein Intensivum von scheiden zu seyn, welches gleichfalls active für gerinnen machen gebraucht wird, die Milch mit Lab scheiden, geschiedene Milch. Indessen kommt auch das Schwed. skutta, laufen, mit in Betrachtung, welches so wohl zu scheiden, sich entfernen, als auch zu schießen, Nieders. scheten, sehr schnell den Ort verändern, gehöret. Man sagt in eben demselben Verstande, die Milch läuft zusammen. 3. * Heftig hin und her bewegen; eine jetzt veraltete Bedeutung, von welcher, doch mit verschiedenen Graden der Intension, jetzt schütteln und schüttern üblich sind. Kero gebraucht dafür scutan, erscutan, womit auch die Lat. quatere, cutere in concutere, das Ital. scuotere, das Wallach. skuturu und so ferner üblich sind. 4. In Menge und mit einer Art von Heftigkeit gießen. 1) Eigentlich, wo es im Deutschen so wohl von trocknen als flüssigen Körpern gebraucht wird. Von trocknen, wenn mehrere derselben auf Ein Mahl und mit Heftigkeit ausgeleeret werden. Das Korn aus dem Sacke schütten. Erde an die Bäume schütten. Die Steine in einem Winkel, auf einen Haufen schütten. Die Äpfel aus dem Korbe schütten. Der Brauer darf nicht mehr Malz schütten (zu einem Gebräude nehmen) als nöthig ist. ( S. Schutt.) Man soll den abgeschabenen Leimen (abgeschabten Lehm) an einen unreinen Ort schütten, 3 Mos. 14, 41. Sie haben das Geld zu Hauf geschüttet, 2 Chron. 34, 17. Von flüssigen Körpern, wo es ein Intensivum von gießen, Nieders. geten, ist, und eine größere Menge, und größere Heftigkeit andeutet, als dieses, oft aber auch mit demselben als gleich- bedeutend gebraucht wird. Öhl in das Feuer schütten. Du sollt das Salböhl auf sein Haupt schütten, 2 Mos. 29, 7. Alles andere Blut sollt du an des Altars Boden schütten, V. 12. Der das Wasser auf den Erdboden schüttet, Amos 5, 8. Schütte nicht, d. i. verschütte nichts von dem flüssigen Körper. 2) Figürlich. (a) In der Landwirthschaft wird es zuweilen absolute gebraucht, für, Getreide geben, entrichten. In Obersachsen muß ein jeder dem Huthmanne das Lohngetreide nach der Hufe schütten. Dem Hirten schütten, ihm sein bestimmtes Getreide geben oder entrichten. Das Vieh verschütten, das Hirtenlohn von dem Viehe an Getreide entrichten. (Siehe Schutt.) (b) Gebären, zur Welt bringen; eine bey den Jägern so wohl von den Hündinnen und Wölfinnen, als auch von dem Wildbret übliche Bedeutung, wo es das Ansehen eines Zeitwortes von der Mittelgattung hat, eigentlich aber ist der Accusativ nur verschwiegen. (c) In reichem Maße ertheilen, in der biblischen und höhern Schreibart. Gott schüttet seine Barmherzigkeit aus über sie, Sir. 18, 9. Da Verachtung auf die Fürsten geschüttet war, Ps. 107, 40. Schütte deinen Grimm auf die Heiden, Ps. 79, 6. Er wird Strahlen über sie schütten, Ps. 140, 11. II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es doch nur in einigen Fällen für ergeben, ergiebig seyn, üblich ist, eigentlich aber auch einen verschwiegenen Accusativ voraus setzet. Drey Schock Garben schütten drey Scheffel, gaben so viele Körner. Das Getreide schüttet dieses Jahr reichlich, gibt ein reichliches Maß von Körner. Auf eben die Art gebraucht man es auch im Bergbaue, wo das Bergwerk, die Zeche schüttet, wenn viele und reiche Anbrüche in derselben vorhanden sind. So auch das Schütten.

Anm. In der vierten Bedeutung des Activi, als der gewöhnlichsten bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern scutan, im Nieders. schudden, im Engl. to shed, im Schwed. skudda, im Wallis. ysgyddio, im Chald. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Ohne Zischlaut gehören auch theils gießen, Nieders. geten, theils das Nieders. keuten, gießen, theils aber auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; dahin. Es ist hier eine unmittelbare Onomatopöie eines starken Gießens.


Schüttenstroh (W3) [Adelung]


Das Schüttenstroh, des -es, plur. car. von dem Hauptworte Schütte, langes Stroh, welches gemeiniglich in Schütten gebunden wird, Langstroh; zum Unterschiede von dem Krummstroh oder Wirrstroh.


Schütterfisch (W3) [Adelung]


Der Schütterfisch, S. Zitteraal.


Schüttern (W3) [Adelung]


Schüttern, verb. reg. welches das vergrößernde Intensivum von schütten ist, so wie schütteln das verkleinernde. Es ist doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, allen seinen Theilen nach in einer zitternde Bewegung gesetzten werden; wo es in manchen Mundarten schuttern lautet, zum Unterschiede von dem folgenden Activo schüttern. Im Hochdeutschen werden beyde gemeiniglich nicht unterschieden. Die Lenden schüttern ihm, Dan. 5, 6; wo man doch jetzt lieber zittern gebrauchen würde. Er lachte, daß ihm der Bauch schütterte. Daß von dem donnernden Rad In den schütternden Fenstern die Scheiben erbeben sollen, Zachar. II. Als ein Activum, schüttern machen; wo doch jetzt erschüttern üblicher ist, S. dasselbe. Anm. Schüttern, Nieders. schuddern, Engl. to shudder, ist dem Ursprunge nach eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, der Form nach aber ein Intensivum und Iterativum von schutten, schütten, welches ehedem dafür gebraucht wurde. Sih scutita thiu Erda, die Erde erschütterte, Ottfr. Thaz wazar er yrscutita, er erschütterte das Wasser, eben derselbe. Zittern und schaudern sind nahe damit verwandt nur daß schüttern in Ansehung beyder ein Intensivum ist; in Ansehung des erstern, wegen des stärkern Zischlautes in Ansehung des letztern wegen des verdoppelten t, und in Ansehung beyder wegen des breitern u oder Ü.


Schüttgabel (W3) [Adelung]


Die Schüttgabel, plur. die -n, in der Landwirthschaft, eine hölzerne, selbst gewachsene Gabel, womit das ausgedroschene Krummstroh auf der Tenne aufgeschüttet wird, die noch darin befindlichen Körner heraus zu bringen.


Schüttgelb (W3) [Adelung]


Das Schüttgelb, subst. indecl. plur. car. eine Art gelben Farbenteiges, der aus Bleyweiß oder einer kreidigen Erde bereitet wird, welche so stark als möglich mit dem Safte der Avignonschen Beeren gefärbet worden. Der Nahme soll aus dem Holländischen Schyt-gheel abstammen, weil dieser Farbenkörper den gelben Excrementen kleiner Kinder ähnlich ist.


Schüttgeld (W3) [Adelung]


Das Schüttgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, ein von schütten, pfänden, nur in Niederdeutschland übliches Wort, dasjenige Geld zu bezeichnen, welches der Eigenthümer für sein gepfändetes Vieh bezahlen muß.


Schütthaus (W3) [Adelung]


Das Schütthaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus oder Gebäude, wo Getreide oder eine andere ähnliche Waare zum künftigen Gebrauche in Menge aufgeschüttet wird; in Niedersachsen ein Speicher, in der Schweiz eine Schütte.


Schuttkarren (W3) [Adelung]


Der Schuttkarren, des -s, plur. ut nom. sing. ein zweyräderiger Karren mit einem Kasten, den Schutt darauf wegzuführen.


Schüttmohn (W3) [Adelung]


Der Schüttmohn, des -es, plur. car. der Mohn mit schwarzen Samen, mit Löchern oben an der Samenkapsel, woraus sich der Same schütten läßt; dagegen der Gartenmohn mit weißem Samen keine solchen Löcher hat.


Schüttplatz (W3) [Adelung]


Der Schüttplatz, des -es, plur. die -plätze, im Jagdwesen, Plätze in einem Walde, auf welchen den wilden Schweinen zur Winterzeit Gerste, Hafer oder Eicheln vorgeschüttet werden.


Schüttrecht (W3) [Adelung]


Das Schüttrecht, des -es, plur. inus. in Niederdeutschland, das Recht zu schütten, d. i. das Vieh eines andern, wenn es Schaden thut, zu pfänden.


Schüttsenf (W3) [Adelung]


Der Schüttsenf, des -es, plur. inus. bey einigen ein Nahme des wilden Senfes oder Hederiches, Erysimum L. welcher auch Wegesenf genannt wird. Etwa für Schuttsenf, weil er gern auf den Schutthaufen, Dämmen und Wegen wächst?


Schüttstall (W3) [Adelung]


Der Schüttstall, des -es, plur. die -ställe, in Niederdeutschland, ein Stall, worein das gepfändete Vieh gesperret und bis zur Auslösung aufbehalten wird; von schütten, pfänden.


Schutz (W3) [Adelung]


Der Schutz, des -es, plur. die Schütze, ein besonders in einer doppelten Bedeutung übliches Wort. 1) Im Wasserbaue ist der Schutz eigentlich eine Schub- oder Fall-Thür oder ähnliche Anstalt, das zudringende Wasser zu hemmen, ein Wehr mit der dazu gehörigen Schubthür. Schutze an einem Strome anordnen: ( S. Schutzbret, Schutzgatter.) Im Niedersächs. Schott, welches aber auch einen Riegel bedeutet, entweder von schießen, schnell schieben, weil der Riegel und eine solche Schubthür geschoben werden, oder auch weil eine solche Anstalt den Schuß des Wassers so wohl aufhält als auch befördert. Indessen kann auch die folgende Bedeutung des Abhaltens, Vertheidigens dabey mit in Betrachtung kommen. 2) Ohne Plural ist der Schutz die Abhaltung oder Abwehrung alles Nachtheiligen von einem Dinge, und dasjenige, was das Nachtheilige von einem andern Dinge abhält oder abwehret. Der Baum stehet im Schutze, wenn er von Winden und rauher Witterung bedeckt stehet, wofür man auch sagt, er stehe im Schauer, in der Geduld. Der Pelz gibt Schutz vor der Kälte. Jemanden in seinen Schutz nehmen, ihn wider alle Angriffe vertheidigen. Jemanden Schutz leisten. Unter jemandes Schutz stehen, leben. Sich in jemandes Schutz begeben. Etwas eines Schutze anvertrauen. Das dienet mir zum Schutze. Die Obrigkeit soll den Schutz handhaben, Röm. 15, 6. S. Schützen.


Schutzbret (W3) [Adelung]


Das Schutzbret, des -es, plur. die -er, ein Bret, welches auf und nieder geschoben werden kann, das Wasser damit zu schützen, d. i. zurück zu halten. Bey den Schleusen heißt es ein Schutz.


Schutzbrief (W3) [Adelung]


Der Schutzbrief, des -es, plur. die -e, ein Brief, d. i. eine Urkunde des Landesherren, worin derselbe jemanden vor den Angriffen oder Beunruhigungen anderer in seinen Schutz nimmt.


Schütze (W3) [Adelung]


Der Schütze, des -n, plur. die -n, ein Wort, welches seinem heutigen Gebrauche nach vornehmlich in einer doppelten Bedeutung üblich ist. 1. Von einem Zeitworte schießen, Niedersächs. scheten, Schwed. skjuta, ist der Schütze, 1) bey den Webern, ein hohles, an beyden Enden spitziges Werkzeug, die Spule mit dem Einschlage vermittelst desselben durch die Kette zu schießen, und welches auch die Schießspule, das Schiff, oder Schiffchen genannt wird. 2) Eine Person, welche gut schießen kann, gut mit dem Schießgewehre umzugehen weiß, es sey nun ein Feuergewehr oder eine andere Art Schießgewehre. Ein guter, ein schlechter Schütze seyn. Ein Bogenschütze; Scheibenschütze u. s. f. In engerer Bedeutung waren die Schützen ehedem eine Art Soldaten, welche im Schießen sehr genau trafen, und welche auch noch wohl heut zu Tage vorkommen, wohin z. B. die Leibschützen und Scharfschützen gehören. Bey dem Stryker Schutze, Nieders. Schutte, im Angels. Scytta, Schwed. Skytt. Im Schachspiel wird der Läufer von einigen Schütze genannt. Im Jagdwesen unterscheidet man einen Schützen von einem Jäger; der erste kann zwar gut schießen, und mit Schießgewehr umgehen, besitzet aber darum noch nicht alle übrige zu einem guten Jäger gehörigen Kenntnisse. 2. Von schützen, so fern es das Intensivum von hüthen ist, ist der Schütze, 1) * ein Hirt, der das Vieh hüthet; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Die Schützen schrien zwischen den Schöpfern, Richt. 5, 11. 2) Ein öffentlicher Wächter, pflegt in vielen Fällen noch ein Schütze genannt zu werden. So werden in Nürnberg diejenigen Wächter, welche des Nachts für die Sicherheit der Gassen sorgen, Schützen genannt. In Obersachsen und Thüringen werden die verpflichteten Feldwächter so wohl Feldschützen und Flurschützen, als auch nur Schützen schlechthin genannt. Indessen kann auch, daß es in dieser Bedeutung zunächst von dem Niederdeutschen schütten, pfänden, abstammet, weil ihre Pflicht unter andern auch ist, dasjenige Vieh, welches im Felde Schaden thut, zu pfänden.

Anm. Die Oberdeutsche Mundart spricht und schreibt nur Schütz, worin ihr auch viele Hochdeutsche nachfolgen, obgleich die gelindere Hochdeutsche Mundart hier das e euphonicum nicht entbehren kann. Wenn Schütz oder Schütze ehedem auch einen Verräther, oder vielmehr eigentlich einen Spion, bedeutet hat, so ist diese Bedeutung allem Ansehen noch eine Figur von Schütze, ein Wächter. Im mittlern Lateine ist Eschuta ein Spion, welches von dem verwandten Franz. Ecoute, die Schildwache, abstammet.


Schützen (W3) [Adelung]


Schützen, verb. reg. act. welches in einer doppelten Bedeutung üblich ist. 1) Den Lauf des Wassers durch einen Damm oder ein vorgelegtes Hinderniß aufhalten oder hemmen. Das Wasser schützen. Daher die Zusammensetzung abschützen, vorschützen, Schutzbret, Schutzgatter u. s. f. Im Nieders. schotten, schudden, schutten, entweder von Schutt, ein Erdbaum oder Wall oder von dem Nieders. Schott, ein Riegel, eine Fall- oder Schubthür, oder von dem Nieders. schotten, absondern, als dem Intensivo von scheiden, oder endlich auch mit der folgenden Bedeutung aus einer und eben derselben Quelle. 2) Ein Übel von einem andern Dinge abhalten, einem andern Dinge Sicherheit vor einem Übel gewähren. So wohl in mehr leidendem Verstande durch bloßes Abhalten, wie schirmen. Die Mauer schützt den Baum vor dem Nordwinde, der Schild den Leib vor den Pfeilen. Sie traten Hand in Hand aus der schützenden Grotte hervor. Geßn. Als auch in mehr thätigem Verstande, durch damit verbundenes Abwehren. Jemanden schützen. Ihn vor dem Angriffe eines andern schützen. Gott, deine Hülfe schütze mich! Ps. 69, 30. So auch das Schützen. Siehe auch der Schutz.

Anm. In der letzten Bedeutung im Oberdeutschen ehedem schütten, ( S. dieses Wort,) im Engl. to shut, im Schwed. skydda. Es ist ein doppeltes Intensivum von hüthen, wo die Steigerung des Begriffes theils durch den Zischlaut, theils aber auch durch das tz ausgedruckt wird, und bedeutet eigentlich so wohl bedecken, als auch bewahren. ( S. Haut, Hüte, hüthen.) In dieser Intension liegt vielleicht auch die Ursache, warum dieses Zeitwort oft einen mehr thätigen Nebenbegriff hat, als schirmen, und nicht bloß vor einem Übel bedecken, sondern auch dasselbe abwehren bedeutet. Das Lat. Scutum ist damit genau verwandt, ( S. Schild,) und vielleicht auch custodire, S. Schatz.


Schützenbruder (W3) [Adelung]


Der Schützenbruder, des -s, plur. die -brüder, im gemeinen Leben zuweilen, ein Mitglied einer Schützengesellschaft, welche auch wohl die Schützenbrüderschaft genannt wird.


Schützen-Casse (W3) [Adelung]


Die Schützen-Casse, plur. die -n, die gemeinschaftliche Casse einer Schützengesellschaft.


Schutzengel (W3) [Adelung]


Der Schutzengel, des -s, plur. ut nom. sing. eigentlich, ein Engel, welchem von Gott der besondere Schutz eines Landes, eines Ortes oder einer Person anvertrauet worden, dergleichen von einigen auch in der christlichen Religion angenommen werden. Figürlich, eine Person, welche uns einen sichern Schutz gewähret, oder uns in einer großen Gefahr beschützet, oder beschützet hat. Siehe Schutzgeist.


Schützenhaus (W3) [Adelung]


Das Schützenhaus, des -es, plur. die -häuser, ein öffentlicher Haus, worin eine Schützengesellschaft ihre feyerlichen Versammlungen und Übungen hält; das Schießhaus.


Schützenhof (W3) [Adelung]


Der Schützenhof, des -es, plur. die -höfe. 1) Der Hof an einem Schützenhause. 2) Ein großes, ansehnliches Schützenhaus. 3) Ehedem wurde auch wohl die feyerliche Versammlung geübter Schützen, um sich im Schießen zu üben, ein Schützenhof genannt.


Schützenjagen (W3) [Adelung]


Das Schützenjagen, des -s, plur. ut nom. sing. im Jagdwesen, eine Jagd, welche zwar eingestellet, aber mit keinem Laufe versehen ist, und wo man nur alles niederschießet, was vorbey kommt.


Schützenmeister (W3) [Adelung]


Der Schützenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, der Vorgesetzte einer Schützengesellschaft. Ehedem auch der Vorgesetzte eines Haufens Schützen, sie mögen nun eine Art gewiß schießender Soldaten, oder auch öffentliche Wächter der Sicherheit seyn. In Tirol gibt es einen Landes-Ober-Schützenmeister, welche Würde bey den Grafen von Wolkenstein-Trostburg erblich ist.


Schützenplatz (W3) [Adelung]


Der Schützenplatz, des -es, plur. die -plätze, ein öffentlicher Platz, wo eine Schützengesellschaft sich im Schießen übet; der Schießplatz, die Schießstatt.


Schützer (W3) [Adelung]


Der Schützer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schützerinn. 1) Von schützen 1, eine Person, deren Amt es ist, das Wasser zu schützen; in welchem Verstande der Schützer ein Arbeiter im Bergbaue ist, welcher von dem Treiben des Kehrrades das Wasser schützet, und das Bremsrad hemmet. 2) Von schützen 2, für Beschützer; doch nur in der höhern und dichterischen Schreibart. Pan, du gütiger Schützer unserer Triften! Geßn.


Schutzgatter (W3) [Adelung]


Das Schutzgatter, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein Gatterthor in den Thoren u. s. f. welches man von oben herunter schießen läßt, wenn es das Thor versperren soll; Fallgatter. In diesem Verstande stammet es von schießen ab, daher es in demselben auch wohl Schoßgatter und Schußgatter lautet. 2) In den Schleusen und Deichen, ein Thor mit zwey Flügeln, welche das innere Wasser zur Zeit der Ebbe aufstößet, das äußere Wasser zur Zeit der Fluth aber wieder verschließet; wo es entweder von schützen, das Wasser hemmen, oder auch von dem Nieders. schotten, versperren, verschließen, abstammet.


Schutzgeist (W3) [Adelung]


Der Schutzgeist, des -es, plur. die -er, ein Geist oder geistiges Wesen, so fern demselben von einem höhern Wesen der Schutz eines andern Dinges anvertrauet worden. S. Schutzengel.


Schutzgeld (W3) [Adelung]


Das Schutzgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, Geld, welches man einem andern für den Schutz entrichtet, welche man von demselben genießet. In engerer Bedeutung ist es dasjenige Geld, welches die Schutzverwandten oder diejenigen, welche das Bürgerrecht nicht erlanget haben, der Obrigkeit desjenigen Ortes, wo sie sich aufhalten, entrichtet; ehedem das Mundgeld, der Friedschatz. Auch auf den Dörfern geben diejenigen, welche keine eigenthümlichen Grundstücke besitzen und nur zur Miethe wohnen, der Obrigkeit ein solches Schutzgeld, welches an einigen Orten Sitzgeld, Häuslergroschen heißt. Siehe auch Gatterzins.


Schutzgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Schutzgerechtigkeit, plur. inus. das Recht, gewisse Personen oder Gemeinheiten zu schützen, und die damit verbundenen Vortheile zu genießen; die Schirmgerechtigkeit, Vogtey.


Schutzgott (W3) [Adelung]


Der Schutzgott, des -es, plur. die -götter, Fämin. die Schutzgöttinn, in der heidnischen Götterlehre, ein göttliches Wesen, so fern demselben der Schutz eines andern Dinges besonders anvertrauet ist.


Schutzheilige (W3) [Adelung]


Der oder die Schutzheilige, des -n, oder der -n, plur. die -n, in der Römischen Kirche, ein Heiliger oder eine Heilige, so fern ihnen der besondere Schutz gewisser Personen oder Örten übertragen ist.


Schutzherr (W3) [Adelung]


Der Schutzherr, des -en, plur. die -en, ein Herr, welchem der Schutz gewisser Personen oder Örter zustehet, welcher die Schutzgerechtigkeit in Ansehung derselben besitzet; Fämin. die Schutzherrinn. Der Schirmherr.


Schutzherrschaft (W3) [Adelung]


Die Schutzherrschaft, plur. die -en. 1) Als ein Abstractum und ohne Plural, die Herrschaft, d. i. Gewalt, den Schutz über andere zu handhaben. 2) Als ein Concretum, eine mit dieser Gewalt begabte Person oder Familie.


Schutzjude (W3) [Adelung]


Der Schutzjude, des -n, plur. die -n, ein Jude, welcher unter dem Schutze der höchsten Obrigkeit an einem Orte lebt, und vermöge dieses Schutzes gewisse Freyheiten genießet.


Schutzrede (W3) [Adelung]


Die Schutzrede, plur. die -n, eine Rede, worin man sich vertheidiget; die Vertheidigungsrede. In den Rechten, besonders Oberdeutschlandes, werden die Exceptiones Schutzreden genannt, da denn die so genannten dilatorischen Exceptiones, welche eine angestellte Klage auf eine gewisse Zeit aufschieben, verzügliche Schutzreden heißen.


Schutzverwandte (W3) [Adelung]


Der Schutzverwandte, des -n, plur. die -n, ein Einwohner eines Ortes, welcher weder Bürger noch Unterthan ist, sondern gegen ein gewisses Schutzgeld unter dem Schutze der Obrigkeit bürgerliche Gewerbe treibet; in einigen Niedersachsen Mitwohner, Beysaß in einigen Oberdeutschen Städten Pactbürger, weil sie nur unter gewissen Bedingungen Bürger sind.


Schutzzettel (W3) [Adelung]


Der Schutzzettel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Zettel oder Schein von der Obrigkeit, daß jemand ein Schutzverwandter sey.


Schwabbeln (W3) [Adelung]


+ Schwabbeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist, und von der Bewegung flüssiger Körper gebraucht wird. Geschwabbelt voll, so daß es überschwabbelt. Es ist eine Onomatopöie, welche sich von quabbeln und wabbeln, welche in Niedersachsen von der Bewegung fetter weicher Dinge gebraucht werden, nur in dem verstärkenden Zischlaute unterscheidet, übrigens aber das Intensivum von wibeln, weben u. s. f. ist.


Schwabe (W3) [Adelung]


Die Schwabe, plur. die -n, ein hin und wieder für Schabe übliches Wort, ( S. dasselbe.) Besonders kennet man unter diesem Nahmen die Haus- oder Bäckerschwaben, welche auch schwarze Käfer heißen, ein fliegendes Ungeziefer sind, und sich gern in den Mühlen und Bäckerhäusern aufhalten, wo sie aus den Mehlwürmern entstehen, und alles, sogar das Lederwerk benagen. Der Nahme ist ohne Zweifel aus Schabe verderbt, obgleich von vielen geglaubt wird, daß dieses Insect seinen Nahmen daher habe, weil es durch die Schwäbischen und Baierischen Soldaten nach Obersachsen und Niederdeutschland gebracht worden, wo es bis dahin unbekannt gewesen. Böhm. Sswab.


Schwabe (W3) [Adelung]


Der Schwabe, des -n, plur. die -n, Fämin. die Schwäbinn, eine aus Schwaben gebürtige Person; im Oberdeutschen Schwab, dagegen die Hochdeutsche Mundart um der gelindern Aussprache des b willen, das e euphonicum hier nicht entbehren kann. (Siehe E.) In Ungarn und Österreich werden alle Deutsche Colonisten, aus welcher Provinz sie auch seyn mögen, Schwaben genannt, weil die meisten solcher Colonisten aus Schwaben dahin zu kommen pflegen. Ein Stück Reis, welches zwischen einen allzu lockern Reis geschlagen wird, heißt bey den Böttchern ein Schwabe, aus einer unbekannten Veranlassung. In Schwaben hingegen, wo man solches für eine Beleidigung hält, wird ein solches Stück ein Philister genannt.


Schwabengift (W3) [Adelung]


Das Schwabengift, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein Nahme verschiedener feiner, weißer, fetter, arsenikalischer Erdarten, welche dem Mehle gleichen, und von vielen zu ihrem größten Schaden für Mehl gegessen worden; Giftmehl. Ohne Zweifel vom Schwabe, weil man dieses Insect damit zu vertreiben pflegt.


Schwabenweber (W3) [Adelung]


Der Schwabenweber, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Barchent.


Schwäbisch (W3) [Adelung]


Schwäbisch, adj. et adv. aus Schwaben herkommend, in diesem Lande gegründet. Schwäbische Leinwand, ( S. Florleinwand.) Ein schwäbischer Tanz, im gemeinen Leben, ein Schwäbisches. Schwäbisch tanzen. Schwäbische Gänge, im Bergbaue, müßte eigentlich schwebische Gänge heißen, weil es von schweben abstammet, und daher richtiger schwebende Gänge gesprochen wird.


Schwach (W3) [Adelung]


Schwach, schwächer, schwächste, adj. et adv. 1) In mehr eigentlichen Verstande, nicht die gehörige Consistenz und Festigkeit habend; eine jetzt veraltete Bedeutung, wofür unter andern auch das nahe verwandte weich üblich ist. Man gebraucht es nur noch zuweilen, für dünn, nicht die gehörige Dicke habend, wo es doch zunächst zur folgenden Bedeutung gehöret, wegen Dünnheit nicht die gehörige Stärke habend. Ein schwaches Reis. Ein Brot schwächer machen, dünner. 2) Figürlich ist schwach dem stark entgegen gesetzet, da es denn in allen den Fällen gebraucht wird, wo es einem Dinge an dem gehörigen oder doch gewöhnlichen Grade der Stärke, der innern Intensionen u. s. f. fehlet. Ein schwacher Mensch, so wohl in Rücksicht der Kräfte des Leibes, als auch des Geistes, des Gemüthes. Ein schwaches Kind. Der Mensch kommt schwächer und hülfloser auf die Welt, als alle andere beseelte Geschöpfe, Sonnenf. Schwach an Kräften, am Verstande, am Geiste, an Beurtheilungskraft. Ein schwaches Gedächtniß, ein schwaches Gesicht, ein schwaches Gehör haben. Sein Verstand wird schwach. Eine schwache Festung. Daher es auch zuweilen von der geringen Anzahl gebraucht wird, wenn die Stärke zugleich mit auf der Zahl beruhet. Die feindliche Armee war dies Mahl sehr schwach. Ob das Volk darin stark oder schwach wäre, 4 Mos. 13, 19. Ein schwaches Gemählde, welches nicht die gehörige und gewöhnliche Güte hat. Eine schwache Farbe, welche nicht den gewöhnlichen Grad der Höhe oder Lebhaftigkeit hat. Schwach blasen, singen, reden u. s. f. Eine schwache Stimme. Hierin ist er schwach, hat er nicht die gehörige oder gewöhnliche Stärke. Jemanden auf der schwachen Seite angreifen. Von Alter schwach seyn. Der Kranke ist sehr schwach. Der Puls geht schwach. Ein schwaches Gewissen, wobey aus Mangel der Erkenntniß viele irrige Bestimmungen angenommen werden. Die Schwachen sind in der Deutschen Bibel und oft auch außer derselben nicht so wohl Unwissende, als vielmehr Personen von mangelhafter und unrichtiger Erkenntniß, und darin gegründeter irriger oder unbeständiger Entschließung. Der Einfalt Nasen drehn, den Schwachen hintergehn, Opitz.

Anm. Bey dem Stryker swach, im Nieders. swack, im Holländ. zwack, im Schwed. svag. Es ist schon von andern bemerket worden, daß schwach allem Vermuthen nach das Intensivum und eine Figur von weich ist, zumahl da das Holländ. wack und Engl. weak so wohl weich als schwach bedeuten. Bey dem Notker ist Weichi ausdrücklich Schwäche. Im Bretagn. ist qwac schwach. Siehe auch Feige, das Adjectiv welches gleichfalls von weich abstammet.


Schwäche (W3) [Adelung]


Die Schwäche, plur. die -n, ein vermittelst des Endlautes e gebildetes Hauptwort von dem Beyworte, welches in doppelter Bedeutung üblich ist. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, der Zustand, da ein Ding schwach ist, in allen Bedeutungen dieses Beywortes. Die Schwäche eines Reises, eines Bleches, die Dünne oder Dünnheit. Ingleichen figürlich, von dem zufälligen Zustande, da ein Ding schwach ist. Eine Schwäche in den Gliedern empfinden. Die Schwäche des Verstandes, des Gesichtes, des Pulses, der Stimme, einer Festung, einer Armee u. s. f. Der Geringere am Geiste fühlt in dem Umgange mit der Demuth seine Schwäche nicht, Gell. Im Oberdeutschen ist dafür auch Unkräfte üblich. ( S. auch Schwachheit.) Zuweilen wird Schwäche auch für Ohnmacht gebraucht, und alsdann leidet es, wenn dasselbe in engerer Bedeutung den Mangel des Bewußtseyns und aller Kräfte auf kurze Zeit bedeutet, auch den Plural. Mit Schwächen. Zittern und Schwindel behaftet seyn. 2. Als ein Concretum, folglich auch mit dem Plural. 1) Der Ort, wo ein Ding schwach ist, so wohl von der körperlichen Schwäche oder Dünnheit. Die Schwäche eines Degens, die Gegend, wo die Klinge am schwächsten ist, der Theil nach der Spitze zu. Als auch im moralischen und figürlichen Verstande. Jemanden bey seiner Schwäche fassen. Viele Schwächen haben, viele schwache Seiten. 2) Eine aus der Schwäche im figürlichen Verstande, d. i. aus dem Mangel der gehörigen Erkenntniß herrührende, darin gegründete Handlung; wofür doch Schwachheit üblicher ist. Die Fehler werden schön und Tugend strahlt aus Schwächen, Hall.


Schwächen (W3) [Adelung]


Schwächen, verb. reg. act. schwach oder schwächer machen, in allen figürlichen Bedeutungen des Beywortes. Vieles Lesen schwächt die Augen. Traurigkeit schwächt die Kräfte, Sir. 38, 19. Jemandes Ansehen schwächen. Den Feind durch eine Niederlage schwächen. Die Besatzung schwächte sich durch viele Detaschements. So bald ein stärkeres Gefühl das Gefühl der Liebe zum Vaterlande schwächt. In engerer Bedeu- tung ist schwächen ein anständiger Ausdruck für schwängern, wenn von der Schwängerung einer unverheiratheten Person die Rede ist; in welcher Bedeutung es in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt, aber im Hochdeutschen anfängt zu veralten. Im Niederdeutschen sagte man dafür ehedem verkräftigen, ingleichen lästern. So auch die Schwächung. Anm. Ehedem hatte man von diesem Activo auch das Neutrum schwachen, schwach oder schwächer werden, welches im Hochdeutschen veraltet ist, aber noch bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern häufig vorkommt. Ih sihe des nahtes krefte balde swachen, Heinrich von Frauenberg.


Schwachheit (W3) [Adelung]


Die Schwachheit, plur. die -en, ein vermittelst der Ableitungssylbe -heit aus dem Beyworte gebildetes Hauptwort. Es ist in doppelter Bedeutung üblich. 1. Als ein Abstractum, folglich ohne Plural, außer etwa von mehrern Arten, der Zustand, da ein Ding schwach ist. 1) * In mehr eigentlichem Verstande, für Dünnheit, ist es nicht gebräuchlich, wohl aber Schwäche. 2) In figürlichem Verstande. (a) Der Zustand, da es dem Körper an den gehörigen oder doch gewöhnlichen Kräften fehlet; wo es mit Schwäche gleichbedeutend ist. Vor Schwachheit nicht aufstehen können. Der Kranke liegt in großer Schwachheit. Von dem Sinnen gebraucht man lieber Schwäche. (b) Von der Seele und ihren Fähigkeiten; wo es gleichfalls mit Schwäche gleichbedeutend ist. Die Schwachheit des Verstandes, des Gedächtnisses, der Beurtheilungskraft. In engerer Bedeutung ist die Schwachheit oft so viel als Weichherzigkeit, Mitleiden, Liebe, u. s. f. so fern diese Empfindungen aus dem Mangel einer gewissen Stärke der Seele und ihrer untern Kräfte herrühren, da sich denn das Wort schwach hier wiederum seiner Quelle, dem Worte weich nähert. Man kann der menschlichen Schwachheit eine Thräne erlauben. Viele Schwachheit für das andere Geschlecht haben. (c) In noch weiterer Bedeutung ist die Schwachheit die wesentliche Einschränkung der Zufälligkeit und Veränderlichkeit eines zufälligen Dinges; in welchem Verstande Schwäche nicht üblich ist. Die menschliche Schwachheit. Das Gegenmittel wider die langwierige Schwachheit unserer jüngern Jahren finden, wir in der zärtlichen Zuneigung der Ältern zubereitet, Gell. Als ein Concretum. Eine in dem Mangel der gehörigen oder doch gewöhnlichen Kräfte gegründete Veränderung. Krankheiten und Schwachheiten. Die Schwachheiten des Alters. So auch figürlich, Veränderungen, welche aus dem Mangel der gehörigen deutlichen Erkenntniß, oder der gehörigen Stärke und Festigkeit des Willens herrühren. Das sind Schwachheiten. Jemandes Schwachheiten übersehen. Daher in der Theologie auch die Schwachheitssünder häufig Schwachheiten genannt werden.


Schwachheitssünde (W3) [Adelung]


Die Schwachheitssünde, plur. die -n, Sünden, welche aus Schwachheit, oder aus Heftigkeit verworrener sinnlicher Vorstellungen begangen werden; Übereilungssünden, unvorsetzliche Sünden, im Gegensatze der vorsetzlichen oder Bosheitssünden.


Schwachherzigkeit (W3) [Adelung]


Die Schwachherzigkeit, plur. die -en. 1) Der Zustand, da es dem Herzen, d. i. den untern Kräfte der Seele, an der gehörigen Stärke und Festigkeit mangelt; ohne Plural. Den Beyfall als ein Almosen von der Schwachherzigkeit zu erkriechen suchen. 2) Darin gegründete Handlungen. In eben diesem Verstande ist auch das Bey- und Nebenwort schwachherzig üblich. Weichherzig und Weichherzigkeit sagen noch etwas anders.


Schwächlich (W3) [Adelung]


Schwächlich, -er, -ste, adj. et adv. ein wenig schwach, eigentlich dem was schwach ist, ähnlich, daher es auch oft nur als ein mildernder Ausdruck für schwach gebraucht wird, überhaupt aber mehr von der körperlichen Schwachheit, als von der Schwach- heit der Seele und ihrer Fähigkeiten üblich ist. Ein schwächliches Kind. Schwächlich seyn. Eine schwächliche Stimme. Ein schwächlicher Leib macht der Seele ihre Bemühungen schwer, Gell. So auch die Schwächlichkeit.


Schwächling (W3) [Adelung]


Der Schwächling, des -es, plur. die -e, ein schwacher, kränklicher Mensch, so wohl eigentlich als figürlich.


Schwachsinn (W3) [Adelung]


Der Schwachsinn, des -es, plur. car. Mangel an Sinn, d. i. nicht allein an Empfindung, sondern auch am Verstande. Der Schwachsinn des andern Geschlechtes. Daher schwachsinnig und Schwachsinnigkeit.


Schwaden (W3) [Adelung]


1. Der Schwaden, des -s, plur. ut nom. sing. ein vermittelst des vorgesetzten Zischlautes von Wedel, wehen abgeleitetes Wort, dessen herrschender und ursprünglicher Begriff die gelinde Bewegung ist, welches aber nur noch in verschiedenen einzelnen, dem Anscheine nach sehr von einander verschiedenen Fällen üblich ist. 1) Bey den Jägern wird der kurze Schwanz des Hirsches der Schwaden oder Hirschschwaden genannt; ohne Zweifel, weil er in einer beständigen Bewegung ist, daher er auch der Wedel, das Wedele, das Federle heißt. Das im gemeinen Leben übliche Schwanz ist nur im Endlaute verschieden. 2) In manchen Fällen wird ein dicker Dunst Schwaden genannt. So ist im Salzsieden der Schwaden oder Salzbroden der Dunst, welcher im Sieden der Sohle von derselben aufsteigt. Noch üblicher ist es im Bergbaue, wo alle mineralische dicke Dünste, welche oft schädlich und giftig sind, Schwaden genannt werden. Schwefelige Schwaden, arsenikalische Schwaden u. s. f. Ohne Zweifel auch von wehen, und dem davon gebildeten Nieders. swajen, hin und her beweget werden, weil dergleichen Dünste in einer beständigen gelinden Bewegung sind, besonders in den Bergwerken, wo sie sehr sichtlich hin und wieder ziehen. Im Böhmischen ist Swad der Gestank. Auch Wetter gehöret zu diesem Geschlechte, besonders in der bergmännischen Bedeutung, wo dergleichen schädliche Dünste auch böse oder faule Wetter genannt werden. 3) In der Landwirthschaft Ober- und Niederdeutschlandes ist der Schwaden so wohl die Reihe des mit der Sense abgehauenen Getreides oder Grases, welches zur linken Hand des Mähers liegen bleibt, als auch die Breite, der Raum, welchen ein Mäher im Mähen mit der Sense bereichen kann. Große Schwaden hauen. Das Gras liegt noch in Schwaden. Das Getreide auf den Schwaden oder in den Schwaden liegen lassen. Die Schwaden zerschlagen, sie mit dem Rechen aus einander werfen. Ein Jäger schlief im Haberschwaden, Lichtw. Anm. In dieser letzten Bedeutung stimmen die Mundarten in der Form dieses Wortes nicht überein. Frisch macht es, vermuthlich ohne Grund, zu einem weiblichen Worte, die Schwade. Im Niederdeutschen wird es oft collective und im Singular allein als ein Neutrum gebraucht, das Schwad, und vermuthlich rühret es daher, daß man auch in einigen Obersächsischen Gegenden in der ersten Endung sagt, der Schwad. Es lautet in dieser Bedeutung im Holländ. Swade, Zwaade, im Engl. Swath. Der Stammbegriff ist hier ohne Zweifel das Schneiden oder Hauen, welches hier, wie in so vielen andern Fällen, eine Figur der Bewegung ist. Im Angels. ist Swath das Abschneiden, im Holländ. Swad und im Nieders. Swade eine Sense, im Fries. Swae, Swah. In eben dieser Mundart ist Swette ein Gränzzeichen, eine Gränze, vielleicht eigentlich ein abgeschnittenes Gränzzeichen. Übrigens wird ein Schwaden in dieser letzten landwirthschaftlichen Bedeutung in Ostfriesland die Wirse, (eben daselbst ist Wirsena eine Runzel,) im Osnabrückischen Gen, Gien, und in einigen Obersächsischen Gegenden der Jahn genannt, siehe das letztere Wort.


Schwaden (W3) [Adelung]


2. Der Schwaden, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. der eßbare Samen einiger Grasarten, und diese Grasarten selbst. 1) Des Panici L. zu welchem der in dem mittägigen Europa einheimische gemeine Schwaden, Panicum viride, die Bluthirse, P. sanguinale, u. s. f. gehören. 2) Der Same des Mannaschwingels oder Mannagrases, Festuca fluirans L. Beyder Arten Samen sind wohlgeschmackt, und werden auch Manna, und, wenn sie gestompft worden; Schwadengrütze genannt. Nieders. Swade. Wachter leitet diesen Nahmen von dem Angels. swaet, süß, her. Da wir indessen diesen Grassamen, wie es scheinet, zuerst aus Pohlen und Preußen bekommen haben, so stehet es dahin, ob man den Ursprung seines Nahmens nicht in der Slavonischen Sprache zu suchen habe, oder ob nicht der Nahme des Schwadens zunächst der letzten Grasart zukomme, welche denselben von ihrer Bewegung im Wasser, wo ihre Blätter schwimmen, erhalten haben kann, worauf auch der Nahme Schwingel zu zielen scheinet. S. Manna und Äntengras.


Schwadengras (W3) [Adelung]


Das Schwadengras, des -es, plur. von mehrern Arten, die -gräser, diejenigen Grasarten, welche Schwaden tragen, und welche auch nur Schwaden genannt werden. ( S. das vorige.)


Schwadengrütze (W3) [Adelung]


Die Schwadengrütze, plur. inus. der zu Grütze gestampfte Schwaden, S. 2 Schwaden.


Schwader (W3) [Adelung]


Schwader, in Geschwader, S. dieses Wort.


Schwäderich (W3) [Adelung]


Der Schwäderich, des -s, plur. die, in einigen Gegenden, ein Loch oder eine Grube in der Erde, welche das von den Mühlrädern oder aus einem Gerinne abschießende Wasser in die Erde wühlet. Von dem in den gemeinen Oberdeutschen Mundarten üblichen Zeitworte schwadern, welches von der Bewegung eines flüssigen Körpers, besonders in einem vollen Gefäße gebraucht wird, wofür die Niederdeutschen schwabbeln sagen.


Schwadrone (W3) [Adelung]


Die Schwadrone, plur. die -n, aus dem Italiänischen Squadrone, Franz. Escadron, ein Haufe unter einem Rittmeister stehender Reiter oder Soldaten zu Pferde. Die Schwadrone ist bey der Reiterey das, was bey dem Fußvolke die Compagnie ist; indessen ist das Wort in den gemeinen Sprecharten am gangbarsten, in der anständigern gebraucht man lieber das Französ. Escadron. S. Geschwader.


Schwager (W3) [Adelung]


Der Schwager, des -, plur. die Schwäger, Fämin. die Schwägerinn. 1) * Im weitern Verstande, ein jeder naher Verwandter, besonders ein durch Heirath naher Verwandter; eine jetzt im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. In einem alten 1501 zu Rom gedruckten Vocabulario heißt es: Sosero, schwehr, Sosera, schwiger, Cognato, schwager, Cognata, schwegrig. In dem Chron. Rhythm. Th. 3. Script. Brunsw. nach dem Frisch, wird der Schwiegersohn Schwager genannt. 2) In engerer, und im Hochdeutsch. nur noch allein üblicher Bedeutung ist der Schwager des Mannes oder der Frau Bruder, der Schwester Mann, ingleichen der Frauen Schwester Mann, und die Schwägerinn des Mannes oder der Frauen Schwester, des Bruders Frau, und des Mannes Bruder Frau, wofür in einigen Gegenden auch Schwiegerinn, ingleichen im Oberdeutschen Geschwey üblich ist. Gefällts dem Mann nicht, daß er seine Schwägerinn nehme, so soll sie - sagen: Mein Schwager wegert sich, seinem Bruder einen Nahmen zu erwecken, 5 Mos. 25, 5, 7. 3) Im Scherze, derjenige, welcher mit eines andern Ehegattinn einen unerlaubten Umgang unterhält, in Beziehung auf denselben; von welcher Bedeutung sich vermuthlich auch der gemeine Gebrauch beschreibt, die Postknechte Schwäger zu nennen. Im Böhm. gleichfalls Sswager. S. Schwäher.


Schwägerschaft (W3) [Adelung]


Die Schwägerschaft, plur. die -en, die Verbindung zweyer Personen, vermittelst welcher sie Schwäger der Schwägerinnen sind oder werden.


Schwäher (W3) [Adelung]


* Der Schwäher, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, den Schwiegervater zu bezeichnen, so wie Schwäherinn, die Schwiegermutter. Da ward der Thamar angesagt: Siehe dein Schwäher gehet hinauf ec. 1 Mos. 38, 13, 25. Mose hüthete der Schafe Jethro seines Schwähers, 2 Mos. 3, 1. Hannas, der war Caiphas Schwäher, Joh. 18, 13. S. Schwiegervater und Schwiegermutter.

Anm. Bey dem Ottfried und im Tatian Suehur, bey dem Ulphilas Suaigra, im Angels. Swaegr, im Schwed. Svär, Fämin. Svära, im Wallis. Chwegrwn, Fämin. Chwegr, im Span. Suegro, Fämin. Suegra, im Pohln. Swiekir, Fämin. Swiekra; alle in der obigen Bedeutung, womit auch das Latein. Socer und Socrus, und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - verwandt sind. Aus dem letzten ist vermittelst der im Lateinischen nicht ungewöhnlichen Verwandlung des Griech. Hauchs in den Zischlaut das Latein. Socer gebildet. Wachter nimmt für Schwager, Schwieger und Schwäher drey ganz verschiedene Stammwörter an, Frisch aber leitet sie alle drey aus dem Latein. Socer her. Verwandt ist dieses letztere allerdings, aber um deßwillen noch nicht das Stammwort, weil man dabey voraus setzen müßte, daß alle jetzt angeführten sehr verschiedenen Nationen ihre Schwiegerväter und Schwiegermütter nicht eher zu nennen gewußt, als bis sie solches von den Römern gelernet. Schwager, Schwäher, Schwieger und Geschwey sind ursprünglich ein und eben dasselbe Wort, welches bloß durch Gebrauch und Mundart anders bestimmt worden. Siehe auch Schwieger.


Schwaig (W3) [Adelung]


Die Schwaig, ein Vorwerk, S. Schweige.


Schwalbe (W3) [Adelung]


Die Schwalbe, plur. die -n, eine Art Zugvogel von schwarzer Farbe, und einem sehr schnellen Fluge, welcher sich von Fliegen und andern Insecten nähret, und deren es verschiedene Arten gibt, dergleichen die großbärtige Schwalbe, die Hausschwalbe, die Rauch- oder Küchenschwalbe, die Erd- oder Uferschwalbe, die Stein oder Mauerschwalbe u. s. f. sind; Hirundo L. et Klein. Sprichw. Eine Schwalbe macht keinen Sommer.

Anm. Bey dem Notker Sualeuu, im Oberd. ehedem der Swelue, der Schwalm, im Nieders. Swaalke, im Angels. Swalewe, im Engl. Swallow, im Dän. Suale, im Schwed. Swala. Wachter leitet den Nahmen dieses Vogels von Schwelle ab, weil er sein Nest gern an den obern Schwellen der Häuser bauet, Junius von dem Angels. Swaloth, Wärme, ( S. Schwül,) weil er gern der Hitze nachgehet, Frisch von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, anderer zu geschweigen. Allein er kann auch eine Nachahmung der eigenthümlichen Stimme dieses Vogels seyn, oder von dem Nieders. Swalg, der Schlund, ( S. Schwelgen,) abstammen, wegen seines charakteristischen weiten Schlundes, oder auch von wallen, wegen seines schnellen Fluges, u. s. f.


Schwalbeneisen (W3) [Adelung]


Das Schwalbeneisen, des -, plur. inus. im Eisenhandel, eine Art Eisens, welches von dem Eisenhammer bey Ziegenrück kommt, und mit einem Schwalbenschwanze gezeichnet ist.


Schwalbenfalk (W3) [Adelung]


Der Schwalbenfalk, des -en, plur. die -en, eine den Schwalben ähnliche Art Falken, welche in Peru einheimisch ist, und von andern zu den Falken gerechnet wird; Falco Peruvianus Klein. Der Rücken mit den Flügeln ist purpurfarben, mit grün vermengt, der Kopf, Hals und Bauch aber schneeweiß.


Schwalbenfliege (W3) [Adelung]


Die Schwalbenfliege, plur. die -n, eine Fliege, welche der Roßfliege gleicht, ihr Ey in die Schwalbennester legt, wo es von den Schwalben mit ausgebrütet wird.


Schwalbenkraut (W3) [Adelung]


Das Schwalbenkraut, des -es, plur. inus. ein Nahme des Schellkrautes, S. dieses Wort.


Schwalbenschwanz (W3) [Adelung]


Der Schwalbenschwanz, des -es, plur. die -schwänze, eigentlich der unten breite und in der Mitte gespaltene Schwanz einer Schwalbe. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt. 1) Ein jeder Schwanz an einem Vogel, wo die äußern Schwanzfedern länger als die mittlern sind. 2) Eine Art Königsfischer oder Eisvogel, welcher in seinem Schwanze zwey Federn hat, die zwey Mahl so groß sind, als die übrigen; Ispida Surinamensis Klein. 3) Ein großer braungelblicher Raubvogel, mit kurzen ungeschickten gelben Fängen und langen Flügeln, dessen Schwanz dem Schwanze der Schwalben gleicht; ( S. Milane.) 4) Ein Bohrer mit zwey scharfen Spitzen in Gestalt eines Schwalbenschwanzes, welcher besonders zum Gestein gebraucht wird. 5) Eine Art der Verbindung oder Verklammerung der Tischler und Zimmerleute, da das Ende eines Holzes die Gestalt eines Schwalbenschwanzes erhält. 6) In der Kriegsbaukunst ist es ein Außenwerk, welches aus zwey Kleinen einfachen Scheren zusammen gesetzt ist, oder aus vier Faßen mit zwey todten Winkeln bestehet; die doppelte Schere. Franz. Double Tenaille.


Schwalbenstein (W3) [Adelung]


Der Schwalbenstein, des -es, plur. die -e, eine Art Versteinerung, welche den Schlangenaugen oder Krötensteinen gleicht, nur daß sie weit kleiner ist, und nur die Größe des Leinsamens hat; Lapis Chelidonius. Man hält sie für versteinerte Zähne eines Seefisches, bildete sich aber ehedem ein, daß sie in dem Magen der jungen Schwalben gefunden würde.


Schwalbenwasser (W3) [Adelung]


Das Schwalbenwasser, des -s, plur. inus. in den Apotheken, eine aus jungen Schwalben destillirtes Wasser, Aqua Hirundinum; wofür man jetzt das Bibergeilwasser gebraucht.


Schwalbenwurz (W3) [Adelung]


Die Schwalbenwurz, plur. inus. 1) Eine Art der Askulapischen Pflanze des Linnee, welche bey uns in grobsandigen Gegenden wächset, und deren Wurzel in der Pest und andern giftigen Krankheiten gebraucht wird; Asclepias Vincetoxicum L. Giftwende, Giftwurzel. Vielleicht weil die Wurzel im Frühlinge gegraben werden muß, wenn die Schwalben zum Vorscheine kommen. 2) S. Curcuma.


Schwaleisen (W3) [Adelung]


Das Schwaleisen, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. auf den Eisenhämmern, eine Art sehr harten Eisens, welches unten in dem Ofen stehen bleibt, wenn das Schmelzfeuer ausgehet, und wegen seiner Härte vornehmlich zu Pflugscharen gebraucht wird. S. Schwiele.


Schwälen (W3) [Adelung]


Schwälen, S. Schwelen.


Schwalg (W3) [Adelung]


Der Schwalg, des -es, plur. die -e, bey den Glockengießern, eine Öffnung in dem Schmelzofen, durch welche die Flamme auf das Metall schlägt; bey einigen Schwallich. Vermuthlich von dem noch Niederdeutschen Schwalg, der Schlund, ( S. Schwelgen) Oder auch von Schwall, wallen, von der wollenden Flamme.


Schwall (W3) [Adelung]


Der Schwall, des -es, plur. inus. 1) Der eigenthümliche Laut, welchen einen große Menge Dinge verursacht, wenn sie sich wellenförmig beweget. So könnte man sagen, der Schwall der Wellen, der Flammen. 2) Noch häufiger und gewöhnlicher, eine Menge sich wellenförmig bewegender Dinge, z. B. eine Menge sich auf solche Art bewegenden Wassers, Feuers u. s. f. Ja, wenn der Fluthen Schwall bis an die Seele ging, Gryph. Wo in dem Grottenwerk, das eine Fama stützt, Vulcan im Schwall erstarrt, Neptun im Trocknen sitzt Haged. In weiterer Bedeutung, eine jede große Menge ohne Ordnung. Ein Schwall von Menschen. Ein Schwall von Worten. Ein unübersehlicher Schwall so vieler Gegenstände. Arbeite dich im Schwall der Meinungen hervor, Dusch.

Anm. Das eigentliche Stammwort ist noch im Schwedischen vorhanden, wo svalla brausen, von den Wellen, siedendem Wasser und Feuerflammen, ist, und wovon unser schwellen nur eine Figur ist. Übrigens ist ein Intensivum von Wall, wallen, Welle.


Schwallich (W3) [Adelung]


Der Schwallich, S. Schwalg.


Schwalm (W3) [Adelung]


Der Schwalm, des -es, plur. die -e, ein in einigen Mundarten für Schwalbe übliches Wort, S. dasselbe.


Schwamm (W3) [Adelung]


Der Schwamm, des -es, plur. die Schwämme, Diminut. das Schwämmchen, Oberd. Schwämmlein, eine allgemeine Benennung eines weichen, sehr porösen, d. i. mit vielen Zwischenräumen versehenen Körpers, von welcher Art folgende die bekanntesten sind. 1) In dem Gewächsreiche ist der Schwamm ein solches weiches, gemeiniglich saftiges Gewächse ohne Blätter, Fungus L. wohin so wohl der Meerschwamm gehöret, welcher zum Baden und Waschen gebraucht wird, und auch nur Schwamm schlechthin heißt als auch der Erdschwamm mit seinen Unterarten, dem Blätterschwamme, wohin auch der Feldschwamm und Fliegenschwamm gehören; dem Löcherschwamme oder Pilz, von welchem der Zunderschwamm eine Art ist, der oft auch nur Schwamm schlechthin und ohne Plural genannt wird; dem Stachelschwamme, Morchelschwamme oder der Morchel; dem Becherschwamme, Staubschwamme u. s. f. 2) Im Thierreiche ist der Schwamm ein ähnlicher fehlerhafter Auswuchs an den thierischen und menschlichen Körpern. Das wilde Fleisch in den Wunden der Pferde heißt bey den Pferdeärzten der Schwamm. Etwas uneigentlicher pflegt man das einem Schwamme von außen ähnliche hornartige Gewächs an den Vorderfüßen der Pferde gleichfalls den Schwamm zu nennen; bey andern heißt es die Warze, die Kastanie. Ähnliche schwammartige Auswüchse bekommt zuweilen das Hornvieh an den Vorderfüßen von einem Falle oder Sturze. Der Gliedschwamm ist eine schwammige Geschwulst an den Gelenken des menschlichen Körpers, ( S. dieses Wort.) Die Schwämme im Munde, Mundschwämme, und bey Kindern Mundschwämmchen oder Schwämmchen, sind schwammartige Blattern oder Auswüchse im Munde, welche bey den Kindern im gemeinen Leben auch Sprau, Fasch und im Nieders. der Voß, vermuthlich von Fasch, genannt werden; Aphthae. Eine lederartige Art Flechte, welche mit verschiedenen ohne Ordnung stehenden Warzen versehen ist, und als ein Hülfsmittel wider den Schwamm der Kinder gebraucht wird, heißt daher im gemeinen Leben das Schwämmchen, Lichen aphthosus L. In dieser ganzen zweyten Bedeutung wird es auch oft im Singular allein collective oder materialiter gebraucht.

Anm. Bey dem Stryker Swam, schon bey dem Ulphilas Swam, im Nieders. Swamm, Swamp, in einigen rauhen Oberdeutschen Mundarten Swum, im Schwedischen Svamp, im Isländ. und Angels. Swam. Ohne Zweifel von schwemmen, in der weitern noch in aufschwemmen übliche Bedeutung, weil manche Arten des Schwammes das Wasser an sich ziehen und sich dadurch aufschwemmen, die übrigen aber auf ähnliche Art aufgeschwommen zu seyn scheinen. Im Tatian kommt dafür das aus dem Lat. Spongia entlehnte Spunga vor.


Schwämmen (W3) [Adelung]


Schwämmen, S. Schwemmen.


Schwammicht (W3) [Adelung]


Schwammicht, -er, -ste, adj. et adv. einem Schwamme ähnlich. Schwammichte Bruchwörter und Moräste. Schwammichtes Brot.


Schwammig (W3) [Adelung]


Schwammig, -er, -ste, adj. et adv. Schwamm enthaltend. Oft auch für schwammicht.


Schwammmotte (W3) [Adelung]


Die Schwammmotte, plur. die, eine Art Motten, welche sich gern auf den Baumschwämmen aufhält; Phalaena (Bombyx) dispar L. Stammmotte.


Schwammstein (W3) [Adelung]


Der Schwammstein, des -es, plur. die -e, ein einem Meerschwamme ähnlicher poröser Stein.


Schwan (W3) [Adelung]


Der Schwan, des -es, plur. die Schwäne, der größte und schönste Wasservogel in Gestalt eines Gans, nur daß er größer ist, und einem sehr langen Hals hat, Cygnus L. sonst auch Olor. Er ist ganz weiß von Farbe und nährt sich von Wasserkräutern Bey den Alten war er dem Apoll heilig, und noch jetzt ist er ein Sinnbilder der Dichter; aber der liebliche Gesang welchen er vor seinem Sterben hören lassen soll, ist eine poetische obgleich schon sehr alte Erdichtung. S. Schwanengesang. Geschihet mir als dem Swan. Der da singet, so er sterben sol, So verliuse ich zevil daran, Heinr. von Veldig. Figürlich heißt bey den Neuern auch eine Art Nachtmotten, welche sich auf den Obstbäumen aufhält, Phalaena (Bombyx) Chrysorrhaea L. der Schwan.

Anm. Im Engl. Angels. und Schwed. gleichfalls Swan. Frisch glaubt Schwan und Cygnus wären miteinander verwandt, dagegen Wachter mit mehrerm Rechte vermuthet, daß die schöne weiße Farbe dieses Vogels zu seiner Benennung Anlaß gegeben, wozu man noch die weiche Beschaffenheit seiner Flaumfedern setzen kann. Unser fein bedeutete ehedem auch hell, glänzend, folglich auch weiß, ( S. dasselbe;) im Wallis. ist gwynn gleichfalls weiß, und im Schwed. vän schön, angenehm. Der Zischlaut ist oft ein intensiver, oft auch ein bloß müßiger Vorschlag. In den gemeinen Oberdeutschen Mundarten wird der Schwan auch Eibisch, Elbsch, genannt, in der Monseeischen Glosse Alpiz, im Angels. Ylsette, welches von einigen von Elbe, ein Fluß, abgeleitet wird, weil sich dieser Vogel gern auf den Flüssen aufhält, aber auch mit albus, weiß, und dem Lateinischen Nahmen des Schwanes Olor, verwandt seyn kann. In Carls des Großen Capitularien wird der Schwan Etleha genannt, welches, wenn es nicht eine verderbte Schreib- oder Leseart für Elbescha oder Elbisch ist, von Schiltern sehr wahrscheinlich von edel und dem alten Auca, eine Gans, abgeleitet wird, eine edle Gans zu bezeichnen. Übrigens hat dieses Wort im Oberdeutschen im Genit. des Schwanen, und im Plural die Schwanen.


Schwanenbett (W3) [Adelung]


Das Schwanenbett, des -es, plur. die -en, ein aus den weichen Flaumfedern der Schwäne bereitetes Bett.


Schwanenboy (W3) [Adelung]


Die Schwanenboy, plur. inus. eine Art sehr weicher und doch dabey dicker Boy, welche den Flaumfedern der Schwäne an Weiche nahe kommt.


Schwanenfell (W3) [Adelung]


Das Schwanenfell, des -es, plur. die -e, ein Stück zubereiteter Schwanenhaut mit den daran befindlichen weichen Flaumfedern.


Schwanengesang (W3) [Adelung]


Der Schwanengesang, des -es, plur. die -gesänge, der angenehme Gesang, welcher den Schwänen in der fabelhaften Naturlehre der Alten und Neuern zugeschrieben wird.


Schwanenhals (W3) [Adelung]


Der Schwanenhals, des -es, plur. die -hälse, eigentlich der lange und wie ein Lateinisches S gekrümmte Hals der Schwäne. Ingleichen figürlich, von mehrern einem solchen Halse ähnlichen Dingen. Ein Pferd hat einen Schwanenhals, wenn dessen Hals lang und erhaben ist, und von dem Widerrisse gerade in die Höhe steigt; daher man auch ein mit einem solchen guten Halse versehenes Pferd selbst einen Schwanenhals zu nennen pflegt, zum Unterschiede von einem Hirschhalse und Schweinhalse. Eine Art Fangeisen für die Raubthiere und besonders für die Füchse, heißt wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt gleichfalls der Schwanenhals, sonst auch das Berlinische Eisen. An den Kutschgestellen ist der Schwanenhals ein aufwärts gebogenes dickes Eisen hinter den Vorderrädern, unter welchem diese im Umdrehen durchgehen können.


Schwang (W3) [Adelung]


Der Schwang, des -es, plur. car. der Zustand, da sich ein Ding in einer schwankenden oder schwingenden Bedeutung befindet. Eine Glocke in den Schwang bringen. Eine Glocke kommt in den Schwang, ist im Schwange. Noch mehr figürlich, im Schwange seyn oder gehen, üblich, gewöhnlich seyn, zu einer Zeit von vielen geübet werden; Franz. etre en vogue. Das Gerechtigkeit im Schwange gehe, Ps. 85, 14. Das Gesetz ging fein im Schwange, 2 Macc. 3, 1. Daß Recht und Billigkeit im vollen Schwange geht, Opitz. Im Hochdeutschen gebraucht man es jetzt nur noch am häufigsten von bösen, nachtheiligen Fertigkeiten u. s. f. Es gehen allerley Sünden, Laster, Gräuel u. s. f. im Schwange. So wie es daselbst auch nur mit den gedachten Zeitwörtern seyn, bringen, kommen und gehen üblich ist. Daher Opitzens Ausdruck: Dieß böse wilde Werk hat gleichfalls seinen Schwang, ungewöhnlich ist.

Anm. Im Schwed. Svang. Es ist von schwingen und schwanken. ( S. auch Schwung.) Bey dem Stryker ist in weiterer Bedeutung Swanc ein Hieb oder Schlag.


Schwängel (W3) [Adelung]


Der Schwängel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Von schwingen, ein Ding, welches geschwungen wird, in welchem Verstande besonders der Klöppel in einer Glocke auch der Schwängel genannt wird. In einigen Gegenden der Schwiebel. ( S. auch Galgenschwängel.) 2) Ein Ding, wodurch ein anderes in den Schwang oder Schwung gebracht wird. In diesem Verstande ist der Schwängel an einer Glocke der starke Hebel, woran sich das Seil befindet, vermittelst dessen die Glocke in Bewegung gebracht wird. 3) An einem Ziehbrunnen ist der Schwängel oder Brunnenschwängel die lange schwankende Ruthe, vermittelst welcher der Eimer in den Brunnen gelassen und wieder herauf gezogen wird. Daher der Schwängelbrunnen, der mit einem solchen Schwängel versehen ist, in Österr. Hängstbrunnen. Im Schwed. Svängel, im Holländ. Swanckroede, im Nieders. Swiepe.


Schwanger (W3) [Adelung]


Schwanger, adj. et adv. von einem Manne befruchtet, da es denn nur von dem weiblichen Geschlechte der Menschen gebraucht wird. Eine Frau ist schwanger, wird schwanger. Eine schwangere Person, oder eine Schwangere. Eine solche Person heißt hoch schwanger, im gemeinen Leben grob schwanger, wenn sie ihrer Entbindung nahe ist. Schwanger gehen, d. i. seyn. Von jemanden schwanger seyn. Mit einem Knaben, mit einem Mädchen schwanger gehen oder seyn. Es ist in der Sprache des täglichen Umganges am üblichsten. In der edlern Sprechart und von Personen, denen man Achtung schuldig ist, sagt man lieber gesegneten Leibes (im Oberd. hohen Leibes) seyn. Von Thieren ist es im Hochdeutschen gleichfalls nicht üblich, von welchen man trächtig gebraucht, ob es gleich Hiob 39, 1 heißt: die Hirsche gehen schwanger, wo auch Hirsch für Hindinn ungewöhnlich ist. Figürlich sagt man, mit etwas schwanger gehen, eine böse Sache im Sinne haben, einen bösen Vorsatz gefasset haben; eine alte schon Morgenländische Figur. Mit Unglück schwanger gehen, Hiob 15, 35.

Anm. Schon bey dem Ottfried suangar, im Schwabenspiegel und im Boxhorns Glossen suuanger. Die Abstammung ist ungewiß. Frisch leitet es von Schwang und schwanken ab. Ihre von dem alten winna, gebären, oder von Swange, die Seite unter den Rippen. Das Schwed. und Isländ. "svanger", "hungerig", und "Sveingd", der "Hunger", gehören nicht hierher, sondern vermuthlich zu schwinden. Eher könnte man das Angels. svong, sveng, träge, faul, hierher rechnen. Eine hoch schwangere Person heißt noch jetzt im Osnabrückischen unvermögend.


Schwängern (W3) [Adelung]


Schwängern, verb. reg. act. schwanger machen. 1) Eigentlich, wo es doch nur von dem unerlaubten Schwängern außer der Ehe gebraucht wird. Eine ledige Person schwängern. Sich von einer Mannsperson schwängern lassen. Eine geschwängerte Person. 2) Figürlich wird es auch zuweilen von dem Mineral- und Pflanzenreiche gebraucht, für befeuchten, fruchtbar machen. So auch Schwängerung.


Schwangerschaft (W3) [Adelung]


Die Schwangerschaft, plur. die -en, der Zustand, da eine weibliche Person schwanger ist.


Schwank (W3) [Adelung]


Schwank, -er, -este, adj. et adv. von dem Zeitworte schwanken, lang, dünne und leicht biegsam. Eine schwanke Ruthe. Eine schwanke Weide. Zuweilen auch für schlank oder geschlank, von dem menschlichen Körper. Schwank von Leibe. Ein schwanker Leib. Figürlich wird es auch wohl für unbestimmt gebraucht. Schwanke nichts lehrende Ausdrücke.


Schwank (W3) [Adelung]


Der Schwank, des -es, plur. die Schwänke, ein scherzhafter Einfall, eine lustige Erzählung, eine Scherzrede. Einen Schwank vorbringen. Voller Schwänke stecken. Lese Schwänke, Opitz.

Anm. Es ist gleichfalls von schwanken und schwingen, noch eben der Figur, nach welcher Rank in ähnlichem Verstande von ranken üblich ist. In einem andern Verstande ist Svink im Schwedischen ein Betrug, und Svencker betrügliche Kunstgriffe, Ränke, welche von svinka, Ausflüchte suchen, einer figürlichen Bedeutung von schwänken, abstammen. Ja noch anderm Verstande war Swank im Oberdeutschen ehedem der Lichtstrahl strahlendes Licht. Einblick ein wanc Froeide und leit han mir gegeben Ir ougen Swank Gab froeiden kleit, Burkh. von Hohenfels. Gleichfalls von schwingen oder schwinken, wie Strahl von strahlen.


Schwanken (W3) [Adelung]


Schwanken, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben sich biegsam oder mit einem Schwunge hin und her, auf und nieder bewegen. 1. Eigentlich. Die Eichen sie schwanken von Winden erschüttert, Weiße. Der Braten schwankt am Spieße. Nur der goldne Hämmerling sitzt im Haselgebüsche Auf dem schwankenden Ast, und singt den ruhigen Heiden Stets eintönig sein Lied, Zach. Ingleichen, im Gehen sich von einer Seite zur andern bewegen besonders wenn es aus Kraftlosigkeit geschiehet, da denn das Schwanken vor dem Falle herzugehen pflegt. Im Gehen schwanken. Weiter mögen meine schwankenden Knie nicht, Geßn. Hier schwank ich unter der geliebten Last, Raml. Ingleichen von flüssigen Körpern, sich in einem Gefäße heftig hin und her bewegen. Der Wein schwankt über. Nieders. schulpen, swabbeln. 2. Figürlich. 1) Unentschlossen seyn. Das macht mein Urtheil von seiner Gemüthsart noch sehr schwankend. Mein Herz schwankt ungewiß, Schleg. 2) Unbestimmt seyn, Mangel an den zur Klarheit nothwendigen Merkmahlen haben. schwankender Ausdruck. Der Begriff schwankt. So auch das Schwanken.

Anm. Dieses Wort ist ein vermittelst des Zischlautes gebildetes Intensivum von wanken, und lautet auch im Pohln. swankuje. Verwandt ist damit das Nieders. swajen, vom Winde hin und her bewegt werden, welches ein ähnliches Intensivum von wegen ist. In Baiern ist für schwanken schwaben, und in Niedersachsen sluckern, swoppen, zwucksen, wigelwageln, und vom menschlichen Gauge sweimen, swimen üblich.


Schwänken (W3) [Adelung]


Schwänken, verb. reg. welches das Activum des vorigen ist, schwanken machen, aber nur von flüssigen Körpern gebraucht wird, das Wasser in einem Gefäße schwanken machen. Das Wasser im Glase schwänken, hin und her schwänken. Besonders in der Absicht, ein Gefäß dadurch zu reinigen, da es denn die vierte Endung des Gefäßes bekommt. Ein Glas schwänken. Es muß ihm Ganymedes Hand Zum Nectar die Pokale schwänken, Haged. So auch das Schwänken. S. auch Ausschwänken.

Anm. In einigen Oberdeutschen Mundarten lautet dieses Wort wie das vorige Neutrum schwanken, ausschwanken, welches aber wider die Analogie der meisten (freylich nicht aller) Zeitwörter dieser Art ist. Schwenken, sich mit einem Schwunge umdrehen, wird gemeiniglich mit einem e geschrieben, und scheint auch wirklich mehr ein Intensivum von schwingen, als ein Activum von schwanken zu seyn. S. Schwenken.


Schwänkkessel (W3) [Adelung]


Der Schwänkkessel, des -s, plur. ut nom. sing. ein zierliches Gefäß von Kupfer, Silber ec. die Trinkgeschirre darin auszuspülen.


Schwanschel (W3) [Adelung]


Der Schwanschel, S. Grünfink.


Schwanz (W3) [Adelung]


Der Schwanz, des -es, plur. die Schwänze, Diminut. das Schwänzchen, Oberd. Schwänzlein. 1) Eigentlich, ein längerer oder kürzerer dünner und beweglicher Theil am Ende des thierischen Körpers, welcher den Hintern bedecket, und bey den vierfüßigen Thieren von dem verlängerten Rückgrathe gebildet wird. Bey den Vögeln bestehet er aus langen Federn, bey den Fischen aus einer den Floßfedern ähnlichen Materie u. s. f. Der Schwanz eines Pferdes, (in der anständigen Sprechart der Schweif,) einer Kuh, eines Hundes, einer Katze, einer Schlange u. s. f. Jemanden auf den Schwanz treten, im gemeinen Leben, ihn beleidigen. Den Schwanz streicheln, nach dem Munde reden, fuchsschwänzen, ( S. dieses Wort.) Vier Groschen auf den Schwanz schlagen, in der niedrigen Sprecharten, sie bey dem Einkauf oder Verkauf unrechtmäßiger Weise als einen Gewinn sich zueignen, ( S. Schwänzen.) Verschiedene Thiere, besonders Vögel, haben den Nahmen von der besondern Farbe oder Gestalt ihres Schwanzes bekommen; z. B. Rothschwanz, Grünschwanz u. s. f. so wie auch verschiedene Pflanzen wegen der Ähnlichkeit einiger ihrer Theile Roßschwanz, Katzenschwanz, Fuchsschwanz u. s. f. heißen. Da Schwanz durch den langen und häufigen Gebrauch in den meisten Fällen unedel geworden, so hat man dafür oft anständigere Ausdrücke. Den Schwanz eines Fisches nennt man daher den Schlag, und des Pferdes, wie schon gedacht worden, den Schweif, welches Wort auch in der anständigern Sprechart anstatt der meisten der folgenden figürlichen Bedeutungen üblich ist. Die Jäger nennen den Schwanz des Rothwildbretes, die Blume, den Sturz, das Förzel, das Federle; des Hirsches insbesondere, dem Pürzel, Gall, das Ende, den Schwaden; des Rehwildbretes, die Schürze, die Scheibe, den Spiegel, des Schwarzwildes, den Pürzel; des Fuchses, die Ruthe, Standarte, Stange, den Wedel; des Wolfes, die Standarte; des Luchses, die Ruthe; des Eichhörnchens, die Fahne; des Hundes, Dachses, der wilden Katzen und übrigen kleinern Raubthiere, die Ruthe; des Hasens, das Blümchen, Federle; der Fasanen und Älstern, das Spiel u. s. f. Übrigens sind in den gemeinen Sprecharten auch die Wörter Zagel oder Zahl, Pürzel, (Nieders. Birl,) Sterze, Nieders. Steert u. s. f. üblich. 2) Figürlich wird im gemeinen Leben oft das dünne bewegliche Ende eines Dinges, und in noch weiterm Verstande oft ein jedes Ende, der Schwanz genannt. Dahin gehöret z. B. der Zopf von Haaren an dem menschlichen Kopfe, in der anständigern Sprechart der Zopf, Haarzopf; der Schwanz oder Schweif eines Kometen; der Schwanz an den Kleidern, der doch lieber Schweif oder Schleppe genannt wird, St. Esth. 4, 4; die Schwänze an den Roten u. s. f. Da es denn auch zuweilen einen unnöthigen Anhang im verächtlichen Verstande bezeichnet. Einen langen Schwanz bey sich haben, ein zahlreiches unnöthiges Gefolge. Wenn im Bergbaue der Ring am Hunde, wodurch das Seil gezogen wird, der Schwanz heißt, so scheinet es eine Anspielung auf das in diesem Verstande gemißdeutete Wort Hund zu seyn, ob sich gleich aus der folgenden Abstammung auch die Bedeutung eines Ringes herleiten lassen würde, wenn sie nur sonst üblich wäre.

Anm. Schwanz, im Schwed. Svans, kommt in den übrigen verwandten Sprachen nicht vor. Indessen ist es sehr wahrscheinlich, daß es mit schwanken und schwingen aus einer und eben derselben Quelle abstammet, und die eigenthümliche Beweglichkeit dieses Theiles ausdrucket. Die oben gedachten gleichbedeutenden Wedel, Schwaden, Feder, Fahne, (woraus vermittelst des Zischlautes Schwanz gebildet seyn kann,) Schweif, von schweben, Spiel u. s. f. haben eben denselben Stammbegriff.


Schwanzader (W3) [Adelung]


Die Schwanzader, plur. die -n, eine Ader an dem Schwanze, besonders der Pferde, wo sie auch die Sternader genannt wird.


Schwanzbein (W3) [Adelung]


Das Schwanzbein, des -es, plur. die -e, diejenigen Beine des verlängerten Rückgrathes, welche den Schwanz bey den vierfüßigen Thieren ausmachen. Bey dem Menschen bestehet das Schwanzbein, oder wie man es hier auch nennet, das Steißbein, Os coccygis, aus drey oder vier kleinen beweglichen Beinen, welche an dem untersten Wirbelbeine des heiligen Beines befestiget sind, und gleichsam einen kleinen einwärts gebogenen Schwanz ausmachen, welcher aber von außen nicht sichtbar ist. Bey einigen heißt es der Starrknochen.


Schwänzel (W3) [Adelung]


Das Schwänzel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Das in den gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, verkürzte Diminutivum von Schwanz, für Schwänzlein. 2) In dem Hüttenbaue einiger Gegenden, wird der untere Theil des geschlämmten Gerinnes in dem Schlämmgraben das Schwänzel genannt.


Schwänzeln (W3) [Adelung]


Schwänzeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das Diminutivum von schwänzen ist, und nur von den Hunden gebraucht wird, liebkosend mit dem Schwanze wedeln.


Schwänzelpfennig (W3) [Adelung]


Der Schwänzelpfennig, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, Pfennige, d. i. Geld, welches man schwänzet oder auf den Schwanz schläget, d. i. bey dem Einkauf oder Verkauf unterschlägt, als einen unerlaubten Gewinn für sich behält, in welchem Verstande es besonders von Kleinigkeiten üblich ist, welche untreues Gesinde unterzuschlagen pflegt. Sich Schwänzelpfennige machen. An andern Orten Korbpfennige. Siehe das folgende.


Schwänzen (W3) [Adelung]


Schwänzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Mit dem Schwanze wedeln, besonders von den Hunden, wenn es aus einem Wohlbehagen und aus Freundlichkeit geschiehet, wofür auch schwänzeln üblich ist. Figürlich ist schwänzen Stolz einher gehen, eigentlich den Hintern im Gehen aus Stolz hin und her drehen. Sie treten einher und schwänzen, Es. 3, 16. 2) Nachlässig und ohne Absicht hin und her gehen. Müßig herum schwänzen. Im Nieders. summeln. Es scheint hier nicht zunächst zu Schwanz zu gehören, sondern noch die allgemeine Bedeutung der Bewegung aufbehalten zu haben. S. Schwanz

Anm. II. Als ein Activum. 1) Mit einem Schwanze versehen, in welchem Verstande besonders das Mittelwort geschwänzt üblich ist. Geschwänzte Noten, zum Unterschiede von den ungeschwänzten. In engerer Bedeutung ist ein Pferd schwänzen, dessen Schwanz zierlich aufschürzen, wofür doch aufschwänzen üblicher ist. 2) Bey den Holzflößen wird das Holz geschwänzet, wenn man die Scheite, welche sich hier und da am Ufer anhängen, abstößet, und ihnen forthilft, da denn auch diejenigen Arbeiter, welche dazu bestellet sind, Schwänzer genannt werden. Es scheinet auch hier den allgemeinen Begriff der Bewegung zu haben, und eigentlich in Bewegung setzen, schwimmen machen, zu bedeuten. 3) Muthwillig und ohne Noth versäumen, im gemeinen Leben. Ein Knabe schwänzt die Schule, wenn er dieselbe muthwilliger Weise versäumt. Ein Lehrer schwänzt seinen Scholaren; der Scholar schwänzt seine Stunde, wenn beyde die Lehrstunde ohne Noth versäumen. In einem andern Verstande schwänzt man jemanden, wenn man sich einen unerlaubten Gewinn zu dessen Nachtheil macht, auf welche Art das Gesinde seine Herrschaft schwänzt, wenn es sich die so genannten Schwänzelpfennige macht, welche an andern Orten Korbpfennige heißen. Die Ableitung, welche Frisch von dieser Bedeutung, und der R. A. auf den Schwanz schlagen, das ist, unterschlagen, angibt, ist zu weit gesucht und unwahrscheinlich. Es scheinet vielmehr, daß schwänzen hier eine Figur der schnellen Bewegung ist indem die meisten übrigen im gemeinen Leben üblichen Wörter, welche eine solche Art des Hintergehens bezeichnen, z. B. beschummeln, beschuppen, belugsen u. s. f. Figuren einer schnellen überraschenden Bewegung sind. Die niedrige R. A. Geld auf den Schwanz schlagen, für unterschlagen, kann als eine verunglückte Anspielung auf das mißverstandene Zeitwort schwänzen angesehen werden, wenn sie nicht ihren Ursprung von einer besondern jetzt unbekannten Veranlassung hat. So auch das Schwänzen.

Anm. Die Endsylbe -zen deutet auf ein Intensivum; es kommt daher hier nur auf die Sylbe schwan, und ohne Zischlaut wan, an. Man stehet daher bald, daß schwänzen so wohl in seiner engern, als ältern weitern Bedeutung, mit seinem Verwandten Schwanz, zu dem Geschlechte der Wörter schwinden, schwenden, geschwinde, schwingen, schwanken, Wind, wenden, Fahne u. s. f. gehöret.


Schwänzer (W3) [Adelung]


Der Schwänzer, des -s, plur. ut nom. sing. S. das vorige, in der zweyten Bedeutung des Activi.


Schwanzfeder (W3) [Adelung]


Die Schwanzfeder, plur. die -n, die Federn, welche den Schwanz der Vögel ausmachen, und an dem Steiße befestiget sind.


Schanzfliege (W3) [Adelung]


Die Schanzfliege, plur. die -n, eine Art Fliegen, welche hinten einen zweyschneidigen mit einem Hörnchen bedeckten Stachel in Gestalt eines Schwanzes hat; Urocerus L.


Schwanzfloße,Schwanzfloßfeder (W3) [Adelung]


Die Schwanzfloße, oder Schwanzfloßfeder, plur. die -n, diejenige Floße oder Floßfeder, welche den Schwanz der Fische endiget; Pinna caudalis.


Schwanzhammer (W3) [Adelung]


Der Schwanzhammer, des -s, plur. die -hämmer, ein von dem Wasser getriebener Hammer von 20 bis 40 Pfund, worunter das Eisen und der Stahl zu flachen Schienen oder Zainen ausgedehnet wird; dergleichen Hammer z. B. in den Gewehr-Fabriken unterhalten wird, den Stahl zu den Degenklingen aus dem Groben zu arbeiten.


Schwanzkröte (W3) [Adelung]


Die Schwanzkröte, plur. die -n, eine Art Kröte mit einem Schwanze, welche im Dän. Rumpetudse genannt wird.


Schwanzmeise (W3) [Adelung]


Die Schwanzmeise, plur. die -n, eine Art Meisen mit einem ungewöhnlich langen Schwanze, welche den Körper an Länge übertrifft; Parus caudatus Klein. Zahlmeise, Pfannenstiel, Bergmeise, Schneemeise, Aschmeise.


Schwanzmesser (W3) [Adelung]


Das Schwanzmesser, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Wallfischfange, ein langes Messer mit einem sechs Fuß langen Stiele, dem todten Wallfisch damit den Schwanz abzuschneiden.


Schwanz-Papagey (W3) [Adelung]


Der Schwanz-Papagey, des -es, plur. die -e, eine Art Papageyen, mit einem Schwanze, welcher länger als gewöhnlich ist.


Schwanz-Perrücke (W3) [Adelung]


Die Schwanz-Perrücke, plur. die -n, eine Perrücke, deren Haare hinten in einem Schwanz oder Zopf vereiniget sind; zum Unterschiede von den Beutel-Perrücken, Stutz-Perrücken u. s. f.


Schwanzriemen (W3) [Adelung]


Der Schwanzriemen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Riemen an dem Pferdegeschirre, welcher unter dem Schwanze des Pferdes durchgehen, damit der Sattel oder das Geschirr nicht zu weit vorwärts gehe; Nieders. Steertremen.


Schwanzrübe (W3) [Adelung]


Die Schwanzrübe, plur. die -n, die Rübe in dem Schwanze eines vierfüßigen Thieres, d. i. der verlängerte Theil des Rückgrathes, welcher den festen Theil des Schwanzes ausmacht; die Schweifrübe. S. Rübe.


Schwanzschnur (W3) [Adelung]


Die Schwanzschnur, plur. die -schnüre, ein Rahme, welchen bey den Sammtwebern auch die Rahmschnüre führen.


Schwanzschraube (W3) [Adelung]


Die Schwanzschraube, plur. die -n, an den Feuergewehren, diejenige Schraube, welche das hintere Ende des Rohres verschließt; entweder, weil sie sich gleichsam am dessen Schwanze befindet, oder auch, weil sie ehedem mit einem Schwanze versehen war, vermittelst desselben das Rohr in dem Schafte zu befestigen.


Schwanzstern (W3) [Adelung]


Der Schwanzstern, des -es, plur. die -e, ein von einigen gebrauchtes Wort, das Griechische Komet zu verdrängen, weil sich der Dunstkreis der Kometen oft in Gestalt eines Schwanzes oder Schweifes darstellet. Allein da dieser Umstand nur zufällig ist, und von dem Stande des Kometen gegen die Sonne abhängt, daher es auch ungeschweifte Kometen gibt, so ist dieser Ausdruck unschicklich.


Schwanzstück (W3) [Adelung]


Das Schwanzstück, des -es, plur. die -e, ein Stück von dem Schwanze eines Thieres, ingleichen ein an dem Schwanze befindliches Stück, der Schwanz als ein Stück betrachtet. Das Schwanzstück eines Karpfens, der abgeschnittene Schwanz, ingleichen ein Stück desselben. Das Schwanzstück von einem Rinde, ein Stück Fleisch mit dem Rückgrathe gleich über dem Schwanze. An den Flaschenbüchsen wird das statt der Schwanzschraube am Ende des Rohres befindliche Stück das Schwanzstück genannt.


Schwanzwurm (W3) [Adelung]


Der Schwanzwurm, des -es, plur. inus. ein fressendes Geschwür in dem Schwanze des Rindviehes, wovon derselbe oft abfaulet; Nieders. Quaswurm, Sterzwurm.


Schwapp (W3) [Adelung]


Schwapp, Schwapps, eine nur im gemeinen Leben übliche Interjection, den Laut nachzuahmen, welchen ein schneller und heftiger Schlag auf einen weichen Körper verursacht. Schwapps bekam er eins hinter die Ohren. Im Niedersächsischen hat man auch die ähnlichen schwipps und schwupps, wovon das erste einen feinern, das letzte aber einen gröbern Laut nachahmet. Schwipps war er hinein, so schnell als ein Blitz. In den gemeinen Hochdeutschen Mundarten hat man auch das Zeitwort schwappen und dessen Iterativum schwappeln, welche Intensiva von schwabben, schwabbeln sind, und die Bewegung eines flüssigen Körpers in einem Gefäße durch den nachgeahmten Laut ausdrücken.


Schwar (W3) [Adelung]


Der Schwar, des -es, plur. die -e, oder auch der Schwaren, des -s, plur. ut nom. sing. eine kupferne Scheidemünze in Bremen, deren 5 einen Bremer Groot, 15 aber einen Groschen machen. In dem Bremisch. Nieders. Wörterbuche wird bemerkt, daß die Groote ehedem daselbst auch grote Sware genannt worden, und daraus vermuthet, daß dieses Wort von schwer abstamme, und eine bessere Münzsorte bezeichne, als die vorhin übliche leichte und geringhaltige war.


Schwären (W3) [Adelung]


Der Schwären, des -s, plur. ut nom. sing. eine Erhöhung der Haut, unter welcher sich Eiter zusammen ziehet oder erzeuget; ein Geschwür, welches aber auch in dem Körper Statt findet, dagegen Schwären nur von der äußern Haut gebraucht wird. Einen Schwären haben. Hiob wurde mit bösen Schwären geschlagen, Hiob 2, 7. Die Hunde leckten dem armen Manne seine Schwären, Luc. 16, 21. Jemanden den Schwären aufstechen, figürlich, ihm zeigen, wo es ihm fehlet, wo es gefehlet hat u. s. f.

Anm. So wie da ist, findet sich dieses Wort in den verwandten Sprachen nicht. Frisch leitet es sehr sonderbar von dem Lat. suppurare ab, andere mit mehrerer Wahrscheinlichkeiten von dem alten Sere, Schmerz, Suere, Plage, welches zu schwer, Beschwerde, versehren u. s. f. gehöret. Allein in den verwandten Sprachen findet sich ein noch näheres Stammwort, welchem nur der ohnehin oft zufällige Zischlaut mangelt, nähmlich das Schwed. Var, Eiter, im Angels. Wyr, im Finnländ. Weri, daher War im Ungar. und waerc im Angels. ein Schwären oder Geschwür, Värk im Schwed. der mit einem Schwären verbundene Schmerz ist. Im Wallis. ist Gwyar Blut, und im Latein. Virus nicht allein Gift, sondern eine jede schädliche Feuchtigkeit. Da die Deutschen schwären und der Schwären so allgemein und bestimmt auf die Zusammenziehung des Eiters eingeschränkt sind, so ist diese Ableitung unstreitig die natürlichste. Übrigens ist dieses Wort in einigen Mundarten ungewissen Geschlechtes, und lautet alsdann das Schwär, des -es, plur. die -e.


Schwären (W3) [Adelung]


Schwären, verb. irreg. Imperf. ich schwor, (ehedem schwur;) Mittelw. geschworen. Es ist ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, und gemeiniglich nur in der dritten Person gebraucht wird, mit Eiter angefüllet werden. Der Finger schwärt mir, ist mir geschworen, wird wohl schwären. Der Nagel schwärt ab. Das Auge ist ihm heraus geschworen. So auch das Schwären.

Anm. ( S. das vorige.) Schweren, in beschweren, schwären und schwören, sind in dem Laute, und die beyden letzten auch in der Conjugation einander sehr ähnlich, daher sie auch von dem großen Haufen nicht selten mit einander verwechselt werden. ( S. auch Geschwür und Schwürig.) Schwären und schwellen sind genau verschieden; jenes ist allemahl mit Eiter verbunden, dieses nie, obgleich aus einer Geschwulst zuweilen ein Geschwür werden kann.


Schwark (W3) [Adelung]


* Der Schwark, des -es, plur. die Schwärke, ein nur allein im Niederdeutschen übliches Wort, eine dicke schwarze Wolke zu bezeichnen, welche Regen oder Gewitter drohet. Ein Regenschwark, Gewitterschwark. Holländ. Zwark, Zwerk. Daher das Niedersächs. schwarken, sworken, beschworken, sich mit dickem schwarzem Gewölke überziehen. Vermuthlich aus Einer Quelle mit schwarz, oder so fern die Dicke, Vielheit, Bedeckung, der Stammbegriff ist, mit Schwarm, Schwarte, schwer u. s. f.


Schwarm (W3) [Adelung]


Der Schwarm, des -es, plur. die Schwärme, von dem folgenden Zeitworte schwärmen. 1. * Das verworrene Geräusch einer ungeordneten Menge; ohne Plural. 1) Eigentlich; in welchen Verstande es doch im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. In einigen Provinzen sagt man noch, im Schwarme leben, in eben dem Verstande, in welchem man im Hochdeutschen sagt, im Sause und Brause leben, im lärmenden Ausschweifungen. 2) Figürlich ist der Schwarm ein Anfall verworrener Vorstellungen; eine im Hochdeutschen gleichfalls ungewöhnliche Bedeutung, in welcher man aber doch in einigen Gegenden sagt: einen Schwarm haben, bekommen, der Schwarm steigt ihm in den Kopf, wenn verworrene sinnliche Vorstellungen bey jemanden überhand nehmen, und sich durch äußere Handlungen verrathen. Im ähnlichem Verstande sagt man im Hochdeutschen ohne Zischlaut, den Wurm haben. Bey den Jägern bekommt der Leithund den Schwarm, wenn er durch fremde Witterung von dem Suchen der Fährte abgehalten wird. Von einem Schwärmer sagt man in manchen Gegenden, daß er einen Schwarm habe, wenn er verworrene Vorstellungen zum Bestimmungsgrunde seiner Urtheile und Handlungen annimmt. 2. Ein unordentlicher Haufe ein verworrenes Geräusch machender lebendiger Dinge. Ein Schwarm Bienen, ein Haufe bey einander lebender Bienen. In engerer Bedeutung pflegt man eine junge Bienen-Colonie, welche sich gemeinschaftlich von dem alten Stocke absondert, einen Schwarm zu nennen; Nieders. ein Swerk, in einigen Oberdeutschen Gegenden ein Würfling, ein Lösch, letzteres von lassen, welches in manchen Gegenden gleichfalls von dem Schärmen der Bienen gebraucht wird. Einen Schwarm in einen Stock fassen. (Siehe Vorschwarm und Nachschwarm.) Ein unordentlicher Haufe lärmender Personen heißt gleichfalls ein Schwarm. Ein Schwarm Aufrührer, Betrunkener u. s. f. In noch weiterer Bedeutung, eine jede unordentliche Menge lebendiger Geschöpfe. Ein Vogel aus Canaria Ließ einst in Deutscher Lust sich nieder; Gleich war ein Schwarm von Vögeln da, Und musterte des Fremdlings Lieder, Michälis.

Anm. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Geswarme, in Baiern mit einem andern Endlaute Schwurbel, (im Nieders. ist swarven schwärmen,) im Nieders. in der zweyten Bedeutung Swerk, ( S. Schwark,) im Angels. Swearm, im Engl. Swarm, im Schwed. Svärm. S. das folgende.


Schwärmen (W3) [Adelung]


Schwärmen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das verworrene Geräusch nachahmet, welches unter andern auch mehrere Dinge in ihrer Bewegung machen. 1. Eigentlich, dieses verworrene Geräusch von sich geben, hervor bringen. Was für ein liebliches Sumsen schwärmt um uns her? Geßn. In engerer Bedeutung gebraucht man dieses Wort von den Bienen, wenn die Jungen mit einem verworrenen Gesumse und in einer unordentlicher scheinenden Menge aus einem Stocke ziehen. Die Bienen schwärmen, werden bald schwärmen. In welchem Verstande man es auch von den alten Bienen gebraucht, wenn sie ihre Jungen auf die Art auslassen, daher man in Niedersachsen für schwärmen auch lassen sagt. Der Stock hat noch nicht geschwärmet. 2. In engerer und figürlicher Bedeutung. 1) Rauschende Vergnügungen und Ausschweifungen zur Ungebühr nachhängen. Die ganze Nacht schwärmen. Ein Mensch muß in seinem Leben wenigstens Ein Mahl schwärmen, ein falscher, obgleich sehr allgemeiner Grundsatz. Lärmen und schwärmen. 2) Sich ohne Ordnung und Absicht und mit einem Geräusche schnell hin und her bewegen. Fliegende Würmchen verfolgen sich unten im Grase; bald verliert sie mein Auge im grünen Schatten, dann schwärmen sie wieder im Sonnenschein, Geßn. Von einem Orte zum andern schwärmen. Auf der See herum schwärmen, im Niederdeutschen die See schäumen; im Ital. ist sciamare schwärmen. 3) Sinnlichen Vorstellungen zur Ungebühr nachhängen, sinnliche Vorstellungen zum Bestimmungsgrunde seiner Urtheile und Handlungen annehmen zum Nachtheile deutlicher. Bey den Jägern schwärmt der Leithund, wenn er sich durch fremde sinnlichere Witterung von dem Suchen auf der Fährte abbringen läßt, z. B. wenn er ein Wild erblickt, und dadurch im Suchen irre wird. 4) In noch engerer Bedeutung, dunkele oder verworrene Vorstellungen zum Nachtheile klarer und deutlicher zum Bestimmungsgrunde seiner Urtheile und Handlungen anneh- men. In diesem Verstande sagt man sehr häufig, es schwärmt jemand, oder es schwärmt in seinem Kopfe, wenn er verworrene Vorstellungen hat, und solches durch seine Urtheile und Handlungen im hohe Grade äußert. Siehe Schwärmerey. So auch das Schwärmen.

Anm. Im Nieders. swarmen, und mit einem andern Endlaute swarven, im Angels. swearmian, im Engl. to swarm, to swerve, im Schwed. svärma. Im Niederdeutschen hat man noch ein anderes sehr nahe verwandtes Wort, welches swieren, Holländ. zwieren, lautet, und schwärmen im ersten und zweyten figürlichen Verstande bedeutet. Junius leitet unser schwärmen von dem Griech. Harmonia, Wachter von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Schleppe eines Kleides, Frisch, der den Bienenschwarm für die erste und älteste Bedeutung hielt, von Sperma her, andere zu geschweigen. Keinem fiel ein, daß dieses Zeitwort eine sehr deutliche Onomatopöie ist, welche das surmende Geräusch vieler sich bewegender Dinge genau nachahmet, und das Stammwort des Intensivi schwirren ist, so wie es wiederum ein vermittelst des Zischlautes gebildetes Intensivum von wirren, in verwirren, Wurm u. s. f. ist. Die eben gedachten von andern angegebenen Stammwörter sind indessen, obgleich auf verschiedene Art; Figuren dieser Onomatopöie.


Schwärmer (W3) [Adelung]


Der Schwärmer, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Ein schwärmendes Ding, in welchem Verstande es besonders in der Feuerwerkskunst üblich ist, wo ein in Papier gefüllter kleiner Feuerwerkssatz, welcher, wenn er angezündet wird, vor dem Zerplatzen nicht nur ein schwärmendes Getöse macht, sondern auch ohne Ordnung hin und her schwärmet, ein Schwärmer genannt wird. Schwärmer werfen. In figürlichem Verstande heißt bey den Jägern ein Leithund, welcher sich leicht durch sinnliche Eindrücke von der Fährte abbringen läßt, ein Schwärmer. 2. Eine schwärmende Person, Fämin. die Schwärmerinn. 1) In der ersten figürlichen Bedeutung des Zeitwortes, eine Person, welche sich rauschenden Vergnügungen und Ausschweifungen überläßt. Ein Gassenschwärmer, Nachtschwärmer u. s. f. 2) In der dritten und vierten figürlichen Bedeutung, eine Person, welche undeutlich und in noch engerm Verstande, welche verworrene Vorstellungen zum Nachtheile deutlicher und klarer zum Bestimmungsgrunde ihrer Urtheile und Handlungen macht, wo es in allen Ständen, Geschäften und Wissenschaften Schwärmer und Schwärmerinnen gibt, welche Empfindungen und wohl gar Einbildungen für Wahrheit halten. S. das folgende.


Schwärmerey (W3) [Adelung]


Die Schwärmerey, plur. die -en, welches nur in der dritten und vierten figürlichen Bedeutung des Zeitwortes üblich ist. 1) Als ein Abstractum und ohne Plural, die Fertigkeit, verworrene Vorstellungen, d. i. Einbildungen, und undeutliche Vorstellungen, d. i. Empfindungen, zum Nachtheile klarer und deutlicher Vorstellungen, zum Bestimmungsgrunde seiner Urtheile und Handlungen zu machen. Die Schwärmerey in der Religion ist die Fertigkeit, Einbildungen und Empfindungen für göttliche Wirkungen und Wahrheiten anzunehmen, welche den Enthusiasmus und Fanatismus unter sich begreift, wovon der erstere eigentlich auf Einbildungen, und der letzte auf die Empfindungen geht. Im weitesten aber nicht gewöhnlichsten Verstande ist Schwärmerey zuweilen die Fertigkeit, andere Erkenntnißquellen der göttlichen Wahrheiten anzunehmen, als die heilige Schrift, da sie denn mit dem Aberglauben überein kommt. 2) Als ein Concretum, Meinungen und Handlungen, so fern sie auf verworrene und undeutliche Vorstellungen, zum Nachtheile klarer und deutlicher gegründet sind.


Schwärmerisch (W3) [Adelung]


Schwärmerisch, -er, -te, adj. et adv. in der Schwärmerey gegründet, mit derselben behaftet, derselben ähnlich. Ein schwärmerischer Mensch. Schwärmerische Meinungen, Lehren. Gellerts Andenken bedarf keines eitlen Geräusches schwärmerischer Lobeserhebung. Cram. welche aus bloßen Empfindungen zum Nachtheile des ruhigen Verstandes herfließen.


Schwarmhüther (W3) [Adelung]


Der Schwarmhüther, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schwarmhütherinn, in der Bienenzucht, eine Person, welche auf die Bienen zur Zeit, wenn sie zu schwärmen pflegen, Acht gibt.


Schwarmsack (W3) [Adelung]


Der Schwarmsack, des -es, plur. die -säcke, ein Sack, Bienenschwärme darein zu fassen, und an ihren Ort zu bringen; der Bienenfasser.


Schwärmzeit (W3) [Adelung]


Die Schwärmzeit, plur. die -en, die Zeit, da die Bienen zu schwärmen pflegen.


Schwarte (W3) [Adelung]


Die Schwarte, plur. die -n, Diminut. das Schwärtchen, Oberd. Schwärtlein, ein Wort, welches eigentlich eine harte dicke Decke bedeutet, aber nur noch in einigen einzelnen damit verwandten fällen üblich ist. 1) Die Haut, welche sich von gekochten Speisen in den Geschirren ansetzet, heißt im Diminut. das Schwärtchen, in andern Gegenden die Scharre, weil die abgescharret wird, sonst auch nur die Haut. 2) Die dicke harte Haut an Menschen und Thieren ist unter dem Nahmen der Schwarte bekannt. Bey den Jägern heißt die abgezogene Haut eines Dachses, und bey einigen auch eines wilden Schweines, die Schwarte, ( S. Dachsschwarte.) Besonders kennet man unter diesem Nahmen die dicke harte Haut auf geräucherten Schinken und Speckseiten; die Speckschwarte, Schweinsschwarte. Im verächtlichen Verstande pflegt man auch die Haut am Menschen zuweilen die Schwarte zu nennen. Daß Zähn und Schwarte knackte, Opitz. Daher dieses Wort im gemeinen Leben, so wie Haut und Fell, zuweilen auch von der Person selbst gebraucht wird; eine arme Schwarte, eine gute Schwarte, ein armer, guter Mensch, eine arme, gute Haut; welche Ausdrücke irgend jemand von den Schwardonen, einer ehemahligen Wendischen Nation herleiten wollte. 3) Der Rasen heißt in manchen Gegenden die Schwarte oder grüne Schwarte, Nieders. Gronswort, Engl. Greensward, Schwed. Svard, Isländ. Swerd. 4) Die von den äußern Seiten eines Bretklotzes abgeschnittenen Breter heißen gemeiniglich Schwarten, Schwartenbreter, in andern Gegenden Schalen, Schalbreter, besonders, wenn sie auf der einen Seite noch halb rund oder nur grob behauen sind, und also gleichsam die Decke der übrigen Breter ausmachen.

Anm. Im Nieders. Swaarde, Sware, im Angels. Sweard, im Engl. Sward, im Schwed. Svard, im Isländ. Suardr. Frisch blieb bey der Speckschwarte stehen, und da diese gemeiniglich schwarz ist, so leitete er das Wort von schwarz Nieders. swart, her, da doch schon Wachter richtiger bemerkt hatte, daß der Begriff der Decke hier wie in so vielen andern ähnlichen der herrschende sey, daher dieses Wort zu warten, hüthen, wahren und bewahren u. s. f. gerechnet werden muß. Da es aber nur von einer harten dicken Decke gebraucht wird, so scheinen ihm schwer, Schwark, Schwarm u. s. f. den Nebenbegriff der Dicke, Vielheit der Theile, mitgetheilet zu haben. Mit einem andern Endlaute heißt die Schwarte im Schwedischen auch Sval, welches zu unserm Schwiele gehöret. Von der Dehnung in diesem Worte S. die

Anm. zu Schwert.


Schwartenbret (W3) [Adelung]


Das Schwartenbret, des -es, plur. die -er, siehe das vorige


Schwartenmagen (W3) [Adelung]


Der Schwartenmagen, des -s, plur. die -mägen, in dem Küchen, ein mit mürrisch geschnittenem Specke und Schwarte, d. i. Schweinshaut, geriebener Semmel, Schweinsblut u. s. f. gefüllter Schweinsmagen, welcher hernach geräuchert wird; im gemeinen Leben der Sausack.


Schwartenwurst (W3) [Adelung]


Die Schwartenwurst, plur. die -würste, eben daselbst, eine mit solchen Ingredienzien gefüllte Wurst.


Schwartig (W3) [Adelung]


Schwartig, adj. et adv. Schwarte, dicke harte Haut, enthaltend. Hartschwartiger Speck, der eine harte Schwarte hat. Bey den Weißgärbern heißt ein Fell schwartig, wenn es hart, einer Schwarte ähnlich ist, welches bey ihnen auch hornig genannt wird.


Schwarz (W3) [Adelung]


Schwarz, schwärzer, schwärzeste, adj. et adv. 1. Eigentlich, ein Nahme der dunkelsten Farbe, welche in der Ermangelung alles Lichtes bestehet, und der weißen entgegen stehet. Ein schwarzes Kleid. Die schwarze Farbe. Schwarz gekleidet gehen. Schwarze Tinte. Das schwarze Bret, auf Universitäten und Gymnasien, eine schwarz angestrichene Tafel, woran die akademischen Bekanntmachungen geschehen. Die schwarze Tafel, in manchen Schulen, Wirtshäusern u. s. f. eine schwarz angestrichene Tafel, woran man die Nahmen derer schreibt, welche sich übel verhalten. Jemanden in das schwarze Register schreiben, in das Verzeichniß solcher übel berüchtigter Glieder der Gesellschaft. Daher die figürlichen Ausdrücke, jemanden bey einem andern schwarz machen, ihn anschwärzen, ihn verleumden; im mittlern Lat. denigrare. Bey jemanden schwarz seyn, von ihm für ein lasterhaftes oder schädliches Glied der Gesellschaft gehalten werden. In Oberdeutschland sagt man, jemanden bey einem andern schwarz anschreiben, daher diese und die vorigen R. A. auch das Anschreiben eines übel berüchtigten mit einem schwarzen Farbenkörper voraus setzen können. Schwarz auf weiß haben, etwas schriftlich haben, wo schwarz die Tinte, weiß das Papier bezeichnet. Sprichw. In der Nacht sind (scheinen) alle Katzen (oder Kühe) schwarz. Schwarze Noten, welche einen gefüllten Kopf haben, im Gegensatze der weißen. Der schwarze Sonntag, der Sonntag Judica, weil ehedem die Altäre und Kirchen an demselben schwarz behänget wurden. Das Hauptwort davon lautet bald das Schwarz, bald das Schwarze, bald auch die Schwärze. Das letzte ist das Abstractum, ( S. dasselbe an seinem Ort.) Das erste wird für schwarze Farbe gebraucht, es bezeichne nun einen Farbenkörper oder eine Eigenschaft, und ist, wie alle Adverbia, wenn sie als Substantiva gebraucht werden, indeclinabel. Ein schönes Schwarz. Die Glasmahler machen ihr Schwarz von Eisenschlacken. Frankfurter Schwarz, eine schwarze Erde. So auch Rußschwarz, Beinschwarz, Kohlenschwarz u. s. f. Es gibt verschiedene Arten Schwarz. Die Schönheit dieses Schwarz. Das Hauptwort das Schwarze aber bezeichnet in vielen Fällen ein schwarzes Ding, zuweilen auch die Eigenschaft, und wird wie alle Beywörter declinirt. Das Schwarze in der Scheibe. Das Schwarze im Auge, der Augapfel, zum Unterschiede von dem Weißen. Ein Mahler fällt in das Schwarze, wenn er seine Schatten übertreibt. Ein Schwarzer, ein Reger, ein Einwohner aus der südlichen Hälfte von Afrika, wegen der schwarzen Gesichtsfarbe. 2. In weiterer Bedeutung, so wohl für dunkel, vieles Lichtes beraubt, als auch mit Schwarz vermischt, wo man viele Dinge schwarz nennet, bey welchen die schwarze Farbe hervorsticht. Schwarze Augen, dunkelblaue oder dunkelbraune. Schwarze Kirschen, dunkelrothe. Bey den Eisenarbeitern heißt ein Eisen schwarz, wenn es unverzinnt ist. Schwarzes Kupfer oder Schwarzkupfer im Hüttenbaue, ungereinigtes, ( S. Schwarzkupfer.) In einem andern Verstande war ehedem schwarze Münze, welche mit vielem Kupfer vermischt war, im Gegensatze der weißen, welche aus reinerm Silber bestand, und in Baiern werden die Grundzinsen und gerichtlichen Strafen noch in schwarzer Münze entrichtet, ( S. Pfund.) Schwarzes Mehl, grobes, welches aus dem sechsten und letzten Gange kommt, zum Unterschiede von dem weißen. Schwarzes Brot, welches aus diesem Mehle gebacken wird. In weiterer Bedeutung ist schwarzes Brot Rocken- brot, zum Unterschiede von dem weißen, den Semmeln u. s. f. (Siehe Schwarzbäcker.) Schwarzes Geblüt, schwärzlich rothes. Schwarzes Wildbret oder Schwarzwild, bey den Jägern, ein Nahme der wilden Schweine, wozu einige noch die Bären und Dachse rechnen, wegen der schwärzlich braunen Farbe, zum Unterschiede von dem rothen Wildbrete. Schwarzes Holz, im Forstwesen, ( S. Schwarzholz.) Im Forstwesen sagt man, eine Blöße oder Lichtung werde schwarz, wenn sie wieder mit Holz bewachsen, folglich dunkel wird. Schwarz bedeutet oft von der Sonne verbrannt, schwärzlich gelb, schwärzlich braun. Im Gesichte schwarz seyn. Im andern Verstande ist schwarz, so viel als beschmutzt, besonders von der Wäsche, im Gegensatze des weiß. Schwarze Wäsche, ein schwarzes Hemd. Die schwarze Kunst, eine Art des Kupferstechens, da die ganze Platte wollicht überpflügt, und die lichten Stellen beschabt werden. In einem andern Verstande kommt es gleich im folgenden vor. Ingleichen für finster, dunkel, vieles Lichtes, des Lichts größten Theils beraubt. Der Himmel wird schwarz, mit dunkeln Wolken überzogen. Der Nordwind, der Mit starken Fittigen die schwarzen Lüfte theilte, Schleg. Ein schwarzes Gewitter stieg fernher auf, Geßn. Die Blitze schlängeln sich dicht durchs schwarze Gewölk, eben derselbe. Eine schwarze Nacht, eine schwarze Höhle. 3. Figürlich. 1) Die schwarze Kunst, die Zauberey. In engerer Bedeutung ist es diejenige Art der Zauberey, da übernatürliche Wirkungen durch Hülfe der bösen Geister hervor gebracht werden, zum Unterschiede von der weißen Magie oder Theurgie, wenn zur Mitwirkung gute Geister gebraucht werden. Schwed. Syartkonst, Engl. Blackarts, von black, schwarz. Es ist schon von den andern bemerket worden, daß man aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches die Kunst, die Todten durch Hülfe böser Geister wieder darzustellen, bedeutete, im mittlern Latein aus Unwissenheit Nigromantia machte, als wenn die erste Hälfte von niger abstammete. Hiervon ist das Deutsche eine buchstäbliche Übersetzung. Königshoven nennt magische Bücher schwarze Buche. ( S. Schwarzkünstler.) 2) Im höchsten Grade traurig, unglücklich; in der höhern Schreibart. Ach weißt du noch den schwarzen Tag, der die Blüthen unserer Hoffnung zu Grunde richtete? Weiße. Wenn Phillis dir den schwarzen Gram versingt, Haged. Ein finstrer Tag, so schwarz, wie dein Geschick, Weiße. 3) Im hohen Grade lasterhaft, boshaft, abscheulich; gleichfalls in der höhern Schreibart. Warum erblickte ich deinen schwarze Seele nicht einige Monathe eher in ihrer ganzen Abscheulichkeit? Sein Gewissen stellt ihm auf Ein Mahl die schwärzesten Frevel dar. Eine schwarze That, eine verruchte, abscheuliche. Er heulte, lästerte, und haucht in tausend Flüchen Sein schwarzes Leben aus, Weiße.

Anm. Schon bey dem Ulphilas swarts, bey dem Notker und im Tatian suarz, im Nieders. swart, im Angels. sweart, im Schwed. svart, im Dänischen ohne Blaselaut fort, so wie im Finnländ. sorttan schwärzen ist, im Pohln. czarny. Es scheinet, daß dieses Wort mit schwer Schwarm, Schwarte aus Einer Quelle herstamme, und eigentlich dunkel bedeute, indem die Dunkelheit und Undurchsichtigkeit gemeiniglich eine Folge der Dicke oder der Menge von Theilen ist. Das alte Lateinische suasus, dunkel, ist nur im Endlaute unterschieden. Im Mecklenburgischen heißt ein schwarzes Ding ein Nörr, welches mit dem Französ. noir und Latein. niger überein kommt, aber gewiß nicht davon abstammet.


Schwarzamsel (W3) [Adelung]


Die Schwarzamsel, plur. die -n, ein Nahme der wahren Amsel, wegen ihrer schwarzen Farbe, zum Unterschiede von andern Arten, welche man im gemeinen Leben irrig Amseln zu nennen pflegt.


Schwarzäugig (W3) [Adelung]


Schwarzäugig, -er, -ste, adj. et adv. schwarze, d. i. dunkle Augen habend.


Schwarzbäcker (W3) [Adelung]


Der Schwarzbäcker, des -s, plur. ut nom. sing. in vielen Gegenden, ein Bäcker, welcher nur allein schwarzes Brot, d. i. Rockenbrot, backen darf, im Nieders. Fastbecker, eigentlich Festbäcker, ( S. jenes Wort;) zum Unterschiede von den Weißbäckern, Nieders. Losbäckern.


Schwarzbärtchen (W3) [Adelung]


Das Schwarzbärtchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Vogel, S. Graslein und Hänfling.


Schwarzbeere (W3) [Adelung]


Die Schwarzbeere, plur. die -n, ein Nahme der Heidelbeeren, S. dieses Wort.


Schwarzbinder (W3) [Adelung]


Der Schwarzbinder, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Böttcher, welche nur große Gefäße aus schwarzem Holze, d. i. Eichenholze, verfertigen; zum Unterschiede von den Weißbindern. S. Böttcher.


Schwarzbraun (W3) [Adelung]


Schwarzbraun, -er, -ste, adj. et adv. von einem mit Schwarz vermischten Braun. Ein schwarzbraunes Pferd. Schwarzbraun im Gesichte.


Schwarzdorn (W3) [Adelung]


Der Schwarzdorn, des -es, plur. die -en, in vielen Gegenden ein Nahme des Schlehdornes, Prunus spinosa L. wegen seiner schwarzen oder vielmehr dunkelblauen Beeren, daher er auch im Engl. Blackthorn heißt.


Schwärze (W3) [Adelung]


Die Schwärze, plur. doch nur in der letzten Bedeutung von mehrern Arten, die -n. 1. Der Zustand, da ein Ding schwarz ist; ohne Plural. 1) In der ersten und zweyten Bedeutung des Beywortes. Ihre Gestalt ist so dunkel vor Schwärze, Klagel. 4, 8. Es ist eine rechte Schwärze, sagt man, wenn der Himmel finster und die Luft dunkel wird. Die Tinte hat keine gute Schwärze. 2) Figürlich, ein hoher Grad der Traurigkeit, die Schwärze des Grames, noch mehr aber Abscheulichkeit, Verruchtheit, beydes nur in der höhern Schreibart. Die Schwärze des Lasters, seiner Seele, dieser That. 2. Als ein Concretum, in vielen Fällen ein schwarzer Körper. Schusterschwärze, womit die Schuster das Leder schwärzen. Druckerschwärze, schwarze Druckerfarbe. Im Bergbaue ist die Schwärze eine schwarze oder schwärzliche metallische Erde, welche aus verwittertem Erze entstehet. Goldhaltige Schwärze, welche Gold enthält. Silberschwärze, wenn sie etwas Silber enthält.


Schwärzen (W3) [Adelung]


Schwärzen, verb. reg. act. schwarz machen. 1. In der ersten und zweyten Bedeutung des Beywortes. Die Schuhe, das Leder schwärzen. Die Schmiede schwärzen das Eisen, wenn sie es, indem es noch heiß ist, mit Pech überfahren, wovon es glänzend schwarz wird. Wäsche schwärzen, einschwärzen, schwarz d. i. schmutzig, machen. So auch dunkel, finster machen. Sobald die Luft ein feuchter Südwind schwärzet, Haged. Ein geweihter Myrthenwald, den geheime Schatten schwärzten, Uz. Sich schwärzen, schwarz, dunkel, trübe werden. Bald aber schwärzet sich die heitre Himmelslust, Haged. 2. Figürlich. 1) Schwarz, d. i. anrüchtig, machen, verleumden, wofür in der Sprache des täglichen Umganges anschwärzen und verschwärzen üblicher sind. Sanft freundliche Stimmen, Die voll Schmähsucht und Neid die reinsten Tugenden schwärzen, Zach. 2) Traurig, trübe machen; auch nur in der dichterischen Schreibart. Verleumdung, Stolz und Sorgen, Was Städte sclavisch macht, Das schwärzt nicht seinen Morgen, Haged. 3) Ein geschwärztes Gewissen, in der höhern Schreibart, ein gebrandmahltes, welches sich schwarzer Thaten bewußt ist. 4) Im Oberdeutschen heißt Waaren schwärzen oder einschwärzen, Waaren mit Hintergehung der Abgaben heimlich einbringen, ingleichen verbothene Waaren einbringen, daher man auch die, welche solches thun, Schwärzer zu nennen pflegt; Schleichhandel treiben, im Nieders. smuggeln, im Oberd. auch paschen. Etwa, weil sich dergleichen Schleichhändler, um nicht erkannt zu werden, ehedem das Gesicht zu schwärzen pflegten? So auch das Schwärzen.

Anm. Engl. to swart. Ehedem hatte man im Oberdeutschen auch das Neutrum schwarzen, schwarz werden, wofür in dem zusammen gesetzten nachschwärzen das ä üblich ist.


Schwarzerz (W3) [Adelung]


Das Schwarzerz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine schwärzliche Art Silbererz, zum Unterschiede vom dem Weißerz. Beyde sind Arten des Fahlerzes. Eben daselbst wird auch das Schwarzgüldenerz, Schwarzerz genannt.


Schwarzfärber (W3) [Adelung]


Der Schwarzfärber, des -s, plur. ut nom. sing. eine ehemahlige Art Färber, welche nur schwarz, blau und braun färbten, zum Unterschiede von den später entstandenen Schönfärbern, siehe das letztere.


Schwarzflügler (W3) [Adelung]


Der Schwarzflügler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art rother Dickschnäbler mit schwarzen Flügeln; Coccothraustes alis nigris Klein. Er ist in Mexico einheimisch, und wird von dem Seba zu den Sperlingen gerechnet.


Schwarzgar (W3) [Adelung]


Schwarzgar, adj. et adv. eine Art der Gare bey den Gärbern, wobey das Leder schwarz oder schwärzlich wird; zum Unterschiede von dem weißgar.


Schwarzgelb (W3) [Adelung]


Schwarzgelb, adj. et adv. von einer mit Schwarz vermischten gelben Farbe.


Schwarzgrau (W3) [Adelung]


Schwarzgrau, adj. et adv. von einer mit Schwarz vermischten grauen Farbe.


Schwarzgülden (W3) [Adelung]


Schwarzgülden, adj. et adv. welches nur im Bergbaue üblich ist, und von einer gewissen Art Silbererzes gebraucht wird, welches wegen des beygemischten Spießglases eine schwarze oder schwärzliche Farbe hat, übrigens aber güldisch ist, d. i. etwa Gold enthält; Schwarzerz zum Unterschiede von dem weißgüldenen Erze.


Schwarzhafer (W3) [Adelung]


Der Schwarzhafer, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. eine Art Hafers mit kleinen schwärzlichen spitzigen Körnern, welcher wegen seiner rauhen Gestalt auch Barthafer genannt wird.


Schwarzholz (W3) [Adelung]


Das Schwarzholz, des -es, plur. die -hölzer, im Forstwesen. 1) Eine Art Holz, d. i. Bäume und Stauden, welche kein eigentliches Laub, sondern statt desselben Nadeln oder Tangeln haben, ohne Plural, außer von mehrern Arten; Nadelholz, Tangelholz, Harzholz, todtes Holz, weiches Holz, zum Unterschiede von dem Laubholze, harten Holze, lebendigen Holze. Zu dem Schwarzholze werden gerechnet die Tannen, Fichten, Kiefern, der Lärchenbaum, der Taxus, der Eibenbaum und der Wachholder. 2) Ein aus solchen Holzarten bestehendes Gehölz, eine damit bewachsene Gegend. Der Nahme rühret theils von der dunkelgrünen Farbe der Tangeln dieser Holzarten, theils auch von dem dunkeln finstern Ansehen der damit bewachsenen Wälder her, weil das Nadelholz gemeiniglich dicker zu wachsen pflegt, als das Laubholz.


Schwarzkamm (W3) [Adelung]


Der Schwarzkamm, des -es, plur. die -kämme, eine Art morgenländischer Wiedehopfe mit einem schwarzen Kamme; Upupa manucodiata Klein.


Schwarzkehlchen (W3) [Adelung]


Das Schwarzkehlchen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Art blauer Baumklette, mit schwarzer Kehle, schwarzen Schwanze und schwarzen Flügeln; Falcinellus gula alisque nigris Klein 2) Eine Art Brustwenzel oder Bachstelze mit schwarzer Kehle, rothen Bauche, grauen Kopfe und Rücken; Motacilla Phoenicurus L. zum Unterschiede von dem Blaukehlchen, Graukehlchen, Rothkehlchen, Weißkehlchen u. s. f.


Schwarzkopf (W3) [Adelung]


Der Schwarzkopf, des -es, plur. die -köpfe, ein Geschöpf mit einem schwarzen Kopfe. Besonders 1) eine Art Brustwenzel oder Grasmücken mit einer schwarzen Platte auf dem Kopfe; Motacilla atricapilla L. Schwarzkäppchen, Schwarzplättchen, Mönch, Grasspatz. 2) Eine Art citrongelber Dickschnäbler mit einem schwarzen Kopfe; Coccothraustes citrea capite nigro Klein. 3) Eine Art weißer Mewen mit einem schwarzen Kopfe; Larus albicaus Klein. große Seeschwalbe.


Schwarzkraut (W3) [Adelung]


Das Schwarzkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche schwarze Beeren trägt und in den Europäischen Wäldern wächset; Actaea L. besonders dessen Actaea spicata, zum Unterschiede von dem Weißkraute, Actaea alba, welches ganz weiße Beeren hat. Jenes wird auch gemeines Christophkraut, gemeinen Christophwurzel, Schwarzwurz genannt.


Schwarzkümmel (W3) [Adelung]


Der Schwarzkümmel, des -s, plur. inus. eine Art Kümmel mit kohlschwarzen Samen, welcher bey uns wild auf den Äckern wächset, und wovon Eine Art in den Apotheken gebraucht wird; Nigella L. zum Unterschiede von dem Gartenkümmel, Speisekümmel, oder Römischen Kümmel und Feldkümmel.


Schwarzkünstler (W3) [Adelung]


Der Schwarzkünstler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schwarzkünstlerinn, eine Person, welche übernatürliche Wirkungen durch Hülfe böser Geister hervor bringt; ein Hexenmeister, eine Hexe. In weiterer Bedeutung, ein jeder Zauberer oder Zauberinn. Im mittlern Lat. Negromanticus für Necromanticus. S. Schwarze Kunst in Schwarz 3.


Schwarzkupfer (W3) [Adelung]


Das Schwarzkupfer, des -s, plur. doch von mehrern Arten, ut nom. sing. im Hüttenbaue, das aus dem zweyten Schmelzen der Kupfererze erhaltene Kupfer, welches noch mit Bergarten und andern Metallen vermischt ist, und erst durch mehrere nachfolgende Arbeiten gereiniget wird. Es wird auch Königskupfer genannt.


Schwärzlich (W3) [Adelung]


Schwärzlich, -er, -ste, adj. et adv. ein wenig schwarz, mit Schwarz vermischt.


Schwarzmeise (W3) [Adelung]


Die Schwarzmeise, plur. die -n, eine Art Meisen mit einem schwarzen Kopfe, und aschfarbenen Rücken, Schwanze und Flügeln, welche der Holzmeise sehr ähnlich ist, und auch Hanfmeise genannt wird.


Schwarznagelschmid (W3) [Adelung]


Der Schwarznagelschmid, des -s, plur. die -schmiede, eine Art Grobschmiede, welche nur schwarze unverzinnte Nägel machen; zum Unterschiede von den Weißnagelschmieden.


Schwarzroth (W3) [Adelung]


Schwarzroth, adj. et adv. eine mit Schwarz vermischte rothe Farbe habend.


Schwärzsack (W3) [Adelung]


Der Schwärzsack, des -es, plur. die -säcke, in einigen Gegenden ein Nahme desjenigen dichten Gezeltes, unter welchem der Kienruß aus dem Harze gebrannt wird.


Schwarzschecke (W3) [Adelung]


Die Schwarzschecke, plur. die -n, eine Art Schecken, das ist, scheckiger Pferde, mit schwarzen Flecken; zum Unterschiede von der Blauschecke, Braunschecke, Fuchsschecke, Gelbschecke u. s. f.


Schwarzschimmel (W3) [Adelung]


Der Schwarzschimmel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Schimmel, d. i. graues Pferd, dessen Weiß mit Schwarz gesättiget ist, zum Unterschiede von dem Rothschimmel, Hechtschimmel, Honigschimmel, Silberschimmel u. s. f.


Schwarzschwanz (W3) [Adelung]


Der Schwarzschwanz, des -es, plur. die -schwänze, eine Art Brustwenzel mit rostfarbigem Körper, schwarzer Kehle, schwarzen Flügeln und schwarzen Schwanze; Sylvia gutture nigro Klein.


Schwarzspecht (W3) [Adelung]


Der Schwarzspecht, des -es, plur. die -e, eine Art Spechte, bey welchen die schwarze Farbe die herrschende ist; Picus niger Klein. zum Unterschiede von den Grünspechten, Buntspechten u. s. f. Es gibt mehrere Arten derselben, welche auch Hohl- oder Holzkrähen genannt werden.


Schwarzstein (W3) [Adelung]


Der Schwarzstein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten die -e, in einigen Gegenden ein Nahme des Braunsteines, wegen seiner schwarzgrauen Farbe.


Schwarztaucher (W3) [Adelung]


Der Schwarztaucher, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art kleiner Taucher mit schwarzen Kopfe, Halse und Rücken; Mergus minor niger Klein. Dachänte, Käferänte.


Schwarzwald (W3) [Adelung]


Der Schwarzwald, des -es, plur. die -wälder, ein mit Schwarzholz bewachsener Wald. Als ein eigenthümlicher Nahme ist der Schwarzwald in Oberdeutschland bekannt. Auch ein Stück des Thüringer Waldes führet diesen Nahmen.


Schwarzwälsch (W3) [Adelung]


Schwarzwälsch, adj. et adv. welches von einer Art Weinstöcke üblich ist, welche schöne große hangende Trauben mit großen schwarzbraunen Beeren haben, und ursprünglich aus Wälschland herstammen.


Schwarzwild (W3) [Adelung]


Das Schwarzwild, des -es, plur. car. schwarzes Wild, d. i. wilde Schweine, und bey einigen auch Bären und Dachse, Grobwild; zum Unterschiede von dem rothen Wildbrete oder Rothwilde.


Schwarzwurz,Schwarzwurzel (W3) [Adelung]


Die Schwarzwurz oder Schwarzwurzel, plur. car. 1) Eine Pflanze, welche in den feuchten Gegenden Europens wächst, und eine große, dicke, auswendig schwarze Wurzel hat, die ein berühmtes Wundmittel, besonders in Beinbrüchen, ist, und daher auch Beinwell, gleichsam Beinwohl, genannt wird; Symphytum officinale L. Wallwurz. 2) Schwarzkraut. 3) Bey einigen führet auch die Zaunrübe diesen Nahmen; Bryonia L.


Schwatzen (W3) [Adelung]


Schwatzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, viel und unerhebliche, unüberlegte Dinge reden, einen reichen Fluß der Worte bey unerheblichen Dingen haben. 1. Im weitesten Verstande, wo es mit verschiedenen Nebenbegriffen üblich ist. 1) Vertraulich reden, so daß der Nebenbegriff des Unerheblichen verschwindet. Mit jemanden schwatzen. Von etwas schwatzen. Plaudern wird in eben dem selben Verstande gebraucht. 2) So daß der Nebenbegriff des Unerheblichen, des Unwichtigen, oft auch des Unbesonnenen, merklich hervorsticht. Er schwatzt was ihm in den Mund kommt. Es ist bey ihm des Schwatzens kein Ende. Die Wahrsager und Zeichendeuter, die da schwätzen, (schwatzen) und disputiren, Es. 8, 19. Müssen die Leute (zu) deinem großen Schwätzen schweigen? Hiob 11, 3. 2. In engerer Bedeutung ist es zuweilen so viel wie ausschwatzen. Aus der Schule schwatzen, unvertraute oder geheime Dinge aus bloßer Begierde zu reden verrathen. Du weißt, ich schwatze nicht. So auch das Schwatzen.

Anm. Im Holländischen swetsen, im Engl. ohne Zischlaut to twattle. Die Form zeigt, daß es ein Intensivum von einem veralteten schwaden ist, welches reden überhaupt bedeutet hat, und wovon das Lat. suadus, wortreich im guten Verstande, suadere, rathen, (welches Deutsche rathen mit reden Eines Ursprunges ist,) das Schwed. svassa, schwülstig reden, das Böhm. swedciti, bezeugen, Zeugniß ablegen, u. a. m. Eines Geschlechtes sind, als welche alle Arten des Redens bezeichnen. Der Begriff des Vielen, des Unerheblichen fließt aus der Intension, schwatzen für schwadsen, von schwaden. Es ist, wie alle Wörter dieser Art, und wie das verwandte waschen für plaudern, ohne Zweifel eine Onomatopöie. Die Form schwätzen, welche in der Deutschen Bibel vorkommt, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Im Oberdeutschen hat man davon das Hauptwort der Schwatz, ein vertrauliches, ingleichen wortreiches Gespräch, welches aber im Hochdeutschen fremd ist. S. Geschwätz.


Schwätzer (W3) [Adelung]


Der Schwätzer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schwätzerinn, eine Person, welche eine Fertigkeit besitzt zu schwatzen, in allen Bedeutungen des Zeitwortes. Ein angenehmer Schwätzer, welchen man gern schwatzen höret, auch wenn er die unerheblichsten Dinge vorträgt. Ingleichen mit dem hervorstechenden Nebenbegriffe des Unschicklichen; des Unüberlegten; so wie man dieses Wort auch von einer Person gebraucht, welche nichts verschweigen kann, und zwar aus bloßen Triebe zu reden.


Schwatzhaft (W3) [Adelung]


Schwatzhaft, -er, -este, adj. et adv. Fertigkeit besitzend zu schwatzen, und darin gegründet, in allen Bedeutungen des Zeitwortes. Schwatzhaft seyn. Ein schwatzhaftes Kind. Die schwatzhafte Älster. Ingleichen Neigung, Fertigkeit besitzend, aus bloßem Triebe zu reden, geheime Dinge zu verrathen. Er ist nicht schwatzhaft. Im gemeinen Leben schwatzhaftig. Luthers schwätzig, 1 Tim. 5, 13, ist nur noch in unserm geschwätzige üblich, S. dasselbe.


Schwatzhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Schwatzhaftigkeit, plur. car. die Eigenschaft, die Fertigkeit zu schwatzen, in allen Bedeutungen des Bey- und Nebenwortes. Er hielt den Vorübergehenden mit freundlicher Schwatzhaftigkeit auf, Geßn. Ingleichen von der Fertigkeit, viel und unüberlegt, ohne Wahl der Sachen zu reden; wie auch, geheime Dinge aus bloßer Begierde zu reden, zu offenbaren.


Schwebästrich (W3) [Adelung]


Das Schwebästrich, des -es, plur. die -e, ein zwischen zwey Balken in der Höhe befindliches Ästrich, weil es gleichsam im Freyen zu schweben scheint; zum Unterschiede von einem gegossenen Ästriche.


Schwebe (W3) [Adelung]


Die Schwebe, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte. 1) Der Zustand, da ein Ding schwebet; als ein Abstractum, und ohne Plural. In der Schwebe seyn, hängen. 2) Die hohe See, das hohe Meer, die tiefste Gegend des Meeres oder auch eines Sees; eine nur in einigen Gegenden, z. B. auf dem Bodensee in Oberdeutschland, übliche Bedeutung.


Schweben (W3) [Adelung]


Schweben, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und durch seinen Laut die sanfte gelinde Bewegung eines Dinges in einem flüssigen Körper, besonders in der Luft nachahmet. 1. Eigentlich. Ein Ding schwebt in dem Wasser oder in der Luft, wenn es eine sanfte kaum merkliche Bewegung in derselben hat; von einer stärkern Bewegung ist im Wasser schwimmen und in der Luft fliegen üblich. Der Nebel schwebt auf der Oberfläche des Wassers, der Luft. Die Wolken schweben in der Luft. Die Weihe schwebt in der Luft, wenn sie sich ohne sichtbare Bewegung der Flügel in der Luft sanft beweget, Nieders. scheren. Der Geist Gottes schwebete auf den Wassern, 1 Mos. 1, 2. Der Adler schwebte über seine Jungen, 5 Mos. 31, 11. Absalom schwebte zwischen Himmel und Erden, 2. Sam. 18, 9, als er mit den Haaren hängen blieb. Er schwebte auf den Fittigen des Windes, Kap. 22, 11. Zuweilen auch von einer stärkern Bewegung, doch mit dem Nebenbegriffe der ungewissen Richtung. Wie ein Schiff auf dem ungestümen Meere schwebet, Sir. 33, 2. Wir gaben das Schiff dahin und schwebten also, Apost. 27, 15. Sein Mord schwebt auf der Fluth mit ungestümen Schwingen, Giseke. Die Falten eines Gewandes schweben, in den schönen Künsten, wenn sie in der Luft zu schweben, nicht angeklebt oder angeleimt zu seyn scheinen. 2. In weiterer Bedeutung wird es oft von solchen Dingen gebraucht, welche keine sehr sichtbare Befestigung in der Luft haben, in noch weiterer Bedeutung aber auch von Flächen und Körpern, welche über uns befestiget sind, und gleichsam über uns zu schweben scheinen. ( S. Schwebästrich.) Ein schwebendes Feld, im Bergbaue, welches oben und unten, hinten und vorn verfahren ist, und nur noch seine Bergfeste hat. Schwebende Mittel, eben daselbst, wenn oben und unten die Erze weggenommen und nur noch einige Anbrüche stehen gelassen worden. Eine schwebende First, eben daselbst, welche über sich hänget. Schwebende Sumpfe, eben daselbst, welche auf einer Bühne oder Kasten gleichsam schwebend erhalten werden, damit sie nicht in die tiefen Gebäude fallen können. Schwebende Strossen, eben daselbst, welche durch über sich brechen gewonnen werden. 3. Figürlich. 1) Schwebende Gänge, im Bergbaue, flache, horizontale oder meist horizontale, zum Unterschiede von den seigern, d. i. senkrechten oder doch der senkrechten Richtungen ähnlichen, wohin denn auch die Flötze gehören. Dergleichen Gänge werden in der Sprache des Bergmannes mit einem sonst ungewöhnlichen Worte auch schwebische genannt. Es ist hier eine Figur der sanften horizontalen Bewegung. 2) In verschiedenen einzelnen R. A. Es schwebt mir auf der Zunge, sagt man, wenn man sich auf einen Nahmen oder auf einen Ausdruck nicht besinnen kann, und doch alle Augenblicke glaubt, daß man sich auf ihn besinnen werde. Das schwebt mir immer vor Augen, ich erinnere mich immer auf eine anschauliche Art daran. Hoch schwebende Gedanken. Zwischen Furcht und Hoffnung schweben, in Gefahr schweben, sich befinden. Swem nu sin herze in froeiden swebe, Graf Conrad von Kirchberg So wolde ich in wunnen sweben, Heinr. von Sax. In welchen R. A. es doch jetzt wegen des vielen Mißbrauches der Dichter platt und ungeschmack geworden. So auch das Schweben.

Anm. Schon im Isidor im Imperf. suueibota, von dem Geiste Gottes, für schwebte, im Ottfried sueben, im Engl. to swing. Es ahmet die sanfte Bewegung, welche es ausdruckt, genau nach, und ist vermittelst des Zischlautes aus weben gebildet, so fern dieses ehedem gleichfalls für schweben gebraucht wurde, in welcher Bedeutung es noch bey dem Notker vorkommt. Schweifen, schwingen, das Nieders. swepen, ( S. Schwefze,) u. a. m. sind genau damit verwandt. Im Angelsächs. ist swift geschwinde, im Oberd. schwaben, schwanken, im Schwed. sväfva schwanken, hin und her bewegt werden, im Wallis. chwysio bewegen, welche theils Intensiva von schweben sind. S. auch Schwibbogen.


Schwebforelle (W3) [Adelung]


Die Schwebforelle, plur. die -n, ein Nahme derjenigen Forellen, welche sich in der Höhe des Wassers aufhalten, und ihre Nahrung von dem auf demselben schwebenden Ungeziefer suchen; zum Unterschiede von den Grundforellen. Beyde sind indessen nur eine und eben dieselbe Art.


Schweder (W3) [Adelung]


* Der Schweder, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens, die weichen, saftigen Drüsen oder Mandeln am Halse der Thiere. Der Kalbsschweder, welcher im Hochdeutschen unter dem Nahmen der Kalbsmilch oder des Bröschens am bekanntesten ist, ( S. dieses Wort.) Nieders. Sweder. Im Schwed. ist Svet Versammlung, Gefolge, Franz. Suite, eigentlich Verdickung, Swett Feuchtigkeit, ( S. Schweiß,) Nieders. Swet. Beyde Begriffe schicken sich unfüglich hierher.


Schwederlein (W3) [Adelung]


Das Schwederlein, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Vögel, S. Hirngrille.


Schwederich (W3) [Adelung]


Der Schwederich, des -s, plur. die -e, eine Art Schläuche oder Garnsäcke, welche die Müller am Ende der Mühlgerinne aufstellen, Fische darin zu fangen; welche aber in den meisten Ländern verbothen sind. Es scheint überhaupt ein hohles Ding, Behältniß zu bedeuten. Im Nieders. ist Sweideler der Reisesack, Watsack, S. dieses Wort.


Schwefel (W3) [Adelung]


Der Schwefel, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein brennbarer Körper, welcher aus einer mit Vitriolsäure gesättigten brennbaren Erde bestehet, im Feuer fließet, mit einer blauen Flamme brennet, und einen unangenehmen erstickenden Dampf von sich gibt. Natürlicher oder gediegener Schwefel welcher von verschiedenen Farben und in verschiedenen Gestalten gefunden wird; zum Unterschiede von den künstlichen Schwefel, welcher im gemeinen Leben Schwefel schlechthin heißt, aus verschiedenen Erzen bereitet wird, und gemeiniglich eine bleichgelbe Farbe hat, ( S. Schwefelgelb.) S. auch Jungfernschwefel, Roßschwefel, Tropfschwefel u. s. f. In weiterer Bedeutung heißt bey den ältern Chymikern eine jede brennbare Substanz ein Schwefel. Anm. Im gemeinen Leben wird dieses Wort Schwebel gesprochen, und die alten pflegten es auch so zu schreiben, bey dem Ulphilas Swibla, im Isidor Suuebul, bey dem Notker Suebel, im Schwabenspiegel im ungewissen Geschlechte daz Swebel, im Angels. Swefla, im Schwed. Svafvel bey den Krainerischen Wenden Schoeplu, im Lotharingischen Chuebe. Vermuthlich ist die brennbare Eigenschaft, welche dieses Mineral in einem so hohen Grade besitzet, der Grund seiner Benennung, da denn das Wort zu dem Schwed. Sväla, anzünden, Wallis. Vfel, Vwel, Feuer, ( S. Schwelen,) u. s. f. gehören würde, und da das Feuer in so vielen Fällen und Sprachen seinen Nahmen von seiner wallenden Bewegung hat, so wurde daraus gleich die Verwandtschaft mit schweben, weben u. s. f. erhellen. Im Englischen heißt daher der Schwefel Brimstone, gleichsam Brennstein, im Schwed. Brännsten, in der Monseeischen Glosse wird Sulphur durch Erdfiur übersetzt. Die erste Sylbe in Sulphur, als die Stammsylbe, leidet eben dieselbe Ableitung, und ist mit unserm Silber verwandt, welches eigentlich ein hell glänzendes Metall anzeigt; der Glanz ist eine Eigenschaft des Feuers.


Schwefelbalsam (W3) [Adelung]


Der Schwefelbalsam, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in der Chymie, Schwefel oder Schwefelblumen, welche in Öhl aufgelöset werden; Balsamum Sulphuris.


Schwefelblumen (W3) [Adelung]


Die Schwefelblumen, sing. inus. eben daselbst, die Blumen, d. i. der feinste Theil des Schwefels, welcher in der Retorte durch die Hitze des Feuers in die Höhe getrieben wird; sublimirter Schwefel, Flores Sulphuris. S. Blume.


Schwefelbrand (W3) [Adelung]


Der Schwefelbrand, des -es, plur. die -brände, in den Schwefelhütten, Kiese, aus welchen der Schwefel in dem Treibeofen bereits destilliret worden.


Schwefeldampf (W3) [Adelung]


Der Schwefeldampf, des -es, plur. die -dämpfe, der Dampf von angezündetem Schwefel, ingleichen ein stark mit Schwefel gesättigter, nach Schwefel riechender Dampf.


Schwefelerde (W3) [Adelung]


Die Schwefelerde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, eine Erde, welche Schwefel bey sich führet, mit Schwefel gesättiget ist.


Schwefelerz (W3) [Adelung]


Das Schwefelerz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine jede Steinart, deren vornehmster Bestandtheil Schwefel ist, welche auf Schwefel bearbeitet wird, dergleichen besonders der Schwefelkies ist.


Schwefelfaden (W3) [Adelung]


Der Schwefelfaden, des -s, plur. die -fäden, in zerlassenen Schwefel getauchte Fäden, selbige an glimmenden Funken anzuzünden. Solche in zerlassenen Schwefel getauchte Späne oder Hölzchen heißen Schwefelhölzchen.


Schwefelgeist (W3) [Adelung]


Der Schwefelgeist, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -er, in der Chymie, die durch die Verbrennung aus dem Schwefel erhaltene Vitriolsäure.


Schwefelgelb (W3) [Adelung]


Schwefelgelb, adj. et adv. der gelben Farbe des Schwefels gleich, welches eine lichte, grünlich gelbe Farbe ist, und den Übergang des Gelben ins Grüne ausmacht.


Schwefelgrube (W3) [Adelung]


Die Schwefelgrube, plur. die -n, eine Grube, ein Berggebäude, wo Schwefel oder Schwefelerze gebrochen werden.


Schwefelhölzchen (W3) [Adelung]


Das Schwefelhölzchen, des -s, plur. ut nom. sing. siehe Schwefelfaden.


Schwefelhütte (W3) [Adelung]


Die Schwefelhütte, plur. die -n, ein Berggebäude, in welchem der Schwefel vermittelst des Feuers aus seinen Erzen getrieben und bereitet wird.


Schwefelicht (W3) [Adelung]


Schwefelicht, zusammen gezogen schweflicht, -er, -ste, adj. et adv. dem Schwefel ähnlich, besonders in Ansehung des Geruches. Über die ehernen Säulen Schlug ein schweflichter Dampf mit blauen Farben vermischet, Zach.


Schwefelig (W3) [Adelung]


Schwefelig, -er, -ste, adj. et adv. Schwefel enthaltend. Schwefelige Erde.


Schwefelkies (W3) [Adelung]


Der Schwefelkies, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein Kies, dessen vornehmster Bestandtheil Schwefel ist, aus welchem Schwefel bereitet wird. Siehe Kies.


Schwefelleber (W3) [Adelung]


Die Schwefelleber, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, in der Chymie, ein der Leber ähnliches Product, welches aus einer Verbindung des Schwefels mit alkalischen Materien bestehet; Hepar Sulphuris, S. Leber.


Schwefellöffel (W3) [Adelung]


Der Schwefellöffel, des -s, plur. ut nom. sing. in den Schwefelhütten, ein eiserner Löffel, das Unreine aus den eisernen Läuterkrügen, nachdem der Schwefel übergetrieben worden, heraus zu nehmen.


Schwefelmännchen (W3) [Adelung]


Das Schwefelmännchen, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, eine figürliche Benennung eines doppelten zusammen gedrehten Schwefelfadens, welcher bey dem Sprengen der Erze in das Schießröhrchen gesetzt wird, das darin befindliche Pulver vermittelst desselben anzuzünden.


Schwefelmeister (W3) [Adelung]


Der Schwefelmeister, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, der Vorgesetzte einer Schwefelhütte.


Schwefelmilch (W3) [Adelung]


Die Schwefelmilch, plur. car. in der Chymie, ein weißes, zartes Pulver, welches aus der in kochendem Wasser aufgelöseten Schwefelleber mit Essig niedergeschlagen wird; Magisterium Sulphuris Lac Sulphuris. S. Milch.


Schwefeln (W3) [Adelung]


Schwefeln, verb. reg. act. mit Schwefel bearbeiten, versetzen, welches doch nur in engerm Verstande von der Bearbeitung eines Dinges mit Schwefeldampfe üblich ist. So wird ein Ding geschwefelt, wenn man Schwefeldampf an dasselbe gehen läßt. Den Wein schwefeln, schmale, durch zerlassenen Schwefel gezogene streifen Leinwand oder Späne anzünden, und in dem leeren Fasse verbrennen lassen, damit der Wein, welchen man hernach darauf ziehet, neue Kräfte und einen bessern Geschmack bekomme. Vertraute Gespräche Würzten den blinkenden Wein den keine Gewinnsucht geschwefelt, Zachar. So auch das Schwefeln.


Schwefelofen (W3) [Adelung]


Der Schwefelofen, des -s, plur. die -öfen, in den Schwefelhütten, ein Ofen, in welchem der Schwefel aus seinen Kiesen getrieben wird; der Treibeofen.


Schwefelpfanne (W3) [Adelung]


Die Schwefelpfanne, plur. die -n, Dimin. das Schwefelpfännchen, eben daselbst, kleine bleyerne viereckte Schüsseln, mit kaltem Wasser, worein der Schwefel fließen muß, um sich abzulöschen. In den Vitriolwerken ist es eine große bleyerne Pfanne, worin man die Vitriollauge abrauchen läßt.


Schwefelregen (W3) [Adelung]


Der Schwefelregen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Regen, mit welchem ein feines gelbes Mehl auf die Erde fällt, wel- ches den großen Haufen für Schwefel gehalten wird, aber weiter nichts ist, als ein gelber Staub, der in den Zäpfchen oder Kätzchen der Rothtannen entstehet, zu Ende des Mayes oft in großer Menge ausfällt, und von dem Winde weit herum geführet wird, so daß es oft die Luft verdunkelt.


Schwefelröhre (W3) [Adelung]


Die Schwefelröhre, plur. die -n, in den Schwefelhütten, thönerne Röhren, durch welche der aus den Erzen getriebene Schwefel ausfließet.


Schwefelrubin (W3) [Adelung]


Der Schwefelrubin, des -es, plur. die -e, eine durchsichtige, pomeranzenfarbige Masse, welche aus der Sublimation des Schwefels mit Arsenik entstehet; Arsenikrubin.


Schwefelsalbe (W3) [Adelung]


Die Schwefelsalbe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, S. Schwefelpflas=ter.


Schwefelsäure (W3) [Adelung]


Die Schwefelsäure, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, diejenige Säure, oder das sauere Wesen, welches den vornehmsten Bestandtheil des Schwefels ausmacht, und eigentlich eine Vitriol-Säure ist.


Schwefelschlacke (W3) [Adelung]


Die Schwefelschlacke, plur. die -n, in den Schwefelhütten, die Schlacken, oder der unreine Bodensatz, welcher nach Übertreibung des Schwefels in den eisernen Läuterkrügen zurück bleibt.


Schwefelspan (W3) [Adelung]


Der Schwefelspan, des -es, plur. die -späne, ein in zerlassenen Schwefel getauchter Span, siehe Schwefelfaden und Schwefeln.


Schwefelwachs (W3) [Adelung]


Das Schwefelwachs, des -es, plur. car. bey den Schustern, ein mit zerstoßenem Schwefel vermischtes weißes Wachs, dessen sie sich bey weißen Nähten statt des Peches bedienen.


Schwefelwasser (W3) [Adelung]


Das Schwefelwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein mit aufgelösetem Schwefel vermischtes Wasser. Ein Brunnen, wo solches Wasser quillt, wird auch wohl ein Schwefelbrunnen genannt.


Schwefelwerk (W3) [Adelung]


Das Schwefelwerk, des -es, plur. die -e, ein Werk, oder eine Anstalt, wo aus den Erzen Schwefel bereitet wird, und wovon die Schwefelhütte ein Theil ist.


Schwefelwurz (W3) [Adelung]


Die Schwefelwurz, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Haarstranges; Peucedanum officinale L.


Schwefze (W3) [Adelung]


Die Schwefze, plur. die -n, bey den Jägern, eine Benennung derjenigen Seile, womit das Vogelgarn zum Zusammenschlagen in den Schwung gebracht wird, und welches auch das Schnellseil heißt. Es ist ein Verwandter des Niedersächs Schwepe, eine lange Peitsche, und ein Intensivum von schweifen, siehe dieses Wort.


Schwehlen (W3) [Adelung]


Schwehlen, S. Schwelen.


Schweiden (W3) [Adelung]


Schweiden, verb. reg. act. welches nur bey den Weißgärbern üblich ist, besonders in dem zusammen gesetzten anschweiden, die Felle mit Kalk oder Asche bestreichen, welches vermittelst eines an einer Stanze befestigten Kuhschwanzes geschiehet, der daher der Schweidewedel heißt. Ein entweder von schweben, schweifen, u. s. f. nur im Endlaute verschiedenes Wort, so daß damit zunächst auf die Bewegung gesehen wird, oder auch als ein Verwandter von Schweiß, Nieders. Schwet, in der weitesten Bedeutung einer Feuchtigkeit, S. dasselbe.


Schweif (W3) [Adelung]


Der Schweif, des -es, plur. die -e, Dimin. das Schweifchen, Oberd. Schweiflein, von dem Zeitworte schweifen ein Ding, welches schweift. 1) Eigentlich, wo dieses Wort von sol- chen Dingen nur in einigen einzelnen Fällen üblich ist. So wird der Schwanz eines Thieres, besonders wenn er lang und haarig ist, in der anständigern Sprache ein Schweif genannt. Der Schweif eines Pferdes, der Pferdeschweif oder Roßschweif, eines Pfaues u. s. f. Der härtere Theil an den Austern, welcher das Fleisch umgibt und auch der Bart genannt wird, heißt bey vielen der Schweif. Der Schweif an einem Kleide, die Schleppe, im gemeinen Leben der Schwanz. Der Schweif eines Kometen, ( S. Schwanzstern.) 2) Figürlich ist im Bergbaue der Schweif eines Ganges dessen Ausgehen, d. i. äußerstes Ende, da, wo, er aufhöret. Daher es nach einer noch weitern Figur auch von solchen Erzen gebraucht wird, welche in dem Schweife des Ganges brechen, und gemeiniglich nur die Farbe des rechten Gangerzes haben, übrigens aber taub oder doch sehr armhaltig ist; da denn der Plural nur von mehrern Arten Statt findet. Daher Bleyschweif, ein dem Bleyglanze ähnliches Mineral, welches aber kein Bley enthält; Wasserbley. So auch Eisenschweif. Indessen leidet es hier und in den übrigen Fällen, wo es eine dem wahren Erze an der Farbe und Gestalt ähnliche Erzart bezeichnet auch eine andere Ableitung, so daß Schweif hier ein scheinendes, nur den Schein habendes Ding bedeuten würde, in weichem Verstande auch Glanz und Glimmer gebraucht werden. Die Bedeutung des Lichtes, des Glanzes ist in so vielen andern Fällen eine Figur der Bewegung, welche letzte Bedeutung dem Zeitworte schweifen eigenthümlich ist, S. dasselbe.


Schweifbret (W3) [Adelung]


Das Schweifbret, des -es, plur. die -er, bey den Bortenwirkern, ein Querholz, woran sich die Spulen befinden, wenn die Seitenkette an dem Schweifrahmen angeschweifet oder ausgespannet wird.


Schweifbügel (W3) [Adelung]


Der Schweifbügel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Steigbügel, welche nicht zu beyden Seiten des Sattels befestiget sind, sondern an den Sattelknopf gehänget, und daher auch Hangebügel genannt werden.


Schweifen (W3) [Adelung]


Schweifen, verb. reg. welches als ein Intensivum von schweben angesehen werden kann, und in einer doppelten Gestalt üblich ist. I. Als ein Activum, mit dem Hülfsworte seyn, wo es eigentlich bedeutet, sich in einem weiten Raume hin und her bewegen, so wie schwanken, und besonders mit dem Nebenbegriff der ungewissen Richtung gebraucht wird. Im Lande umher schweifen. Aus den Schranken schweifen. Der Verdacht der Gräfinn schweift auf einer ganz andern Fährte, Less. Die phantasirenden Sinnen Schweiften in goldnen Träumen umher, Zachar. S. Ausschweifen. II. Als ein Activum. 1. Mit einem Schweife versehen; wo es unmittelbar von Schweif abstammet, aber nur in dem Mittelworte geschweift üblich ist. Ein schön geschweiftes Pferd, welches einen schönen Schweif hat. 2. Schweifen machen, in einem weiten Raume bewegen. 1) Eigentlich, wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist. (a) Einen flüssigen Körper hin und her bewegen, wie schwänken, in welcher Bedeutung es für spülen in den Zusammensetzungen abschweifen und ausschweifen am üblichsten ist, ( S. dieselben.) Bey dem Notker ist ubersweifig überschwänklich. (b) Fegen, besonders in der Landwirthschaft, wo das ausgebrochene Getreide geschweift wird, wenn man die Spreu mit einem Besen von Binsen und mit weiten Zügen davon abfeget. Im Angels. ist sweopan, im Englischen to sweep, im Schwedischen sopa, gleichfalls fegen oder kehren. (c) Die Bortenwirker schweifen die Kette, wenn sie selbige an den Schweifrahmen spannen. 2) Figürlich, bogenförmig ausschneiden, besonders in dem zusammen gesetzten ausschweifen, ( S. dasselbe.) Bey den Tischlern werden die Rehfüße zu den Tischen mit der Schweifsäge geschweift. So auch das Schweifen, und im Activo zuweilen die Schweifung, besonders in der Bedeutung einer bogenförmigen Rundung. Anm. Im Engl. to sweep, im Schwed. im Neutro sväfva, Isländ. vofa. Es ist mit schweben verwandt, deutet aber durch den Diphth. ei eine Bewegung in einen weitern Raum an, als jenes. Im Niedersächsischen hat man davon das Intensivum swoppen, hin und her schwanken, ( S. Schwabbeln.) Eben daselbst ist Swepe eine lange Peitsche, (Engl. Whip, Angels. Hweop,) swöpen peitschen, und Swopp der Wipfel. Im Schwed. ist svepa einwickeln, im Isländ. swipa schnell bewegen, und bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern biswifen umarmen. Siehe Schweben, Weben, Weifen, Wipfel, Wippe u. s. f. welche alle verwandt sind. Mit einem andern Endlaute ist suuihon, bey dem Kero, umher schweifen.


Schweifig (W3) [Adelung]


Schweifig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in den Zusammensetzungen bleyschweifig, eisenschweifig, weitschweifig u. s. f. üblich ist. S. dieselben.


Schweifrahmen (W3) [Adelung]


Der Schweifrahmen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Bortenwirken, zwey Stangen mit hölzernen Nägeln, woran die Kette zu den Borten und Bändern angeschweift, d. i. angespannet wird.


Schweifriemen (W3) [Adelung]


Der Schweifriemen, des -s, plur. ut nom. sing. ein in der anständigern Sprechart für Schwanzriemen übliches Wort, S. dasselbe.


Schweifsäge (W3) [Adelung]


Die Schweifsäge, plur. die -n, eine dünne Säge der Tischler, Rehfüße und andere Stücke damit zu schweifen, d. i. bogenförmig auszuschneiden.


Schweifstern (W3) [Adelung]


Der Schweifstern, des -es, plur. die -e, in der anständigern Sprechart für Schwanzstern, S. dieses Wort.


Schweige (W3) [Adelung]


* Die Schweige, (Oberd. Schwaig,) plur. die -n, ein im Hochdeutschen längst veraltetes, aber noch in Baiern und andern Oberdeutschen Gegenden völlig gangbares Wort, welches daselbst in einer doppelten Bedeutung üblich. 1) Eine Herde, und in weiterer Bedeutung, eine jede Menge lebendiger Dinge. Kälber von der Sueigo genommenu, Notk. von der Herde. Die Stimme der Schweigen, in einer alten Bibel-Übersetzung bey dem Frisch. Der Propheten Schweigen oder Sammunge, eben daselbst, 1 Sam. 10. In einem alten Vocabulario von 1482 ist Sway oder Swayerey eine Herde Vieh, und Swayer der Hirt. 2) Ein Viehhof, wo Vieh gehalten wird, ein Vorwerk; in welchem Verstande es mit einem andern Endlaute auch Schwaid lautet.

Anm. Frisch läßt dieses Wort sehr unschicklich von Vacca abstammen. Es scheinet, daß der Begriff der Menge der Stammbegriff ist, der denn wieder als eine Figur der Bewegung, oder auch der Verbindung, Fügung, angesehen werden muß. Ohne Zischlaut gehöret auch unser Vieh, im Oberd. Viech, und in der zweyten Bedeutung auch das Lat. Vicus, mit zur Verwandtschaft, welches letztere eine Sammlung mehrere Häuser oder Bewohner bezeichnen kann.


Schweigen (W3) [Adelung]


Schweigen, ein Zeitwort, welches in dreyfacher Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben und irregulärer Abwandelung; Imperf. ich schwieg; Particip. geschwiegen; Imperat. schwieg oder schweige. Keine Stimme von sich hören lassen, und in engerer Bedeutung, nicht reden. Als er das gesagt hatte, schwieg er. Ich habe lange genug geschwiegen. Stille schweigen, eigentlich ein Pleonasmus für schweigen. Stockstille, baumstille, mäuschenstille schweigen, Blumen der niedrigen emphatischen Sprechart. Von etwas schweigen, nichts davon sagen. Allein sie schwieg doch bald von ihren Fehlern still, Gell. Zu etwas schweigen, nichts dazu sagen; im Oberdeutschen auch mit Weglassung des Vorwortes. Müssen die Leute deinem großen Schwätzen schweigen? Hiob 11, 3. Welche Wortfügung im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Von einem schweigen, in seiner Gegenwart, ingleichen aus Furcht, aus Ehrerbiethung vor ihm; wo man im Oberdeutschen gleichfalls das Vorwort zu verbeißen pflegt, einem schweigen. In engerer Bedeutung. Fertigkeit besitzen, ein Geheimniß, eine geheime Sache nicht durch Worte bekannt zu machen. Er kann nicht schweigen. Kannst du schweigen? Figürlich, aufhören wirksam zu seyn. Im Kriege müssen die Gesetze schweigen. Den Wind und das Meer schweigen heißen, Marc. 4, 29. S. auch das Schweigen. II. Als ein Activum, gleichfalls mit der obigen irregulären Conjugation, für verschweigen; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Form, welche aber doch im Oberdeutschen gangbar ist. Das kann ich nicht schweigen. Ich will die Zier der Mäjestät nicht schweigen, Opitz, Ps. 145. Wir wollen mehr und mehr Gott dankbar seyn, und seinen Ruhm und Ehr In Ewigkeit nicht schweigen, ebend. Ps. 115. III. Als ein Factitivum, mit regulärer Abwandelung. Imperfect. schweigete, Mittelw. geschweiget, Imperat. schweige; zum Schweigen bringen, schweigen machen, es geschehe nun auf welche Art es wolle, durch einen Befehl, durch Gründe, durch Befriedigung des Verlangens. Diese Bedeutung, in welcher auch geschweigen vorkommt, ist schon sehr alt. Schon Notker gebraucht kesueigen und sueigen als reguläre Zeitwörter in derselben: er habet sie gesueiget. Wintersgrimme Tuot si (die Stimme) swigen uberal, Graf Werner von Hornberg. Mit Gaben schweigt man die Kinder. Das Mittel, dich zu schweigen, Wird seyn ein blankes Helm, ein schönes Roß zu zeigen, Opitz. Die Gottlosen müssen in der Hölle geschweiget werden, Ps. 31, 18, zum Stillschweigen gebracht werden. Wer leben will, und gute Tage sehen, der schweige seine Zunge, 1 Petr. 3, 10. Mit den Worten schweigt er den man, Theuerd. Kap. 21, brachte er ihn zum Stillschweigen. Sein Gewissen schweigen. In der anständigen Sprechart der Hochdeutschen ist dieses ganze Factitivum veraltet, allein im gemeinen Leben mancher Gegenden, besonders Meißens, ist es noch völlig gangbar. Eben daselbst hat man auch die Intensiva schwigten, beschwigten, beschwigtigen. Die Schreyer auf einige Tage schwigtigen, Klopst. So auch das Schweigen.

Anm. Das Neutrum lautet bey dem Kero suigeen, bey dem Ottfried suigan, im Nieders. swigen, im Angelsächs. swighan. Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Begriff des Schweigens eine Figur des Weichens ist, und daß jenes vermittelst des Zischwortes von diesem oder doch dessen ähnlichen Stammworte gebildet worden, zumahl da auch das letztere mit dem Zischlaute nicht selten ist. Im Schwed. ist sviga weichen, und Ottfried gebraucht suichan für verlassen. Bey dem Hornegk kommt dagen für schweigen vor, welches, so wie das Schwed. tiga, schweigen, seine Verwandtschaft mit tacere nicht verläugnen kann, so wie vermittelst der gewöhnlichen Verwechselung des t und s auch das Griechische - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - dahin gehöret.


Schweigsam (W3) [Adelung]


Schweigsam, -er, -ste, adj. et adv. Fertigkeit besitzend zu schweigen, und Dinge zu verschweigen; verschweigen, welches in der letzten Bedeutung gewöhnlicher ist. So auch die Schweigsamkeit.


Schweimen (W3) [Adelung]


Schweimen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und nur in den gemeinen Sprecharten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes vorkommt, der anständigen Schreibart aber unbekannt ist. Es bedeutet 1) kraftlos hin und her wanken. Herum schweimen, kraftlos umher taumeln. 2) Vergehen, verschwinden. Das Gesicht schweimet mir, vergehet mir. Ingleichen, 3) schwindelig werden, in Ohnmacht fallen, in welchem Falle man auch beschweimen und schweimeln sagt. Daher der Schweimel, der Schwindel, ingleichen die Ohnmacht, schweimelig, schwindelig, ohnmächtig u. s. f. So auch das Schweimen.

Anm. Im Nieders. sweimen, swemen, swimen, Schwed. svimina, Angels. swiman, Isländ. swima, Engl. to swim. Die kraftlose, langsame Bewegung ist der Stammbegriff, so, daß dieses Wort ein Verwandter von schweben schwanken, schweifen, schwinden u. s. f. ist. Schwimmen ist das Intensivum davon.


Schwein (W3) [Adelung]


1. Das Schwein, des -es, plur. die -e, im Schiffbaue, das inwendige auf dem Schiffsboden längst dem Kiele liegende starke Holz, worein der Mast gezapfet ist; das Kielschwein, in einigen Gegenden die Schwinne, die Kielschwinne, Nieders. Swien, Engl. Keel fon. Es scheint, daß die Ausdehnung in die Länge und Dicke der Stammbegriff ist. Bey dem Ulphilas ist ohne Zischlaut Hwan ein Balken. ( S. auch Schiene und Wand.) Ein anderes Wort ist das Niedersächsische Swein oder Swien, welches eine Bürste ist, womit man die Thürpfosten und Fenster reiniget; vermuthlich weil sie aus Schweinshaaren bestehet, oder auch als eine Figur der Bewegung, von schwind in geschwinde.


Schwein (W3) [Adelung]


2. Das Schwein, des -es, plur. die -e, Diminutivum das Schweinchen, Oberd. Schweinlein, ein ungehörntes, zweyhufiges, vierfüßiges Thier, mit Borsten statt der Haare, und einem haarigen, geringelten Schwanze. Es hat einen starken widerwärtigen Geruch, wälzet sich gern im Kothe, frißt alles Unreine, und ist in Indien einheimisch, aus welchem Himmelsstriche es zu uns nach Europa gekommen. 1. Eigentlich, wo es von diesem Thiere überhaupt, ohne nähere Bezeichnung des Geschlechtes gebraucht wird; in der niedrigen Sprechart eine Sau. Zahme Schweine im Gegensatze der wilden. In dem Jagdwesen verstehet man unter Schwein schlechthin allemahl ein wildes, im Hauswesen aber allemahl ein zahmes. Schweine mästen, schlachten u. s. f. Soll das Geschlecht näher bestimmt werden, so nennt man ein männliches Schwein einen Saubär, oder Schweinbär, ein weibliches aber ein Mutterschwein, ein Sauschwein, eine Schweinsau oder Schweinmutter. Indessen hat man für beyde Geschlechter auch noch eine Menge eigener Nahmen, ( S. Eber und Sau.) 2. Figürlich. 1) Ein Klecks, ein Fleck u. s. f. und in weiterer Bedeutung ein jeder grober Fehler, wird in den niedrigen Sprecharten so wohl ein Schwein als eine Sau genannt. 2) Eine im hohen Grade unreinliche Person, wofür gleichfalls Sau üblich ist. Anm. Schon bey dem Ulphilas Sweina, im Tatian Swin, im Niedersächs. Swien, im Engl. und Angels. Swine, im Schwed. Svin, im Pohln. Swinia, im Wend. Sswino. Es scheinet, daß die eigenthümliche Unreinlichkeit dieses Thieres zu dessen Benennung Anlaß gegeben, da sie denn zu dem alten wahn, trübe, Angels. Fenn, Koth, u. s. f. gehören würde. In den folgenden Zusammensetzungen ist bald Schwein- bald Schweine- bald Schweins- üblich; nur mit dem Unterschiede, daß das dritte in manchen Fällen edler ist als das zweyte, z. B. für Schweinebraten, Schweinestall u. s. f. sagt man lieber Schweinsbraten, Schweinsstall, oder doch Schweinbraten, Schweinstall. Siehe auch Hund in der Anm.


Schweinaß (W3) [Adelung]


Das Schweinaß, plur. car. bey den Müllern, der mit Steinstaub vermischte Abgang am Mehle, welcher für die Schweine kommt; in der gemeinen Sprechart Schweinähs, Schweinöhse.


Schweinbeschauer (W3) [Adelung]


Der Schweinbeschauer, S. Schweinschauer.


Schweinen (W3) [Adelung]


* Schweinen, adj. et adv. welches nur im Oberdeutschen üblich ist, von einem Schweine. Schweinen Fleisch, Hochdeutsch Schweinfleisch.


Schweinerey (W3) [Adelung]


Die Schweinerey, plur. die -en, in der ersten figürlichen Bedeutung des Wortes Schwein, so wohl unreinliche Behandlung, als auch Unreinlichkeit, ein Schmutzflecken, ingleichen ein grobes Versehen; die Sauerey.


Schweinfleisch (W3) [Adelung]


Das Schweinfleisch, des -es, plur. car. das Fleisch von einem Schweine, Schweinsfleisch, im gemeinen Leben Schweinefleisch; bey dem Notker sueinin Fleisc, S. Schweinen.


Schweinhirt,Schweinehirt (W3) [Adelung]


Der Schweinhirt, oder Schweinehirt, des -en, plur. die -en, ein Hirt, welcher die Schweine hüthet; Nieders. Swienhör, in den niedrigen Sprecharten Sauhirt.


Schweinhund (W3) [Adelung]


Der Schweinhund, des -es, plur. die -e. 1) Eigentlich, ein gemeiner Hund, so fern er bey den Herden der Schweine, oder zur Abwehrung der Schweine gebraucht wird. 2) Figürlich, doch nur in den niedrigsten Sprecharten, ein im hohen Grade unreinlicher Mensch, wie das folgende.


Schweinigel (W3) [Adelung]


Der Schweinigel, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine Art gewöhnlicher Igel, welche einen Rüssel wie ein Schwein haben; Sauigel, zum Unterschiede von dem Hundsigel. Erinaceus L. 2) Auch das Stachelschwein, Hystrix L. wird von einigen Schweinigel genannt. 3) Figürlich, in den niedrigen Sprecharten, eine im höchsten Grade unreinliche Person, wie das vorige.


Schweinisch (W3) [Adelung]


Schweinisch, -er, -te, adj. et adv. in der zweyten figürlichen Bedeutung des Wortes Schwein, im hohen Grade unreinlich, so wie säuisch.


Schweinling (W3) [Adelung]


Der Schweinling, des -es, plur. die -e, S. Schweinspilz.


Schweinmeister (W3) [Adelung]


Der Schweinmeister, des -s, plur. ut nom. sing. auf großen Landgütern, ein besonderer Mann, welcher die Aussicht über die Schweine hat.


Schweinmutter (W3) [Adelung]


Die Schweinmutter, plur. die -mütter, in einigen Gegenden, ein Schwein weiblichen Geschlechtes; die Schweinsau, das Mutterschwein, S. Schwein.


Schweinporsch,Schweinpost (W3) [Adelung]


Der Schweinporsch, oder Schweinpost, des -es, plur. car. eine Pflanze, welche in den Sümpfen des mitternächtigen Europa wohnet, und an manchen Orten statt des Hopfens zum Biere genommen wird, da denn solches stark rauschen und Kopfschmerzen verursacht; Ledum L. Porsch, Sumpfporsch, wilder Roßmarin.


Schweinsau (W3) [Adelung]


Die Schweinsau, plur. die -säue, in einigen Gegenden, ein Schwein weiblichen Geschlechtes. S. Schwein.


Schweinsauge (W3) [Adelung]


Das Schweinsauge, des -s, plur. die -n, ein kleines, längliches und trübes Auge, welches den Augen der Schweine ähnlich ist. Ingleichen ein Pferd mit solchen fehlerhaften Augen.


Schweinsblatter (W3) [Adelung]


Die Schweinsblatter, plur. die -n, eine Art Kinderblattern, welche hart und oval sind, und wegen ihrer Härte auch Steinblattern heißen; in Niederdeutschland Schweinspocken, Steinpocken.


Schweinschauer,Schweinbeschauer (W3) [Adelung]


Der Schweinschauer, oder Schweinbeschauer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Städten, eine verpflichtete Per- son, welche die zum Verkauf gebrachten Schweine beschauen oder besichtigen muß, ob sie Finnen haben oder nicht.


Schweinschneider (W3) [Adelung]


Der Schweinschneider, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, dessen Geschäftes ist, die Schweine zu schneiden, d. i. durch den Schnitt zu castriren; in einigen Gegenden der Gelzer, Gelzenschneider, der Verheiler, Ballotirer, von ballotiren, die Bälle oder Hoden ausschneiden. Daher der Schweinschnitt, plur. car. diese Geschicklichkeit, ingleichen das Recht, solche auszuüben.


Schweinsdachs (W3) [Adelung]


Der Schweinsdachs, des -es, plur. die -dachse, eine Art Dachse mit einem größern Leibe, längern Kopfe und längerer Nase als die Hundsdachse; welcher Unterschied aber doch nur bloß zufällig ist.


Schweinsdistel (W3) [Adelung]


Die Schweinsdistel, S. Saudistel.


Schweinsfeder (W3) [Adelung]


Die Schweinsfeder, plur. die -n, im Scherze, die Schweinsborsten. Das Fangeisen der Jäger, welches ein starker Spieß ist, die wilden Schweine daran auflaufen zu lassen, wird gleichfalls die Schweinsfeder ingleichen der Sauspieß, der Schweinsspieß genannt. Ehedem kannte man unter diesem Nahmen auch eine Art kurzer Spieße, womit sich die vordersten Glieder des Fußvolkes vor dem Einbruche der Reiterey beschützten, an deren Stelle nachmahls die heutigen Bajonette kamen. Frisch leitet die Benennung in diesem letzten Falle von der Ähnlichkeit mit den Stacheln des Stachelschweines her; allein man kann auch den Nahmen von den Jägern beybehalten haben. S. Feder.


Schweins-Gummi (W3) [Adelung]


Das Schweins-Gummi, plur. car. ein flüssiges Harz oder vielmehr ein Balsam, welche eine überaus heilsame Kraft für alle Wunden hat, und aus einem Baume auf der Insel St. Domingo rinnet, der daher nur schlechthin der Gummibaum genannt wird. Es hat den Nahmen von den Schweinen, welche dessen heilende Wirkung zuerst entdeckt haben sollen. Französ. Gomme de Cochon. Viele halten dieses Gummi für einerley mit dem Gummi Elemi.


Schweinshals (W3) [Adelung]


Der Schweinshals, des -es, plur. die -hälse, an den Pferden, ein kurzer horizontal gestreckter Hals; zum Unterschiede von dem Hirschhalse und Schwanenhalse. Ingleichen ein mit einem solchen fehlerhaften Halse begabtes Pferd.


Schweinsjagd (W3) [Adelung]


Die Schweinsjagd, plur. die -en, die Jagd auf wilde Schweine; die Schweinshatz


Schweinskäse (W3) [Adelung]


Der Schweinskäse, des -s, plur. ut nom. sing. in den Küchen, eine Speise, welche aus den klein geschnittenen und mit Gewürzen vermischten fleischigen Theilen eines Schweinskopfes bereitet, und in einem Tuche gepresset wird, so daß sie die Gestalt eines Käses bekommt; in andern Gegenden der Preßkopf.


Schweinskresse (W3) [Adelung]


Die Schweinskresse, plur. inus. eine Art des Löffelkrautes, welches an Geschmack der Brunnkresse gleicht, un an den Rändern der Wege wächst; Cochlearia Coronopus L.


Schweinsmöhre (W3) [Adelung]


Die Schweinsmöhre, plur. die -n, eine Art wilder Möhren, mit einer weißen Wurzel, welche zu der Daucus Carota L. gehöret; weiße Möhre.


Schweinsnetz (W3) [Adelung]


Das Schweinsnetz, des -es, plur. die -e, im Jagdwesen, besondere zur wilden Schweinsjagd gestrickte Netze; im gemeinen Leben Saunetze, Saugarne.


Schweinspilz (W3) [Adelung]


Der Schweinspilz, im gemeinen Leben Schweinepilz, des -es, plur. die -e, eine eßbare Art Pilze oder Löcherschwämme, mit einem gepolsterten, etwas klebrigen Hute, welcher mit gewölbten rundlichen, blaßgelben Löchern und einem weißlichen Strunke versehen ist; Boletus luteus L. der Schweinling.


Schweinspocke (W3) [Adelung]


Die Schweinspocke, plur. die -n, S. Schweinsblatter.


Schweinsspieß (W3) [Adelung]


Der Schweinsspieß, des -es, plur. die -e, S. Schweinsfeder.


Schweinsprung (W3) [Adelung]


Der Schweinsprung, des -es, plur. die -sprünge, ein kleiner Knochen aus den hintern Füßen der Schweine, welcher bey den Hasen der Hasensprung genannt wird; Astragalus. Siehe Sprung.


Schweinstall (W3) [Adelung]


Der Schweinstall, des -es, plur. die -ställe, ein Stall für Schweine, und in engerer Bedeutung, für zahme Schweine.


Schweinstein (W3) [Adelung]


Der Schweinstein, des -es, plur. die -e. 1) Bey einigen ein Nahme des Stinksteines, Lapis suillus, wegen seines widerlichen Geruches, oder auch, weil der große Haufe eine gewisse Krankheit der Schweine damit zu heilen pflegt. 2) Ein Stein, welcher bey den Stachelschweinen gefunden werden soll, und aus Malacca gebracht wird; Lapis histricinus, Malaceensis, Ital. Piedra del Porco.


Schweinszeug (W3) [Adelung]


Das Schweinszeug, des -es, plur. inus. ein Collectivum, die zur Jagd der wilden Schweine gehörigen Netze, Tücher u. s. f. zu bezeichnen.


Schweinwildbret (W3) [Adelung]


Das Schweinwildbret, des -es, plur. inus. wilde Schweine als Wildbret betrachtet.


Schweiß (W3) [Adelung]


Der Schweiß, des -es, plur. doch von mehrern Arten, die Schweiße, ein Wort, welches 1. im weitesten Verstande eine jede unvermerkt oder doch tropfenweise hervor dringende Feuchtigkeit bezeichnet; in welchem allgemeinen Verstande es aber nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist. Der Fensterschweiß ist die Feuchtigkeit, welche sich bey äußerer Kälte und innerer Wärme an die Fenster anlegt. In den Salzwerken wird dasjenige Salzwasser, welches nicht als Ader oder Quelle fließet, sondern nur durchschwitzet, Salzschweiß genannt, zum Unterschiede von der Sohle. In dem Pech brennen ist der Schweiß die wässerige unnütze Feuchtigkeit, welche nach dem Harze aus dem Kienholze kommt, und worauf der Theer folget. 2. In engerer Bedeutung. 1) Diejenige Ausdünstung der thierischen Körper, welche sich als ein Wasser auf der Hut zeiget. Er entstehet, wenn die Schweißlöcher mehr Feuchtigkeit hergeben, als sich auf Ein Mahl in Dünste verwandeln kann, woraus zugleich der Unterschied von Schweiß und Ausdünstung erhellet; im gemeinen Leben der Schwitz, ( S. Schwitzen.) Der Plural ist hier nicht allein von mehrern Arten, sondern auch von mehrern Ausbrüchen des Schweißes üblich. Im Scherze sagt man auch wohl im Diminutivo ein Schweißchen. Naß von Schweiße seyn. Den Schweiß abtrocknen. Schweiß treibende Mittel, welche den Schweiß befördern. In Schweiß gerathen. In den Schweiß kommen. Der Schweiß bricht aus. Den Schweiß abwarten. Der Angstschweiß, Nachtschweiß, Todesschweiß u. s. f. Seinen eigenen Schweiß nicht riechen können, figürlich keine Luft zur Arbeit haben. Der englische Schweiß, eine im sechzehnten Jahrhunderte bekannte ansteckende Krankheit, welche aus England nach Deutschland kam, und mit beständigem Schwitzen verbunden war ( S. Schweißfieber.) Bey dem Rindviehe ist der Schweiß eine Krankheit, bey welcher die Haut so fest an dem ganzen Leibe ansitzet, daß man sie auf den Knochen nicht bewegen kann. Figürlich ist der Schweiß so wohl beschwerliche Arbeit, saure Mühe. Das hat Schweiß gekostet. Die Anakreontische Moral ist weichlich und hat nichts von dem männlichen Schweiße des Philosophen. Als auch das durch saure Mühe erworbene Gut. Du mußt doch deinen sauren Schweiß andern lassen, Sir. 14, 15. Hier trinkt nicht mächtig Unrecht des Schwachen Blut und Schweiß, Dusch. 2) Das Blut; eine nicht nur in den gemeinen Oberdeutschen Sprecharten, sondern auch in den nördlichen Provinzen Schwedens sehr gangbare Bedeutung. Schwed. Svett, Isländ. Sveit. Ach, ach du armer betrübter Schweiß, Werd hierdurch hinfort klug und weis, d. i. du armes, junges Blut, Grobian bey dem Frisch. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung nur noch bey den Jägern üblich, welche das Blut aller Thiere Schweiß zu nennen pflegen, nicht aus Begierde, etwas besonders zu haben, sondern als ein Überbleibsel der alten allgemeinen Bedeutung. Das gleichfalls alte Oberdeutsche Fäsch, Faisch, Blut, scheinet genau damit verwandt zu seyn, und sich nur durch den Mangel des Zisch- und Verstärkung des Blaselautes davon zu unterscheiden.

Anm. In der ersten engern Bedeutung schon im Tatian Sueiz, im Nieders. Sweet, im Angels. Swat, Swaet, im Engl. Sweat, im Schwed. Svett, im Isländ. Sueit, im Pohln. Svad, im Wallis. ohne Zischlaut Chwys, im Bretagn. Chwez, im Latein. Sudor, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es ist schon von andern bemerkt worden, daß der Begriff der Feuchtigkeit der eigentliche Stammbegriff ist, und daß dieses Wort vermittelst des Zischlautes zu Wasser, Nieders. Water, Angels. Waeta, Schwed. Vätska, gehöret, so wie das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Schweiß, mit - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Wasser, Eines Geschlechtes ist. S. Wasser, ingleichen Schwitzen.


Schweißbad (W3) [Adelung]


Das Schweißbad, des -es, plur. die -bäder, eine Anstalt, wo der Kranke durch äußere Wärme zu einem starken Schweiße gebracht wird; das Schwitzbad.


Schweißen (W3) [Adelung]


Schweißen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, Schweiß, d. i. Feuchtigkeit, von sich geben; wo es doch im allgemeinern Verstande veraltet ist, seitdem das Intensivum schwitzen dafür üblich geworden. Es ist nur noch in zwey besondern Fällen üblich. 1) Bey den Schmieden schweißet das Eisen, wenn es anfängt in der Esse zu fließen, oder zu schmelzen. 2) Bey den Jägern schweißet ein Wild, wenn es blutet, wofür im Oberdeutschen auch fäschen faischen üblich ist. II. Als ein Activum, wo es doch nur bey den Eisenschmieden üblich ist, welche das Eisen schweißen oder zusammen schweißen, wenn sie zwey Stücke in die Schweißhitze bringen, und sie hernach mit dem bloßen Hammer zusammen schmieden. Man kann es hier füglich als ein Factitivum der vorigen Bedeutung ansehen, schweißen machen, und figürlich auf solche Art vereinigen. Allein es läßt sich auch eine allgemeinere Bedeutung des Verbindens, Vereinigens bey diesem Worte annehmen, welcher Begriff denn freylich oft wiederum eine Figur der Feuchtigkeit ist. Bey dem Ulphilas ist ohne Zischlaut gawithan verbinden, im Wendisch. swezu, dessen Neutrum wissu anhängen, kleben bedeutet. Siehe auch Schwester. So auch das Schweißen.


Schweißfieber (W3) [Adelung]


Das Schweißfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein ansteckendes Fieber, wobey der Kranke in einem beständigen Schweiße liegt; Febris elodes, die Schweißsucht, Schweißseuche, ehedem der Englische Schweiß.


Schweißfuchs (W3) [Adelung]


Der Schweißfuchs, des -es, plur. die -füchse, eine Art Füchse, d. i. röthlicher Pferde, deren dunkeles Haar mit weiß so schattiret ist, daß sie mit Schweiße bedeckt zu seyn scheinen.


Schweißhitze (W3) [Adelung]


Die Schweißhitze, plur. car. bey den Schmieden, diejenige Hitze, in welcher das Eisen anfängt zu schweißen, d. i. zu fließen oder zu schmelzen.


Schweißhund (W3) [Adelung]


Der Schweißhund, des -es, plur. die -e, von Schweiß, Blut, bey den Jägern, eine Art Jagdhunde, welche abgerichtet sind, das angeschossene aber flüchtig gewordene Wild vermittelst des vergossenen Blutes aufzusuchen, im Oberd. der Faischhund, von Faisch, Blut, im gemeinen Leben, ein Bluthund.


Schweißig (W3) [Adelung]


Schweißig, -er, -ste, adj. et adv. naß oder feucht vom Schweiße; im gemeinen Leben schwitzig. Schweißige Hände haben. Von Schweiß, Blut, ist bey den Jägern schweißig blutig.


Schweißkraut (W3) [Adelung]


Das Schweißkraut, des -es, plur. inus. S. Roßpappel.


Schweißloch (W3) [Adelung]


Das Schweißloch, des -es, plur. die -löcher, sehr kleine Öffnungen der äußern Haut bey Menschen und Thieren, durch welche die Ausdünstung und der Schweiß heraus dringen.


Schweißschnur (W3) [Adelung]


Die Schweißschnur, plur. die -schnüre, bey den Jägern, eine Schnur von einer gewissen bestimmten Länge, welche den Nahmen von Schweiß, Blut, hat, weil der Jäger ehedem einen angeschossenen Hirsch in eines andern Revier verfolgen durfte, wenn der Raum von seinem Anstande bis zum Anschusse und Schweiße nicht länger als diese Schnur war; im Oberdeutschen die Faischschnur, von Faisch, Blut.


Schweißseuche,Schweißsucht (W3) [Adelung]


Die Schweißseuche, oder Schweißsucht, plur. inus. siehe Schweißfieber.


Schweißtuch (W3) [Adelung]


Das Schweißtuch, des -es, plur. die -tücher, in den Morgenländern, ein Tuch, welches man bey sich trägt, sich den Schweiß damit abzutrocknen, und wofür in den Abendländern das Schnupftuch üblich ist. Es kommt in der Deutschen Bibel mehrmahls vor. Bey dem Ottfr. Sueczduah, im Tatian Sueizlachan.


Schweißwurz (W3) [Adelung]


Die Schweißwurz, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme der Roßpappel, weil ihre Wurzel den Schweiß treibet; Tussilago Petasites L. S. Roßpappel.


Schweizer (W3) [Adelung]


Der Schweizer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Eine aus der Schweiz gebürtige Person; Fämin. die Schweizerinn. 2) Da man an verschiedenen Höfen die Schweizer wegen ihrer Treue und ihres ansehnlichen Wuchses gern zu Leib-Trabanten zu wählen pfleget, so bedeutet, das Wort Schweizer oft solche Leib-Trabanten überhaupt, auch wenn sie nicht aus eigentlichen Schweizern bestehen, da denn ihr Vorgesetzter oder Hauptmann der Schweizer-Hauptmann heißt. Auch die Thürsteher in vornehmen Häusern werden oft Schweizer genannt, weil man dazu gleichfalls gern eigentlich Schweizer zu wählen pflegt. 3) In der Naturgeschichte wird eine Art Eichhörnchen, welche in den kalten und gemäßigten Gegenden von Amerika einheimisch ist, auf der Erde wohnt, und sich auch in dieselbe eingräbt; der Schweizer genannt; Sciurus Carolinensis Klein. das Erdeichhorn. Den Nahmen Schweizer hat es von seinem schwarz und weiß gestreiften Haaren, wodurch es einem Brustlatze der Schweizer gleicht. 4) Eine Art Brachvögel, welche in der Schweiz am häufigsten angetroffen wird, S. Bergeremit.


Schweizerbart (W3) [Adelung]


Der Schweizerbart, des -es, plur. die -bärte, ein Nahme der Knebelbärte oder Schnurrbärte, vermuthlich weil sie bey den Schweizern am längsten üblich gewesen.


Schweizerbohne (W3) [Adelung]


Die Schweizerbohne, plur. die -n, eine Art weißer Schminkbohnen, welche sich wie Zucker brechen lassen, daher sie auch Brechbohnen und Zuckerbohnen genannt werden, ob sie gleich nicht süßer sind als andere.


Schweizerflöte,Schweizerpfeife (W3) [Adelung]


Die Schweizerflöte, oder Schweizerpfeife, plur. die -n, die kleinste Art Querflöten, so wie sie noch bey den Soldaten neben der Trommel üblich sind. Ingleichen ein Register in den Orgeln, welches dergleichen Laut gibt. Daher der Schweizerbaß, ein Pedal von solchen Pfeifen.


Schweizerhose (W3) [Adelung]


Die Schweizerhose, plur. die -n, weit hinab reichende weite Hosen, welche bey den Landleuten unter den Schweizern üblich sind. Figürlich wird auch die Mexikanische Wunderblume von einigen im Plural Schweizerhosen genannt.


Schweizerkräuter (W3) [Adelung]


Die Schweizerkräuter, sing. inus. in den Apotheken, ein Gemische verschiedener heilsamer Kräuter, welche ganz klein geschnitten aus der Schweiz verschickt, und unter andern auch bey dem Durchfalle als eine Ptisane getrunken werden. Ein Verzeichniß derselben gibt unter andern auch Rosenstein von Kinderkrankheiten, der Deutschen Ausgabe von 1774, S. 123 f. In der Schweiz wird diese Ptisane Faltrane genannt.


Schweizerpfeife (W3) [Adelung]


Die Schweizerpfeife, S. Schweizerflöte.


Schweizerrad (W3) [Adelung]


Das Schweizerrad, des -es, plur. die -räder, in den Zeugfabriken, eine einfache Maschine mit einem Rade an einem Gestelle, worauf die Baumwolle gesponnen wird; ohne Zweifel ist sie in der Schweiz erfunden worden.


Schwelen (W3) [Adelung]


* Schwelen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gebraucht wird, in beyden aber nur im Niederdeutschen, und höchstens in den gemeinen Sprecharten Obersachsens und Oberdeutschlandes üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, ohne Flamme langsam brennen, da es denn das ausdruckt, was man im Hochdeutschen glimmen, noch mehr aber, was man daselbst schmauchen nennet, welches doch den Nebenbegriff eines mehrern Schmauches oder dicken Rauches bey sich führet, als schwelen. Nasses Holz brennet nicht, es schwelet nur. II. Als ein Activum, durch ein solches langsames Feuer ohne Flamme hervor bringen. Kohlen schwelen, Theer schwelen, wofür man im Hochdeutschen das Wort brennen gebraucht. So auch das Schwelen.

Anm. Im Nieders. swelen, und in einigen Gegenden smelen. Es stammet von einem alten Worte ab, welches auch brennen überhaupt bedeutete, und wohin auch das Angels. swaelan, swelan, anzünden, das Engl. to swale, brennen, unser schwühl, und ohne Endlaut das Schwed. sveda, wegbrennen, gehören. Die Niederdeutschen haben noch zwey andere gleichlautende, in der Bedeutung aber verschiedene Wörter, nähmlich schwelen oder swelen, welk machen, welches besonders von dem Grase, Obste, u. s. f. üblich ist, und wofür wir schwelken sagen, ( S. dasselbe,) und schwelen, beym Trunke sich lustig machen, welches zu unserm schwelgen gehöret.


Schwelgen (W3) [Adelung]


Schwelgen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Activum, welches haben erfordert. Es bedeutet, 1) * eigentlich schlucken, hinunter schlingen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher auch im Schwed. svälja und im Angels. svelgan vorkommt. Auch im Engl. ist to swallow, und im Dänischen svälge, schlucken. Die Niedersachsen haben davon noch das zusammen gesetzte verswelgen, verschlingen, verschlucken; die Grube kann das Wasser nicht verschwelgen, verschlingen. Then verswalh daz mere, den verschlang das Meer, heißt es in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. 2) Figürlich, im Essen und Trinken sich der Unmäßigkeit befleißigen, die Nahrungsmittel nicht zum Bedürfniß, sondern aus Wollust und mit Unmäßigkeit zu sich zu nehmen; im welchen Verstande man auch prassen, schlemmen u. s. f. sagt. Die Heiden schwelgten in dem Tempel, 2 Macc. 6, 4. Wenn ich predigte, wie sie saufen und schwelgen sollten, Mich. 2, 13. Im Nieders. swalgen, swelgen, im Angels. swelgan, im Engl. to swill. II. * Als ein Activum, ersticken in der thätigen Bedeutung, ersticken machen; eine im Hochdeutschen fremde, aber noch im Niederdeutschen gangbare Bedeutung. Er will sich in seinem eigenen Fette schwelgen, er will vor Fettersticken, im Niederdeutschen. So auch das Schwelgen, welches aber im Hochdeutschen gleichfalls nur in der zweyten Bedeutung des Neutrums üblich ist. Anm. Das Stammwort ist das im Hochdeutschen veraltete Schwalg, welches noch in den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, üblich ist, und so wohl einen jeden Abgrund oder Schlund, als auch in engerm Verstande die Schling- oder Schlundröhre eines Menschen oder Thieres bedeutet; Nieders. Swalg, Holländ. Zwelg, Schwed. Svalg, Engl. Swallow. Dieses ist wieder der Abkömmling eines veralteten Zeitwortes, welches eigentlich den Laut nachahmet, den ein Schlund im Verschlingen macht, oder welcher mit dem Erwürgen und Ersticken verbunden ist. Auf ähnliche Art stammet das Lat. suffocare, ersticken, von faux her, so wie ihr heluari, schwelgen, mit unserm Höhle verwandt zu seyn scheinet. Figürlich ist Schwalg in den gemeinen Sprecharten so wohl das Schwelgen, die Schwelgerey, als auch ein Schwelger.


Schwelger (W3) [Adelung]


Der Schwelger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Schwelgerinn, eine Person, welche sich der Unmäßigkeit im Genusse der Nahrungsmittel befleißiget.


Schwelgerey (W3) [Adelung]


Die Schwelgerey, plur. inus. das Schwelgen, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit im unmäßigen Genusse der Nahrungsmittel.


Schwelgerisch (W3) [Adelung]


Schwelgerisch, -er, -te, adj. et adv. unmäßig im Genusse der Nahrungsmittel.


Schwelken (W3) [Adelung]


Schwelken, verb. reg. act. welches nur in einigen Gegenden für welken, d. i. welk oder halb trocken machen üblich ist, so trocknen, daß ein Ding doch noch einigen Grad der Biegsamkeit behalte. Es wird in der Land- und Hauswirtschaft so wohl von dem Trocknen des Grases, um es zu Heu zu machen, als auch von dem Trocknen oder Dörren des Obstes, des Malzes u. s. f. gebraucht. Daher der Schwelkboden, der Boden, auf welchen das ausgewachsene Malz zum Trocknen aufgeschüttet wird, und welcher auch der Welkboden heißt. In einigen Gegenden ist schwelk für welk, und das Neutrum schwelken für welken, welk werden, üblich. S. Welk, von welchem es vermittelst des vorgesetzten Zischlautes gebildet ist.


Schwelle (W3) [Adelung]


Die Schwelle, plur. die -n, Diminut. das Schwellchen, ein jedes starkes horizontales Holz, welches die erste Anlage; den Grund zu einer Verbindung abgibt, und welches in den meisten Fällen auch die Sohle genannt wird. So ruhet ein Kutschkasten auf zwey Schwellen oder Unterlagen. Am üblichsten ist es in der Zimmermannskunst, wo ein horizontal liegender Balken, in welchen andere senkrechte oder schräge Bauhölzer eingezapfet sind, eine Schwelle genannt wird. In diesem Verstande gibt es Grundschwellen, Dachschwellen, Oberschwellen, Unterschwellen u. s. f. Kürzere horizontale Bauhölzer, welche bloß zur Verbindung der senkrechten dienen, und eigentlich nichts tragen, werden Riegel genannt. In engerer Bedeutung ist die Schwelle die Grund- oder Unterschwelle, das unmittelbar auf der Erde oder doch nahe über derselben liegende Stück Bauholz, welches die ganze Wand trägt. Die Schwelle eines Hauses; im Schleswig die Lehde, welches zu Latte gehöret, in Niedersachsen der Sull, die Sülle, der Dörpel, im Dithmarsen der Drüssel. Besonders so fern diese Schwelle in der Thür sichtbar ist, die Unterlage der Thür ausmacht, die Thürschwelle, da es denn figürlich auch für Hausthür gebraucht wird. Er soll mir wieder über meine Schwelle kommen oder schreiten, er soll nie wieder mein Haus betreten. Nach einer noch weitern Figur, der Anfang einer Sache. Du stehest an der Schwelle der Glückseligkeit. Wenn man eben vor der Schwelle so erschrecklich strauchelt.

Anm. Die Niederdeutsche Mundart, und die mit derselben verwandten Sprachen kennen in diesem Worte keinen Blaselaut, wie das Nieders. Sülle, Sull, das Schwed. Syll, das Angels. Syl, das Engl. Sill, das Französ. Seuil; alle in der Bedeutung der Schwelle, des Untersten, des Grundes eines Dinges; woraus zugleich die Verwandtschaft mit unserm Sohle, dem Lat. Solum und Solea, dem Franz. Solive, Schwelle, u. a. m. erhellet. Bey dem Ulphilas ist suljan den Grund legen.


Schwellen (W3) [Adelung]


Schwellen, ein Zeitwort, welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, und irregulär abgewandelt wird; ich schwelle, du schwillst, er schwillt; Imperf. ich schwoll, Conj. schwölle; Mittelw. geschwollen. Durch innere Anhäufung oder Ausdehnung der Theile der ganzen Masse nach ausgedehnet werden, besonders in die Höhe. 1. In eigentlichem Verstande. Das Wasser schwillt, wenn es sich anhäuft und aus Mangel des Abflusses der Höhe nach zunimmt. Der den Himmel ohne Gehülfen ausdehnt, und auf die geschwollenen Fluthen tritt, Hiob 9, 8, nach Michaelis Übersetzung. Auch von den Augen, wenn sie von den zudringenden Thränen ausgedehnet werden. Mit schwellenden Augen Abschied nehmen. Am üblichsten ist es von menschlichen und thierischen Körpern, wenn eine innere Ursache sie auf eine widernatürliche Art ausgedehnet und aufgetrieben hat. Geschwollene Füße haben. Die Hand schwillet mir. Der Leib ist dem Patienten geschwollen. ( S. Schwulst und Geschwulst). 2. Figürlich. 1) Dann schwellt (schwillt) mir die Brust, Gedanken drängen sich dann auf, ich kann sie nicht entwickeln, Geßn. Voll von frohem Entzücken schwellt (schwillt) ihm die Brust, eben ders. 2) Der Muth schwillt, wenn er zunimmt, größer wird. Sprichw. Wenn man den Bauern bittet, so schwillt ihm der Muth. Ihr Gemüthe schwillet nicht, Wenn das Glücke sie bescheinet, Opitz; wird nicht stolz. In einem andern Verstande sagt Ottfried: so suillet uns thaz Muotser, nähmlich vor Zorn. 3) Zuweilen auch an Masse und Anzahl zunehmen. Die Bücher schwellen, werden zahlreicher, Herd. II. Als ein Activum, mit regulärer Abwandlung, du schwellst, er schwellt, Imperf. ich schwellete, Mittelw. geschwellet; schwellen machen. Ein Pferd schwellen, es wund reiten, drücken, so daß die gedrückte Stelle schwillt. Das Wasser schwellen, ihm den Abfluß benehmen, so daß es anwächset. Bald schwellt er (der Mond) das Meer, Lohenst. wacht, daß es in der Fluth anläuft. Die sterbende Sara Schwellt das Mitleid herauf zu unserm thränenden Auge, Zachar. So auch das Schwellen.

Anm. Bey dem Ottfried suellan, im Nieders. swellen, und swillen, im Angels. swellan, im Engl. to swell, im Schwed. svälla. Der herrschende Begriff ist die Ausdehnung von innen nach allen Seiten, besonders der Höhe nach. In Ansehung der Form ist es ein Intensivum von einem veralteten Zeitworte schwellen, welches so wie schwellen eigentlich das Geräusch mehreren sich versammelnden, sich anhäufenden Dinge ausdruckt, von welchem die Ausdehnung von innen eine Figur ist. Im Schwed. ist svalla noch jetzt bransen. ( S. auch Schwall, Schwiele, Wallen, Welle und Beule, welchen drey letztern nur der Zischlaut mangelt.


Schweller (W3) [Adelung]


Der Schweller, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, die aufwärts gebogene Bäume unter einem Schlitten zu bezeichnen, welche in Obersachsen Rufen heißen. Es ist von Schwelle nur im Endlaute und im Geschlechte unterschieden, weil sie in der That die Schwellen des Schlittens sind.


Schwemme (W3) [Adelung]


Die Schwemme, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte. 1) Die Handlung des Schwemmens, besonders so fern durch Schwimmen, oder durch Bewegung im Wasser, Unreinigkeiten weggeschaffet werden soll; ohne Plural. Die Sau wälzet sich nach der Schwemme wieder in den Koth, 2 Petr. 2, 22. 2) Der Ort, wo Thiere zur Erfrischung oder zur Abspülung der Unreinigkeiten schwimmen müssen. Ein Pferd in die Schwemme reiten. Schafe, die aus der Schwemme kommen, Hobel. 4, 2.


Schwemmen (W3) [Adelung]


Schwemmen, verb. reg. welches das Factitivum von schwimmen ist, wie senken von sinken, tränken von trinken u. s. f. schwimmen machen. Holz schwemmen, wofür doch stößen üblicher ist. Der Fluß hat viele Erde an das Ufer geschwemmet, angesetzet, angetrieben. Den Koth von etwas schwemmen, durch vieles Wasser abfließen machen. Das Wasser hat die Erde aus dem Wege geschwemmet. In engerer Bedeutung schwemmet man Thiere, wenn man sie zu schwimmen nöthiget, damit sie im Wasser von den Unreinigkeiten befreyet werden. So schwemmet man die Pferde, die Schafe, ehe sie geschoren werden, die Gänse, ehe sie gestochen werden u. s. f. Ehedem schwemmete man auch die der Hexerey verdächtigen Personen, d. i. man warf sie in das Wasser, um zu sehen ob sie oben schwimmen oder untersinken würden. In weiterer Bedeutung für benetzen, wie Ps. 6, 7. ich schwemme mein Bette die ganze Nacht, ist es im Hochdeutschen eben so ungewöhnlich, als für überschwemmen; sie werden alles schwemmen, Es 8, 8. So auch das Schwemmen und die Schwemmung.


Schwemmer (W3) [Adelung]


Der Schwemmer, eine Art sanfter Wagen, S. Schwimmer.


Schwenden (W3) [Adelung]


Schwenden, verb. reg. act. welches die thätige Gattung von dem Neutro schwinden ist, schwinden oder verschwinden machen. 1) * Überhaupt, zerstören, des Daseyns, oder doch seines brauchbaren, zweckmäßigen Daseyns berauben; in welcher jetzt völlig veralteten Bedeutung es ehedem sehr gangbar war. Was wil si damit gewinnen Das si froeide swendet deme, Der ir niemer mag entrinnen, Burkard von Hohenfels. Si welle dinen senden kumber swenden, Herzog Heinrich von Breslau. 2) In engerer Bedeutung ist schwenden noch in vielen Gegenden einen Wald abbrennen, um tragbaren Acker daraus zu machen, wo es eigentlich auch öde, wüst machen, zu bedeuten scheinet, obgleich im Schwed. sveda brennen, und svedja auf solche Art schwenden ist. In andern Gegenden heißt diese verschwenderische Verwüstung des Holzes schmalzen und rohden. So auch das Schwenden.

Anm. Bey dem Notker ist swenden verderben, und die Schwäbischen Dichter gebrauchen es mehrmahls für zerstören. Siehe auch Schwinden und Verschwenden.


Schwengbaum (W3) [Adelung]


Der Schwengbaum, oder Schwängbaum, des -es, plur. die -bäume, im Bergbaue, der Baum im Göpel, welcher quer durch die Spindel gehet; die Trifft. Es ist mit Schwängel gleichbedeutend. S. dasselbe.


Schwengel (W3) [Adelung]


Der Schwengel, S. Schwängel.


Schwenken (W3) [Adelung]


1. Schwenken, einen flüssigen Körper hin und her bewegen, S. Schwänken.


Schwenken (W3) [Adelung]


2. Schwenken, verb. reg. act. schwingen machen, mit einem Schwunge bewegen. Die Fahne schwenken. Der Dacier, der frech den Wurfpfeil schwenkt, Haged. Ingleichen sich schwenken, sich mit einem Schwunge wenden; in welchem Verstande es besonders bey den Soldaten, von ganzen Reihen üblich ist, wenn solche Schwenkungen oder Wendungen machen.

Anm. Schwänken von einem flüssigen Körper ist das Activum von schwanken, dieses schwenken aber von schwingen, daher die beyden Activa eben so unterschieden sind, als ihre Neutra. Siehe Schwingen.


Schwepe (W3) [Adelung]


Die Schwepe, im Niederdeutschen eine Peitsche, S. Schwippe.


Schwer (W3) [Adelung]


Schwer, -er, -ste, adj. et adv. 1. Im eigentlichen physischen Verstande ist schwer, 1) absolute und ohne alle Rücksicht auf die Vergleichung oder Empfindung, was ein Bestreben hat, sich senkrecht nach einem gewissen Mittelpuncte zu bewegen. In diesem Verstande sind alle Körper schwer, weil dieses Bestreben eine wesentliche Eigenschaft der Materie ist. Auch gebraucht man dieses Wort bey Bestimmung des Grades dieses Bestrebens, oder des Gewichtes. Ein Ding ist ein Gran, zwey Loth, vier Pfund, zehn Zentner schwer, wenn es so viel wiegt. Bley ist schwerer als Holz, weil es ein stärkeres Bestreben äußert, sich nach dem Mittelpuncte der Erde zu bewegen. In dieser Bedeutung ist es als ein Nebenwort am üblichsten. 2) Relative, in Beziehung auf die Kraft, welche dieses Bestreben überwinden will, ein starkes Bestreben dieser Art äußernd; im Gegensatze des leicht. Eine schwere Last. Der Stein ist schwer. Das ist mir zu schwer. Ingleichen in Beziehung auf das gewöhnliche Gewicht gewisser Dinge, oder auch auf das leichtere von eben derselben Art. Das schwere Geschütz, das grobe, z. B. Kanonen, Mörsern u. s. f. im Gegensatze der Feldstücke und des kleinen Gewehres. Die schwere Rüstung der Reiterey, Küraß u. s. f. Schwer bewaffnete Reiter, im Gegensatze der leicht bewaffneten. Schweres Geld, welches mehr edles Metall hat, und folglich schwerer ist, als das leichte. 2. Figürlich. 1) Was viele Bemühung, Anstrengung vieler Kräfte erfordert. Einen schweren Kopf haben, wenn man Mühe anwenden muß, etwas zu fassen oder zu begreifen; in Niedersachsen einen harten Kopf haben. Eine schwere Zunge, welche Mühe anwenden muß, wenn sie vernehmlich sprechen will. Ein Mahler hat einen schweren Pinsel, eine schwere Hand, wenn ihm die Führung derselben Mühe macht, und diese Mühe aus dem Gemählde ersichtlich ist. Schwer zu verstehen, zu begreifen, zu glauben, einzusehen u. s. f. Ein schweres Buch, welches schwer zu verstehen ist. Das fällt mir schwer, wird mir schwer, erfordert viel Bemühung. Einem eine Sache schwer machen. Schwer Athem hohlen. Er gehet sehr schwer daran, sehr ungern, es erfordert viele Mühe ihn dazu zu bewegen. Keine Irrthümer sind schwerer zu heben als die ihren Schutz in dem natürlichen Charakter unsers Geistes finden, Gell. Schwere Zeiten, wo der Unterhalt mit vieler Mühe verbunden ist. 2) Mit unangenehmen Empfindungen verbunden, deren Überwindung Mühe kostet. Wird es dir schwer, einen Meineidigen zu vergessen? Das kommt ihm schwer an, gehet ihm schwer ein, er geht schwer daran. Ersparen sie mir ein Bekenntniß, das mir nicht anders als schwer werden wird, Sonnenf. Einem das Herz schwer machen. Empfindungen der Reue, der Wehmuth, des Mitleidens, der Besorgniß in ihm erwecken. Die Trennung ist schwer. Mit schwerem Herzen weggeben, mit Bekümmerten. Ehedem hatte man auch das Hauptwort Schwere. und Schwerde, welches Kummer, Gram, Sorge, Noth u. s. f. bedeutete, aber in diesem Verstande längst veraltet ist. Etwas davon ist noch in Beschwerde übrig. 3) In manchen Fällen bezeichnet dieses Wort auch eine Intension, d. i. einen hohen Grad der Sache. Ein schwerer Kampf ein harter. Eine schwere Krankheit ausstehen. Schwere Sünden, schwere Verbrechen. Eine schwere Strafe verdienen. Die Strafe noch schwerer machen. Die schwere Noth, in der niedrigen Sprechart, die Epilepsie. In allen diesen Fällen wird es nur von Dingen gebraucht, welche als ein Übel betrachtet werden. Allein in der Beredsamkeit des großen Haufens höret man es oft auch von andern Dingen. Eine schwere Menge, eine große Menge. Das hat ihm schweres Geld gekostet, vieles. Ja in manchen Gegenden ist das Nebenwort schwer gar für sehr üblich. Ich werde mich schwer hüthen, für sehr.

Anm. Bey dem Kero suarre, bey dem Ottfried suar, im Angels. swaer. im Nieders. swaar, im Schwed. svar; womit auch ohne Zischlaut und mit einer sehr gewöhnlichen Veränderung des Blaselautes, das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - schwer, verwandt ist. Da die Schwere im gewöhnlichen Verstande eine natürliche Folge der Menge der Theile ist, so ist sehr wahrscheinlich, daß dieses Wort ein naher Verwandter von Schwarm und schwärmen ist, ( S. dieselben.) Übrigens ist auch sehr damit verwandt, ( S. Sehr und Schwert.)


Schwere (W3) [Adelung]


Die Schwere, plur. inus. das Abstractum des vorigen Beywortes, die Eigenschaft, da ein Ding schwer ist. So wohl auch im eigentlichen Verstande, das Bestreben eines Dinges sich nach einem gewissen Mittelpuncte zu bewegen, in welchem Verstande die Schwere eine Eigenschaft aller Körper ist; da denn auch wohl von mehrern Arten, oder von der Schwere in mehrern Körpern der Plural gebraucht wird. Die Räume verhalten sich auf eine gegenseitige Art der eigenthümlichen Schweren. Ingleichen in Rücksicht auf die Empfindung, auf das Gewöhnliche u. s. f. Eine große Schwere haben. Zuweilen auch wohl für Gewicht, d. i. das Maß der Schwere. Als auch im figürlichen Verstande, die Schwere eines Amtes, eines Joches, einer Strafe, eines Verbrechens u. s. f.


Schwerdt (W3) [Adelung]


Schwerdt, S. Schwert.


Schweren (W3) [Adelung]


1. Schweren, S. Schwärmen und Schwören.


Schweren (W3) [Adelung]


2. Schweren, von schwer, S. die Zusammensetzung Beschweren und Erschweren, außer welchen es nicht üblich ist.


Schwerfällig (W3) [Adelung]


Schwerfällig, -er, -ste, adj. et adv. eigentlich, wegen seiner vielen Masse und langsamen ungeschickten Bewegung in Gefahr einen schweren Fall zu thun. Ein schwerfälliger Mensch. In weiterer und figürlicher Bedeutung, oft von allen Dingen, welche wegen ihrer Schwere eine mühsame Bewegung haben. Ein schwerfälliger Gang. Sehr schwerfällig tanzen. Ingleichen figürlich. Einen Vers durch viele Consonanten schwerfällig machen. Die schwerfällige Trägheit einiger nordischen Völker. Aret ist mit so vielen schwerfälligen Ernste dienstfertig, daß man glaubt, seine Dienstfertigkeiten koste ihm viel Überwindung, Gell. So auch die Schwerfälligkeit.


Schwerfläche (W3) [Adelung]


Die Schwerfläche, plur. die -n, in der Mechanik, die Fläche der Schwere, d. i. diejenige Fläche, worin sich der Schwer-Punct befindet, oder welche durch den Schwer-Punct gehet.


Schwerherzig (W3) [Adelung]


Schwerherzig, adj. et adv. S. Schwermüthig.


Schwerköstig (W3) [Adelung]


Schwerköstig, -er, -ste, adj. et adv. nur im gemeinen Leben, was schwere, das ist, viele Kosten erfordert; kostbar.


Schwerkraft (W3) [Adelung]


Die Schwerkraft, plur. die -kräfte, die Schwere, als eine Kraft betrachtet, die Kraft, welche die Körper senkrecht nach die Erdfläche treibt.


Schwerlich (W3) [Adelung]


Schwerlich, adv. welches nur in der ersten figürlichen Bedeutung des Bey- und Nebenwortes schwer üblich ist, nicht anders als mit vieler Mühe, und in weiterer Bedeutung für nicht leicht, kaum. Du wirst dein Vorhaben wohl schwerlich ausführen. Das kann ich schwerlich glauben. Das wird schwerlich geschehen. Er wird schwerlich kommen. Zuweilen auch für schwer, d. i. sehr, schwerlich sundigen, 2 Sam. 24, 10. Sich schwerlich vergehen.


Schwerm (W3) [Adelung]


Der Schwerm, des -es, plur. die -e, in dem Bergbaue einiger Gegenden, der krumme Zapfen an einem Wasserrade. Es scheinet, daß die krumme Biegung der Grund der Benennung ist, da es denn zu Wurm gehören würde. Indessen führet Frisch mehrere Stellen an, aus welchen erhellet, daß Schwir und Schwiren, ehedem einen Pfahl bedeutet habe.


Schwermesser (W3) [Adelung]


Der Schwermesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug, die Schwere der Luft zu messen, welches man mit einem ausländischen Worte ein Barometer nennt.


Schwermuth (W3) [Adelung]


Die Schwermuth, plur. car. ein anhaltender hoher Grad der Traurigkeit, ein anhaltendes niedergeschlagenes Gemüth; von schwer, so fern es ehedem auch traurig, betrübt bedeutete. Die Schwermüthigkeit, die Schwermuth als eine Fertigkeit betrachtet.


Schwermüthig (W3) [Adelung]


Schwermüthig, -er, -ste, adj. et adv. mit der Schwermuth behaftet, in derselben gegründet; Niederdeutsch schwerherzig.


Schwer-Punct (W3) [Adelung]


Der Schwer-Punct, des -es, plur. die -e, in der Mechanik, der Mittelpunct der Schwere, d. i. derjenige Punct, durch welchen ein Körper in zwey gleich schwere Theile getheilet wird, oder um welchen alle übrige Theile gleiche Schwere haben.


Schwert (W3) [Adelung]


Das Schwert, des -es, plur. die -er, Dimin. das Schwertchen, Oberd. Schwertlein. 1) Eigentlich, das größte und breiteste hauende Gewehr, dergleichen die alten stärkern Deutschen zu ihrer Vertheidigung gebrauchten. Das Schlachtschwert, welches in Schlachten gebraucht wurde, und so groß war, daß es nicht an der Seite, sondern mit beyden Händen auf der Achsel getragen werden mußte. Das Ritterschwert, welches die Ritter tragen, und in ihren Übungen gebrauchten. Die Churschwerter, welche Sachsen als das Zeichen des Erz-Marschallamtes in seinem Wapen führet. Das Richtschwert, womit die Enthauptung geschiehet, und welches zwar breit, aber gemeiniglich nicht mehr so lang ist als ehedem. Mit dem Schwerte hingerichtet werden, enthauptet werden. Jemanden zum Schwerte verurtheilen, enthauptet zu werden. Seitdem man angefangen, sich statt der alten schwerfälligen Waffen leichterer zu bedienen, und die Hurtigkeit an die Stelle der alten männlichen Stärke treten zu lassen, sind auch die Schwerter aus dem Gebrauche gekommen, und dafür kleinere so wohl hauende als stechende Gewehre eingeführet worden, welche denn auch ihre eigenen Nahmen bekommen haben. Die alten Schwerter sind nur noch bey gewissen feyerlichen Gelegenheiten üblich; indessen pflegt man das Wort in der höhern Schreibart noch häufig für ein jedes hauendes Gewehr zu gebrauchen. Mit dem Schwerte darein schlagen, offenbare Gewalt gebrauchen. Ein Schwert hält das andere in der Scheide, gleiche Stärke verhindert den Ausbruch der Gewaltthätigkeiten. Mit Feuer und Schwert verheeren, mit Brennen und Blutvergießen. In der höhern Schreibart wird es auch oft figürlich für offenbare Gewaltthätigkeiten, für den Krieg selbst gebraucht, in welchem Verstande es auch in der Deutschen Bibel häufig vorkommt. 2) Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt. An den Schiffen ist es ein breites dickes Bret, welches an den Bort fest gemacht, und in das Wasser hinab gelassen wird, wenn der Wind das Schiff auf dieses Seite zu sehr neiget. Bey den Buchbindern ist es ein Holz in Gestalt eines Schwertes, die Duernen oder Triternen in einander zu stecken. Anm. Bey dem Ottfried, Willeram u. s. f. Suert, im Nieders. Schweerd, im Angels. Sweort, im Engl. Sword, im Schwed. Svärd. Wachter leitet es von dem Gothischen sveran, ehren, Frisch aber von schwer ab. Richtiger läßt man es von wehren, Gewehr, oder auch von Schwer, so fern es ehedem Wunde, Verletzung, bedeutete, und mit sehren in versehren gleichbedeutend war, abstammen. Wirklich findet man, daß es ehedem von weit kleinern Gewehren gebraucht worden. In Boxhorns Glossen ist Suert ein Dolch, und Frisch selbst erkläret Stabschwert durch einen Degen, welchen man in einem Stabe bey sich trug. In alten Oberdeutschen Schriften wird dieses Wort beständig Schwert geschrieben, und im Plural lautet das t merklich hart. Erst in den spätern Zeiten fing man an Schwerdt zu schreiben, ohne Zweifel aus keinem andern Grunde, als die Oberdeutsche Schreibart mit der weichern Niederdeutschen, welche Schwerd schreibt und spricht, zu vereinigen. Um der zwey End-Consonannten willen müßte dieses Wort geschärft gesprochen werden, Schwert, und so sprechen es auch manche Gegenden wirklich, dagegen die meisten, selbst im Hochdeutschen, es dehnen, Schwert. Diese Dehnung hat ihren Grund in der Etymologie, weil das t ein bloßer Ableitungslaut ist, der die gedehnte Wurzelsylbe nicht ändern kann. Eben das gilt auch von Schwarte, Herd, Pferd, u. s. f. welche insgesammt gedehnt werden.


Schwertbohne (W3) [Adelung]


Die Schwertbohne, plur. die -n, eine Art der Schminkbohnen, mit breiten fleischigen Schoten, und kleinen Bohnen; wegen der Ähnlichkeit in der Gestalt. Sind sie wie ein Säbel gekrümmet, so heißen sie Säbelbohnen.


Schwertbruder (W3) [Adelung]


Der Schwertbruder, des -s, plur. die -brüder, siehe Schwertorden.


Schwertfeger (W3) [Adelung]


Der Schwertfeger, des -s, plur. ut nom. sing. dessen Gattinn die Schwertfegerinn, ein Handwerker, welcher die Theile eines Schwertes, oder Seitengewehres zusammen setzet, und selbige feget, d. i. poliret, von welcher letztern Arbeit er seinen Nahmen hat. Die Langmesserschmiede verfertigen die Klingen, die Schwertfeger die Gefäße und übrigen Theile, setzen sie zusammen und geben ihnen die Politur. Daher der Schwertfegerdraht, eine Art groben Drahtes von No. 1 bis 5, woraus die Gewinde an den Degen und Säbelgefäßen verfertiget werden.


Schwertfisch (W3) [Adelung]


Der Schwertfisch, des -es, plur. die -e. 1) Eine Art Hayen mit einem Rüssel, welcher sich in einem glatten beinartigen Schwerte endiget, welches an beyden Seiten gezähnt ist, daher er auch der Sägefisch genannt wird; Squalus Pristis L. 2) In Österreich wird der Sichelfisch, Cyprinus cultratus L. Schwertfisch genannt.


Schwertgroschen (W3) [Adelung]


Der Schwertgroschen, des -, plur. ut nom. sing. ein Nahme der ehemahligen Chursächsischen Groschen, besonders des 15ten Jahrhundertes, wegen der darauf geprägten Churschwerter. 1482 wurden dergleichen Schwertgroschen geschlagen, welche 6 Pf galten. Ein Schock Schwertgroschen hieß ein Schwertschock zum Unterschiede von einem Kreuzschocke. S. Schock.


Schwertlehen (W3) [Adelung]


Das Schwertlehen, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Lehenrechte, ein Mannlehen, weil das Schwert ein eigentliches Gewehr des männlichen Geschlechtes ist; im Gegensatze des Kunkellehens, d. i. des Weiberlehens.


Schwertmage (W3) [Adelung]


Der Schwertmage, des -n, plur. die -n, ein jetzt veraltetes Wort, einen männlichen Verwandten oder einen Verwandten von der väterlichen Seite, zu bezeichnen, von dem alten Mage ein Verwandter; im Gegensatze eines Spillmagen, eines weiblichen Verwandten, oder von mütterlicher Seite, von Spille, Spindel. Mage für Verwandter ist noch im Niedersächsischen gangbar. S. Schwertlehen und Schwertseite.


Schwertorden (W3) [Adelung]


Der Schwertorden, des -s, plur. ut nom. sing. ein ehemahliger Ritterorden in Liefland, welcher sich nachmahls mit dem Deutschen Orden vereinigte, und dessen Glieder Schwertritter und Schwertbrüder genannt wurden.


Schwertschlag (W3) [Adelung]


Der Schwertschlag, des -es, plur. die -schläge, ein Schlag mit dem Schwerte. Besonders im figürlichen Verstande; eine Stadt, ein Land ohne Schwertschlag erobern, ohne Blutvergießen, durch Accord u. s. f. wofür auch Schwert Schwertstreich üblich ist.


Schwertschleifer (W3) [Adelung]


Der Schwertschleifer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Schleifer, welche Schwerter, Degen, Schermesser und andere seine Sachen schleifen, und welche, wenn sie im Lande herum reisen, Scherenschleifer heißen; zum Unterschiede von den Rauhschleifern. Der Raubschleifer sitzt über den Steinen und der Stein drehet sich nach ihm zu; bey dem Schwertschleifer drehet sich der Stein von ihm weg.


Schwertseite (W3) [Adelung]


Die Schwertseite, plur. die -n, die Seite der Schwertmagen, d. i. der Verwandten von väterlicher Seite; im Gegensatze der Spill- oder Kunkelseite, der weiblichen oder mütterlichen Seite. Ein nur in den Geschlechts-Registern übliches Wort.


Schwertstange (W3) [Adelung]


Die Schwertstange, plur. die -n, bey den Vogelstellern, eine Art breiter Stangen in Gestalt eines Schwertes, welche sich bey den Vogelherden mit zwey Wänden hinten und vorn zunächst an der Larve befindet.


Schwertstreich (W3) [Adelung]


Der Schwertstreich, des -es, plur. die -e, S. Schwertschlag.


Schwerttanz (W3) [Adelung]


Der Schwerttanz, des -es, plur. die -tänze, eine Art feyerlicher Tänze mit bloßen Schwertern oder Degen, dergleichen noch an einigen Orten von manchen Handwerkern bey ihren Feyerlichkeiten gehalten werden.


Schwerttheil (W3) [Adelung]


Das Schwerttheil, des -es, plur. die -e, ein größten Theils veraltetes Wort, das Erbtheil eines Schwertmagen, d. i. männlichen Verwandten, oder Verwandten von der Schwertseite, ingleichen des Mannes Theil, welches während der Ehe erworben worden, zu bezeichnen.


Schwertträger (W3) [Adelung]


Der Schwertträger, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher einem andern bey gewissen feyerlichen Gelegenheiten das Schwert vorträgt, und welcher an manchen Höfen ein vornehmer Beamter ist. In Pohlen war der Kron-Groß-Schwertträger und in Litthauen der Groß-Schwertträger einer der vornehmsten Beamten.


Schwester (W3) [Adelung]


Die Schwester, plur. die -n, Diminut. welches doch nur als eine Liebkosung üblich ist, das Schwesterchen, Oberd. Schwesterlein, eine weibliche Person, welche mit einer andern Person einerley Ältern hat, in Rücksicht auf diese andere Person, so wie Bruder, eine solche Person männlichen Geschlechtes. Sie sind Schwestern, von zwey solchen Personen weiblichen Geschlechtes. Die leibliche Schwester, die rechte Schwester, welche mit einer Person einerley Vater und Mutter hat; zum Unterschiede von einer Halbschwester oder Stiefschwester, welche einen andern Vater oder eine andere Mutter hat. Figürlich. 1) Eine weibliche Person, welche genau mit einer andern verbunden ist, heißt, wenn sie völlig gleichen Standes mit ihr ist, in vielen Fällen eine Schwester, wie eine solche männliche Person ein Bruder. Vertraute Freundinnen pflegen sich oft Schwestern zu nennen, besonders wenn sie sich zugleich du nennen. Fürstliche Personen weiblichen Geschlechtes von gleicher Würde, und Republiken zu nennen sich oft Schwestern. Die Milchschwester ist eine weibliche Person, welche mit einer andern einerley Milch gesogen hat, einerley Amme mit ihr gehabt hat. In den Nonnenklöstern nennen sich die Nonnen wegen ihrer Gleichheit und engen Verbindungen Schwestern, und werden daher auch wohl von andern geistliche Schwestern und Klosterschwestern genannt. In engerer Bedeutung sind die Schwestern, oder vollständig Laien-Schwestern, in den Nonnenklöstern das, was die Laien-Brüder oder Brüder in den Mönchsklöstern sind, d. i. diejenigen Ordenspersonen, welche die häuslichen und weltlichen Geschäfte des Klosters verwalten. 2) Ein Ding weiblichen Geschlechtes, welches einem andern Dinge gleich oder ähnlich ist. Dein König, o Berlin, durch den du weiser Als alle deine Schwestern bist, Raml. S. auch Bruder, wo sich alles, was daselbst gesagt worden, mit verändertem Geschlechte auch auf Schwestern anwenden läßt.

Anm. Schon bey dem Ulphilas Swistar, bey dem Ottfried Suester, im Nieders. ohne Blaselaut Süster, im Angels. Swuster, im Engl. Sister, im Schwed. Syster, im Pohln. Siostra, im Böhm. Sestra, im Litthauischen Schostro, im Lettischen Sessu, im Finnischen Sisa. Ohne Endsylbe hat man im Nieders. das liebkosende Diminut. Susje, Schwesterchen, Isländ. Suskin. Die Sylbe -er ist die Ableitungssylbe, welche eine Person, ein Ding bezeichnet. Es kommt daher nur auf die Sylbe Schmes, und ohne den Blaselaut Ses, u. s. f. an. Diese scheinet eine genaue Verbindung zu bezeichnen, und mit Wase, Base wovon vermittelst des Zischlautes unser Schwester abstammet, und in Ansehung des Niederdeutschen mit dem Holländ. seisen, binden, dem Franz. saisir, und schweißen, u. s. f. verwandt zu seyn. Mit andern Endlauten gehören dahin auch Schwager und das Lat. Soror. Daß dieses Wort ehedem nahe Verwandte überhaupt bedeutet habe, erhellet unter andern auch aus dem Collectivo Geschwister, S. dasselbe.


Schwesterkind (W3) [Adelung]


Das Schwesterkind, des -es, plur. die -er, der Schwester Kinder, so wie Bruderkind.


Schwesterlich (W3) [Adelung]


Schwesterlich, adj. et adv. in dem Verhältnisse einer Schwester gegründet. Die schwesterliche Liebe. Noch mehr figürlich, liebreich, zärtlich und vertrauet, wie es die Verbindung einer Schwester erfordert. Sich schwesterlich lieben, von weiblichen Personen.


Schwestermann (W3) [Adelung]


Der Schwestermann, des -es, plur. die -männer, der Ehegatte der Schwester.


Schwesterschaft (W3) [Adelung]


Die Schwesterschaft, plur. die -en. 1) Ohne Plural, das Verhältniß zwischen zwey Personen, nach welchem die eine die Schwester der andern ist; wo es doch nur von der Verbindung gewählter Schwestern, d. i. vertrauter Freundinnen gleiches Standes üblich ist. 2) Mehrere zu einer gewissen Absicht auf das genaueste mit einander vereinigte weibliche Personen gleichen Standes; wo es in der Römischen Kirche so wohl Schwesterschaft als Brüderschaften gibt.


Schwestersohn (W3) [Adelung]


Der Schwestersohn, des -es, plur. die -söhne, der Sohn, der Schwester. So auch die Schwestertochter, deren Tochter.


Schwibbogen (W3) [Adelung]


Der Schwibbogen, oder vielmehr Schwiebbogen, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Die gewölbte steinerne Decke eines Raumes, ein Gewölbe, welches doch im Hochdeutschen üblicher ist, wo man unter Schwibbogen am häufigsten die nach einem Bogen geschlossene Öffnung einer Mauer verstehet; ein Bogen. 1) Der mit einem solchen Bogen bedeckte Raum, so wie Gewölbe, ein gewölbtes Zimmer oder Behältniß; eine besonders im Niederdeutschen übliche Bedeutung. Doch pflegt man auch im Hochdeutschen die gewölbten Grabstätten, wo man Verstorbene beysetzt, Schwibbögen zu nennen. Anm. Schon bey dem Raban Maurus Suipogun, in Petzens Glossen Suuipogun. Es scheinet von schweben abzustammen, und eigentlich einen schwebenden, d. i. über uns befindlichen, Bogen zu bezeichnen, wie Schwebästrich; oder von schweifen, bogenweise ausschneiden, welches letztere die Gestalt dieses Wortes in andern Sprachen und Mundarten wahrscheinlicher macht. Bey dem Dasypodius heißt ein Schwibbogen Schwielbogen, von Welle, wälzen, Gewölbe; bey dem Serrarius Smiegebogen, von schmiegen; im Nieders. bey dem Chyträus Schwichbogen, im Schwed. Schvegbage, von dem Isländ. sueigia, krümmen; in andern Nieders. Gegenden Schwiedbagen, ohne Zweifel aus Einer Quelle mit Wiede. Um die Dehnung der ersten Sylbe nicht zu verfehlen, ist das ie dem bloßen i vorzuziehen.


Schwiegel (W3) [Adelung]


* Die Schwiegel, plur. die -n, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches noch in den gemeinen Mundarten, besonders Oberdeutschlandes, üblich ist, wo es eine Pfeife oder Flöte bedeutet, so wie schwiegeln, pfeifen, flöten, auf der Pfeife spielen, Schwiegler einen Flötenspieler u. s. f. Es kommt nur noch in den Orgeln vor, wo Schwigel oder Schwiflöte von einer Art Pfeifen gebraucht wird. Die große Schwiegel, von acht Fuß Ton, die kleine, von vier Fuß. Schon bey dem Ulphilas ist swigljon auf der Flöte spielen, Suegula, bey dem Ottfried, eine Pfeife, und im Angels. Sweg der Ton, und swegan tönen. ( S. Schilters Glossar. und Frisch v. Schwegel.) Es ist eine unmittelbare Onomatopöie des Lautes, besonders des Pfeifens mit dem Munde.


Schwieger (W3) [Adelung]


* Die Schwieger, plur. die -n, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, die Schwiegermutter zu bezeichnen, welches unter andern auch in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt. Die Schwieger ist wider die Schnur, Mich. 7, 6. Und die Schnur wider ihre Schwieger, Matth. 10, 35. In einigen Gegenden ist dafür auch Schwiegerinn üblich, welches in andern auch wohl für eine Schwägerinn gebraucht wird.

Anm. Schon im Tatian und bey dem Ottfried Suigar, im Böhmischen Sswegrusse, im Lat. Socrus. Es ist mit Schwager und dem Oberdeutschen Schwäher ursprünglich ein und eben dasselbe Wort, welches eigentlich eine durch Heirath nahe verwandte Person ohne Unterschied des Geschlechts bedeutet. Daher war der Schwieger, oder Schwäher, Lat. Socer, ehedem eine solche Person männlichen Geschlechtes, das ist ein Schwiegervater, oder Schwager, und die Schwieger oder Schwiegerinn, eine solche weibliche Person. Im Hochdeutschen hat man es für nöthig gehalten, diese verschiedenen Bedeutungen durch die folgenden Zusammensetzungen näher zu bestimmen, da denn das einfache Schwieger außer denselben veraltet ist. S. Schwager und Schwäher.


Schwiegerältern (W3) [Adelung]


Die Schwiegerältern, sing. inus. des Mannes oder der Frau Ältern, der Schwiegervater und die Schwiegermutter zusammen genommen.


Schwiegerkinder (W3) [Adelung]


Die Schwiegerkinder, sing. inus. der Kinder Ehegatten.


Schwiegermutter (W3) [Adelung]


Die Schwiegermutter, plur. die -mütter, des Mannes oder der Frau Mutter; im Oberdeutschen die Schwieger oder Schwiegerinn, im Holländ. Schoon-Mooder, Franz. Belle-Mere.


Schwiegersohn (W3) [Adelung]


Der Schwiegersohn, des -es, plur. die -söhne, der Tochter Ehemann; Holländ. Schoon-Soon; Franz. Beau-Fils.


Schwiegertochter (W3) [Adelung]


Die Schwiegertochter, plur. die -töchter, des Sohnes Ehegattinn; im Oberdeutschen die Schnur, Holländ. Schoon-Doghter, Franz. Belle-Fille.


Schwiegervater (W3) [Adelung]


Der Schwiegervater, des -s, plur. die -väter, des Mannes oder der Frau Vater; im Oberdeutschen der Schwäher, Holländ. Schoon-Vaader, Franz. Beau-Pere.


Schwiele (W3) [Adelung]


Die Schwiele, plur. die -n, Diminut. das Schwielchen, eine harte und dicke Stelle in der Haut. Von grober Arbeit be- kommt man Schwielen in den Händen, von vielen Gehen Schwielen an den Füßen. Ingleichen in die Länge aufgelaufene Stellen der Haut, dergleichen z. B. die sind, welche von Peitschenhieben entstehen.

Anm. Im Englischen ohne Zischlaut Weal. Es ist ein Verwandter von schwellen und Schwelle, welche Intensiva davon sind. ( S. dieselben.) In Hirnschwiele bedeutet es gleichfalls eine harte Substanz in dem Gehirne.


Schwierig (W3) [Adelung]


Schwierig, -er, -ste, adj. et adv. unzufrieden mit etwas. Schwierig seyn. Für schwer, eine schwierige Sache, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. S. das folgende.


Schwierigkeit (W3) [Adelung]


Die Schwierigkeit, plur. die -en. 1) Der Zustand, da jemand schwierig ist, ohne Plural; in welchem Verstande es doch im Hochdeutschen wenig gewöhnlich ist. 2) Eine Einwendung, eine Bedenklichkeit, welche jemand, der schwierig ist, vorbringet. Schwierigkeiten machen. 3) Dasjenige, was eine Sache schwer macht. Bey einem Geschäfte, bey einer Sache Schwierigkeiten finden. Eine Schwierigkeit haben. Einem viele Schwierigkeiten machen. Anm. Im Nieders. Swaarheit, Swerheide, Schwarigheit. Es ist von schwer gebildet, und wird daher von einigen irrig schwürig geschrieben und gesprochen, als welches von schwären, geschworen, abstammet, und eine ganz verschiedene Bedeutung hat.


Schwimmblase (W3) [Adelung]


Die Schwimmblase, plur. die -n, eine Luftblase in dem Bauche der Fische, welche mit dem Magen verbunden ist, um sich dadurch im Schwimmen eine verschiedene Schwere zu gehen; die Fischblase.


Schwimmbruch (W3) [Adelung]


Der Schwimmbruch, des -es, plur. die -brüche, in Niederdeutschland, eine auf dem Wasser schwimmende sumpfige Insel, ein auf dem Wasser schwimmender Bruch.


Schwimmen (W3) [Adelung]


Schwimmen, verb. reg. neutr. Imperf. ich schwamm; Mittelw. geschwommen; Imperat. schwimm oder schwimme. Es erfordert die Hülfswörter haben und seyn, und ahmet, 1. die wellenförmige Bewegung eines flüssigen Körpers durch seinen Laut nach; in welchem Verstande es noch zuweilen im gemeinen Leben vorkommt, und das Hülfswort haben erfordert. Der Wein schwimmt auf dem Boden, oder nach einer nicht seltenen Figur, der Boden schwimmt von Wein. Ingleichen in der höhern Schreibart: Die Thräne, die im Auge schwimmt. Aber, wie man wohl bey einigen findet, das Auge, das in Thränen schwimmt, ein schwimmendes Auge, ist eine zu harte und zu sehr übertriebene Figur. Ein schwimmendes Gebirge, im Bergbaue, ein morastiges, sumpfiges. 2. Von einem flüssigen Körper (die Luft ausgenommen) getragen werden, und sich auf solche Art auf und in demselben bewegen, im Gegensatze des Untersinkens, mit dem Hülfsworte haben. Eisen schwimmt nicht. Holz schwimmt auf dem Wasser. Die Fische schwimmen im Meere. Schwimmen können. Schwimmen lernen. Sich mit schwimmen retten. Wir haben den ganzen Tag geschwommen Geschwommen kommen, wie man sagt, gegangen, gelaufen, gefahren, geritten kommen. Und kommt es an den Strand geschwommen, Gell. Wenn das Ziel der im Schwimmen gemachten Bewegung oder ihre Richtung ausgedruckt wird, so erfordert es das Hülfswort seyn: Er ist über den Fluß geschwommen. Ich bin an das Land geschwommen. Wir sind zurück geschwommen. Figürlich. 1) Nach einer gewöhnlichen Vergrößerung sagt man, in seinem Blute schwimmen; die Speise schwimmt in Butter. Nach einer noch weitern Figur schwimmt man in Fremden, wenn man einen sehr hohen Grad derselben in reichem Maße genießt. Mein Herz schwimmt tief in Leid, Weiße. 2) Sich sanft und wellenförmig bewegen, in der höhern Schreibart. Und Zephyr schwimmt auf Saaten als auf Wellen, Kleist. So auch das Schwimmen.

Anm. Bey dem Ottfried suimman, im Engl. to swim, im Schwed. ohne Blaselaut simma, im Isländ. sinna, swimma. Es ist das Neutrum von dem Activo schwemmen und das Intensivum von schweimen, und ahmet die Bewegung, welches es ausdruckt, nach. Im Isländ. ist sweima, noch für schwimmen üblich. Ehedem gebrauchte man schweimen auch von der sanften schwebenden Bewegung der Vögel in der Luft. Ze froeiden swinget sich min muct Als der Falke in fluge tuot, Vnd der Are in sweime, Reinmar der Alte.


Schwimmer (W3) [Adelung]


Der Schwimmer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Unmittelbar von dem vorigen Zeitworte, derjenige, welcher schwimmet. Fämin. die Schwimmerinn. Ein Schwimmer breitet seine Hände aus zu schwimmen, Es. 25, 11. Ingleichen, eine Person, welche die Kunst zu schwimmen verstehet. Ein guter Schwimmer seyn. 2) Der Lerchenfalk, Falco varius, pictus, Alaudarum Klein. wird in manchen Gegenden so wohl der Schwimmer, als auch der Schwemmer und Schweimer genannt, weil er in der Luft gleichsam unbeweglich schweimet oder schwebet, daher er bey einigen auch Schweberle heißt. ( S. Schweben und Schweimen.) 3) Ein in Riemen hinten überhangender bedeckter Wagen heißt, besonders im Oberdeutschen, ein Schwemmer oder Schwimmer, gleichfalls wegen der sanften, gleichsam schweimenden oder schwimmenden Bewegung, welche derjenige erfähret, der darin sitzet.


Schwimmfuß (W3) [Adelung]


Der Schwimmfuß, des -es, plur. die -füße, eine Art Füße mancher Thiere, wo die Zehen durch eine Haut unter einander verbunden sind, weil solche Füße zum Schwimmen geschickt sind; zum Unterschiede von den gespaltenen Füßen.


Schwimmschnecke (W3) [Adelung]


Die Schwimmschnecke, plur. die -n, eine Art gewundener einfächeriger Schnecken mit wenig Gewinden, einer halb runden Öffnung und einer gebogenen Spitze, welche wider die Gewohnheit der Schnecken im Meere schwimmet, das Fischmaul, wegen einiger Ähnlichkeit.


Schwimmvogel (W3) [Adelung]


Der Schwimmvogel, des -s, plur. die -vögel, in der Naturgeschichte, eine allgemeine Benennung der mit Schwimmfüßen versehenen Vögel; zum Unterschiede von den Sumpfvögeln, Raubvögeln u. s. f.


Schwind (W3) [Adelung]


* Schwind, Schwinde, ein im Hochdeutschen veraltetes Bey- und Nebenwort, wofür geschwinde üblich ist, ( S. dasselbe,) ingleichen die

Anm. zu schwinden.


Schwinde (W3) [Adelung]


Die Schwinde, plur. die -n, ein mit Entzündung verbundenes Geschwür auf der Haut, welches sich sehr geschwinde ausbreitet; und auch die Schwindflechte, ingleichen die Flechte genannt wird, ( S. das letztere.) Ingleichen eine Art Milben, welche so wohl diese Flechte als die Krätze verursachen sollen, Siro scabiei L. Siehe Flechte.


Schwindel (W3) [Adelung]


Der Schwindel, des -, plur. inus. in einigen Gegenden für Schwingel, S. dasselbe.


Schwindel (W3) [Adelung]


1. Der Schwindel, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder Anfällen, ut nom. sing. diejenige Schwachheit des Hauptes, da sich alles mit uns umzudrehen scheint. Den Schwindel haben, bekommen. Mit häufigen Schwindeln geplagt seyn. Wie im Schwindel herum taumeln. Besonders so fern mit dieser Empfindung eine befuge und plötzliche Furcht zu nützen verbunden ist, dergleichen sich bey manchen Personen äußert, wenn sie in eine Tiefe sehen. Nicht ohne Schwindel hinab sehen können. Oft ist der Schwindel auch nur diejenige vorüber gehende Schwachheit, da das Bewußtseyn auf kurze Zeit verschwindet, oder da alle Dinge vor uns zu schwinden scheinen, da er denn ein Vorbothe der Ohnmacht oder des Schlagflusses ist. Figürlich gebraucht man das Wort Schwindel zuweilen von einer unbesonnenen Art zu han- deln, da man sich ohne vernünftige Gründe in seinen Handlungen bestimmt, besonders, da man unwahrscheinlichen Projecten nachhängt. Den Schwindel haben. Der Schwindel in der Handlung, welcher den Marchand Avanturier ausmacht. S. die folgenden Zusammensetzungen.

Anm. Im Schwed. Svindel, im Isländ. Es ist von schwinden oder wenden, winden, so fern solches ehedem sich im Kreise bewegen bedeutete, wie Vertigo von vertere; in der letzten Bedeutung des Verlustes des Bewußtseyns aber auch von schwinden in seinem heutigen Verstande. Im Niederdeutschen heißt der Schwindel Swimel, Swimelkeit, Swimnisse, von schweimen, Engl. Swimming. Übrigens wird diese Schwachheit im Nieders. auch der Drüsel, Trisel, Daß, (Engl. Doze, Disard,) in Schwaben der Tobel u. s. f. genannt. Die Endsylbe -el ist die Ableitungssylbe, welche ein Subject, ein Ding bezeichnet.


Schwindeler,Schwindler (W3) [Adelung]


Der Schwindeler, oder Schwindler, des -s, plur. ut nom. sing. der den Schwindel hat, doch nur im figürlichen Verstande, der unbesonnen handelt, ohne Vernunft wagt.


Schwindeley (W3) [Adelung]


Die Schwindeley, plur. die -en, S. Schwindeln 2.


Schwindelgeist (W3) [Adelung]


Der Schwindelgeist, des -es, plur. die -er, im figürlichen Verstande des Wortes Schwindel. 1) Die Fertigkeit, unbesonnen und ohne vernünftige Gründe zu handeln; ohne Plural. Der Herr hat einen Schwindelgeist unter sie ausgegossen, Es. 19, 14. In der Monseeischen Glosse Swintelot. 2) Ein mit dieser Fertigkeit begabter, ein schwindelnder Mensch; ein Schwindeler.


Schwindelhafer (W3) [Adelung]


Der Schwindelhafer, des -s, plur. inus. S. Schwingel.


Schwindelig (W3) [Adelung]


Schwindelig, Schwindlig, -er, -ste, adj. et adv. den Schwindel habend, mit dem Schwindel behaftet. 1) Eigentlich. Schwindelig seyn, auch, dem Schwindel ausgesetzt seyn. Ich werde schwindelig, oder mir wird schwindelig. Wer heißt oft groß? der schnell nach Ehren klettert, Den Kühnheit hebt, die Höhe schwindlig macht, Haged. 2) Figürlich, mit dem moralischen Schwindel behaftet. Ein schwindeliger Mensch, welcher unbesonnen handelt, besonders wenn er unbesonnen, abenteuerlichen Projecten nachhänget. Ingleichen darin gegründet. Ein schwindeliges Project. Anm. Im Niederd. sweimelig, swimelig, bedwelmt, dwilsk, däsig, dussen, bedussen u. s. f. im Oberd. wirbelig, (Baier. würfflich,) in Schwaben tobelig.


Schwindelkörner (W3) [Adelung]


Die Schwindelkörner, sing. inus. bey einigen, ein Nahme des Corianders, weil er gut wider den Schwindel ist.


Schwindelkraut (W3) [Adelung]


Das Schwindelkraut, des -es, plur. inus. S. Gemsenwurz.


Schwindeln (W3) [Adelung]


Schwindeln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und auf doppelte Art gebraucht wird. 1) Als ein unpersönliches Zeitwort mit der dritten Endung der Person, den Schwindel bekommen, wo es doch nur in engerer Bedeutung von demjenigen Schwindel gebraucht wird, welcher die heftige Furcht zu stürzen begleitet. Mir schwindelt, ich werde schwindelig, bekomme den Schwindel. Der Ziege schwindelte vor der zu steilen Höhe. Diese Höhe, von welcher ich mit Schwindeln hinab blicke, Sonnenf. Aber schwindelnde Pfade, schwindelnde Höhen, auf welchen man leicht den Schwindel bekommt, sind selbst in der Poesie eine zu harte Figur. 2) Als ein persönliches Zeitwort, im figürlichen Verstande des Wortes Schwindel, unbesonnen handeln, besonders unwahrscheinliche Entwürfe machen. Er schwindelt. Dergleichen unwahrscheinliche, abenteuerliche Entwürfe man auch wohl Schwindeleyen zu nennen pflegt. So auch das Schwindeln.

Anm. Nieders. swimeln, sweimeln. S. Schwindel.


Schwindelwurz (W3) [Adelung]


Die Schwindelwurz, plur. car. ein Nahme der Gemsenwurz, S. dieses Wort.


Schwinden (W3) [Adelung]


Schwinden, verb. irreg. Imperf. ich schwand; Mittelw. geschwunden; Imperat. schwinde. Es erfordert das Hülfswort seyn, und bedeutet, 1. * schnell im Kreise beweget werden; eine jetzt veraltete Bedeutung, von welcher indessen noch unser Schwindel abstammet. 2. Sich schnell vorüber bewegen. 1) * Eigentlich; eine in Hochdeutschen gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher man noch im Niedersächsischen sagt, alles schweinen oder schwinden lassen, alles gehen lassen, zu allem durch die Finger sehen. (Siehe Geschwinde, welches von dieser Bedeutung abstammet.) 2) Figürlich. (a) Vergehen, schnell aufhören zu seyn, oder doch empfunden zu werden; in welcher Bedeutung jetzt verschwinden üblicher ist. Ehedem sagte man dafür nur schwinden. Wenn der Priester stehet, daß das Eiterweiß schwindet, 3 Mos. 13, 39. Und die höhere Schreibart ziehet dieses einfache Zeitwort noch zuweilen den zusammen gesetzten vor. Das Auge der Welt neigt sich und geht unter, Farben ermatten und schwinden, Herd. Nun schwindet des Winters Gestalt, Haged. (b) Schwinden lassen, fahren lassen, besonders im Oberdeutschen und der gemeinen Sprechart der Hochdeutschen. Einen Verdacht schwinden lassen. Ich will Zehen Thaler schwinden lassen, fallen lassen. (c) Unvermerkt an körperlichem Umfange abnehmen. Das Holz schwindet, wenn es trocken wird. Das Eisen setzt sich nach dem Gusse und schwindet. So bald die Sonne die Fettigkeit aus dem Kütte gezogen, schwindet er und springt ab. Ein Glied schwindet, wenn es an körperlichem Umfang und Kräften abnimmt, gleichsam abstirbt, welchen Zufall man auch wohl den Schwind zu nennen pflegt. Figürlich auch wohl für abnehmen, vermindert werden überhaupt. Indessen fühl' ich wohl, daß meine Kräfte schwinden, Canitz. Die guten Künste schwinden Und nehmen täglich ab, Opitz. So auch das Schwinden.

Anm. Bey dem Ottfried ohne d, dem oft ungebethenen Begleiter des Nasenlautes, suinen, im Niedersächs. swinen, sweinen, im Angelsächs. aswinan, im Schwed. svinna, im Isländ. swina, mit einem andern Vorlaute im Niedersächs. dwinen, im Isländ. dwina, im Schwed. tvina, im Engl. to dwine, to dwindle. Schwind und schwinden sind natürliche Ausdrücke einer schnellen, leichten Bewegung, zu deren Geschlechte auch Wind, wenden u. s. f. und mit andern Endlauten auch schwingen, Schwanz u. s. f. gehören. In Baiern ist Schwinderling eine Maulschelle, gleichfalls eine Onomatopöie der schnellen heftigen Bewegung.


Schwindflechte (W3) [Adelung]


Die Schwindflechte, plur. die -n, S. Schwinde.


Schwindgrube (W3) [Adelung]


Die Schwindgrube, plur. die -n, eine verdeckte Grube, in welcher sich die Unreinigkeiten aus einem Haufe sammeln; in der niedrigen Sprechart die Schundgrube. Vielleicht ist es von diesem nur in der Aussprache verschieden; vielleicht auch von schwinden, weil die Unreinigkeiten dadurch dem Gesichte entzogen werden.


Schwindler (W3) [Adelung]


Der Schwindler, S. Schwindeler.


Schwindlig (W3) [Adelung]


Schwindlig, S. Schwindelig.


Schwindsüchtig (W3) [Adelung]


Schwindsüchtig, adj. et adv. mit der Schwindsucht behaftet, in derselben gegründet. Schwindsüchtig seyn. Ein schwindsüchtiger Husten.


Schwinge (W3) [Adelung]


Die Schwinge, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte schwingen, ein Werkzeug zum Schwingen, in welchem Verstande es besonders in vielen einzelnen Fällen als ein Kunstwort üblich ist. In der Landwirthschaft ist die Schwinge ein dünnes breites und ebenes Bret an einem Stiele, den gebrachten Hauf und Flachs damit zu schwingen, d. i. die Strohhülsen davon abzuschlagen, da denn das Gestell, auf und vor welchem solches geschiehet, der Schwingeblock heißt. Ein ähnliches aber eisernes Werkzeug haben die Seiler, den Hanf damit auszuschwingen, welches auch die Schwinge, und wenn es ein hölzerner Stock ist, der Schwingestock heißt. In der Lausitz hat man bey dem Flachsbaue noch eine andere Art Schwingen, welche daselbst auch der Hilkner heißt, und unten und oben eine Schneide hat, den Flachs vor dem Brachen oder Brechen damit vorzubereiten. In den Papiermühlen verstehet man unter den Schwingen die Stiele an den Stampfen, weil sie dieses mit einem Schwunge heben. In dem Bergbaue sind die Schwingen ausgebreitete Hölzer an den Wasserkünsten und Feldgestängen mit einem eisernen Zapfen in der Mitte, sich darauf hin und wieder zu schwingen oder zu bewegen, und zugleich das Feldgestänge hin und her zu schwingen. In der Landwirthschaft ist die Schwinge oder Futterschwinge eine ovale gemeiniglich geflochtene Wanne, das Getreide und Futter darin zu schwingen und dadurch von dem Staube und anderm Unrathe zu reinigen. Es ist die Schwinge hier, durch die das Korn bleibt liegen, Das gut und sauber ist, die Spreu und Staub verfliegen, Opitz. Auch eine Schaukel führet zuweilen den Nahmen der Schwinge. Sich auf einer sanften Schwinge von Träumen wiegen, Herd. Die starken Schwungfedern der Vögel, besonders der Falken, werden häufig Schwingen genannt, welchen Nahmen in der dichterischen Schreibart auch die Flügel selbst bekommen, welche ohne Zischlaut auch im Engl. Wings und im Schwed. Vinge heißen. Eben hatte der weichende Winter von stürmischen Schwingen Seine letzten Schauer von rieselndem Hagel geschüttelt, Zachar. Es hüpfen die Sänger des Waldes Fröhlich empor und putzen die Schwingen, eben ders. Figürlich werden in der Landwirthschaft die breiten Sprossen in den Wagenleitern Schwingen genannt; eine vermuthlich von den Flachsschwingen, oder einem ähnlichen Werkzeuge entlehnte Figur.


Schwingel (W3) [Adelung]


Der Schwingel, des -s, plur. inus. eine Grasart, welche eine längliche runde Ähre hat, und deren Kelch aus zwey scharf zugespitzten Bälglein bestehet; Festuca L. wohin der Schafschwingel, Mannaschwingel oder Schwaden, u. a. m. gehören. In einigen Gegenden wird dieses Gras kleines Riethgras, und in andern Schwindel genannt. Der Nahme bezeichnet ohne Zweifel die schwingende Bewegung, worin dieses Gras bey seiner langen schlanken Halmen durch die geringste Bewegung der Luft gesetzt wird. Wenn aber der Lolch, besonders die eine Art desselben, Lolium temulentum L. welche dem Biere und Brote eine berauschende, dumm machende Kraft mittheilet, in manchen Gegenden Schwingel, (Dän. Svingel, Schwed. Svindel,) Schwindelhafer, genannt wird, so zielet dieser Nahme auf die den Schwindel verursachende Kraft, daher er auch im Holländ. Droncaerd, im Franz. Ivroye, und im Ital. Capogirlo, genannt wird.


Schwingen (W3) [Adelung]


Schwingen, verb. irreg. Imperf. ich schwang, (im gemeinen Leben ich schwung;) Mittelw. geschwungen; Imper. schwinge. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit haben, wo es doch nur in reciproker Gestalt gebraucht wird; sich schwingen, sich an einer beweglichen Linie um einen Punct, folglich in einem Bogen, bewegen. So schwingt sich der Pendul einer Uhr von einer Seite zur andern. Wo man auch wohl, obgleich seltener, absolute das wahre Neutrum gebraucht; das Pendul schwingt in einer Minute sechzig Mahl, wofür man doch lieber sagt, es macht so viele Schwingungen. Sich an einem Seile schwingen, welches man auch schaukeln nennet. In weiterer Bedeutung wird es von verschiedenen Bewegungen gebraucht, welche mit einem Schwingen, d. i. mit einer bogenförmigen Bewegung an einer beweglichen Linie um einen Punct verbunden sind. Sich auf das Pferd, sich in den Sattel schwingen. Besonders sich vermittelst der Flügel schnell fortbewegen, wobey allerdings eine schwingende Bewegung Statt findet. Der Adler schwingt sich in die Luft. Figürlich, sich auf den Thron, sich zu Ehren schwingen. Aber von einer jeden schnellen Veränderung des Ortes wird es wenig mehr gebraucht. Der Leviathan schwingt sich dahin, Hiob 40, 28. II. Als ein Activum. 1) Schwingend, mit einem Schwunge bewegen. Die Flügel schwingen, Ezech. 10, 16. Die Fahne, die Lanze schwingen; intensive schwenken. Wie lange schwingt die rasende Megäre Die Fackel? Raml. Zum Pindus schwang mich oft ein früh versuchter Flug, Giseke. 2) Mit einer schwingenden Bewegung bearbeiten, behandeln; als ein Kunstwort, nur in einigen Fällen. Bey dem Ulphilas ist swingan schlagen, peitschen. In diesem Verstande ist es veraltet, außer daß in dem Flachsbaue noch der Flachs geschwungen wird, wenn er nach dem Brachen mit der Schärfe eines Bretes geschlagen wird, um die Hülfen davon abzusondern. ( S. Schwinge.) Man schwinget das Getreide, den Samen u. s. f. wenn man es in einem Behältnisse mit einer schwingenden Bewegung in die Höhe wirft, um es dadurch von dem Staube zu reinigen. Bey den Glasern heißt schwingen, die aufgeschlitzten Ecken des Fensterbleyes mit Zinn zu gießen, weil der Kolben dabey mit einem Schwunge herum gedrehet wird. So auch das Schwingen, die Handlung des Schwingens, und die Schwingung, von dem Neutro, die Bewegung an einer beweglichen Linie um einen Punct; die Schwingung eines Penduls. S. auch Schwung.

Anm. Im Nieders. swingen, im Schwed. svinga, im Angels. swyngan, im Engl. to swing, to sway, und ohne Zischlaut to wing. Es ist mit schwinden, schwanken u. a. m. genau verwandt und druckt die schnelle und doch gewisse Maßen sanfte schwingende Bewegung genau aus. Schwenken ist ein Intensivum davon.


Schwingenapf (W3) [Adelung]


Der Schwingenapf, des -es, plur. die -näpfe, bey den Nadlern, eine Wanne, die verzinnten und getrockneten Nadeln darin durch Schwingen von der Kleye oder den Sägespänen zu reinigen.


Schwingestock (W3) [Adelung]


Der Schwingestock, S. Schwinge.


Schwingfeder (W3) [Adelung]


Die Schwingfeder, S. Schwungfeder.


Schwippe (W3) [Adelung]


Die Schwippe, plur. die -n, nur in den gemeinen Sprecharten, ein Intensivum von dem Nieders. Schwepe, Hochdeutsch Schwefze, Schweif. An den Angelruthen wird die oberste biegsame Ruthe, woran sich die Angelschnur befindet, die Schwipp genannt. An den Peitschen ist es der angedrehte dünne äußerste Theil; die Schmicke, Schwicke.


Schwirren (W3) [Adelung]


Schwirren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und den hellen, zitternden, oft verworrenen und betäubenden Laut nachahmet, welchen es bezeichnet, diesen Laut von sich geben und hervor bringen. Ein Rebhuhnflug schoß schwirrend auf, Michälis. Laßt den Wechsler sich erfreun, Wenn das Geld im Sacke schwirrt, Bernh. Unruh, Getümmel und Lärm schwirrt durch bevölkerte Straßen, Zach. So auch von der ähnlichen Stimme mancher Thiere. Hagedorn sagt zu einem Anakreontischen Dichter: Sey nicht der Grille gleich, die bis zum Tode schwirrt. Und von der Lerche: Die Lerche steigt und schwirrt von Lust erregt, Die Taube lacht und girrt, die Wachtel schlägt. Der Nacht getreuer Vogel schwirrt, Uz, d. i. die Eule. So auch das Schwirren. Anm. Im Ital. sguirrare, Schwed. svirra, surra, hurra, im Pohlnisch. swiercze, wo daher Swiercz auch eine Grille ist. Verwandt ist damit, doch ohne Zischlaut, unser Wirbel, verwirren und so ferner.


Schwitzbad (W3) [Adelung]


Das Schwitzbad, des -es, plur. die -bäder, ein Bad, da man die Säfte des Leibes durch Schwitzen reiniget, und der Ort, der dazu bequem eingerichtet ist; das Schweißbad.


Schwitzbank (W3) [Adelung]


Die Schwitzbank, plur. die -bänke, eigentlich, die Bank in einem Schwitzbade, auf welcher man den Schweiß abwartet. Figürlich auch wohl das Schwitzbad selbst. Nach einer noch weitern Figur sagt man, auf der Schwitzbank sitzen, sich es bey einer Sache blutsauer werden lassen.


Schwitze (W3) [Adelung]


Die Schwitze, plur. car. der Zustand, da ein Ding schwitzet; in welchem Verstande es nur in einigen Fällen üblich ist. Die Gärber legen das Pfundleder in die Schwitze, wenn sie es mit Salz einbeitzen, damit es feucht werde, und Haare fahren lasse.


Schwitzen (W3) [Adelung]


Schwitzen, verb. reg. welches in dreyfacher Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, Schweiß von sich geben, d. i. Feuchtigkeit in Gestalt kleiner Tropfen unmerklich von sich geben. Die Steine schwitzen, die Fenster schwitzen, wenn sich die warmen Dünste von außen an die kalten Steine oder Fenster anhängen, wo der Ausdruck freylich nur nach der rohen Empfindung durch das Gesicht gewählet ist. Das Getreide schwitzt in der Scheuer. Das Leder schwitzet, wenn es sehr feucht wird. Besonders von dem Schweiße der thierischen Körper. Man schwitzet, wenn der Schweiß ausbricht. Figürlich ist schwitzen einen hohen Grad der Mühe, der Arbeit, der unangenehmen Empfindung haben. Den ganzen Tag bey den Büchern schwitzen. 2) Als ein Activum, im Schwitzen, oder in Gestalt des Schweißes von sich geben. Blut schwitzen. 3) Als ein Factitivum, schwitzen machen; in welchem Verstande nur die Gärber das Leder schwitzen, wenn sie es durch Salz zum Schwitzen bringen. So auch das Schwitzen.

Anm. Bey dem Ottfried suizzan, im Nieders. sweten, im Engl. to sweat. Es ist ein Intensivum von dem Neutro schweißen, welches seit dessen Einführung sehr ungangbar geworden ist. Es scheinet vermittelst der Endung -zen, zunächst von dem Niederdeutschen schweten gebildet zu seyn. Siehe Schweiß und Schweißen.


Schwitzig (W3) [Adelung]


Schwitzig, -er, -ste, adj. et adv. mit Schweiße befeuchtet; ein für schweißig nur im gemeinen Leben übliches Wort, von dem in einigen niedrigen Sprecharten noch gangbar Schwitz für Schweiß.


Schwitzkasten (W3) [Adelung]


Der Schwitzkasten, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Ärzten und Wundärzten, ein enges Behältniß, gewisse Kranke darin durch Schwitzen von ihren verdorbenen Säften zu befreyen. Ingleichen figürlich, wie Schwitzbank, ein Ort wo, und eine Sache, bey welcher man einen sehr hohen Grade der Mühe und Angst empfindet.


Schwitz-Pulver (W3) [Adelung]


Das Schwitz-Pulver, des -s, plur. ut nom. sing. ein Pulver, welches den Schweiß befördert; ein Schweiß treibendes Pulver.


Schwören (W3) [Adelung]


Schwören, verb. irreg. ich schwöre, du schwörst ec. Imperf. ich schwor, (im gemeinen Leben schwur;) Mittelw. geschworen; Imperat. schwöre. Es wird so wohl absolute und als ein Neutrum gebraucht, da es denn das Hülfswort haben erfordert, als auch als ein Activum. Es bedeutet, 1) betheuern überhaupt, besonders diejenige Art des Betheuerns, da man eine andere Person oder Sache zum Zeugen der Wahrheit und Rächer des Betruges anrufet, in welcher Bedeutung es noch im gemeinen Leben häufig gebraucht wird. Die Person oder Sache, welche man auf diese Art anrufet, bekommt gemeiniglich das Vorwort bey. Fluchen und schwören. Bey etwas schwören. Bey Baal schwören, Jer. 12, 16. Bey dem Himmel, bey dem Tempel, und dem Golde am Tempel, bey dem Altare u. s. f. Matth. 23. Bey Gott, bey allem, was heilig ist, schwören. Hoch und theuer schwören. Stein und Bein schwören, in eben diesem Verstande, im gemeinen Leben. Auf ähnliche Art sagten schon die Griechen und Römer Jovem lapidem jurare, welche R. A. sich im Polybius, Cicero, Gellius, Apulejus und andern befindet, und aus dem Gebrauche erkläret wird, da man ehedem bey einem feyerlichen Schwure einen Stein in der Hand hielt, und damit das daneben stehende Opfervieh todt warf. Bein beziehet sich vielleicht auf die Gebeine der Heiligen, bey welchen man in der Römischen Kirche zu schwören pflegt. Ich wollte nicht darauf schwören, d. i. ich wollte nicht schwören, daß es wahr ist; welche Wortfügung mit dem Vorworte auf sonst ungewöhnlich ist. Jemanden den Tod schwören. Er ist mein geschworner Feind, d. i. der mir gleichsam ewige Feindschaft geschworen hat. 2) In engerer Bedeutung ist schwören, Gott feyerlich zum Zeugen der Wahrheit und Rächer des Betruges anrufen. Einen Zeugen schwören lassen. Auf das Evangelium schwören, die Finger im Schwören auf das Evangelium legen. Einen leiblichen Eid schwören. Den Eid der Treue schwören. In eines andern Seele schwören, in seinen Nahmen. Die Soldaten schwören lassen, sie den Eid der Treue ablegen lassen. Ein Geschworner, Nieders. Swaren, in vielen Fällen, jemand, welcher geschworen hat, doch nur in engerer Bedeutung, ein beeidigter Aufseher, Richter u. s. f. denn beeidigten Bürger, Soldaten u. s. f. heißen so nicht. Es gehöret hier zu den vielen Ausnahmen von der Regel, wo die passiven Mittelwörter eine thätige Bedeutung haben, und umgekehrt. So auch das Schwören. S. auch Schwur.

Anm. Schon bey dem Ulphilas swaran, bey dem Kero suevran, bey dem Ottfried und im Tatian sueran, im Niedersächs. swören, im Angels. swerian, im Engl. to swear, im Schwed. svärja, im Isländ. sveria. Junius und Wachter leiten es von dem alten Gothischen sveran, ehren, Frisch von jurare, indem auch die Franzosen aus Juramentum ihr Serment gemacht, andere von dem Latein. severare in adseverare, noch andere von schwer, und wiederum andere von wahr her. Die letzte Ableitung würde die wahrscheinlichste seyn, wenn es nicht erweislicher wäre, daß schwören in seiner heutigen Bedeutung von einem alten Zeitworte abstammet, welches stark, laut reden überhaupt bedeutet hat, und als eine unmittelbare Onomatopöie dieses laut Redens zu dem Geschlechte der Wörter schwirren, susurrare, und Schwarm gehöret, welche Ableitung schon Twaithes in seinen Zusätzen zu dem Junius; und nach ihm Ihre eingesehen hat. Ohne das intensive sch war ehedem waren, wara, reden, wovon noch unser Wort, und vermuthlich auch wahr, bewähren und Gewähr abstammen. Von dieser allgemeinen Bedeutung des Redens und stark Redens wurde schwören und das gelindere wären von verschiedenen Arten der Rede gebraucht welche bey der alten Einfalt der Sitten mit einer Heftigkeit und Lebhaftigkeit des Tones verbunden waren. Z. B. 1) für antworten. Im Schwedischen ist daher svara noch jetzt antworten, Angels. andswaran, und ohne Zischlaut andwaran, Engl. to answer. Noch im Willeram kommt waran für antworten vor. (Siehe antworten und Wort.) 2) In engerer Bedeutung, sich vor Gericht verantworten; Schwed. svara, wo daher auch Svarande der Beklagte ist, im Deutschen ehedem der Antworter. 3) Heftig bitten, in welchem wir noch beschwören gebrauchen. 4) Versichern, bestätigen, fest setzen: eine sehr alte Bedeutung, in welcher suuiron schon in den Baierischen Gesetzen vorkommt. Das Lat. severare ist damit verwandt. 5) Versprechen, geloben; eine noch in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Bedeutung, wo eine hingeschworne Braut eine verlobte Braut ist, ohne daß eben ein Eid dabey Statt fände. 6) Betheuern, in den noch gangbaren Bedeutungen. Wenn dieß voraus gesetzt wird, so ist das zusammen gesetzte Eidschwur kein Pleonasmus, indem Schwur hier in einer seiner allgemeinern Bedeutungen stehet, eine eidliche Versicherung, eidliche Angelobung, eidliche Antworten u. s. f. zu bezeichnen. Was sie Rechtschreibung betrifft, so ist die Schreibart mit einem e freylich die älteste und allgemeineste, und viele Mundarten sprechen ausdrücklich schweren. Indessen sticht doch im Hochdeutschen das ö merklich vor, und gehet im Imperfect und Mittelwort sogar in ein a und in schwur in ein u über, welcher Übergang, der bey dem e nicht so gewöhnlich ist, diese Aussprache und Schreibart bestätiget, für welche der Unterschied von schwären und schweren allein kein hinlänglicher Grund seyn würde.


Schwörhaus (W3) [Adelung]


Das Schwörhaus, des -es, plur. die -häuser, in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. zu Ulm, vermuthlich ein Nahme des Rathhauses; ohne Zweifel auch von der allgemeinern Bedeutung des Zeitwortes schwören, so daß es ein mit Rathhaus, dem Niederdeutschen Sprachhaus, dem mittlern Latein. Parliamentum, u. s. f. gleichbedeutendes Wort ist.


Schwörherr (W3) [Adelung]


Der Schwörherr, des -en, plur. die -en; in den adeligen Stiftern, diejenigen Herren, welche die auf zunehmende Person aufschwören, d. i. ihre Ahnen beschwören.


Schwörtag (W3) [Adelung]


Der Schwörtag, des -es, plur. die -e, der Tag, da von mehrern ein feyerlicher Eid abgeleget wird. Im Oberdeutschen führet diesen Nahmen der Huldigungstag.


Schwude (W3) [Adelung]


Schwude, ein Befehlswort der Fuhrleute für ihre Pferde, wenn sie sich linker Hand wenden sollen, wofür in andern Gegenden wist, ho, har üblich sind. ( S. Hott.) Schon im Wallisisch, ist chwith link. Matthesius hat davon das Zeitwort schwoden, schwuden, sich im Zichen linker Hand wenden.


Schwül (W3) [Adelung]


Schwül, -er, -ste, adj. et adv. ängstlich warm, bänglich oder abmattend warm, wie es im Sommer von einem Gewitter bey sehr stiller Luft zu seyn pflegt; ein nur von der Luft und Witterung übliches Wort. Es ist heute sehr schwül. Ein schwüler Tag. Schwüles Wetter. Schwüle Luft. Einst reiste Meister Fuchs zu einem seiner Schwäger Im schwülen Sommer über Feld, Haged.

Anm. In den gemeinen Sprecharten schwul, schwülig, im Österreichischen schwellig, im Nieders. swool, swolig, im Engl. sweltry und sultry, im Angels. swilic, im Holländ. zwoel und zoel. Es gehöret zu schwelen, ohne Flamme brennen, und druckt eine von seiner Bewegung der Luft bekleidete stille und daher ängstliche und abmattende Wärme aus. In Meißen ist dafür auch dobrig, und im Nieders. baddig üblich. Im Schwedischen hingegen bedeutet sval kühl.


Schwüle (W3) [Adelung]


1. Die Schwüle, plur. car. der schwüle Zustand der Luft.


Schwüle (W3) [Adelung]


2. Die Schwüle, S. Schwiele.


Schwulst (W3) [Adelung]


Der und die Schwulst, im ersten Falle im Genitiv des -es, plur. inus. von dem Zeitworte schwellen. 1. Eigentlich, im weiblichen Geschlechte die Schwulst, wo es so wohl den Zustand bezeichnet, da der Leib oder ein Theil desselben schwillet, d. i. auf eine widernatürliche Art aufgetrieben wird, als auch die geschwollene Stelle. Ich will euch heimsuchen mit Schrecken, Schwulst, und Fieber, 3 Mos. 26, 16; 5 Mos. 28, 12. Er bekam Schwulst in seinen Beinen, Gell. 2. Figürlich. 1) Eine Art des Stolzes, da man sich in einem hohen Grade mehrerer Vorzüge, mit Worten und Geberden rühmet, als man wirklich besitzet; in welchem Verstande doch das Beywort schwülstig üblicher ist. 2) Ein Fehler der Schreibart, da die Worte in einem hohen Grade mehr sagen als der Gedanke, oder mehr als der Sache angemessen ist. Die Franzosen nennen diesen Fehler Phoebus, vielleicht von dem Mißbrauche der Dichter, auch die mittelmäßigsten Dinge mit der Sonne zu vergleichen; die Engländer Bombast. In beyden figürlichen Bedeutungen wird es nur allein im männlichen Geschlechte gebraucht.

Anm. Im Niedersächsischen auch nur ohne Zischlaut Wulst, ( S. dieses Wort,) im Schwed. Svulnad, im Isländ. Sullur, im Angels. Svil und Gesvil; ale von schwellen, S. dasselbe, ingleichen Geschwulst.


Schwülstig (W3) [Adelung]


Schwülstig, -er, -ste, adj. et adv. Schwulst enthaltend, in demselben gegründet. 1) Im eigentlichen Verstande; wofür doch geschwollen üblich ist. Eine geschwollene Hand, nicht eine schwülstige. 2) Figürlich, durch Wort und Geberden weit mehr andeutend als der Sache angemessen ist. Ein schwülstiger Mensch, besonders so fern er durch Worte und Geberden eine höhere Meinung von sich verräth, als seinen Vorzügen gemäß ist. Noch häufiger von der Schreibart. Eine schwülstige Schreibart. Ein schwülstiges Gedicht.


Schwung (W3) [Adelung]


Der Schwung, des -es, plur. die Schwünge, von dem Zeitworte schwingen. 1. Eigentlich, die schnelle bogenförmige Bewegung, die Bewegung um einen Mittelpunct an einer beweglichen Linie; so wohl absolute und ohne Plural, als auch, wenn mehrere solche Bewegungen als besondere Einheiten betrachtet werden, mit dem Plural. Eine Glocke in den Schwung bringen, im Schwunge seyn, in den Schwung kommen, wofür in manchen Fällen auch Schwang üblich ist, ( S. dasselbe.) Das Pendul macht in einer Minute sechzig Schwünge oder Schwingungen. In einem Schwunge auf dem Pferde seyn. Einen Schwung nehmen, sich einen Schwung geben. 2. Figürlich. 1) Von der Seele und ihren Fähigkeiten ist der Schwung die schnelle Erhebung von einem Gegenstande zu einem entfernten, doch ohne fehlerhafte Überschreitungen der dazwischen befindlichen, in welchem Falle es ein Sprung heißt. Der Schwung der Einbildungskraft. Ein erhabener Schwung. Der Trieb zur Einsamkeit bezieht sich schon auf einen über die Alltäglichkeit hinweg strebenden Schwung der Seele, Zimmerm. 2) In weiterer Bedeutung, Thätigkeit, Wirksamkeit, besonders ein lebhafter Grad derselben. Die Vernunft bringt alle Kräfte der Seele in den Schwung. S. auch Schwang.


Schwungfeder (W3) [Adelung]


Die Schwungfeder, plur. die -n, die Federn in den Flügeln der Vögel, vermittelst welcher sie das Schwingen verrichten; die Schlagfedern, Schwingen, Schwingfedern.


Schwungrad (W3) [Adelung]


Das Schwungrad, des -es, plur. die -räder, ein an der Peripherie entweder ganz oder nur an einigen Stellen mit einem schweren Körper versehenes Rad, welches dadurch eine schwingende Bewegung erhält.


Schwungriemen (W3) [Adelung]


Der Schwungriemen, des -s, plur. ut nom. sing. an den Kutschen, Riemen, welchen den Kutschkasten mit den Bäumen verbinden, damit ersterer nicht in einen zu starken Schwung komme. Sie werden von Schwungklammern oder Schwungringen gehalten.


Schwunitz (W3) [Adelung]


Der Schwunitz, des -es, plur. die -e, ein aus dem Wendischen entlehnter Nahme des Grünfinken, wofür ohne Zischlaut auch Wohnitz üblich ist. S. Grünfink.


Schwupps (W3) [Adelung]


Schwupps, eine Interjection, eine Art des Schalles nachzuahmen. S. Schwapps.


Schwur (W3) [Adelung]


Der Schwur, des -es, plur. die Schwüre, von dem Zeitworte schwören, die heftige Betheurung mit Anrufung einer andern Person oder Sache zum Zeugen der Wahrheit oder Rächer der Unwahrheit. Etwas mit vielen Schwüren versichern. Einen heftigen Schwur tun. Es wird nur von dem im gemeinen Leben üblichen Schwören gebraucht, nicht aber von dem feyerlichen Schwören vor Gericht, von welchem Eid und Eidschwur üblich sind. Doch sagt man auch, jemanden nicht zum Schwure lassen, von einem gerichtlichen Eide. In der Deutschen Bibel wird es mehrmahls für Fluch gebraucht, weil manche Arten des leichtsinnigen Schwörens mit Flüchen verbunden sind; welche veraltete Bedeutung den ehemahligen weiten Umfang des Zeitwortes schwören bestätiget.


Schwürig (W3) [Adelung]


1. Schwürig, von schwer, S. Schwierig.


Schwürig (W3) [Adelung]


2. Schwürig, adj. et adv. von schwären, schwärend oder geschworen. Einen schwürigen Finger haben, welcher schwärt. Billig sollte es hier schwärig, oder auch schwierig lauten, von ich schwäre, du schwierst u. s. f.


Sclave (W3) [Adelung]


Der Sclave, des -n, plur. die -n, Fämin. die Sclavinn, eine Person, welcher einer andern eigenthümlich zugehöret, und derselben folglich zu allen nur möglichen physischen und moralischen Diensten verbunden ist. Jemanden zum Sclaven machen. Da die Gefangenen noch bey den meisten barbarischen Nationen als solche Sclaven angesehen werden, so bedeutet Sclave oft in engerer Bedeutung einen solchen Gefangenen. Unter den gesitteten, besonders christlichen Nationen, sind die Sclaven nicht üblich, außer in den Colonien der übrigen Welttheile, wo auch noch der für Vernunft und Christenthum so entehrende Sclavenhandel geführet wird; denn der Zustand der noch in so vielen Ländern üblichen Leibeigenen ist weit gelinder als der Sclaven, weil jene der Willkühr ihres Herren nicht so unterworfen sind als diese. Figürlich. Jemandes Sclave seyn, seiner Willkühr als ein Sclave unterworfen seyn müssen. Ein Sclave seiner Leidenschaften seyn, sich von ihnen ohne Widerstand beherrschen lassen.

Anm. Im Nieders. Engl u. s. f. ohne Gaumenlaut Slave, im Schwed. Slaf, im Franz. Esclave, im Ital. Schiavo, im Wallach. Sklabu. Es ist nunmehr wohl ausgemacht, daß diese Bedeutung von der Nation der Sclaven entlehnet worden, weil die ehemahligen Deutschen und andere benachbarte Völker die Gewohnheit hatten, die Gefangenen, welche sie im Kriege von ihnen machten, als solche eigenthümliche Knechte zu behandeln, und die Einwohner der von ihnen eroberten Gegenden zu Sclaven zu machen, woher denn auch noch die Leibeigenschaft in den ehedem von Sclaven und den mit ihnen verwandten Nationen bewohnten Provinzen herrühret. Man schrieb den Nahmen dieser Nation im Latein. ehedem am häufigsten Sclavi und im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . In den neuern Zeiten hat man angefangen, in diesem Worte, wenn es die Nation bezeichnet, den Gaumenlaut zu verbannen und Slaven zu schreiben, und behauptet, daß diese Schreibart die richtigste sey; allein R. A. Kercselich de Corbavia beweiset in seinem zu Zagrab heraus gekommenen Werke "de regnis Dalmatiae, Croatiae und so ferner" aus Urkunden, daß der eigenthümliche Nahme Sclave und nicht Slave laute, obgleich diese Russen, Dänen u. s. f. schreiben. Daß der eigenthümliche Nahme einer Nation zu einem allgemeinen Nennworte geworden, hat mehrere Beyspiele für sich. Frisch führet aus dem Thomas Magister an, daß - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bey den Griechen gleichfalls einen leibeigenen Knecht bedeutet habe, weil - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, d. i. die Karier, zuerst als Knechte verkauft worden. Übrigens wäre es der Deutschen Sprache freylich angemessener, dieses Wort, wenn es ein allgemeines Nennwort ist, Sklave zu schreiben; allein alsdann müßte man auch in Scorbut, Scorpion, Scrupel, und so vielen andern das c mit dem k vertauschen, wo doch solches so allgemein noch nicht ist, daß es zur Regel dienen könnte.


Sclaverey (W3) [Adelung]


Die Sclaverey, plur. die -en. 1) Der Zustand eines Sclaven; ohne Plural. In die Sclaverey geführet werden. Ingleichen figürlich, der Zustand, da man der Willkühr eines andern auch wider seinen Willen unterworfen ist. 2) Eine in diesem Zustande gegründete Veränderung.


Sclavisch (W3) [Adelung]


Sclavisch, adj. et adv. wie ein Sclave, einem Sclaven ähnlich, in dessen Zustande gegründet. Sclavische Arbeit verrichten. Sich sclavisch fürchten. Jemanden sclavisch nachahmen.


Scorbut (W3) [Adelung]


Der Scorbut, des -es, plur. car. aus dem mittlern lat. Scorbutus, der Scharbock, ( S. dieses Wort.) Daher scorbutisch, in dieser Krankheit gegründet, damit behaftet, derselben ähnlich.


Scordien (W3) [Adelung]


Scordien, Genit. -s, ohne Artikel, aus dem Lat. Scordium, ein Nahme des Lachenknoblauchs, S. dieses Wort.


Scorpion (W3) [Adelung]


Der Scorpion, des -es, plur. die -en, ein ungeflügeltes Insect mit acht Füßen, dessen Schwanz sich in einen krummen Stachel endiget, aus welchem er ein tödtliches Gift in die Wunde läßt; Scorpio L. Er bringt lebendige Jungen zur Welt, und ist in den wärmsten Himmelsstrichen einheimisch. Die Scorpionen sind zur Rache geschaffen, Sir. 39, 36. Schon bey dem Ottfried Scorpion. Der Nahme ist aus dem Lat. Scorpio, Scorpius, und dieß aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . In dem Thierkreise ist der Scorpion ein himmlisches Zeichen, in welches die Sonne den 21sten December tritt.


Scorpion-Fliege (W3) [Adelung]


Die Scorpion-Fliege, plur. die -n, eine Art Fliegen, oder einer Fliege ähnlicher Insecten, welche den Scorpionen ähnlich ist, indem der Schwanz des Männchens sich in zwey gezähnte Spitzen endiget, welche sich, wie eine Zange öffnen, mit denen es sich zu wehren sucht, ob sie gleich für Menschen unschädlich sind; Panorpa L.


Scorpion-Kraut (W3) [Adelung]


Das Scorpion-Kraut, des -es, plur. inus. Eine Pflanze, welche in dem mittägigen Europa einheimisch ist, und den Samen in gekrümmten haarigen und stacheligen Hülsen trägt, die den Raupen, Schnecken oder Scorpion-Schwänzen ähnlich sind, daher sie auch Raupenklee, Schneckenklee, Krebsblume, Warzenkraut genannt wird. Scorpiurus L. In einigen Gegenden wird auch das Mäuseöhrchen, Myosotis Scorpioides L. Scorpion-Kraut genannt.


Scorpion-Öhl,Scorpionen-Öhl (W3) [Adelung]


Das Scorpion-Öhl, oder Scorpionen-Öhl, des -es, plur. inus. ein Öhl, worin Scorpionen ersäufet worden, und welches den Biß der Scorpionen und anderer giftigen Thiere heilen soll.


Scorpion-Pfrieme (W3) [Adelung]


Die Scorpion-Pfrieme, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Stechginsters, dessen braungrün gestreifte Ruthen auf allen Seiten mit vielen Stacheln besetzt sind, von welchen Stacheln er auch den Nahmen hat; Ulex Europaeus L. Hecksamen.


Scorpion-Senne (W3) [Adelung]


Die Scorpion-Senne, plur. inus. eine Art Kronwicken, welche in dem südlichen Europa einheimisch ist; Colutea Emerus L.


Scorpion-Spinne (W3) [Adelung]


Die Scorpion-Spinne, plur. die -n, eine Art Spinnen mit acht Füßen, langen, scherenartigen Fühlhörnern, einem Saugestachel, und einem länglich runden Körper; Chelifer L.


Scorzonera,Scorzoner-Wurz (W3) [Adelung]


Die Scorzonera, oder Scorzoner-Wurz, plur. car. aus dem Lat. Scorzonera, eine Pflanze, deren Wurzel ein gutes Heilmittel, besonders vergifteter Wunden ist; Scorzonera L. Schlangenmord, Vipergras, weil Kraut und Wurzel den Schlangen tödlich seyn soll. Der Nahme ist aus dem Italiänischen, entweder von Scorzone, dem Nahmen einer giftigen Schlange, wider deren Biß sie vorzüglich heilsam seyn soll, oder auch von Scorzanera, wegen der schwarzen Haut der Wurzel. Die in Spanien einheimische Art derselben S. Hispanica L. wird auch Spanische Haferwurzel genannt, und in den Gärten gebauet.


Scrupel (W3) [Adelung]


Der Scrupel, des -s, plur. ut nom. sing. Aus dem Latein. Scrupulus, ein Zweifel, eine Bedenklichkeit. Einen Scrupel haben. Sich Scrupel machen. Jemanden seine Scrupel benehmen. Der Gewissens-Scrupel, der Zweifel, welchen man in die Einsicht des Gewissens setzt. Daher scrupulös, Scrupel habend, und Fertigkeit besitzend, Zweifel zu erregen, und in engerer Bedeutung, die Einsichten seines Gewissens in Zweifel zu ziehen.


Scrupel (W3) [Adelung]


Das Scrupel, des -s, plur. ut nom. sing. aus dem Latein. Scrupulum, eines der kleinern Maße, welches doch von verschiedener Bestimmung ist. Als ein Längenmaß wird der sechzigste Theil eines Grades oft ein Scrupel genannt, welcher sonst auch die Minute heißt. Eben so führen in der Astronomie die Minuten in der Eintheilung der Zeit auch den Nahmen der Scrupel. Als ein Gewicht betrachtet wird der dritte Theil eines Quentchens ein Scrupel genannt, so daß ein Scrupel 20 Gran hält, und 12 Scrupel auf ein Loth, und 288 auf ein Pfund gehen. Es wird von einigen auch hier im männlichen Geschlechte gebraucht.


Sebastian (W3) [Adelung]


Sebastian, ein männlicher Taufnahme aus dem Griech. und Latein. Sebastianus, von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ehrwürdig. Im gemeinen Leben wird er oft in Bastian, Bastel, Bastchen verkürzet.


Sebenbaum (W3) [Adelung]


Der Sebenbaum, S. Sadebaum.


Sebesten (W3) [Adelung]


Sebesten, ohne Artikel und ohne Plural, bey einigen ein Nahme der schwarzen Brustbeere, welche in Ägypten und Ostindien einheimisch ist; Cordia Linn. Besonders dessen Cordia Sebestena. Ohne Zweifel auch von dem vorhin gedachten Griechischen Worte, wegen der heilsamen Kraft dieser Beeren.


Sech (W3) [Adelung]


Das Sech, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft, das lange starke gekrümmte Eisen in Gestalt eines großen Messers, welches senkrecht in dem Baume eines Pfluges vor der Pflugschar befestigt ist, und das Erdreich senkrecht zerschneidet, welches hernach die Pflugschar unten absticht und aushebet; das Pflugsech, das Pflugeisen, Pflugmesser, in der Mark Brandenburg das Kolter ( S. dieses Wort), in Steyermark der Arlen, vermuthlich von ähren. In einigen Gegenden im männlichen Geschlechte der Sech, in andern die Säge, im Franz. Soc, Socquet, im mittlern Lat. Soccus. Es ist ein sehr altes Wort, welches vermuthlich noch von der ersten Erfindung des Pfluges, welche dem Plinius zu Folge den Galliern gebühret, herrühret, und seine Verwandtschaft mit sägen, so fern es schneiden überhaupt bedeutete, dem alten Sachs ein Messer, dem Lat. secare, u. s. f. nicht verläugnen kann. Im Hannöverischen wird eine Art kurzer Sensen Sichte oder Segete genannt.


Sechloch (W3) [Adelung]


Das Sechloch, des -es, plur. die -löcher, eben daselbst, dasjenige Loch in dem Grändel oder Pflugbaume, in welchem das Sech befestigt ist. Der Sechring, derjenige Ring, der das Sech am Pflugbaume befestiget.


Sechter (W3) [Adelung]


Das "Sechter", des -s, plur. ut nom. sing. in Franken und am Niederrheine, ein Maß trockner Dinge, dessen zwey auf eine dasige "Meste" oder "Metze", vier auf ein "Simmer", und sechzehn auf ein "Malter" gehen.


Sechzehen (W3) [Adelung]


Sechzehen, zusammen gezogen sechzehn, eine unabänderliche Hauptzahl für sechs und zehen. Sechzehn Groschen. Es waren ihrer sechzehn. In dem alten Gedichte auf den heil. Anno sescein, vielleicht sestein, Nieders. sößtein, Angels. sixtyne. Eigentlich sollte man sechszehen schreiben und sprechen; allein das s ist schon vor alten Zeiten mit dem folgenden z zusammen geschmolzen, wie auch in sechzig.


Sechzehner (W3) [Adelung]


Der Sechzehner, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus sechzehn Einheiten bestehendes Ganzes. So wird ein Doppelbatzen, weil er 16 Pfennige hält, in manchen Gegenden ein Sechzehner genannt. Ingleichen, der sechzehnte Theil eines Ganzen; ein Sechzehntel. So ist in der Schweiz der Sechzehner, oder nach der dasigen Aussprache das Sechzehnerli, ein Maß trockner Dinge derer 16 auf ein Immi und 8 auf ein Achterli gehen.


Sechzehnlöthig (W3) [Adelung]


Sechzehnlöthig, adj. et adv. ein besonders von dem Silber übliches Wort. Sechzehnlöthiges Silber, das feinste von allem fremden Zusatze völlig freyes Silber, welches in der Mark, d. i. in einer Masse von 16 Loth, auch 16 Loth reines Silber hält; zum Unterschiede von dem funfzehnlöthig, vierzehnlöthig und so ferner. Siehe Löthig.


Sechzehnte (W3) [Adelung]


Der Sechzehnte, die Ordnungszahl von sechzehn. Das sechzehnte Jahr.


Sechzehntel (W3) [Adelung]


Das Sechzehntel, für Sechzehntheil, des -s, plur. ut nom. sing. der sechzehnte Theil eines Ganzen.


Seckel (W3) [Adelung]


1. Der Seckel, des -s, plur. ut nom. sing. ein bey den ältern Juden übliches Gewicht, welches aber nicht zu allen Zeiten gleich war. Der Seckel zu Christi Zeiten kam, nach dem Ritter Michaelis, mit unserm Lothe überein; dagegen der ältere Seckel zu Mosis Zeiten und bis nach der Babylonischen Gefangenschaft nur der 4te oder 5te Theil desselben war. Wie die Nahmen der Gewichte in spätern Zeiten sehr oft auch Nahmen der Münzen wurden, welche dieses Gewicht hielten, so war zu Christi Zeiten der Seckel auch eine Münze, welche ungefähr einen Gulden nach unserm Gelde austrug. In beyden Fällen ist es aus dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, aus welchem auch das Lat. Siclus, und das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - entlehnet sind, und welches zu unserm Schock, in der weitern Bedeutung einer Masse, Quantität zu gehören scheinet.


Seckel (W3) [Adelung]


2. Der Seckel, des -s, plur. ut nom. sing. ein vorzüglich im Oberdeutschen übliches Wort, welches einen Beutel eine Tasche, und besonders einen Geldbeutel bedeutet. Das Geld in den Seckel stecken, in die Tasche, in den Geldbeutel. Geld im Seckel haben, Sir. 18, 33. Seckel, die nicht veralten, Luc. 12, 33. Figürlich wird es daher so wie Casse, Kasten, u. s. f. auch häufig für den öffentlichen Schatz, den Fiscus, gebraucht, besonders in den Zusammensetzungen Seckelamt, das Schatzamt, die Kämmerey, Seckelmeister u. s. f.

Anm. Bey dem Ottfried Sekil, Sechil, im Tatian Sekila, sowohl für Sack überhaupt, als auch in der Bedeutung eines kleinen Sackes oder Beutels, womit auch das Lateinische Sacculus überein kommt. Es scheinet nicht, daß es ein Diminut. von Sack ist, weil es sonst ungewissen Geschlechtes seyn müßte; es scheint vielmehr von der ältesten Bedeutung des Wortes Sack, ein hohler Raum, und der Ableitungssylbe -el gebildet zu seyn, ein Ding, welches einen hohlen Raum hat. Indessen würde auch in diesem Falle die Schreibart Sackel die richtigste seyn, um die Verwandtschaft mit Sack zu zeigen. Allein ganz Oberdeutschland schreibt einmahl Seckel.


Seckelkraut (W3) [Adelung]


Das Seckelkraut, des -es, plur. inus. der Oberdeutsche Nahme einer Pflanze, welche in Obersachsen Hirtentasche genannt wird, S. dieses Wort.


Seckelmeister (W3) [Adelung]


Der Seckelmeister, des -s, plur. ut nom. sing. die Oberdeutsche Benennung eines Vorgesetzten einer Geldeinnahme oder öffentlichen Schatzes, welcher anderwärts Schatzmeister, Cassirer, Kämmerer u. s. f. im Oberdeutschen aber auch Seckler, bey dem Ottfried Sekilar, Kastner, Kastenherr u. s. f. genannt wird.


Secret (W3) [Adelung]


Das Secret, des -es, plur. die -e, aus dem Latein. Secretum 1. * Ehedem hieß das Siegel eines regierenden Herren dessen Secret, in welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen veraltet ist. 2. Das heimliche Gemach, der Abtritt; in welchem Verstande es ehedem ein anständiger Ausdruck der feinern Welt war, jetzt aber bis zur gemeinen und niedrigen Sprechart hinab gesunken ist.


Secretär (W3) [Adelung]


Der Secretär, des -s, plur. die -e, aus dem Franz. Secretaire, und dieß aus dem Latein. Secretarius, ein Wort, welches eigentlich denjenigen bezeichnet, welcher die geheimsten Angelegenheiten eines andern, besonders eines vornehmen Herren zu Papiere bringt und ausfertiget, und welchen man im Oberdeutschen mit einem alten guten Worte auch wohl noch einen Geheimschreiber nennet. In weiterer Bedeutung pflegt man in manchen Provinzen auch wohl einen jeden Schreiber, besonders in angesehenen Collegiis, Secretär zu nennen. ( S. Schreiber.) Dessen Gattinn die Secretärinn.


Sect (W3) [Adelung]


Der Sect, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, eine allgemeine Benennung derjenigen süßen Weine, welche aus Spanien und aus den Canarischen Inseln zu uns gebracht werden. Daher der Canarien-Sect, von der Canarien-Insel, der Palm-Sect, von der Canarischen Insel Palma, der Xereser-Sect, von der Stadt Xeres in Andalusien, der Malaga-Sect, oder nur schlechthin Malaga u. s. f. Französ. Sec, Ital. Secco; nicht von Sack, weil dieser Wein in Säcken oder Schläuchen ausgeführet wird, weil es sonst eine allgemeine Benennung aller Spanischen Weine seyn müßte; sondern entweder von dem Ital. und Span. secco, trocken, weil man ihn aus überreifen und fast vertrockneten Beeren zu pressen pflegt, welcher Wein auch im Oberdeutschen und Ungarn Trockenbeerwein genannt zu wer- den pflegt; oder auch von der Afrikanischen Stadt Xeque, von welcher die ersten Reben dieser Art nach Spanien und den Canarischen Inseln sollen seyn gebracht worden. In beyden Fällen ist das t ein Zusatz der Deutschen Mundarten.


Secte (W3) [Adelung]


Die Secte, plur. die -n, aus dem Lat. Secta, eine Gesellschaft mehrerer, welche sich durch einerley Lehren oder Meinungen von andern ähnlichen Gesellschaften unterscheidet, in welcher allgemeinen Bedeutung das Wort wenig mehr gebraucht wird. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist es eine Gesellschaft mehrerer, welche sich durch irrige Lehren und Meinungen von der für wahr und echt gehaltenen Gesellschaft ähnlicher Art unterscheidet. Die Secte der Essäer und Sadducäer. Apost. 5, 17. Verderbliche Secten, 2 Petr. 2, 1. Die Secte der Stoiker unter den Weltweisen. Daher der Sectirer, welcher einer solchen in Lehren und Meinungen irrenden Gesellschaft anhängt; die Sectirerey, das darin gegründete Verhalten; sectirisch oder sectirerisch, darin gegründet. Das Lat. Secta wird richtiger von sequi als von secare abgeleitet, daher es ehedem auch in gutem, wenigstens gleichgültigen Verstande gebraucht wurde, so wie Partey, Gesellschaft. Notker übersetzt daher auch Secte durch Folgunga, und Sectirer durch Selbfolgo.


See (W3) [Adelung]


Die See, (einsylbig,) plur. die -n, (zweysylbig,) und der See, (einsylbig,) des -s, (zweysylbig,) plur. die -n, (auch zweysylbig) ein sehr altes Wort, welche eigentlich Wasser bedeutete, aber jetzt nur noch in einer doppelten Bedeutung üblich ist. 1. Die große Sammlung Wassers, welche das feste Land des Erdbodens umgibt, und welche auch das Meer, das Weltmeer genannt wird. In dieser Bedeutung ist es allemahl weiblichen Geschlechtes. An der See wohnen. Auf der See fahren. In See gehen, in die See stechen, von Schiffen. Der Handel zur See. Die hohe See, die offenbare See. In dieser Bedeutung leidet es keinen Plural, auch nicht, wenn es das Wasser der See selbst bedeutet. Die See läuft kurz, bey den Seefahrern, wenn sie kurze Wellen macht, lang, wenn ihre Wellen lang sind. Die See braust, schäumt, geht hohl u. s. f. Auch einzelne Theile und Gegenden dieses Weltmeeres bekommen sehr häufig den Nahmen der See. Die Atlantische See, die stille See, die Nordsee, die mittelländische See, die Südersee, bey Holland, die Ostsee, u. s. f. bey welchen man zum Theil auch das Wort Meer gebrauchen kann, dagegen bey andern das Wort See nicht hergebracht ist; das rothe Meer, das schwarze Meer, das Griechische Meer u. s. f. In dieser Bedeutung Eines Theiles des Weltmeeres ist der Plural der Sache nicht zuwider, ob er gleich wenig vorkommt. Überhaupt scheint das Wort See in dieser Bedeutung mehr dem gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart, Meer aber mehr der höhern Schreibart angemessen zu seyn. 2. Eine mit Land umgebene beträchtliche Menge Wasser, besonders wenn das Wasser in derselben Wellen schlägt; ein Landsee, Nieders. Binnensee. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen allemahl männlichen Geschlechtes. Der Bodensee, der Comer-See, der Genfer-See, der Costnitzer-See u. s. f. Da es denn in allen Ländern auch kleinere Seen gibt. Der See Genezareth, Luc. 5, 1. Über den See fahren, Kap. 8, 22. Einen See ablassen, fischen u. s. f. Eigentlich sollte man es, wenn dieses Wort am Ende wächset, Seees, die Seeen schreiben; allein um den Überstand dreyer auf einander folgender e zu vermeiden, läßt man ein e weg, spricht aber dennoch das Wort zweysylbig. Einige Sprachlehrer wollen der See wie Meer decliniret wissen, Plur. die Seee oder See, zweysylbig; allein es ist dieses wider den beständigen Sprachgebrauch, der zu allen Zeiten Seen hat. Recke deine Hand aus über die Seen, 2 Mos. 7, 19. Ein Land da Bäche, und Brunnen und Seen innen sind, 5 Mos. 8, 7; und so in andern Stellen mehr; nur Sir. 24, 44 heißt es Ein Mahl: meine Ströme werden große See.

Anm. Dieses alte Wort, welches vorzüglich den nordischen Sprachen und Mundarten eigen ist, dagegen die südlichen ihr Meer, Mare u. s. f. haben, lautet schon bey dem Ulphilas Saiws, bey dem Notker und Ottfried Seuue, Se, im Angels. Sea, im Engl. Sea, im Schwed. Sjö, im Holländ. Zee, im Nieders. See, und selbst bey den Tartarn, vermuthlich den Krimmischen, Su, Sui. Es scheinet, daß die sausende Bewegung des Meeres und der ihm ähnlichen Seen der Grund der Benennung sey, da denn mit andern Endsylben sausen, sieden u. s. f. damit verwandt sind. Der Unterschied in dem Geschlechte ist zwar jetzt, wenigstens im Hochdeutschen allgemein, scheinet aber doch nur aus zwey verschiedenen im Hochdeutschen vereinigten Mundarten entstanden zu seyn. Bey dem Ottfried ist in der zweyten Endung thes seuues, der See, des Meeres, und im Theuerdanke kommt Kap. 64. der See und die See ohne Unterschied von einem und eben demselben See vor. In den folgenden Zusammensetzungen finden beyde Bedeutungen statt, doch sind die in der ersten die zahlreichsten, da denn die mit See - zusammen gesetzten Wörter, oft auch mit Meer - verbunden werden können, welches aber in andern nicht üblich ist. So sagt man Meeral, und Seeaal, Meeramsel und Seeamsel, Meerwasser und Seewasser, aber nicht Meerfahrt, Meerfahrer, Meerstadt u. s. f. hingegen auch nicht Seebusen, Seeenge u. s. f.


Seeaal (W3) [Adelung]


Der Seeaal, des -es, plur. die -e, S. Meeraal.


Seeadler (W3) [Adelung]


Der Seeadler, des -s, plur. ut nom. sing. S. Meeradler.


Seeamsel (W3) [Adelung]


Die Seeamsel, plur. die -n, S. Meeramsel.


Seeapfel (W3) [Adelung]


Der Seeapfel, des -s, plur. die -äpfel, S. Meerigel.


Seebär (W3) [Adelung]


Der Seebär, des -es, plur. die -e, oder des -en, plur. die -en, eine Art vierfüßiger Thiere mit unförmlichen Füßen, welche eine dicke Haut, dichte schwarze Haare haben, und sich an und in den nordischen Meeren, besonders um Kamtschatka, aufhalten, übrigens aber einem Landbäre nicht unähnlich sind, welchen sie doch an Größe übertreffen; Phoca ursina Linn.


Seebarbe (W3) [Adelung]


Die Seebarbe, plur. die -n, S. Barbe.


Seebars (W3) [Adelung]


Der Seebars, des -es, plur. die -bärse, eine Art Bärse, welche sich in der See aufhält; Perca marina Linn. Meerbars, Strandbars. Bey einigen wird auch der nahe verwandte Sander, Perca Lucioperca Linn. Seebars genannt, vermuthlich weil er sich gern in Landseen aufhält.


Seebaum (W3) [Adelung]


Der Seebaum, des -es, plur. die -bäume, eine Art Schlagbaum, wodurch die Einfahrt in einen Hafen aus der See gesperret wird.


Seebrassen (W3) [Adelung]


Der Seebrassen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Meerbrassen.


Seebrief (W3) [Adelung]


Der Seebrief, des -es, plur. die -e, ein Brief, d. i. eine Urkunde, welche man zur See nöthig hat. In engerer Bedeutung werden die Pässe oder Connoissements, welche die Schiffer und Kauffahrer von dem Orte ihrer Abfahrt mitnehmen, Seebriefe genannt.


Seebütte (W3) [Adelung]


Die Seebütte, plur. die -n, S. Meerbütte.


Seecharte (W3) [Adelung]


Die Seecharte, S. Seekarte.


See-Compaß (W3) [Adelung]


Der See-Compaß, des -es, plur. die -e, ein Compaß, dessen man sich zur See bedienet, den Lauf des Schiffes darnach zu bestimmen; der Schiffs-Compaß.


Seedeich (W3) [Adelung]


Der Seedeich, des -es, plur. die -e, ein Deich oder Damm zur Abhaltung des Seewassers; zum Unterschiede von einem Flußdeiche.


Seedrache (W3) [Adelung]


Der Seedrache, des -n, plur. die -n, 1. S. Meerdrache. 2. Eine gewisse Art Seefische, Trachinus Drache Linn. wird gleichfalls Drache, Seedrache und Meerdrache genannt. Franz. heißt er Vice.


See-eiche (W3) [Adelung]


Die See-eiche, plur. die -n, Siehe Meereiche.


See-eichel (W3) [Adelung]


Die See-eichel, plur. die -n, S. Meereichel.


See-einhorn (W3) [Adelung]


Das See-einhorn, des -es, plur. die -hörner, eine Art großer Seefische mit einem langen gewundenen und 9 bis 10 Fuß hervorragenden Zahne an der linken Seite der obern Kinnlade; Monodon Linn. Meereinhorn, in den nordischen Gegenden Narwall.


See-engel (W3) [Adelung]


Der See-engel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Engelroche.


See-erz (W3) [Adelung]


Das See-erz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art Eisenerzes, welches in Sümpfen und morastigen Landseen angetroffen wird; Sumpferz, Moraststein.


Seefahrer (W3) [Adelung]


Der Seefahrer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Seefahrerinn, eine Person, welche zur See fähret oder reiset. In engerer Bedeutung, welche mehrmahls zur See reiset, dessen eigentliches Geschäft in Seereisen bestehet.


Seefahrt (W3) [Adelung]


Die Seefahrt, plur. die -en, die Fahrt, oder Reise zur See; ein von Schifffahrt noch unterschiedenes Wort.


Seefasan (W3) [Adelung]


Der Seefasan, des -es, plur. die -e, ein Nahme der Meerbütten, S. dieses Wort.


Seefeder (W3) [Adelung]


Die Seefeder, plur. die -n, ein Nahme der Meerfedern, S. dieses Wort.


Seefeige (W3) [Adelung]


Die Seefeige, plur. die -n, eine Art knorpeliger Thierpflanzen, welche einer Feige gleicht, eine Unterart der Meernester ist, und in Ostindien gegessen wird; Meerfeige, Seelunge, Alcyonium Ficus Linn. Franz. Chapeau flamand.


Seefisch (W3) [Adelung]


Der Seefisch, des -es, plur. die -e, Fische, welche sich allein, oder doch am häufigsten in der See aufhalten; zum Unterschiede von den Fluß- und Teichfischen. Auch Fische, welche in Landseen einheimisch sind, pflegen wohl Seefische genannt zu werden, da denn aber die Zweydeutigkeit unvermeidlich ist.


Seefluder (W3) [Adelung]


Der Seefluder, des -s, plur. ut nom. sing. im Oberdeutschen, einer Art großer Gänse, welche sich zuweilen auf dem Bodensee sehen lässet.


Seeforelle (W3) [Adelung]


Der Seeforelle, plur. die -n, diejenigen Forellen, welche sich in Landseen und Teichen aufhalten; Teichforelle, zum Unterschiede von den Bachforellen.


Seefrosch (W3) [Adelung]


Der Seefrosch, des -es, plur. die -frösche, S. Meerfrosch.


Seegebrauch (W3) [Adelung]


Der Seegebrauch, des -es, plur. die -bräuche, dasjenige, was auf der See, unter den Seefahrern, gebräuchlich ist.


Seegefecht (W3) [Adelung]


Das Seegefecht, des -es, plur. die -e, ein Gefecht zur See, auf der See, das Schiffsgefecht, und wenn es heftig ist, und zwischen vielen Schiffen vorfällt, das Seetreffen.


Seegericht (W3) [Adelung]


Das Seegericht, des -es, plur. die -e, ein Gericht, welches in Sachen, welche das Seewesen, die Schifffahrt und Seehandlung betreffen, Recht spricht.


Seegeschrey (W3) [Adelung]


Das Seegeschrey, des -es, plur. die -e, bey Flotten, dasjenige, was bey Land-Truppen das Feldgeschrey ist.


Seegesetz (W3) [Adelung]


Das Seegesetz, des -es, plur. die -e, ein Gesetz, welches die Seefahrer, und alle welche zur See dienen, verbindet.


Seegewächs (W3) [Adelung]


Das Seegewächs, des -es, plur. die -e, Siehe Meergewächs.


Seegras (W3) [Adelung]


Das Seegras, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -gräser, S. Meergras.


Seehafen (W3) [Adelung]


Der Seehafen, des -s, plur. die -häfen, zum Unterschiede von einem Flußhafen, ( S. Meerhafen.) In weiterer Bedeutung für Hafen überhaupt, ohne dessen besondere Art zu bestimmen, ist es vorzüglich im Oberdeutschen üblich, um die Zweydeutigkeit mit Hafen, ein Topf, zu vermeiden, welches Wort im Hochdeutschen nicht gangbar ist.


Seehafer (W3) [Adelung]


Der Seehafer, des -s, plur. inus. ein dem Hafer ähnliches Gewächs, welches in den Landseen und still stehenden Wassern auf Jamaika und Virginien wächset; Zizania Linn.


Seehäher (W3) [Adelung]


Der Seehäher, des -s, plur. ut nom. sing. S. Seekrähe.


Seehahn (W3) [Adelung]


Der Seehahn, des -es, plur. die -hähne. 1. Eine Art Amerikanischer Seefische, ( S. Meerhahn.) 2. Ein kleiner Europäischer Seefisch, welcher nie zwey Pfund am Gewicht erreicht, einen harten viereckigen Kopf und dicken Bauch, harte Schuppen und große Floßfedern hat, welche den Schwalbenflügeln nicht unähnlich sind, daher er auch Seeschwalbe genannt wird, heißt an der Ostsee der Seehahn, der Seekoch; Trigla Hirundo Linn. Man sagt, wenn übles Wetter kommen soll, so springe er über das Wasser in die Höhe, und krähe wie ein Hahn. 3. Der Lommen oder Lummen, eine Art Wasservögel, Colymbus arcticus Linn. ingleichen sein Colymbus stellatus, werden gleichfalls Seehahn, genannt, so wie sein Colymbus auritus, das Seehuhn heißt.


Seehandel (W3) [Adelung]


Der Seehandel, des -s, plur. die -händel. 1. Ohne Plural, der Handel zur See, zum Unterschiede von dem Landhandel. 2. Ein Handel, eine Streitigkeit, und überhaupt eine jede Sache, welche das Seewesen und die Schifffahrt betrifft.


Seehecht (W3) [Adelung]


Der Seehecht, des -es, plur. die -e, S. Meerhecht.


Seeheld (W3) [Adelung]


Der Seeheld, des -en, plur. die -en, ein Held zur See.


Seehuhn (W3) [Adelung]


Das Seehuhn, des -es, plur. die -hühner, S. Seehahn 3.


Seehund (W3) [Adelung]


Der Seehund, des -es, die -e. 1. Ein vierfüßiges Thier mit unförmlichen Füßen, welches einen kurzen Katzenkopf mit Barthaaren, und einen kurzen stumpfen Schwanz hat, übrigens aber einem Hunde gleicht, und in den Europäischen Meeren einheimisch ist; Phoca vitulina Linn. Seekalb, Meerkalb, Meerhund, in den nördlichen Ländern Robbe, Nieders. Rubbe, Salhund. 2. Eine Art Raubfische aus dem Haiengeschlechte, dessen Kopf einem Hundskopfe nicht unähnlich sind, und welcher oft über 1000 Pfund schwer wird; Canis Carcharias Linn. Seewolf, Hundskopf.


See-igel (W3) [Adelung]


Der See-igel, S. Meerigel.


Seekalb (W3) [Adelung]


Das Seekalb, des -es, plur. die -kälber, S. Seehund.


Seekante (W3) [Adelung]


Die Seekante, plur. die -n, ein besonders in Niederdeutschland übliches Wort, die Seeküste zu bezeichnen, von Kante, die äußerste Ecke eines Dinges.


Seekarausche (W3) [Adelung]


Die Seekarausche, plur. die -n, eine den Karauschen ähnliche Art Fische, welche sich aber nur in der See aufhält; Labrus rupestris Linn.


Seekarpfen (W3) [Adelung]


Der Seekarpfen, des -s, plur. ut nom. sing. Karpfen, welche sich in Landseen und Teichen aufhalten, zum Unterschiede von den Fluß- und Stromkarpfen.


Seekarte (W3) [Adelung]


Die Seekarte, plur. die -n, eine Karte, auf welcher die Wasserfläche des Meeres oder eines Theiles desselben, mit allem, was sich auf derselben zeiget, abgebildet ist, zum Unterschiede von einer Landkarte.


Seekatze (W3) [Adelung]


Die Seekatze, plur. die -n, eine Art nackter Würmer, mit sechs Fühlspitzen um dem Maule und zwey längern Armen; Sepia Linn. von welcher der Dintenfisch eine Art ist. Die Meerkatze hingegen ist ein geschwänzter Affe.


Seekirsche (W3) [Adelung]


Die Seekirsche, plur. die -n, S. Meerkirsche.


Seekoch (W3) [Adelung]


Der Seekoch, des -es, plur. die -köche, S. Seehahn.


Seekrabbe (W3) [Adelung]


Die Seekrabbe, plur. die -n, ein Nahme, welcher von einigen auch dem fabelhaften Ungeheuer der nordischen Meere gegeben wird, welches unter dem Nahmen des Kraken am bekanntesten ist, S. dieses Wort.


Seekrähe (W3) [Adelung]


Die Seekrähe, plur. die -n, eine den Krähen oder Hähern ähnliche Art Patschfüße, welche ein wenig größer als eine gemeine Änte ist, und sich an dem Meere aufhält; Seehäher, Plancus, Corvus minor aquaticus Klein.


Seekrankheit (W3) [Adelung]


Die Seekrankheit, plur. die -en. 1. Eine jede Krankheit, welche vorzüglich die Seefahrer ausgesetzet sind, besonders wenn sie sich auf der See befinden. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung und ohne Plural, eine mit Schwindel, Brechen, Stühlen und verlornem Appetite verbundene Krankheit, von welcher diejenigen gemeiniglich befallen werden, welche das erste Mahl auf der See fahren, und welche durch das Hin- und Herschwanken des Schiffes und die ungewohnte Seeluft verursacht wird.


Seekrebs (W3) [Adelung]


Der Seekrebs, des -es, plur. die -e, eine sehr große Art Krebse, welche sich in der See aufhalten, und unter dem Nahmen der Hummern am bekanntesten sind; Cancer Gammarus Linn. Meerkrebs.


Seekreuzdorn (W3) [Adelung]


Der Seekreuzdorn, in einigen Gegenden ein Nahme des Haffdornes, S. dieses Wort.


Seekrieg (W3) [Adelung]


Der Seekrieg, des -es, plur. die -e, ein Krieg zur See, welcher mit Schiffen geführet wird; zum Unterschiede von dem Landkriege.


Seekuh (W3) [Adelung]


Die Seekuh, plur. die -kühe, ein vierfüßiges fünfzehiges Thier, mit unförmlichen Füßen, welches von vorn einer Kuh nicht unähnlich siehet, sehr groß ist, und sich in dem Meere zwischen Kamtschatka und Nordamerika aufhält; Trichechus Manati Linn. Manati, der Seeochs, und wegen seiner kläglichen Stimme auch Lamentin.


Seeküste (W3) [Adelung]


Die Seeküste, plur. die -n, die Küste an der See, das Seeufer, auch nur die Küste schlechthin, im Nieders. die Seekante.


Seelamt (W3) [Adelung]


Das Seelamt, des -es, plur. die -ämter, von Seele, in der Römischen Kirche, eine feyerliche Seelmesse, welche gesungen wird, und mit Musik begleitet ist.


Seelaterne (W3) [Adelung]


Die Seelaterne, plur. die -n, große Laternen von verschiedener Art, welche die Schiffe des Nachts auszustellen pflegen, die Schiffslaterne, Seeleuchte.


Seelbad,Seelenbad (W3) [Adelung]


Das Seelbad, oder Seelenbad, des -es, plur. die -bäder, ein größten Theils veraltetes Wort, welches in der Römischen Kirche ehedem eigentlich ein freyes Bad bedeutete, welche man armen Leuten zum Heile seiner Seele im Testamente stiftete, und womit zuweilen eine Mahlzeit verbunden war. In weiterer Bedeutung wurde hernach eine jede Spende für die Armen, welche man zum Heile seiner und seiner Verwandten Seelen stiftete, sowohl ein Seel- bad, als auch ein Seelgeräth genannt, welches letztere aber von weiterm Umfange war. S. dasselbe.


Seele (W3) [Adelung]


1. Die Seele, plur. die -n, ein nur in einigen Fällen übliches Wort, welches daselbst in verschiedenen Bedeutungen vorkommt, wo es nichts weniger, als eine Figur des folgenden Wortes zu seyn scheinet. 1. An einem Feuergewehr wird der ganze innere hohle Raum, die hohle Röhre, die Seele desselben genannt, in welchem Verstande es so wohl von Kanonen, als von kleinem Gewehre üblich ist. Hier scheinet die Bedeutung des hohlen Raumes die herrschende zu seyn, so daß es als ein Verwandter von Sahl, aula, Schale, Zille, ein Kahn, Zelle u. s. f. betrachtet werden muß. ( S. Sahl.) 2. Der lange, halb durchsichtige, weiche innere Theil eines Federkieles heißt im gemeinen Leben dessen Seele, im mittlern Lateine ohne Zischlaut Ilum. Auf ähnliche Art wird in den Häringen die dünne lange silberfarbene Blase, welche durch den ganzen Rücken derselben gehet, deren Seele genannt. Bey den Tuchmachern heißt das dünne Eisen inwendig an den Schützen, die Seele. In allen drey Fällen, entweder mit dem herrschenden Begriffe der Ausdehnung in die Länge in Verbindung mit der Dünnheit, als ein Verwandter von Zeile, Seil u. s. f. Oder auch in den beyden ersten Fällen, wegen der weißen Farbe und halb durchsichtigen Beschaffenheit, wie Sol, Silber, Salm u. s. f. ( S. Sahl.) 3. Endlich ist Seele auch bey den Bildern die erste gröbere Form einer Figur, welche hernach mit Gyps überzogen und völlig ausgebildet wird; der Kern, im Franz. gleichfalls l'Ame. Vielleicht auch als eine Figur der ersten Bedeutung, etwas das im Innern, inwendig ist. S. Sahl.


Seele (W3) [Adelung]


2. Die Seele, plur. die -n, Diminutiv welches doch nur im vertraulichen Scherze üblich ist, das Seelchen, ein sehr altes Wort, welches in verschiedenen Bedeutungen üblich ist. 1. Das Leben, und die Lebenskraft, eines lebendigen Dinges; eine der ersten und ältesten Bedeutungen. Merke, daß du das Blut nicht essest, denn das Blut ist die Seele, darum sollt du die Seele nicht mit dem Fleische essen, 5 Mos. 12, 23. Du sollt dem Armen seinen Lohn nicht vorenthalten - denn er erhält seine Seele damit, Kap. 24, 14. s. Kommt ihr aber ein Schade daraus, so soll er lassen Seele um Seele, 2 Mos. 21, 23. Und so in vielen andern Stellen mehr. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, außer daß einige Redensarten der folgenden Bedeutung auch durch diese erkläret werden können; z. B. die Seele ist ihm ausgefahren. Beseelen und Entseelen leiden gleichfalls diese Erklärung. 2. Das Vermögen, die Kraft, zu empfinden und zu begehren. Die Seelen der Thiere. Besonders dieses Vermögen in dem Menschen, als ein mit Herz gleichbedeutendes Wort, da es denn eigentlich dem Geiste entgegen stehet. Der Mensch hat eine vernünftige Seele. Man sagt, jemand habe keine Seele, wenn sich dieses Vermögen nur schwach bey ihm äußert. Gottes Wort scheidet Seele und Geist, Ebr. 4, 12. Meine Seele ist betrübt, ist sehr erschrocken, freuet sich, u. s. f. in der Deutschen Bibel. Eine edle, eine schlechte, niederträchtige Seele haben. Das gehet mir durch die Seele, schmerzt mich in der Seele. Ich schäme mich in der Seele. Es thut ihr in die Seele weh. Ach, das Geld liegt mir nicht an die (der) Seele, Gell. Wie edel gesinnt ist ihre Seele! eben ders. Die Mine, mit der sie diese Nachricht aufnehmen wird, soll mir ganze Seele aufklären. In der tiefsten Betrübniß meiner Seele. Welches Lob ist größer, blühende Wangen, oder eine schöne Seele? Dusch. 3. Das Wesen, welches in uns denkt, Verstand und Willen hat, ein mit einem organischen Körper verbundener Geist. (1) Eigentlich, so wohl in Verbindung mit seinem Körper. Die Stele des Menschen, die menschliche Seele. Die Seele ist ein Wesen, welches Verstand und Willen hat. Daher die im gemeinen Leben üblichen R. A. einem etwas auf seine Seele anbefehlen anvertrauen u. s. f. auf das dringendste. Bey meiner Seele, eine in der niedrigen Sprechart üblich Art zu schwören. In jemandes Seele schwören, in seinem Nahmen, so daß seine Seele den Eid zu verantworten hat, und dann auch in weiterer Bedeutung: in jemandes Seele roth werden, an seiner Statt, in seinem Nahmen. Als auch vor der Vereinigung mit ihrem künftigen organischen Körper, und nach der Trennung von demselben. Die Seelen der Verstorbenen, der Gerechten, der Verdammten. (2) Figürlich. (a) Ein mit einer vernünftigen Seele begabtes Geschöpf, zunächst ein Mensch, in Ansehung seines Empfindungs- und Begebungsvermögens. Er ist eine gute, eine feige, eine niederträchtige Seele. Deine Reitze werden auch die wildesten Seelen bändigen. Eine feile Seele. Lasterhafte Seelen, die das größte, was die Menschheit besitzt, verunedlen. Eine volle Seele zertritt wohl Honigseim, aber einer hungrigen Seele ist alles Bittere süße, Sprichw. 27, 7. Aber auch in weiterer Bedeutung, für Mensch, Person, im weitesten Verstande. Abram zog mit allen Seelen, die er gezeuget hatte, in Haran, 1 Mos. 12, 5. Eine Stadt enthält zehntausend Seelen, wenn sie so viele lebendige Einwohner hat. Daher das Seelenregister, das Verzeichniß aller an einem Orte zugleich lebender Personen. Es ist keine lebendige Seele da, wo es auch wohl in noch weiterer Bedeutung ein jedes lebendiges Geschöpf bedeutet. Sie spricht von keiner lebendigen Seele Gutes. Sage es keiner Seele. Mit Vorsatz er noch keiner Seele gedienet. Indessen lässet sich das Wort Seele in dieser weitern Bedeutung nur in einigen Fällen für Mensch oder Person gebrauchen, welche allem Ansehen nach nur diese zwey sind, wenn man von den zugleich lebenden menschlichen Einwohnern eines Ortes redet, und dann wenn man nach einer gewöhnlichen Figur statt Mensch ein beseeltes oder lebendiges Geschöpft setzt. In der engern Bedeutung eines Menschen in Ansehung seines Empfindungs- und Begehrungsvermögens ist es allgemeiner. (b) Dasjenige, was einem Dinge Leben, regelmäßige Bewegung und Wirksamkeit ertheilet. Man sagt, jemand sey die Seele der Geschäfte, wenn ihre Behandlung vornehmlich von ihm abhängt. Die Liebe ist die Seele alle christlichen Tugenden. Die Demuth ist die Seele aller Tugenden, Gell. Die Seele der Ehe ist die Gleichheit der Gemüther, eben ders. In einer mehr eigentlichen Bedeutung verstanden die ältern Philosophen unter der Seele der Welt oder der Weltseele ein geistiges Vermögen der Materie, ihre Veränderungen selbst hervor zu bringen, welches sie auch die Natur nannten. (c) In noch weiterm Verstande, der vornehmste, wesentlichste Theil, die nothwendigste Eigenschaft einer Sache. Die Billigkeit ist die Seele der Gesetze. Eine bündige Kürze ist die Seele der Anakreontischen Ode. Die Mannigfaltigkeit ist die Seele eines Gedichts.

Anm. Im Isidor Seulo, im Kero, Ottfried und Willeram Sela, in den gröbern Oberdeutsch. Mundarten Siel, bey dem Ulphilas Saivala, im Angels. Savel, Savul, im Engl. Soul, im Schwed. Själ, im Isländ. Soal. Junius sahe es als ein aus - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, leben, und dem Isl. Wala, Quelle zusammen gesetztes Wort an, allein er hätte das letztere immer weglassen können. Frisch leitet es sehr gesucht von dem alten salen, übergeben, her, weil die Seele von Gott eingegeben sey. Da alle Nahmen des Geistes und der Seele fast in allen Sprachen Figuren des Athems, des Hauches, des Windes sind; z. B. anima von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, so kann man auch bey diesem Worte schon zum voraus etwas ähnliches vermuthen. In der That ist auch Leben und Lebenskraft eine der ersten Bedeutungen, so wie die Latein. anima, Seele, und animal, ein Thier, lebendiges Geschöpf, Wörter Eines Geschlechtes sind; den Ausdruck des Lebens aber ist wiederum eine Figur, theils des Athems, theils auch der Bewegung überhaupt, da man denn am Ende auf zwey Onomatopöien kommt. ( S. Sahl,) wo schon gezeiget worden, daß dieses Wort ursprünglich eine Onomatopöie ist, und hernach figürlich, so wohl Bewegung überhaupt, als auch Zahl, Menge, Gesellschaft u. s. f. bedeutet. Verwandt sind damit freylich so wohl das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, leben, als auch das Böhm. Syla, Kraft, das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, begehren, unser selbst und andere mehr. Es ist eine alte und gewöhnliche Form, den Fämininis auf e in der zweyten und dritten Endung des Singulars noch ein n anzuhängen, welche Form auch im Hochdeutschen nicht ganz fremd ist, ob sie gleich nicht die richtige ist. Die nach meiner Seelen stehen, Ps. 17, 9. Angst der Seelen, Röm. 2, 9. Jede Freude, meiner Seelen Friede, Ist dahin, Wiel. In welchem letztern Falle doch der Wohlklang diese Form entschuldigt, weil meiner Seele Friede einen Überklang hat, der sich in deiner Seele Beßtes nicht findet. Einige Zusammensetzungen haben diese Form gleichfalls behalten, wie Seelenangst, Seelenlehre u. s. f. dagegen in andern nur Seel - üblich ist.


Seelenangst (W3) [Adelung]


Die Seelenangst, plur. inus. ein hoher Grad der Angst der Seele, d. i. des Gemüths.


Seelenkraft (W3) [Adelung]


Die Seelenkraft, plur. die -kräfte, die Kraft der Seele, das Vermögen, Veränderungen in sich hervor zu bringen. In der Einsamkeit werden die Seelenkräfte am meisten erweitert.


Seelenlehre (W3) [Adelung]


Die Seelenlehre, plur. doch nur von mehrern Büchern dieser Art, die -n, die Lehren von dem Wesen du den Eigenschaften der menschlichen Seele, und ein Buch, worin dieselbe vorgetragen wird; mit einem Griechischen Kunstworte, die Psychologie.


Seelen-Register (W3) [Adelung]


Das Seelen-Register, des -s, plur. ut nom. sing. das Register oder Verzeichniß der Seelen, d. i. aller zugleich lebenden Menschen an einem Orte.


Seelenruhe (W3) [Adelung]


Die Seelenruhe, plur. car. die Ruhr der Seele, die Abwesenheit aller beunruhigender oder unangenehmer Empfindungen des Gemüthes.


Seelenschlaf (W3) [Adelung]


Der Seelenschlaf, des -es, plur. car. derjenige Zustand der Seele, da sie sich noch der Trennung von ihrem Körper bis zur Wiedervereinigung mit demselben in einem Zustande dunkler und undeutlicher Empfindungen befinden soll.


Seelenwanderung (W3) [Adelung]


Die Seelenwanderung, plur. die -en, der Übergang einer und eben derselben menschlichen Seele in verschiedene Körper nach einander, mit einem Griechischen Kunstworte die Metempsychosis; eine von verschiedenen ältern Weltweisen behauptete Lehre.


Seeleuchte (W3) [Adelung]


Die Seeleuchte, plur. die -n, die Seelaterne.


Seelgeräth (W3) [Adelung]


* Das Seelgeräth, des -es, plur. die -e, von dem alten Geräth, ein Testament, Vermächtniß, en im Hochdeutschen veraltetes, ehedem sehr gangbares Wort, ein jedes Vermächtniß zu bezeichnen, welches man zum Heil seiner Seele machte, wohin denn nicht nur die Seelbäder, sondern auch die Seelmessen, Vermächtnisse an Kirchen und Klöster u. s. f. gehöreten. In weiterer Bedeutung werden auch wohl die Begräbnißgebühren des Pfarrers mit diesem Nahmen beleget. Schwed. Själaryckt, Själarad.


Seelhaus (W3) [Adelung]


Das Seelhaus, des -es, plur. die -häuser, in einigen Oberdeutschen Gegenden, eine Anstalt zur Versorgung alter und unvermögender Bürger, weil man dergleichen in katholischen Ländern zum Heil seiner Seele zu stiften pflegt. Dessen Vorsteher der Seelvater. In anderen Gegenden nennt man eine solche Anstalt ein Hospital, obgleich dieses zunächst zur Übernachtung für arme umgehende Fremde bestimmt ist.


Seelinse (W3) [Adelung]


Die Seelinse, S. Wasserlinse.


Seelmesse (W3) [Adelung]


Die Seelmesse, plur. die -n, in der Römischen Kirche, eine Messe, welche für die Befreyung einer oder mehrerer Seelen aus dem Fegfeuer gelesen wird, und welche, wenn sie feyerlich mit Musik gesungen wird, das Seelamt heißt.


Seelnonne (W3) [Adelung]


Die Seelnonne, plur. die -n, in den katholischen Ländern, eine Art unverheiratheter weiblicher Personen, welche schwarz gekleidet gehen, und die Todten beyderley Geschlechtes abwaschen und in den Sarg legen.


Seelöwe (W3) [Adelung]


Der Seelöwe, des -n, plur. die -n, Fämin. die Seelöwinn, ein vierfüßiges Thier mit undeutlichen Schwimmzehen, welches den Seehund, den Seebär und das Seepferd an Größe und Grimm übertrifft, und um den Hals krause Haare wie ein Löwe hat; Phoca leonina L. und Phoca juba Forst. Es hält sich in und am Meere auf.


Seelsorge (W3) [Adelung]


Die Seelsorge, plur. car. die Sorgfalt für die Wohlfahrt der Seele, für das geistliche Wohl; in engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, für das geistliche Wohl anderer, da denn die Seelsorge eine Pflicht der Pfarrer, Prediger, Bischöfe u. s. f. ist, deren ganzer Stand und Geschäft daher auch wohl die Seelsorge genannt wird. Im mittlern Lat. Cura.


Seelsorger (W3) [Adelung]


Der Seelsorger, des -s, plur. ut nom. sing. ein Geistlicher, so fern die Seelsorge sein vornehmstes Geschäft ist; ein Prediger, Pfarrer, im mittlern Lat. Curatus, Franz. Cure. Ehedem Seelwarter.


Seeluft (W3) [Adelung]


Die Seeluft, plur. die -lüfte. 1. Der Zustand der Luft auf der See; ohne Plural, im Gegensatze der Landluft. 2. Eine Luft, d. i. gelinder Wind, welche von der See kommt, im Gegensatze der Landluft. Wir haben Seeluft. Wo der Plural zuweilen vorkommt.


Seelunge (W3) [Adelung]


Die Seelunge, plur. die -n, S. Seefeige.


Seelvater (W3) [Adelung]


Der Seelvater, des -s, plur. die -väter, S. Seelhaus.


Seemacht (W3) [Adelung]


Die Seemacht, plur. die -mächte im Gegensatze der Landmacht. 1. Eine Macht zur See, d. i. eine beträchtliche Anzahl Kriegesschiffe mit ihrem Zugehör; ohne Plural. Eine fruchtbare Seemacht haben. 2. Ein Staat, welcher eine Seemacht hat, d. i. Flotten oder Kriegsschiffe unterhält; ehedem eine See-Potenz. In diesem Verstande sind Frankreich Spanier Portugal u. s. f. Seemächte. In der engsten Bedeutung, ein Staat, welcher nur allein eine Seemacht, und gewöhnlich keine Landmacht hat, da denn besonders Großbritannien und Holland diesen Nahmen führen.


Seemaus (W3) [Adelung]


Die Seemaus, plur. die -mäuse. 1. ( S. Meermaus.) 2. Dem Frisch zu Folge wird auch die häutige Schale eines Rocheneyes, woraus der junge Roche bereits gekrochen ist, die Seemaus genannt.


Seemewe (W3) [Adelung]


Die Seemewe, plur. die -n, diejenigen Arten Mewen, welche sich an und auf der See, d. i. dem Meere aufhalten, und deren es wieder verschiedene Arten gibt. Im gemeinen Leben, werden auch diejenigen, welche an und auf den Landseen angetroffen werden, Seemewen genannt.


Seemoos (W3) [Adelung]


Das Seemoos, des -es, plur. doch nur von mehren Arten, die -e, eine Art Mooses, welches in der See wächset; Meermoos.


See-Mornell (W3) [Adelung]


Der See-Mornell, des -es, plur. die -e, S. Seelerche.


Seemuschel (W3) [Adelung]


Die Seemuschel, S. Meermuschel.


Seenabel (W3) [Adelung]


Der Seenabel, des -s, plur. die -näbel, S. Meernabel.


Seenadel (W3) [Adelung]


Die Seenadel, plur. die -n. 1. Eine Art ungewundener Schnecken, in Gestalt einer langen dünnen Röhre, oder eines angebrochenen Stückes von einer Stricknadel; die Meernadel. 2. Ein uneßbarer Seefisch, oder vielmehr eine Art Seeraupen, welche oft eine halbe Elle lang, aber nicht dicker als ein Pfeifenstiel ist; Syngnatus Acus Linn.


Seenatter (W3) [Adelung]


Die Seenatter, plur. die -n, ein dem vorigen ähnlicher Fisch, mit welchem er auch zu einem und eben demselben Geschlechte gehören; Syngnatus Ophidion Linn.


Seenelke (W3) [Adelung]


Die Seenelke, plur. die -n, eine Art Seenesseln, in der 2ten Bedeutung, welche sich auf Klippen und Austerschalen aufhält, und auch Austernessel, See-Anemone, Seestrumpf, Seetasche genannt wird; Actinia senilis L.


Seenessel (W3) [Adelung]


Die Seenessel, plur. inus. 1. Bey einigen ein Nahme des Meer- oder Seegrases, welches in den mitternächtigen Gegenden Seetang genannt wird; Zostera Linn. 2. Eine Art gegliederter Seewürmer; Actinia L.


Seeochs (W3) [Adelung]


Der Seeochs, des -en, plur. die -en, S. Seekuh.


Seeofficier (W3) [Adelung]


Der Seeofficier, des -s, plur. ut nom. sing. ein Officier oder Befehlshaber zur See.


Seeohr (W3) [Adelung]


Das Seeohr, des -es, plur. die -en, eine ungewundene Schnecken in Gestalt eines Ohres, welche zwar um den Mittelpunct gekrümmt, aber nicht mit Kammern versehen ist. Versteinert wird sie auch Planit genannt. Die länglich runde an der Seite durchlöcherte Perlenmutter führet gleichfalls den Nahmen des Seeohres.


Seeorgel (W3) [Adelung]


Die Seeorgel, plur. die -n, S. Meerröhre 1.


Seeotter (W3) [Adelung]


Die Seeotter, plur. die -n, eine Art Ottern, welche sich in Asien und Amerika an dem Seeufer aufhält, und deren Schwanz nur halb so lang ist, als an der Flußotter.


Seepapagey (W3) [Adelung]


Der Seepapagey, S. Meerpapagey.


Seepferd (W3) [Adelung]


Das Seepferd, des -es, plur. die -e, 1. Eine Art vierfüßiger Thiere mit unförmlichen Füßen, und zusammen gewachsenen Hinterfüßen, welches hervorragende Hundszähne hat und von vorn einem Pferde gleicht; Rosmarus, Wallroß Meerpferd. Es lebt unter dem Nordpole. 2. Eine Art Seeraupen, deren Kopf einem Pferdekopfe ähnlich ist, wird im Diminut. das Seepferdchen genannt; Syngnatus Hippocampus Linn.


Seepflaume (W3) [Adelung]


Die Seepflaume, plur. die -n, ein Gewächs mit unkenntlichen Geschlechtern, welches eine Art Seemooses ist, und aus einer fast kugelrunden einzelnen, inwendig saftigen Pflanze bestehet; Ulva pruniformis Linn. Man findet es in den großen Landseen der Chur- und Neumark Brandenburg.


Seepinsel (W3) [Adelung]


Der Seepinsel, s. Meerpinsel.


Seerabe (W3) [Adelung]


Der Seerabe, des -n, plur. die -n. 1. Eine Art Raben in Liefland, deren Schnabel wie eine Säge mit Zähnen versehen ist. Sie halten sich in Thürmen und alten Gebäuden auf, und nähren sich von Getreide, Fröschen und Ungeziefer. 2. Ein den Raben ähnlicher buntfarbiger Vogel, welcher in Mexico einheimisch ist. 3. Der Schlingrabe oder Schlucker, welcher eine Art Patschfüße ist, und sich an den Meeren und Landseen des nördlichen Europa aufhält, wird gleichfalls sowohl Seerabe als Wasserrabe genannt, Pelecanus Carbo Linn. Franz. Cormorant.


Seerachen (W3) [Adelung]


Der Seerachen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Wasservögel, welche größer als die stärkste wilde Änte, von Farbe weiß ist, und einen schwarzen Kopf, aber keinen breiten, sondern einen länglichen spitzigen Schnabel hat. Er hat den Nahmen von seiner Gefräßigkeit, weil er die größten Fische in den Landseen und Teichen verschlingt, und die eine Hälfte so lange in dem Rachen und Schlunde behält, bis die andere Hälfte verdauet worden. Er scheint eine Art Mewen zu seyn.


Seeräuber (W3) [Adelung]


Der Seeräuber, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher zur See raubet, d. i. ohne alle Vollmacht auf der See oder zu Schiffe das Eigenthum anderer mit Gewalt wegnimmt, der Corsar, im Oberd. Meerräuber; zum Unterschiede von einem Kaper, welcher Vollmacht dazu hat. S. auch Seeschäumer.


Seeräuberey (W3) [Adelung]


Die Seeräuberey, plur. die -en, die Räuberey zur See, die gewaltthätige Wegnahme fremden Eigenthumes zur See ohne alle Vollmacht. Seeräuberey treiben. Auch dergleichen Handlung.


Seeraupe (W3) [Adelung]


Die Seeraupe, plur. die -n, eine Art Seefische ohne Kiemendeckel, und ohne Bauchfinnen, welche die Gestalt einer Raupe haben, und wohin die Seenadeln, Seepferdchen u. s. f. gehören; Syngnatus Linn.


Seerepphuhn (W3) [Adelung]


Das Seerepphuhn, des -es, plur. die -hühner, bey einigen ein Nahme derjenigen Seefische, welche bey uns unter dem Nahmen der Zungen am bekanntesten sind; Pleuronectes Sola Linn.


Seerecht (W3) [Adelung]


Das Seerecht, des -es, plur. die -e, Gesetze, nach welchen in Vorfällen auf der See geurtheilt wird, es seyen nun Sachen, welche die Schifffahrt und die Handlung, oder den Seekrieg betreffen; wo es doch von dem ganzen Umfange oder der Sammlung dieser Gesetze am üblichsten ist, und alsdann entweder im Singular allein, oder auch im Plural allein gebraucht wird.


Seereise (W3) [Adelung]


Die Seereise, plur. die -n, eine Reise zur See, zum Unterschiede von einer Landreise.


Seerichter (W3) [Adelung]


Der Seerichter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Richter, welcher in Seesachen Recht spricht, ein Richter in einem Seegerichte, ein nur in einigen Gegenden und Fällen übliches Wort. So führet in Baiern der Vorsteher der Fischerzunft am Ammersee diesen Nahmen.


Seerüstung (W3) [Adelung]


Die Seerüstung, plur. die -en, die Rüstung zur See, besonders zu einem Seekriege.


Seesache (W3) [Adelung]


Die Seesache, plur. die -n, eine Sache, welche das Seewesen, die Schifffahrt zur See, die Seehandlung, oder den Seekrieg betrifft.


Seesalz (W3) [Adelung]


Das Seesalz, des -es, plur. car. das in dem Seewasser befindliche, aus demselben bereitete Salz, Meersalz, in Nieder- Deutschland Bojsalz; zum Unterschiede von dem Brunnensalze und Steinsalze.


Seeschaum (W3) [Adelung]


Der Seeschaum, S. Meerschaum.


Seeschäumer (W3) [Adelung]


Der Seeschäumer, des -s, plur. ut nom. sing. eine besonders in Niederdeutschland übliche gelindere Benennung eines Seeräubers und seines Schiffes; der Meerschäumer. Siehe Schäumen.


Seeschiff (W3) [Adelung]


Das Seeschiff, des -es, plur. die -e, ein Schiff, welches die See oder das Weltmeer besegelt; zum Unterschiede von einem Flußschiffe.


Seeschildkröte (W3) [Adelung]


Die Seeschildkröte, plur. die -n, eine Art großer Schildkröten, welche sich nur in der See oder dem Meere aufhalten, die Meerschildkröte; zum Unterschiede von den Land- und Flußschildkröten.


Seeschlacht (W3) [Adelung]


Die Seeschlacht, plur. die -en, eine Schlacht zur See, das Seetreffen; zum Unterschiede von einer Schlacht zu Lande.


Seeschlägel (W3) [Adelung]


Der Seeschlägel, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Hammerfisch.


Seeschwalbe (W3) [Adelung]


Die Seeschwalbe, plur. die -n, ein Nahme verschiedener den Schwalben ähnlicher Seevögel. Besonders werden 1. die meisten Arten Mewen, z. B. die weiße Mewe, oder Fischaarmewe, der Braunkopf, der Schwarzkopf, die schwarze Mewe u. s. f. in vielen Gegenden Seeschwalben, und nach einer andern Mundart Seeschwalme genannt; Engl. Sea Swallow. 2. Eine Art Brachvögel, welche eigentlich eine Art Bienenfraß ist, wird gleichfalls Seeschwalbe oder Seeschwalm genannt; Merops apiaster L. 3. Auch eine Art Seefische mit großen Floßfedern in Gestalt der Schwalbenflügel, S. Seehahn.


Seesemse (W3) [Adelung]


Die Seesemse, plur. inus. eine Art Semsen, welche in den Landseen und Flüssen Europens wächset; Scirpus lacustris Linn.


Seesoldat (W3) [Adelung]


Der Seesoldat, des -en, plur. die -en, ein Soldat, welcher zur See, d. i. auf Schiffen dienet; zum Unterschiede von einem Landsoldaten.


Seesonne (W3) [Adelung]


Die Seesonne, plur. die -n. 1. Eine Art Seesterne, welche einer gestrahlten Sonne ähnlich sehen, und auch Medusenhäupter genannt werden. 2. Auch der in Ostindien befindliche Sonnenfisch, welcher fast eyrund ist, einen ungeheuren Kopf mit großen runden Augen und einem kleinen Maule, eine harte körnige dunkelbraune Haut, und an jeder Seite zwey Floßfedern hat, wird von einigen die Seesonne genannt.


Seespinne (W3) [Adelung]


Die Seespinne, plur. die -n, S. Meerspinne.


Seestaat (W3) [Adelung]


Der Seestaat, des -es, plur. die -en. 1. Der Staat, d. i. der Zustand des Seewesens einer Nation, doch nur in engerer Bedeutung, die gesammte kriegerische Einrichtung nebst ihrem ganzen Zugehörte zur See; ohne Plural. Den Seestaat vernachlässigen. Einen furchtbaren Seestaat haben. Mit einem halb Französischen Ausdrucke See-Etat. 2. Ein Staat, welcher eine Seemacht hat, wofür doch Seemacht üblicher ist.


Seestadt (W3) [Adelung]


Die Seestadt, plur. die -städte, so wohl eine Stadt, welche an einem Landsee lieget, als auch, und zwar noch häufiger, welche an der See, d. i. an dem Meere lieget; zum Unterschiede von einer Landstadt in weitesten Verstande. Daher der Seestädter, der Einwohner einer Seestadt.


Seestern (W3) [Adelung]


Der Seestern, des -es, plur. die -e. 1. Eine Art Thierpflanzen, oder nackter Würmer mit Gliedmaßen, welche einem Sterne mit Strahlen gleichen, und häufig in dem Meere angetroffen werden; Asterias Linn. Meerstern. Es gibt ihrer sehr viele Arten, welche nach der Zahl ihrer Sterne eingetheilet werden. Das Medusenhaupt oder die Seesonne a. m. gehören gleichfalls dahin. 2. Auch eine Art Taucher, Mergus glacialis Linn. führet diesen Nahmen.


Seestrand (W3) [Adelung]


Der Seestrand, des -es, plur. der doch wenig gebraucht wird, die -strände, der Strand der See, oder auch eines großen Landsees; die Seeküste; das Seeufer.


Seestrecke (W3) [Adelung]


Die Seestrecke, plur. die -n, eine Strecke der See oder des Weltmeeres, d. i. eine beträchtliche Gegend derselben. Eine noch unbefahrne Seestrecke.


Seestück (W3) [Adelung]


Das Seestück, des -es, plur. die -e, ein Stück, d. i. Gemählde, welches die See mit ihren Theilen vorstellet.


Seestuhl (W3) [Adelung]


Der Seestuhl, des -es, plur. die -stühle, ein in den neuern Zeiten von Herrn Frains in England zu astronomischen Beobachtungen erfundener Stuhl, welcher seine Stellung bey allen Bewegungen des Schiffes unverändert behält.


Seesturm (W3) [Adelung]


Der Seesturm, des -es, plur. die -stürme, ein Sturm auf der See; im Gegensatze eine Landsturmes.


Seetang (W3) [Adelung]


Der Seetang, des -es, plur. inus. S. Meergras und Tang.


Seetaube (W3) [Adelung]


Die Seetaube, plur. die -n, ein in Grönland einheimischer Seevogel mit Schwimmfüßen, welcher die Größte einer Änte, übrigens aber die Gestalt einer Taube hat; Columba Groenlandica Linn.


Seeteufel (W3) [Adelung]


Der Seeteufel, des -s, plur. ut nom. sing. 1. ( S. Flußteufel.) 2. Auch der Meerfrosch, oder eine Art Rochen, wird wegen seiner scheußlichen Gestalt Seeteufel genannt.


Seethier (W3) [Adelung]


Das Seethier, des -es, plur. die -e, Thiere, welche sich in der See aufhalten, zum Unterschiede von den Landthieren.


Seetonne (W3) [Adelung]


Die Seetonne, plur. die -n, Tonnen, welche an gewissen Stellen der See auf der Oberfläche schwimmend erhalten werden, um den Schiffern dadurch die Beschaffenheit des Grundes anzuzeigen; im Niederdeutschen die Bake.


Seetreffen (W3) [Adelung]


Das Seetreffen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Treffen zur See, die Seeschlacht.


Seetrifft (W3) [Adelung]


Die Seetrifft, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -n, im Niederdeutschen, alles was die See auswirft, was auf derselben treibt, es sey nun Holz oder Waaren, oder Theile von gescheiterten Schiffern; der Seewurf.


Seetrompete (W3) [Adelung]


Die Seetrompete, plur. die -n, S. Meerhorn.


Seeuhr (W3) [Adelung]


Die Seeuhr, plur. die -en, eine Uhr, welche die Theile der Zeit bey allen Bewegungen des Schiffes genau und ununterbrochen zeiget.


Seeufer (W3) [Adelung]


Das Seeufer, des -s, plur. ut nom. sing. das Ufer so wohl der See, d. i. des Meeres, als auch eines Landsees; die Seeküste, der Seestrand, das Meerufer.


Seevogel (W3) [Adelung]


Der Seevogel, des -s, plur. die -vögel, Vögel, welche sich auf und an der See aufhalten; eine Art der Wasservögel.


Seewärts (W3) [Adelung]


Seewärts, adv. nach der See zu; im Gegensatze des landwärts.


Seewasser (W3) [Adelung]


Das Seewasser, des -s, plur. inus. 1. Das Wasser in und aus einem Landsee, Noch häufiger, 2. das Wasser in der See oder dem Meere; das Meerwasser. Beydes zum Unterschiede von dem Brunnenwasser, Flußwasser u. s. f.


Seewind (W3) [Adelung]


Der Seewind, des -es, plur. die -e. 1. Ein jeder Wind auf der See. Nach häufiger, 2. ein Wind, welcher aus der See nach dem Lande zu wehet; zum Unterschiede von dem Landwinde.


Seewolf (W3) [Adelung]


Der Seewolf, des -es, plur. die -wölfe. 1. Einer der gefräßigsten Raubfische, welcher zu den Haien gehöret, und auch Hundskopf und Seehund genannt wird, ( S. das letztere;) Squalus Carcharias Linn. 2. Eine Art Aale, welche sich an den Englischen Küsten aufhält, und geründete Zähne hat; Anarhichas Linn. S. auch Meerwolf.


Seewurf (W3) [Adelung]


Der Seewurf, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -würfe, alles was die See auswirft. Siehe Seetrifft.


Seewurm (W3) [Adelung]


Der Seewurm, des -es, plur. die -würmer. 1. Würmer, welche sich in der See aufhalten. 2. S. Meerschlange.


Segel (W3) [Adelung]


Das Segel, des -s, plur. ut nom. sing. eine leichte dünne biegsame Fläche, welche an dem Mastbaum eines Fahrzeuges befestiget wird, damit der Wind vermittelst derselben das Schiff fort- treibe. Die ältesten Völker hatten Segel von Häuten, Matten, Stroh, Blättern u. s. f. und viele fremde Nationen haben selbige noch. Unsere Europäischen Schiffe und Fahrzeuge haben Segel von grobem Tuche, ( S. Segeltuch.) Ein Europäische großes Schiff führet an jedem Maste drey oder zwey Segel von welchen jedes seinen eigenen Nahmen hat. ( S. Schönfahrsegel, Marssegel, Bramsegel, Fockesegel, Besansegel, Kreuzsegel, Blinde u. s. f.) Die Segel aufspannen, bey den Schiffern beysetzen, ingleichen Segel machen. Die Segel einziehen, bey den Schiffern abnehmen, beynehmen. Unter Segel gehen, mit dem Schiffe abfahren. Die Segel nach dem Winde richten. Mit vollen Segeln fahren. Die Segel streichen, die Rahen, woran die Segel befestigt sind, zum Zeichen der Ehrerbiethung, herunter lassen. Daher die Segel vor jemanden streichen, figürlich, sich ihm ergeben, ihn für seinen Meister erkennen, ihm aus Ehrerbiethung nachgeben. Da man zwey Hauptarten von Schiffen hat, Hochborte, welche vermittelst der Segel fortgetrieben werden, und Niederborte, welche sich mit Rudern forthelfen, so verstehet es sich von selbst, daß die obigen R. A. so wie das Zeitwort segeln, nur von solchen Schiffen und Fahrzeugen gebraucht werden können, welche sich wirklich der Segel bedienen. Figürlich wird dieses Wort auch wohl für das Schiff selbst gebraucht. Eine Flotte von zwanzig Segeln, d. i. von zwanzig Schiffen.

Anm. Bey dem Ottfried im männlichen Geschlechte ther Segal, auch im Theuerdanke der Segel, im Nieders. Schwed. und Angels Segel, im Engl. Sail, im Pohln. Zagiel. Da die Endsylbe die bloße Ableitungssylbe -el ist, welche hier ohne Zweifel ein Werkzeug bedeutet, so kann es wohl seyn, daß dieses Wort mit ziehen, in seiner weitesten neutralen Bedeutung der Veränderung des Ortes, verwandt ist, und ein Werkzeug der Bewegung bedeutet, wenn es nicht vielmehr mit Sagum, Zeug, Tuch, u. s. f. Eines Geschlechtes ist.


Segelbaum (W3) [Adelung]


* Der Segelbaum, des -es, plur. die -bäume, eine im Hochdeutschen veraltete Benennung des Mastbaumes, welcher noch Apost. Gesch. 27, 40 vorkommt.


Segeler (W3) [Adelung]


Der Segeler, zusammen gezogen Segler, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eigentlich, ein Schiff in Ansehung seiner Art und Weise zu segeln. So heißt ein Schiff ein guter Segler, wenn es gut segelt. 2. In der Naturgeschichte heißt der Nautilus oder Schiffsküttel, bey einigen der Segler, weil er auf der Oberfläche des Meeres gleichsam segelt. 3. Schwindelige Schafe, welche auf die Seite wanken und im Kreise herum gehen, werden in der Landwirthschaft Segler genannt.


Segelfertig (W3) [Adelung]


Segelfertig, adject. et adverb. fertig, unter Segel zu gehen, oder abzusegeln.


Segelgarn (W3) [Adelung]


Das Segelgarn, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine besonders im Niederdeutschen übliche Benennung des Bindfadens, weil daraus die Segel verfertiget werden. Aus Unkunde dieser Abstammung schreiben und sprechen viele Hochdeutsche dieses Wort oft Siegelgarn.


Segellinie (W3) [Adelung]


Die Segellinie, plur. die -n, bey einigen, eine krumme Linie, welche derjenigen ähnlich ist, die ein Segel annimmt, wenn der Wind - darein bläset, Linea velaria.


Segelmacher (W3) [Adelung]


Der Segelmacher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher in den Seestädten die Segel verfertiget.


Segelmeister (W3) [Adelung]


Der Segelmeister, des -s, plur. ut nom. sing. auf den Schiffen, derjenige, welcher die Segel und das Segelwerk in seiner Aufsicht hat, und das schadhafte daran ausbessern muß, und wohl noch einen Obersegelmeister über sich hat. Beyde gehören zu den Unter-Officieren eines Schiffes.


Segeln (W3) [Adelung]


Segeln, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, vermittelst der Segel den Ort verändern, ver- mittelst der Segel fahren oder fortgetrieben werden, da es denn nur von solchen Schiffen und Fahrzeugen gebraucht werden kann, welche sich der Segel bedienen. Es bekommt das Hülfswort haben, wenn die Richtung nicht ausdrücklich bestimmt wird. Das Schiff segelt schnell, hatte schnell gesegelt Wir haben den ganzen Tag gesegelt. Wird aber die Richtung bestimmt, so erfordert es das Hülfswort seyn. Das Schiff ist vor uns vorbey gesegelt. Die Flotte ist nach Amerika gesegelt. Wir sind auf den Grund gesegelt. II. Als ein Activum, doch nur in einigen Ausdrücken. Ein Schiff in den Grund segeln, im Segeln an ein anderes Schiff stoßen; so daß dasselbe einen Leck bekommt und sinken muß. So auch das Segeln.

Anm. Im Nieders. seilen und segeln, im Angels. seglian, im Engl. to sail, im Schwed. segla. Es ist von Segel gebildet. In besegeln bedeutet es auch mit Segeln versehen.


Segelstange (W3) [Adelung]


Die Segelstange, plur. die -n, die lange starke Querstange, welche an dem Mastbaume befestiget wird, und woran das Segel hängt; in der Sprache der Seefahrer die Rahe, S. dieses Wort.


Segelstein (W3) [Adelung]


* Der Segelstein, des -es, plur. die -e, eine im Deutschen veraltete Benennung des Magnetes, weil er bey dem Segeln von großem Nutzen ist.


Segeltuch (W3) [Adelung]


Das Segeltuch, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -tücher, grobes Tuch, woraus die Segel bereitet werden.


Segelwerk (W3) [Adelung]


Das Segelwerk, des -es, plur. car. ein Collectivum, die Segel mit allem ihrem Zugehör.


Segen (W3) [Adelung]


Der Segen, des -s, plur. ut nom. sing. ein allem Anschein nach mit der christlichen Religion aus dem Lat. Signum, in die Deutsche Sprache eingeführtes Wort, welches indessen in mehrern Bedeutungen üblich ist. 1. Eigentlich, das Zeichen des Kreuzes, so fern es mit den Händen gemacht wird, um dadurch übernatürliche Wirkungen hervor zu bringen, in welchem Verstande es noch bey dem großen Haufen in der Römischen Kirche üblich ist. Den Segen machen, das Zeichen des Kreuzes. Schon Ottfried gebraucht es B. 5. Kap. 1 in diesem Verstande. 2. In weiterer Bedeutung, verschiedene mit diesem Zeichen des Kreuzes verbundene Formeln oder Reden. (1) Eine Formel, wo man durch gewisse hergesagte Worte eine übernatürliche Wirkung hervor zu bringen sucht, wohin denn auch die Zauber- und Beschwörungsformel gehören; bey welchen das Zeichen des Kreuzes gemißbraucht wird; eine nur noch unter dem großen Haufen übliche Bedeutung. Der Feuersegen, eine Formel, womit man eine Feuersbrunst zu löschen glaubt; der Viehsegen, bezaubertes Vieh damit zu heilen; der Fiebersegen, das Fieber damit zu vertreiben, der Wettersegen u. s. f. Daher den Segen sprechen, eine solche Formel hersagen, der Segensprecher, oder Segner, eine noch in den gemeinen Sprecharten übliche Benennung eines Beschwörers durch dergleichen Formeln, u. s. f. (2) Ein Gebeth oder eine Gebethsformel, eine noch in den Zusammensetzungen Morgensegen und Abendsegen übliche Bedeutung. Im Oberdeutschen sagt man auch der Reise oder Wandersegen, das Gebeth eines Reisenden, der Tischsegen, das Tischgebeth u. s. f. Indem dergleichen Gebethe in der Römischen Kirche gleichfalls mit dem Zeichen des Kreuzes begleitet werden. (3) Die feyerliche ehedem und eigentlich mit dem Zeichen des Kreuzes verbundene Ankündigung der künftigen Gnade Gottes, künftiger Glückseligkeit von Gott; wo der Plural nur von mehrern Formeln dieser Art üblich ist.

(a) Eigentlich. Jemanden seinen Segen geben. Der Segen, welchen ein sterbender Vater seinen Kindern gibt oder ertheilet. Auch in den Kirchen, die feyerliche mit dem Zeichen des Kreuzes verbundene Anwünschung der göttlichen Gnade. Den Segen sprechen. (b) Figürlich, so wohl ein Versprechen eines künftigen Gutes, eine nur in der Deutschen Bibel und biblischen Schreibart übliche Bedeutung. Es werden über dich kommen alle diese Segen, 5 Mos. 28, 2. als auch jede Anwünschung eines künftigen Gutes, im Gegensatze des Fluches; wo es nur zuweilen noch in der höhern Schreibart gebraucht wird. Tausend Segen eilen für dich gen Himmel, tausend gute Wünsche. 3. Figürlich, die Wirkung dieses feyerlichen Segens und zwar, (1) Vervielfältigung des zeitlichen Vermögens, und in weiterm Verstande, das Gedeihen, der gute Fortgang seiner Bemühungen, ohne Plural; im Gegensatze des Unsegens. An Gottes Segen ist alles gelegen. Gott gebe seinen Segen dazu, lasse es gedeihen. Den Segen Gottes spüren. Das bringt keinen Segen. Dabey ist kein Segen. Mit Segen arbeiten. (2) Menge, Reichthum von Gütern aller Art, besonders so fern derselbe als ein Geschenk des höhern Wesens angesehen wird; ohne Plural, außer etwa von mehrern Arten. Der Ehesegen, Kinder als ein Gut, als ein Geschenk Gottes betrachtet. Der Erntesegen die Feldfrüchte, so fern sie ein Geschenk Gottes sind. Den Segen der Felder in die Scheuer bringen. Von den Bäumen und vom Weinstock lächelt des Jahres Segen, Geßn. Ihn entzückt jede Schönheit des wechselnden Jahres, jeder Segen der Natur, eben derselbe. Der uns mit einem reichen Segen Von Korn ein ganzes Jahr ernährt, Gell. Von Jahren alt, an Gütern reich, Theilt einst ein Vater sein Vermögen Und den mit Müh erworbnen Segen, u. s. f. eben ders. Allerley geistlicher Segen, Ephes. 1, 3, geistliche Güter. Da es denn zuweilen auch für Glückseligkeit überhaupt gebraucht wird, so fern sie als eine Gabe Gottes angesehen wird. Jemanden zum Segen setzen, Ps. 21, 7, zum Beyspiel aller Glückseligkeit aufstellen; eine bloß biblische Figur. Anm. Schon bey dem Ottfried Segene, im Nieders. Segen. S. das folgende.


Segnen (W3) [Adelung]


Segnen, verb. regul. act. mit dem Zeichen des Kreuzes als einem Ankündigungs- und Erwerbungsmittel übernatürlicher Wirkungen bezeichnen. 1. Eigentlich, in welcher Bedeutung es in der christlichen Kirche sehr frühe üblich ward, aber auch bald gemißbraucht worden, so daß man diesem bloßen Zeichen des Kreuzes allerley abergläubige Wirkungen beylegte, daher dieses Zeichen bey und nach der Reformation unter den Protestanten veraltete, obgleich das Wort in allen seinen schon damahls üblichen Bedeutungen geblieben ist. In der Römischen Kirche ist, sich segnen, noch jetzt, das Zeichen des Kreuzes mit den Händen vor sich machen. Sich kreuzigen und segnen. 2. In weitern Verstande wird dieses Zeitwort auch von verschiedenen mündlichen Handlungen gebraucht, welche in der christlichen Kirche mit diesem Zeichen des Kreuzes verbunden waren, und noch sind. (1) Durch das Zeichen des Kreuzes und mit Hersagung gewisser - Formeln übernatürliche Wirkungen hervor zu bringen suchen; eine noch unter dem großen Haufen in der katholischen Kirche übliche Bedeutung. Das Feuer segnen. Das Vieh, das Fieber u. s. f. segnen. ( S. Segen.) Daher Segner ehedem einen Zauberer oder Beschwörer dieser Art bedeutete. (2) * Mit dem Zeichen des Kreuzes und Anwünschung alles Guten von jemanden Abschied nehmen, eine in der christlichen Kirche ehedem übliche Bedeutung, daher segnen und gesegnen ehedem so viel war, wie Abschied von etwas nehmen, dasselbe verlassen. Die Welt segnen oder gesegnen, sterben. Segne Gott und stirb, Hiob. 2, 9; entsage Gott. Der Mensch stirbt zeitlich oder spat, So bald er nur gesegnet hat, So wird er in den Hand versenket, Opitz. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet. (3) Mit dem Zeichen des Kreuzes danken, und in weiterm Verstande danken überhaupt; eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Theuerdank gesegnet sie freundlich, Theuerd. Kap. 106, er dankte ihnen. Besonders wird es in der höhern Schreibart für danken, preisen gebraucht. Laß uns das Glück segnen, welches uns mit den Empfindungen der Tugend bekannter macht, Dusch. Segnet sein Grab, streut Rosen darauf, Zach. (4) Böses wünschen, fluchen, lästern, vielleicht auch, weil man dazu ehedem das Zeichen des Kreuzes mißbrauchte; eine veraltete Bedeutung, welche indessen noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Du hast Gott und dem Könige gesegnet, 1 Kön. 21, 10. Er wird dich ins Angesicht segnen, Hiob. 1, 11. (5) Mit dem Zeichen des Kreuzes feyerlich die göttliche Gnade ankündigen und mittheilen. So segnet der Geistliche in der Kirche das Volk. Da es denn auch allen feyerlichen Ankündigungen künftiger Glückseligkeit gebraucht wird, wenn selbige gleich nicht mehr mit diesem Zeichen verbunden ist. So segnet ein sterbender Vater seine Kinder. ( S. auch Einsegnen.) In noch weiterer Bedeutung, für Gutes wünschen überhaupt, doch nur in der biblischen Schreibart. Man schilt uns, so segnen wir, 1 Cor. 4, 12. 3. Figürlich, die diesem Zeichen zugeschriebene gute Wirkung hervor bringen, wo es eigentlich von Gott gebraucht wird. Es bedeutet hier überhaupt, den menschlichen Bemühungen alles das Gute in reichen Maße ertheilen, welches sie zu erhalten suchen, dahin denn guter Erfolg, Gedeihen, Vervielfältigung des Vermögens; u. s. f. gehören. Gott segne ihr Bemühen, er lasse dasselbe einen guten Erfolg haben. Einen gesegneten Ausgang haben, einen von Gott veranstalteten guten Ausgang. Mit Gesundheit, mit zeitlichen Gütern, mit Kindern gesegnet seyn. Ein gesegneter, von Gott beglückter, Mann. Gesegnetes Leibes seyn, schwanger seyn. Im Scherz gebraucht man es auch wohl von Dingen, welche nicht als ein Gut betrachtete werden können. Mit Fehlern gesegnet seyn, viele Fehler haben. So auch das Segnen. Das Hauptwort die Segnung für Segen zuweilen in der höhern Schreibart gebraucht.

Anm. Bey dem Ottfried und im Tatian segenon, im Nieders. segnen. Zu Kero's Zeiten scheinet dieses Wort noch nicht gangbar gewesen zu seyn, weil er benedicere immer noch durch uuihan oder uuelaquedan, wohl sagen, übersetzt. Da wir eine Ableitungssylbe -nen, haben, welche Iterativa und Intensiva macht, so würde sich dieses Zeitwort auch füglich aus dieser Form erklären lassen, da es von einem alten mit sagen verwandten Zeitwort segen abstammen würde, von welchem das Hauptwort Segen noch ein Überbleibsel wäre. Allein es ist weit wahrscheinlicher, daß es erst mit der christlichen Religion aus dem Lat. signare eingeführet worden, und ursprünglich nichts anders als mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnen, bedeutet hat, da es denn durch den in der christlichen Kirche nach und nach aufgekommenen häufigen Gebrauch und Mißbrauch nicht nur ein völlig Deutsches Ansehen, sondern auch den weiten Umfang seiner Bedeutungen bekommen hat. Die Schwedische Sprache bestätiget diese Ableitung, wo signa so wohl mit dem Zeichen des Kreuzes bezeichnen, als auch beschwören, Gutes ankündigen, und endlich auch siegeln oder signiren bedeutet.


Sehe (W3) [Adelung]


Die Sehe, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte. 1. Das Vermögen zu sehen, das Gesicht, ohne Plural; eine nur noch im gemeinen Leben übliche Bedeutung. Sie möchten sich, etwa die Sehe schwächen, wenn sie mich genau ansehen sollten, Gell. 2. Das Werkzeug des Sehens, d. i. das Auge, auch nur in den niedrigen Sprecharten. Die Jäger nennen die Augen des Hasen, die Sehen. Im Albanischen ist Siu, das Auge. Bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern, als dem Übersetzer des Isidor, dem Notker, dem Raban Maurus und andern ist Seha, der Augapfel, dagegen bey einigen Neuern so wohl die krystallene Haut des Auges, als auch der helle glänzende Fleck im Auge, welchen auch die Mahler ausdrucken, die Sehe heißt.


Sehe-Axe (W3) [Adelung]


Die Sehe-Axe, plur. die -n, in der Optik, die gerade Linie, welche aus einem Puncte einer Sache, nach welcher man siehet, durch den Mittelpunct des Auges gehet; Axis opticus.


Sehen (W3) [Adelung]


"Sehen", verb. irreg. ich sehe, du siehest (siehst), er siehet; (sieht) Imperf. ich sahe, Conj. sähe; Mittelw. gesehen; Imperat. siehe (sieh). Es ist in doppelter Gestalt üblich.

I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben.

1. Eine gewisse Gestalt haben, welche durch ein Beywort ausgedruckt wird. Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer sehen, Matth. 6, 16; eine sauere Gesichtsbildung annehmen. Warum siehest du so scheel? Matth. 20, 10. Die Jungfrauen sehen jämmerlich, Kap. 1, 4. So sauer auch die liebe Mutter sah, Gell. Blaß sehen. Er siehet wie Wein. Die Farbe sieht grünlich. Sie sehen ja ganz verdrüslich, Gell. Jetzt sehen sie so sein rothbäckig, wie ein Borstorfer Äpfelchen, Weiße. Man mag gleich stumm und hirnlos seyn. Man seh nur schön, so nimmt man ein, Gell. Es ist in dieser Bedeutung nur im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart üblich, besonders in Meißen, obgleich auch dafür aussehen üblich ist. Nur in den R. A. ähnlich sehen, gleich sehen ist es überall gebräuchlich. Er siehet dir sehr ähnlich. Der Tomback sieht dem Golde gleich.

2. Eine gewisse Richtung haben; eine Bedeutung, welche im Oberdeutschen üblicher ist, als im Hochdeutschen. Die Spitzen der Berge sahen am siebenten Tage hervor. 1 Mos. 4, 5. Die Fenster sehen auf die Gasse. Das Land siehet gegen Morgen.

II. Als ein Activum, ob es gleich auch hier oft absolute und in Gestalt eines Neutrius siehet, vermittelst des Auges empfinden, sich das Bild einer Sache vermittelst der Stahlen, die ans derselben in das Auge fallen, vorstellen.

1. Eigentlich. So wohl absolute und in Gestalt eines Neutrius. Ich sehe nicht. Vor dem Nebel kann man nicht sehen. "Er siehet nicht gut", hat ein "blödes Gesicht". Wenn ich anders recht sehe. Meine Augen sehen nicht so weit. Nicht aus den Augen sehen können. Nun sehen sie aus andern Augen, fig. nun haben sie eine ganz andere Gestalt. Durch ein Glas, durch die Brille sehen. Durch die Finger sehen, figürlich, eine Sache mit Wissen ungeahndet lassen. Von der Seite sehen. Als auch in mehr thätiger Gestalt, mit der vierten Endung. Ich sehe nichts. Du sahest alles. Vier Augen sehen mehr als zwey. Von allen gesehen werden. Ich sehe es mit meinen Augen, vor meinen Augen, eine nachdrückliche Art zu reden. Sich an etwas nicht satt sehen können. Ja, wie sie sehen. Es ist was Neues zu sehen. Es gibt hier was zu sehen. Ich will den sehen, der etwas daran zu tadeln findet, d. i. es wird gewiß niemand etwas daran zu tadeln finden. Seine Freude, seine Lust an etwas sehen, eine besondere R. A. es mit Wohlgefallen ansehen; seinen Jammer an etwas sehen, es mit Jammer ansehen. Ingleichen mit allerley Vorwörtern. Auf etwas sehen, die Augen auf etwas richten. Jedermann sahe auf ihn. Ich habe nicht darauf gesehen. Jemanden auf die Finger sehen, seine Handlungen genau beobachten. Eine andere figürliche Bedeutung mit dem Vorwort auf kommt im folgenden vor. Jemanden in das Gesicht sehen. Man kann nicht allen Leuten in das Herz sehen. Jemanden in die Karte sehen. Einen in die Hände sehen müssen, figürlich, seinen Unterhalt sparsam von ihm haben. Geschwind, wie müssen ganz in dieß Geheimniß sehen, Weiße. es zu ergründen suchen. Nach etwas sehen, auch figürlich sehen, ob es nicht etwa Schaden leide. Nach dem Essen, nach dem Kranken sehen. Sehr häufig wird sehen lassen, für zeigen, und sich sehen lassen, für zum Vorschein kommen, erscheinen, sichtbar seyn, gebraucht. Etwas für das Geld sehen lassen. Jemanden seine Schätze sehen lassen. Laß sehn, spricht Galathee, obs auch die meine sey, Gellert. Es läßt sich ein Komet, ein Irrlicht, ein Gespenst sehen. Die Frau hat sich nach ihrem Tode sehen lassen, ist erschienen. In diesem Selbstbetruge wird sie ihnen (besser sie) ihr ganzes Herz sehen lassen, Gell. Da kann ich ihnen (sie) die Geschicklichkeit meiner Frau sehen lassen, eben ders. Laß mich es sehen, nicht mir. Sich den ganzen Tag nicht sehen lassen, nicht unter die Leute kommen. Er darf sich nicht sehen lassen. Der Imperativ siehe wird in der Deutsche Bibel häufig gebraucht, Aufmerksamkeit zu erregen. In diesem Verstande ist er veraltet; aber man gebraucht ihn noch häufig, theils seine eigene Verwunderung auszudrücken, theils solche bey andern zu erwecken, da man ihm denn in der zweyten einfachen Person allemahl ein da zugesellet; siehe da! Ich stand und wartete, und siehe da! er kam nicht. Siehe da, wie übel du gethan hast. In den übrigen imperativen Formen fällt dieses da weg. Man sehe doch, wie sich die Männer so geschwinde ändern können. Seht doch! gleich den Stuhl vor die Thüre gesetzt! Gell. Das Mittelwort sehend kommt so wohl in adverbischer als adjectivischer Gestalt vor, ist aber mehr der vertraulichen und gemeinen Sprechart eigen, als der höhern. Wieder sehend werden, sein Gesicht wieder bekommen. Die Blinden sehend machen, in der Deutschen Bibel. Saul war drey Tage nicht sehend, Apost. 9, 9. Sehende Augen, häufig in der Deutschen Bibel. Mit sehenden Augen blind seyn. Geschenke machen die sehenden blind, 2 Mos 23, 8. Wenn sehen ein Zeitwort ohne daß bey sich hat, so stehet dieses Zeitwort im Infinitiv ohne zu; eine Wortfügung, welche auch bey den Zeitwörtern dürfen, heißen, helfen, hören, lassen, können, lehren, lernen, müssen u. s. f. Statt findet. Ich sahe ihn kommen. Einen Mann von Kenntniß und Geschmack siehet man wohl lächeln, hört ihn aber niemahls lachen. Ich sehe dich leiden, weinen, deine Hände ringen, höre deine Klagen, deine Seufzer alle, Dusch. Da denn in den zusammen gesetzten Zeiten auch sehen sein Augment verlieret. Man hatte mich herum schleichen sehen, Weiße; nicht gesehen. Ich habe ihn in großer Eil' aus dem Hause laufen sehen, Gell. Nur muß man diejenigen Fälle zu vermeiden suchen, wo das andere Zeitwort so wohl einer thätigen als lebenden Bedeutung fähig ist, weil alsdann die Zweydeutigkeit nicht zu vermeiden ist; z. B. ich sahe ihn prügeln, ich habe ihn taufen sehen. Ganz wider diese Regel heißt es bey dem Opitz: So daß man diesen Tod sieht offenbar zu seyn. Zugleich bey Freund und Feind; d. i. daß er Freunden und Feinden bekannt ist. Und an einem andern Orte: Lehrer, die man doch gesehn entblößt zu seyn Von irgend einer Macht.

Zu geschweigen, daß das Zeitwort "seyn" mit "sehen" nicht im Infinitiv verbunden werden kann.

2. Figürlich, von verschiedenen Wirkungen der Seele, welche durch den Sinn des Gesichts veranlaßt werden, und mit demselben verbunden sind.

(1) Unmittelbar empfinden, durch die Sinne erfahren, doch immer zunächst von der Erfahrung oder Empfindung durch den Sinn des Gesichts. Man muß sehen und auch nicht sehen. Ich sehe wohl, daß er mich nur hintergehen will. Ich muß sehen, daß man mich verachtet. Die Gefahr vor Augen sehen. Wie sie sehen, der Handel ist geschlossen. Ich will die Sache geendiget sehen. Er möchte gern jedermann glücklich sehen. Soll ich dich in kurzen an dem Nöthigen Mangel leiden sehen? Etwas gern sehen, herrschende Lust oder Vergnügen daran empfinden. Du wirst hier nicht gern gesehen. Wir sehen täglich, daß Personen sich aus Dingen ein Vergnügen machen, worin alle übrige keines finden. Ich will doch sehen, wie es ablaufen wird. Ich will nur gern sehen, was daraus werden wird. Wenn ich sehe, daß mein Bitten sein Herz nicht rühret. Wer rühmlich handelt, weil er keinen Bessern über sich sehen will, der ist aus der bösesten Neigung, aus Neid, gut, Gell. Wer einsam lebt, hat wenig Gelegenheit das zu sehen, was unter der menschlichen Gesellschaft vorgehet. Wenn dieses Wort in der Deutschen Bibel von Gott gebraucht wird, so bedeutet es, aus unmittelbarer Vorstellung auf anschauende Weise erkennen.

(2) Schließen, urtheilen. Hieraus sehe ich, daß u. s. f. Ich sehe es dir an den Augen an. Man siehets an seinen Kleidern, daß er wenig Geschmack besitzet. Ich sehe nicht, wozu das soll. Er lachte, aber man sahe, daß dieß Lachen nicht aus dem Herzen kam. Ich sehe nur allzuwohl, was dieses zu bedeuten hat. So weit sah keiner noch, als der gesehen hat, Gell.

(3) Versuchen, einen Versuch machen. Wir müssen sehen, wie wir ihn dazu bewegen. Ich will sehen, ob ich etwas ausrichten kann. Sehen sie, daß sie ihn hierher bringen. Laß sehn, wer unter uns am weitsten werfen kann, Kost. Ich will sehen, ob ich nur noch einige Tage Aufschub erhalten kann, Weiße.

(4) Sorge, Fleiß, Mühe anwenden. Wir müssen sehen, daß wir Geld bekommen. Er mag sehen, wie er zurecht kommt, er mag dafür sorgen. Wir wollen sehen, wie wir mit ihr aus einander kommen, Gell. Besonders Vorworte auf, auf etwas sehen, Sorge dafür tragen, es zu erhalten, zu bekommen. Nur auf seinen Nutzen sehen. Er stehet nicht auf das Geld. Wir müssen doch ein wenig auf das Äußerliche sehen. Bey einer guten Erziehung muß vornehmlich darauf gesehen werden, daß junge Leute mit Geschmack und Empfindung lesen lernen, Gell. Ingleichen in Betrachtung ziehen. Sehen sie nicht auf den Werth des Geschenkes, sondern auf mein Herz. So auch das Sehen. Siehe auch das "Gesicht".

Anm. Schon im Isidor, bey dem Kero u. s. f. "sehan", bey dem Ulphilas mit einem starken Hauche, der Gaumenlaut übergehet, "saighan", im Niederdeutschen ohne Hauchlaut "seen", im Engl. "to see", im Angels. "seon", im Schwed. "se", im Isländ. "sia", im Äolischen "???", wofür andere Griechische Mundarten "???" sagen, im Hebr. "???", "???", "???". Die neutrale Bedeutung, "gesehen werden", "eine gewisse Gestalt haben", ist ohne Zweifel die erste und älteste, und da dieses eine Wirkung des Lichtes ist, so erhellet daraus die Verwandtschaft dieses Wortes mit "Schein", Hebr. "???", zumahl da in allen alten morgenländischen Sprachen "???", "glänzen" bedeutet. Das mehr Oberdeutsche "schauen", ist bloß ein Intensivum von "sehen", so wie "suchen", "sehnen" und "zielen", Intensiva in andern Bedeutungen, "zeigen" aber, Engl. "to shew", das Factitivum davon ist. Aus der irregulären Form dieses Zeitwortes erhellet, daß es aus mehrern Mundarten zusammen gesetzet ist, wovon sich in den Provinzen noch häufige Spuren finden. Im Österreichischen gehet das Präsens: "ich siech", "du siechst", "er siecht"; Imperat. "sich"; in andern Oberdeutschen Gegenden, "ich siehe", "du siehest" u. s. f. In noch andern Gegenden gehet es regulär, "ich sehe", "du sehest", "er sehet" ec. Imperf. "ich sehete", Imperat. "sehe". Der Imperat. lautet im Isidor "see" und "seegi", im Tatian, wenn es anders keine falsche Leseart ist, "senu". Im Hochdeutschen ist das "e" in der ersten Sylbe scharf, wie in "gehen"; die Schlesier und einige andere Mundarten sprechen es wie "ä", "sehen".


Sehenerve (W3) [Adelung]


Der Sehenerve, des -n, plur. die -n, Nerven, welche in das Auge gehen, und das Sehen verursachen; Gesichtsnerven.


Seher (W3) [Adelung]


Der Seher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Seherinn, ein in dem gewöhnlichen Sprachgebrauche veraltetes, aber noch in der Deutschen Bibel befindliches Wort, einen Propheten, eine Prophetinn zu bezeichnen, d. i. eine Person, welche in die Zukunft siehet, zukünftige Dinge gleichsam vorher siehet. Nur einige Neuere haben es in dieser Bedeutung in der höhern Schreibart wieder gangbar zu machen gesucht. So nennt z. B. Klopstock seine Muse die Seherinn Gottes.


Sehewinkel (W3) [Adelung]


Der Sehewinkel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Optik, derjenige Winkel, unter welchem man die Gegenstände siehet, das ist, der Winkel, welchen die beyden Strahlen, die von den äußersten Puncten einer Sache ausfließen, in dem Mittelpuncte des Auges machen.


Sehm (W3) [Adelung]


Sehm, ein auf den Blechhämmern, so viel ich weiß, nur in dem zusammen gesetzten Sehmheißgleicher übliches Wort, wo es eine Art Gleicher bedeutet, welche von dem Forderheißgleicher unterschieden ist. Die eigentliche Bedeutung dieses Wortes läßt sich nur bey einer nähern Kenntniß jener Arbeit bestimmen; indessen scheinet es mit dem Hamburgischen Semm, eine Angelschnur, und dem Oberdeutschen Semde, Binsen, verwandt zu seyn, welche wiederum zu unserm Sehne gehören, indem m und n oft in einander übergehen. Senf heißt im Niederd. Semp. S. Seime.


Sehmisch (W3) [Adelung]


Sehmisch, S. Sämisch.


Sehnader (W3) [Adelung]


Die Sehnader, plur. die -n, in den thierischen Körpern, ein der Ausdehnung in die Länge nach den Adern ähnliches, aber weißes, länglich rundes und sehr zähes Wesen, welches die Glieder des Körpers mit einander verbindet, und die Muskeln in Bewegung setzet; die Sehne. S. Bandader.


Sehne (W3) [Adelung]


Die Sehne, plur. die -n, ein Wort, welches ehedem ein jedes Band, eine jede Schnur zum Spannen oder Ausdehnen bedeutet zu haben scheinet. Noch jetzt nennen die Jäger die Leinen oder starken Stricke an der Jagdzeugen, Sehnen, oder nach Oberdeutscher Mundart Sennen. Wir gebrauchen es im Hochdeutschen nur noch in der eben gedachten Bedeutung für Sehnader, wo man im gemeinen Leben alle rundliche Bänder in den thierischen Körpern, Sehnen nennet, sie mögen nun bloß zur Verbindung der Glieder, und besonders der Knochen, oder auch zur Spannung, Biegung und Ausdehnung der Glieder dienen. In der Anatomie macht man hingegen unter beyden einen Unterschied, und nennt die erstern Sehnen, Sehnadern oder Bandadern, Vincula, und die letztern Spannadern, Nerven. Daher die Sehne an einem Bogen, weil sie ursprünglich aus den starken Sehnen großer Thiere verfertiget wurde. Nach einer von diesen Bogensehnen entlehnten Figur ist in der Geometrie die Sehne, Chorda, eine jede Linie, welche außer dem Mittelpuncte von einem Puncte der Pe- ripherie eines Zirkels zu dem andern gezogen wird. Gehet diese Linie durch den Mittelpunct, so heißt sie der Durchmesser, Diameter.

Anm. Bey dem Notker von einer Sehne am Bogen Senuu, Seneuua, bey dem Hornegk Senib, mit der gewöhnlichen Vertauschung des s und t, im Schwed. Tan, im Wallis. Tant, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; ohne Zweifel aus Einer Quelle mit dehnen, entweder so fern die Sehne zur Ausdehnung und Spannung dienet, oder auch in weiterer Bedeutung, so fern sie selbst ein in die Länge ausgedehntes Ding ist, daher auch die Schuhriemen bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern Than, und ein Reis im Angels. Tan heißt. S. auch Zain, welches gleichfalls damit verwandt ist.


Sehnen (W3) [Adelung]


Sehnen, verb. regul. reciproc. einen hohlen Grad des herrschenden Verlangens nach einer Sache empfinden, wobey diese Sache allemahl das Vorwort nach bekommt; sich nach etwas sehnen. Ich send e nach der schonen mich. Heinrich von der Mure. Ein Knecht sehnet sich nach dem Schatten, und ein Tagelöhner, daß seine Arbeit aus sey, Hiob 7, 2. Meine Seele sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn, Ps. 84, 3. Ein Durstiger sehnet sich nach einem frischen Trunke, ein Hungriger nach der Speise. Sich nach seinem Vaterlande, nach Hause sehnen. So auch das Sehnen. Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt dieses Wort sehr oft vor, wo es auch, obgleich seltener, ohne Reciprocation gebraucht wird. Nach der besten minne sennet min lip, Walth. von Clingen. Den Niederdeutschen und nördlichen Mundarten scheinet dieses Zeitwort unbekannt zu seyn; die Niederdeutschen gebrauchen dafür janken und anken, und einige Oberdeutsche ameren, welches schon bey dem Hornegk vorkommt. Was die Abstammung betrifft, so lässet sich selbige nur muthmaßlich bestimmen. Da wir eine eigene Ableitungssylbe -nen, haben, welche Intensiva bildet, so kann sehnen ein solches Intensivum von sehen seyn, wie lehnen von legen, dehnen von ziehen u. s. f. und für sehenen siehen, wie schon Wachter und Frisch angenommen haben, da es denn eigentlich bedeuten würde, scharf und mit Begierde nach etwas sehen. Da aber send und sen, ein altes bey den Schwäbischen Dichtern sehr häufiges Wort ist, welches schmerzhaft, ängstlich u. s. f. bedeutet, so kann sehnen ehedem auch Kummer empfinden, sich kränken überhaupt bedeutet haben, wovon in dem folgenden sehnlich noch eine Spur übrig ist. Das er ein senendes herze treit, ein betrübtes, Ditmar von Aft; sende klage, traurige schmerzliche. Des Herrn Ihre Ableitung, der unser sehnen von dem Schwed. sen, langsam, im Oberd. senlich, ( S. Frisch) abstammen lässet, da es denn zu unserm senden gehören würde, scheint zu sehr gesucht zu seyn, obgleich das Franz. tarder und Engl. to long, sich sehnen, selbige dem Anscheine nach bestätigen, welche aber auch eine andere Ableitung leiden, S. Verlangen.


Sehnig (W3) [Adelung]


Sehnig, -er, -ste, adj. et adv. viele Sehnen habend. Sehniges Fleisch.


Sehnlich (W3) [Adelung]


Sehnlich, -er, -ste, adj. et adv. 1. * Ängstlich, im hohen Grade betrübt, schmerzlich; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Seneliche not, seneliche swerde, bey den Schwäbischen Dichtern, welche auch send in eben dem Verstande gebrauchen. Niemand höret zu, wie ich so sehnlich meine, Opitz. Jetzt muß ich über dich, und muß gar sehnlich klagen, eben ders. S. Sehnen,

Anm. 2. In einem hohen Grade des herrschenden Verlangens nach etwas gegründet. Sehnlich auf etwas hoffen, warten. Ein sehnliches Verlangen.


Sehnsucht (W3) [Adelung]


Die Sehnsucht, plur. car. ein hoher Grad des herrschenden Verlangens nach etwas. Mit Sehnsucht auf etwas hoffen. ( S. Sucht.) Daher sehnsüchtig, darin gegründet, sehnlich. Meine Augen sehen sehnsüchtig nach einem Trost umher, Dusch.


Sehr (W3) [Adelung]


Sehr, ein Nebenwort, welches nur noch in seiner figürlichen Bedeutung üblich ist, da es als eine Intension gebraucht wird, den innern Grad der Stärke des Redetheiles, mit welchem es verbunden wird, zu erhören. Es kann in diesem Verstande so wohl andern Nebenwörtern, als auch Beywörtern und Zeitwörtern zugesellet werden. Sehr groß, sehr klein, sehr viel, sehr wenig, sehr gut, sehr böse. Das kann sehr wohl geschehen. Ein sehr reicher, ein sehr armer Mann. Ein sehr kleines Haus. Dein sehr großer Lohn. Der Schein ist sehr wider dich. Du hast sehr recht. Er verlässet sich sehr darauf. Wüßtest du, wie sehr ich dich liebe. Das richtet mich sehr auf. Eile nicht so sehr. Ich liebe ihn so sehr, als mich selbst. Du widersetzest dich hier allzusehr. Wie sehr du dich auch widersetzest, so wirst du doch unterliegen müssen. Sie mögen mich nun noch so sehr hassen, so werde ich mich doch nie beklagen, Gell. Sie gefallen ihm mehr als zu sehr. Sey noch so sehr ein Held, wird dich das Glück verlassen, Sie werden dein Verdienst, wie seinen Unfall hassen, Weiße; d. i. wenn du gleich der größte Held bist.

Anm. In dieser Bedeutung lautet es schon im Schwabenspiegel ser, Schwed. sara. Da der Begriff der Intension auch in andern Fällen eine Figur theils der Maße, der Last, theils der Geschwindigkeit ist, so gilt selbiges auch in diesem Falle. Die ältesten Oberdeutschen Schriftsteller, wie der Übersetzer Isidors, Kero u. s. f. gebrauchen saar, die Angelsachsen sar, für gleich, den Augenblick, schnell. Daß es mit schwer verwandt ist, erhellet auch aus andern Sprachen, z. B. der Schwed. wo svar, schwer, und svara, sehr ist. Auf ähnliche Art sind das Lateinische valde, sehr, validus, stark, und unser bald, und das alte Niederd. swieth, sehr, Angels. swithe, und unser geschwinde verwandt. Der Begriff des Schmerzens gehöret gleichfalls in dieses Geschlecht, daher das alte Oberdeutsche Seer, Nieders. Sehr, Schmerz. sere, schmerzlich, Nieders. sehr, das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ängsten u. s. f. Siehe auch Versehren. In einigen gemeinen Mundarten wird dieses Nebenwort, wenn es mit Zeitwörtern verbunden ist, compariret, sehrer, am sehrsten. Die Hochdeutsche kennet diese Staffeln nicht, sondern gebraucht dafür in manchen Fällen stärker, am stärksten, in manchen aber mehr, am meisten.


Seichameise (W3) [Adelung]


+ Die Seichameise, plur. die -n, ein Nahme der rothen Ameisen von mittlerer Größe, welche ihre großen Haufen in den Gehölzen bauen, und sich durch einen empfindlichen Stich rächen, wobey sie eine Feuchtigkeit hinterlassen, welche der große Haufe Ameisenseiche nennet; Formica rufa Linn. Hügelameise, Waldameise.


Seichblume (W3) [Adelung]


+ Die Seichblume, plur. die -n, ein Nahme desjenigen Löwenzahnes, welcher sonst auch Mönchskopf, ingleichen Pfaffenblatt genannt wird, Leontodon Taraxicum Linn. vielleicht weil die seifenartige Wurzel den Urin treibt.


Seiche (W3) [Adelung]


+ Die Seiche, plur. die -n, 1. In der niedrigen Sprechart, der Urin, ohne Plural. 2. Ein kleiner Bach, ein kleines rinnendes Wasser heißt so wohl im Bergbaue, als in einigen gemeinen Mundarten die Seiche, wo es doch vielleicht richtiger Seige geschrieben und gesprochen wird, obgleich beyde Wörter nahe verwandt sind.


Seichen (W3) [Adelung]


+ Seichen, verb. regul. neutr. et act. welches im ersten Falle das Hülfswort haben erfordert, aber nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist, sein Wasser lassen. Es ist eine unmittelbare Onomatopöie, daher es auch aus dem gesittetern Umgange verbannet worden. Verwandt sind indessen damit siegen in versiegen, seihen, in gröbern Mundarten seigen, das bergmännische sichern, waschen, und andere mehr, welche das Rinnen des Wassers oder das Hantieren mit demselben ausdrucken.


Seichfliege (W3) [Adelung]


+ Die Seichfliege, plur. die -n, eine Art Fliegen, welche sich gern auf den Auswürfen von Menschen und Thieren aufhält; Musca stercoraria Linn.


Seicht (W3) [Adelung]


Seicht, -er, -este, adject. et adv. 1. Nicht hoch. Ein seichtes Gebirge, im Bergbaue, welches nicht hoch ist, und sich flach erhebet. Es ist in dieser Bedeutung im Bergbaue am üblichsten; doch sang auch Kleist: O Freund, erheb mich von den seichten Hügeln Auf deinen Flügeln! 2. Nicht tief. (1) Eigentlich. Seicht pflügen, nicht tief. Besonders von dem Wasser. Ein seichter Fluß. Seichte Stellen in einem Flusse, in dem Meere, wo sie am häufigsten Untiefen heißn. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch von Gefäßen, wenn sie nach dem Verhältnisse ihrer Größe eine geringe Tiefe haben, wofür im Hochdeutschen flach üblicher ist. Eine seichte Schüssel. (2) Figürlich, wo es dem gründlich entgegen stehet, und in diesem Verstande erst in den neuern Zeiten üblich geworden. Eine seichte Gelehrsamkeit. Ein seichter Verstand, ein seichter Kopf. Ein seichter Witz. Ein seichter Scherz. Des seichten Glycons Bild, des Lächlers ohne Geist, Der stets die Backen dehnt, stets ihre Grübchen weist, Haged.

Anm. Entweder von siegen, in versiegen, wozu sich aber die erste Bedeutung nicht reimet, oder welches noch wahrscheinlicher ist, als ein Verwandter von sacht; zumahl da man im Bergbaue ein seichtes Gebirge auch ein sanftes zu nennen pflegt.


Seichtheit (W3) [Adelung]


Die Seichtheit, plur. inus. der Zustand, da etwas seicht ist; im gemeinen Leben die Seichtigkeit.


Seideln (W3) [Adelung]


Seideln, verb. reg. act. welches nur in einigen Gegenden für fesseln üblich ist. So werden in der Lausitz die Pferde geseidelt, wenn man sie mit gefesselten Füssen weiden lässet, welches im Niederdeutschen tüdern heißt. Es stammet wohl aus den Slavonischen sidlicz, mit Stricken binden, Sidlo ein Strick, Seil, her.


Seiden (W3) [Adelung]


Seiden, adj. et adv. von Seide. Ein seidenes Kleid. Seidene Zeuge, oder Seidenzeuge. Seidene Strümpfe.


Seidenbast (W3) [Adelung]


Der Seidenbast, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, eine Art Bastes, d. i. aus Baumrinde gewebten Zeuges, welcher dem seidenen Zeuge nahe kommt.


Seidenbau (W3) [Adelung]


Der Seidenbau, des -es, plur. car. der Bau der Seide, d. i. die Gewinnung derselben durch Pflege und Wartung der Seidenwürmer. Andere empfehlen dafür das unschicklichere Seidenzucht, wofür man, so fern sich dasselbe auf die Seidenwürmer beziehet, doch Seidenwurmzucht sagen müßte.


Seidenbracher (W3) [Adelung]


Der Seidenbracher, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Bracher, oder Brachvögel, welche über den ganzen Körper eine schwarze, wie Seide glänzende Farbe hat; Numenius holosericus Klein.


Seidendrucker (W3) [Adelung]


Der Seidendrucker, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Drucker, welche Figuren auf seidene Zeuge drucken, zum Unterschiede von den Lein- und Kattundruckern.


Seideney (W3) [Adelung]


Das Seideney, des -es, plur. die -er, das oval runde Gespinst des Seidenwurmes, welches die Gestalt eines Eyes hat, und unter dem Französischen Nahmen Cocon am bekanntesten ist.


Seidenfärber (W3) [Adelung]


Der Seidenfärber, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Färber, welche nur allein seidene Zeuge färben.


Seidenhändler (W3) [Adelung]


Der Seidenhändler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Seidenhändlerinn, eine Art Kaufleute oder Krämer, welche nur allein mit seidenen Zeugen oder Waaren handeln.


Seidenhaspel (W3) [Adelung]


Der Seidenhaspel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Hasspel, die Seide damit von den Seideneyern oder Cocons abzuwinden.


Seidenkraut (W3) [Adelung]


Das Seidenkraut, des -es, plur. inus. S. Flachskraut.


Seidenmühle (W3) [Adelung]


Die Seidenmühle, plur. die -n, eine Maschine, vermittelst welcher eine große Menge auf Spulen oder Rollen gesponnener Seide auf Ein Mahl abgehaspelt und zugleich gezwirnet werden kann; die Zwirnmühle, der Seidenrheder.


Seidenpflanze (W3) [Adelung]


Die Seidenpflanze, plur. die -n, eine Art der Äskulapischen Pflanze, welche in Virginien einheimisch ist, und an ihrem Samen ein langes der Seide ähnliches Flughaar hangen hat, welches aber, weil es nur kurz ist, nicht anders als Wolle oder Floretseide bearbeitet werden kann; Asclepias syriaca Linn.


Seidenraupe (W3) [Adelung]


Die Seidenraupe, plur. die -n, S. Seidenwurm.


Seidenrheder (W3) [Adelung]


Der Seidenrheder, des -s, plur. ut nom. sing. ein oder letzten Hälfte nach Holländisches Wort, eine Seidenmühle zu bezeichnen. Rheder stammet von dem Niederd. reden, bereiten ab.


Seidenrolle (W3) [Adelung]


Die Seidenrolle, plur. die -n, auf eine hölzerne Rolle gesponnene Seide. Diminut. das Seidenröllchen.


Seidenschmetterling (W3) [Adelung]


Der Seidenschmetterling, des -s, plur. die -e, derjenige Schmetterling, welcher die Eyer zu dem Seidenwurme leget; Phalaena Mori Linn. S. Seidenwurm.


Seidensticker (W3) [Adelung]


Der Seidensticker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Seidenstickerinn, eine Person, welche künstliche Figuren mit Seide stickt. Daher die Seidenstickerey, so wohl diese Geschicklichkeit, als auch auf solche Art gestickte Arbeiten.


Seidenwatte (W3) [Adelung]


Die Seidenwatte, plur. die -n, Watte von gefilzter Floretseide, welche hernach gepresset wird, und zusammen hängende Flächen ausmacht; zum Unterschiede von der baumwollenen Watte, daher man dieses Wort auch richtiger seidene Watte schreibt. S. Watte.


Seidenweber (W3) [Adelung]


Der Seidenweber, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Weber, welche nur allein seidene Zeuge weben.


Seidenwurm (W3) [Adelung]


Der Seidenwurm, des -es, plur. die -würmer, eine Art Raupen, welche auf Maulbeerbäumen der wärmsten Länder wohnet, und sich zum Verpuppen ein Gewebe von feinen und starken Fäden macht, welche, wenn sie wieder aufgerollet werden, unter dem Nahmen der Seide bekannt sind; die Seidenraupe. Sie ist die Larve des Seidenschmetterlings, ist aus Ostindien und China, wo sie einheimisch ist, zuerst nach Persien, von da unter dem Kaiser Julian nach Constantinopel, und da nach und nach in das übrige Europa gekommen. Ehedem wurde sie der Laubwurm genannt.


Seidenzeug (W3) [Adelung]


Der Seidenzeug, besser der seidene Zeug, oder seidener Zeug, des -es, doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein aus Seide gewebter oder gewirkter Zeug.


Seidenzucht (W3) [Adelung]


Die Seidenzucht, plur. car. S. Seidenbau.


Seife (W3) [Adelung]


1. Die Seife, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, ein mit einem unmineralischen Alkali verbundenes Fett, welches sich daher im Wasser auflösen lässet. Seife machen oder kochen. Mit Seife waschen. Venetianische, Französische, Spanische Seifen, welche aus Baumöhl und einem Alkali verfertiget werden, dagegen zu unserer gewöhnlichen Seife Talg oder Knochenfett der Thiere genommen wird. Die schwarze Seife, im Niederdeutschen grüne oder braune Seife, ist schmierig und wird aus Thran bereitet, daher sie auch Thranseife genannt wird. In weiterer Bedeutung pflegt man in der Chymie, weil ein jedes mit einem Fette vermischtes Salz, und in noch weiterm Verstande, eine jede Substanz, welche das Öhl mit dem Wasser mischbar macht, eine Seife zu nennen. Der Zucker ist eine sauere Seife.

Anm. Im Nieders. Sepe, im Engl. Sope, im mittlern Lat. Cipum, im Angels. Sape, im Wallis. Sebon, im Franz. Savon, im Span. Xabon, im Schwed. Sapa, im Lat. Sapo, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Plinius und Martial versichern, daß die ex sebo et cinere bereitete Seife ein Erfindung der Gallier sey. Es kann dieses in Ansehung der Römer und Griechen wahr seyn, denn daß die Seife schon den ältesten Morgenländern bekannt war, erhellet unter andern aus der Deutschen Bibel, und selbst der Nahme ist in den morgenländischen Sprachen nicht fremd. Im Persischen heißt die Seife Saboun, im Malabarischen Sawu-karam von karam, Schärfe, und im Arabischen Cabun. Die fettige glat- te, weiche Beschaffenheit ist ohne Zweifel der Grund der Benennung, daher dieses Wort als ein Verwandter von dem Lat. Sebum, Talg, und dem Syr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und Alban. Sipht, Pech, angesehen werden muß. Da die glatte, fettige, schmierige Beschaffenheit eine Figur des Fließens ist, so erhellet daraus die Verwandtschaft, theils mit unserm Suppe und seifen, waschen, theils auch mit dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, fließen, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schmelzen. S. auch Seifen.


Seife (W3) [Adelung]


2. Die Seife, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte seifen, ein Ort, oder eine Anstalt, wo die mit der Erde oder dem Sande vermischten Metallkörner gewaschen, d. i. vermittelst des Wassers geschieden werden, eine Metallwäsche; des Seifenwerk, Fluthwerk, die Wäsche. Die Goldseife, wo die Goldkörner aus diese Art von dem Sande oder der Erde geschieden werden, die Zinnseife, wo man auf solche Art die Zinngraupen erhält.


Seifen (W3) [Adelung]


1. Seifen, verb. reg. act. von 1 Seife, mit Seife beschmieren. Die Wäsche seifen. (Siehe auch Einseifen.) Daher das Seifen.


Seifen (W3) [Adelung]


2. Seifen, verb. reg. act. welches eigentlich Waschen, oder doch im Wasser hantiren bedeutet, aber nur noch im Bergbaue üblich ist, wo es die Metallkörner vermittelst des Wassers von dem damit vermischten Sande oder Gesteine scheiden, bedeutet, welches auch waschen genannt wird. Gold seifen, Zinn seifen. Es ist dafür auch das Intensivum seifenen oder seifnen üblich. Daher das Seifen oder Seifnen.

Anm. Es ist ein altes Wort, welches den Laut, welches das Wasser in seiner Bewegung macht, nachahmet. Daher ist im Wend. ssypam, und im Böhm. sypaty, gießen, und im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - fließen. ( S. 1 Seife.) Verwandte davon sind unser saufen, Suppe, Seifer, Geifer, das Nieders. siepen, tröpfeln und andere mehr.


Seifenapfel (W3) [Adelung]


Der Seifenapfel, des -s, plur. die -äpfel, die einem Apfel ähnliche Frucht des Afrikanischen Seifenbaumes, weil man sich ihrer statt der Seife bedienen kann.


Seifenasche,Seifensiederasche (W3) [Adelung]


Die Seifenasche, oder Seifensiederasche plur. inus. diejenige Asche, deren sich die Seifensieder zur Bereitung der Seife bedienen.


Seifenbach (W3) [Adelung]


Der Seifenbach, des -es, plur. die -bäche, im Bergbaue, ein Bach, an welchem sich eine Erzseife befindet. S. 2 Seife.


Seifenbalsam (W3) [Adelung]


Der Seifenbalsam, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in den Apotheken, ein aus Spanischer Seife, Weingeist, Kampher und Rosmarin-Öhl bereiteter Balsam.


Seifenbaum (W3) [Adelung]


Der Seifenbaum, des -es, plur. die -bäume. 1. Siehe Seifenapfel. 2. Siehe Seifenbeere.


Seifenbeere (W3) [Adelung]


Die Seifenbeere, plur. die -n, die beerartige Frucht, des in bey den Indien einmischen Seifenbaumes, welche die Größe einer Kirsche hat, und deren harte Nuß mit einer braunen Haut bedeckt ist, welche wie Seife schäumet, und in Amerika zum Waschen gebraucht wird; Sapinus Saponaria Linn.


Seifenblase (W3) [Adelung]


Die Seifenblase, plur. die -n, Blasen, welche aus dem Seifenwasser aufsteigen, wenn man durch eine enge Röhre darein bläset.


Seifenen,Seifnen (W3) [Adelung]


Seifenen, oder Seifnen, das Intensivum von 2 Seifen, welches auch statt desselben üblich ist. S. dasselbe.


Seifener (W3) [Adelung]


Der Seifener, oder


Seifner (W3) [Adelung]


Seifner, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, Arbeiter, welche die Erzkörner aus dem Schlamme der Flüsse seifen, und auch Seifer, Wäscher, Erzwäscher genannt werden.


Seifenerde (W3) [Adelung]


Die Seifenerde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, eine feine Thonerde, welche sich so glatt, wie Seife anfühlet, und in den Tuch- und Wollfabriken gebraucht wird, die Fettigkeit der Wolle wegzunehmen, daher sie auch Wascherde, Waschthon genannt wird.


Seifengabel (W3) [Adelung]


Die Seifengabel, plur. die -n, in den Erzseifen, ein schmales Bret voller Löcher und mit hölzernen Zähnen, vermittelst desselben, als mit einem Siebe, das Grobe von dem Kleinen zu scheiden.


Seifengebirge (W3) [Adelung]


Das Seifengebirge, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein sandiges oder lettiges Gebirge, aus welchem die darin befindlichen Erztheilchen durch Seifen gewonnen werden.


Seifengeld (W3) [Adelung]


Das Seifengeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, ein nur in einigen Gegenden für Trinkgeld übliches Wort; eigentlich, Geld, sich Seife dafür zu kaufen.


Seifengraupe (W3) [Adelung]


Die Seifengraupe, plur. die -n, im Bergbaue, durch das Seifen gewonnene Zinngraupen.


Seifenkraut (W3) [Adelung]


Das Seifenkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche, wenn sie gequetscht wird, einen seifenartigen Schaum gibt, womit man die Fettflecken aus den Kleidern ziehen kann; Saponaria Linn. Speichelwurz.


Seifenkugel (W3) [Adelung]


Die Seifenkugel, plur. die -n, Seife in Gestalt einer Kugel, zu einer Kugel geformte Seife.


Seifensieder (W3) [Adelung]


Der Seifensieder, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher die gemeine weiße Seife aus Talg, und andern fetten Körpern siedet. Daher die Seifensiederasche, die Seifensiederlauge, die dazu nöthige oder bereits gebrauchte Asche oder Lauge, welche letztere auch Meißerlauge genannt wird.


Seifenstein (W3) [Adelung]


Der Seifenstein, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Zinnstein, welcher durch Seifen gewonnen worden. Man muß dieses Wort nicht mit Seifstein verwechseln.


Seifenwasser (W3) [Adelung]


Das Seifenwasser, des -s, plur. inus. Wasser, worin Seife aufgelöset worden.


Seifenwerk (W3) [Adelung]


Das Seifenwerk, des -es, plur. die -e, ein Werk, das ist, eine Anstalt, wo Erzkörner aus der Erde, dem Sande oder Gesteine geseifet werden; die Seife, das Fluthwerk, die Wäsche, Erzwäsche.


Seifenwurz (W3) [Adelung]


Die Seifenwurz, plur. inus. eine Art des Gypskrautes, welche in Spanien einheimisch ist, und deren Wurzel von den Einwohnern statt der Seife zur Reinigung der Wäsche gebraucht wird; Gypsophila Struthium. Linn.


Seifer (W3) [Adelung]


1. Der Seifer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Seifener.


Seifer (W3) [Adelung]


2. Der Seifer, des -s, plur. inus. ein nur in einigen Gegenden für Geifer, übliches Wort. Nieders. Sabber. Es stammet von dem Nieders. siepen, in kleiner Menge langsam fließen, her. S. 2 Seifen, Anm.


Seifig (W3) [Adelung]


Seifig, -er, -ste, adj. et adv. mit Seife bestrichen oder beschmutzt, ingleichen der Seife ähnlich, seifenartig.


Seifnen (W3) [Adelung]


Seifnen, Seifner, S. Seifenen.


Seifstein (W3) [Adelung]


Der Seifstein, des -es, plur. die -e, ein thonartiger Stein, welcher schlüpfrig wie Seife anzufühlen ist, und sich leicht schaben und drechseln lässet. Der Köthel, Lavetstein, Speckstein, Serpentinstein und Nierenstein sind Arten desselben.


Seige (W3) [Adelung]


Die Seige, S. Seihe.


Seigen (W3) [Adelung]


Seigen, S. Seihen.


Seiger (W3) [Adelung]


Seiger, adj. et adv. welches nur noch im Bergbaue üblich ist, wo es perpendiculär, senkrecht, bedeutet, und auch seigerrecht lautet. Seiger fahren, senkrecht in die Tiefe oder in die Höhe fahren. Ein seigerer Gang, Schacht, welcher senkrecht niederwärts gehet. Der Gang fällt seiger, nimmt eine perpendiculäre Richtung. Einen Zug seiger auftragen oder zulegen, bey den Markscheidern, die Erhöhungen eines Zuges senkrecht auf dem Papiere vorstellen, im Gegensatze des söhlig, oder der horizontalen Abbildung eines Zuges. S. Seigerriß.

Anm. Dieses alte außer dem Bergbaue veraltete Wort, stammet von dem gleichfalls veralteten seigen, siegen, fallen, her, wel- ches uns noch sein Iterativum seigern, und sein Intensivum sinken zurück gelassen hat, und deutet eigentlich diejenige Richtung an, welche ein Körper im Sinken oder Fallen nimmt, so daß es mit dem neuern senkrecht Eines Ursprunges ist. Danieder seigen, niederfallen, bey dem Stryker. S. auch Versiegen.


Seiger (W3) [Adelung]


1. Der Seiger, ein Werkzeug zum Seihen. S. Seiher.


Seiger (W3) [Adelung]


2. Der Seiger, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in dem Lüneburgischen Salzwerke übliches Wort, wo der Ober- und Unterseiger dasjenige ist, was man in andern Salzwerken den Ober- und Unterbornmeister nennet.


Seiger (W3) [Adelung]


3. Der Seiger, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Beyworte seiger, eine seigere, d. i. senkrechte Linie. Besonders wird an den Wasserwagen das an einem Faden befestigte Stück Bley, welches die senkrechte Linie zeiget, der Seiger genannt.


Seiger (W3) [Adelung]


4. Der Seiger, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden, z. B. Meißens, übliches Wort, eine jede Uhr zu bezeichnen, es sey nun eine Sanduhr, oder eine Schlaguhr, eine Stubenuhr oder Taschenuhr. Läuft unser Seiger aus, so gilt hier kein Verweilen, Günth. Wenn der Seiger zehn schlägt. Wenn es hier nicht von seihen, oder auch von dem oben gedachten alten Zeitworte seigen, sinken, fallen, oder auch von seigern, abstammet, und also eigentlich eine Sand- oder Wasseruhr bedeutet hat, so ist es ohne Zweifel aus Zeiger verderbt, welches hier figürlich für die ganze Uhr genommen wird. Indessen ist doch auch im Pohln. Zegar, die Uhr.


Seigerarbeit (W3) [Adelung]


Die Seigerarbeit, plur. die -en, eben daselbst, alle zum Seigern gehörige Arbeiten und Beschäftigungen.


Seigerblech (W3) [Adelung]


Das Seigerblech, des -es, plur. die -e, eben daselbst, Stücke Blech, welche um die Seigerstücke gesetzt werden, die Kohlen beysammen zu erhalten.


Seigerbley (W3) [Adelung]


Das Seigerbley, des -es, plur. inus. eben daselbst, das zum Seigern bestimmte Bley, dasjenige Bley, vermittelst dessen das Seigern verrichtet wird.


Seigerdorn (W3) [Adelung]


Der Seigerdorn, des -es, plur. die -dörner, eben daselbst, die Dörner, d. i. das von den Kienstöcken übrig gebliebene Kupfer, wovon das Silber ausgeseigert, oder geschieden ist; in den Oberdeutschen Bergwerken, Seigerdarndel; Dorn stammet hier von dörren oder darren ab. ( S. 2 Dorn.) Seigerdörnlein hingegen sind daselbst kleine Stückchen Glätte, welche auf dem Seigerherde sitzen geblieben sind.


Seigergang (W3) [Adelung]


Der Seigergang, des -es, plur. die -gänge, von dem Beyworte seiger, im Bergbaue, ein seigerer, d. i. senkrechter Gang, welcher senkrecht in die Tiefe gehet.


Seigergerade (W3) [Adelung]


Seigergerade, adj. et adv. eben das., senkrecht gerade, senkrecht.


Seigerglätte (W3) [Adelung]


Die Seigerglätte, plur. inus. in den Seigerhütten, diejenige Glätte, welche aus dem aus den Seigerstücken geschmelzten Bleye zubereitet wird.


Seigerhaken (W3) [Adelung]


Der Seigerhaken, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Haken, womit man das Krätz und die Kohlen aus dem Seigerofen ziehet.


Seigerherd (W3) [Adelung]


Der Seigerherd, des -es, plur. die -e, eben daselbst, der Herd in dem Seigerofen.


Seigerhütte (W3) [Adelung]


Die Seigerhütte, plur. die -n, im Bergbaue, eine Hütte, d. i. ein Gebäude, und in weiterer Bedeutung, die ganze Anstalt, wo das Silber geseigert, d. i. vermittelst des Bleyes von dem Kupfer geschieden wird.


Seigerkrätz (W3) [Adelung]


Das Seigerkrätz, des -es, plur. inus. eben daselbst, dasjenige Krätz oder Gekrätz, welches bey dem Seigern abfällt.


Seigerlinie (W3) [Adelung]


Die Seigerlinie, plur. die -n, von dem Beyworte seiger, im Bergbaue, eine seigere, d. i. senkrechte Linie.


Seigern (W3) [Adelung]


1. Seigern, verb. reg. act. von dem Beyworte seiger, ein Wort, welches in dem zusammen gesetzten abseigern am üblichsten ist. Einen Schacht abseigern, ihn senkrecht in die Tiefe graben. In einer andern Bedeutung ist einen Schacht seigern oder abseigern, die senkrechte Tiefe mit der Schnur abmessen.


Seigern (W3) [Adelung]


2. Seigern, verb. reg. act. in den Schmelzhütten, eine Bearbeitung des noch mit Silber vermengten Kupfers, welche darin bestehet, daß man das im Frischen mit dem Kupfer verbundene Bley und Silber wieder von demselben scheide. Man stellet zu dem Ende die Frischstücke in längliche Seigeröfen, da denn das mit dem Silber vermischte Bley durch die Hitze von dem Kupfer abtröpfelt, und das Kupfer ungeschmolzen zurück bleibet, da es denn den Nahmen der Kienstöcke bekommt, und alsdann gedarret, d. i. durch einen noch größern Grad der Hitze von allem noch darin befindlichem Bleye und Silber befreyet wird. So auch das Seigern, oder die Seigerung. Im Böhmischen, wo es ohne Zweifel aus dem Deutschen angenommen ist, zagrowati. Es ist ein Iterativum oder Intensivum von seihen, tröpfeln machen, tropfenweise herab sinken machen. ( S. das Beywort Seiger.) In den gemeinen Sprecharten ist siekern, gleichfalls tropfenweise durchrinnen.


Seigerofen (W3) [Adelung]


Der Seigerofen, des -s, plur. die -öfen, eben daselbst, derjenige Ofen, worin das mit dem Bley vermischte Silber von dem Kupfer geseigert wird.


Seigerpfanne (W3) [Adelung]


Die Seigerpfanne, plur. die -n, eben daselbst, eine kupferne Pfanne, worein das ausgeseigerte mit Silber vermischte Bley aus dem Vortiegel gegossen wird.


Seigerrecht (W3) [Adelung]


Seigerrecht, adj. et adv. welches in Bergbaue auch für das Beywort seiger oder senkrecht üblich ist.


Seigerriß (W3) [Adelung]


Der Seigerriß, des -sses, plur. die -e, im Bergbaue, ein Riß, welcher die Grubengebäude in ihrer senkrechten Stellung, d. i. in dem Durchschnitte oder Profile abbildet; zum Unterschiede von einem Grundrisse, Grubenrisse oder Sohlenrisse.


Seigerschacht (W3) [Adelung]


Der Seigerschacht, des -es, plur. die -schächte, im Bergbaue, ein seigerer, d. i. senkrechter Schacht, welcher perpendiculär in die Tiefe gehet; zum Unterschiede von einem dohnlegen.


Seigerscharte (W3) [Adelung]


Die Seigerscharte, plur. die -n, in den Seigerhütten, eiserne Platten, welche auf den Mauern liegen, worauf die Seigerstücke gesetzet werden.


Seigerschlacke (W3) [Adelung]


Die Seigerschlacke, plur. die -n, eben daselbst, Schlacken, welche bey dem Seigern fallen.


Seigerstück (W3) [Adelung]


Das Seigerstück, des -es, plur. die -stücke, in den Seigerhütten, runde Stücken mit Bley vermischten Schwarzkupfers, welche in dem Seigerofen geseigert werden.


Seigerstunde (W3) [Adelung]


Die Seigerstunde, plur. die -n, von 4 Seiger, eine nur in den gemeinen Sprecharten Obersachsens üblicher nachdrücklicher Ausdruck für Stunde. Eine ganze Seigerstunde stehen und plaudern.


Seigerteufe (W3) [Adelung]


Die Seigerteufe, plur. die -n, im Bergbaue, die seigere, d. i. senkrechte, Teufe oder Tiefe. Auch an einem rechtwinkeligen Triangel pflegen die Markscheider die Perpendiculärlinie, die Seigerteufe zu nennen. S. Teufe.


Seihe (W3) [Adelung]


Die Seihe, plur. die -n, von dem Zeitworte seihen. 1. Ein Werkzeug zum Seihen, der Seiher, in gröbern Mundarten die Seige, der Seiger. 2. Ohne Plural, das Grobe, wovon der flüssige Körper durch das Seihen geschieden worden, in welchem Verstande, besonders in der Hauswirthschaft vieler Gegenden, die Träbern, d. i. das nach abgeseihtem Biere übrig gebliebene kraftlose Getreide, die Seihe, oder bey andern der Seih, genannt werden.


Seihen (W3) [Adelung]


Seihen, verb. reg. act. einen flüssigen Körper durch einen porösen festen laufen lassen, damit das darin befindliche Dicke oder Unreine zurück bleibe; welches in der Chymie filtriren genannt wird. Die Milch durch ein leinen Tuch, den Wein durch Löschpapier, die Grütze durch den Durchschlag seihen. So auch das Seihen.

Anm. Im Angels. sigan und seon, im Nieders. stjen, im Schwedischen mir einer andern Ableitungssylbe Sila, womit das Latein. colare verwandt ist. Es ist das Factitivum von siegen in versiegen, so wie seigern das Factitivum von siekern ist, gehöret aber übrigens zu dem Geschlechte, derjenigen Wörter, welche das Rinnen des Wassers nachahmen, wie seichen, u. s. f. in den gröbern Mundarten lautet dieses Wort, selbst im Hochdeutschen, seigen, daher Math. 23, 24, wo Luther gesetzt hatte: Mücken seigen, d. i. seihen, und Kamehle verschlucken, in vielen Ausgaben irrig dafür säugen gesetzt worden.


Seiher (W3) [Adelung]


Der Seiher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug zum Seihen, besonders ein Durchschlag in den Küchen, das Flüssige damit von den Speisen abzuseihen. In den gröbern Mundarten der Seiger, in einigen andern Gegenden auch die Seihe, Seige, Nieders. Sijer.


Seihkorb (W3) [Adelung]


Der Seihkorb, des -es, plur. die -körbe, ein Seiher in Gestalt eines Korbes, dergleichen die Brauer gebrauchen, das Bier dadurch von dem Hopfen abzuseihen.


Seihstroh (W3) [Adelung]


Das Seihstroh, des -es, plur. inus. bey den Bierbrauern dasjenige Stroh, welches unter dem Malze zu liegen kommt, wenn das Bier durch Seihen von demselben geschieden wird.


Seihtuch (W3) [Adelung]


Das Seihtuch, des -es, plur. die -tücher, ein leinenes Tuch, wodurch man etwas seihet.


Seil (W3) [Adelung]


Das Seil, des -es, plur. die -e, Diminut. das Seilchen. 1. Im weitesten Verstande, ein jedes starkes Band, damit zu ziehen, zu tragen, zu befestigen u. s. f. Bey dem Ulphilas heißt Sail, ein Riemen. Im Bergbaue wird die Haspel- oder Göpelkette das Seil genannt, wo es aber auch eine Figur der folgenden engern Bedeutung seyn kann, weil man sich statt derselben anfänglich eines Seiles bedienet. Daher, etwas zu Seil bringen oder schicken, im Bergbaue, es zu Tage ausfördern, aus der Berggrube ziehen. Übrigens ist es in dieser weitesten Bedeutung veraltet. 2. In engerm Verstande werden gewisse biegsame lange Bande Seile genannt, welche stärker als eine Schnur, und oft auch als eine Leine, und schwächer als ein Tau sind, und welche oft auch Stricke genannt werden, besonders, wenn sie kurz sind. Strohseile, von Stroh, die Garben damit zu binden, Bastseile u. s. f. Am häufigsten sind sie aus Hanf. Etwas an einem Seile niederlassen. Auf einem Seile tanzen. Jemanden das Seil über den Kopf werfen, ihn listig berücken. An Einem Seile ziehen, in einer bösen Sache Eines Sinnes, Eines Willens seyn, ein Mittschuldiger seyn. Das Brunnenseil, Glockenseil, Leitseil, Ziehseil, ein Schiff damit zu ziehen, und so ferner. 3. In noch engerer Bedeutung. (1) Die Zugseile, woran das Lastvieh ziehet, welche, wenn sie nicht lederne Riemen oder Ketten sind, jetzt lieber Stränge genannt werden, hießen ehedem nur Seile. In weiterm Verstande wird noch im Niederdeutschen das ganze Pferdegeschirr, auch wenn es aus Leder ist, im Plural die Sälen oder Siehlen genannt; entweder als ein Überbleibsel der ersten ältesten Bedeutung, oder auch, weil es in den ältesten einfältigen Zeiten aus eigentlichen Seilen bestand. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung ungewöhnlich; indessen scheinet doch Luther in einigen Stellen der Deutschen Bibel darauf angespielt zu haben. Lasset uns von uns werfen ihre Seile, Ps. 2, 3. Ich ließ sie in Seilen der Liebe gehen, Hos. 11, 4. Der Herr hat der Gottlosen Seile abgehauen, Ps. 129, 4. (2) Ein Seil von einer bestimmten Länge, in welchem Verstande es in einigen Gegenden ein Längenmaß ist. Ein Land- oder Waldseil im Böhmen hält jetzt 52 Ellen, und ein Weinbergsseil 64. In Danzig hält ein Seil zehn Ruthen oder 150 Fuß.

Anm. Schon bey dem Ulphilas Sail, bey dem Ottfried Seil, im Angels. Saela, Sal, welches aber auch einen Riemen und Zügel bedeutet, im Nieders. Seel, im Schwed. Sele, die Sielen, im Pohln. Sidlo, und schon bey dem Hesoch. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . ( S. auch Sille.) Vermuthlich mit dem herrschenden Stammbegriffe der biegsamen Ausdehnung in die Länge, S. 1 Sahl.


Seilen (W3) [Adelung]


* Seilen, verb. reg. act. welches nur in einigen gemeinen Sprecharten üblich ist. 1. Seile um etwas legen, wovon Frisch ein Beyspiel aus Büntings Braunschw. Chron. anführet. Ein Schiff beseilen, es mit Seilen versehen. 2. Mit Seilen befestigen, eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Diß Mensch soll solche Noth, soll solche große Noth Mir seilen auf den Hals? Opitz. 3. Vermittelst eines Seiles ziehen, und in weiterm Verstande ziehen überhaupt, ein im Hochdeutschen gleichfalls unbekannter Gebrauch. S. auch das Seilen.


Seiler (W3) [Adelung]


Der Seiler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Seilerinn, ein zünftiger Handwerker, welcher allerley Seile, Stricke, Schnüre u. s. f. aus Hanf verfertiget, der Reifschläger, Nieders. Reper, Repsläger, S. auch Spitzarbeiter und Stockarbeiter.


Seilerbahn (W3) [Adelung]


Die Seilerbahn, plur. die -en, der lange, schmale, ebene Platz, wo die Seiler die langen Seile u. s. f. verfertigen; die Reiferbahn, in Leipzig die Weide.


Seilfischer (W3) [Adelung]


Der Seilfischer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden ein Angelfischer, der mit der Angelschnur fischet. Daher die Seilfischerey, die Angelfischerey.


Seilhaken (W3) [Adelung]


Der Seilhaken, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein eiserner an beyden Enden gekrümmter Haken, womit die eisernen Seile, d. i. Ketten, wenn sie gesprungen sind, wieder an einander gehänget werden; das Scherglied.


Seilkraut (W3) [Adelung]


Das Seilkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Bärlappes; Lycopodium Linn, weil es oft etliche Ellen wie ein Seil lang wird.


Seiltänzer (W3) [Adelung]


Der Seiltänzer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Seiltänzerinn, eine Person, welche die Kunst verstehet, auf einem ausgespannten Seile tanzend einher zu gehen; im Nieders. Leinentänzer. Notker umschreibt ihn durch Vuephar, der gat an Seile.


Seilweide (W3) [Adelung]


Die Seilweide, S. Sahlweide.


Seim (W3) [Adelung]


Der Seim, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein jeder eben flüssiger, schlüpfriger, dicklicher Körper, welchen man in manchen Fällen auch Schleim nennet. Gerstenseim oder Gerstenschleim, die dickliche, schlüpfrige Brühe von gekochter Gerste. Graupenseim, dergleichen Brühe von gekochten Graupen. Zuckerseim, Wasser, worin Zucker aufgelöset worden, so daß es dadurch eine eben flüssige dickliche Consistenz bekommt. Honigseim, Honig in dicklicher aber doch dabey flüssiger Gestalt, dergleichen dasjenige Honig ist, welches von selbst aus den Waben rinnet, zum Unterschiede des ausgepreßten, welches eine dickere Consistenz annimmt. ( S. Seimhonig.). In engerer Bedeutung wird dieser Honigseim in manchen, besonders Oberdeutschen Gegenden nur Seim schlechthin genannt. Ich habe meines Seims gessen, Hohel 5, 1. Bey dem Willeram ist Seim Honig.

Anm. Im Nieders. Seem. Die schlüpfrige, dickliche eben flüssige Beschaffenheit ist der Grund der Benennung, daher Frisch und andere irren, welche dieses Wort bloß von dem Honige erklären. Um eben dieser glatten schlüpfrigen Beschaffenheit willen, heißt das Fett, Schmeer, Lat. Sebum, im Angels. Seim, im Engl. Seam, im Franz. Sain, und im Schottländ. Saim. Im Hebr. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, fett seyn. S. auch Sanft und Seife.


Seime (W3) [Adelung]


Die Seime, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, eine Leine, ein schwaches Seil zu bezeichnen. So pflegen die Vogelsteller die Leinen an den Garnen Seimen zu nennen, da sie denn Spannseimen, Zwerchseimen, Ruheseimen u. s. f. haben.

Anm. Die Ausdehnung in die Länge oder Dicke ist hier der Stammbegriff. In Hamburg heißt die Angelschnur Semm. S. Semse, Simms, Sehne, Sehm u. s. f.


Seimen (W3) [Adelung]


Seimen, verb. reg. welches so wohl als ein Neutrum, als auch als ein Activum gebraucht wird. Die Gerstengraupen seimen, wenn sie Seim, oder eine seimige, schleimige Brühe geben. Den Honig seimen, Wachs und die Unreinigkeiten von dem flüssigen Honige absondern, ihn läutern, eigentlich wohl ihn in Seim verwandeln.


Seimhonig (W3) [Adelung]


Das Seimhonig, des -es, plur. car. Honig in Gestalt eines Seimes, d. i. dasjenige Honig, welches von selbst aus den Waben fließt; für das veraltete Honigseim. In weiterer Bedeutung, das von dem Wachse abgesonderte Honig, zum Unterschiede von dem Rauh- oder Tonnenhonige.


Seimicht (W3) [Adelung]


Seimicht, -er, -este, adj. et adv. einem Seime ähnlich. Seimichte Brühe.


Sein (W3) [Adelung]


1. Sein, die zusammen gezogene zweyte Endung der persönlichen Fürwörter er und es, S. Seiner.


Sein (W3) [Adelung]


2. Sein, ein Pronomen possessivum oder zueignendes Fürwort der dritten Person männlichen und ungewissen Geschlechtes. Es wird auf zweyerley Art gebraucht. I. Als ein Conjunctivum oder in Gesellschaft des Hauptwortes, wo es auf folgende Art abgeändert wird. Masc. Fämin. Neutr. Plur. Nomin. Sein, seine, sein. Seine. Genit. Seines, seiner, seines. Seiner Dat. Seinem, seiner, seinem. Seinen. Accus. Seinen, seine, sein. Seine. Es begleitet ein Hauptwort, welches der dritten Person oder Sache männlichen oder ungewissen Geschlechtes gehöret, womit sie in Verbindung stehet, oder auch, was sich auf einige Art auf dieselbe beziehet. Jedes Land hat seine Gewohnheiten. Er hat sein Gutes empfangen. Ein jeder hat seinen Kopf für sich. Ich suche nicht mein, sondern sein Bestes. Er mag seine Wege (im gemeinen Leben seiner Wege) gehen. Er muß doch wohl seine Ursachen gehabt haben. Er hat nur seinen Scherz mit dir haben wollen. Dein Rath thut seine Wirkung. Es hat seine Richtigkeit damit, wo sich sein auf es beziehet; ohne dieses Fürwort aber sagt man, die Sache hat ihre Richtigkeit. Ein gewöhnlicher Fehler einiger gemeinen Sprecharten, und besonders der Niedersachsen ist es, dieses Fürwort der zweyten Endung, wenn selbige vor ihrem Hauptworte stehet, zur Erklärung beyzufügen. Meines Vaters sein Bruder. Meines Bruders sein Gut. Und überträgt des Nächsten seine Schuld, Opitz. Den Besitz mit Nachdruck und ausschließungsweise anzuzeigen fügt man diesem, so wie übrigen Possessivis noch das eigen zu. Sein eigenes Gut. Die ältern Oberdeutschen Schriftsteller sagten dafür sein selbst. Un sines selbes brusti, Ottfr. Sin leibes meistertuam, Kero. Von dem curialen, Se. Majestät, Se. Durchlaucht, S. Ihro. Mit den Hauptwörtern Halbe, Weg, Wille wird es in den vertraulichen Sprecharten gern zusammen gezogen, so daß n in ein t übergehet, und der ganze Ausdruck ein Nebenwort wird. Seinethalben. Ich that es seinetwegen. Ich sagte es um seinetwillen. ( S. 2 Dein,) wo mehr von diesen Ausdrücken gesagt worden. Es wäre vielleicht nicht unnütz, jedes Possessivum in ein Demonstrativum und Relativum einzutheilen. Bey diesem würde es seinen Nutzen haben, und man könnte hier noch das Demonstrativo-Relativum hinzu setzen. Gib ihm sein Geld, wo die demonstrative Eigenschaft am meisten hervor flicht. Das Demonstrativo-Relativum beziehet sich auf das Subject der Rede. Meine Freunde flohen, und kein einziger öffnete mir sein Herz. Wem trauet unser Herz mehr als seinem Geliebten? Der Gram verzehret dich, o laß ihm seinen Lauf nicht! Das Glück hatte Alexandern so viel gewähret, daß es nicht mehr in seinem Vermögen war, ihm noch einen Wunsch zu gewähren. Hier wird er mir eben dem Herzen einen Dürftigen glücklich machen, der seinem Eigennutze dienen kann, womit er dort einen Glücklichen stürzt, der seiner Erhebung im Wege steht. Dusch. Das Relativum endlich ist im gemeinen Leben am üblichsten und beziehet sich auf ein vorher gegangenes Hauptwort männlichen oder ungewissen Geschlechtes, wenn es gleich nicht das unmittelbare Subject der Rede ist. Alles was dein Glück in seinem Laufe aufhalten kann. Die Außenlinien eines Körpers stellen unsern Augen seine Gestalt dar. Die anständigere Schreibart gebraucht hier lieber den Genitiv dessen des Demonstrativo-Relativi der, welches noch nothwendiger wird, wenn sich das sein auf eine Sache und nicht auf eine Person beziehet. Es kam ein Schiff und man schickte einen Officier an seinen Bort, besser an dessen Bort. Sechs Jahre sollt du sein (des Fremdlings) Land besäen, und seine (besser dessen, weil es hier auf Land gehet) Früchte einsammeln, 2 Mos. 23, 10; wenn aber das letzte sein auf den Fremdling gehet, so stehet es völlig an seinem rechten Orte. Am nothwendigsten ist dieses dessen, wenn das sein eine Zweydeutigkeit macht, und so wohl auf das Subject der Rede als auf ein näher vorher gegangenes Hauptwort gehen kann. Der Oberst-Lieutenant folgt auf den Obersten und vertritt in seiner Abwesenheit seine Stelle, wo es beyde Mahle dessen heißen muß. Cajus war zornig, daß Caspar sein gut verkauft hatte, wo es dessen heißen muß, wenn es auf Cajum gehen soll, weil Caspar hier das eigentliche Prädicat des Satzes ist. ( S. auch 2 Der II.) Der Edelmann ging mit dem Pachter auf seinen Acker, wo sein recht ist, wenn es auf den Edelmann geht, aber mit dessen vertauscht werden muß, wenn es sich auf den Pachter beziehen soll. Wo eine solche Mißdeutung nicht Statt findet, da kann sein als ein Reciprocum ohne Bedenken gebraucht werden, besonders wenn es sich auf eine Person beziehet. Ich ging mit dem Pachter auf seinen Acker. II. Als ein Absolutum mit Auslassung des Hauptwortes wo es auf zwiefache Art gebraucht wird. 1. So daß das ungewisse Geschlecht sein adverbisch steht. Der Acker ist sein. Die Casse war sein. Das Haus ist sein. Die Kinder sind sein. Das Haus bleibt sein. Für welche Wortfügung der vertraulichen Sprechart man in der höhern oft lieber Umschreibungen gebraucht; außer etwa in dem figürlichen Ausdrucke, er ist nicht mehr sein, er hat sich nicht mehr in seiner Gewalt, ist seiner nicht mehr mächtig. Doch auch im größten Schmerz noch sein, Gell. Und mit der Inversion, in welcher Gestalt auch die höhere Schreibart dasselbe verträgt. Sein ist das Reich. ( S. 2 Dein II.) 2. Außer der Adverbial-Form, so daß es sich auf eine vorher gegangene oder darunter verstandene Person männlichen Geschlechtes beziehet. Das ist nicht mein Buch, es ist seines. Das ist nicht meine Sache, es ist seine. Nach einem Genitiv gehöret es auch hier in die Sprache des gemeinen Lebens. Dein Aufwand übertrifft des Fürsten seinen, besser, übertrifft den Aufwand des Fürsten.

Anm. Bey dem Ulphilas sieus, Im Isidor sin, im Nieders. sein, im Schwed. sin, sitt, im Krainischen svoj, im Latein. suus, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Seiner (W3) [Adelung]


Seiner, die zweyte Endung der persönlichen Fürwörter er und es. Ich erinnere mich seiner nicht mehr. Ich muß mich seiner annehmen. Im Oberdeutschen ziehet man es gern in sein zusammen, welches auch wohl einige Hochdeutsche nachahmen, besonders in gebundener Rede. Herr, erbarme dich sein. Man spottet sein im ganze Lande, Gell. Da man denn dieses sein im Oberdeutschen nicht nur für die übrigen Endungen, d. i. für ihm und ihn, es, sondern auch für das weibliche sie, und für das Reciprocum sich zu gebrauchen pflegt. Wegen seiner. Den Helden zu sehn vor sein, vor sich, Theuerd. Kap. 71. Ich will sein nit essen, das Fleisch, es, Buch der Natur 1483, welcher Gebrauch auch in der Deutschen Bibel nicht selten ist.


Seinethalben (W3) [Adelung]


Seinethalben, Seinetwegen, Seinetwillen, S. Sein II.


Seinige (W3) [Adelung]


Der, die, das Seinige, das Abstractum des zueignenden Fürwortes sein, welches den bestimmten Artikel erfordert, und ohne Hauptwort stehet, sich aber auf eine Person männlichen Geschlechtes beziehet. Gib ihm das seinige. Das sind nicht unsere Sachen, es sind die seinigen. Er hat das seinige, oder das Seinige gethan. Die Seinigen, Personen, welche mit ihm in Verwandtschaft oder genauer Verbindung stehen. Die alte Form, da man dieses Wort gern in der, die, das seine zusammen zog, fängt an zu veralten; nur die Dichtkunst behält sie noch zuweilen um des bequemern Sylbenmaßes willen bey. Die Seinen, seine Angehörige, Verwandte.


Seit (W3) [Adelung]


Seit, eine Partikel, welche das Schicksal aller Partikeln gehabt, d. i. in ihren Bedeutungen und Gebrauche beträchtliche Veränderungen erfahren hat, welche hier angeführet werden müssen, damit man die Abstammung dieses Wortes in der heutigen desto besser übersehen könne. Er bedeutete, 1. * Eigentlich dem Orte nach, niedrig, unten das untere, welches wenigstens eine der ersten und eigentlichsten Bedeutungen ist, wo es sowohl als ein Nebenwort, als auch ein Beywort üblich war. Im Hochdeutschen ist es völlig veraltet, allein im Nieders. Schwedischen und Dänischen ist es völlig im Gange. Nieders. sied, ein sieder Stuhl, ein niedriger, das Wasser ist sieder geworden, Dän. süd, Schwed. sid. Es ist hier gewisser Maßen das Stammwort von den Intensivis sitzen und setzen, und in Ansehung des Oberd. sint, von sinken, senken; wenigstens ist es mit ihren Stämmen sehr nahe verwandt. 2. Figürlich, was der Ordnung, Zahl und Zeit nach auf etwas anderes folget. (1) * Der Ordnung nach, wo sith im Angelsächsischen so wohl als ein Bey- und Nebenwort, das nachfolgende, und sythest der letzte ist. Im Schwed. gleichfalls sid, sidst. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung fremd. (2) * Der Zahl nach, für weniger, eine im Deutschen gleichfalls veraltete Bedeutung in welcher aber das Schwedische sid üblich ist. (3) Der Zeit nach. (a) * Für spät, so wohl als ein Bey- als ein Nebenwort. Bey dem Ulphilas seit, im Schwed. sid. Der e wart oder sit, Walcher von der Vogelweide, der ehe oder später ward. Auch diese Bedeutung ist veraltet. (b) * Für hernach, als ein Nebenwort, ingleichen für nachdem, als ein Bindewort, ein gleichfalls ungewöhnlich gewordener Gebrauch, welcher doch in Ottfrieds sid mehrmahls vorkommt Auch im Schwed. ist sedan, und zusammen gezogen sen, hernach, nachdem. ( S. Sint.) (c) Eine Zeitfolge von einem gewissen bestimmten Zeitpuncte an zu bezeichnen, als ein Nebenwort, in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen allein noch üblich ist, und alsdann im Oberdeutschen auch sint, sinter, im Niederdeutschen seder, sedert, sedder, sunt, lautet, Engl. sith, since, Schwed. sedan. Wenn die Zeit in Gestalt eines Hauptwortes ausgedruckt ist, so stehet dieses in der dritten Endung, weil seit eines von denjenigen Nebenwörtern ist, welche ehedem auch als Vorwörter gebraucht wurden, oder doch den Übergang der Nebenwörter in die Vorwörter ausmachen, als von beyden etwas an sich haben. Sein dem Tage, da ich die Kinder Israel aus Egypten führete, 2 Sam. 7, 6. Seit der Zeit (daß) Menschen auf Erden gewesen sind, Offenb. 15, 18. Seit seinem Tode. Ich habe ihn seit Einem Jahre nicht gesehen. Seit Pfingsten, seit gestern. O, wie liebt ich dich, seit jenem Tage u. s. f. Geßn. Seit welche Zeit hat er nicht geschrieben? Seit wenn ist er dein Freund? Antw. seit vielen Jahren. Die Verbindung mit der zweyten Endung ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Sint des kamen die Kriegsleute nicht mehr in das Land, 2 Kön. 6, 23. Seit des Ungewitters, Opitz. Seit meines Hierseyns, in welchem letztern Falle es aber richtiger Zeit meines Hierseyns heißt, so fern es nicht einen terminum a quo, sondern die Länge der Dauer bestimmt, wie man auf ähnliche Art sagt Zeit meines Lebens. Wenn der Zeitpunct, auf welchen sich seit beziehet, ein ganzer Satz ist, so wird dem Nebenworte noch das Fürwort den zugesellet, so daß daß ausdrücklich folgt, oder auch wegbleibt, welches letztere oft der Wohlklang erfordert. Er ist mein Freund, seit dem, daß ich ihn kenne, oder besser, seit dem ich ihn kenne. Seit dem ich von dir schied, bin ich der Freude unbekannt geworden, Dusch. Seit dem ich sie traurig gesehen habe, habe ich große Lust es auch zu seyn, Gell. Die Schreibart seitdem läßt sich nicht mit nachdem entschuldigen, weil die Bedeutung hier figürlich ist, in seit dem aber nicht; indessen läßt man beyde Wörter lieber getheilt, wie in vor dem, aus dem u. s. f. Das dem wird von der höhern Schreibart oft mit Nachdruck weggelassen. Fünf Tage sinds nun, seit er uns beyde auf seinem Schloß hatte und weinte, Geßn. Geneuß, geneuß der Kuh, die dir entzogen, Seit ich dieß Feuer angefacht, Raml. In der Oberdeutschen Mundart ist diese Weglassung schon alt; doch behält sie alsdann gern das daß bey. Sit das ich si so gar herzeclichen minne, Kaiser Heinrich. Sit das der winter hat die bluomen in getan, König Wenzel. Oft stehet so wohl in dem Vor- als im dem Nachsatze ein seit, da denn das letztere das dem bekommt, das erstere aber desselben entbehren kann. Seit du auf dem Steine beym Brunnen mir das Frühlingslied sangest, seit dem habe ich dich nicht gesehn, Geßn. Seit der erhabne Friedrich Für Gott und Vaterland ficht. Seit dem, ihr Musen, nahm ich nicht Die Leyer in die Hand, Gleim. (4) Nach einer noch weitern Figur, als ein verursachendes Bindewort, für da, weil; eine veraltete Bedeutung, in welcher seit im Schwabenspiegel häufig vorkommt, und welche noch in sintemahl übrig ist, ( S. dasselbe.) Seyd nun die Keltin ist ein sach der Forcht, so u. s. f. weil nun die Kälte eine Ursache der Furcht ist, Buch der Natur, 1483. Seyt ir mich thut fragen, so will ich euch sagen, Theuerd, Kap. 25. Anm. Hieraus erhellet, daß weder Wachters und Frischens Ableitung von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, noch Gottscheds und anderer von Zeit, die wah- ren sind. Der letzte tadelt um deßwillen den Ausdruck seit der Zeit, der aber immer untadelhaft seyn würde, wenn auch die angegebene Ableitung richtig wäre. S. auch Sint.


Seite (W3) [Adelung]


Die Seite, plur. die -n. 1. Diejenige Fläche eines Körpers, welche sich neben der hintern und vordern Fläche befindet. (1) Eigentlich. So ist an dem menschlichen Körper die Seite die Fläche von den Armen bis auf die Hüfte. Einen Schmerz in der Seite haben. Die rechte Seite, die linke Seite. Einem an der Seite sitzen. Einem zur Seite gehen. Einen Körper auf die Seite legen. Sich auf die rechte Seite legen. Jemanden von der Seite ansehen, über die Achseln. Den Feind auf der Seite angreifen, auf der Flanke, im Gegensatze des Angriffes im Rücken und von vorn. Die Seite eines Gebäudes. Die Seite eines Stromes, die Fläche, welche von seinen Ufern gebildet wird. Auf die andere Seite schwimmen. Daher die figürlichen von der Seite des menschlichen Körpers entlehnten R. A. 1. Sich auf die faule Seite legen, faul werden. Sich auf die schlimme Seite legen, schlimm, lasterhaft werden. Aber nicht, sich auf die fleißige, auf die gute Seite legen. 2. Auf die Seite geben, sich entfernen. Sie trifft ihn schlafend an, bleibt von der Seite stehen, in einiger Entfernung, Gell. Sich auf die Seite machen, sich schnell und heimlich entfernen. Etwas auf die Seite bringen, schaffen, es heimlich entfernen. Scherz bey Seite, wir wollen aufhören zu scherzen. Jemanden auf die Seite ziehen, bey seits, ihn ein wenig von der Gesellschaft entfernen. 3. Auf jemandes grünen Seite sitzen, ( S. Grün.) 4. Das ist seine schwache Seite, da ist er am schwächsten. Du weißt, daß das meine empfindlichste Seite ist, daß ich da am empfindlichsten bin. Jeder Verstand hat seine schwache Seite. 5. Jemanden die weiche Seite geben, ihn verzärteln, ihm durch die Finger sehen. Aber, jemanden die weiche oder schwache Seite abgehen, bedeutet, ihn auf seiner schwachen Seite angreifen, und dadurch gewinnen. 6. Jemanden nicht von der Seite kommen, sich nicht von ihm entfernen. Einem zur Seite gehen, ihm hülfreiche Hand leisten, ihm zur Hand gehen. Niemanden zur Seite haben, zur hülfreichen Handleistung. Wenn ein gründlicher Verstand eine lebhafte Einbildungskraft zur Seite, ein reiches treues Gedächtniß zur Gehülfinn hat, Gell. 7. Zur Seite neben, besonders von Personen. Am nächsten Baume sahe er den Schäfer und ihm zur Seite den Hund liegen. Wenn im Streite Der ehrne Donner von den Bergen ihm zur Seite Die Feldherrn niederschlug, Raml. (2) Figürlich, eine Partey, mit einander verbundene Personen, im Gegensatze einer Gegenseite, am häufigsten ohne Plural; eine von den Kriegen entlehnte Figur, da diejenigen, welche es mit dem Haupte halten, demselben zur Seite stehen. Auf jemandes Seite seyn, zu seiner Partey gehören, und in weiterm Verstande, es mit ihm halten, seiner Meinung, seiner Gesinnung seyn. Jemanden auf seine Seite ziehen. Auf jemandes Seite stehen. Jemanden auf seiner Seite haben. In weiterer Bedeutung auch ohne Rücksicht auf einen Gegentheil. Die väterliche, Seite, die mütterliche Seite, in den Geschlechtsregistern. Wo es häufig auch von Individuis gebraucht wird. Von Seiten seiner, oder von seiner Seite ist alles zu befürchten, d. i. von ihm, im Oberdeutschen abseits seiner, im gemeinen Leben seinerseits, wie auch deinerseits, meinerseits u. s. f. d. i. von deiner Seite, oder von dir u. s. f. Ich will auf meiner Seite, oder von meiner Seite thun, was ich kann, d. i. was mich betrifft. Es sind auf der einen Seite so viele Zeugen, als auf der andern. 2. In weiterer Bedeutung, jede Fläche eines Körpers außer der obern und untern. (1) Eigentlich. Die Seite eines Berges, eines Thurmes, eines Hauses u. s. f. Die vordere Seite, die hintere Seite. Die Seiten des Altars. Wenn ein Körper nur zwey Hauptflächen hat, d. i. sich in die Länge und Breite ohne beträchtliche Dicke erstrecket, so werden auch die Hauptflächen in engerm Verstande die Seiten genannt, da sich denn der Begriff der Breite mit einzuschleichen scheinet, so wie in dem Lat. Latus, die Seite, von Latus, breit. Die rechte und linke Seite eines Tuches. Die Seite eines Blattes Papier. Die Seite eines Buches, die Blattseite, Pagina. (2) Figürlich. (a) Die Gegend, der Raum außer uns, horizontal betrachtet. Die östliche Seite des Himmels, des Landes. Die Morgenseite, die Abendseite. Von allen Seiten her thürmen sich Gewitter auf. Man macht mir von allen Seiten Verdruß. (b) Die Art und Weise, wie eine Sache sich uns durch Wirkungen oder Äußerungen darstellet. Sich von der guten Seite zeigen. Was ist das wieder für eine ungestalte Seite des Herzens? Hermes. Ich wünschte diese vernachläßigte Seite ihres Herzens nicht gesehen zu haben. Sollte dieß Herz wohl eine schlechte Seite haben? (c) Die Art und Weise, der Punct, aus welchem man ein Ding betrachtet. Alles von der guten, von der schlechten Seite ansehen. Pflanzen und Thiere, welche auf der einen Seite schädlich sind, sind auf der andern Seite ein Reichthum medicinischer Kräfte, Gell. 3. In noch weiterm Verstande wird oft eine Fläche eines Dinges die Seite genannt. Die obere Seite, die untere Seite. Etwas auf allen Seiten besehen.

Anm. Im Tatian Situ, bey dem Notker Sittu, im Angels. und Engl. Side, im Schwed. Sida, im Nieders. Sied, Siede, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Die Abstammung läßt sich nur muthmaßen. Es kann seyn, daß es zu dem Niederd. sied, niedrig, gehöret, ( S. das vorige,) indem ein Körper, wenn er auf der Seite liegt, gemeiniglich die geringste Größe hat. Die alte Oberdeutsche zweyte und dritte Endung der Seiten, für Seite hat sich noch in den folgenden Zusammensetzungen erhalten.


Seitenader (W3) [Adelung]


Die Seitenader, plur. die -n, an einem Pferde, S. Spornader.


Seitenbein (W3) [Adelung]


Das Seitenbein, S. Gedankenbein.


Seitenblatt (W3) [Adelung]


Das Seitenblatt, des -es, plur. die -blätter, ein jedes Blatt, welches sich an der Seite eines Dinges befindet. So werden z. B. an den gemeinen Pferdegeschirren gewisse lederne Blätter, welche die Stelle der Reitscheiden vertreten, Seitenblätter genannt.


Seitenblick (W3) [Adelung]


Der Seitenblick, des -es, plur. die -e, ein Blick, welchen man von der Seite auf eine Sache wirft. Einen schiefen Seitenblick auf etwas thun oder werfen.


Seitenbret (W3) [Adelung]


Das Seitenbret, des -es, plur. die -er, ein jedes Bret an der Seite eines Dinges, dergleichen die Seitenbreter an einem Bettgestelle sind.


Seitenfläche (W3) [Adelung]


Die Seitenfläche, plur. die -n, von Seite 2, eine von denjenigen Flächen, welche die Seiten eines Dinges ausmachen, im Gegensatze der Grundfläche.


Seitengebäude (W3) [Adelung]


Das Seitengebäude, des -s, plur. ut nom. sing. ein Gebäude an der Seite eines andern, welches mit dem Haupt- oder Mittelgebäude einen rechten Winkel macht.


Seitengewehr (W3) [Adelung]


Das Seitengewehr, des -es, plur. die -e, ein Gewehr, welches man an der Seite trägt, dergleichen der Degen, Pallasche, Säbel u. s. f. ist, zum Unterschiede von dem Feuergewehre, Bayonette u. s. f. In engerer Bedeutung werden die Pallasche oder Degen der Soldaten Seitengewehre und Untergewehre genannt, und alsdann dem Obergewehr entgegen gesetzet.


Seitengiebel (W3) [Adelung]


Der Seitengiebel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Giebel, welcher sich an der Seite eines Hauses befindet; der Quergiebel.


Seitenhobel (W3) [Adelung]


Der Seitenhobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Büchsenschäftern, womit sie die Kante der Rinne abstoßen, worin das Rohr zu liegen kommt.


Seitenlehne (W3) [Adelung]


Die Seitenlehne, plur. die -n; ein Lehne an der Seite eines Dinges, zum Unterschiede von der Rückenlehne, Vorderlehne und so ferner.


Seitenlier (W3) [Adelung]


Das Seitenlier, in den Salzwerken, S. Lier.


Seitenlinie (W3) [Adelung]


Die Seitenlinie, plur. die -n, eine Linie, welche sich auf oder an der Seite eines Dinges befindet, dessen Seite einschließt, die Seite einer Figur ausmacht. In den Verwandtschaften und Geschlechtsregistern, ist die Seitenlinie die Reihe der Seitenverwandten, welche sonst auch die Nebenlinie genannt wird, zum Unterschiede von der aufsteigenden und absteigenden Linie.


Seitenrolle (W3) [Adelung]


Die Seitenrolle, plur. die -n, in der Baukunst, eine Art Kragsteine, welche durchaus von gleicher Dicke, und an den Seiten mit Schnirkeln versehen sind. S. Rolle.


Seitenschiene (W3) [Adelung]


Die Seitenschiene, plur. die -n, eine Schiene an der Seite eine Dinges; z. B. die eiserne Schiene an der Seite des Pflughauptes.


Seitenschirm (W3) [Adelung]


Der Seitenschirm, des -es, plur. die -e, in der Jägerey, ein Schirm zur Seite, oder in einiger Entfernung von dem Hauptschirme, die Nothdurft der Natur daselbst zu verrichten.


Seitenschlägel (W3) [Adelung]


Der Seitenschlägel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Schlägel der Kupferschmiede, die Seiten eines Gefäßes damit zu bearbeiten.


Seitenschmerz (W3) [Adelung]


Der Seitenschmerz, des -es, plur. die -en, ein Schmerz in der Seite des menschlichen Körpers; das Seitenweh.


Seitenstechen (W3) [Adelung]


Das Seitenstechen, des -s, plur. inus. ein solcher stechender Seitenschmerz; Pleuritis.


Seitenstück (W3) [Adelung]


Das Seitenstück, des -es, plur. die -e, wie Gesellschaftsstück, für das ausländische Pendant.


Seitenthür (W3) [Adelung]


Die Seitenthür, plur. die -en, eine Thür an der Seite eines Gebäudes, oder auch an der Seite der Hauptthür; Nieders. Siedeldör, Sieldör, Blangendör, von blangen, neben, zur Seite.


Seitentonne (W3) [Adelung]


Die Seitentonne, plur. die -n, im Bergbaue, die Tonnen, d. i. Breter, welche im Förderschachte an die Einstriche und Stöße der andern Tonnenbreter befestiget werden, woran die Kübel auf und niedergehen; S. Tonne.


Seitenverwandte (W3) [Adelung]


Der Seitenverwandte, des -n, plur. die -n, Fämin. die Seitenverwandte, plur. die -n, eine Person von der Seitenlinie, welche nur in der Seitenlinie mit einer andern verwandt ist.


Seitenweg (W3) [Adelung]


Der Seitenweg, des -es, plur. die -e, ein Weg, welcher dem Hauptwege zur Seite gehet, neben demselben hingehet; der Nebenweg. Auch wohl ein Weg, welcher auf der Seite von demselben abgehet.


Seitenweh (W3) [Adelung]


Das Seitenweh, des -es, plur. inus. S. Seitenschmerz.


Seitenwerk (W3) [Adelung]


Das Seitenwerk, des -es, plur. die -e, an den Orgeln, der zur Seite des Hauptwerkes befindliche Theil der Orgel.


Seitenwehr (W3) [Adelung]


Das Seitenwehr, des -es, plur. die -e, in der Jägerey, ein Wehr, welches an der Seite eines Klopfjagens angestellet wird, damit daselbst nicht durchbrechen könne; das verlorne Wehr.


Seitenwind (W3) [Adelung]


Der Seitenwind, des -es, plur. die -e, ein Wind, welcher von der Seite kommt, besonders in der Schifffahrt.


Seither (W3) [Adelung]


Seither, ein Nebenwort der Zeit, welches auf doppelte Art betrachtet werden muß. 1. * Als das in einigen gemeinen Sprecharten übliche seiter, für seit, da es von einigen so wie dieses mit der zweyten Endung verbunden wird. Seither einigen Tagen. Es ist in dieser Gestalt im Hochdeutschen eben so ungewöhnlich, als das niedrige seiter, und müßte alsdann auch wie dieses den Ton auf der ersten Sylbe haben. 2. Als ein zusammen gesetztes Nebenwort, dessen letzte Hälfte die Partikel her ist, da denn beyde Sylben den Ton erfordern. Es bezeichnet eine Zeitfolge bis jetzt von einer entweder unbestimmten oder im vorigen bestimmten Zeit an. Vor fünf Jahren war er hier, seither habe ich ihn nicht wieder gesehen. Lieber Brunn, seither habe ich nicht in deiner Kühle geruhet. Göthe. Allein, da viele gute Provinzen hier ausdrücklich zeither sprechen, und das Nebenwort auch wohl ausdrücklich in die Zeit her, auflösen, überdieß auch die Ellipsis zu stark und dunkel seyn würde, wenn seit die erste Hälfte seyn sollte, so wird es hier richtiger als eine Zusammensetzung von Zeit angesehen. ( S. Zeither.) Eben dieß gilt auch von dem Beyworte seitherig, besser zeitherig, S. dasselbe.


Seits (W3) [Adelung]


Seits, das Nebenwort von dem Hauptworte Seite, welches nur in Zusammensetzungen üblich ist, wo es in einigen Fällen auch nur -seit lautet. Es bezeichnet, entweder den Ort, welchen das Wort Seite bezeichnet, und lautet seit, wenn dieser bestimmt ist; diesseit, jenseit, beyseit; oder auch die Partey, oder Person, wo es seits lautet, allerseits, sie sämmtlich, insgesammt, beyderseits, von beyden Seiten, beyde.


Seitwärts (W3) [Adelung]


Seitwärts, ein Nebenwort des Ortes, nach der Seite hin. Seitwärts gehen, stehen u. s. f.


-sel (W3) [Adelung]


-sel, eine Ableitungssylbe, welche Hauptwörter bilden hilft, S. -Sal.


Selb (W3) [Adelung]


Selb, ein altes Neben- oder wie andere wollen, unabänderliches Fürwort, welches ehedem in allen Fällen für das neuere selber und selbst gebraucht wurde. Im Hochdeutschen ist es für sich allein veraltet, und nur noch in der Zusammensetzung mit Ordnungszahlen üblich. Er kam selbandere oder selbzweyte, selbdritte, selbvierte, selbzwanzigste, und so ferner mit allen Ordnungszahlen, wo von einigen das End -e ungebührlich abgekürzet wird, selbzweyt, selbdritt u. s. f. er oder sie kam mit noch jemanden, so daß er oder sie selbst der andere oder zweyte war, er kam mit noch zweyen, so daß er selbst der dritte war u. s. f. Es ist ein einzelner und nicht selbander, Pred. 4, 8. Nicht so richtig scheinet es, wenn einige diese Art zu reden im Plural gebrauchen. Sie haben es selbzweyte, selbvierte gethan. Wir sind selbsechse. So hart und ungewöhnlich diese Ellipsis zu seyn scheinet, so alt ist sie doch. Selb dritte kommt schon im Schwabenspiegel, und selb acht im Hornegk vor. Auch die Niedersachsen sagen sulv ander u. s. f. die Baiern hingegen sant wander, vielleicht sammt ander. Ehedem gebrauchte dieses selb auch in andern Zusammensetzungen. Selbsuanu, Willkühr, Kero, Selbuualt, eben dass. Notker, Selbfolgo, die Secte, in der Monseeischen Glosse, ein selbrennend Feuer, Weish. 17, 6. Auch die Nieders. haben noch ihr Sulfmood, Sulfwald u. s. f. Im Oberdeutschen gebraucht man dafür jetzt selbst. Übrigens lautet dieses alte Wort im Angels. sylf, self, bey dem Ulphilas silbo, im Schwed. sjelf, im Engl. self. S. Selbst.


Selbe (W3) [Adelung]


* Selbe, ein Fürwort, welches decliniret wird ( S. Derselbe) und ehedem in doppelter Bedeutung üblich war. 1. Ein Individuum näher und mit Ausschließung eines jeden andern zu bestimmen, für unser heutiges selber und selbst. Selbo Tod, Kero, der Tod selbst, oder selbst der Tod. Die not han ich mir selbe an alle schulde genommen, Reinmar der Alte. Ich erlos mir selbe einen man, Dithmar von Ast. Solde aber ieman an im selben schuldig sin, Heinrich von Morunge. Wo man es denn auch wohl den Possessivis beyzufügen pflegte. Sin selbes kawaltu, Kero. In dieser ganzen Bedeutung ist es veraltet. 2. Als ein Demonstrativo-Relativum. An selben Tage, 1 Mos. 7, 13. Ezech. 40, 1. An selben Orte, 1 Mos. 26, 7. Zur selben Zeit, Judith 6, 10. Im Oberdeutschen selbte. Auch hier gehöret es im Hochdeutschen zu den veralteten Wörtern, indem selbiger, noch mehr aber derselbe dafür üblich sind. S. beyde.

Anm. Bey dem Ulphilas silbo, im Niedersächsischen sulve, welches aber auch nur noch mit dem Artikel der gebraucht wird. S. Selbst.


Selber (W3) [Adelung]


Selber, ein Nebenwort, welches mit selbst gleich bedeutet ist, und auf eben die Art, wie dieses gebraucht wird, nur daß er lieber hinter seinem Nenn- und Fürworte stehet, dagegen selbst auch vor demselben stehen kann. Der Herr hat selber für euch gestritten, Jos. 23, 3. Was selber wächst, 2 Kön. 19, 29. Die Gottlosen bringen sich selber um, Job. 12, 10. Arzt, hilf dir selber, Luc. 4, 23. Wiewohl Jesus selber nicht taufte, Joh. 4, 2. Ich kann es selber nicht sagen, Gell. Ich wollte bitten, daß sie sich selber eine Strafe auferlegten, eben dies. O lassen sie mich gehen, und zu mir selber kommen, eben ders. Ich wollte selber in die Apotheke gehen, eben ders. Es ist vornehmlich der Sprache des gemeinen Lebens und des vertraulichen Umganges eigen, dagegen die anständigere und höhere ihm das selbst vorziehet.

Anm. Im Schwed. sjelf, im Isländ. sialfer. Ehedem sagte man auch mit einer andern Endung selben. Guten trost wil ich mir selben geben, einer der Schwäbischen Dichter, wo es aber auch der Dativ des vorigen selbe seyn kann. Indessen gebrauchen die Niedersachsen auch sulven für selber. Die Endung -er, die bloß adverbisch ist, hat Frischen und andere verführet, selber für einen Comparativum zu halten, vor welchem Abwege die Sache selbst sie schon hätte verwahren sollen. S. Selbst die Anm.


Selbiger (W3) [Adelung]


Selbiger, selbige, selbiges, ein Pronomen Demonstrativo-Relativum, welches sich auf eine vorher genannte Person oder Sache beziehet. Selbiger Mann kam, der Mann, von welchem im vorigen gesprochen worden. Zur selbigen Zeit. In selbiger Stunde. Es ist zwar im Hochdeutschen nicht ganz ungewöhnlich; indessen gebraucht man es doch allemahl lieber mit dem Artikel der, derselbige, dieselbige, dasselbige, wofür aber doch auch kürzer derselbe, dieselbe, dasselbe gangbarer und edler ist. Denn dieses Wort ist vermittelst der Ableitungssylbe -ig aus dem indeclinabilen selb zu einem abänderlichen Fürworte gemacht worden, so wie in derselbe u. s. f. die Ableitungssylbe -e, dessen Stelle vertritt.


Selbst (W3) [Adelung]


Selbst, ein Nebenwort, welches zur genauen Bestimmung eines persönlichen oder demonstrativen Für- oder Hauptwortes dienet, und von der Person oder Sache, worauf es sich beziehet, die Beyhülfe, Mitwirkung, Vertretung u. s. f. eines jeden andern Individui ausschließet. Es wird am gewöhnlichsten hinter sein Haupt- oder Fürwort gesetzet, kann aber auch zuweilen vor demselben stehen, welcher letztere Stand den Nachdruck erhöhet. 1. Eigentlich. Er muß selbst kommen, selbst muß er kommen, in eigener Person. Wir haben es selbst gethan, ohne andere Mitwirkung. Er sit es selbst. Die Liebe seiner selbst. Sich selbst verkennen, verleugnen. Wer andere loben will, muß selbst lobenswürdig seyn. Böse Neigungen verstärken die Krankheiten des Körpers und sind selbst die gefährlichsten Krankheiten, Gell. Wo ist eine Privat-Thorheit, die nur in dem Bezirke unsrer selbst bliebe, und sich nicht auf irgend eine Weise der Gesellschaft mittheilte? eben ders. Zuweilen schließet es nur eine entferntere Theilnehmung u. s. f. aus. Selbst backen, brauen, durch seine eigenen Leute backen und braunen lassen, und das Brot oder Bier nicht von dem Bäcker und Brauer nehmen. Oft wird es den Haupt- und Fürwörtern nur um des Nachdruckes willen beygefüget. Die Sache ist an und für sich selbst nicht schlecht, für sich allein betrachtet. In sich selbst gehen. Wieder zu sich kommen. Daher es denn hier auch wegfallen kann. An und für sich, in sich gehen, wieder zu sich kommen. Diesen Nachdruck zu verstärken, pflegen manche Oberdeutsche Provinzen noch das veraltete selb vorzusetzen, welches bey dem Opitz und andern Schlesischen Dichtern häufig vorkommt, aber auch in einigen andern Oberdeutschen Provinzen üblich ist. Dem die Natur selbselbst nichts abgeschlagen, Opitz. Daß du dir auch selbselbst nicht kannst so ähnlich seyn, eben ders. Es haben ja die Brüder beyde sich Selbselbst auf einen Tag erwürget jämmerlich, eben ders. Oft macht es eine Gradation. Ich komme fast selbst auf die Gedanken, so gar ich; da es sich denn der folgenden figürlichen Bedeutung nähert. Die Inversion, oder die Stellung dieses Wortes vor seinem Haupt- oder Fürworte, oder gar zu Anfang der Rede, läßt sich hier nicht so oft anbringen, als in der folgenden figürlichen Bedeutung. Da dieses Wort allemahl zur nähern Bestimmung eines Haupt- oder Fürwortes gereichet, so müssen diese der Regel nach ausdrücklich da seyn. Aber es gibt auch Fälle, wo sie ohne Tadel verschwiegen werden können. Von selbst, d. i. von sich selbst. Er ergreift von, selbst jede Gelegenheit, die sich ihm darbiethet, Gell. Was selbst wächst, von sich selbst. Eine selbst erwählte Demuth, Col. 2, 22. Statt des Reciproci sich selbst gebraucht man im Oberdeutschen häufig ihm selbst, er hat es ihm selbst zu verdanken; welcher Gebrauch aber im Hochdeutschen fremd ist. In eben dieser Mundart pflegt man es auch zur Bestimmung possessiver Fürwörter zu gebrauchen. Sein selbst Haus, für, sein eigenes Haus. Von unserm selbst Vermögen, von unserm eigenen. Dagegen es im Hochdeutschen nur allein persönliche und demonstrative Fürwörter bestimmt. Nur in den Zusammensetzungen daselbst, woselbst, und hierselbst dienet es auch zur ausschließenden Bestimmung der Nebenwörter da, wo, und hier. Die sprichwörtliche R. A. selbst ist der Mann, d. i. was gehörig verrichtet werden soll, muß man selbst thun, ist elliptisch. Selbst ist der Mann; er selbst will alles hohlen, Haged. Sonst kann es in manchen Fällen auch als ein unabänderliches Hauptwort gebraucht werden. Menschen, die nur ihr nichtswürdiges Selbst lieben, Weiße, ihre nichtswürdige eigene Person. 2. Figürlich. (1) Eine Gradation, eine Steigerung des Begriffes zu bezeichnen, für sogar, wo es zugleich allerley Inversionen leidet. Nichts ist natürlicher, und selbst erlaubter. Er kann das Stehlen selbst nicht lassen, er kann selbst das Stehen nicht lassen, selbst das Stehen kann er nicht lassen. Der Schmerz um ihn ist für mein Herz Selbst noch ein angenehmer Schmerz, Gell. Auch selbst der Zorn läßt ihr noch schön, eben ders. Auch nicht die Armuth selbst sollte mich abhalten, redlich zu handeln, Dusch. Wahrheit reden, sie selbst zu den Füßen des Thrones reden, ist ein Verbrechen, welches Hofleute nie verzeihen. Selbst der Fluch einer Mutter würde hier kraftlos seyn. Selbst aus seinem Stolze wird einst die ihm und der Welt so nothwendige Tugend der Bescheidenheit erwachsen wenn er nur will, Gell. Man hüthe sich aber, daß nicht eine falsche Stellung des selbst den Sinn verdunkele, oder doch eine Härte verursache. Was kann ich denn für das, was selbst die Liebe thut. Gellert. Wo es, wegen der vielen einsylbigen Wörter, nicht nur hart klinget, sondern auch so wohl erste eigentliche, als diese figürliche Bedeutung leidet, folglich zweydeutig ist. (2) Wenn man andeuten will, daß eine Person oder Sache, eine Eigenschaft in einem hohen Grade besitze, so sagt man nach einer gewöhnlichen Vergrößerung, daß sie diese Eigenschaft selbst sey. Er ist die Freundlichkeit selbst. Sie ist die Schönheit selbst. Er war die Tugend, die Bosheit selbst. Das ist ja die Süßigkeit selbst. Wo zugleich keine weitere Inversion Statt findet. Er ist ja die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst, Gell. Anm. 1. Viele Sprachlehrer geben dieses Wort für ein Pronomen aus, welchen Nahmen es doch so wenig verdienet als eigen, welches die Possessiva bestimmet, und allein, welches die Anwesenheit und Beyhülfe eines andern Individui ausschließet, so wie selbst, das Subject mit Ausschließung eines andern Individui bestimmet. Es ist ein wahres Nebenwort, denn im Deutschen haben wir Nebenwörter, welche nicht allein die Zeitwörter, sondern auch die Nennwörter und Partikeln bestimmen.

Anm. 2. Das Stammwort ist selb, welches in selbe, ein biegsames Pronomen war, und noch ist, und so wohl für sich allein, als auch mit allerley adverbischen Endungen als ein unabänderliches Nebenwort gebraucht wurde. Diese Endungen sind -en, -er, -s, oder -es, -est, -st, -t; daher dieses Nebenwort bald selben (Nieders. sulven), bald selber, bald selbs, selbest, selbst, (Nieders. sulvest, sulvst,) bald aber auch, wie noch jetzt im Oberd. selbt, selbten, lauter. Sich selbten dem Tode zu entreißen, Gryph. Die Unkunde dieser verschiedenen Endsylben hat manche Wortforscher verleitet, selber und selbst als den Comparativum und Superlativum von selb anzusehen, da doch dieses Wort dem Begriffe nach keiner eigentlichen Comparation fähig ist. Einige gemeine Mundarten hängen diesem durch das adverbische s schon zu einem Nebenworte gebildeten selbst noch eine adverbische Endung an, und machen daraus selbsten, welche Form zwar im Hochdeutschen nicht selten, für die edle Schreibart aber zu gedehnt und kraftlos ist, weil mit zwey Sylben nichts mehr sagt, als selbst mit Einer. Da selbst ein von selb angeleitetes Wort ist, so ist er freylich jünger als dieses, indessen ist es doch schon sehr alt. Der Übersetzer Isidors, vermuthlich der älteste Deutsche Schriftsteller, hat schon selpso, und Ottfried selbaz. Die Schweizer sprechen und schreiben noch jetzt selbs. Da von zwey End-Consonanten, Einer allemahl ein Ableitungslaut ist, so muß man von dem alten selb auch das b trennen, wenn man dessen Abstammung erforschen will. Die alten Schweden sagten wirklich nur sjel für selbst, und noch bey dem Notker ist seles selbige. Unser solch unterscheidet sich von selbe nur in dem Ableitungslaute. Da dieses Wort ursprünglich ein Demonstrativo-Relatives Pronomen ist, so scheinet überhaupt ein existirendes Ding, ein Individuum zu bezeichnen, da es denn mit der Ableitungssylbe -sal, und unserm Seele Eines Stammes seyn würde, ( S. 1 Sahl.) Sogar das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . bedeutet so wohl Seele, als selbst. Es wird dieses Wort mit vielen Nenn- und besonders Hauptwörtern zusammen gesetzet, etwas zu bezeichnen, das wir an uns selbst verrichten, was sich auf uns selbst beziehet u. s. f. Einige davon sind schon sehr alt, und wurden ehedem mit Selb gemacht, ( S. dasselbe;) andere sind in den neuern Zeiten gemacht worden, eine lange Umschreibung zu vermeiden, und lassen sich noch täglich vermehren. Sie sind von denjenigen wohl zu unterscheiden, welche mit eigen zusammen gesetzet sind, deren Zahl indessen doch so groß nicht ist.


Selbstbefleckung (W3) [Adelung]


Die Selbstbefleckung, plur. die -en, diejenige Art der Unkeuschheit, welche man mit seinem eigenen Leibe verübet; die Onanie.


Selbstbetrug (W3) [Adelung]


Der Selbstbetrug, des -es, plur. inus. eigentlich, ein Betrug, welchen man an sich selbst verübet, doch nur im figürlichen Verstande, ein falsches Urtheil, welches man von sich, seinen Empfindungen, Vorzügen u. s. f. fället. In diesem Selbstbetruge wird sich ihnen ihr ganzes Herz sehen lassen, Gell.


Selbstbeurtheilung (W3) [Adelung]


Die Selbstbeurtheilung, plur. inus. die Beurtheilung seiner selbst.


Selbsteigen (W3) [Adelung]


Selbsteigen, adj. et adv. wo die erste Sylbe nur dazu dienet, den Nachdruck des eigen zu erhöhen. Sein selbsteigener Herr seyn, sein eigener. Dieß waren seine selbsteigenen Worte.


Selbsterhaltung (W3) [Adelung]


Die Selbsterhaltung, plur. car. die Erhaltung unsers eigenen Lebens, und alles dessen, was unsere Natur vollkommen macht, besonders, als eine moralische Pflicht betrachtet. Der Trieb der Selbsterhaltung sträubt sich gegen alle Lebensgefahren.


Selbsterhebung (W3) [Adelung]


Die Selbsterhebung, plur. inus. die Handlung, da man sich ohne Grund über andere erhebet, sich ihnen ohne Grund vorziehet, und dasselbe auf eine thätige Art erweiset. In engerer Bedeutung diese Fertigkeit.


Selbsterkenntniß (W3) [Adelung]


Die Selbsterkenntniß, plur. car. die Fertigkeit, richtig von sich selbst zu urtheilen.


Selbsterwählt (W3) [Adelung]


Selbsterwählt, adj. welches nur in engerm Verstande gebraucht wir, von einem Verhalten, welches man zum Nachtheil eines vorgeschriebenen, nach eigenen Vorschriften beobachtet. Welche haben einen Schein der Weisheit durch selbst erwählte Geistlichkeit und Demuth, Col. 2. 23. Ein selbsterwählter Gottesdienst.


Selbstgefälligkeit (W3) [Adelung]


Die Selbstgefälligkeit, plur. car. ein ungeordneter Gefallen, welchen man an sich und seinen Vorzügen trägt, die Fertigkeit sich an sich seine Vorzügen ohne Grund zu belustigen; auch der Selbstgefallen.


Selbstgefühl (W3) [Adelung]


Das Selbstgefühl, des -es, plur. die -e, das Gefühl, die lebhafte, anschauende Erkenntniß, seines eigenen Zustandes, besonders seines moralischen.


Selbstgeschoß (W3) [Adelung]


Das Selbstgeschoß, des -sses, plur. die -sse, S. Selbstschuß.


Selbstgespräch (W3) [Adelung]


Das Selbstgespräch, des -es, plur. die -e, ein Gespräch mit sich selbst. Nicht so richtig wird ein Monolog in dem Drama, wo jemand allein spricht, wenn er nicht dabey sich selbst spricht, ein Selbstgespräch genannt.


Selbsthalter (W3) [Adelung]


Der Selbsthalter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Selbsthalterinn, ein Ausdruck, womit das - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - in der Titulatur des Russischen Kaisers von einigen übersetzt worden, wofür doch Selbstherrscher angemessener ist, wenn hier einmahl ein mit selbst zusammen gesetztes Wort gebraucht werden soll, welches doch den Sinn nicht erschöpfet, indem es nur einen Regenten bezeichnet, welcher selbst und nicht durch Minister regieret.


Selbsthaß (W3) [Adelung]


Der Selbsthaß, des -es, plur. car. der Haß seiner selbst.


Selbstheit (W3) [Adelung]


Die Selbstheit, plur. inus. ein von einigen mystischen Schriftstellern gebrauchtes Wort, das Abstractum von selbst, ingleichen die eigene Person zu bezeichnen. Die Vernichtung des Menschen und seiner Selbstheit, die Unterdrückung der herrschenden Eigenliebe, des Eigensinnes und Eigenwillens. Andere haben dafür Eigenheit gebraucht.


Selbstherrscher (W3) [Adelung]


Der Selbstherrscher, S. Selbsthalter.


Selbsthülfe (W3) [Adelung]


Die Selbsthülfe, plur. die -n, die Hülfe, welche man sich selbst leistet. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, die Hülfe, welche man sich gegen einen Beleidiger, zum Nachtheil und mit Hintansetzung der obrigkeitlichen Hülfe leistet; eigenmächtige Hülfe, Nieders. Sülfwolde, Sulfwald, Selbstgewalt. Bey dem Kero ist Selbwalt, Willkühr.


Selbstig (W3) [Adelung]


* Selbstig, adj. welches nur im Oberdeutschen für eigen, selbsteigen üblich ist. Wo es zu eines jeden Standes selbstigen Wohlgefallen nöthig ist. In daselbstig und hierselbstig ist es gleichfalls im Oberdeutschen am gangbarsten.


Selbstklug (W3) [Adelung]


Selbstklug, adj. et adv. eine ungegründete Einbildung von seiner eigenen Klugheit besitzend und darin gegründet. So auch die Selbstklugheit.


Selbstlaut (W3) [Adelung]


Der Selbstlaut, des -es, plur. die -e, in der Sprachkunst einiger, ein Laut, welchen man für sich selbst, ohne Zuthuung und Beyhülfe eines andern Lautes aussprechen kann; mit einem Lateinischen Kunstworte ein Vocal, zum Unterschiede von einem Mitlaute, oder Consonanten. Bey einigen ältern Sprachlehrern, der Stimmer. Am richtigsten gebraucht man dafür das Wort Hülfslaut. S. die Sprachlehre.


Selbstlauter (W3) [Adelung]


Der Selbstlauter, des -s, plur. ut nom. sing. das Zeichen eines Selbstlautes, die Figur, der Buchstab. S. Laut und Lauter.


Selbstliebe (W3) [Adelung]


Die Selbstliebe, plur. car. die Liebe seiner selbst, die Fertigkeit, sich an seiner Vollkommenheit zu vergnügen und selbige zu befördern. Da diese Liebe so wohl erlaubt und pflichtmäßig, als auch unerlaubt und übertrieben seyn kann, so gibt es auch eine erlaubte und unerlaubte Selbstliebe, welche letztere auch Eigenliebe genannt wird.


Selbstlob (W3) [Adelung]


Das Selbstlob, des -es, plur. inus. ein Lob, welches man sich selbst ertheilet, von welchem das Eigenlob eine Art ist.


Selbstprüfung (W3) [Adelung]


Die Selbstprüfung, plur. die -en, die Prüfung seiner selbst.


Selbstrache (W3) [Adelung]


Die Selbstrache, plur. inus. eine Rache, welche man selbst und eigenmächtig ausübet, mit Hintansetzung der obrigkeitlichen Ahndung.


Selbstruhm (W3) [Adelung]


Der Selbstruhm, des -es, plur. inus. der Ruhm, welchen man sich selbst beyleget.


Selbstschuldner (W3) [Adelung]


Der Selbstschuldner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Selbstschuldnerinn, eine Person, welche eine Summe selbst schuldig ist, zum Unterschiede von dem Bürgen.


Selbstschuß (W3) [Adelung]


Der Selbstschuß, des -sses, plur. die -schüsse, eine Art Feuergewehre, welche so zugerichtet und gestellet werden, daß ein Mensch oder Thier, wenn es daran stößet, sich selbst erschießen muß: das Selbstgeschoß, die Legebüchse, der Legeschuß, Schwed. Sjelfskott.


Selbstständig (W3) [Adelung]


Selbstständig, -er, -ste, adj. et adv. für selbst bestehend, zu seiner Begreiflichkeit, zu seinem Verstande keines andern Dinges bedürfend. In diesem Verstande haben einige die Grundzahlen eins, zwey, u. s. f. selbstständige Zahlen, die Selbstlaute selbstständige Laute, die Hauptwörter selbstständige Wörter genannt. Ingleichen nach eigenen Grund sätzen handelnd, und daran gegründet. In der engsten philosophischen Bedeutung ist selbstständig, was von sich selbst oder aus eigener Kraft bestehet was den Grund seiner Möglichkeit in sich selbst hat, da denn nur Gott allein selbstständig ist. So auch die Selbstständigkeit. Opitz gebraucht für selbstständig von Gott das ungewöhnliche selbstwesend, ob er gleich das Hauptwort die Selbstständigkeit schon hat.


Selbstsucht (W3) [Adelung]


Die Selbstsucht, plur. car. die ungeordnete Begierde, in allen Vorfällen seine eigenen Vortheile zu suchen; der Egoismus. Daher selbstsüchtig.


Selbstthätig (W3) [Adelung]


Selbstthätig, adj. et adv. welches nur in der Philosophie in engerer Bedeutung üblich ist, ohne Bewußtseyn eigene Verände- rungen hervor bringend, zum Unterschiede von dem willkührlich, womit Vorstellung und Bewußtseyn verbunden ist. So auch die Selbstthätigkeit, Spontaneitas.


Selbstverachtung (W3) [Adelung]


Die Selbstverachtung, plur. inus. die Verachtung seiner selbst.


Selbstverläugnung (W3) [Adelung]


Die Selbstverläugnung, plur. inus. die Verläugnung seiner selbst, die Hintansetzung seiner gegenwärtigen Wohlfahrt, um eine größere und wesentlichere zu erhalten.


Selbstvertrauen (W3) [Adelung]


Das Selbstvertrauen, des -s, plur. car. das Vertrauen auf sich selbst.


Selbstzufriedenheit (W3) [Adelung]


Die Selbstzufriedenheit, plur. inusit. die Zufriedenheit mit sich selbst und seinem Zustande.


Selbstwesend (W3) [Adelung]


Selbstwesend, S. Selbstständig.


Selchen (W3) [Adelung]


* Selchen, verb. regul. act. welches nur in einigen Gegenden, z. B. in Baiern üblich ist, im Rauche trocknen oder dörren, räuchern. Geselcht Fleisch geräuchertes. S. Schwelken, womit es verwandt zu seyn scheinet.


Selerie (W3) [Adelung]


Selerie, S. Sellerie.


-selig (W3) [Adelung]


"-selig", ein Wort, welches mit dem folgenden Bey- und Nebenworte Eines Ursprunges ist, und an Haupt- und Beywörter gehänget wird, andere Bey- und Nebenwörter aus denselben zu bilden. Es bedeutet eine Menge, einen Reichthum derjenigen Sache, welche das Hauptwort bezeichnet. So ist im Isländ. "arsäli", "reich an Getreide", "segersäll", "siegreich", "tockasäll", "gnadenreich". Im Oberdeutschen ist ein "leutseliger Ort", ein "volkreicher, der viele Einwohner hat", "redselig", "gesprächig", "wortreich" u. s. f. Eben diese Bedeutung des Reichthums liegt auch in den im Hochdeutschen noch üblichen Bey- und Nebenwörtern zum Grunde, "glückselig", "leutselig", "mühselig", "saumselig", "trübselig", "armselig", "feindselig", "holdselig" u. s. f. viel Glück, Mühe, Armuth, Feindschaft, Huld u. s. f. habend. In "gottselig" scheinet es eine Ähnlichkeit zu bedeuten, welcher Bedeutung dieses Wort gar wohl fähig ist, ob sie gleich eben nicht die häufigste ist; indessen lässet es sich vermittelst einer Figur auch aus der allgemeinern Bedeutung des Besitzes erklären. Im Oberdeutschen hat man noch mehrere Wörter dieser Art, welche aber im Hochdeutschen fremd sind; z. B. "rathselig", "reich an gutem Rathe"; "friedselig", "reich an friedfertigen Gesinnungen", welches auch von einigen neuern Dichtern im Hochdeutschen gebraucht worden, "bittselig", "eine gute Gabe zu bitten habend", "gnadselig", "gnädig", "gnadenreich", "rachselig", "rachgierig", "habselig", "reich an Habe", daher unser "Habseligkeit", "lobselig", "reich an Lob", und so ferner.

Anm. Im Isländ. lautet dieses Wort "säll". Die Endsylbe "-ig", ist die Ableitungssylbe, daher es hier nur auf die Sylbe "sel" ankommt, welche eine Zahl, Menge, Verbindung, Gesellschaft, Besitz u. s. f. bedeutet. ( S. 1 "Sahl".) Mit der Ableitungssylbe der Hauptwörter "-sal" ist es genau verwandt, ohne eben unmittelbar von demselben abzustammen, daher auch die Schreibart "sälig" für "selig" unnöthig ist, zumahl da für "-sal", in vielen Fällen auch "-sel" üblich ist. Die vermittelst dieses Wortes gemachten Beywörter leiden nicht nur die Comparation, sondern es können auch Hauptwörter auf "-keit" davon gemacht werden; "Mühseligkeit", "Saumseligkeit", "Armseligkeit" u. s. f.


Selig (W3) [Adelung]


Selig, -er, -ste, adj. et adv. welches ehedem nicht nur allein reich, sondern auch gut bedeutete, in diesen Bedeutungen aber längst veraltet ist. Es bedeutete noch, 1. in einem hohen Grade glücklich, und sich dieses Zustandes mit herrschender Lust bewußt. Dem, der wol bitten kan, Der wirt vil lichte ein selig man, Graf Rud. von Niuwenburg. Selig si min liebe frowe, Die mir froeit das herze mit dien sinnen, Markgr. Heinr. von Meissen. Und so in vielen andern Stellen mehr. - Bey glauben ich dir versprich, Dich reich und selig zu machen, Theuerd, Kap. 36. Ingleichen sehr häufig in der Deutschen Bibel, wo es oft auch nichts anders als glücklich bedeutet. Im Hochdeutschen hat man es um der Zweydeutigkeit mit den folgenden Bedeutungen willen veralten lassen, und dafür das bestimmtere glückselig eingeführet; nur einige neuere Dichter gebrauchen es noch in der veralteten Bedeutung. Wenn er, ein Gott Ostr. durch unsere Fluren Im seligsten Triumphe fährt. Raml. 2. In engerer Bedeutung.

(1) Der himmlischen Glückseligkeit nach diesem Leben theilhaftig. Selig werden, selig sterben. Die Seligen im Himmel. Gott habe ihn selig, eine im gemeinen Leben übliche Formel, eines Verstorbenen zu erwähnen. In der Römischen Kirche nennet man im engern Verstande diejenigen selig, welche in dem Geruche der Heiligkeit gestorben sind; welche die Kirche zur Canonisation bestimmt hat, und ihre Verehrung zum voraus billiget, ob sie gleich noch nicht canonisiret worden; zum Unterschiede von dem heilig. Im weitesten Verstande nennet man alle in der Kirchengemeinschaft verstorbenen Personen selig, ohne eben dadurch die Beschaffenheit ihres Zustandes zu bestimmen, und da hat man nach dem Unterschiede des Standes auch wohlselig, hochselig und höchstselig. Mein seliger Vater, mein verstorbener Vater; wo man im gemeinen Leben auch wohl das Beywort nach alter Art hinten zu setzen pflegt, mein Vater seliger. Der wohlselige Graf, der höchstselige König. (2) Sich der Vereinigung mit Gott mit anschauender Lust bewußt, und in diesem Bewußtseyn gegründet. Tugendhafte und selige Empfindungen des Herzens gegen Gott, Gell. Besonders bey einigen neuern sinnlichen Kirchengemeinden.

Anm. Bey dem Ottfried salig, im Nieders. selig, im Angels. saeli, im Engl. sely, im Schwed. salig, im Isländ. säl. Die erste Bedeutung scheinet reich, begütert gewesen zu seyn, oder auch gut, wie denn noch im Ulphilas sel, gut, bedeutet. Die Bedeutung des Glückes ist eine gewöhnliche Figur des Reichthums, daher auch im Schwed. säll, glücklich ist. Das Lat. Salus, unser Heil, und vielleicht auch das Lat. felix. sind nahe damit verwandt. Das alte Oberdeutsche Selde, Heil, Wohlfahrt, Glück, ist veraltet, und dafür das neue Seligkeit eingeführet. (Siehe das vorige, ingleichen 1 Sahl.) Wenn im gemeinen Leben und im Scherze selig oft im hohen Grade trunken bedeutet, so kann solches eine Figur seyn, weil ein solcher Betrunkener sich seines Zustandes mit vielem Vergnügen bewußt zu seyn scheinet; es kann aber auch von dem Niedersächsischen sölig, schmutzig, abstammen, ob es gleich den verächtlichen Nebenbegriff nicht hat, der ihm alsdann zukommen müßte.


Seligkeit (W3) [Adelung]


Die Seligkeit, plur. die -en. 1. Glückseligkeit, und deren Empfindung, mit einem hohen Grade des Wohlgefallens, in welcher weitern Bedeutung es so wie das vorige Beywort nur noch zuweilen vorkommt, besonders in der höhern Schreibart. O, sich geliebt zu sehn, welche Seligkeit! Raml. In der Mittheilung unserer Begriffe an unsere Freunde lieget eine Seligkeit, die auch der hartnäckigste Einsame fühlt, Zimmerm. wo es oft von dem höchsten Grade des Vergnügens, der angenehmen Empfindungen gebraucht wird. Die Seligkeit Gottes, dessen höchste Belustigung an dem Besitze seiner nothwendigen Vollkommenheiten. Die acht Seligkeiten, die achtfache Matth. 5 vorgetragene Glückseligkeit. 2. In engerer theologischer Bedeutung ist die Seligkeit. (1) der Genuß der Vereinigung mit Gott in diesem Leben. (2) Der Genuß derselben nach diesem Leben, die künftige Wohlfahrt der Menschen in der unmittelbaren Vereinigung mit Gott, ohne Plural; das ewige Leben, der Himmel. Anm. Schon im 9ten Jahrhunderte für Glück, Glückseligkeit, Salichedi, bey dem Notker Saligheit, mit andern Endsylben bey dem Ottfried Salida, in den spätern Zeiten Selde, im Isidor Salidhom.


Sellerie (W3) [Adelung]


Der "Sellerie", (dreysylbig) plur. inusit. die Wurzel einer größern Art "Petersilie", und dieses ganze Gewächs, welches aus Italien zu uns gebracht worden, woher auch dessen Nahme stammet; Ital. "Celeri", "Sceleri", Französ. "Celeri", Engl. "Celery", Böhm. "Celer". Im Deutschen lautet das "i" doppelt.


Sellmann (W3) [Adelung]


Sellmann, ein Nahme des Leithundes bey den Jägern, S. Gesellmann.


Selten (W3) [Adelung]


Selten, -er, -ste, adject. et adverb. welches dem oft entgegen stehet, und den Umstand bezeichnet, da ein Ding nicht oft existiret, geschiehet oder angetroffen wird. Die Nordlichter sind in unsern Gegenden selten, etwas Seltenes, in den nördlichen sind sie nicht so selten. In dem Schoße des Glückes ist noch selten ein Mann erzogen worden, Dusch. Selten sahe man ihn lachen. Das Unglück verfolgt ihn mit seltner Härte. Eine seltene Begebenheit. Seltene Bücher, im gemeinen Leben, rare. Ein selten gutes Kind, im gemeinen Leben, ein sehr gutes, dergleichen selten gefunden wird.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern selten, im Nieders. selden, im Angels. seld. seldan, im Engl. seldom, im Schwed. sällan. Schon bey dem Ulphilas ist sildalik, wunderbar, und sildalikan, bewundern.


Seltenheit (W3) [Adelung]


Die Seltenheit, plur. die -en. 1. Die Eigenschaft eines Dinges, da es selten ist; ohne Plural. Die Seltenheit einer Begebenheit, eines Buches. 2. Ein seltenes Ding, eine seltene Begebenheit; mit dem Plural.


Seltsam (W3) [Adelung]


Seltsam, -er, -ste, adj. et adv. welches von dem veralteten selt, statt der Ableitungssylbe en mit der Sylbe sam gebildet ist. 1. * Wie selten, was nicht oft geschiehet, wirklich ist, oder angetroffen wird; schon bey dem Ottfried seltsan, bey dem Stryker saeltzeim. Dankbarkeit, du theure Tugend, Alterst bald in deiner Jugend, Drum macht deine kurze Frist, Daß du immer seltsam bist, Logau. In der anständigen Sprechart der Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, und nur den gemeinen Mundarten überlassen. 2. Figürlich. (1) * Wunderbar, bewundernswürdig. Und sie entsagten sich alle, und preiseten Gott, und sprachen, wir haben heute seltsame Dinge gesehen, Luc. 5, 26. Das Herz muß sich verwundern solches seltsamen Regens, Sir. 43, 20. Daselbst sind seltsame Wunder, V. 27. Auch diese Bedeutung ist im Hochdeutschen veraltet. (2) Von der regelmäßigen, gehörigen oder gewöhnlichen Gestalt abweichend. Eine seltsame Nase, 3 Mos. 21, 18. Sich seltsam betragen, ein seltsames Betragen. Eine seltsame Figur. Sie sehen heute sehr seltsam aus. Ein seltsamer Mensch, der in seinem ganzen Betragen von dem Gewöhnlichen abweicht.

Anm. In den gemeinen Sprecharten seltsen, oder seltzen, im Nieders. seldsen, Schwed. sällsam. Ottfried gebraucht es auch als ein Hauptwort, thaz Seltsani, das Wunder.


Seltsamkeit (W3) [Adelung]


Die Seltsamkeit, plur. die -en, gleichfalls nur in der letzten figürlichen Bedeutung. 1. Die Eigenschaft einer Sache, da sie seltsam ist; ohne Plural. 2. Ein seltsam Ding, eine seltsame Eigenschaft.


Semisch (W3) [Adelung]


Semisch, S. Sämisch.


-sen (W3) [Adelung]


-sen, eine Ableitungssylbe, welche an Zeitwörter gehänget wird, Intensiva und Iterativa daraus zu bilden; gacksen oder gäcksen, von gacken, das veraltete dinsen, ziehen, von dehnen, hummsen, summsen, von hummen, summen, raffsen, von raffen, drucksen von drucken, lugsen, von dem alten lugen, sehen, bammsen, wammsen u. s. f. Oft gehet das s in ein z über; brunzen, von dem veralteten brunnen, pelzen, von pelen, fillen, schlagen, hunzen; besonders wenn sich das Zeitwort auf ein t endiget, hitzen. sitzen. Zuweilen auch in ein sch, quetschen, in andern Mundarten quetsen, manschen. Zuweilen wird sie auch an Beywörter gehänget, Activa daraus zu bilden; geltsen oder geltzen, gelt machen, d. i. verschneiden, das alte reichsen, regieren, das Engl. to rense, to rinse, reinigen, von rein, Franz. rincer, Schwed. rensa, Isländ. hreinsa.


Send (W3) [Adelung]


Die Send, plur. die -e, ein nur noch in einigen Gegenden übliches Wort, ein geistliches Sittengericht zu bezeichnen, in welchem ehedem auch ehrliche Laien Sitz hatten; das Synodal-Gericht, Sendgericht. Nach dem Sächsischen Landrechte mußte jeder Pfarrer in seiner Pfarre alle Jahre drey Mahl Send halten. Eben daselbst wird des Bischofs Send, des Dompropstes und der Erzpriester Send, und der Archidiaconen Send gedacht, welches so viele Synodal- oder geistliche Gerichte waren. In dem Schwabenspiegel wird auch eine Synode, d. i. die Versammlung der Geistlichen einer Diöces, die Sende genannt. Indessen scheinet, es daß auch weltliche Gerichte in manchen Gegenden Sende genannt werden. In einigen Schleswigischen Ämtern werden daher diejenigen Bonden, welche in einem Criminal-Gerichte sitzen, Sand- oder Sende genannt.

Anm. Im Nieders. Sint. Es sit aus dem Latein. Synodus entlehnet, und mit Zent nicht zu verwechseln, welches ein ganz verschiedenes Gericht bedeutet. In einigen Gegenden ist es männlichen Geschlechtes, der Send.


Sendbrief (W3) [Adelung]


Der Sendbrief, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte senden, eigentlich, ein jeder Brief, ein jedes Schreiben, weil es an einen andern gesandt wird; zum Unterschiede von Brief, so fern es ehedem eine jede Urkunde bedeutete. In dieser Bedeutung ist es veraltet, und man gebraucht Sendbrief, oder noch lieber Sendschreiben, nur noch von einem Schreiben an mehrere, welches einer dem andern zusendet.


Sendbrüche (W3) [Adelung]


Die Sendbrüche, sing. inus. in einigen Gegenden, Brüche, d. i. Strafgelder, welche auf der Send, oder dem Sendgerichte erkannt werden.


Sendel (W3) [Adelung]


Der Sendel, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. die geringste Art Taffets, welche sehr leicht, dünn und durchsichtig ist, und auch Sendel-Taffet genannt wird. Im Ital. Sendali, Franz. Cendal, Schwed. Syndal, Engl. Tinsel, alle aus dem mittlern Lat. Cendalum, Sandale. Es scheinet mit - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, oder mit dem Arabischen Cendali, ein sehr dünnes Blatt, verwandt zu seyn. Es wird von einigen auch Zendel und Zindel geschrieben und gesprochen.


Senden (W3) [Adelung]


Senden, verb. irreg. act. Imperf. ich sandte; Mittelw. gesandt. Es ist mit dem Activo schicken gleich bedeutend, nur mit dem Unterschiede, daß jenes mehr im gemeinen Leben, senden aber nur in der anständigern und höhern Schreibart gebraucht wird. Waaren von einem Orte zum andern senden. Jemanden einen Bothen, einen Brief senden. Der Herr hat uns gesandt, Sodom zu verderben, 1 Mos. 19, 3. Daher auch das Mittelwort gesandt häufig als ein Hauptwort gebraucht wird, ( S. der Gesandte.) Ehedem gebrauchte man dafür Sendbothe. In der Deutschen Bibel bedeutet senden oft nöthige Vollmacht und Vorschrift zu einem Geschäfte geben. Daher die Sendung, auch in der letzten biblischen Bedeutung.

Anm. Schon in dem Kero, Ottfried und andern sentan, bey dem Ulphilas sandjan und satjan, im Engl. to send, im Schwed. sända, im Lettischen sinetu. Wachter zeigt sehr gut, daß dieses Zeitwort ein Factitivum von dem veralteten Zeitworte sinan, gehen, ist, welches noch bey dem Ottfried vorkommt, so daß senden eigentlich gehen machen bedeutet. Daher bedeutet sentan im Tatian auch werfen. Im Angels. ist sithian, gehen, und Sind war ehedem sehr gangbar, die Reise und den Weg zu bezeichnen.


Sendfällig (W3) [Adelung]


Sendfällig, adj. et adv. nur in einigen Gegenden, vor einer Send, d. i. einem geistlichen Gerichte, straffällig, was in einer Send bestrafet wird.


Sendgericht (W3) [Adelung]


Das Sendgericht, des -es, plur. die -e, ein geistliches Gericht, die Send, ( S. dieses Wort.) So wird noch in Aachen das geistliche Gericht das Sendegericht genannt.


Sendherr (W3) [Adelung]


Der Sendherr, des -en, plur. die -en, derjenige, der das, was in einer Send oder in einem geistlichen Sittengerichte beschlossen worden, vollziehen hilft.


Sendkorn (W3) [Adelung]


Das Sendkorn, des -es, plur. car. auch nur in einigen Gegenden, dasjenige Korn oder Getreide, welches dem Archidiacono für die Haltung der Send aus seinem Sprengel entrichtet wird.


Sendpflichtig (W3) [Adelung]


Sendpflichtig, adj. et adv. eben daselbst, der geistlichen Gerichtbarkeit jemandes unterworfen. Sendpflichtige Leute, welche daselbst auch Sendverwandte genannt werden.


Sendrecht (W3) [Adelung]


Das Sendrecht, des -es, plur. inus. das Recht, eine Send, d. i. geistliches Gericht, zu halten.


Sendrichter (W3) [Adelung]


Der Sendrichter, des -s, plur. ut nom. sing. der Richter in einem Sendgerichte.


Sendschöppe (W3) [Adelung]


Der Sendschöppe, des -n, plur. die -n, der Schöppe, oder Beysitzer in einem Sendgerichte.


Sendschreiben (W3) [Adelung]


Das Sendschreiben, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Sendbrief.


Sendverwandte (W3) [Adelung]


Der Sendverwandte, des -n, plur. die -n, Siehe Sendpflichtig.


Senes-Baum (W3) [Adelung]


Der Senes-Baum, des -es, plur. die -bäume, eine Art Cassien, welche ein Staudengewächs ist, so ursprünglich in Ägypten wächset, aber auch in Italien und Frankreich gebauet wird, und die in den Apotheken bekannten Senes-Blätter liefert; Cassia Senna Linn. bey einigen auch die Senne. Der Nahme ist aus dem Ital. Sena, Lat. Senna.


Senf (W3) [Adelung]


Der Senf, des -es, plur. inus. eine Schoten tragende Pflanze, von welcher Eine Art auf den Äckern wild wächset; Sinapi Linn. Der Same des schwarzen Senfes, Sinapi nigra Linn. welcher auf den Dämmen des mitternächtigen Europa wild wächset, wird mit Wasser oder Wein zu einer Tunke gemahlen, und alsdann gleichfalls Senf genannt; im Nieders. heißt er alsdann Möstrich, Mustert, ( S. das erste.) In der im gemeinen Leben üblichen figürlichen R. A. einen langen Senf über etwas machen, d. i. viele unnütze Worte, stehet Senf für Senfbrühe, und lang, bedeutet, wie in andern Fällen, mit vielem Wasser verdünnet. Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt der Pflanze und des Samens, werden auch der Hederich und das Täschelkraut, zuweilen wilder Senf oder Bauernsenf, und der Dotter, Sesamum orientale Linn. Wegesenf genannt.

Anm. Im Tatian Senaf, bey dem Notker Seneff, im Nieders. Semp, im Engl. Senvy, im Franz. Seneve, im Schwed. Senap; alle aus dem Lat. Sinapi, und dieß aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Senfbrühe (W3) [Adelung]


Die Senfbrühe, plur. die -n, eine mit Senf zubereitete Brühe.


Senfkorn (W3) [Adelung]


Das Senfkorn, des -es, plur. die -körner, das Samenkorn des Senfes.


Senfmühle (W3) [Adelung]


Die Senfmühle, plur. die -n, eine Handmühle, den Senf darauf zu mahlen.


Senfte (W3) [Adelung]


Die Senfte, S. Sänfte.


Senfteig (W3) [Adelung]


Der Senfteig, des -es, plur. inus. bey den Ärzten und Mundärzten, ein Breyumschlag von Senf, welcher als eine Bähung auf einen kranken Theil des Leibes gelegt wird; Sinapismus.


Sengen (W3) [Adelung]


Sengen, verb. reg. act. die haarigen oder den Haaren ähnlichen Theile auf der Oberfläche eines Körpers abbrennen. Ein geschlachtetes Schwein, eine gerupfte Gans sangen. Die Hutmacher sengen die Hüte, wenn sie ihnen mit angezündetem Strohe die längsten Haare benehmen. Im Kriege sengen und brennen, wo sengen allem Ansehen nach das Getreide auf dem Felde abbrennen bedeutet. Die Grille und die Heuschrecke zwitscherten unter dem Schatten der Blätter im gesengten Grase, Geßn. nach einer poetischen Vergrößerung. So auch das Sengen.

Anm. Es scheinet den Laut nachzuahmen, welchen das Feuer in dergleichen haarigen Theilen verursacht, und ist mit zünden u. s. f. verwandt. Die Niedersachsen sagen dafür schroien. Man bemerke die Ähnlichkeit zwischen schreyen und schroien, und zwischen sengen und singen; lauter Beweise, daß ähnliche Wörter sehr verschiedene Dinge bedeuten, wenn sich nur eine Ähnlichkeit in dem Tone dieser Dinge befindet, oder die Erfinder der Sprache sich selbige unter einem ähnlichen Laute gedacht haben.


Senkbley (W3) [Adelung]


Das Senkbley, des -es, plur. die -e, in der Schifffahrt, ein Bley an einer Schnur, die Tiefe des Wassers damit erforschen, welches auch das Grundbley, Grundloth, Bleyloth, der Bleywurf, das Wurfbley u. s. f. genannt wird; bey dem Pictorius der Senkel.


Senke (W3) [Adelung]


Die Senke, plur. die -n, von dem Zeitworte senken. 1. Eine niedrige Gegend, ein nur in einigen Provinzen übliches Wort; Nieders. Sinke. 2. Das Senken, d. i. das Ablegen der Senker zum Fortpflanzen, ( S. Senker.) 3. Bey den Fischern wird auch das Senkgarn die Senke genannt. 4. Bey den Schmieden und Schlössern ist die Senke, eine ausgehöhlte Form, andern Dingen darin ihre gehörige Gestalt zu geben. So ist die Schlüsselsenke, eine stählerne Platte mit rundlichen Reifen, die Röhren an den Schlüsseln darin abzurunden.


Senkel (W3) [Adelung]


1. Der Senkel, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte senken, ein Ding, welches gesenkt wird; ein nur in einigen Fällen und einigen Gegenden übliches Wort. Ein Senkbley wird noch in einigen Gegenden ein Senkel, und das Bleyloth die Senkelschnur genannt, so wie auch senkelrecht für senkrecht nicht unbekannt ist. In andern Gegenden heißen unten an die Fischnetze befestigten Bleystücke, sie damit unter das Wasser zu senken, die Senkel, welche sonst auch das Gesenke genannt werden.


Senkel (W3) [Adelung]


2. Der Senkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, in welchem der Begriff der Verbindung der herrschende ist, welches aber in mehrern Fällen gebraucht wird. 1. Ein Riemen, gewisse Kleidungsstücke damit zu verbinden, heißt so wohl in Ober- als Niederdeutschland ein Senkel. Daher ist der Schnürsenkel, im Oberd. der Schnürriemen, auch wenn er nur eine Schnur und kein eigentlicher Riemen ist. Pohln. Zenkiel. Obgleich der Begriff der Verbindung dieser Bedeutung vollkommen angemessen ist, so kann doch auch die Ausdehnung in die Länge mit in Betrachtung kommen, da es denn von Sehne nur in der Endsylbe verschieden seyn würde. 2. Im Bergbaue sind die Senkel kleine eiserne Klammern, die Gerinne oder Latten damit zusammen zu fügen. Von dieser Art sind auch die Senkel am Treibehute, das Gerippe des Treibehutes damit an die Bleche zu befestigen.

Anm. Im Angels. ist Sinc, eine Verbindung, Versammlung mehrerer Dinge, Sondre aber die Herde, ( S. Senne.) Mit einer andern Ableitungssylbe ist auch das alte Sune, Familie, damit verwandt, ( S. Sohn und Gesinde.) In allen diesen Wörtern ist, so wie in unserm Senkel, die Verbindung der Stammbegriff.


Senkblech (W3) [Adelung]


Das Senkblech, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, dünnes Eisenblech, woraus die Pfeifen an den Schnürsenkeln oder Schnürriemen verfertiget werden.


Senkelholz (W3) [Adelung]


Das Senkelholz, des -es, plur. die -hölzer, im Hüttenbaue, ein langes Holz, in Gestalt eines Rührholzes, die Zechschlämme in dem Waschfasse derb zu stoßen; vielleicht auch mit dem herrschenden Begriffe der Vereinigung, Verbindung. S. 2 Senkel.


Senkelnadel (W3) [Adelung]


Die Senkelnadel, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Schnürnadel oder Einreihnadel, Senkel oder Schnüre damit durchzuziehen.


Senkelrecht (W3) [Adelung]


Senkelrecht, S. Senkrecht.


Senkelschnur (W3) [Adelung]


Die Senkelschnur, plur. die -schnüre, in einigen Gegenden, ein Nahme des Bleylothes, so fern es dienet, die senkrechte Stellung eines Körpers damit zu erforschen.


Senken (W3) [Adelung]


Senken, verb. reg. act. welches das Factitivum von sinken ist, sinken machen, nach und nach die Tiefe lassen. 1. Eigentlich. Eine Leiche in das Grab senken. Den Anker in das Wasser senken. Die Senkung der Angel, nicht nur das Hinablassen derselben in das Wasser, sondern auch das Maß, wie weit sie das Wasser hinab reichen muß. Das Haus, die Mauer senkt sich, wenn sie nach und nach in die Erde sinkt. O senkt euch herab von rauschenden Wipfeln, Heilige Schauer, die ganz die Seele des Dichters empfindet, Zachar. 2. Figürlich. (1) Im Wein- und Gartenbaue ist das Senken oder Absenken eine Art der Fortpflanzung der Gewächse, da man eine Rebe oder einen Zweig, ohne sie von dem Stamme abzulösen, in die Erde senket, d. i. beuget, damit der in der Erde befindliche Theil Wurzel schlage. Eine Rebe senken. Er hat edle Reben darein gesenkt, in den Weinberg, Es. 5, 2; wo es aber überhaupt für setzen, pflanzen zu stehen scheinet. ( S. Senker.) (2) Im Bergbaue ist senken oder absenken, in die Tiefe graben, wo es aber bey den Bergleuten gemeiniglich sinken lautet. Einen Schacht senken, absenken, oder sinken, absinken. Es ist in diesem Verstande schon alt. In einer alten Tirolischen Bergwerksurkunde von 1208 in Sperggs Tirol. Bergwerksgeschichte kommt xencare schon in diesem Verstande vor. Eben daselbst ist Xencelochus, eine abgesenkte Grube, und Xincarum, ein Gesenk. ( S. das letztere.) In Senkhammer, Senke u. s. f. bedeutet es überhaupt vertiefen. So auch das Senken und die Senkung.

Anm. Bey dem Ottfried sankan, sangan, im Angels. sencian, im Schwed. sänka, im Isländ. ohne n söckwa, im Engl. to sink, welches daselbst so wohl senken als sinken bedeutet. S. das letztere.


Senkende (W3) [Adelung]


Das Senkende, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe das folgende.


Senker (W3) [Adelung]


Der Senker, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Im Wein- und Gartenbaue, ein Zweig, Reis oder Rebe, welcher zur Fortpflanzung in die Erde gebeuget worden, damit er daselbst Wurzel schlage; in einigen Gegenden die Senke, im Weinbaue auch das Senkende (von Ende) das Gesenke. ( S. Ableger.) 2. Bey den Fischern, ist der Senker ein einfaches viereckiges Fischernetz, welches etwas beutelförmig ist, und an zwey biegsamen Stangen hängt, vermittelst deren es in das Wasser gesenket wird. Es scheinet von denjenigen Netzen, welche Senken und Senkgarne genannt werden, noch verschieden zu seyn.


Senkgarn (W3) [Adelung]


Das Senkgarn, des -es, plur. die -e, ein Fischernetz, welches vermittelst angehängter Bleystücke in das Wasser gesenket wird; die Senke. S. das vorige.


Senkgrube (W3) [Adelung]


Die Senkgrube, plur. die -n, im Weinbaue, diejenige Grube, in welche der Senker gesenket, d. i. ohne ihn von seinen Stocke zu trennen zur Anwurzelung gebeuget wird.


Senkhammer (W3) [Adelung]


Der Senkhammer, des -s, plur. die -hämmer, bey den Hufschmieden, ein Hammer, welcher auf seiner größten Bahn Furchen hat, Rinnen damit in das Eisen zu senken.


Senkholz (W3) [Adelung]


Das Senkholz, des -es, plur. inus. bey den Holzflößen, dasjenige Holz, welches auf den Grund gesunken ist, sich auf den Grund gesenket hat, und darauf gehohlet und nachgeflößet werden muß.


Senkknecht (W3) [Adelung]


Der Senkknecht, des -es, plur. die -e, im Weinbaue, ein kleiner Pfahl mit einem Haken, den Senker damit in die Erde zu befestigen. S. Knecht.


Senkkolben (W3) [Adelung]


Der Senkkolben, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Schlössern, eine Art eines Bohrers, ein Loch damit oben zu erweitern, Schraubenköpfe, Verniethungen darein zu versenken.


Senkkorb (W3) [Adelung]


Der Senkkorb, des -es, plur. die -körbe, im Bergbaue, ein Korb von Draht oder Holzschienen unter dem Ansteckkiele, damit keine Steine oder Holzsplitter mit dem Wasser hinan gezogen werden.


Senkler (W3) [Adelung]


Der Senkler, des -s, plur. ut nom. sing. von 2 Senkel. 1. Ein Handwerker, welcher allerley Senkel, d. i. Schnüre und Riemen, verfertiget und selbige an der Spitze mit dünnem Bleche beschläget. Da wo es keine eigene Senklerinnungen gibt; scheinen die Gürtler die Arbeiten der Senkler zu verfertigen. In einigen Oberdeutschen Gegenden werden sie Nestler genannt. 2. Die feinste Art Bleches, so wie selbiges die Senkler zu den Senkeln gebrauchen, welches auch Senkelblech, Senklerblech genannt wird.


Senkpfahl (W3) [Adelung]


Der Senkpfahl, des -es, plur. die -pfähle, im Weinbaue, ein Pfahl, woran die Senker, wenn sie ausschlagen, gebunden werden. Oft macht er mit dem Senkknechte mir ein und eben dasselbe Stück aus.


Senkrecht (W3) [Adelung]


Senkrecht, adj. et adv. derjenigen Linie gemäß, welche ein Körper nimmt, wenn er sich senket, d. i. perpendiculär; im gemeinen Leben senkelrecht, lothrecht. Eine senkrechte Linie, eine perpendiculäre. Senkrecht stehen.


Senkreuse (W3) [Adelung]


Die Senkreuse, plur. die -n, eine Art Fischreusen, welche an tiefen Stellen eines Flusses oder Teiches eingesenket werden; zum Unterschiede von den Fachreusen.


Senkschlacht (W3) [Adelung]


Die Senkschlacht, plur. die -en, im Wasserbaue, ein Schlacht, d. i. ein Damm, welcher aus Faschinen, Würsten u. s. f. bestehet, welche in das Wasser gesenkt worden; das Senkwerk.


Senkstock (W3) [Adelung]


Der Senkstock, des -es, plur. die -stöcke. 1. Im Weinbaue, ein Weinstock, von welchem eine Rebe abgesenket worden, oder abgesenket werden soll. 2. Bey den Klempenern, ein Amboß, mit allerley Reifen ausgefeilt, den Draht nach Art der Gesimse darin zu schlagen. Senke.


Senkwerk (W3) [Adelung]


Das Senkwerk, des -es, plur. die -e, S. Senkschlacht.


Senkzeit (W3) [Adelung]


Die Senkzeit, plur. die -en, diejenige Zeit, da die Gewächse am bequemsten durch Senker fortgepflanzet werden können.


Senn (W3) [Adelung]


Der Senn, des -en, plur. die -en, ein nur in der Schweiz übliches Wort, einen Viehhirten zu bezeichnen, welcher das Vieh den Sommer über auf den Alpen weidet, und zugleich die Milchnutzung desselben gepachtet hat. S. 3 Senne.


Senne (W3) [Adelung]


1. Die Senne, in einigen gemeinen Mundarten für Sehne, S. dasselbe.


Senne (W3) [Adelung]


2. Die Senne, plur. die -n, bey einigen der Senes-Baum, wie Senes-Blätter für Senes-Blätter, S. Senes-Baum.


Senne (W3) [Adelung]


3. Die Senne, plur. die -n, ein nur in der Schweiz übliches Wort, eine Herde zahmen Viehes zu bezeichnen, besonders Rindviehes, welche sich unter der Aufsicht eines Sennen den Sommer über auf den Alpen aufhält; wo es auch zuweilen Seunte lautet.

Anm. Frisch leitet dieses Wort von Sahne her; allein es ist weit wahrscheinlicher, daß, so wie in Herde und andern Wörtern dieser Art, der Begriff der Vielheit, der Menge, der Versammlung der herrschende ist, es als ein Verwandter von dem alten Oberdeutschen Sene, Sune, Familie, Versammlung mehrerer, ( S. Sohn) von unserm Gesinde, 2 Senkel, Zunft u. s. f. angesehen werden. Im Angels. ist Suner, und Sunrae, gleichfalls eine Herde.


Senner (W3) [Adelung]


Der Senner, des -s, plur. ut nom. sing. ein in den Stutereyen, besonders Niederdeutschlandes übliches Wort, welches gleichfalls zu dem vorigen zu gehören und ein Pferd aus einer Stuterey zu bezeichnen scheinet. In einem Anschlage des herrschaftlichen Gestüthauses Lopshorn unweit Detmold, wurden 1775 zum Verkaufe feil gebothen: 1. An bedeckten Sennerstuten, ein Zobelfuchs, ein Hellfuchs - 2. An Hengsten, ein hellbrauner Senner, ein Braunscheck u. s. f.


Sennerey (W3) [Adelung]


Die Sennerey, plur. die -en, in der Schweiz. 1. Die Viehzucht als ein Abstractum und ohne Plural. 2. Eine Viehherde. S. 3 Senne.


Sennhütte (W3) [Adelung]


Die Sennhütte, plur. die -n, eben daselbst, eine Hütte auf den Alpen, in welcher sich die Sennen oder Viehhirten des Sommers aufhalten.


Sennte (W3) [Adelung]


Die Sennte, plur. die -n, S. 2 Senne.


Sensal (W3) [Adelung]


Der Sensal, des -e, plur. die -e, ein in den Handelsstädten übliches Wort, einen Mäkler der Kaufleute zu bezeichnen, welcher ihre Waaren, Wechselbriefe u. s. f. feil biethet, Gelder für sie unterhandelt, u. s. f. In manchen Städten wird er auch nur Mäkler genannt.

Anm. Dieses Wort sit aus dem Italien. Sensale und Französ. Sensal, in den mittägigen Provinzen Censal entlehnet, welches nicht, wie Ferrarius will, von Alcensa, Sensa, dem Himmelfahrtsfeste in Venedig abstammet, an welchem daselbst ein großer Jahrmarkt ist, sondern von dem Lat. Censualis, welches eigentlich einen obrigkeitlichen Einnehmer der Zinsen und anderer Gefälle bezeichnete. Vielleicht waren die ältesten Censualen der Kaufleute zunächst dazu bestimmt, ihre Schulden einzufordern. In Marseille sind die Sensalen so alt, daß man ihren Ursprung nicht mehr weiß.


Sense (W3) [Adelung]


Die Sense, plur. die -n, ein langes vorn gekrümmtes schneidendes Werkzeug mit einem langen am Ende befestigten Stiele, das Gras und Getreide damit abzuhauen. Weit klingt ins Feld die blitzende Sense, Zachar. Die Sichel ist klein, und mehr gekrümmet; mit derselben werden Gras und Getreide geschnitten. Die Sense ist, außer der Verschiedenheit der Gestalt, weit größer, mit derselben wird gehauen oder gemähet, indem sie mit beyden Händen gefasset und mit ausgestreckten Armen geführet wird.

Anm. Bey dem Pictorius Sagysen, bey dem Dasypodius Sagys, welches Frisch, als eine Zusammensetzung von Säge und Eisen anstehet, aber unser Sense nicht auf eben dieselbe Art hätte erklären sollen. Dieses lautet in den Deutschen und damit verwandten Mundarten sehr verschieden; bey dem Ottfried Seche, im Österreichischen mit dem eingeschobenen Nasenlaut Sengse, wovon unser Sense mit Wegwerfung des Gaumenlautes gebildet zu seyn scheinet, im Nieders. Seiße, wo auch Seged eine besondere Art Sensen zum Ab- und Ausbauen der Rasen ist, schon im Salischen Gesetze Seisse, im Isländischen Sigdur, im Angelsächsischen und Engl. Sithe, im Nieders. gleichfalls Seed, Seid, im Osnabrück. Sift. Aller dieser Abänderungen ungeachtet, wird doch die Verwandtschaft dieses Wortes mit Säge, Sech, Sichel und dem alten Sachs, ein Messer, nicht zu läugnen seyn. Das n ist ein Nasenlaut, der sich oft ohne Noth zum Begleiter der Gaumenlaute aufwirft. Übrigens wird eine Sense im Nieders. auch Lehe, (Dän. Lee), und Swade, genannt, S. Schwaden.


Sensenbaum (W3) [Adelung]


Der Sensenbaum, des -es, plur. die -bäume, der lange starke Stiel an der Sense.


Senseneisen (W3) [Adelung]


Das Senseneisen, des -s, plur. inus. auf den Eisenhämmern, ein schmales Stabeisen, woraus hernach die Sensenklingen geschmiedet werden.


Sensengerüst (W3) [Adelung]


Das Sensengerüst, des -es, plur. die -e, an den Getreidesensen, ein Gerüst unten an dem Sensenbaume, wo er mit der Klinge vereiniget ist. Es bestehet aus einer kleinen Säule und vier Spießen, welche vermittelst eines Bügels befestiget sind, die Ähren zu fassen, und fein ordentlich nieder zu legen.


Sensenschmid (W3) [Adelung]


Der Sensenschmid, des -es, plur. die -schmiede, ein Schmid, welcher vornehmlich Sensen verfertiget.


Sensentag (W3) [Adelung]


Der Sensentag, des -es, plur. die -e, in der Landwirthschaft, ein Tag, an welchem die Bauern mit der Sense zu fröhnen gehalten sind.


September (W3) [Adelung]


Der September, des -s, plur. ut nom. sing. der neunte Monath im Jahre, welcher dreyßig Tage hat. Sein Nahme ist Römisch, von septem, sieben, weil er bey den Römern, welche das Jahr mit dem März anfingen, der siebente Monath war. Carl der Große nannte ihn nach dem Eginhart Herbstmanoth, weil der Herbst in demselben seinen Anfang nimmt, welcher Nahme noch im Oberdeutschen gangbar ist, auch von einigen im Hochdeutschen eingeführet worden, aber doch den alten Römischen Nahmen nicht ganz verdrängen können. Nach dem Raban Maurus war der Nahme, welchen Carl der Große diesem Monathe beylegte, Witumanoth, oder nach andern Lesearten Wildmanoth, weil das Wild, oder der Hirsch in demselben in die Brunst tritt. Phil von Zesen brachte dafür den Nahmen Hartmond, und ein anderer Obstmonath in Vorschlag. Die alten Sachsen nannten ihn Halegmanoth, und bey den heutigen Dithmarsen heißt er Sellmaand, Sillmaand, welches aber überhaupt ein Nahme aller der Monathe seyn soll, in welchen man das Eingesammelte und Eingeschlachtete verzehret. Bey dem Kilian ist Selle und Sellemaend, der Februar.


Serenate (W3) [Adelung]


Die Serenate, plur. die -n, aus dem Italien. Serenata, eine Cantate, welche des Abends unter freyem Himmel aufgeführet wird; von serena, ein schöner Abend.


Serpentin,Serpentin-Stein (W3) [Adelung]


Der Serpentin, oder Serpentin-Stein, des -es, plur. inus. eine Art Specksteines, welcher eine grünliche und schwärzliche Farbe mit gelben und röthlichen Flecken hat, und so wohl in Italien, als auch in Sachsen u. s. f. gebrochen, und wegen seiner weichen Beschaffenheit zu allerley Gefäßen verarbeitet wird. Ital. Serpentino, weil er den Schlangen an Farbe gleicht. Der Ophites der Alten gehöret nicht hierher, sondern ist eine grüne Wake mit schwärzlichen Flecken und Adern, dagegen der Serpentin ein thonartiger Stein ist.


Servellat-Wurst (W3) [Adelung]


Die Servellat-Wurst, plur. die -würste, aus dem Italien. Cervellata, welches eigentlich eine mit Gehirn gefüllte Wurst, eine Hirnwurst bedeutet. In weiterm Verstande werden auch die Italiänischen kurzen dicken geräucherten Fleischwürste mit diesem Nahmen belegt.


Serviette (W3) [Adelung]


Die Serviette, plur. die -n, aus dem Französ. Serviette, ein Tuch, dessen man sich bey dem Essen bedienet, den Mund und die Hände daran abzuwischen, das Tellertuch. Das Französische stammt aus dem Lat. servire her, weil die Servietten ehedem dem Speisenden jedesmahl, so oft er ihrer bedurfte, von dem Bedienten gereicht wurden.


Servitut (W3) [Adelung]


Die Servitut, plur. die -en, in den Rechten, eine Gerechtigkeit, welche dem einen in und an dem Grundstücke des andern zustehet, da sie denn in Ansehung dieses Grundstückes und ihres Besitzers eine Servitut, in Ansehung dessen, der sie ausübet, eine Gerechtigkeit ist. Aus dem Lat. Servitus.


Sesam,Sesam-Kraut (W3) [Adelung]


Das Sesam, des -s, oder das Sesam-Kraut, des -es, plur. inus. eine morgenländische Pflanze, welche aber auch in Italien gebauet wird, und deren Same das ehedem so beliebte Sesam-Öhl, Sesamum L. Der Nahme ist so ausländisch als die Pflanze.


Seseli (W3) [Adelung]


Das Seseli, plur. inus. eine Pflanze, welche in dem mittägigen Europa einheimisch ist, von wannen sie auch ihren Nahmen mitgebracht hat, Steinkümmel; Seseli L.


Sessel (W3) [Adelung]


Der Sessel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Sesselchen, ein Wort, welches vermöge seiner Abstammung ein jedes Werkzeug oder Gestell bedeutet, worauf man sitzet, und auch ehedem in diesem weiten Umfange gebraucht wurde. In den spätern Zeiten hat man es enger eingeschränkt, und so pflegt man im Ober- deutschen vorzüglich die gepolsterten Stühle Sessel zu nennen. Ein Armsessel, Lehnsessel, Tragsessel, welches im weitern Verstande auch eine Sänfte bedeutet, Feldsessel, Drehsessel, Schlafsessel, Fahrsessel u. s. f. In dem gemeinen Sprachgebrauche kommt es wenig vor, außer daß man etwa die gepolsterten niedrigen Stühle ohne Lehnen in den Schlafzimmern an vielen Orten Sessel zu nennen pflegt. In der höhern Schreibart aber wird es oft für Stühle überhaupt gebraucht.

Anm. Im Niederdeutschen mit der gewöhnlichen Verwandlung des s in t, Setel, im Angels. Sitl, Setol, im Engl. Settle, im Böhm. Sedadlo, Sesle. Ehedem gebrauchte man dafür im Oberdeutschen auch Siedel, Gesiedel. Es stammet, so wie Sattel-Sitz u. s. f. von sitzen, oder vielmehr von dem Stammworte ab, dessen Intensivum sitzen ist.


Seßhaft (W3) [Adelung]


Seßhaft, adj. et adv. ansässig, liegende Gründe an einem Orte habend: Nieders. beseten.


Seßlehen (W3) [Adelung]


Das Seßlehen, des -s, plur. ut nom. sing. ehedem ein jedes Lehen, welches nicht mit Kriegsdiensten verdienet wurde, zum Unterschiede von einem Reitlehen. So wurde ehedem nicht nur die Hoflehen, sondern auch die Bauerlehen, Beutellehen u. s. f. für welche der Besitzer zu Hofdiensten, Frohnen, Geldgaben u. s. f. verbunden war, Seßlehen und Setzlehen genannt, weil er dabey, in Vergleichung mit den Kriegesdiensten, auf seinem Gute gleichsam stille sitzet.


Sester (W3) [Adelung]


Der Sester, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur im Oberdeutschen übliches Maß, so wohl flüssiger als trockner Dinge. In Ansehung flüssiger Dinge ist der Sester in der Schweiz nicht nur ein Weingefäß von etwa 8 Kannen oder 16 Maß, sondern auch ein Maß von so vielen Kannen; 12 Sester und 92 Maß machen ein Saum oder Muid. In Ansehung trockner Dinge ist z. B. in Elsaß ein Sester 4 Quart oder Vierling, jedes 4 Mäßel. Im Ital. Sestaro, im Französ. Setier, beyde, so wie das Deutsche, vermuthlich aus dem Lat. Sextarius, weil dieses Maß ursprünglich der sechste Theil eines größern war.


Setzart (W3) [Adelung]


Die Setzart, plur. die -en, die Art und Weiße, wie man etwas setzet. Die Setzart eines Componisten, die Art und Weise, wie er setzet oder componieret.


Setzbret (W3) [Adelung]


Das Setzbret, des -es, plur. die -er, bey den Buchdruckern, ein vierecktes eichenes Bret, mit zwey ausgeschnittenen Leisten an beyden Seiten, worauf die abgesetzten Columnen gestellt und völlig zubereitet werden.


Setzbühne (W3) [Adelung]


Die Setzbühne, plur. die -n, im Bergbaue, eine Bühne, d. i. ein von Bretern zusammen geschlagener hoher Tisch mit Seitenwänden, worauf die Erze gesetzet und gewaschen werden.


Setz-Compaß (W3) [Adelung]


Der Setz-Compaß, des -es, plur. die -e, eben daselbst, eine Art des Gruben-Compasses, welcher in der Hand getragen oder auf eine horizontale Fläche gesetzet, und auch der Hand-Compaß genannt wird, zum Unterschiede von dem Hange-Compaß, welcher allezeit angehänget wird.


Setze (W3) [Adelung]


Die Setze, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, einen mit Weinstöcken besetzten Ort zu bezeichnen, der auch wohl eine Setzstatt genannt wird. Die Hausetze, ein Weinberg oder Weingarten an einem Hause.


Setzeisen (W3) [Adelung]


Das Setzeisen, des -s, plur. ut nom. sing. auf den Eisenhämmern, ein großer breiter Meißel, welcher auf die glühenden Stücke Eisen gesetzet wird, selbige vermittelst des Hammers zu zertheilen.


Setzen (W3) [Adelung]


2. Setzen, verb. reg. act. nur daß einige Oberdeutsche Mundarten im Imperf. für setzte, satzte, und im Mittelworte gesatzt für gesetzt sagen. Es ist das Factitivum von sitzen, und bedeutet eigentlich sitzen machen, in weiterm Verstande aber auch stehen machen, und in noch weiterm, einem Dinge einen gewissen bestimmten Ort geben. 1. Sitzen machen, in der eigentlichen Bedeutung des Neutrius, sitzen, sich auf den Hintern niederlassen. (1) Eigentlich. Ein Kind auf den Stuhl, auf den Tisch, auf den Schoß setzen. Jemanden auf das Pferd setzen. Ingleichen als ein Reciprocum, sich setzen, wofür in der anständigen Sprechart der feinern Welt oft sich niederlassen üblich ist. Setzen sie sich, oder lassen sie sich nieder. Sich auf den Stuhl, auf die Bank, auf den Tisch, auf den Thron, auf das Fenster setzen. Sich auf das Pferd, oder zu Pferde, sich auf den Wagen, in die Kutsche setzen. Sich zu Tische setzen. Sich in den Koth, in den Schatten, in das Wasser, in die Thür setzen. Sich an das Fenster, an den Ofen, an das Feuer setzen. Sich hinter den Ofen setzen. Sich oben an, unten an setzen. Der Vogel setzt sich auf den Ast, an die Erde. Daher die figürlichen R. A. jemanden auf den Thron setzen, ihn zum regierenden Herren machen, ihn zur königlichen oder fürstlichen Würde erheben. Sich selbst auf den Thron setzen. Sich vom Pferde auf den Esel setzen, seinen Zustand verschlimmern. Setzen sie sich an meine Stelle, stellen sie sich vor, als wenn sie an meiner Stelle, an meiner Person wären. Man kann nicht richten, ohne sich in die Lage desjenigen gesetzt zu haben, den man richtet. Sich auf den Kopf setzen oder stellen, alles anwenden, alle Kräfte anstrengen. Und wenn ihr euch auch auf den Kopf setzet, sollt ihr sie nicht sehen, Weiße. Sich über andere hinweg setzen, erheben, sich mehrere Vorzüge zuschreiben. Es gibt Tugend, welche die Unglücklichen weit über den verzärtelten Glücklichen hinweg setzen. Er glaubt, daß sein Adel ihn über diese Pflicht hinweg setze, oder wegsetze. Die- ses Capital setzt dich über alle Bedürfnisse hinaus, sichert dich vor allen Bedürfnissen. Ein Schiff setzt sich auf den Grund, wenn es auf den Grund läuft, strandet. (2) Figürlich. (a) Ein flüssiger Körper setzt sich, wenn das Trübe auf den Boden sinkt. Das Bier hat sich noch nicht gesetzt. Von dem in einem flüssigen Körper befindlichen Trüben sagt man gleichfalls, daß es sich setze, oder sich auf den Boden setze. Die Hefen setzen sich auf den Boden. ( S. Satz.) Im Hüttenbaue scheinet es auch thätig üblich zu seyn, indem die Erze daselbst gesetzet werden, wenn sie geschlämmet oder gewaschen werden, so daß sich daß gepochte Erz zu Boden setzt. S. Setzbühne. (b) Eine Geschwulst setzt sich, wenn sie nach und nach niedriger und kleiner wird. Eben so sagt man auch zuweilen, das Wasser setze ich, wenn es niedriger oder kleiner wird. Der Teig setzt sich, wenn er niedriger wird, nach und nach zusammen fällt. Beyde figürliche Bedeutungen können als die erste und eigentliche angesehen werden, indem der Begriff der Niedrigkeit, des untern hier, der herrschende ist. (c) Wer sich setzt, geräth aus der Bewegung in den Stand der Ruhe, daher ist sich setzen, zuweilen, einen dauerhaften, bleibenden Aufenthalt an einem Orte wählen. Cajus hat sich in Berlin gesetzt, wohnhaft niedergelassen. Sich aufs Land setzen. Sich auf sein Gut setzen. Sich in die Stadt setzen. Sich zur Ruhe setzen, sich eine ruhige Lebensart erwählen. Hierher scheinet auch die R. A. zu gehören, sich mit jemanden setzen, gütlich vergleichen, weil man dadurch in den Stand der ruhigen Eintracht geräth. (d) Wer sich gesetzt hat, befindet sich in einer festen, sichern Lage. Eine Armee setzt sich an einem Berge, das Corps setzt sich vor der Stadt, wenn sie daselbst eine sichere Stellung nehmen. Daher ist auch das Mittelwort gesetzt, als ein Beywort gebraucht, oft kurz und dick. Eine starke gesetzte Weibesperson, wofür auch untersetzt üblich ist. Figürlich bezeichnet gesetzt diejenige Fertigkeit, da man sich nicht leicht durch etwas aus seiner Fassung bringen lässet, und darin gegründet. Ein gesetzter Mann. Ein gesetztes Gemüth. Eine gesetzte Antwort geben. Wir müssen uns zu der gesetzten Erwartung unvermeidlicher Übel gefaßt machen, Gell. 2. Stehen machen, einen Körper in diejenige Lage bringen, in welcher er stehet. (1) Eigentlich. Das Glas, den Teller auf den Tisch setzen. Den Stuhl an die Wand, den Stock in die Ecke setzen. Das Licht auf den Leuchter, den Leuchter auf das Fenster setzen. Den Fuß auf etwas setzen. Den rechten Fuß voran setzen. Nie will ich wieder einen Fuß über seine Schwelle setzen. Etwas auf die Spitze setzen. Essen und Trinken auf den Tisch setzen. Alles an seinen gehörigen Ort setzen. Jemanden einen Stuhl setzen, damit er sich darauf setze. Eine Bildsäule auf ihr Fußgestell setzen. Die Garben in Mandeln setzen. Jemanden eine Ehrensäule setzen. Gränzzeichen setzen. Blume setzen, pflanzen. Etwas aus der Hand setzen. Daher die figürlichen R. A. Jemanden zur Rede setzen, Rechenschaft wegen seines Betragens von ihm fordern. Ziel und Maß setzen, vorschreiben. Sich zur Wahre setzen, oder stellen, sich widersetzen. Die sich wider mich setzen, 2 Mos. 22, 40. Etwas aus den Augen setzen, nicht die gehörige Aufmerksamkeit darauf richten. Etwas hinten setzen, es zurück setzen, in ähnlichem Verstande. Den Wellen einen Damm entgegen setzen, einen Damm wider die Wellen aufführen. (2) Figürlich. (a) Feuer setzen, im Bergbaue, Holzflöße um das Gestein her setzen, und selbige anzünden, um das Gestein dadurch würde zu brennen. (b) Von verschiedenen Thieren ist setzen so viel als werfen, gebären, da es denn bey den Jägern besonders von den Hirschkühen, Rehen und Hasen üblich ist. (c) Besonders mit dem Nebenbegriffe der Festigkeit, der Dauer. aa) Verordnen, bestimmen, in welcher Bedeutung es ehedem noch häufiger war. Eine Zeit, einen Tag zu etwas setzen. Jemanden zum Vormund, zum Bürgen, zum Richter u. s. f. setzen. Einen an eines andern Stelle setzen. Den Bock zum Gärtner setzen. Geld auf jemandes Kopf setzen. Den Preis setzen, bestimmen. Zur gesetzten Stunde. S. auch Gesetz und Satzung. bb) Als wahr oder richtig annehmen. Setzen sie das grausamste, das mir begegnen könnte. Ich will den Fall setzen, daß er nicht käme, ich will annehmen, daß u. s. f. Etwas zum voraus setzen, es als nothwendig wahr und existirend annehmen. Es soll geschehen, aber ich setze dabey zum voraus, daß er seinen Willen dazu gibt, d. i. unter der Verbindung, daß er u. s. f. Die wahre Freundschaft setzet allezeit gegenseitige Verdienste voraus, Gell. Die Einheit oder das Ganze setzt nothwendig die Vielheit der Theile voraus, Sulz. So wird auch das Mittelwort gesetzt als ein Nebenwort gebraucht. Gesetzt, daß er nicht käme, oder gesetzt, er käme nicht. Gesetzt, du hättest beßre Sitten, So ist der Vorzug noch nicht dein, Gell. Voraus gesetzt, daß sich das einmahl so fügen würde. Gesetzt auch, daß meine Lebensart nicht recht nach der Mode wäre, so ist sie doch ruhig, Gell. 3. In noch weiterer Bedeutung, ein Ding an einen bestimmten Ort bringen. (1) Eigentlich, wo doch zugleich viel auf den Gebrauch ankommt, ob dieser in jedem Falle setzen oder ein anderes Zeitwort eingeführet hat. Gott setzte Lichter an die Feste, 1 Mos. 1, 17. Den Hut auf den Kopf setzen. Einem den Degen auf die Brust, das Messer an die Kehle setzen. Zu einer Zahl noch etwas hinzu setzen. Jemanden unter die Heiligen setzen. Jemanden in das Gefängniß setzen, im gemeinen Leben nur schlechthin, ihn setzen. Etwas zum Pfande setzen. Jemanden Schröpfköpfe setzen. Zusammen setzen. Jemanden den Kopf zurecht setzen, figürlich. Da es denn als ein allgemeines Wort oft statt eines besondern gebraucht wird, welches die Art und Weise näher bestimmt. Ein Stück Zeug an das andere setzen, nähen. Knöpfe, Treffen auf ein Kleid setzen. Bey den Buchdruckern ist setzen, die Schriften, d. i. gegossenen Buchstaben, aus den Fächern des Schriftkastens nehmen, und sie in Sylben, Wörter, Zeilen und Seiten zusammen setzen. S. Setzer. (2) Figürlich in vielen besondern Arten des Ausdrucks, Geld in die Lotterie setzen, oder auch nur, in die Lotterie setzen. Etwas auf das Spiel setzen. Sein ganzes Vermögen daran setzen, dabey wagen. Leib und Leben daran setzen, es zur Erreichung einer Absicht wagen. Jemanden auf die Probe, setzen, ihn probieren. Etwas ins Geld setzen, es verkaufen, um bar Geld dafür zu bekommen. Wir wollen alles, was wir noch von Kostbarkeiten, ins Geld setzen, Weiße. Eine verworrene Sache aus einander setzen, sie ordentlich vortragen und dadurch deutlich machen. Jemanden etwas in den Kopf setzen. Ich weiß nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freyheit in den Kopf gesetzt hat, Gell. Mißtrauen in etwas setzen. Seine Hoffnung, sein Vertrauen auf etwas sitzen. Seinen Ruhm, seine Ehre in etwas setzen, es für Ruhm, für Ehre halten. Er scheinet etwas darin zu setzen, daß u. s. f. eine Art des Vorzuges darin zu suchen. 4. Endlich wird dieses Zeitwort auch noch in vielen besondern Ausdrücken gebraucht, eine Hervorbringung einer gewissen Veränderung, eines gewissen Zustandes zu bezeichnen. Ein Land unter Wasser setzen, es mit Wasser überschwemmen. Jemanden außer Stand setzen, etwas zu thun. Er setzet mich durch seine gar zu große Sparsamkeit außer Stand, (nicht außer den Stand) jemanden Gefälligkeit zu erzeigen, Gell. Eine Sache wieder in den vorigen Stand setzen. Jemanden außer Thätigkeit setzen. Die Triebfedern, wodurch die Natur ihn in Thätigkeit setzt. Ich will die Sache außer Streit gesetzt sehen. Eine Person oder Sache in Bewegung setzen. Sich in den Marsch setzen, anfangen zu marschieren. In Unruhe setzen, unruhig machen. Sich in Gefahr, in Unkosten, in Schaden, in Vorschuß setzen. Sich bey jemanden in Gunst setzen. Einen Gefangenen in Freyheit, auf freyen Fuß setzen. Etwas ins Werk setzen. In Erstaunen, in Furcht, in Schrecken setzen, aber nicht in Freude, in Hoffnung u. s. f. setzen. Ein Lied in Noten setzen, es componieren. So auch das Setzen. Das Hauptwort die Satzung, ist in den Zusammensetzungen üblicher als für sich allein.

Anm. Dieses Activum oder vielmehr Factitivum lautet schon im Isidor und bey dem Kero sezzan, bey dem Ulphilas mit einer andern Ableitungssylbe satjan, im Nieders. setten, Angels. sattan, im Schwed. sätta, im Pohln. sadze. Die Verstärkung des Mitlautes vor der Endung en deutet auf ein Intensivum. Das einfachere Stammwort scheinet noch in dem alten Niederd. saten, dem Engl. to set, dem Isländ. seta, und Schwed. sätta, setzen, übrig zu seyn. Über dieß ist im Nieders. saden, sadigen, beunruhigen. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , auflegen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, setzen, und das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, setzen, sind ohne Zweifel damit verwandt. Da in den eigentlichern Bedeutungen der Begriff der Niedrigkeit sehr merklich hervor sticht, denn wer sich setzt, wird niedriger, als wenn er stehet, daher dafür auch niederlassen üblich ist: so scheinet es mit sitzen von dem Niederdeutschen siet, niedrig, abzustammen. ( S. Seit und Sitzen.) Die Oberdeutsche Conjugation ich satzte, gesatzt, ist im Hochdeutschen veraltet, aber doch noch in dem Hauptworte Satz übrig.


Setzer (W3) [Adelung]


Der Setzer, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Ein Ding, womit man setzt, doch nur in einigen Fällen. So wird in der Geschützkunst der Stampfer oder Setzkolben, womit die Ladung auf einander gestoßen wird, auch der Setzer genannt. 2. Eine Person, welche etwas setzt, auch nur in einigen einzelnen Fällen. So wird in der Musik der Componist im Deutschen auch zuweilen der Setzer genannt. Am üblichsten ist es bey den Buchdruckern, denjenigen zu bezeichnen, welcher die Schriften setzet, um ihn von dem eigentlichen Drucker zu unterscheiden. S. Setzen 3.


Setzerde (W3) [Adelung]


Die Setzerde, plur. inus. bey dem Baue der Deiche und Dämme diejenigen Rasen, welche von außen auf die aufgeworfene Erde gesetzt werden, damit der Deich grün und eben werde.


Setzhaken (W3) [Adelung]


Der Setzhaken, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue; ein Baum mit zwey Haken, die glühenden Kienstöcke damit von dem Seigerofen zu heben.


Setzhamen (W3) [Adelung]


Der Setzhamen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Hamen der Fischer, welcher an das Ufer gesetzt wird; zum Unterschiede von dem Kratzhamen, Schauber u. s. f.


Setzhammer (W3) [Adelung]


Der Setzhammer, des -s, plur. die -hämmer, in den Eisenhämmern, bey den Schmieden u. s. f. ein Setzeisen, in Gestalt eines Hammers, dessen scharfe Seite aus das Eisen, welches getheilet werden soll, gesetzt wird, da man denn mit einem andern Hammer auf dessen Bahn schlägt.


Setzhase,Satzhase (W3) [Adelung]


Der Setzhase, oder Satzhase, des -n, plur. die -n, bey den Jägern, der weibliche Hase, die Häsinn, weil sie Junge setzet, oder gebieret.


Setzholz (W3) [Adelung]


Das Setzholz, des -es, plur. inus. 1. Dasjenige Holz, d. i. diejenigen Zweige, welche von den Bäumen und Stauden abgeschnitten, und zur Fortpflanzung in die Erde gesetzt werden. So werden im Weinbaue alle zur Fortpflanzung bestimmten Reden Setzholz, Setzlinge genannt. Die Setzweiden sind gleichfalls solches Setzholz. 2. Bey den Gärtnern wird der Pflanzer oder das Pflanzholz; gleichfalls das Setzholz genannt.


Setzhebel (W3) [Adelung]


Der Setzhebel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Setztrog.


Setzkasten (W3) [Adelung]


Der Setzkasten, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige Kasten, worein etwas gesetzt, oder worin etwas angesetzt wird; nur in einiger Fällen. So wird in den Vitriol-Werken das hölzerne Gefäß, worin man die Lauge krystallisiren läßt, der Setzkasten genannt. Auch der Schriftkasten der Buchdrucker führet diesen Nahmen, weil er die zum Setzen nöthigen Schriften enthält.


Setzkohle (W3) [Adelung]


Die Setzkohle, plur. die -n, bey den Kohlenführern, die langen Kohlen, welche, wenn der Kohlenwagen voll ist, inwendig an der Seite herum gesetzt werden, damit die kleinern Kohle nicht herunter fallen.


Setzkolben (W3) [Adelung]


Der Setzkolben, des -s, plur. ut nom. sing. in der Geschützkunst, ein hölzerner Cylinder an einer Stange, die Ladung damit auf einander zu stoßen; der Stampfer, Setzer.


Setzlauge (W3) [Adelung]


Die Setzlauge, plur. inus. in den Salpeterwerken, diejenige Lauge, welche zur Krystallisation hin- oder angesetzet wird.


Setzlinie (W3) [Adelung]


Die Setzlinie, die -n, bey den Buchdruckern, ein messingenes Blech, welches, so lange man setzt, zwischen die Zeilen in den Winkelhaken gelegt wird, damit die Schriften nicht ungleich zu stehen kommen.


Setzling (W3) [Adelung]


Der Setzling, des -es, plur. die -e, ein Ding, welches gesetzt wird, doch nur in einigen einzelnen Fällen. Im Weinbaue sind die Setzlinge alle Fächser und Reben, welche zur Fortpflanzung in die Erde gesetzt werden sollen, ( S. Setzholz;) bey den Gärtnern, diejenigen jungen Zwiebeln, welche zur Seite der Hauptzwiebel wachsen, und versetzt werden, zum Unterschiede von den Sinkern; ingleichen ein jeder junger Baum oder junges Gewächs, welches versetzt werden kann. In der Fischerey werden auch die Satzkarpfen, oder der dreyjährige Karpfensamen, welcher collective der Satz heißt, Setzlinge genannt.


Setzmeißel (W3) [Adelung]


Der Setzmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Schlössern, eine Art Meißel in Gestalt eines Hammers mit einem eisernen Stiele, deren man sich an solchen Ortern bedienet, wo man mit dem Hammer nicht hinkommen kann.


Setzschäfer (W3) [Adelung]


Der Setzschäfer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme derjenigen Schäfer, welche mit dem Eigenthümer der Herde setzen, d. i. eine Anzahl eigener Schafe zu des erstern seinen Schafen bringen, du daher auch einen verhältnißmäßigen Antheil an dem Gewinn und Verlust der Schäferey nehmen; Mengeschäfer. Zum Unterschiede von den Pachtschäfern und Lohnschäfern.


Setzschiffer (W3) [Adelung]


Der Setzschiffer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Schiffer, welcher ein ihm nicht eigenes Schiff führet, über ein fremdes Schiff als Schiffer gesetzt ist.


Setzstämpel (W3) [Adelung]


Der Setzstämpel, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, eine Art eines Hammers, welcher auf einer Seite schmal zugebet und stumpf ist, und bey Verkeilung der Schlösser an den Kunststangen gebraucht wird.


Setzstatt (W3) [Adelung]


Die Setzstatt, plur. die -stätte, oder die Setzstätte, plur. die -n, S. Setze.


Setzteich (W3) [Adelung]


Die Setzteich, des -es, plur. die -e, ein Teich, worein der Setz, d. i. die jungen dreyjährigen Fische, gesetzet, und daselbst bis zum völligen Wachsthume, oder künftigen Gebrauche ernähret werden; der Satzteich, Besetzteich, zum Unterschiede von dem Streich- und Streckteiche.


Setztrog (W3) [Adelung]


Der Setztrog, des -es, plur. die -tröge, im Hüttenbaue, ein Trog neben dem Zinnofen, den Zinnstein und die Schlacken in demselben mit einander zu vermischen; der Setzhübel, Hübeltrog, S. das letztere.


Setzwage (W3) [Adelung]


Die Setzwage, plur. die -n, eine Bierwage, welche auf eine Fläche gesetzt wird, ihre horizontale Stellung zu erforschen. Die Wasserwage und Schrotwage sind eine Art davon.


Setzweide,Satzweide (W3) [Adelung]


Die Setzweide, oder Satzweide, plur. die -n, Stäbe oder Pfähle von Weiden, welche zur Anwurzelung in die Erde gesetzt werden. S. Setzholz.


Setzzeit (W3) [Adelung]


Die Setzzeit, plur. die -en, diejenige Zeit, da die Hafen und das Hirsch- und Rehewildbret zu setzen, das ist, Junge zu gebären pflegen.


Seuche (W3) [Adelung]


Die Seuche, plur. die -n, 1. * Eine jede langwierige Krankheit. Christus hat unsere Seuche getragen, Matth. 8, 17. Er machte viele gesund von Seuchen, Plagen und bösen Geistern, Luc. 7, 21. Der ward gesund, mit welcherley Seuche er behaftet war, Joh. 5, 4. und so in andern Stellen mehr. Die Lustseuche, 1 Thess. 4, 5, die sinnliche Luft als eine Krankheit betrachtet. In dieser weitern Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet, wo wir es 2. nur noch in engerer Bedeutung von einer ansteckenden Krankheit gebrauchen, sowohl mit als ohne den Beysatz ansteckend. Auch die niedrige Hütte hat ihren Stolz, der bald zu einer ansteckenden Seuche für die Kinder wird, Gell. Nie haben schädliche Seuchen unsere Herden gemindert, Geßner. Die Viehseuche, Schweißseuche. In andern Zusammensetzungen ist dafür Sucht üblich, welches überdieß auch noch im figürlichen Verstande gebraucht wird. Anm. Bey dem Ulphilas Siuki, in der Alemannischen Mundart Siuchi, bey andern alten Oberdeutschen Schriftstellern Seuchete, im Schwed. Sjuka, im Nieders. Süke. Es ist mit siech, siechen und Sucht Eines Geschlechtes, und scheinet mit denselben, von dem Niederdeutschen suchten, seuszen, abzustammen, und folglich eigentlich das Seufzen und Stöhnen eines Bettlägerigen auszudrucken. Anstatt des veralteten seuchen, bettlägerig seyn, sagen wir jetzt stechen. S. Seufzen, Anm.


Seuchtig (W3) [Adelung]


* Seuchtig, adj. et adv. welches im Hochdeutschen veraltet ist, und nur 1 Tim. 6, 4 für süchtig vorkommt, seuchtig im Fragen seyn, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, mit der unzeitigen Begierde zu fragen, als mit einer Sucht behaftet.


Seufzen (W3) [Adelung]


Seufzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, den Athem mit einem diesem Zeitworte angemessenen Klange in sich ziehen und wieder ausstoßen, welches ein Mehrmahl eines geheimen Kummers, einer stillen Betrübniß, und eines merklichen Grades der Sehnsucht ist. Wenn der Gottlose herrschet, seufzet das Volk, Sprichw. 29, 2. Tief seufzen. Zu Gott seufzen. Über jemanden seufzen, aus geheimen Kummer über das von ihm zugefügte Leiden. Nach etwas seufzen, zum Zeichen der Sehnsucht; ehedem auch um etwas seufzen. Wie hatten wir nach dieser Zeit geseufzet! Jemanden sein Leid mit Seufzen, oder seufzend, klagen. Seufzen, ächzen und stöhnen drucken ähnliche, aber doch noch sehr verschiedene Laute aus; die beyden letztern bezeichnen Töne, welche von einem höhern Grade auch körperlicher Schmerzen ver- ursachet werden, dagegen seufzen am häufigsten dem stillen, unterdrückten Kummer eigen ist. So auch das Seufzen.

Anm. Bey dem Ottfried, Notker und andern alten Oberdeutschen Schriftstellern suften, süften, supfen, im Niederd. suften und zuften, und mit einem andern Endlaute des Stammwortes suchten, zuchten, Holländ. zugten, Schwed. sucka, bey dem Ulphilas svogjan. Die Endsylben zen, ten, jan, und die Verdoppelung des Gaumenlautes in dem Schwed. sucka, bezeichnen ein Intensivum, dessen Stammwort noch in dem Angels. seosian, sican, Engl. to sigh, Lappländ. sagam, seufzen übrig ist. Diese sind unmittelbare Nachahmungen des mit dem Seufzen verbundenen Lautes, der am Ende des Wortes bald mit dem f, bald mit dem ch oder g ausgedruckt wird. Aus der letzten Form erhellet, daß unser Seuche, siech, siechen und Sucht Figuren von dem alten suchen, stechen, seufzen sind. Es wird solches durch Ottfrieds quimon, seufzen (Lat. gemere) bestätiget, welches in dem Nieders. quimen noch jetzt stechen bedeutet.


Seufzer (W3) [Adelung]


Der Seufzer, des -s, plur. ut nom. sing. Diminutivum, welches doch am häufigsten nur im Scherze üblich ist, das Seufzerchen, Oberd. Seufzerlein, der durch Seufzen hervorgebrachte Laut oder Ton. Er antwortete mit einem tiefen Seufzer. Einen tiefen Seufzer hohlen. Seufzer ausstoßen. Bey dem Notker Sufro, im Nieders. Sucht, im Engl. Sigh, im Schwed. Suck, im Isländ. Sitting.


Sevenbaum (W3) [Adelung]


Der Sevenbaum, S. Sabenbaum.


Seyn (W3) [Adelung]


Seyn, ein sehr irreguläres Zeitwort, dessen abweichende Form daher rühret, weil es, so wie wir es jetzt haben, aus mehrern Zeitwörtern zusammen gesetzt ist. Ich will zuförderst dessen Conjugation hersetzen, und, um die Anmerkung desto kürzer fassen zu können, zugleich einige alte und abweichende Formen beyfügen. Präsens Indic. Ich bin. Kero bim, pim. Nieders. bin. Lat. sum. Angels. eom. Ulphil. im Engl. am. Isländ. em, er. Pers. em. Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Äol. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Dor. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Schwed. är. Du bist. Kero pist. Ottfr. bist. Nieders. bust. Ulphil. is. Angels. art. Lat. es. Er ist. Kero ec. ist. Nieders. is. Lat. est. Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Russ. jest. Wallis. sydd, sy. Wir sind. Oberd. seyn, seynd. Nieders. sunt. Kero birum, birumes. Notk. birin, bin. Ihr seyd. Notk. bint, birint, pirint. Minnes uuesent. Theuerd. ihr sint, seindt. Nieders. sunt. Angels. aro. Sie sind. Oberd. seyn, seynd. Kero sint. Isid. sindun. Angels. aron, sind. Nieders. sunt. Conjunct. Ich sey. Nieders. wese. Alem sii. Isländ. sie. Lat. sim. Ulphil. sijai. Du seyst. Nieders. wesest. Ulphil. sijais. Lat. sis. Alem. sist. Er sey. Nieders. wese. Schwed. se, Ulphil. sijai. Alem. sii. Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Wir seyn. Nieders. wesen. Ottfried simes. Isländ. sieum. Lat. simus. Ihr seyd. Nieders. weset. Isländ. sieut. Lat. sitis. Sie seyn. Oberd. seynd. Nieders. wesen. Isländ. sien. Lat. sint. Schwed. sein, seen. Imperf. Indic. Ich war. Isid. uuar. Fränk. 790. uuar, uuas. Angels hwas. Nieders. was. Lat. eram. Schwed. var. Ulph. vas. Du warst. Nieders. werest. Er war. Nieders. were. Wir waren. Nieders. weren. Ihr waret. Nieders. weret. Sie waren. Ottfr. uuarum, uuestum. Nieders. weren. Conjunct. Ich wäre ec. Alem. uuara. Gloss. Mons. uuisit, wäre. Ulphil. vesjau. Lat. essem. Perfect. Indic. Ich bin gewesen u. s. f. Nieders. bin wesen. Conjunct. Ich sey gewesen u. s. f. Ottfr. uuesti, du seyst gewesen. Plusquamp. Indic. Ich war gewesen u. s. f. Nieders. was wesen. Conjunct. Ich wäre gewesen u. s. f. Futur. 1. Indic. Ich werde seyn. Kero birum, bim. Nieders. werde wesen. Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Lat. ero. Ulphil sijai. Du wirst seyn u. s. f. Conjunct. Ich werde seyn. Du werdest seyn u. s. f. Futur. 2. Indic. Ich würde seyn u. s. f. Conjunct. Ich würde seyn u. s. f. Imperat. Sey du. Alem sig. Isid. sii. Oberd. bis. Willer. uuis. Nieders. wes. Ottfr. wis. Angels. wis. Sey er. Seyn wir, im Oberd. Ottfr. simes. Lat. simus. Seyd ihr. Nieders. weset. Seyn sie. Infinit. Seyn. Alem. geseyn. Ottfr. sin, uuesin, Isid. Kero uuesan. Ulphil. uuisan. Nieders. wesen. Angels. uuesan. Lat. esse. Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - im Fut. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Äol. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Dor. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Schwed. vara. Isländ. vera. Angels. ar und beon. Engl. to bee. Gewesen seyn. Mittelw. Gewesen, vulg. gewest. Baiern geweren. Nieders. wesen, west. Es ist in zweyfacher Gestalt üblich. I. Als ein eigenes für sich bestehendes Zeitwort, da es denn die einfache Beziehung ausdruckt, welche nur zwischen dem Subject und Prädicat Statt finden kann, diejenige Beziehung, da das Prädicat von dem Subjecte bejahet, demselben zugesprochen wird. 1. Eigentlich, wo das Prädicat von verschiedener Art seyn kann. (1) Ein Nebenwort, oder ein Bey- und Mittelwort in absoluter oder adverbischer Gestalt. Ich bin gesund. Du bist groß. Sie ist traurig. Wir waren lustig, recht sehr lustig. Wer wollte traurig seyn. Sey damit zufrieden. Ich bin es zufrieden, damit. Er war sehr mächtig. Seyd fleißig. Ich bin ihnen sehr verbunden. Seyn sie versichert, daß es geschiehet. Wir sind nicht so gesinnet. Er war arm und ist nun recht. Besser seyn wollen, als andere Leute. Es ist an Einer genug. Ich bin meiner Sache gewiß. Es ist, als wenn es heut wäre. Wenn sie nur wüßten, wie lieb sie mir sind. Der Weg zu uns ist nicht so leicht zu gehen, Gell. Es war mir leicht, sein ganzes Herz zu errathen. Das wurde mir nicht lieb seyn. Sie sind mir sehr angenehm. Er ist nicht mehr weit. Schon längst war dirs gedroht, Weiße. Er ist nun fort. Das Verlangen glücklich zu seyn. Als wenn es heute wäre. Ich bin ihm gut, gewogen. Jemanden feind seyn. Das Geld ist dein. Es sind nicht mehr als hundert Gulden mein, Gell. ( S. Dein, Mein u. s. f.) Es ist kalt, finster. Es ist vorüber. Er ist noch weit zurück. Es war nicht wahr. Seyd willkommen. Wohin auch das sey gegrüßat der ältern und neuern Schriftsteller, und zwar der letztern in der höhern Schreibart gehöret. Sey mir gegrüßt, Mykon, du lieblicher Sänger! Geßn. Ingleichen sehr viele besondere Redensarten; z. B. Er ist dahin, todt, unglücklich. Böse auf jemanden seyn, auf ihn zürnen. Erst zwey Uhr? Es muß weiter seyn. Das wäre mir recht! ironisch. Ey, das wäre fein! auch ironisch. Wie weit sind sie in dieser Sache? wo aber auch gekommen ausgelassen seyn kann, da es denn das Hülfswort ist. Ich bin schon wieder gut, ausgesöhnt. Das ist mir recht, ich lasse es mir gefallen. Laß es gut seyn. Obgleich die Sprachlehrer wollen, daß dieses substantive Zeitwort seyn niemahls ausgelassen werden dürfe, so gibt es doch Fälle genug, wo es üblich ist, nur daß diese Fälle nicht nach Gutdünken vermehret werden dürfen. Nicht wahr, die Sache ist so? für: ists nicht wahr? Nicht so böse, mein lieber Peter! Weiße; d. i. sey doch nicht so böse. Das soll dein, Gell. nähmlich seyn, welche Art zu reden freylich hart und niedrig ist. Auch höhere Schreibart leidet diese Auslassung zuweilen. So alt, so einen großen Bart, Und noch mit kleinen Buben spielen! Wiel, d. i. so alt seyn, so einen großen Bart haben, u. s. f. Verständig oder nicht, mir gilt es einerley, eben ders. Er sey verständig oder nicht. Ihr Brief, noch naß von meinen Thränen, liegt aufgeschlagen vor mir. Du, mehr als andere Gätter werth, Dir flehen auch die Prinzen, Raml. Es ist, däucht mich, eine sehr unfruchtbare Streitigkeit, ob das in dieser Bedeutung bey dem Zeitwort seyn befindliche Wort ein wahres Bey- oder ein eigentliches Nebenwort ist. Genug, es ist ein Beywort in der adverbischen Form, und warum sollte dieses nicht ein wahres Nebenwort heißen können? Über dieß gibt es Fälle genug, wo eigentliche Nebenwörter, welche nie als Beywörter gebraucht werden, zu dem seyn gesellet werden; er ist fort, die Kirche ist aus u. s. f. Bey den folgenden Bedeutungen kommen deren mehrere vor. Es scheinet mir daher auch ohne allen Nutzen zu seyn, daß man aus diesem Zeitworte eine eigene Classe gemacht und es ein substantives oder selbstständiges Zeitwort genannt hat, indem es doch am Ende wohl nicht mehr Selbstständigkeit hat, als ein jedes andere Zeitwort, zumahl wenn man auf dessen Ursprung zurück siehet, da er aus mehrern anfänglich verschiedenen Zeitwörtern zusammen gesetzt ist, welche so, wie ein jedes andre Zeitwort, eigentlich körperliche Handlungen bedeuteten. ( S. die Anmerkung.) Seyn wird mit seinem Nebenworte vornehmlich in solchen Fällen gebraucht, wo man kein anderes Zeitwort hat, den Begriff oder die jedesmahlige Schattierung des Begriffes auszudrucken. Das Lat. madere, geben wir durch naß, feucht seyn, macere, durch mager seyn, prostare, durch feil seyn, weil wir keine Zeitwörter haben, die diesen Begriff mit Einem Worte ausdrucken. Eben so müssen die Franzosen und andere Völker viele Begriffe mit etre umschreiben, welche wir mit Einem Worte ausdrucken können, etre debout, stehen, qui n'est pas stable, unstätt, u. s. f. (2) Ein Hauptwort, welches denn, so wie das Subject, in der ersten Endung stehet, so daß das Zeitwort seyn, in diesem Falle, zwey Nominative bey sich hat. Salomo war ein König. Dein Bruder ist ein ehrlicher Mann. Ich bin sein Freund nicht. Ich bin ihr Diener. Seyd ihr der Wirth! Das ist eine elende Entschuldigung. Nie sey die Kränklichkeit des Kin- des eine Ursache zur Nachsicht gegen seine bösen Neigungen, Gell. Das ist mir ein leichtes. Das ist ganz etwas anders. Wo seyn auch oft unpersönlich gebraucht wird, so daß das Wörtchen es die Stelle das Subjectes vertritt. Es ist heute gutes Wetter. Es ist hohe Zeit. Es ist schon Tag. Es ist die Wahrheit. Es ist ja die Rede nicht davon; wo es auch ausgelassen wird, die Rede ist nicht davon, davon ist die Rede nicht. Mit dieser Sache ist es ein anders. In der höhern und dichterischen Schreibart wird statt des Nebenwortes oft zierlich ein Hauptwort gebraucht. Sie ist ganz Liebe, sie ist überaus liebreich. Ich bin ganz Zufriedenheit, Wenn ich dich voll Heiterkeit Auf mich lächeln sehe, Weiße. In sehr vielen Fällen wird das Prädicat statt der ersten Endung in die zweyte gesetzt. Sey gutes Muthes. Was deines Amts nicht ist, da laß deinen Fürwitz. Das ist meines Amtes nicht, Less. Er ist meiner Meinung. Ich bin anderer Meinung. Er war auch der Meinung. Sie ist schön, guter Geburt, und hat Verstand, Gell. für von guter Geburt. Er ist etwas blöden Verstandes, Weiß. Sie sind beyde Eines Geschlechtes, Eines Stammes, Einer Herkunft. Ich würde hierin sehr seines Geschmackes seyn, Less. Ich bin des Todes, in der vertraulichen Sprechart, ich möchte vor Verdruß, vor Ärgerniß gleich sterben. Man möchte vor Ärgerniß gleich des Todes seyn. Ich will des Todes seyn, wenn es nicht an dem ist, eine im gemeinen Leben übliche Art der Betheurung. Aber, "des Todes seyn", für "sterben" schlechthin, ist veraltet. Er ist ganz des Henkers, des Teufels, im gemeinen Leben, er ist wie der Teufel, Willens seyn. ich bin nicht Willens hinzugehen. Sie sind Eines Sinnes. Guter Hoffnung seyn, schwanger seyn. Der Mittel, um es recht hoch zu bringen, sind zwey. Im Oberdeutschen sagt man auch, es ist der Nothdurft, es ist nothwendig, es ist unserer Schuldigkeit, für unsere Schuldigkeit, wir sind des Erbiethens, wir erbiethen uns u. s. f. Nach dem Muster dieser und anderer R. A. andere ähnliche zu bilden, ist nicht ganz unerlaubt; erfordert aber Behutsamkeit. (3) Mit Vorwörtern. Auf dem Boden, auf dem Felde, in der Stadt seyn, wo es aber zu der folgenden figürlichen Bedeutung des gegenwärtig seyn, gehöret. Die meisten dieser Fälle, wo seyn unmittelbar mit Vorwörtern verbunden wird, sind elliptisch oder figürlich; z. B. auf seyn, im Gegensatze des Liegens. Wohl auf seyn, sich wohl befinden. Aus seyn, zu Ende seyn. Es ist an mir, die Reihe ist an mir, trifft mich. So viel an mir ist, so viel in meinen Kräften ist. Es ist an dem, bedeutet 1, es ist wahr, und 2, man ist im Begriffe. Es ist nichts an der Sache, nichts wahres, sie ist nicht wahr. Es ist nichts an ihm, d. i. nichts Brauchbares, er ist kein tauglicher, kein brauchbarer Mensch. Ich muß wissen, was an dir ist, was für ein Mensch du bist. Schlecht daran seyn, sich in schlechten Umständen befinden. Ich bin übel mit ihm daran. Du bist recht daran, im gemeinen Leben, du hast Recht. Die Sache ist nicht für mich, schickt sich nicht für mich. Aus der Mode seyn. Hinter jemanden her seyn, ihn verfolgen, genau auf ihn acht geben. Alles ist wider ihn, ist ihm entgegen, ihm gehässig, widersetzt sich ihm. Der Schein ist freylich sehr wider mich. Sie war in ihren prächtigsten Kleidern, nämlich gekleidet. Auf seiner Huth seyn. Ich bin jetzt aus aller meiner Verlegenheit. Er ist von sehr wenig Worten, er spricht nicht gern viel. Es mag darum seyn. Was ist zu ihrem Befehle? Im Gange seyn. Ohne Freund seyn, keinen Freund haben. Niemahls ohne Geld seyn. Die Freude ist vornehmlich für die Menschen und die Menschen für die Freude, nähmlich bestimmt. Das ist von mir, rühret von mir her. Und so in vielen andern Fällen mehr, dergleichen noch einige im folgenden vorkommen werden. Zu diesen elliptischen Arten der Ausdrücke gehören auch: ab seyn, an seyn, auf seyn, zu seyn u. s. f. welche von den meisten als Zusammensetzungen angesehen werden, es aber nicht sind, sondern als bloße elliptische R. A. betrachtet werden müssen. (4) Mit Zeitwörtern, wo es doch nur in einigen Fällen gebraucht werden kann, welche den Übergang dieses für sich bestehenden Zeitwortes zu dem folgenden Hülfsworte ausmachen. aa) Mit dem bloßen Infinitiv. Hier ist gut seyn. Gelehrten ist gut predigen. Hier ist nicht gut wohnen, fahren, gehen, reiten. In diesem Lande war damahls übel reisen. Welche Wortfügung doch nicht überall Statt finden kann. Im Oberdeutschen gebrauchte man es ehedem als ein Hülfswort des Infinitivs. Er ist gehen, er gehet; er war gehen, er ging. Und herzlich bitten was, (war), Hans Sachs. War für den Kerker stehen, ebend. Als Pluto das war merken, eben ders. bb) Mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu. Was ist zu thun? Ich weiß nicht, was bey der Sache anzufangen ist. Es ist noch viel zu bezahlen. Hier ist nichts zu erwerben. Bey der Sache ist nichts zu verdienen. Daran ist nichts zu gewinnen. Mit dem Tode ist nicht zu scherzen. Mit solchen Leuten ist kein Mitleiden zu haben. Er ist in der Kirche nie zu fehlen, er ist immer daselbst anzutreffen. Es ist ihm bloß um das Geld zu thun, seine Absicht ist dabey allein auf das Geld gerichtet; wo zu thun in der vertraulichen Sprechart auch ausgelassen wird. Es ist ihr bloß um mich. Es ist mir nur um uns, mit dir hat Gott gethan, Opitz; d. i. ich beklage nur uns. Aber, es ist davon so viel zu erfahren gewesen, man hat davon so viel erfahren, ist Oberdeutsch. cc) Mit dem Mittelworte der vergangenen Zeit. Damit ist mir nicht gedienet. Nun ist mir geholfen. Das sey dem Himmel geklagt! Laß die das gesagt seyn. 2. Figürlich, von welcher Art des Gebrauches hier nur die vornehmsten Fälle angeführet werden können, wovon ohne dieß die meisten elliptisch sind. Es bedeutet, (1) Befindlich seyn, gegenwärtig seyn, seine Wirkung an einem Orte offenbaren, so daß der Ort entweder durch ein Nebenwort, oder auch durch ein Vorwort ausgedruckt wird. Er ist hier, er war da, sie sind oben, unten u. s. f. Ich war auf dem Felde, er ist in seine Stube, sie sind noch in der Kirche. Ich bin nie in der Stadt gewesen. Du warest auch mit dabey. Bey der Tafel seyn. Der Feind ist hinter uns. Wo bist du gewesen? Er ist täglich um uns. Morgen will ich bey ihnen seyn. Ich bin gleich wieder bey ihnen, d. i. werde gleich wieder bey ihnen seyn. Er wird in kurzen wieder hier seyn. Hier vor meiner Hütte sey der Altar! Geßn. Wo auch mein Geist nach dem Tode seyn wird. In manchen Fällen gebraucht man doch lieber das Zeitwort sich befinden, als seyn. In der Mitte des Schiffes war eine Kajütte, besser, befand sich. (2) Außen seyn, ausbleiben. Er wird nicht lange seyn. Er kann nicht lange mehr seyn. (3) Etwas seyn lassen, im gemeinen Leben, es unterlassen, wofür man auch sagt, es bleiben lassen. Und also ließ ers lieber seyn. Schon Ottfried sagt, lazan sin thaz slafan, das Schlafen unterlassen. (4) In sehr vielen Fällen wird es auch von den Empfindungen, von dem Zustande des Gemüthes, wo es wieder ein sehr allgemeiner und unbestimmter Ausdruck ist, der fast von allen Arten der Empfindung gebraucht werden kann. Es stehet alsdann unpersönlich, oder doch in der dritten Person, und erfordert die dritte Endung der Person. (a) Im weitesten Verstande. Mir ist bange. Ihm ist angst. Es war ihm angst und bange. Mir ist wohl, ich befinde mich wohl. Mir ist übel, ich befinde mich übel. Mir ist nicht wohl bey der Sache. Was ist dir? was fehlet dir, was empfindest du? Es ist mir leid um dich. Es sollte mir leid seyn, wenn u. s. f. Es ist mir lieb, das ist mir lieb. Ich weiß nicht, wie mir ist. Ich muß nur selber gehen und fragen was ihm ist, Gell. Mir ist nicht wie Musik, in der vertraulichen Sprechart, ich habe jetzt keinen Gefallen an der Musik, die Musik behaget mir jetzt nicht. Es ist mir nicht als ob ich es thun wollte, ich habe keine Neigung dazu. In den niedrigen Sprecharten sagt man auch, mir ist esserlich, ich habe Appetit zu essen, mir ist weinerlich, ich möchte weinen u. s. f. Der persönliche Gebrauch in dieser Bedeutung ist in der reinen Schreibart ungewöhnlich. Ich bin seit etlichen Tagen nicht gar zu wohl gewesen, Raben besser mir ist u. s. f. (b) In engerer Bedeutung für scheinen, ingleichen eine dunkele Empfindung haben, mit welchem Worte seyn in dieser Bedeutung viele etymologische Verwandtschaft hat. Es ist mir, als wenn ich etwas sähe. Es ist mir, als wenn ich ihn einmahl gesehen hätte. Es ist mir, als rückten mir alle, die mich sehen, mein Vergeben vor. Es ist mir aber doch, als glaubt ich Petern mehr als dem Herrn, Weiße. Die Welt ist mir ein Gefängniß, ist für mich ein Gefängniß, oder kommt mir wie ein Gefängniß vor. Wo die dritte Endung der Person auch ausgelassen werden kann, besonders wenn man den Satz noch allgemeiner ausdrücken will. Er sprach, es ist, als wenn ich ihn jetzt reden hörte, Rost. Wenn ich zurück sehe, dann ists, als hätt ich nur einen langen Frühling gelebt, Geßn. Es ist, als wendete die Natur doppelten Fleiß darauf. Bey aller Liebe, die ich hatte, wars doch, als wenn ich wünschte, ihn nie gekannt zu haben. (5) Gehören. Wem ist das Gut? wem gehöret es. Das Geld ist dein, Es sind nicht mehr als hundert Gulden mein, Die sollen deinen Kindern seyn, Gell. Wo es, wenn es für bestimmt seyn stehet, auch das Vorwort für bekommt. Das ist nicht für mich. Verdacht ist für die Furcht, und Argwohn für Tyrannen, Cron. (6) Beschaffen seyn. Wie sind seine Umstände. Ich weiß schon, wie du bist, was für eine Gemüthsart du hast. Man weiß, wie Kinder sind, Gell. Wie Tityrus nun ist, er fing zum Thyrsts an, Rost. Nun sieht man, wie du bist, eben ders. Wenn ich, wie du wäre, so thäte ich es, d. i. wenn ich an diener Stelle wäre. Eine besondere Art zu reden ist, dem sey nun wie ihm wolle, oder, dem sey nun wie ihm sey, die Sache mag auch beschaffen seyn, wie sie will. Im gemeinen Leben drückt man den Gegenstand auch wohl mit dem Vorworte mit aus, und braucht das Zeitwort unpersönlich. So ist es mit dem Gesinde, d. i. so ist das Gesinde beschaffen, so macht es das Gesinde. Aber in der anständigen Schreibart klingt solches ungewöhnlich und fremd. Es ist mit dem Schalle, wie mit den Tönen, besser, es verhält sich mit dem Schalle u. s. f. (7) Oft wird er zur Bestimmung der Zeit gebraucht, wenn eine Sache geschehen ist. Es war eben im Herbste, da ich ihn sahe. Es war am Morgen, da die Nymphe den bunten Kranz auf ihre Stirn setzte. Wenn ich jemals vergessen habe, daß sie meine Mutter war, so war es in diesem Augenblicke, Dusch. Es sind nunmehr zehen Jahre, daß ich ihn nicht gesehen habe. Es ist (sind) kaum vierzehn Tage, daß du wegreisetest, Schleg. Fünf Tage sinds nun, seit er uns beyde auf seinem Schloß hielt, und weinte, Geßn.

(8) Geschehen. Wenn es seyn soll, so sey es. Es ist um Lebens und Sterbens willen, es geschiehet. Das muß nicht seyn. Das kann nicht seyn, geschehen. Das kann wohl seyn, ist möglich. Das kann nicht seyn, ist unmöglich. Thun sie es, wenn es seyn kann. Es kann seyn, daß ich ihm gewogen bin. Es kann seyn, daß die Liebe viele Annehmlichkeiten hat, Gell. (9) Die Ursache seyn, nur in einigen Fällen. Wenn ich nicht gewesen wäre, u. s. f. Wäre dieses nicht, so käme ich gewiß. Wenn es zuweilen auch gebraucht wird, eine Bedingung auszudrucken. Gut, wenn das ist magst du leben, Less. Wenn das ist, so haben wir ja nichts zu befürchten, Gell. (10) Vorhanden seyn, wirklich seyn. War je ein Wunsch, den mein Auge verrieth, den du nicht erfülltest, Geßn. Besonders absolute, die reelle Existenz, das Daseyn eines Dinges außer den Gedanken zu bezeichnen. Es ist ein Gott. Gott ist. Gott ist von Ewigkeit her gewesen. Ich denke, darum bin ich. Daß ich jetzt bin, ist unverdiente Wohlthat des Schöpfers, Gell. Das Verlangen nach Glück verläßt uns nur in dem Augenblicke, da wir aufhören zu seyn. Er lebet, wie gar viel schließt dieses Wort nicht ein! Ihr Weisen, saget mir, heißt leben mehr als seyn? Haged. In der dichterischen Schreibart bedeutet es oft nur in der Reihe der sichtbaren Körper, der lebendigen Dinge, vorhanden seyn, leben. Sie werden mich auch, wenn ich nicht mehr seyn werde, noch lieben und segnen. Unser Freund ist nicht mehr, er ist todt. (11) Endlich gehören hierher noch verschiedene einzelne Arten des Ausdruckes, in welchen das Zeitwort eine engere oder figürliche Bedeutung hat. Das wäre! eine in gemeinen Leben übliche Formel, seinem Verwunderung auszudrucken. Laß seyn, daß er reich ist, gesetzt. Lassen sie es seyn, daß er nicht mit der Anmuth zu pfeiffen und zu trallern weiß, Weiße, gesetzt. Was soll das seyn? was soll das bedeuten, warum geschiehet das; nur im gemeinen Leben. Was solls seyn? im gemeinen Leben, was wollt ihr? was wird verlangt? Was ist für ihre Mühe? Was soll für ihre Muhe seyn? was habe ich für ihre Mühe zu bezahlen? Herr, sprach der gute Bauer, Was soll für seine Mühe seyn? Gell. Wie wäre es, wenn wir die Hälfte böthen? wäre nicht thunlich? Du läßt den ganzen Tag die Herde Herde seyn, Rost; du bekümmerst dich den ganzen Tag nicht um die Herde. Was ist es denn nun mehr? das ist ja keine Sache von Wichtigkeit. Gesetzt, daß Doris auch es dem Damöt vertraut, Was ist es denn nun mehr? Gell. Was wäre es denn gewesen, wenn er es auch gehöret hätte? Was ist es denn nun, ob mich dieser Mann liest oder nicht? Gell. was ist daran gelegen? Da Sey Gott vor! Da sey der Himmel vor! das wolle Gott, der Himmel verhüthen! O Daphne, nichts gleicht dem Entzücken, es sey denn das Entzücken von dir geliebt zu seyn, Geßn. wo es sey denn in der feyerlichen und höhern Schreibart für das kürzere als stehet. In einem andern Verstande wird es sey gebraucht, disjunctive Sätze zu begleiten. Es sey Krankheit, es sey Verlust der Güter dieses Lebens, - der Gedanke an die göttliche Vorsehung vermindert ihr schmerzhaftes, Gell. Es sey darum, es man darum seyn, es mag geschehen oder Statt finden. II. Als ein Hülfswort, womit die vergangenen Zeiten gewissen Zeitwörter von der Mittelgattung gemacht werden. Die ganze Lehre von den Hülfswörtern der Neutrorum ist in den Deutschen Sprachlehren noch nicht genug bearbeitet, wird sich auch wohl nicht leicht auf gewisse Regeln bringen lassen. Die Hauptsache kommt darauf an. Ein Neutrum, welches mehr einen selbstthätigen Zustand bezeichnet, erfordert das Hülfswort haben, und ein Neutrum, welches einen mehr leidenden Zustand ausdruckt, das Hülfswort seyn. Diese Regel ist eigentlich ohne Ausnahmen, ob sie gleich in der Anwendung auf einzelne Fälle Schwierigkeiten zu haben scheint. Z. B. Die Neutra gehen, laufen, deuten wirklich einen sehr thätigen Zustand an, und haben doch das Hülfswort seyn. Um hier nicht zu falschen Schlüssen geleitet zu werden, muß man der wahren Abstammung eines jeden Wortes nachprüfen. Gehen ist in seiner heutigen gangbarsten Bedeutung nur ein eingeschränkter Fall der ursprünglich allgemeinern, nach welcher gehen nichts anders ist, als sanft, oder langsam beweget werden. Und nun siehet man ohne Mühe, daß ihm das Hülfswort seyn, das eigentliche Zeitwort eines leidenden Zustandes zukommen müsse. Da es aber in manchen Fällen schwer ist, zu entscheiden, welche Bedeutung in einem Neutro die herrschende ist, die thuende oder die leidende, so läßt sich auch nicht allemahl gewiß bestimmen, welches Hülfswort sich ohne Ausnahme für dasselbe schicke; zumahl, wenn die Deutschen Mundarten bey einem solchen Worte wirklich getheilt sind. Hieraus folgt ferner, daß ein und eben dasselbe Hülfswort in verschiedenen Bedeutungen beyde Hülfswörter bekommen könne, je nachdem die Bedeutungen mehr selbst wirkend oder mehr leidend, oder doch von den ersten Urhebern der Sprache so betrachtet worden sind. Eine ziemlich allgemeine Regel ist die, daß diejenigen Neutra der eigenen Bewegung, welche ordentlich das Hülfswort haben bekommen, das seyn erfordern, wenn der Ort, von welchem oder zu welchem die Bewegung geschiehet, mit ausgedruckt wird. Wir haben den ganzen Tag gesegelt, und, wir sind von Cadir abgesegelt. Hieraus folgt ferner, daß auch die zusammen gesetzten Neutra, wenn das Vorwort, womit sie zusammen gesetzt sind, einen solchen Terminum a quo oder ad quem enthält, gemeiniglich das Hülfswort seyn erfordern. Doch das alles gehöret in die Sprachlehre.

Anm. 1. Seyn ist, als ein eigenes Zeitwort betrachtet, ein Neutrum, welches einen völlig leidenden Zustand ausdruckt, und daher in den vergangenen Zeiten mit sich selbst gemacht wird; ich bin gewesen. Diejenigen Neutra, welche seyn bekommen, leiden das Mittelwort der vergangenen Zeit; daher kann man auch, gewesen als ein Beywort gebrauchen, mein gewesener Freund. Aber das Mittelwort der gegenwärtigen Zeit, ein seyender ist im Hochdeutschen ganz ungewöhnlich, ob man gleich in den Oberdeutschen Kanzelleyen häufig genug sagt, die in Bewegung seyende Materie. Viele haben die Oberdeutschen Formen wir seyn, sie seyn für sind, auch im Hochdeutschen einführen wollen: Die längst zuvor verblichen seyn, Opitz. aber damit noch wenig Eingang gefunden. Es ist auch nicht abzusehen, was damit gewonnen werden könnte, da seyn einmahl das irregulärste Zeitwort ist, welches wir nur haben.

Anm. 2. Aus dem, was zu Anfange dieses Artikels gesagt worden, erhellet, daß dieses Zeitwort, so wie wir es jetzt haben eigentlich aus sieben andern zusammen gesetzt ist. Diese sind: Am, em, Angels. eom, Ulphil. im, Engl. em, Isländ. em, Pers. em, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ich bin; Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, seyn. Ar, er. Isländ. er, Schwed. är, ich om; Angels. art, du bist; Engl. are, er ist; Angels. aro, ihr seyd, aron, sie sind; Lat. eram, ich war, ero, ich werde seyn; Angels. ar, seyn. War, wer, welches aus dem vorigen nur durch den verstärkenden Blaselaut gebildet zu seyn scheinet. Kero, Notker, birum, birumes, birin, wir sind, birint, pirint, ihr seyd; ich war, wäre, Schwed. var; Kero birum, ich werde seyn; Schwed. vara, Isländ. vera, seyn. As, es, Ulph. is, Lat. es, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , du bist; er ist; Lat. est, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Russ. jest; Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, er sey; Lat. essem, ich wäre; Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ich werde seyn; Lat. esse, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, seyn. Was, wes, welches wiederum nur durch Vorsetzung des Blaselautes von dem vorigen gebildet zu seyn scheinet. Minnes. wesent, ihr seyd; Nieders. wese, ich sey; Fränk. und Nieders. was, ich war; Ulph. vas, Angels. hwas, gewesen; Willer. uuis, sey, Nieders. wes, Angels. wis, Kero, Ottfr. ec. uuesan, seyn, Ulphil uuisan. Bim, bin, bien. Ich bin, bist. Kero pim, bim, pist; Notker bin, wir sind; bint, sie sind; Kero bim, ich werde seyn; Oberd. bis, sey; Angels. beon, Engl. bee, Böhm. byti, seyn. Seyn, Lat. sum, Ital. sono, ich bin; Wallis, sydd, sy, er ist; wir sind, ihr seyd; Alem. sii, ich sey, Isländ. sie, Lat. sim, Ulphil. sijai, sey du; Infinit. seyn. Eben dieses gilt auch von andern Sprachen, weil in allen bekannten Sprachen dieses Zeitwort überaus irregulär ist. Die Ursache davon ist wohl, weil dessen Bedeutung so fein und unerklärbar ist, daß man sie in vielen einzelnen Fällen nicht anders als durch verschiedene Wörter ausdrücken kann, welche ursprünglich einen ganz andern körperlichen Begriff haben, und hier nur in figürlicher Bedeutung stehen. Wenn man diese einzelnen Stammwörter genauer untersucht, so wird man davon überzeugt werden. So ist der Infinitiv seyn, und der Conj. ich sey, mit scheinen, und schehen, in geschehen verwandt; ist, est, esse, scheint zu essen zu gehören, denn einem ganz rohen und ungebildeten Begriff, dergleichen man bey den Erfindern der Sprache annehmen muß, sind essen und seyn, sehr verwandte Dinge. ( S. Wesen.) Bin, ist allem Ansehen nach Eines Stammes mit, Bein, Bahn, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , venio, u. s. f. im Albanischen ist binn, ich komme; war mit werden, u. s. f.


Sich (W3) [Adelung]


Sich, das zurück kehrende Fürwort der dritten Person, welches nur in der dritten und vierten Endung vorhanden ist, und in denselben so wohl in allen Geschlechtern, als auch im Singular und Plural unverändert bleibt. Es wird gebraucht, wenn von der dritten Person oder Sache eine Handlung gesagt wird, die diese dritte Person oder Sache nicht nur selbst thut, sondern die auch dabey auf sie selbst zurück gehet. Er hat es sich selbst zu danken. Sie schreibt sich alles selbst zu. Schämet ihr euch denn nicht? Sie hat endlich ihr ja von sich gegeben. Große Seelen halten sich an den Himmel fest, und lassen die Erde unter sich fortrollen, Dusch. Mein Herz erweitert sich von einem frohen Stolze, eben ders. Da ihm denn oft um des Nachdruckes willen noch das selbst zugesellet wird. Sind sie denn nicht bey sich selbst. Wenn sich der Plural ist, und eine Handlung angedeutet wird, die nicht bloß von jedem Dinge unter den mehrern auf sich selbst, sondern auch auf die andern zurückkehret, so kann dafür auch einander gesetzet werden. Sie lieben sich wie Kinder, oder einander. Gleiche und einander (oder sich) entgegen gesetzte Kräfte heben sich, (oder einander) auf. Sie sind alle gleich, oder sie sind alle einander gleich. Herzen, die sich für einander geschaffen fühlen; wo die Wiederhohlung des sich einen Übelklang verursachen würde. Welches aber nicht Statt findet, wenn die Handlung nur auf jedes der mehrern allein zurückkehret. Sie schämen sich, nicht einander. In den anderen Personen hat man keine eigenen Reciproca, sondern die persönlichen Fürwörter vertreten ihre Stelle. Du liebest dich, ich schäme mich dessen nicht. Im Oberdeutschen gebraucht man auch in der dritten Person für sich häufig die persönlichen Fürwörter er, sie, es, welches auch Luther einige Mahl nachgeahmet hat. Unser keiner lebt ihm selber, unser keiner stirbt ihm selber. Er gedacht ihm, für bey sich, Theuerd. Sieht man den Tod für ihm, der Hochmuth legt sich wohl, Opitz. Weil ein jeder ihm fast mehr oder weniger zutraut, als er eigentlich im Vermögen hat, eben ders. Ein andrer läßt ihm nicht an einer Welt begnügen, Günth. Im Hochdeutschen pflegt man oft die Verba reciproca unpersönlich zu gebrauchen. Hier sitzt sichs nicht gut, für man sitzt hier nicht gut, oder hier ist nicht gut sitzen. Bey einem leeren Magen kann sichs unmöglich zärtlich lieben. Welches denn in den Oberdeutschen Kanzelleyen so weit als möglich getrieben wird. Dagegen ist mit dürren Worten sich erkläret worden, für man hat sich u. s. f.

Anm. Schon bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern sich, bey dem Ulph. sik, und mit einem andern Endlaute sis, im Schwed. sig, bey den Krainer. Wenden sebi.


Sichel (W3) [Adelung]


Die Sichel, plur. die -n, ein schneidendes landwirthschaftliches Werkzeug in Gestalt eines halben Zirkels, mit einem kleinen Hefte von Holz, Gras und Getreide damit abzuschneiden; zum Unterschiede von der Sense, womit gehauen oder gemähet wird. Die Grassichel, die Getreidesichel. S. Sense.

Anm. Bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern Sichela, im Nieders. Seckel, Sekel, im Angels. Sicol, im Engl. Sickle, im Schwed. Sikel, im Lat. Secula, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; alle von sägen, secare, Wend. sseku, u. s. f. indem die Ableitungssylbe el hier ein Werkzeug andeutet. Mit andern Endsylben heißt die Sichel im Wendischen Secati, im Albanischen Siaggere, im Pohln. Sickarts.


Sichelfrohne (W3) [Adelung]


Die Sichelfrohne, plur. die -n, Frohnen oder Frohndienste in der Ernte, welche mit der Sichel geschehen, zum Unterschiede von den Sensenfrohnen.


Sichelklee (W3) [Adelung]


Die Sichelklee, des -s, plur. inus. eine Art des Schneckenklees, dessen Hülsen wie eine Sichel gekrümmt sind; Medicago falcata Linn.


Sichelkraut (W3) [Adelung]


Die Sichelkraut, des -es, plur. inus. eine Art des Wassermerkes, Sium falcaria Linn. Sichelmöhre, in einigen Gegenden Sichelgewärre.


Sichelschnäbler (W3) [Adelung]


Der Sichelschnäbler, des -s, plur. ut nom. sing. bey dem Klein, ein eigenes Geschlecht von Vögeln, deren Schnabel wie eine Sichel gestaltet ist, und welche auch Sichler heißen. Es gehören dahin die Baumkletten mit den Grauspechten und die Bracher mit den Bienenfraßen und Wiedehopfen. In engerer Bedeutung werden die Bracher oder Brachvögel, Numenii Klein, in einigen Gegenden Sichler genannt.


Sicher (W3) [Adelung]


Sicher, -er, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich von der Gefahr zu fallen, und in weiterer Bedeutung, von jeder Gefahr befreyet; wo es auf doppelte Art gebraucht wird. (1) Von dem Dinge, welches sich außer Gefahr befindet, von der Gefahr befreyet ist. (a) Eigentlich, wo es doch nur als ein Nebenwort üblich ist. Vor dem Fallen sicher seyn. Eine Sache sicher stellen, sie außer Gefahr setzen, von der Gefahr befreyen. Ich stehe hier sehr sicher. Sich sicher wissen, überzeugt seyn, daß man keine Gefahr befürchten dürfe. Wegen dieser Sache bin ich sicher. Das Pferd gehet seht sicher. Sicher wohnen. Nirgends sicher seyn. (b) Figürlich oder in engerer Bedeutung ist sicher, von der Furcht von Gefahr oder vor einem Übel befreyet, wo es auch als ein Beywort üblich ist. Jemanden sicher machen. Sicher schlafen. Ihr Sichern werdet zittern Es. 32, 10. Ein sicherer Sünder. Du kannst dich mir nun sicher zeigen. Du kannst mirs sicher offenbaren. Gemeiniglich versinken wir in unserm Unglücke, weil wir zu sicher in unserm Glücke waren. Wenn es als ein Beywort gebraucht wird, so hat es gemeiniglich den Nebenbegriff des unerlaubten Sorglosigkeit bey einer wirklichen Gefahr bey sich. (2) Von denjenigen Dingen, deren man sich ohne Gefahr bedienen kann, so wohl in der adverbischen als adjectivischen Form. Der Weg ist sicher. Ein sicherer Weg. Es ist hier nicht sicher. Eine sichere Gelegenheit. Ein sicheres Pferd, welches nicht strauchelt, sicher gehet. Sicheres Geleit, welches uns Sicherheit gewähret. Sichere Arzneymittel, bey welchen man keiner Gefahr ausgesetzt ist. Du streust Rosen und Jesmin Auf die sichern Pfade hin, Die ich gehe, Weiße. 2. In engerer Bedeutung. (1) Von der Gefahr zu irren bebefreyet, gewiß. Ein Geschmack, welcher durch die schönen Künste feiner und sicher geworden. Eine sichere Hand, in den bildenden Künsten. (2) Von der Gefahr des Gegentheils befreyet, gleichfalls für gewiß, und zwar, (a) eigentlich, wo es doch nur objective üblich ist, von der Sache, welche mit Überzeugung erkannt wird. Eine sichere Nachricht, auf welche man sich verlassen kann. Ein sicherer Beweis. Ich habe es ihm sicher versprochen. Du kannst dich sicher darauf verlassen. Ich habe die sichersten Merkmahle davon. (b) Figürlich wird es auch von solchen Dingen gebraucht, von welchen man nur einige allgemeine Bestimmungen weiß, oder die man nur auf eine ganz allgemeine Art bezeichnen will. Ein sicherer Freund hat mir gesagt, u. s. f. Ein sicherer Hof soll sich sehr lebhaft zum Kriege rüsten. Wofür doch in der anständigen Sprechart gewiß üblicher ist.

Anm. Bey dem Kero sihhur, bey dem Ottfried lichor, im Nieders. serer, im Schwed. säker, im Franz. sur, im Wallis. sicer, im Lat. securus, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Die Sylbe er ist die Ableitungssylbe, welche Beywörter bildet; es kommt daher hier nur auf die Sylbe sich an, deren eigentliche Bedeutung aber hier so aus ausgemacht noch nicht ist, indessen scheinet sie fest, unbeweglich, stark bedeutet zu haben, und zu dem Angelsächs. segga, tapfer, stark, zu gehören. Auf ähnliche Art ist im Nieders. wehlig, sicher, welches mit wehlig, stark und thätig, verwandt zu seyn scheinet. S. Sicherpfahl.


Sicherheit (W3) [Adelung]


Die Sicherheit, plur. die -en, das Abstractum des vorigen Bey- und Nebenwort, welches doch nur in dessen ersten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Der Zustand, da ein Ding sicher ist, ohne Plural. (1) Objective, der Zustand, da ein Ding von der Gefahr eines Übels befreyet ist. In Sicherheit seyn. Etwas in Sicherheit bringen, stellen, setzen. Sein Vermögen in Sicherheit bringen. (2) Subjective, von der Furcht einer Gefahr oder eines Übels befreyen. In völliger Sicherheit leben. Die scheinbare Unschuld des Spieles verleitete sie zur Sicherheit. Er stürzt ihre Macht durch ihre Sicherheit; Sprichw. 21, 22. Die fleischliche Sicherheit, in der Theologie, die Fertigkeit, sich eine ungegründete Abwesenheit der Gefahr, besonders in Ansehung seines Verhältnisses gegen Gott einzubilden. 2. Dasjenige, was uns Sicherheit gewähret, besonders in engerm Verstande, was uns vor der Gefahr eines Verlustes sicher stellet, wo vornehmlich in den Rechten, eine Handschrift, ein Unterpfand, Caution und Bürgschaft, mit einem allgemeinen Ausdrucke Sicherheiten genannt werden, in welcher Bedeutung es schon im Schwabensp. vorkomm. Ich muß Sicherheit haben. Sicherheit geben, stellen.

Anm. Schon im Ottfried Sihurheit, im Nieders. Sekerhed.


Sicherlich (W3) [Adelung]


Sicherlich, ein Nebenwort, welches mit dem Nebenworte sicher eigentlich gleich bedeutend ist, aber in der edlern und höhern Schreibart wenig mehr gebraucht wird. 1. * Von einer Gefahr befreyet; eine im Hochdeutschen völlig veraltete Bedeutung. Die reiche Zahl der flüchtigen Kaninen Nimmt Klüften ein, die sicherlich ihr dienen, Opitz. die ihr Sicherheit gewähren. 2. Gewiß, völlig von etwas überzeugt; im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart. Ich weiß es sicherlich. Wo es auch als eine versichernde Formel üblich ist. Er kommt sicherlich. Glauben sie es sicherlich. Mein Esel sicherlich Muß klüger sein, als ich, Less.


Sichermahl (W3) [Adelung]


Das Sichermahl, des -es, plur. die -e, ein im Hochdeutschen wenig bekanntes Wort, ein Mahl, wornach man zielet oder schießet, zu bezeichnen. So will zu seiner Seiten drey Pfeile schießen, als ich zum Sichermahl schösse, 1 Sam. 20, 20. Frisch und andere haben schon bemerkt, daß es von einem veralteten Zeitworte sichern, abstammet, welches zielen bedeutete, und das Intensivum von sehen war, welches in sichtbar, Gesicht u. s. f. schon den starken Gaumenlaut hat. Im Schwed. ist sigta, und im Holländ. sichen, gleichfalls zielen.


Sichern (W3) [Adelung]


1. Sichern, zielen, S. das vorige.


Sichern (W3) [Adelung]


2. Sichern, verb. regul. act. welches nur im Bergbaue für waschen üblich ist, das gepochte Erz durch Wasser von dem tauben Gesteine scheiden. Erz sichern. Daher die Sicherung, das Waschen der Erze. Es ist das Intensivum oder Factitivum von seihen, in den gemeinen Sprecharten seigen, dessen intensives Neutrum im gemeinen Leben, auch siekern lautet, S. dasselbe.


Sichern (W3) [Adelung]


3. Sichern, verb. reg. act. von dem Bey- und Nebenworte sicher, sicher machen, das ist, vor der Gefahr eines Übels bewahren. Er ist mein Heil; mein Ruhm und Leben, Er sichert mich; mein Fels, mein Schutz, Logau. Wenn man fremdem Gute nachgehet, so muß zuvor das seine sichern, in Sicherheit bringen. Glücksgüter sichern uns gegen die Armuth. Hier bin ich nicht gesichert. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter ist ersikeren, beschützen. Opitz gebraucht das im Hochdeutschen ungewöhnliche Sicherung für Sicherheit.


Sicherpfahl (W3) [Adelung]


Der Sicherpfahl, des -es, plur. die -pfähle, bey den Wassermühlen und Wasserwehren, ein langer starker eichener Pfahl, welcher in die Erde gerammet wird, und die Eiche oder die gesetzmäßige Höhe des Wassers und des Fachbaumes zeiget; der Mahlpfahl, Mühlpfahl, Eichpfahl. Entweder von sicher in der eigentlichen Bedeutung des fest, unbeweglich, weil dieser Pfahl die Wasserhöhe sichert; oder mit Sichermahl aus Einer Quelle; oder als ein Abkömmling von Zeichen, Signum; oder endlich auch von dem Niederdeutschen Sichter, eine Rinne, weil er sich an dem Mühlgerinne und zu dessen Behuf befindet.


Sicherstein (W3) [Adelung]


Der Sicherstein, des -es, plur. die -e, in den Zinnhütten, ein großer viereckter Stein, worauf die Zinnsteine, welche gesichert oder gewaschen werden sollen, zerrieben werden.


Sichertrog (W3) [Adelung]


Der Sichertrog, des -es, plur. die -tröge, im Hüttenbaue, ein Trog oder längliche Mulde, worin das Sichern oder Waschen der Erze geschiehet.


Sicherung (W3) [Adelung]


Die Sicherung, S. Sichern.


Sichler (W3) [Adelung]


Der Sichler, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Sichelschnäbler.


Sicht (W3) [Adelung]


Die Sicht, plur. die -en, das Abstractum des Zeitwortes sehen, die Handlung des Gehens. Man gebraucht es für sich allein nur noch in solchen Wechselbriefen, welche sogleich bey dem Empfange bezahlet werden müssen, und sich gemeiniglich so anfangen: Herr - - zahle auf Sicht dieses u. s. f. oder Ich - - zahle auf Sicht diese u. s. f. das ist, bey Ansicht dieses, so bald mir dieses vorgezeiget wird, welches Ansicht auch von einigen wirklich für Sicht gebraucht wird. Zuweilen stehet es in eben diesem Wechselgeschäfte im entgegen gesetzten Verstande für Nachsicht, eine gewisse bestimmte Zeit zu bezeichnen, nach deren Verlauf, von der Präsentation des Wechsels an gerechnet, derselbe bezahlt werden muß. Der Wechselbrief lautet auf acht Tage Sicht, verstattet acht Tage Nachsicht, mit einem Italiänischen Kunstworte Respiet. Auch im gemeinen Leben wird es daher noch zuweilen für Nachsicht des Gläubigers gegen seinen Schuldner gebraucht. Jemanden um Sich bitten, ihm Sicht geben. In beyden Fällen ist es nur im Singular und gemeiniglich ohne Artikel üblich, außer dem gebraucht man es nur in den Zusammensetzungen Absicht, Ansicht, Aussicht, Nachsicht, Vorsicht, Gesicht u. s. f. in welchem letztern es um der Partikel ge willen zugleich ungewissen Geschlechtes ist.


Sichtbar (W3) [Adelung]


Sichtbar, -er, -ste, adj. et adv. was gesehen, durch das Gesicht empfunden werden kann; im Gegensatze des unsichtbar. Sichtbar seyn, werden. Eine sichtbare Sonnenfinsterniß, zum Unterschiede von einer unsichtbaren. Die sichtbare Noth des Dürftigen, die mein Erbarmen mit lauter Stimme fordert. Die Sichtbare Kirche, in der Theologie, die durch einen ihnen selbst bewußten und andern merklichen gemeinschaftlichen Lehrbegriff und Gottesdienst mit einander verbundenen Gläubigen; zum Unterschiede von der unsichtbaren Kirche, oder der Verbindung aller einzelnen mit Christo vereinigten Personen, deren Verbindung nicht unmittelbar in die Augen fällt. Das Nebenwort sichtbar bedeutet zuweilen auch, auf eine sichtbare, in die Augen fallende Art, wie Sichtbarlich. Die Ursache ist sichtbar, diese u. s. f. Siehe auch Sichtig und Sichtlich.


Sichtbarkeit (W3) [Adelung]


Die Sichtbarkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es sichtbar ist; im Gegensatze der Unsichtbarkeit.


Sichtbarlich (W3) [Adelung]


Sichtbarlich, welches auf doppelte Art gefunden wird. 1. Als ein Beywort für sichtbar. Sichtbarliche Güter, Weish. 13, 1; in welcher Gestalt es im Hochdeutschen veraltet ist, weil es nicht mehr saget, als sichtbar. 2. Als ein Nebenwort, auf eine Sichtbare Art. Er war sichtbarlich betreten, als er mich erblickte. Das brachte ihn sichtbarlich aus der Fassung. S. auch Sichtlich.


Sichtbrief (W3) [Adelung]


Der Sichtbrief, des -es, plur. die -e, ein Wechselbrief auf Sicht.


Sichten (W3) [Adelung]


Sichten, verb. reg. act. welches nur in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes für sieben, vermittelst des Siebes reinigen, üblich ist. Ich will das Haus Israel unter allen Heiden sichten lassen, gleich wie man mit einem Siebe sichtet, Amos 9, 9. Der Satanas hat euer begehret, daß er euch möchte sichten, wie den Weizen, Luc. 22, 31. Daher das Sichten und die Sichtung.

Anm. Die Übereinstimmung des Klanges zwischen Sicht von sehen, und diesem sichten, verleitete Frischen, das letztere von dem ersten abzuleiten, so sehr ihm auch der dabey nöthige Zwang hätte in die Augen fallen sollen. Die Endsylbe -ten ist ein Zeichen eines Intensivi; das Stammwort hieß also sichen, welches mit seihen, säen, sägen u. s. f. verwandt ist, und so wie diese ursprünglich die mit diesen Handlungen verbundene Bewegung nachahmet. Mit einem andern Endlaute gehören auch Sieb und sieben hierher, daher die Niedersachsen für sieben intensive siften sagen, Engl. to sift, Angels. syftan, im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rütteln.


Sichter (W3) [Adelung]


Der Sichter, des -s, plur. ut nom. sing. sing. bey den Bäckern einiger Gegenden, ein Bäckerbursche, welcher auf den Kneter folget, und das Sichten oder Beuteln des auf der Mühle nur ge- schrotenen Getreides verrichtet. In großen Backhäusern hat man wohl einen Obersichter und Untersichter.


Sichterzeug (W3) [Adelung]


Das Sichterzeug, des -es, plur. die -e, in den Windmühlen, ein stehendes Getriebe an den Beutelkasten, welches das Sichten oder Sieben in den Mehlkasten vollziehet.


Sichtig (W3) [Adelung]


* Sichtig, -er, -ste, adj. et adv. welches für sich allein nur im Oberdeutschen für sichtbar üblich ist, und von Sicht abstammet. Ein sichtiges Pfand, ein Sichtbares, Opitz. Da ward die Wunde sichtig, Günth. Die Hochdeutschen gebrauchen es nur in dem Zusammensetzungen ansichtig, kurzsichtig, blödsichtig, scharfsichtig u. s. f.


Sichtlich (W3) [Adelung]


Sichtlich, -er, -ste, adj. et adv. gesehen wird, ingleichen was gesehen werden kann, ein nur zuweilen für sichtbar übliches Wort. Sichtliche Vollkommenheit. Ingleichen, auf eine sichtbare Art, für sichtbar. Erzstufen, worauf das Gold sehr sichtlich anstehet. Vor meinen sichtlichen Augen, d. i. deutlich sehenden, ist nur in den niedrigen Sprecharten gangbar.


Sicke (W3) [Adelung]


Die Sicke, S. Sieke.


Sie (W3) [Adelung]


1. Die Sie, plur. die -en, Diminut, das Siechen, ein nur im gemeinen Leben übliches Wort, ein Thier weiblichen Geschlechtes zu bezeichnen, im Gegensatze des Er. Ein Schaf, das eine Sie ist, 3 Mos. 4, 32. Im Hochdeutschen ist es von den Vögeln am üblichsten. Der er und die Sie, das Männchen und Weibchen.

Anm. Im Nieders. Se, Diminut. Seken, zum Unterschiede von dem Se und Seken, in einigen Hochdeutschen Mundarten mit einem starken Gaumenlaute die Sieke, Sicke. Es ist mit dem folgenden Vorworte genau verwandt. S. auch 1 Er.


Sie (W3) [Adelung]


2. Sie, das persönliche Vorwort so wohl der dritten Person im weiblichen Geschlechte, da es in der zweyten Endung ihrer, in der dritten ihr und in der vierten wieder sie hat; als auch aller drey Geschlechter im Plural, Nom. sie, Gen. ihrer, Dat. ihnen Accus. sie. Es ist auf doppelte Art üblich. 1. Als ein persönliches Vorwort im strengsten Verstande, und zwar, (1) im Singular, da man solche Personen weiblichen Geschlechtes mit sie anzureden pfleget, welche man höher achtet, als daß man sie du und ihr nennen sollte, aber nicht so hoch, daß man sie im Plural mit sie anderen könnte. Jungfer, hat sie nichts gehöret? ( S. 2 Er,) welches im männlichen Geschlechte auf eben diese Art üblich ist. (2) im Plural, da es in der Sprache des Wahlstandes erst in den neuern Zeiten üblich geworden, solche Personen anzureden, für welche man zu viel Achtung hat, als daß man sie er und sie im Singular nennen sollte. Es ist in diesem Verstande von beyden Geschlechtern so wohl im Singular als Plural üblich. Sie weinen, mein Herr? Sehen sie, meine Freunde. Nein, Phillis, glauben sie es nicht. Da die Sprache des Wohlstandes so veränderlich ist, wie die Moden, so hält man auch dieses sie für hohe Personen schon für zu gemein, und gebraucht dafür oft das Demonstrativum dieselben. 2. Ein personale-relativum, welches sich im Singular auf eine vorher genannte Person oder Sache weiblichen Geschlechtes, im Plural aber auf Personen oder Sachen aller Geschlechter beziehet, und am liebsten bey Zeitwörtern stehet. Wo ist Phillis? - Sie ist hier. Unsere Freunde sind noch nicht da, ich weiß nicht, wo sie bleiben. Die Aufrührer weigerten sich, gehorsam zu seyn, auch wollten sie die Gebühren nicht bezahlen. Und wie man sie gelegt, so lagen sie noch heute, Zur rechten er, und sie zur linken Seite, Gell. Da es denn oft zu einem bloßen demonstrativo-relativo wird, für dieselbe, selbige. Wenn man keine Noth in der Welt hat, so macht man sie sich selbst, oder sich sie selbst. Die Stellung beyder sie neben einander, macht Übellaut und oft Mißdeutung. Die Colonisten wurden erst recht erbittert auf die Engländer, nachdem sie sie geschlagen hatten; das ist, entweder nachdem sie selbige, oder nachdem selbige sie geschlagen hatten. Die gemeinen Oberdeutschen Mundarten pflegen es, wenn es hinter dem Zeitworte stehen sollte, gern mit demselben zusammen zu ziehen. Auch wolltens die Gebühren nicht bezahlen. In den Gedanken kamens dar, Theuerd. In der höheren Schreibart stehet das Hauptwort, worauf sich sie beziehet, durch eine zierliche Inversion, auch zuweilen hinten. Sie ist noch nicht ausgestorben, diese hohe, diese Ehrfurcht erweckende Tugend, für das mattere: Diese - Tugend ist noch nicht ausgestorben. Aber sie wird gemeiniglich zu theuer erkauft, die immer dauernde Glückseligkeit, Dusch. Bey dem Kero, Ottfried u. s. f. si, sie.


Sieb (W3) [Adelung]


Das Sieb, des -es, plur. die -e, eine löcherige geflochtene Fläche mit einem Kranze oder einer Einfassung, trockne, feine Körper damit durch rütteln oder hin und her bewegen von gröbern abzusondern. Ein Haarsieb, Drahtsieb, Kornsieb, Erzsieb u. s. f. Mit einem Siebe sieben.

Anm. Bey dem Ottfried Sib, bey dem Hornegk Häsib, im Nieders. Seve, im Angels. Syfe, im Engl. Sieve. Da die vielen Fällen gleich bedeutenden Räder, Reiter, Fege, die Bewegung ausdrücken, welche mit dem Sieben verbunden ist, so ist selbiges auch hier vermuthen, daher dieses Wort als ein Verwandter von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rütteln, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, erschüttern, von unserm säen, u. s. f. anzusehen ist. Mit andern Endlauten heißt das Sieb im Schwed. Sickt, ( S. Sichten,) ingleichen Sall, im Isländ. Saldr. im Finnländischen Seula, (im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bewegen,) im Pohlnischen Sito, (im. Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sieben,) u. s. f.


Siebarbeit (W3) [Adelung]


Die Siebarbeit, plur. die -en, das Sieben, als eine Arbeit betrachtet, diejenige Arbeit, welche vermittelst des Siebes verrichtet wird.


Siebbein (W3) [Adelung]


Das Siebbein, des -es, plur. die -e, der Nahme eines gewissen Beines am Kopfe, welches sich von der Hirnschale bis in die Nase erstrecket, und so löcherig, wie ein Sieb ist; das siebförmige Bein, Os cribriforme.


Siebboden (W3) [Adelung]


Der Siebboden, des -s, plur. die -böden, der löcherige, gemeiniglich geflochtene Boden eines Siebes.


Sieben (W3) [Adelung]


Sieben, verb. reg. act. in einem Siebe rütteln oder hin und her bewegen, in der Absicht, das Feine dadurch von dem Groben abzusondern, mit dem Siebe reinigen; rädeln, rädern, sichten. Mehl, Sand, Erz sieben. Gesiebtes Mehl.

Anm. Im Nieders. seven, und intensive siften, Angels. syftan, Engl. to sift, Holländ. ziften. S. Sieb und Sichten.


Sieben (W3) [Adelung]


Sieben, eine Grundzahl, welche sich zwischen sechs und acht in der Mitte befindet, und so wohl der Zahl als dem Geschlechte nach unverändert bleibt, sie mag ihr Hauptwort bey sich haben oder nicht. Sieben Tage, sieben Stunden, von sieben Wochen. Es ist sieben Uhr. Es hat sieben geschlagen. Es ist noch nicht sieben. In der dritten Endung, in dem Falle, wenn das Hauptwort verschwiegen worden, ein -en anzuhängen, wie bey den übrigen Grundzahlen, ist hier nicht gebräuchlich, vielleicht um des Wohlklanges willen. Er kam mit sieben. Ich kann vor sieben nicht kommen. Unter sieben und achten austheilen, Pred. 11, 2. Da sieben die einzige Grundzahl ist, welche zweysylbig ist, so würde vor oder mit siebenen zu gedehnt klingen, zumahl da die zweyte Sylbe von sieben schon eine Ableitungssylbe ist.

Anm. Schon im Isidor sibhun, bey dem Kero sibun, bey dem Ottfried sibini, sibbu, bey dem Ulphilas sibun, im Angels. seofon, im Engl. seven, im Nieders. seven, im Schwed. sju, im Lat. septem, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Wachters unwahrscheinliche Ableitung von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ich verehre, weil diese Zahl jederzeit sehr in Ehren gehalten worden, wird unter andern auch durch das verwandte Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sieben, widerleget. Die Slavonischen Mundarten haben statt des Blaselautes ein d, wie das Krainische und Böhmische sedem, und Pohln. siedm. Die Stammsylbe heißt eigentlich sieb; warum man derselben in dieser einzige Grundzahl die Sylbe en angehängt, ist unbekannt. Da diese Sylbe nun ein bloßer Endlaut st, so spricht und schreibt man ganz richtig siebzehn für siebenzehn ec.


Sieben (W3) [Adelung]


Die Sieben, plur. ut nom. sing. die Zahlfigur sieben. Eine Arabische Sieben. Alle Sieben wegwerfen. Sie ist eine böse. Sieben, eine von den bösen Sieben, figürlich ein boshaftes Weib, weil die Zahl sieben schon von den ältesten Zeiten an für unglücklich gehalten wurde; ein Vorurtheil, dessen Ursprung noch nicht genug aufgeklärt worden, welches aber vielleicht mit der ersten Erfindung der Zahlwörter zusammen hängt. Ingleichen ein Kartenblatt mit sieben Augen.


Siebenbaum (W3) [Adelung]


Der Siebenbaum, S. Säbenbaum.


Siebenblatt (W3) [Adelung]


Das Siebenblatt, des -es, plur. inus. S. Siebenfingerkraut.


Siebeneck (W3) [Adelung]


Das Siebeneck, des -es, plur. die -e, eine Figur oder ein Körper mit sieben Ecken, Heptagonum. Daher siebeneckig, sieben Ecke habend.


Siebener (W3) [Adelung]


Der Siebener, zusammen gezogen Siebener, des -s, plur. ut nom. sing. eine Zahl von sieben, ein aus sieben Einheiten bestehendes Ganzes. Eine Münzsorte von sieben Kreuzern heißt daher in Österreich ein Siebener. Auch die Sieben, oder die Zahlfigur sieben wird in der Rechenkunst zuweilen ein Siebener genannt. Ingleichen einer aus einem Collegio von sieben Personen. Daher heißen in manchen Gegenden die Feldmesser, Gränzscheider oder Untergänger Siebener, weil ihrer zu Begehung und Entscheidung der Flurgränzen allemahl sieben seyn müssen. In Windsheim ist zu dem Ende das Siebeneramt, welches aus vier Rathspersonen und drey Bürgern bestehet, und die Aufsicht über die Gränzsteine der Landstraßen, Äcker, Weinberge u. s. f. hat. An andern Orten hat man Siebnergerichte, welche mit sieben Personen besetzt sind, da denn der Gerichtsknecht der Siebnerknecht heißt.


Siebenerley (W3) [Adelung]


Siebenerley, zusammengezogenen siebnerley, adj. et adv. von sieben verschiedenen Arten und Eigenschaften. Siebenerley Geld.


Siebenfach (W3) [Adelung]


Siebenfach, adj. et adv. welches ein vermehrendes Zahlwort ist, sieben Mahl genommen.


Siebenfältig (W3) [Adelung]


Siebenfältig, adj. et adv. in eben dieser Bedeutung, welches aber im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird. Wer Cain todt schläget, soll siebenfältig gerochen werden, 1 Mos. 4, 15. Siebenfältig vergelten, Ps. 79, 12. Schon bey dem Kero sibunfaltu, septenarius, und bey dem Notker siebenfalt, septuplum, S. Faltig.


Siebenfingerkraut (W3) [Adelung]


Das Siebenfingerkraut, des -es, plur. inus. 1. In einigen Gegenden, ein Nahme der Blutwurz oder Tormentill ( S. diese Wörter;) Tormentilla Linn. wegen der Gestalt der Blätter, so wie die Potentilla, Fünffingerkraut oder Fünfblatt genannt wird. 2. In andern Gegenden heißt das Gänsekraut, Comarum Linn aus eben derselben Ursache Siebenfingerkraut oder Siebenblatt.


Siebengestirn (W3) [Adelung]


Das Siebengestirn, des -es, plur. inus. ein Gestirn am Himmel, welches aus sechs oder sieben hellen Sternen mit vielen kleinen bestehet, und von einigen nicht so richtig der Siebenstern genannt wird; Plejades, Vergiliae. Bey dem Ottfried Sibunstirri. Ehedem nannte man dieses Gestirn die Gluckerinn und die Meklenburgischen Landleute nennen es Duming.


Siebengezeit (W3) [Adelung]


Das Siebengezeit, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden eine Art des Klees mit halb nackenden Hülfen, welche sich in eine Spitze endigen, einem aufrechten Stamme und länglichen Blumenähren; Trifolium Melilotus coerulea Linn. das Siebenzeit, Gartensteinklee, wohlriechender Klee. Er hat den Nahmen daher, weil er nach der gemeinen Meinung seinen Geruch des Tages sieben Mahl verlieren und wieder bekommen soll. In der Schweiz heißt dieser Klee Schabziegerkraut, weil der Schabzieger, eine Art Käse, damit bereitet wird. In andern Gegenden wird das Bockshorn, oder Griechische Heu, Trigonella Poenum graecum Linn. Siebengezeit oder Siebenzeit genannt.


Siebenhundert (W3) [Adelung]


Siebenhundert, richtiger getheilt, sieben hundert, adj. et adv. welches eins unveränderliche Grundzahl ist, hundert sieben Mahl genommen. In dem Salischen Gesetze septunhunna, ( S. Hundert.) Daher er Siebenhundertste, die Ordnungszahl davon.


Siebenjährig (W3) [Adelung]


Siebenjährig, adj. et adv. sieben Jahre alt, sieben Jahre dauernd. Ein siebenjähriges Kind. Ein siebenjähriger Waffenstillstand.


Siebenmahl (W3) [Adelung]


Siebenmahl, richtiger getheilt, sieben Mahl, adv. zu sieben verschiedenen Mahlen. Der Gerechte fällt des Tages sieben Mahl, Sprichw. 24, 16. Sieben Mahl mehr, sieben Mahl weniger. Bey dem Kero sibunstunt. ( S. Stunde.) Daher das Beywort siebenmahlig, was sieben Mahl geschiehet.


Siebenschläfer (W3) [Adelung]


Der "Siebenschläfer", des -s, plur. ut nom. sing. in der Legende des christlichen Alterthumes, sieben Brüder aus der Stadt Ephesns, welche, der Verfolgung unter dem Decius zu entgehen, im I. C. 351 in einer Höhle einschliefen, und nach 1555 Jahren unter dem Kaiser Theodosius wieder erwachten; eine Fabel, welche vielleicht dem heidnischen Alterthume abgeborget ist, wo der Weise Epimenides in seinen jüngern Jahren auf der Insel Creta gleichfalls 57 Jahre in einer Höhle geschlafen haben soll.

Was das Wort betrifft, so heißt eigentlich "die sieben Schläfer", woraus denn die ungeschickte Zusammensetzung die "Siebenschläfer", und endlich gar im Singular "der Siebenschläfer" geworden. Letzteres wird besonders im figürlichen Verstande gebraucht, so wohl eine Art "Ratzen" zu bezeichnen, welche im Winter eben so fest und lange schlafen, als die "Murmelthiere", als auch im Scherze, einem dem Schlafe sehr ergebenen Menschen zu benennen.


Siebenschwanz (W3) [Adelung]


Der Siebenschwanz, des -es, plur. die -schwänze, im gemeinen Leben ein Nahme des Seidenschwanzes, Lanius Garrulus Linn. aus welchem Worte es vermuthlich auch verderbt ist.


Siebenstern (W3) [Adelung]


Der Siebenstern, S. Siebengestirn.


Siebenstrahl (W3) [Adelung]


Der Siebenstrahl, des -es, plur. die -en, in der Naturgeschichte, eine Art aufgeritzter Seesterne, welche mit sieben Strahlen versehen sind; Heptactis.


Siebente (W3) [Adelung]


Siebente, adj. welches die Ordnungszahl von sieben ist. Der siebente Tag, die siebente Stunde. Das Kind gehet in das siebente Jahr. Den siebenten Mann ausheben. Schon bey dem Kero sibunto, bey dem Ottfried sibunta, im Angels. seofothon, im Nieders. sevente.


Siebentel (W3) [Adelung]


Das Siebentel, des -e, plur. ut nom. sing. der siebente Theil eines ganzen, ein aus siebente Theil zusammen gezogenes Wort. Ein Siebentel Zentner.


Siebenthalb (W3) [Adelung]


Siebenthalb, adj. indecl. sechs und ein halbes. Siebenthalb Thaler. S. Halb.


Siebentheilig (W3) [Adelung]


Siebentheilig, adj. et adv. aus sieben Theilen bestehend.


Siebenzehen (W3) [Adelung]


Siebenzehen, S. Siebzehen.


Siebenzeit (W3) [Adelung]


Das Siebenzeit, S. Siebengezeit.


Siebenzig (W3) [Adelung]


Siebenzig, S. Siebzig.


Siebförmig (W3) [Adelung]


Siebförmig, adj. et adv. die Gestalt eines Siebes habend. Das siebförmige Bein, in der Anatomie, S. Siebbein.


Sieblaufer (W3) [Adelung]


Der Sieblaufer, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, der Kübel, welcher den Rand oder Kranz des Erzsiebes ausmacht. Laufer, scheint hier die sonst ungewöhnliche Bedeutung eines hohlen Raumes, oder auch eines Kreises, Kranzes zu haben.


Siebmacher (W3) [Adelung]


Der Siebmacher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher Siebe von allerley Art verfertiget.


Siebner (W3) [Adelung]


Der Siebner, S. Siebener.


Siebsetzer (W3) [Adelung]


Der Siebsetzer, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue ein Arbeiter, welcher das gekleinte und gepochte Erz durch das Sieb setzet, d. i. siebet, und welcher, so fern er dasselbe zugleich wäschet, auch der Siebwäscher genannt wird.


Siebstab (W3) [Adelung]


Der Siebstab, des -es, plur. die -stäbe, Stäbe, woraus das zu den Sieben nöthige Holz gespalten wird.


Siebt (W3) [Adelung]


Das Siebt, des -es, plur. die -e, in den Niederdeutschen hohen Ländern, eine Art Sense oder Sichel, welche aus einem 12 Zoll langen und 2 Zoll breiten Messer bestehet, welches wagerecht an einem drey Fuß langen Stiele hängt, der sich im Umfange des dritten Fußes seiner Höhe auswärts beuget, die Heide damit abzumähen, oder vielmehr abzunarben; das Heidesiebt. Es ist mit Säbel verwandt und bedeutet ein schneidendes Werkzeug. Im Bremischen heißt es Segd, da es denn zu Sichel, Säge, Sech, Sachs u. s. f. gehöret. Im Osnabrückischen ist Sift eine scharfe Querhacke, die Rasen damit von der Oberfläche des Angers abzuhauen.


Siebtuch (W3) [Adelung]


Das Siebtuch, des -es, plur. die -tücher, ein locker gewebter wollener Zeug, Siebe daraus zu verfertigen; Beuteltuch.


Siebwäscher (W3) [Adelung]


Der Siebwäscher, S. Siebsetzer.


Siebzehen (W3) [Adelung]


Siebzehen, Siebzehn, eine unabänderliche Grundzahl für sieben und zehen. Siebzehn Jahre. Es waren ihrer siebzehn. Im Oberdeutsch siebenzehen, welche Form auch in der Deutschen Bibel beybehalten worden. Allein da die Hochdeutschen niemals so sprechen, warum sollten sie so schreiben? Das -en ist ohnehin nur die Ableitungssylbe, kann also in der Zusammensetzung, wie in andern Fällen, ohne Nachtheil des Stammwortes wegfallen. S. Sieben.


Siebzehner (W3) [Adelung]


Der Siebzehner, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus sieben Einheiten bestehendes Ganzes. So wird im Österreichischen eine Münzsorte, welche siebzehn Kreuzer hält, ein Siebzehner genannt. Ingleichen ein Mitglied aus einem Collegio von siebzehn Personen, 1717 gewachsener Wein u. s. f.


Siebzehnte (W3) [Adelung]


Der Siebzehnte, die Ordnungszahl von siebzehn. Der siebzehnte Theil.


Siebzehntel (W3) [Adelung]


Das Siebzehntel, des -s, plur. ut nom. sing. der siebzehnte Theil, für Siebzehntheil.


Siebzig (W3) [Adelung]


Siebzig, adj. indecl. welches eine Hauptzahl ist, sieben zehn Mahl, oder zehen sieben Mahl genommen. Siebzig Jahr, Wochen. Die siebzig Jünger. Es waren ihrer siebzig. Schon im Isidor sibunzo, bey dem Kero sibunzog. Die heutigen Oberdeutschen sprechen noch siebenzig, und schreiben daher auch so, welche Form auch in der Deutschen Bibel vorkommt. Da die Hochdeutschen nie siebenzig sprechen, so können sie die Endsylbe en auch im Schreiben entbehren. ( S. Siebzehn.) Ottfried druckt sieben und siebzig, durch einlif stunton sibini, das ist, eilf mahl sieben aus.


Siebziger (W3) [Adelung]


Der Siebziger, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Ein aus siebzig Einheiten bestehendes ganzes. Eine Person, welche siebzig Jahre alt ist, heißt daher ein Siebziger, und im Fämin. eine Siebzigerinn. So auch ein Einundsiebziger u. s. f. 2. Was im Jahre 1770 gebauet oder verfertiget ist. So ist ein Siebziger ein 1770 gewachsener Wein. So auch Einundsiebziger u. s. f.


Siebzigste (W3) [Adelung]


Siebzigste, adj. welches die Ordnungszahl von siebzig ist. Der siebzigste Tag. Bey dem Kero Sibunzogosto, im Oberd. siebenzigste. S. Siebzig.


Siech (W3) [Adelung]


Siech, -er, -este, adj. et adv. krank, im Hochdeutschen, doch nur in engerm Verstande mit einer langwierigen Krankheit oder Schwachheit behaftet: Sie machten viele Siechen gesund. Marc. 6, 13. Ein sieches Leben, Sir. 31, 17. Gleich schlich zu seinem Glücke Ein siecher Alter vor ihr Haus, Gell.

Anm. Bey dem Kero siuch, bey dem Ottfried und Willeram siech, bey dem Ulphilas suks, im Nieders. seek, sük, siek, im Angelsächsischen seoc, im Englischen sick, im Schwedischen siuk, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Bey den Wörtern Seuche und Seufzen ist bereits bemerket worden, daß es eigentlich eine Nachahmung des seufzenden Tones ist, welchen die Krankheit veranlasset, daher es ehedem, wie noch jetzt im Nieders. für krank überhaupt gebraucht wurde. Im Österreichischen ist miselsüchtig, kränklich, und im Nieders. suchtenseek, bettlägerig. Die alten Oberdeutschen Hauptwörter Siechheit und Siechthum sind im Hochdeutschen veraltet.


Siechbett (W3) [Adelung]


Das Siechbett, des -es, plur. inus. ein langwieriges Krankenbett oder Krankenlager. Der Herr wird ihn erquicken auf seinem Siechbette, Ps. 41, 4. Viele Jahre auf dem Siechbette zubringen. Nieders. Siikbedde, Suchtbedde.


Siechen (W3) [Adelung]


Siechen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, mit einer langwierigen, schleichenden Krankheit oder Schwachheit behaftet seyn. Der Thor, der heute praßt, siecht oder bettelt morgen, Dusch. Nein, nein, die Weiber siechten alle, Wenn dieses Übel schädlich wär, Gell. So auch das Siechen.

Anm. Bey dem Ottfried irsiechan, im Oberd. intensive siechten, suchten ( S. Sucht), im Niedersächs. süken, bey dem Ulphilas siukan, Engl. to sick. Die Niedersachsen gebrauchen dafür auch quimen und kudeln, wovon wenigstens das erste eigentlich seufzen, ächzen, bedeutet, so wie unser stechen, eine Figur des Angels. sican, Engl. to sigh, seufzen ist, S. Seufzen.


Siechhaus (W3) [Adelung]


Das Siechhaus, des -es, plur. die -häuser. 1. Ein Haus, worin sich eine oder mehrere sieche Personen befindet. 2. Ein öffentliches Haus worin langwierige Kranke verpfleget und geheilet werden; ein Krankenhaus. Das Lazareth ist ein Siechhaus für ansteckende Krankheiten.


Siechheit (W3) [Adelung]


Die Siechheit, plur. die -en, so wohl der Zustand, da man siech ist, ohne Plural, als auch die langwierige Krankheit selbst; ein im Hochdeutschen ganz ungewöhnliches Hauptwort, welches noch mehrmahls bey dem Opitz vorkommt. Im Oberd. ist in eben diesem Verstande auch Siechthum gangbar.


Siechkobel (W3) [Adelung]


Der Siechkobel, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Kobel, d. i. kleines Häuschen, worin aussätzige Personen außer den Städten unterhalten werden.


Siechling (W3) [Adelung]


Der Siechling, des -es, plur. die -e, eine sieche Person. S. -Ling.


Siechtage (W3) [Adelung]


Die Siechtage, sing. inus. Tage, d. i. diejenige Zeit, welche man siech ist. Stets Siechtage haben, beständig siechen.


Sied (W3) [Adelung]


Sied, im Niederdeutschen für niedrig, S. Seit.


Siede (W3) [Adelung]


Die Siede, plur. inus. in der Landwirthschaft, besonders Obersachsens, dasjenige Futter des Viehes, welches mit heißem Wasser eingebrannt, oder eingebrühet wird, ehe man es dem Viehe gibt; es bestehe nun aus Spreu, Überkehr und Häckerling, oder aus gestampften Rüben, Kraut u. s. f. In einigen Gegenden wird es auch das Gesott genannt. Beyde Benennungen stammen von dem Zeitworte sieben her, weil dieses Futter mit siedendem Wasser angebrühet wird.


Siedefaß (W3) [Adelung]


Das Siedefaß, des -sses, plur. die -fässer, eben daselbst, dasjenige Faß, worin die Siede angemacht; der Siedebottich


Siedehütte (W3) [Adelung]


Die Siedehütte, plur. die -n, derjenige Theil einer Alaun- oder Salpeterhütte, wo die Lauge in bleyernen Kesseln eingesotten wird; zum Unterschiede von der Laughütte.


Siedekasten (W3) [Adelung]


Der Siedekasten, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Nahme der Futterbank, worin die Siede, oder das zur Siede bestimmte Futter geschnitten wird; die Häckerlingsbank.


Siedel (W3) [Adelung]


* Der Siedel, es -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden auch die Siedel, plur. die -n, ein Hochdeutschen veraltetes Hauptwort. 1. Ein Ort, wo man sitzet, worauf man sitzet, der Sitz; besonders ein Stuhl. Sessel, Sattel, in diesem Verstande ist es noch in einigen Provinzen Oberdeutschlandes für einen jeden Sitz oder Stuhl üblich. Nieders. Setel. In Obersachsen ist auf dem Lande der Siedel ein Behältniß in Gestalt einer Bank mit einer schmalen Lehne, allerley sogleich aus den Händen zu legen. 2. Ein Wohnhaus auf dem Lande mit den dazu gehörigen Grundstücken, ein Landgut, Landsitz; auch noch im Oberdeutschen. Daher werden noch in vielen Gegenden freye Bauernhöfe, welche keine Frohndienste verrichtet dürfen, Siedelhöfe und Sattelhöfe genannt. 3. Der Ort, wo sich ein Ding auf eine dauerhafte Art befindet, der Sitz; auch nur im Oberdeutschen. Der Mund ist ein Sidel der versuchenden Kraft der sel, Buch der Natur 1483. die Siedel des Gehördes ist gegen dem hinderen teyl des Hauptes, eben daselbst.

Anm. Schon im Isidor Sedhal, im Kero Sedalu, bey dem Ottfried u. s. f. Sedal, Gesidele, im Nieders. Setel, im Latein. Sedile. Es stammet vermittelst der Ableitungssylbe -el, von dem veralteten seden, sieden her, dessen Intensivum das heutige sitzen ist. Sessel und Sattel sind genau damit verwandt. Die Ableitungen siedeln, seinen dauerhafte Aufenthalt an einem Orte haben, der Siedler, welcher seinen dauerhaften Aufenthalt an einem Orte hat, die Siedeley, ein solcher Ort, sind im Hochdeutschen theils gleichfalls veraltete, theils nur noch in einigen Zusammensetzungen übrig, wohin besonders Einsiedler und Einsiedeley gehören.


Siedelhof (W3) [Adelung]


Der Siedelhof, des -es, plur. die -höfe, Siehe das vorige, ingleichen Sattelhof. In dem alten Gedichte auf den heil, Anno ist Sedilhove in weiterer Bedeutung die Residenz.


Sieden (W3) [Adelung]


Sieden, verb. irregul. ich siede, du siedest, (Oberd. seudest) er siedet, (Oberd. seudet); Imperf. ich sott: Mittelw. gesotten; Imper. siede, (Oberd. seud). Es ahmet eigentlich dem zischenden Laut nach welchen ein in eine innerer Bewegung gebrachter flüssiger Körper von sich gibt, und ist in doppelter Bedeutung üblich. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, diesen zischenden Laut von sich geben, und in weiterm Verstande, in der innern Bewegung befindlich seyn, mit welcher dieser Laut verbunden ist. Er macht, daß das tiefe Meer seudet (siedet) wie ein Töpfen, Hiob 41, 22. Besonders, wenn ein flüssiger Körper durch ein unter ihm oder auf allen Seiten angebrachtes Feuer zu einem solchen mit Zischen verbundenen Aufwallen gebracht wird. Das Wasser siedet, hat gesotten. Siedend heiß. Da es denn auch häufig theils von den in dem flüssigen Körper befindlichen festern Körpern; theils auch von dem Gefäße gebraucht wird. Die Fische sieden schon. Das Fleisch hat noch nicht gesotten. Der Topf, der Kessel siedet. Sieden druckt eigentlich den zischenden Laut aus, der das Aufwallen begleitet, es wird daher eigentlich nur in solchen Fällen gebraucht, wo dieser Statt findet. Setzet man das Feuer fort, so fängt der flüssige Körper an zu kochen, d. i. einen dumpfigern Kaut von sich zu geben. Fische, Krebse, Eyer u. s. f. kochen daher nicht, sondern sieden nur. Indessen werden beyde Wörter sehr häufig mit einander verwechselt. Besonders pflegt man so wohl in dieser neutralen als der folgenden activen Bedeutung in der anständigen und höhern Schreibart lieber als kochen zu gebrauchen, welches letztere in der Sprache des gemeinen Leben am gangbarsten ist. S. Kochen. II. Als ein Activum, dieses zischende Aufwallen durch Hülfe des Feuers hervor bringen, und in noch weiterm und häufigerm Verstande, auf solche Art zubereiten. Fische sieden. Eyer sieden. Seife sieden. Alaun, Salpeter, Thran sieden. Salz sieden. In manchen Fällen ist doch auch in der anständigen Sprechart dafür kochen üblicher. Kaffeh kochen, sagt man häufiger als Kaffeh sieden. So auch das Sieden.

Anm. Bey dem Kero siudan, bey dem Ottfried sueden, im Nieders. seeden, seen, im Engl. to seeth, im Schwed. sjuda, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es ahmet den zischenden Laut des Siedens nach, daher - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Griech. zischen, brausen, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Bier, eigentlich Siede, ein gesottener Trank ist. Die irreguläre Form ist schon alt; das Mittelwort lautet bereits bey dem Kero kasotan. Die ältern Schriftsteller gebrauchten es auch für schmelzen. Irsoten silber ist bey dem Notker durch das Feuer gereinigtes Silber. Siehe auch Sud.


Siedepfanne (W3) [Adelung]


Die Siedepfanne, plur. die -n, eine Pfanne, worin etwas gesotten wird. Besonders in den Salzwerken diejenige Pfanne, worin die Sohle gesotten wird, zum Unterschiede von der Gradier-Pfanne.


Sieder (W3) [Adelung]


Der Sieder, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person, welche siedet; am häufigsten in den Zusammensetzungen Seifensieder, Salpetersieder, Thransieder u. s. f.


Siederey (W3) [Adelung]


Die Siederey, plur. die -en, eine Anstalt, wo eine Waare durch Sieden zubereitet wird. Die Salpetersiederey, Seifensiederey, Alaunsiederey u. s. f. wofür in vielen Fällen auch nur das einfache Wort gebraucht wird.


Sieg (W3) [Adelung]


Der Sieg, des -es, plur. die -e, die Handlung, der Zustand, da man seinen Gegner in einem Wettstreite überwindet, besonders, wenn es in einem öffentlichen Gefechte zwischen zwey Kriegsheeren geschiehet. Den Sieg erhalten, erfechten, davon tragen. Den Sieg über jemanden erfechten. Ein blutiger Sieg, wenn dabey vieles Blut vergossen worden. Der Sieg blieb lange zweifelhaft. Den Sieg in Händen haben. Die dichterische Schreibart macht mit diesen Worte allerley Zusammensetzungen. Mit sieggewohnter Rechte, Raml. Siegprangend u. s. f.

Anm. Schon im Isidor bey dem Ottfried u. s. f. Sigu dem Notker und andern ältern Oberdeutschen Schriftstellern mir einem zusammen gesetzten Worte auch Signunft, dessen letzte Hälfte von nehmen abzustammen scheinet, wie in Vernunft. Siehe 2 Siegen.


Siegel (W3) [Adelung]


Das Siegel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Siegelchen. 1. Eigentlich, wo es in einer dreyfachen Bedeutung üblich ist. (1) Die Figur, deren sich jemand bedienet, selbige zur Versicherung oder Bestätigung auf etwas zu drucken. Einen Löwen im Siegel führen. Sein eigenes Siegel haben. Sein Siegel auf etwas drucken. Ein Siegel nachmachen. Ein Siegel stechen, diese Figur in einen festen Körper graben. (2) Der Abdruck dieser Figur in einen weichern Körper, zur Versicherung u. s. f. Dieser weichere Körper ist Oblate, Wachs, Siegellack, Bley, Silber, Gold, in welchen letztern Fällen, wenn dieses Bild in Metall gedruckt und an eine Urkunde gehängt wird, dasselbe eine Bulle heißt. Das Siegel eines Briefes erbrechen. Das Sie- gel ist unversehret. Ein wächsernes Siegel an eine Urkunde hängen. Brief und Siegel über etwas haben, eine besiegelte, mit einem Siegel versehene Urkunde. (3) Das Werkzeug, worein diese Figur gegraben ist, und womit man dieselbe in einen weichern Körper drückt, in welchem Verstande es noch von den größern und feyerlichen Werkzeugen dieser Art, dessen sich ganze Gesellschaften, Collegia u. s. f. bedienen, üblich ist, dagegen die kleinern Werkzeuge einzelner Personen, Petschafte heißen. Das Kanzelleysiegel, Rathssiegel, Stadtsiegel u. s. f. Ein Siegel stechen, durch Eingrabung des Siegels dieses Werkzeug verfertigen. 2. Figürlich, der Versicherungsgrund einer Sache. Die Beschneidung zum Siegel der Gerechtigkeit empfangen, Röm. 4, 11. Die Wunder der Propheten waren Siegel der göttlichen Vollmacht.

Anm. Schon bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern Sigel, im Niederd. Segel, im Angels. Sigel, im Engl. Seal, im Schwed. Sigill. Ehedem gebrauchte man in den eigentlichen Bedeutungen dafür auch zusammen gesetzte Insiegel. Es ist mit der Sache selbst ohne Zweifel aus dem Latein. Sigillum entlehnet, welches wieder von Signum, Zeichen, abstammet, muß aber schon sehr frühe von auswärtigen Völkerschaften seyn angenommen worden, indem schon bey dem Ulphilas sigljan, siegeln ist.


Siegelbank (W3) [Adelung]


Die Siegelbank, plur. die -bänke, bey den Tuchwebern, der Tisch, worauf die besichtigen Tücher mit dem bleyernen Siegel versehen werden.


Siegelbewahrer (W3) [Adelung]


Der Siegelbewahrer, des -s, plur. ut nom. sing. der Vorgesetzte einer Kanzelley oder einer Gesellschaft, welcher das Siegel derselben in seiner Verwahrung hat, und bey angesehenen Collegiis und großen Gesellschaften gemeiniglich der Kanzler, bey kleinern und unerheblichen aber oft der Secretär genannt wird. S. auch Siegeler.


Siegel-Capsel (W3) [Adelung]


Die Siegel-Capsel, plur. die -n, eine hölzerne Capsel, worin sich das abgehängte Siegel einer Urkunde befindet.


Siegeler,Siegler (W3) [Adelung]


Der Siegeler, oder Siegler, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte siegeln, derjenige, welcher siegelt. In manchen Kanzelleyen ist es daher der Nahme desjenigen Kanzelleybedienten, welcher das Siegel von dem Siegelbewahrer empfängt, und die Schriften und Urkunden untersiegelt. An einigen Orten, besonders Oberdeutschlandes werden aber auch die Siegelbewahrer oder Kanzler, Siegeler genannt.


Siegelerde (W3) [Adelung]


Die Siegelerde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, feine Bolar- oder Thonerde von allerley Farben, welche geschlemmet, in kleine runde Stückchen geformet, und zur Glaubwürdigkeit mit dem eingedruckten Siegel desjenigen Ortes, wo sie bereitet werden, versehen werden; eigentlich gesiegelte Erde, Latein. Terra sigillata.


Siegelfälscher (W3) [Adelung]


Der Siegelfälscher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher ein Siegel vorsetzlich verfälschet.


Siegelgeld (W3) [Adelung]


Das Siegelgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches für die Untersiegelung oder Besiegelung einer Urkunde den Kanzelleybedienten entrichtet wird. An manchen Orten wird die Lehnwaare, welche bey dem Antritte eines neuer Erdherren entrichtet wird, das Siegelgeld genannt.


Siegelkunde (W3) [Adelung]


Die Siegelkunde, plur. car. die Kunde, d. i. Kenntniß der ältern Siegel, so wohl objective als subjective; Sphragistica.


Siegellack (W3) [Adelung]


Das Siegellack, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Zusammensetzung von Gummi-Lack, Harz, Wachs, Kreide u. s. f. dessen man sich statt des ehemahligen bloßen Wachses zur Besiegelung der Briefe und geringerer Urkunden bedienet; im Oberd. Spanisch Wachs, und bey dem großen Haufen Briefwachs, Brieflack.


Siegeln (W3) [Adelung]


Siegeln, verb. reg. act. mit einem Siegel versehen, das Siegel auf etwas drücken. Einen Brief siegeln. Eine Urkunde siegeln. In den meisten Fällen sind dafür die Zusammensetzungen besiegeln, versiegeln, zusiegeln üblich. Von angehängten Siegeln sagt man auch lieber das Siegel anhängen, als siegeln. Im Tatian sigilan.


Siegelpresse (W3) [Adelung]


Die Siegelpresse, plur. die -n, in den Kanzelleyen, eine Presse, mit welcher das stählerne Siegel aus das auf die Urkunden, Ausfertigungen u. s. f. gelegte Wachs gedruckt wird.


Siegelring (W3) [Adelung]


Der Siegelring, des -es, plur. die -e, ein mit einem Siegel versehener Fingerring, ein Siegel in Gestalt eines Fingerringes; der Petschaft-Ring.


Siegelwachs (W3) [Adelung]


Das Siegelwachs, des -es, plur. inus. gefärbtes Wachs, dessen man sich noch jetzt in den Kanzelleyen und Gerichten zur Untersiegelung öffentlicher Verhandlungen bedienet. Im gemeinen Leben wird zuweilen auch das Siegellack, welches im gesellschaftlichen Leben statt jenes eingeführet worden, noch Siegelwachs genannt.


Siegen (W3) [Adelung]


1. * Siegen, verb. reg. neutr. welches vermuthlich das Hülfswort seyn erfordert hat, jetzt aber für sich allein veraltet ist. Es bedeutete: 1. Sich allmählig senkrecht neigen oder niederlassen, in welcher Bedeutung es jetzt völlig veraltet ist, indem es von dem davon abstammenden sinken verdränget worden. Schwed. siga, schon bey dem Ulphilas, der es von dem Untergehen der Sonne gebraucht, sigan. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen, ist sigen, sich setzen, niederlassen. Er siget unde sturzet, Notker, er sinkt und fällt. Das Nieders. sich sacken, sich senken, ist das Intensivum davon, so wie auch sinken und seiger damit verwandt sind. Siehe auch Siegern. 2. Nach und nach vertrocknen, von flüssigen Körpern, nach und nach und unbemerkt abfließen, welche Bedeutung eine Figur der vorigen ist, in welcher es aber nur noch in dem zusammen gesetzten verfliegen vorkommt. S. dasselbe.


Siegen (W3) [Adelung]


2. Siegen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, den Sieg davon tragen, über seinem Gegner die Oberhand erhalten, besonders in einem öffentlichen Gefechte. Über jemanden siegen. Die biblische Verbindung mit wider, wider jemanden siegen, für über, ist im Hochdeutschen veraltet. Der Feind hat dieses Mahl gesieget. Der siegende Theil. Daher, obgleich selten, das Siegen, indem dafür das Abstractum der Sieg üblicher ist.

Anm. Schon bey dem Ulphilas sigjan, im Angels. siga, im Schwed. segra, von Seger, der Sieg. Wachter, Frisch und andere leiten es von dem vorigen siegen, sinken her, und sehen es als ein Factitivum an, da es denn eigentlich sinken machen, zu Boden legen, bedeuten würde; eine Ableitung, welche sich ziemlich wahrscheinlich machen lässet. Allein, da im Isländischen sig, das Gefecht, und siga, fechten, streiten, bedeutet, so scheint sie so ausgemacht noch nicht zu seyn.


Sieger (W3) [Adelung]


Der Sieger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin, die Siegerinn, eine Person, welche sieget, den Sieg davon getragen hat. Bey dem Notker Siegenunftor, von Siegnunft, der Sieg, ehedem auch der Siegmann, woraus vermuthlich der Nahme Sigmund entstanden ist.


Siegerkrone (W3) [Adelung]


Die Siegerkrone, plur. die -n, bey einigen ein Nahme der Prachtlilie, Gloriosa superba Linn.


Siegern (W3) [Adelung]


Siegern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, welches das Intensivum oder Iterativum von dem veralteten siegen, sinken ist, und so wie siekern, nur im gemeinen Leben gebraucht wird, nach und nach in kleinen Theilen rinnen. Das Silber siegert am Gestein herab, im Bergbaue, wenn es in flüssiger Gestalt an dem Gesteine herab rinnet; wo es mit einem andern Endlaut auch siefern lautet. S. auch Siekern.


Siegesbogen (W3) [Adelung]


Der Siegesbogen, des -s, plur. ut nom. sing. ein zierlicher Bogen in Gestalt eines Thores, durch welchen ein Sieger seinen festlichen Einzug hält, oder auch, welcher zum Andenken eines erfochtenen Sieges errichtet wird; der Triumph-Bogen.


Siegesgehenk (W3) [Adelung]


Das Siegesgehenk, des -s, plur. die -e, in den bildenden Künsten mehrere zusammen gebundene Kriegesgeräthe, welche als irgendwo, vorgestellet werden.


Siegesgepränge (W3) [Adelung]


Das Siegesgepränge, des -s, plur. ut nom. sing. ein feyerliches Gepränge zur festlichen Begehung eines erfochtenen Sieges; ein Triumph.


Siegeslied (W3) [Adelung]


Das Siegeslied, des -es, plur. die -er, ein Lied zum Andenken eines erfochtenen Sieges, oder dessen Inhalt ein erfochtener Sieg ist.


Siegeszeichen (W3) [Adelung]


Das Siegeszeichen, des -s, plur. ut nom. sing. das Zeichen eines erfochtenen Sieges. Ein Siegeszeichen aufrichten, 1 Sam. 15, 12. Besonders werden die Fahnen, Pauken und andere dem besiegten Feinde abgenommene Geräthschaften Siegeszeichen genannt. In den bildenden Künsten sind es Waffen und Kriegsgeräthe, welche zum Zeichen des erfochtenen Sieges an einem Pfahl hängend oder gesteckt vorgestellet werden, Trophäen.


Sieghaft (W3) [Adelung]


Sieghaft, -er, -este, adj. et adv. mit dem Siege begabt, was den Sieg davon getragen hat. Die sieghaftige (sieghafte) Hand, Weish. 10, 20. Sieghafte Waffen, das Sieghafte Heer. Sieghaft zurück kommen. In der höhern Schreibart ist dafür siegreich üblicher.


Siegler (W3) [Adelung]


Der Siegler, S. Siegeler.


Siegmannswurz (W3) [Adelung]


Die Siegmannswurz, Siegmarwurz, oder das


Siegmannskraut (W3) [Adelung]


Siegmannskraut, Siegmarkraut, plur. inus. ein Nahme derjenigen Pflanze, welche sonst auch Allermannsharnisch, Allium victorialis L. genannt wird, weil sie dem gemeinen Aberglauben zu Folge, fest und unverletzlich machen, und den Sieg verschaffen soll; Siegwurzel, Heilwurz, Hülfwurz. Um eben dieses Aberglaubens willen, wird an andern Orten so wohl die Augenpappel, das Fellriß, Malua Alcea L. als auch die rothe Schwertlilie. Gladiolus communis L. Siegmarskraut, Siegmannswurz, Siegwurz genannt. Der Nahme ist von dem veralteten Siegmann, Siegmar, welches ehedem einen Sieger bedeutete.


Siegreich (W3) [Adelung]


Siegreich, -er, -ste, adj. et adv. reich am Siege, mit dem Siege in einem hohen Grade begabt, in einem hohen Grade sieghaft. Die siegreichen Truppen, das siegreiche Heer.


Siegstein (W3) [Adelung]


Der Siegstein, des -es, plur. die -e, bey dem großen Haufen, eine Art Achat, von weißer Farbe, mit runden bläulichen Streifen, welcher nicht nur fest machen, sondern auch über alle Krankheiten siegen soll; Lapis victorinus. Von einigen wird auch der Sternstein oder Astroit, Siegstein genannt, vielleicht um eben dieses Vorurtheiles willen.


Siegwurz (W3) [Adelung]


Die Siegwurz, plur. car. S. Siegmannswurz.


Sieke (W3) [Adelung]


1. + Die Sieke, plur. die -n, im gemeinen Leben, ein Thier weiblichen Geschlechtes, besonders von den Vögeln für die Sie. S. 1. Sie.


Siekern (W3) [Adelung]


Siekern, verb. reg. neutr. welches nur im gemeinen Leben üblich ist. 1. Mit seyn. Eine Feuchtigkeit siekert aus dem Fasse, wenn sie nach und nach, in unmerklich kleinen Tropfen durchdringet. 2. Mit haben, eine Feuchtigkeit auf solche Art durchdringen lassen. Das Faß siekert. So auch das Siekern.

Anm. Im Bergbaue auch siegern, im Niederd. siepen, zippern, in der Anständigen Sprechart in einigen Fällen auch sintern. Es ist ein Iterativum von 1 Siegen.


Siel (W3) [Adelung]


Das Siel, des -es, plur. die -e, ein nur in Niederdeutschen Marschländern übliches Wort, eine Schleuse unter einem Deiche oder Wasserdamme zu bezeichnen, wodurch das innerhalb des Deiches befindliche Wasser abgelassen wird. Daher das Balkensiel, eine solche aus Balken bestehende Schleuse, die Balkenschleuse; das Kumpsiel, ein kleines Siel unter dem Deiche, welches mit Bohlen gefüttert und mit einer Fallthür versehen ist; das Pumpsiel, ein Siel, aus welchem das Wasser ausgepumpet wird; das Klappsiel, ein kleines Siel mit einer Klapp, oder Fallthür, u. s. f.

Anm. Es hat entweder mit Salum, das Meer, dem Angels. Sele, ein sanft fließender Fluß, u. a. m. den herrschenden Begriff des fließenden Wassers, oder es gehöret auch mit Solum, der Boden, Sohle, Sulcus, Schaale, Zille, ein Kahn u. s. f. zu dem Begriffe der Vertiefung. ( S. 1 Sahl.) In dem Bremisch-Niederd. Wörterbuche wird ihm das männliche Geschlecht gegeben, der Siel; andere gebrauchen es im ungewissen.


Sielacht (W3) [Adelung]


Die Sielacht, plur. die -en, eben daselbst, der District, welcher durch ein Siel von dem Überflüssigen Wasser befreyet wird, und daher dasselbe zu unterhalten verbunden ist.


Sielbothe (W3) [Adelung]


Der Sielbothe, des -n, plur. die -n, eben daselbst, ein eigener Bothe, zur Bestellung und Ankündigung in Sielsachen.


Sieldeich (W3) [Adelung]


Der Sieldeich, des -es, plur. die -e, eben daselbst, ein mit einem Siele versehener Deich oder Wasserdamm.


Siele (W3) [Adelung]


Die Siele, plur. die -n, ein nur im gemeinen Leben einiger Gegenden übliches Wort. 1. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist die Siele, oder bey andern der Sielen, ein Kummet, woran die Pferde ziehen. Frisch leitet es hier von ziehen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ab; allein, da das gleich bedeutende Kummet dem Begriff der Vertiefung gewähret, so scheinet auch dieses mit Siel, zu Schale, u. s. f. zu gehören. 2. Im Niederdeutschen wird das Pferdegeschirr im Plural Sälen, und nach Hochdeutscher Aussprache die Sielen genannt, so daß es im Singular ungewöhnlich ist. Den Pferden die Sielen auflegen, das Geschirr. Hier gehöret es ohne Zweifel zu Seil, weil Dragsäle eben daselbst auch einen Trageriemen, und Säla, Sala im Angelsächsischen einen jeden Riemen bedeutet. Auch im Bergbaue sind die Sielen lederne Riemen, woran die Karrenläufer den Karren führen.


Sielen (W3) [Adelung]


Sielen, verb. reg. act. welches nur in einigen Gegend Niederdeutschlandes üblich ist, wo es das Wasser ableiten, abführen bedeutet. S. Siel.


Sielgeld (W3) [Adelung]


Das Sielgeld, des -es, plur. die -er, eben daselbst, dasjenige Geld, welches Unterhaltung eines Sieles gegeben wird.


Sielgeschworne (W3) [Adelung]


Der Sielgeschworne, des -n plur. die -n, eben daselbst, ein beeidigter Aufseher über ein Siel.


Sielgraben (W3) [Adelung]


Der Sielgraben, des -s, plur. die -gräben, eben daselbst der Hauptgraben, welcher das Wasser zu einem Siele führet; das Sieltief, die Sielwetterung.


Sifflöte (W3) [Adelung]


Die Sifflöte, S. Hohlflöte.


Signal (W3) [Adelung]


Das Signal, des -es, plur. die -e, aus dem Französischen Signal, ein Zeichen, so fern dadurch der Befehl zu etwas gegeben wird. So hat man auf den Schiffen Tage: Signal und Nacht-Signale, jene werden mit Flaggen, Segeln und Wimpeln, diese mit Blickfeuern, Racketen, Laternen, Kanonenschüssen und so ferner gegeben.


Signatur (W3) [Adelung]


Die Signatur, plur. die -en, aus dem Mittlern Lat. Signatura, ein in verschiedenen einzelnes Fällen übliches Wort. Die Unterzeichnung eines Briefes, einer Urkunde u. s. f. so fern sie nur mit dem Nahmenszuge oder den Anfangsbuchstaben geschiehet, wird in den Kanzelleyen häufig sie Signatur genannt; zum Unterschiede von der vollständige Unterschrift. ( S. Signiren.) Bey den Buchdruckern ist die Signatur, der Buchstab des Alphabetes, welcher unten in der Mitte eines jeden Bogen gesetzet wird, die Folge der Bogen damit zu bezeichnen; das Bogenzeichen. Auch die Kerbe an den gegossenen Schriften, welche verbinde, daß sie von dem Setzer nicht verkehrt gesetzt werden, heißt die Signatur.


Signet (W3) [Adelung]


Das Signet, des -es, plur. die -e, aus dem mittlern Lat. Signetum, ein veraltetes Wort, welches ehedem ein Siegel bedeutete. In den Kanzelleyen werden zuweilen noch die kleinern Handsiegel oder Petschafte Signete genannt, zum Unterschiede von den größern Kanzelleysiegeln.


Signiren (W3) [Adelung]


Signiren, verb. reg. act. aus dem Lat. signare. Es ist besonders in den Kanzelleyen üblich, eine Schrift mit seinem Nahmenszuge, seiner Chiffre, den Anfangsbuchstaben seines Nahmens oder einem andern willkührlichen Zeichen unterzeichnen; zum Unterschiede von dem vollständigern unterschreiben.


Silau (W3) [Adelung]


Der Silau, des -es, plur. car. eine Art des Haarstranges, welche an feuchten Orten der Schweiz, Deutschlandes und Englandes wächset; Peucedanum Silaus Linn. Bärwurz, Roßkümmel. So ausländisch auch der Nahme klinget, so scheinet er doch Deutsch zu seyn, und zu Sil, Siel, und Aue zu gehören.


Silbe (W3) [Adelung]


Die Silbe, S. Sylbe.


Silber (W3) [Adelung]


Das Silber, des -s, plur. doch nur im Bergbaue von mehrern Arten oder Quantitäten üblich ist, ut nom. sing. ein weißes glänzendes Metall, welches, weil es feuerbeständig ist, für das edelste nach dem Golde gehalten wird, und einen seinen hellen Klang hat. 1. Eigentlich gemünztes Silber, im Gegensatze des ungemünzten. Ein Gefäß von Silber. Silber schmelzen. Feines Silber, welches von allem fremden Zusatze frey ist. Gediegenes Silber. Vererztes Silber. mit Silber beschlagen. Gesponnenes Silber, geschlagenes Silber. Kaltes Silber, bey den Gürtlern, eine Vermischung von Weinstein und Silberkalk, damit zu übersilbern. 2. Figürlich. (1) Silbernes Geräth oder Geschirr, als ein Collectivum, doch nur in einigen Fällen. Auf Silber speisen. Sein Silber in Sicherheit bringen. (2) In der dichterischen Schreibart, wird die silberweiße Farbe oft nur Silber schlechthin genannt. Auf ihrem (der Flügel des Schmetterlinges) glänzenden Silber stehen kleine purpurne Flecken, Geßn. (3) Verschiedene Mineralien, welche einige äußere Ähnlichkeit mit dem Silber haben, werden daher Quecksilber, Katzensilber und so ferner genannt.

Anm. Schon bey dem Kero Silbar, bey dem Ottfried Silabar, bey dem Willeram Silbere, bey dem Ulphilas Silubr, im Nieders. Sulver, Zulver, in Angels. Seolfer, Sulfer, im Engl. Silver, im Schwed. Silfver. Die glänzende weiß Farbe dieses Metalles ist ohne Zweifel der Grund seiner Benennung, daher man dieses Wort als einen Verwandten von Salm, Sol, Sulphur, u. s. f. anzusehen hat, (Siehe 1 Sahl.) Die Sylbe er ist die Ableitungssylbe, ein Subject, Ding zu bezeichnen. So wohl diese glänzende Farbe, als auch die angenehme helle Stimme dieses Metalles geben der Dichterischen Schreibart zu allerley Zusammensetzungen Anlaß, z. B. in Ansehung der Farbe, das Silbergewölk, der Silberbach, die Silberquelle, der Silberglanz u. s. f. für silberfarbenes Gewölk u. s. f. und in Ansehung des Klanges, Silberklang, Silberstimme, Silberton u. s. f.


Silberader (W3) [Adelung]


Der Silberader, plur. die -n, im Bergbaue eine Ader, welche Silber oder Silbererz führet.


Silberahorn (W3) [Adelung]


Der Silberahorn, des -es, plur. die -e, bey einigen ein Nahme des rothen Ahornes, weil seine Blätter auf der untern Seite silberfarben sind.


Silberarbeiter (W3) [Adelung]


Der Silberarbeiter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, welcher allerley Geräth oder Geschmeide aus Silber verfertiget; der Gold- und Silberarbeiter, im gemeinen Leben der Goldschmid.


Silberbär (W3) [Adelung]


Der Silberbär, des -en, plur. die -en, einen Art Landbären mit silberfarbenen Haarspitzen.


Silberbarre (W3) [Adelung]


Die Silberbarre, plur. die -n, oder der Silberbarren, des -s, plur. ut nom. sing. Silber in Barren, d. i. langen viereckigen Stäben. S. Barre.


Silberbaum (W3) [Adelung]


Der Silberbaum, des -es, plur. die -bäume. 1. Ein Baum am Vorgebirge der guten Hoffnung, dessen Blätter mit silberfarben seidenen Haaren bedeckt sind, und daher wie Silber glänzen; Protea Linn. 2. In der Chymie, in Salpetersäure aufgelösetes Silber, wenn Quecksilber in Gestalt eines Baumes niedergeschlagen wird; der Dianen-Baum.


Silberbergwerk (W3) [Adelung]


Das Silberbergwerk, des -es, plur. die -e, ein Bergwerk, wo auf Silber gearbeitet, wo Silbererz gebrochen wird.


Silberblatt (W3) [Adelung]


Das Silberblatt, des -es, plur. die -blätter, Diminut. das Silberblättchen, zu einem Blatte oder Blättchen geschlagenes Silber. Absolute wird solches Silber Blattsilber genannt.


Silberblech (W3) [Adelung]


Das Silberblech, des -es, plur. die -e, Diminut. das Silberblechlein, das zu einen Bleche geschlagene Silber.


Silberblende (W3) [Adelung]


Die Silberblende, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, in der Mineralogie, eine silberfarbene Blende, zum Unterschiede von der Goldblende.


Silberblume (W3) [Adelung]


Die Silberblume, plur. die -n, in Hüttenbaue die kleinen Blasen, welche sich bey dem Abtreiben des Silbers erheben, wenn dasselbe fast rein ist.


Silberbrenner (W3) [Adelung]


Der Silberbrenner, des -s, plur. ut nom. sing. in Hüttenbaue, ein beeidigte Person, welche das Silber fein brennet, d. i. es vor dem Gebläse von allem fremden Zusatze reiniget, so daß es wenigstens 15 Loth 3 Quent auf die Mark hält.


Silberbusch (W3) [Adelung]


Der Silberbusch, des -es, plur. die -büsche, eine Art der Wollblume, mit silberweißen glänzenden Blättern. Siehe Jupiters-Bart.


Silberdiener (W3) [Adelung]


Der Silberdiener, des -s, plur. ut nom. sing. ein Hofbedienter, welcher das Silbergeschirr unter seiner Aufsicht hat, und es durch die Silberwäscher reinigen läßt.


Silberdraht (W3) [Adelung]


Der Silberdraht, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, zu einem Drahte gezogenes Silber.


Silberdruck (W3) [Adelung]


Der Silberdruck, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten; die -e, mit silbernen Leitern gedruckte Schrift; ein altes Vorurtheil, welches von dem irrigen Vorgeben herstammet, daß man in Holland mit silbernen Lettern zu drucken pflege, dergleichen Lettern nicht einmahl möglich sind.


Silbererz (W3) [Adelung]


Das Silbererz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein Erz, welches eine beträchtliche Menge Silbers enthält, worin das Silber herrschet.


Silberfaden (W3) [Adelung]


Der Silberfaden, des -s, plur. die -fäden, ein mit zartem Silberlahne übersponnener Faden. Auch wohl ein Faden aus massivem Silber, dergleichen aus solchen Fäden bestehendes Silber, collective Fadensilber genannt wird.


Silberfarbe (W3) [Adelung]


Die Silberfarbe, plur. inus. die ein wenig in das Gelbe fallende Farbe des Silbers.


Silberfarben (W3) [Adelung]


Silberfarben, adj. et adv. im gemeinen Leben auch silberfarbig, der Farbe des Silbers gleich, d. i. weiß, welches ein wenig in das gelbliche fällt, silberweiß.


Silberflotte (W3) [Adelung]


Die Silberflotte, plur. die -n, ein Nahme derjenigen Flotte von Kauffahrern, welche jährlich aus Spanien nach Mexico absegelt, und mit dem in der neuen Welt gewonnenen Silber wieder nach Spanien zurück kommt.


Silberforelle (W3) [Adelung]


Die Silberforelle, plur. die -n in einigen Gegenden ein Nahme der Seeforelle, Salmo Goedenii.


Silbergang (W3) [Adelung]


Der Silbergang, des -es, plur. die -gänge, im Bergbaue, ein Gang; auf welchen reichhaltige Silbererze streichen.


Silbergehalt (W3) [Adelung]


Der Silbergehalt, des -es, plur. die -e, dasjenige, was ein anderer Körper an beygemischtem Silber enthält.


Silbergehülfe (W3) [Adelung]


Der Silbergehülfe, des -n, plur. die -n, an den Höfen, ein Gehülfe des Silberdieners.


Silbergare (W3) [Adelung]


Die Silbergare, plur. inus. bey verschiedenen Silberarbeitern, derjenige Zustand des getriebenen Silbers, da dasselbe seine rechte Gare erhält, d. i. von allen beygemischten fremden Metallen befreyet wird.


Silbergeld (W3) [Adelung]


Das Silbergeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er. 1. Aus Silber geprägtes Geld, ohne Plural; zum Unterschiede von dem Kupfergelde. Zehen Thaler Silbergeld. 2. Im Casselschen verstehet man unter dem Silbergelde, eine Summe von 1000 Fl. welche die Juden daselbst jährlich entrichten müssen, statt des ehedem in die Münze gelieferten Silbers.


Silbergeräth (W3) [Adelung]


Das Silbergeräth, des -es, plur. inus. oder die Silbergeräthe, sing. inus. ein Collectivum, aus Silber verfertigtes Geräth; ehedem Silbergeschmeide.


Silbergerinn (W3) [Adelung]


Das Silbergerinn, des -es, plur. die -e, in dem Hüttenbaue, ein ausgehauenes Gerinn, vermittelst desselben Wasser auf das geblickte Silber zu leiten, um es abzukühlen.


Silberglanz (W3) [Adelung]


Der Silberglanz, des -es, plur. car. ein dem Silber ähnlicher weißer Glanz. Du Fluß, der du mit blendendem Silberglanze hinter jenen grauen Bergen hervor rauschest, Geßn.


Silberglas (W3) [Adelung]


Das Silberglas, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -gläser, im Bergbaue einigen Gegenden, ein Nahme des Glaserzes, weil es sehr silberhaltig ist, und dem Glase gleichet.


Silberglätte (W3) [Adelung]


Die Silberglätte, plur. inus. die weiße Bleyglätte, welche wegen des schwächern Feuers eine weißere Farbe hat, als die Goldglätte.


Silbergroschen (W3) [Adelung]


Der Silbergroschen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches vermöge seiner Zusammensetzung und seines ehemahligen Gebrauches eigentliche eine aus Silber geschlagene Dickmünze bedeutete, welche auch wohl ein silberner Groschen genannt wurde; zum Unterschiede von den goldenen und vielleicht auch kupfernen Groschen, oder Dickmünzen. So werden in dem Reichsabschiede zu Augsburg von 1551 noch die ganzen Thaler silberne Groschen genannt. In Sachsen hieß bis auf Herzog Georgen zu Dresden, eine gewisse Silbermünze, welche drey Meißnische Groschen galt, ein Silbergroschen, und ein Schock solcher Groschen wurde alsdann ein Silberschock genannt. Jetzt führen nur noch in einigen Gegenden, z. B. in Böhmen, die so genannten Kaisergroschen, welche drey Kreuzer oder 9 Pf gelten, den Nahmen der Silbergroschen; vermuthlich zunächst zum Unterschiede von den kupfernen Gröscheln, oder Pohlnischen Groschen, welche drey Pfennige gelten.


Silbergrube (W3) [Adelung]


Die Silbergrube, plur. die -n, eine Grube, eine Anstalt unter der Erde, wo Silbererz gebrochen wird.


Silberguhr (W3) [Adelung]


Die Silberguhr, plur. doch nur von mehrern Arten, die -en, im Bergbaue, eine Guhr, das ist, ein zarter lettiger Glimmer, welcher wie Silberblättchen aussiehet, aber kein Silber enthält.


Silberhaltig (W3) [Adelung]


Silberhaltig, -er, -ste, adj. et adv. Silber beygemischt enthaltend. Silberhaltiges Bleyerz.


Silberkalk (W3) [Adelung]


Der Silberkalk, des -es, doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein in Kalk verwandeltes, d. i. durch das Feuer oder auch durch Säuren seines brennbaren Wesens beraubtes Silber. Im Bergbaue wird auch eine zusammen gesinterte Erdart, welche zufälliger Weise zuweilen Silber bey sich führet, Silberkalk genannt.


Silberkammer (W3) [Adelung]


Die Silberkammer, plur. die -n, 1. Eine Kammer, d. i. Gemach, worin Silber, oder silbernes Geräth verwahret wird. 2. An den Höfen, ein Collegium derjenigen Personen, welche zur Aufbewahrung und Reinigung des Silbergeschirres bestimmt sind. An dessen Spitze befindet sich der Silberkämmerer, welcher die Silberdiener, Silbergehülfen, Silberschreiber, Silberwäscher und Silberwäscherinnen unter sich hat.


Silberkämmerer (W3) [Adelung]


Der Silberkämmerer, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe das voriger.


Silberkies (W3) [Adelung]


Der Silberkies, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein dem Silber an Farbe ähnlicher Kies.


Silberklang (W3) [Adelung]


Der Silberklang, des -es, plur. die -klänge, in der dichterischen Schreibart, ein dem Klange des Silbers ähnliche heller und angenehmer Klang. Ich hörte den Silberklang seiner Stimme Weiße.


Silberklumpen (W3) [Adelung]


Der Silberklumpen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Klumpen, d. i. großes unförmliches Stück Silber.


Silberkönig (W3) [Adelung]


Der Silberkönig, des -es, plur. die -e, in der Schmelzkunst, ein König, d. i. Kegel oder Conus, welcher erhalten wird, wenn man das Silber durch das Feuer von allen beygemischten fremden Metallen scheidet, und welcher ein reines von allen fremden Theilen befreytes Silber ist.


Silberkorn (W3) [Adelung]


Das Silberkorn, des -es, plur. die -körner, Diminut. das Silberkörnchen, Silber in Gestalt eines Kornes oder Körnchens. In der Schmelzkunst ist es daher dasjenige Stückchen Silber, welches Gestalt eines Kornes bey dem probieren auf der Kapelle liegen bleibt.


Silberkraut (W3) [Adelung]


Das Silberkraut, des -es, plur. inus. ein Nahme des Gänserichs, weil dessen Blätter auf der untern Seite eine Weiße Silberfarbe haben.


Silberkrone (W3) [Adelung]


Die Silberkrone, plur. die -n, eine Krone, d. i. eine mit einer Krone bezeichnete Münze von Silber, dergleichen ehedem in verschiedenen Länden und besonders in Frankreich geschlagen wurden, und etwas mehr als einen Thaler galten; zum Unterschiede von einer Goldkrone.


Silberkrystalle (W3) [Adelung]


Die Silberkrystalle, plur. die -n, Krystallen, welche man erhält, wenn man Silber in Säuren auflöset, und diese Auflösung hernach gehörig anschießen lässet.


Silberkuchen (W3) [Adelung]


Der Silberkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. Silber in Gestalt eines Kuchens. besonders wird in den Schmelzhüten das auf der Kapelle abgetriebene Blicksilber, wegen dieser seiner Gestalt genannt.


Silberlahn (W3) [Adelung]


Der Silberlahn, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein zu Lahn geplätteter Silberdraht.


Silberlasur (W3) [Adelung]


Der Silberlasur, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein mit weißen dem Silber ähnlichen Flecken versehener Lasurstein, der daher auch von einigen für silberhaltig gehalten wird; zum Unterschiede von dem Goldlasure.


Silberling (W3) [Adelung]


Der Silberling, des -es, plur. die -e, eigentlich ein Ding von Silber, besonders eine Münze von Silber, eine Silbermünze. Es ist im Hochdeutschen längst veraltet, scheint auch ehedem eben nicht von besondern Arten der Silbermünzen üblich gewesen zu seyn; indessen gebraucht es doch Luther in der Deutschen Bibel sehr häufig, eine Münzsorte der ältern Juden auszudrucken, welche mit dem Seckel gleiches Werthes war, und ungefähr 12 Groschen unsers Geldes betrug. In eben diesem Verstande kommt Silabarling schon im Tatian vor, dagegen er in andern Stellen die dreyßig Silberlinge, warum Judas seinem Lehrer verrieth, thrizzuc Pfenningo und thrizzuc Scazo nennet. Der Argenteus der alten Franken, deren acht einen Solidum aureum galten, scheinet eine ähnliche Silbermünze gewesen zu seyn. S. Ling.


Silbermeißel (W3) [Adelung]


Der Silbermeißel, des -s, plur. ut nom. sing. in den Schmelzhütten, ein Werkzeug in Gestalt eines Meißels, das Blicksilber damit von dem Herde abzuheben; der Silberspieß.


Silbermünze (W3) [Adelung]


Die Silbermünze, plur. die -n. 1. Ein Collectivum, Münze, d. i. Geld, welches aus Silber gepräget ist, ohne Plural, außer von mehrern Arten, Silbergeld, zum Unterschiede von der Gold- und Kupfermünze. Hundert Thaler Silbermünze. 2. Auch von einzelnen Stücken solches Geldes, wo es doch nur von eigentlichen Medaillen gebraucht wird.


Silbern (W3) [Adelung]


Silbern, adj. et adv. 1. Von Silber, aus Silber bestehend. Silberne Gefäße. Ein silberner Leuchter, Teller u. s. f. 2. Figürlich. (1) Von verschiedenen Dingen, an welchen nur in ein Theil von Silber ist. Eine silberne Uhr, an welcher das Gehäuse von Silber ist. (2) Versilbert, ingleichen der glänzenden Farbe des Silbers gleich; in der dichterischen Schreibart. Das kleine Fischchen spielt hier im silbernen Bach, Weiße. Silbern war sein Haar auf seiner Scheitel, Geßn. (3) Dem hellen angenehmen Klanges des Silbers ähnlich; auch nur in der dichterischen Schreibart. Sie ruft die Glocke bereits mit silberner Stimme zu dem ländlichen Tisch, Zachar. (4) Das silberne Weltalter, die silberne Zeit, da die Einfalt der Sitten und des Herzens bereits anfingen von dem Luxus und den Lastern verderbt zu werden; zum Unterschiede so wohl von dem goldenen als dem ehernen Weltalter.

Anm. Bey dem Willeram silberin, im Angels. seolfren, im Nieders. sulvern.


Silbern (W3) [Adelung]


Silbern, verb. reg. act. mit dünne Silberblättchen überziehen, wofür aber das zusammen gesetzte versilbern üblicher ist. Indessen hat Herr Herder das einfache wieder hervor gesucht und es im figürlichen Verstande gebraucht: Wie sie (die Königinn der Nacht, d. i. der Mond) die Schatten beglänzt und silbert.


Silber-Page (W3) [Adelung]


Der Silber-Page, (sprich Pasche,) plur. die -n, an den Höfen, ein Page, welcher das Silbergeschirr seines Herren in seiner Aufsicht hat.


Silberprobe (W3) [Adelung]


Die Silberprobe, plur. die -n, die Probe so wohl des Silbers, dessen Reinigkeit zu erforschen, als auch eines Erzes oder Minerales auf Silber, d. i. ob es silberhaltig sey.


Silberrauch (W3) [Adelung]


Der Silberrauch, des -es, plur. inus. in den Schmelzhütten, der Rauch, welcher sich bey dem fein Brennen des Silbers in dem Brennhause anlegt, und oft reich an Silber ist.


Silberregen (W3) [Adelung]


Der Silberregen, des -s, plur. ut nom. sing. in der Feuerwerkskunst, ein weißer oder silberfarbener Feuerungen, zum Unterschiede von den Goldregen. S. Feuerregen.


Silberreich (W3) [Adelung]


Silberreich, -er, -ste, adj. et adv. reich an Silber, viel Silber enthalten, in sich enthaltend.


Silberrinne (W3) [Adelung]


Die Silberrinne, S. Silbergerinne.


Silberröllchen (W3) [Adelung]


Das Silberröllchen, des -s, plur. ut nom. sing. zu dünnen Blech geschlagenes und zusammen gerolltes Silber, dergleichen desjenigen sind aus welche man das Gold durch die Säuren zu scheiden pflegt.


Silberruf (W3) [Adelung]


Der Silberruf, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, ein Mineral, welches in den Blaufarbenwerken nebst Speise gewonnen wird, und sehr reich an Silber ist. Die letzte Hälfte ist vielleicht das Wort Rufe, die Rinde.


Silbersalz (W3) [Adelung]


Das Silbersalz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, S. Silber-Vitriol.


Silberschaum (W3) [Adelung]


Der Silberschaum, des -es, plur. inus. 1. Schlacken, welche sich auf dem im Treiben begriffenen Silber setzen, und so lange sie noch flüssig sind, dem Schaume gleichen. Es kommt nur in der Deutschen Bibel vor, dagegen diese Unreinigkeit, welche gemeiniglich aus Glätte bestehet, in den Schmelzhütten Silberschlacken, und wenn sie erkaltet ist, Silberstein heißt. Alle ihr Erz ist zu Silberschaum worden. Ezech. 22, 18, 2. Im gemeinen Leben wird auch das zu zarten Blättchen geschlagene Silber, besonders aber die unechten Blättern dieser Art, Silberschaum genannt.


Silberscheibe (W3) [Adelung]


Die Silberscheibe, plur. die -n, Silber in Gestalt einer Scheibe.


Silberschimmel (W3) [Adelung]


Der Silberschimmel, des -s, plur. ut nom. sing. ein silberfarbener Schimmel; zum Unterschiede von einem Schwarzschimmel, Rothschimmel, Honigschimmel, Hechtschimmel u. s. f.


Silberschlacke (W3) [Adelung]


Die Silberschlacke, plur. die -n, diejenigen Schlacken, welche bey dem Treiben des Silbers oben abgezogen worden. S. Silberschaum und Silberstein.


Silberschmid (W3) [Adelung]


Der Silberschmid, des -es, plur. die -e, ein Künstler, welcher allerley Geräth aus Silber verfertiget. Mit Silberschmidten um die Wette arbeiten, Weish. 15, 9. Weil ein solcher Künstler zugleich in Gold arbeitet, so nennet man ihn jetzt gemeiniglich Goldschmid, und in der anständigern Sprechart Gold- und Silberarbeiter.


Silberschreiber (W3) [Adelung]


Der Silberschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. an den Höfen, ein Bedienter bey der Silberkammer, welcher die Verzeichnisse über das vorräthige Silbergeschirr in seiner Verwahrung hat, und über die dabey verfallenden Ausgaben die Rechnung führet.


Silberschwärze (W3) [Adelung]


Die Silberschwärze, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, im Bergbaue, ein schwarzer silberhaltiger Staub, welcher aus einem verwitterten weißgüldenen Erze entstehet, und auch rußiges Silbererz genannt wird.


Silber-Service (W3) [Adelung]


Das Silber-Service, (sprich Silber-Serwieß) des -es, plur. die -e, aus dem Franz. Service, das zusammen gehörige Tafelgeräth von Silber, als ein Ganzes betrachtet.


Silberspieß (W3) [Adelung]


Der Silberspieß, des -es, plur. die -e, S. Silbermeißel.


Silberspinner (W3) [Adelung]


Der Silberspinner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Silberspinnerinn, eine Person, welche seidene Fäden mit Silberlahn überspinnet, und welche am häufigsten Gold- und Silberspinner genannt wird.


Silberstein (W3) [Adelung]


Der Silberstein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, im Hüttenbaue die verhärtete Silberschlacke, welche bey dem Treiben des Silbers oben abgezogen wird, und nichts anders als Glätte ist.


Silberstoff (W3) [Adelung]


Der Silberstoff, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein Stoff oder künstlicher Zeug, dessen Grund aus Silberfäden bestehet, worauf Blumen von Seide mit ihren natürlichen Farben gewirkt sind; zum Unterschiede von dem Goldstoffe. S. das folgende.


Silberstück (W3) [Adelung]


Das Silberstück, des -es, plur. die -e. 1. Ein Stück unverarbeiteten Silbers. 2. Der Silberstoff wird oft ohne Artikel Silberstück genannt. Ein Kleid von Silberstück.


Silberstufe (W3) [Adelung]


Die Silberstufe, plur. die -n, eine Stufe, d. i. Stück, Silbererz. Ingleichen eine jede Stufe, worauf oder worin eine beträchtliche Menge Silber befindlich ist.


Silbertalk (W3) [Adelung]


Der Silbertalk, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein silberfarbener Talk, welcher aber nichts von Silber enthält; zum ist von dem Goldtalke und so ferner.


Silber-Tinctur (W3) [Adelung]


Die Silber-Tinctur, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -n, eine flüssige Arzeney, welche aufgelösetes Silber enthalten soll; Tinctura Lunae.


Silberton (W3) [Adelung]


Der Silberton, des -es, plur. die -töne, in der dichterischen, Schreibart ein heller angenehmer, dem Klange des Silbers ähnlicher Ton. Schon läuft der Silberton durch die belebten Saiten, Zachar.


Silber-Vitriol (W3) [Adelung]


Der Silber-Vitriol, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, Silber in Gestalt eines Vitrioles, d. i. ein von einer Säure aufgelösetes und wieder zu Krystallen eingedicktes Silber; Silbersalz.


Silberwagen (W3) [Adelung]


Der Silberwagen, des -s, plur. ut nom. sing. in dem Chursächsischen Erzgebirge, ein Wagen, welcher alle vierzehen Tage von Freyberg nach Dresden gehet, das Brandsilber in die Münze liefert, und das daraus gemünzte Geld mit zurück bringt.


Silberwäscher (W3) [Adelung]


Der Silberwäscher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Silberwäscherinn, an den Höfen, gewisse Personen, welche zur Silberkammer gehören, und das Silbergeschirr waschen und reinigen.


Silberweiß (W3) [Adelung]


Silberweiß, adj. et adv. so weiß wie Silber, S. Silberfarben.


Silberweiße (W3) [Adelung]


Die Silberweiße, plur. inus. die weiße Farbe des Silbers, das ist, eine weiße mit etwas Gelb vermischte Farbe, Siehe Silberfarbe.


Silberzahn (W3) [Adelung]


Der Silberzahn, des -es, plur. die -zähne, im Bergbaue, Zähne, das ist, Stängelchen gediegenen Silbers, welche zuweilen durch das Gestein setzen.


Silberzain (W3) [Adelung]


Der Silberzain, des -es, plur. die -e, in den Münzen u. s. f. Silber in Zaine, d. i. lange viereckige Stäbe gegossen; die Silberbarre.


Silge (W3) [Adelung]


Die "Silge", plur. inus. im gemeinen Leben, ein Nahme einer einheimischer Pflanze, welche mit ihren Arten eingeschnittene oder eingekerbte Blätter hat, "Selinum L." Die "Petersilie" hat der äußern Gestalt viele Ähnlichkeit damit. Es scheinet, daß so wohl der Deutsche Nahme "Silge", als der verwandte "Selinum", eben diese eingekerbte Beschaffenheit der Blätter ausdrücke, da denn beyde zu "Sulcus", eine "Furche", dem Niederd. "Siel", ein "Kanal", dem alten "zalan", "theilen", u. s. f. gehören würden. S. 1 "Sahl".


Sille (W3) [Adelung]


Die Sille, plur. die -n, bey den Federschützen, zarte in ein Dreyeck geschlungene Riemen, welche den Lockvögeln um dem Leib gelegt werden, sie damit vermittelst einer Schnur auf dem Vogelherde zu befestigen, welches ansillen genannt wird. Es ist mit Seil und dem Nieders. Siele, ein Riemen, die Sielen, das Pferdegeschirr, aus das genaueste verwandt.


Simmer (W3) [Adelung]


Das Simmer, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur im Oberdeutschen übliches Maß trockner Dinge, besonders des Getreides, welches aber doch nicht überall gleich ist. In der Pfalz und in Franken hält ein Simmer 2 Metzen, 4 Sechter, oder 16 Gescheid; vier Simmer machen daselbst ein "Malter" oder Achtel. Im Würtembergischen hält ein Simmer, oder wie man daselbst spricht Simri, 4 Vierlinge oder Unzen, und acht Simmer machen daselbst einen Scheffel. Es scheinet ursprünglich ein Gefäß, einen hohlen Raum zu bezeichnen, und mit Zimmer Eines Geschlechtes zu seyn. ( S. auch 4 Saum, welches auch als ein Maß flüssiger Dinge gebraucht wird. Es kommt in den Oberdeutschen Provinzen in allen drey Geschlechtern vor, doch scheinet das ungewisse das gangbarste zu seyn.


Simonie (W3) [Adelung]


Die Simonie, plur. die -n, in dem kirchlichen Rechte, ein Verbrecher, da man geistliche Ämter durch Gaben oder Geschenke an sich zu bringen sucht; eine von Simon dem Zauberer, Apost. 8 entlehnte Benennung, der die Gaben des heil. Geistes mit Geld erkaufen wollte.


Simpel (W3) [Adelung]


Simpel, simpler, simpelste, adj. et adv. aus dem Franz. simple, oder dem Lat. simplex, ein nur im gemeinen Leben übliches Wort. 1. Einfach, ungekünstelt. Ein simples Kleid, ohne Tressen und andern Putz. 2. Einfältig, im nachtheiligen und verächtlichen Verstande. Ein simpler Mensch.


Sims (W3) [Adelung]


Der Sims, des -es, plur. die -e, ein sich in die Länge erstreckender und zugleich hervor ragender Theil eines Dinges, wofür doch Gesims fast üblicher geworden. So wird in den gemeinen Bürger- und Bauerstuben, ein Bret, welches in der Höhe um die Stube herum gehet, etwas darauf zu legen, das Sims oder Gesims genannt. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Sims, noch mehr aber das Gesims, ein zierlicher hervor stehender Rand, welcher den obern Theil der Säulenordnung ausmacht, aber auch an vielen andern Dingen als eine Einfassung angebracht wird.

Anm. Bey dem Hornegk. Symis. Vitruv nennet das Gesims Cymatium, daher dieses so wohl als das Deutsche von Kimme, Zinne, Ital. Cima, Franz. Cimier, abzustammen scheinet, weil der Sims gemeiniglich den obersten Zierrath eines Dinges ausmacht. Indessen gibt auch die Ausdehnung in die Länge einen guten Ableitungsgrund ab, da es denn zu Saum, Seime, Semse, Binsen u. s. f. gehören würde; ingleichen der Begriff der Zierde, vom Isländ. Sams, Zierde, semsa, beschicken, schmücken, zieren. Im Schwed. ist söma, sich ziemen, und Söme, Sömd, der Wohlstand. In einigen Gegenden ist es ungewissen Geschlechtes, das Sims. S. auch Gesims.


Simshobel (W3) [Adelung]


Der Simshobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, ein Hobel, Simse damit zu verfertigen; der Gesimshobel.


Simskachel (W3) [Adelung]


Die Simskachel, plur. die -n, bey den Töpfern, eine Art mit Simsen versehener Ofenkacheln, zum Unterschiede von den glatten; die Gesimskachel.


Simsstein (W3) [Adelung]


Der Simsstein, des -es, plur. die -e, zierlich geformte oder gehauene Steine, Simse damit zusammen zu setzen; Gesimsstein.


Singebar (W3) [Adelung]


Singebar, -er, ste, adj. et adv. was sich singen lässet, ingleichen, was sich leicht, mit Anmuth singen lässet. Ein singebares Stück.


Singebaß (W3) [Adelung]


Der Singebaß, des -sses, plur. die -bässe, in der Musik, der Baß, so fern er gesungen wird, und die Noten, nach welchen der selbe gesungen wird.


Singechor (W3) [Adelung]


Das Singechor, des -es, plur. die -chöre, ein Chor singender Personen, ein Chor Sänger.


Singefliege (W3) [Adelung]


Die Singefliege, plur. die -n, eine Art Fliegen mit kurzen borstenähnlichen Fühlhörnern, welche im Fliegen einen singenden Ton von sich hören lassen.


Singefuge (W3) [Adelung]


Die Singefuge, plur. die -n, in der Musik eine Fuge, welche gesungen wird; zum Unterschiede von einer Instrumental-Fuge.


Singekunst (W3) [Adelung]


Die Singekunst, plur. car. die Fertigkeit, nach den Regeln der Kunst zu singen; ein Theil der Musik oder Tonkunst.


Singen (W3) [Adelung]


Singen, verb. irreg. ich singe, du singest oder singst, er singet oder singt; Imperf. ich sang, Conj. sänge, Mittelw. gesun- gen; Imper. singe. Es ist eigentlich ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert, und einen gedehnten hell tönenden Laut vorbringen, bedeutet, welchen Laut dieses Zeitwort genau nachahmet. So wird es im gemeinen Leben noch häufig von gewissen Dingen und Werkzeugen gebraucht, welche diesen Laut hervor bringen, da man denn sagt, daß sie singen. Weil man das Pfeifen der Kanonenkugeln in der Luft ehedem auch singen nannte, so führete daher eine Art Kanonen auch den Nahmen der Singerinn, welche um eben deßwillen auch die Nachtigall genannt wurde. Das Isländ. syngia wird aus ähnliche Art von dem Schwirren des Schwertes in der Luft gebraucht. Dahin gehöret auch Fehler der Aussprache, wenn man die Sylben mit einem gedehnten hell tönenden Laute ausspricht, da es denn ganze Provinzen und Völkerschaften gibt, welche im Reden singen. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung ist singen, dem Ohre angenehmen Bewegungen der Stimme, abwechselnde klingende Töne vermittelst der Stimme hervor bringen. So gebraucht man es von gewisser Vögeln, welche solche abwechselnde wohl klingende Töne hervor zu bringen im Stande sind, wo man dafür euch schlagen sagt; daher die Sang- oder Gesangvögel eine eigene Classe ausmachen. Noch mehr von der menschlichen Stimme; so wohl als ein Neutrum, als auch active, vermittelst des Singens ausdrucken. Singen lernen. Schön, schlecht, schwach, stark singen. Nach Noten singen. Zur Laute zum Claviere, in die Laute, in das Clavier singen. In der Oper, im Concerte singen. Durch die Nase singen, wenn der Ton mit der Kehle an den Gaumen des Mundes angedrückt wird. Einem singen, in der höhern Schreibart, ihm zu Ehren; zu seinem Ruhme singen. So auch active. Ein Lied, einen Psalmen, eine Arie singen. Die Messe singen. Den Alt, den Discant, den Baß singen. Figürlich. 1. Einen singen, ihn besingen, in der höhern Schreibart. Dich sang der Jungfraun Chor, das Kränze für dich wand. Cron. 2. Sein Vergnügen singen, auch nur in der dichterischen Schreibart, sein Vergnügen durch Singen an den Tag legen. Die Vögel in der Luft und der Hirt auf dem Felde singen ihr Entzücken, Geßn. 3. Dichten, Verse machen, gleichfalls nur in der poetischen Schreibart, in welcher diese Bedeutung aber schon bey den Schwäbischen Dichtern vorkommt; ohne Zweifel, weil die ältesten Dichter ihre Gedichte gleich hersangen. Die im gemeinen Leben übliche Redensart, da hilft kein Singen noch Sagen, d. i. kein Verbiethen, ist schon alt, und wurde von den Schwäbischen Dichtern sehr häufig für singen und dichten gebraucht. Swas ich singe und swas ich sage Sone will si doch niht troesten mich vil senden man, Heinrich von Morunge. Ein lieb ich mir vil nahe trage Des ich ze guote nie vergas, Der Ere singe ich und sage, Reinm. der Alte. O we grosser leide, Mih froit niht der anger noch die heide Noch singen noch sagen, Ulrich von Winterstetten. Kein singen und kein Sagen Vermag den Tod zu jagen, Opitz. So auch das Singen. S. auch Sang und Gesang.

Anm. Schon bey dem Kero singan, sinkan, bey dem Ottfried singan, im Niederd. gleichfalls singen, im Angels. singan, im Engl. to sing, im Schwed. siunga. Unser Zunge, Ton, tönen, das Lat. canere, und in Zusammensetzungen cinere, sind genau damit verwandt. Ehedem bedeutete es auch lesen, hersagen, wie des Ulphilas sigguan, (sprich singuan) das Angels. singan, das Schwed. sjunga, und selbst singan bey dem Ottfried; entweder so fern das Lesen des großen Haufens wirklich eine Art des Singens ist, oder auch als ein Verwandter von sagen. S. dasselbe.


Singepult (W3) [Adelung]


Das Singepult, des -es, plur. die -e, ein Pult, von welchem man singet.


Singer (W3) [Adelung]


* Der Singer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Singerinn, ein jetzt veraltetes Wort, wofür Sänger und Sängerinn üblich sind. Ehedem wurde auch eine Art Karthaunen oder großer Kanonen, welche 45 Pfund schoß, so wohl die Singerinn, als auch die Nachtigall genannt, S. Singen.


Singespiel (W3) [Adelung]


Das Singespiel, des -es, plur. die -e, ein Spiel, d. i. dramatisches Stück, welches gesungen wird; mit einem Italiänischen Kunstworte eine Opera, oder Oper.


Singestück (W3) [Adelung]


Das Singestück, des -es, plur. die -e, ein musikalisches Stück, welches gesungen wird.


Singestunde (W3) [Adelung]


Die Singestunde, plur. die -n, der Unterricht im Singen nach Stunden, und eine solche Stunde. In die Singestunde gehen. Singestunde haben, von dem Lehrlinge; Singestunde geben, von dem Lehrmeister.


Singetanz (W3) [Adelung]


* Der Singetanz, des -es, plur. die -tänze, ein nur in der Deutschen Bibel befindliches Wort, einen Tanz zu bezeichnen, bey welchem gesungen wird. Ich höre ein Geschrey eines Singetanzes, 2 Mos. 32, 18.


Singevogel (W3) [Adelung]


Der Singevogel, S. Gesangvogel.


Singrün (W3) [Adelung]


Das Singrün, des -es, plur. car. ein für Ingrün in vielen Gegenden übliches Wort, so fern es das Wintergrün, Vinca minor Linn. bezeichnet seine hochgrünen Blätter auch im Winter behält. Frisch glaubt, daß die erste Hälfte des Slavonischen sin, grün, ist, da denn das Wort eine Tautologie enthalten würde. Allein er kann auch das durch den bloßen Zischlaut verstärkte intensive in seyn, S. Ingrün.


Sinken (W3) [Adelung]


Sinken, verb. irreg. Imperf. ich sank, (im gemeinen Leben ich sunk,) Conj. ich sänke, (im gemeinen Leben sünke;) Mittelw. gesunken; Imper. sinke. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, nach und nach und allmählig senkrecht in die Tiefe beweget werden, sich senken, von welchem letztern thätigen Zeitworte es das Neutrum ist. 1. Eigentlich. Ein Stein, welcher in das Wasser geworfen wird, sinkt auf den Boden, oder sinkt unter. Ein Schiff sinkt, oder fängt an zu sinken, wenn es zu schwer beladen worden, oder einen Leck bekommen hat, und sich, statt zu schwimmen, auf den Grund senket. Das Schiff ist gesunken. Die Hände sinken lassen. In den Schnee, in den Morast sinken. In Ohnmacht sinken. In einen tiefen Schlaf sinken. 2. Figürlich. (1) Bis zu einem gewissen Grade erniedriget werden, in der edlen Schreibart, und mit einigen Vor- und Nebenwörtern. Der vornehmste Stand sinkt tiefer herab, je mehr er die Welt in ihren Erwartungen hintergehet, Weiße. Ich werde nicht zu diesem unwürdigen Betragen hinunter sinken, mich nicht so sehr erniedrigen. Wie tief sinkt der Mensch unter die Menschen, der ein Held ist, Wein zu saufen! Zu viel! Fast sank der Mensch zum feigsten Warum in mir, Weiße. (2) Nach und nach abnehmen, an innerer Stärke vermindert werden, nur in einigen Fällen. Den Muth sinken lassen. Da sank der Zorn der reuerfüllten Götter, Raml. Das matte Ach ist so wohl Laut der zerschmelzenden Liebe, als der sinkenden Verzweifelung, Herd. II. Als ein Activum, nach und nach in die Tiefe bewegen, eine nur im figürlichen Verstande im Bergbaue übliche Bedeutung, indem in andern Fällen dafür senken üblich ist. Der Bergmann sinket, wenn er in die Tiefe gräbet. Einen Schacht sinken, ab- sinken, oder fällen, in die Tiefe graben. So auch in den Zusammensetzungen Durchsinken und Ersinken. Daher das Sinken, und in der thätigen Form im Bergbaue auch Sinkung.

Anm. Bey den Notker sinchan, im Nieders. gleichfalls sinken, bey dem Ulphilas sigguan (sprich singuan,) im Schwed. sjunka. Es ist ein Intensivum von siegen, welche ehedem sehr häufig für sinken gebraucht wurde. Ein anderes Intensivum davon ist das Nieders. sacken, welches in einigen Fällen gleichfalls für sinken gebraucht wird. ( S. Siegen.) Sinken und siegen bezeichnen eine langsame und allmählige, fallen aber eine schnellere und heftigere Bewegung nach dem Mittelpuncte der Erde.


Sinker (W3) [Adelung]


Der Sinker, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Im gemeinen Leben für Senker, ein zur Fortpflanzung abgesenkter Zweig eines Gewächses, ( S. Senker.) Bey den Tulipanen hingegen, sind Sinker die jungen Brutzwiebeln, welche unter den Zasern der Hauptzwiebel in senkrechter Tiefe wachsen, zum Unterschiede von den Setzlingen, welche zur Seite der Hauptzwiebel wachsen. 2. Im Bergbaue einiger Gegenden, z. B. in dem Mansfeldischen sind die Sinker eigene Bergleute, welche nur Schächte sinken oder absinken. S. Sinken II.


Sinkler (W3) [Adelung]


Der Sinkler, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein geschworner Bergbediener, welcher eine gewisse Zeche in seiner Aufsicht hat, und auch Sinkergeschworner, Schauherr, und in den Mansfeldischen Schieferbergwerken Schiefergeschworner genannt wird; ohne Zweifel auch von sinken, in die Tiefe graben.


Sinn (W3) [Adelung]


Der Sinn, des -s, plur. die -e, ein Wort, welches eigentlich das Sehen bedeutet, hernach von der Fähigkeit zu sehen, in weiterer Bedeutung aber auch von der Fähigkeit zu empfinden, und dann figürlich von fast den meisten Fähigkeiten der Seele gebraucht wurde. Heut zu Tage bedeutet es noch, 1. Eigentlich, die Fähigkeit zu empfinden. (1) Überhaupt. Der äußere Sinn, die Fähigkeit Dinge zu empfinden, welche außer uns vorgehen, im Gegensatze des innern Sinnes, welcher das empfindet, was in uns selbst vorgehet. Weder Sinn noch Leben haben, keine Empfindung oder Bewegung. Keinen Sinn für etwas haben, keine Empfindung. In dieser weitern Bedeutung ist es im Singular am gebräuchlichsten, da es denn die ganze Fähigkeit zu empfinden bezeichnet. (2) In engerer Bedeutung, die Fähigkeit, die Dinge außer uns zu empfinden, und da sich diese auf verschiedene Art äußert, so ist es von diesen Arten am üblichsten. Der Mensch hat fünf Sinne, die Insecten theils weniger, theils vielleicht auch mehr. Die Fühlhörner der Insecten sind vielleicht auch Werkzeuge eines unbekannten Sinnes. Der Sinn des Gesichtes, das Sehen, von welchem alle übrige Bedeutungen dieses Wortes Figuren sind. Der Sinn des Gehöres, des Geruches, des Geschmackes, des Gefühles. Etwas mit seinen Sinnen begreifen. Das fällt mir in die Sinne, läßt sich mit den Sinnen empfinden. Nicht bey Sinnen seyn, den Gebrauch seiner Sinne nicht haben. 2. Figürlich. (1) Die Fähigkeit des Bewußtseyns, d. i. sich von andern Dingen zu unterscheiden, da es denn nur im einigen R. A. im Plural gebraucht wird, als eine unmittelbare Figur der vorigen äußern Sinne. Bey Sinnen seyn, sich seiner und anderer Dinge außer sich bewußt seyn; im Gegensatze des nicht bey Sinnen seyn. Von Sinnen kommen, eigentlich den Gebrauch der äußern Sinne verlieren, dann aber auch das Bewußtseyn seiner und anderer Dinge verlieren. Seiner Sinne beraubt seyn. (2) Die Fähigkeit zu erkennen und zu beurtheilen, der Verstand, weil selbiges zunächst vermittelst der Sinne geschiehet, da es denn auch hier ehedem im Plural gebraucht wurde. Ein Pfert oder ein Mul di nyt Sinne hant, Notker, keinen Verstand. Geübte Sinne haben, Ebr. 5, 14. In eben diesem Verstande sagt man auch, nicht bey Sinnen seyn, den Gebrauch seiner Verstandeskräfte nicht haben, bey Sinnen seyn. Ingleichen collective und im Singular allein von den sämmtlichen Verstandeskräften. Viel denken schärft den Sinn, Opitz. Ein Gegenstand, worüber je ein menschlicher Sinn gegrübelt hat, Herd. Indessen ist doch im Ganzen dafür Verstand und Verstandeskräfte üblicher. So auch Blödsinn, Wahnsinn, Scharfsinn, Tiefsinn, Unsinn. (3) Die Fähigkeit zu wollen, sich nach Vorstellungen zu bestimmen; wo es ehedem auch von einzelnen Wirkungen dieser Fähigkeit gebraucht wurde. Die Sinne des Herzens, Hebr. 4, 12. d. i. die Begierden des Willens. Viel Köpfe viel Sinne, wo es aber auch Meinungen bedeuten kann. Am üblichsten collective und ohne Plural von dem ganzen Begehrungsvermögen; das Gemüth, ingleichen die Gemüthsart. Sich etwas in den Sinn kommen lassen, sein Begehrungsvermögen darauf richten. Das ist mir nie in den Sinn gekommen. Sich etwas aus dem Sinne schlagen, nicht mehr darnach trachten, ingleichen keinen Kummer, keine Unruhe mehr empfinden. Das liegt mit stets im Sinne, im Gemüthe, im Gedächtnisse mit Einfluß auf den Willen. Sich etwas zu Sinne ziehen, zu Gemüthe. Etwas Böses wider jemand im Sinne haben. Das sanfte Wesen des weiblichen Geschlechtes mildert den muthigen Sinn des Mannes, daß er nicht in Trotz ausarte, Gell. Der fleischliche, der irdische Sinn, in der Deutschen Bibel, die Fertigkeit, sich nach bloß sinnlichen Vorstellungen zu bestimmen, im Gegensatze des geistlichen oder himmlischen Sinnes. Ein hoher Sinn, der nach hohen Dingen trachtet. Ein patriotischer Sinn, die Fertigkeit zur möglichen Leistung der Pflichten der Bürgerlichen Gesellschaft. So auch Leichtsinn, Kaltsinn, Gleichsinn. (4) In engerer Bedeutung, die Bestimmung des Sinnes oder des Begehrungsvermögens in einzelnen Fällen, der Wille, doch nur in einigen Fällen und gleichfalls ohne Plural. Anders Sinnes werden, welches auch noch im weitern Verstande, anderer Meinung werden, bedeutet. Sind sie noch des Sinnes? des Willens, des Vorhabens, der Meinung. Auf seinem Sinne bleiben, bey seinem Vorsatze. Sie sind alle Eines Sinnes, haben in dieser Sache einerley Willen, einerley Meinung. Es gehet nicht nach meinem Sinn. Jemanden durch den Sinn fahren. So auch Eigensinn, Hartsinn. (5) Der Sinn eines Wortes oder einer Rede, diejenige Vorstellung, welche dadurch erwecket werden soll, der Verstand, die Bedeutung, welche beyde doch häufiger sind; gleichfalls ohne Plural. Der veraltete Sinn eines Wortes. Der figürliche Sinn. S. auch Unsinn. (6) Hierher gehören auch noch folgende veraltete Bedeutungen. (a) Klugheit, Weisheit, in welcher Bedeutung es bey dem Strycker und seinen Zeitgenossen mehrmahls vorkommt. (b) Kunst, Geschicklichkeit; gleichfalls bey den Schwäbischen Dichtern. (Siehe Sinnreich.) (c) Das Gewissen, im Schwabenspiegel. (d) Bescheidenheit, Sanftmuth, Anstand, im Schwed. Sinn. Tewrdank antwort ym mit Synnen, Theuerd. Kap. 76. (e) Der Geist, die Seele, bey dem Ottfried Sinn. Lib und Sinne, Die gab ich ir siur eigen, Graf Rud. von Neuenburg.

Anm. In allen diesen Bedeutungen bey dem Ottfried u. s. f. Sinn, im Niederdeutschen gleichfalls Sinn, im Schwed. Sinne, im Ital. Sonno, im Lat. Sensus. Das doppelte n deutet eine Intension an, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß dieses Wort von sehen abstammet, welches ohnehin nicht in allen Fällen den Hauchlaut hat. Im Nieders. ist sein, sehen, das Gesicht heißt bey den Ottfried Gisiun, und die Erscheinung bey dem Ulphilas Siuns, so wie sinnen bey dem Notker erscheinen bedeutet. Sinnen stammet eben so von sehen ab, wie beginnen von begehen. Das Sehen ist der erste und vornehmste Sinn, und hat daher gar wohl zur Benennung des ganzen Geschlechtes und aller darauf gegründeten Fähigkeiten der Seele dienen können. ( S. Sehen und Sinnen.) In der ersten Endung des Plurals lautet dieses Wort bey einigen die Sinnen, besonders in den figürlichen Bedeutungen, wo es oft den Singular gebraucht wird. Im Hochdeutschen ist diese Form veraltet, außer daß die Dichter sie um der Bequemlichkeit des Reimes willen zuweilen beybehalten.


Sinnbild (W3) [Adelung]


Das Sinnbild, des -es, plur. die -er, von Sinn, entweder so fern es den Verstand eines Wortes oder einer Rede bedeutet, oder auch so fern es ehedem für Erinnerung gebraucht wurde, ein körperliches Ding, und dessen Figur, so fern es uns an etwas unkörperliches erinnern soll; Emblema. So ist der Anker und dessen Figur ein Sinnbild der Hoffnung. Im welchen Verstande ist ein jedes körperliches oder sinnliches Ding, so fern es ein unkörperliches bezeichnet, ein Sinnbild. So ist der Athem, der Wind fast in allen Sprache ein Sinnbild oder Bild der Seele, und die Wörter Geist, Spiritus, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, u. s. f. sind bildliche oder sinnbildliche Ausdrücke.


Sinnbildlich (W3) [Adelung]


Sinnbildlich, adj. et adv. ein Sinnbild enthaltend, und als ein Nebenwort, auf sinnbildliche Art.


Sinnen (W3) [Adelung]


Sinnen, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert; Imperf. ich sann; Mittelw. gesonnen; Imper. sinne. Nachdenken, durch wiederhohltes oder geschärftes Denken zu erforschen suchen. Ich sinne und sinne, und kann mich doch nicht darein finden. Hin und her sinnen. Überall herum sinnen. Julchen denkt und sinnt und lebt in mir, Gell. Die Sache, welche man durch Denken zu erforschen sucht, bekommt das Vorwort auf. Auf eine List sinnen. Er sann auf neue Foltern ihn zu peinigen. Der Geist der Kaufmannschaft sinnt nur auf den Erwerb der Reichthümer. Daher das Sinnen.

Anm. So auch in den Zusammensetzungen Aussinnen, besinnen, ersinnen, nachsinnen. Allein in gesinnen hat es noch einige andere Bedeutungen, welche doch insgesammt in dem Hauptworte Sinn gegründet sind. Die Mittelwörter gesinnt und gesonnen sind allem Ansehen nach eher von diesem Zeitworte gesinnen abzuleiten, als von dem einfachen sinnen. Daß es vermuthlich ein Intensivum von sehen ist, ist schon bey Sinn bemerket worden, ( S. dasselbe.) Das bey dem Ottfried befindliche sinnen, reisen, gehöret nicht hierher, sondern zu Gesinde und Senden, von welchem letztern es das Neutrum ist.


Sinnesänderung (W3) [Adelung]


Die Sinnesänderung, plur. die -en, die Änderung des Sinnes, d. i. seines Vorsatzes, Willens, am häufigsten im engern Verstande und in der Theologie, die Änderung, andere Richtung und Bestimmung der ganzen Gemüthsfassung in Absicht auf Gott; die Bekehrung.


Sinngedicht (W3) [Adelung]


Das Sinngedicht, des -es, plur. die -e, in der Dichtkunst, ein künstliches kurzes Gedicht, wo Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Gegenstand erregt wird, welcher am Ende stark und nachdrücklich ausgedruckt wird, Epigramma; weil es Ähnlichkeiten mit einer Aufschrift hat. Vermuthlich von Sinn, so fern es ehedem Kunst bedeutete, oder auch so fern es den Begriff des Nachdenkens, der Erinnerung gewähret.


Sinngrün (W3) [Adelung]


Das Sinngrün, eine Pflanze, S. Singrün.


Sinnig (W3) [Adelung]


Sinnig, -er, -ste, adj. et adv. von Sinn und der Ableitungssylbe ig; Sinn habend, ein Wort, welches ehedem in allen figürlichen Bedeutungen von Sinn üblich war, jetzt aber im Hochdeutschen nur noch in einigen Zusammensetzungen gangbar ist. 1. Von Sinn, Bewußtseyn, war sinnig ehedem seiner selbst bewußt, daher es im Niedersächsischen noch jetzt figürlich für bedachtsam, bescheiden, behutsam, mit Überlegung, ja in noch weiterm Verstande für langsam, allmählig üblich ist; z. B. die Pferde sinnig gehen lassen, langsam. 2. Von Sinn, Nachdenken, Erkenntniß und Beurtheilung, war es ehedem so viel wie vernünftig. Ein sinnig herze sol Verdulden mangen zorn, Ditmar von Ast. Mir gab ein sinnig herze rat, Reinmar der Alte. In diesem Verstande sind nur noch unsinnig und wahnsinnig gangbar. 3. Weise, klug, künstlich u. s. f. wovon noch etwas in scharfsinnig und tiefsinnig übrig ist. 4. Auf die Bedeutung des Begehrungsvermögens der Gemüthsart, beziehen sich die Zusammensetzungen eigensinnig, kaltsinnig, leichtsinnig, widersinnig; so wie es 5, in der Bedeutung des Verstandes der Worte noch in doppelsinnig vorkommt. In den meisten noch üblichen Fällen sind auch Hauptwörter auf -keit gangbar; in andern wird dafür das einfache -sinn gebraucht.


Sinnkraut (W3) [Adelung]


Das Sinnkraut, des -es, plur. inus. S. Sinnpflanze.


Sinnlich (W3) [Adelung]


Sinnlich, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in der eigentlichen Bedeutung des Wortes Sinn üblich ist. 1. Zu den Sinnen, d. i. unmittelbaren Empfindungen äußerer Gegenstände gehörig. Die sinnlichen Werkzeuge, diejenigen Gewebe von Nerven, vermittelst deren wir empfinden. Noch mehr, 2. in dieser unmittelbaren Empfindung äußerer Gegenstände, folglich auf undeutliche Vorstellungen, gegründet. (1) Eigentlich. Die sinnliche Empfindung, welche vermittelst der äußern Sinne geschiehet. Sinnliche Begierden, Belustigungen, Zerstreuungen. Sinnliche Liebe, sinnlicher Abscheu u. s. f. wo es oft dem vernünftig in weitern Verstande, d. i. auf deutliche Erkenntniß gegründet, entgegen gesetzet wird. (2) Figürlich, Fertigkeit besitzend, sich nach sinnlichen und undeutlichen Empfindungen zum Nachtheil der deutlichen oder vernünftigen zu bestimmen. Ein sinnlicher Mensch. Sehr sinnlich seyn. Anm. Ehedem wurde es so wie sinnig auch für klug, weise, verständig, gebraucht. Das ein yeder mensch an im hat Vernunft und syndlichen Verstandt, Theuerd.


Sinnlichkeit (W3) [Adelung]


Die Sinnlichkeit, plur. die -en, von dem vorigen Beyworte. 1. Die Empfindung der Dinge von außen, die Fähigkeit, die Dinge von außen vermittelst der Sinne zu empfinden; ohne Plural. Gott erkennet alles ohne Sinnlichkeit. Manche Thiere haben eine weit feinere Sinnlichkeit als der Mensch. Die Na- tur weckt die Seele gleichsam aus dem dunkeln Schlafe des Gefühls und reifet sie noch zu feinerer Sinnlichkeit, Herd. Die Lüfte des Fleisches sind Bewegungen der Sinnlichkeit. 2. Die Fertigkeit sich nach sinnlichen Empfindungen zu bestimmen, besonders zum Nachtheil vernünftiger Gründe, die Fertigkeit des überwiegenden Gebrauches der untern Seelenkräfte zum Nachtheil des pflichtmäßigen Gebrauches der obern; auch ohne Plural. Herrschende Sinnlichkeit. Alle Dinge, welche der Eitelkeit und Sinnlichkeit des Menschen schmeicheln, müssen nur selten und sehr vorsichtig zu Belohnungen der Kinder angewandt werden, Gell. 3. Eine sinnliche Empfindung, sinnliche Begierde, da es denn auch den Plural verstattet, aber in dieser Bedeutung seltener gebraucht wird.


Sinnlos (W3) [Adelung]


Sinnlos, -er, -este, adj. et adv. des Sinnes oder der Sinne beraubt, als ein Gegensatz von sinnig, wo es doch nur in einigen Bedeutungen des Hauptwortes Sinn üblich ist. 1. Der äußern Sinne und der Empfindung durch dieselben beraubt. Sinnlos da liegen. Ein sinnloser Zustand. 2. Der Vernunft, des Verstandes beraubt, wo es zuweilen für unsinnig gebraucht wird. Ein sinnloser Mensch, sinnlos handeln. Schon im Schwabensp. sinlos. 3. Alles begreiflichen Verstandes, vernünftiger Bedeutung beraubt. Sinnlose Wörter. Ein sinnloser Ausdruck. Ein sinnloser Satz.


Sinnlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Sinnlosigkeit, plur. die -en, die Eigenschaft eines Dinges, da es sinnlos ist, ohne Plural; ingleichen zuweilen auch sinnlose Handlungen in der zweyten Bedeutung des Beywortes, mit dem Plural. Bey dem Notker mit einer andern Ableitungssylbe Sinnelosina.


Sinnpflanze (W3) [Adelung]


Die Sinnpflanze, plur. die -n, eine in dem mittägigen Amerika und den Amerikanischen Inseln einheimische Pflanze, welche eine Art von Sinn oder Empfindung hat, indem ihre Blätter sich bey einer zitternden Berührung zusammen ziehen; Mimosa L. besonders die sensitiva und pudica, welche auch Sinnkraut genannt werden.


Sinnreich (W3) [Adelung]


Sinnreich, -er, -ste, adj. et adv. von Sinn, so fern es ehedem auch für Witz gebraucht wurde, Fertigkeit besitzend, mehrere Begriffe mit einander zu verbinden, und ihre Ähnlichkeit zu entdecken, und darin gegründet; witzig. Sinnreich seyn. Ein sinnreicher Scherz. Ein sinnreiches Gedicht. Wie kommen sie denn zu dem sinnreichen Einfalle? Von Sinn, Kunst, Geschicklichkeit, ingleichen Nachdenken, wird es auch zuweilen für künstlich gebraucht, ingleichen Fertigkeit im Nachdenken besitzend und darin gegründet.


Sinnspruch (W3) [Adelung]


Der Sinnspruch, des -es, plur. die -sprüche. 1. Ein kurzer Satz, so fern er einem Sinnbilde zur Überschrift dienet, und dasselbe erkläret; Lemma. ( S. Sinnbild.) 2. Zuweilen auch ein Spruch oder kurzer Satz, welcher einen nachdrücklichen Sinn oder Verstand hat, oder auch zur Erinnerung einer nützlichen Wahrheit dienet; ein Denkspruch.


Sinopel (W3) [Adelung]


Der Sinopel, des -s, plur. doch von mehrern Arten, ut nom. sing. ein eisenhaltiger Jaspiß, welcher von verschiedenen Farben angetroffen, und in Sachsen, Böhmen, Ungarn, Schweden und Norwegen gefunden wird. Der Nahme, welcher bey einigen Zinopel lautet, ist ausländisch.


Sint (W3) [Adelung]


* Sint, eine Partikel, welche im Hochdeutschen völlig veraltet ist, im Oberdeutschen aber noch für seit gebraucht wird, auch im Niederdeutschen ehedem nicht unbekannt war. 1. Als ein Nebenwort, für hernach, in welcher Bedeutung es in dem alten Gedichte auf den heil. Anno vorkommt. Ein anderes Niederdeutsches Beyspiel führet Frisch an. 2. Als ein Bindewort, für, nachdem, indem, weil, bey dem Ottfried sint. Ein Beyspiel aus dem Niederdeutschen findet sich gleichfalls bey dem Frisch. 3. Als ein Vorwort mit der zweyten, noch mehr aber mit der dritten Endung, eine Zeitfolge einem gewissen bestimmten Zeitpuncte an zu bezeichnen, für seit, in welcher Bedeutung es noch in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt. Sint der Zeit ich alle Erstgeburt schlug, 4. Mos. 3, 13. Sint der Zeit die Kinder Israel aus Egypten gegangen, Richter 19, 30. Sint der Zeit, daß Menschen gewesen sind, Hiob 20, 4. u. s. f. Siehe Seit.

Anm. Im Oberdeutschen ehedem sinen, in Holländ. sint, sind, seder, sichtent, im Schwed. sen im Engl. since. Es kann seyn, daß es aus seit gebildet, oder vielmehr aus setten, Schwed. sedan, zusammen gezogen worden; es kann aber auch von dem veralteten sinnen, sinden, reifen, sich entfernen, abstammen, ( S. Senden,) und eigentlich eine Bewegung, Entfernung von einem Termino a quo bezeichnen.


Sintemahl (W3) [Adelung]


Sintemahl, ein Bindewort, welches einer angeführten Ursache zur Begleitung dienet, und seinen Stand allemahl zu Anfange des Satzes hat, für weil, indem. Wie kann ich Abraham verbergen, was ich thue; sintemahl er ein groß und mächtig Volk soll werden, 1 Mos. 18, 18. So wisse nun, daß der Herr - dir nicht um deiner Gerechtigkeit willen dieß gute Land gibt einzunehmen, sintemahl du ein halsstarrig Volk bist, 5 Mos. 9, 6. In der edlern Schreibart der Hochdeutschen ist es veraltet, als welche es gern den Kanzelleyen überlässet, wo man die Wörter und Partikeln nicht vielsylbig genug bekommen kann, und daher wohl gar ein sintemahl und alldieweil zusammen setzet, obgleich alle sieben Sylben nichts mehr sagen als weil, indem, oder einigen Fällen auch nachdem.

Anm. In ältern Oberdeutschen Schriften seitenmahl, sittenmahl, sittemahl, seitmahl, seydemmahl, woraus zugleich erhellet, daß es aus sint dem Mahle, oder seit dem Mahle zusammengezogen ist, wofür man auch nach dem Mahle findet. Die Niedersachsen und Holländer sagen nademaal. Die ältern Oberdeutschen Schriftsteller gebrauchten dafür nur sint oder seit, S. diese Wörter.


Sinter (W3) [Adelung]


1. Der Sinter, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. die glühenden Schuppen, welche von dem Eisen im Schmieden anspringen, und diesen Nahmen behalten, auch wenn sie erkaltet sind, da es auch als ein Collectivum ohne Plural gebraucht wird. Bey einigen lautet es Zünder, welches dessen Abstammung von zünden, candere, Sonne u. s. f. noch näher beweiset. Wenn aber dieses Wort, wie einige wollen, Schlacken überhaupt bedeutet. (Dän. Sinder), so würde es mit dem folgenden zu sintern, triefen, rinnen, gerinnen, gerechnet werden müssen.


Sinter (W3) [Adelung]


2. Der Sinter, des -s, plur. doch gleichfalls nur von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. 1. Im Bergbaue und der Mineralogie, ein kalkartiger Stein, welcher aus dem herab oder heraus sinternden mit Kalkerde geschwängerten Wasser entstehet, und nach Abdünstung des Wassers zu einer festen Steinart zusammen sintert: Steinsinter, Tropfstein, Stalactites. Man findet diese Steinart in allerley seltsamen Gestalten in den unterirrdischen Höhlen, z. B. in der Baumannshöhle, auf alten Stollen und Stecken u. s. f. Das Confetti di Tivoli ist von eben der Art, vermuthlich auch die Rogensteine und Erbsensteine. In den gemeinen Sprecharten lautet es nur Sinner. 2. In den Leinwandsbleichen wird die Asche von faulem und morschem Holze, Sinter und Sinterasche genannt, zum Unterschiede von der Ofenasche. Grauer Sinter, Asche von morschen Weißtannen; weißer, von solchen Eichen, Büchen und Äspen.


Sintern (W3) [Adelung]


Sintern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert. 1. Tropfenweise heraus rinnen, von flüssigen Körpern, trö- pfeln. Es ist in der anständigen Sprechart der Bergbaues und der Mineralogie am üblichsten; im gemeinen Leben sagt man dafür auch siegern, siekern, und in Niedersachsen siepen, siepern. Das Wasser sintert durch das Gestein, wenn es Tropfenweise durch dasselbe dringet. 2. Gerinnen, von flüssigen Körpern, wenn sie eine festere Gestalt annehmen, auch nur im Bergbaue, und in der Mineralogie. Es sintert sich, gerinnet. Zusammen sintern, auf solche Art verbunden, zu Einer Masse vereiniget werden. Übersintern, auf solche Art mit einer steinartigen Masse überzogen werden. So auch das Sintern.

Anm. Nicht von sondern, wie Frisch will, sondern allem Ansehen nach, als ein Diminutivum oder Iterativum von dem veralteten sinnen, sinan, gehen, reisen, den Ort verändern, dessen Activum senden ist. S. dasselbe.


Sinterwasser (W3) [Adelung]


Das Sinterwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten und Quantitäten, ut nom. sing. im Bergbaue ein heraus sinterndes Wasser, besonders wenn es mit zarten Stein- und Erdtheilchen geschwängert ist, welche nach abgedünsteten Wassertheilchen sich sintern, oder in einem festen Körper zusammen sintern.


Sipmaß (W3) [Adelung]


Das Sipmaß, des -es, plur. die -e, ein nur in einigen Gegenden z. B. in Meißen, dem Altenburgischen u. s. f. übliches Maß trockner Dinge, welches daselbst den vierten Theil eines Scheffels, oder ein Viertel hält. Ein Scheffel hat vier Sipmaß, ein Sipmaß aber vier Metzen. Wenn die erste Hälfte nicht Wendischen Ursprunges ist, so scheinet sie zu Zuber, Zober, zu gehören, und den allgemeinen Begriff eines Gefäßes zu haben. Frisch lässet es von Sieb abstammen.


Sippschaft (W3) [Adelung]


* Die Sippschaft, plur. inus. die Verwandtschaft, so wohl als ein Abstractum, als auch als ein Concretum, in collectiven Verstande, verwandte Personen. Alle Dörfer, - das ist ihre Wohnung, und ihre Sipschaft unter ihnen, 1 Chron. 4, 33; d. i. ihre Verwandten. Es ist im Hochdeutschen veraltet, und zwar mit seinem ganzen Geschlechte, welches nur in den ältern Schriften der Ober- und Niederdeutschen vorkommt. Dahin gehören: die Sippe, die Verwandtschaft, bey den Schwäbischen Dichtern Sibii, Sibche, Angels. Syb, Sybbe, Schwed. Sifia, der Sipp oder Sipper, der Verwandte, die Sippe, die Verwandte, bey dem Ottfried Sibbo, Schwed. Sif; sippen, verwandt seyn; besippt seyn, gesippt seyn, verwandt seyn; das Gesippe, mehrere verwandte Personen; hersippen, herstammen; die Sippzahl, der Grad der Verwandtschaft, das Glied; das Sipptheil, der Theil einer Erbschaft, welcher jemanden als einem Verwandten gebühret, und andere mehr.

Anm. Wachter und Frisch leiten es von dem Lat. Cippus, ein Baum her, Ihre von dem alten Sibbe, Friede. Allein es scheinet vielmehr, daß der Begriff der Verbindung, der Vereinigung, der eigentliche Stammbegriff ist, welcher wieder eine Figur der Bewegung ist, so daß man dieses Wort als einen Verwandten von dem alten Oberd. siwan, nähen, Engl. to sew, Angels siwigan, dem Isländ. safna, sammeln, dem Zahlworte sieben, so fern es ehedem überhaupt eine Vielheit bedeutet hat, u. s. f. ansehen muß.


Sirop (W3) [Adelung]


Der Sirop, S. Syropp.


Sirpen (W3) [Adelung]


Die Sirpen, sing. inus. ein nur in der Schweiz übliches Wort, welches eine Art Molken bezeichnet, welche bey dem Käsemachen, nach dem von den Buldern geschiedenen Käse übrig bleiben, aber weil sie noch viel Fettes enthalten, über ein stärkeres Feuer gebracht worden, damit sich der Vorbruch davon absondere. S. Käse.


Sitte (W3) [Adelung]


Die Sitte, plur. die -n, ein Wort, welches in einer doppelten Hauptbedeutung vorkommt. 1. Die Fertigkeit freyer ähnlicher Handlungen, welche mit Gleichförmigkeit und Übereinstimmung geschehen. (1) Im weitesten Verstande, wo jede gleichförmige Art des Verhaltens in Ansehung freyer Handlungen dadurch bezeichnet wird, sie mag sich nun auf das Herkommen ( S. Gebrauch), oder auf die Erwartung ähnlicher Fälle, oder auf die Nachahmung anderer ( S. Gewohnheit), oder auf ein Gesetz gründen. Es wird hier so wohl im Singular, als im Plural, gebraucht. Sein Leythundt er hoflich zusprach, Wie dann das ist nach Jegers Syt, Theuerd. Kap. 40. Es ist seine Sitte nun so, seine Art und Weise. Noch mehr von ganzen Gesellschaften. Es ist nicht Sitte in unserm Lande, daß u. s. f. 1 Mos. 29, 26. Wie es Sitte ist. Es ist der Welt Sitte so. Die fromme Sitte, über die Evangelien zu predigen. Ihr haltet die Sitten meines Heiligthums nicht, sondern macht euch selbst neue Sitten in meinem Heiligthume, Ezech. 44, 8. Jedes Jahrhundert hat seine Sitten. Sich auf des Landes Sitten verstehen. Den Sitten seiner Vorfahren folgen. Es fängt in dieser Bedeutung ein wenig an zu veralten; im Plural vielleicht um der Zweydeutigkeit mit der folgenden engern Bedeutung willen, und im Singular, weil Gebrauch, Gewohnheit gangbarer sind, obgleich selbige der Strenge nach nicht ganz als gleichbedeutend mit Sitte angesehen werden können. Dieses ist allgemeiner; Gebrauch gründet sich zunächst auf das Herkommen, Gewohnheit aber so wohl auf die Erwartung ähnlicher Fälle, als auf die Nachahmung anderer. In dieser allgemeinern Bedeutung lautet es schon bey dem Notker und Willeram Sito, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno im männlichen Geschlechte der Sidde, im Hornegk gleichfalls männlich, der alde Sid, im Angels. Sida, Sitha, im Schwed. Sed, im Isländ. Sidr. (2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, die Fertigkeit freyer äußerer Handlungen in Ansehung des gesellschaftlichen Lebens, wo es nur im Plural üblich ist, von mehrern Fertigkeiten dieser Art, obgleich die Natur der Sache den Singular gar wohl verstattet. (a) Im weitern Verstande. Gute, böse Sitten an sich haben. Ein Mensch von bäurischen Sitten. Jemandes Sitten an sich nehmen. Was wider die guten Sitten streitet. Der Vorzug weiser Sitten Macht alles herrlicher und adelt auch die Hütten, Hag. (b) Im engsten Verstande werden auch die guten Sitten, d. i. die Fertigkeiten zum rechtmäßigen äußern Verhalten im gesellschaftlichen Leben nur die Sitten schlechthin genannt. Schwed. Sed. Die Vertraulichkeit ist das Grab des Sitten und der Freundschaft, Gell. In dieser ganzen zweyten Bedeutung gebraucht schon Kero Siti für mores. 2. * Dasjenige, wodurch die freyen Handlungen bestimmt werden, ein Gesetz; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber noch häufig in der Deutschen Bibel vorkommt: Daß du wandelst in seinen (Gottes) Wegen und haltest seine Sitten, 1 Kön. 2, 3. Daß du hältest meine Sitten und Gebote, Kap. 2, 14.

Anm. In dieser letzten Bedeutung stammet es ohne Zweifel von setzen, Gesetz, Satzung ab, welches letztere im Niedersächs. Sate heißt. In der ersten Hauptbedeutung lassen Wachter, Ihre und andere es von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, abstammen, mit welchem das Isländ. Aete, Gebrauch, Gewohnheit, Sitte überein kommt. Allen bey dem Ottfried, Notker und andern, findet sich das Zeitwort siton, welches daselbst nicht nur anordnen, bereiten, sondern auch handeln und pflegen (solere) bedeutet, allem Ansehen nach das Stammwort von dem intensiven setzen ist, und zugleich einen weit bequemern Stamm für Sitte abgibt, als das Griechische, Ottfrieds siton und unser setzen und sitzen stammen vermuthlich von sied, niedrig, her, ( S. Sint,) und das Lat. solere nähert sich dem Worte Solum, dessen Stammbegriff gleichfalls die Tiefe ist. Die Stätigkeit scheinet das Wand zu seyn, welches beyde dem Anscheine nach entfernte Bedeutungen mit einander verbindet. ( S. Sittsam.) Übrigens wird das Lat. Mos, im Plural Mores, fast eben so gebraucht, wie unser Sitte und Sitten.


Sittengesetz (W3) [Adelung]


Das Sittengesetz, des -es, plur. die -e, ein Gesetz, wodurch die Fertigkeiten freyer Handlungen aller Menschen (nicht einzelne Handlungen) bestimmt worden, wo es so wohl von einzelnen Gesetzen dieser Art, als auch im Singular allein, von der ganzen Sammlung solcher einzelnen Gesetze gebraucht wird, zum Unterschiede von dem Naturgesetze oder den Naturgesetzen.


Sittenlehre (W3) [Adelung]


Die Sittenlehre, plur. die -n. 1. In dem zweyten engern Falle der ersten Hauptbedeutung des Wortes Sitte, die Lehre von den Sitten, d. i. von der Fertigkeit des rechtmäßigen äußern Betragens in dem gesellschaftlichen Leben, von den Pflichten des Wohlstandes; in welchem Verstande es aber am seltensten vorkommt. 2. In weiterer Bedeutung, die Lehre von dem rechtmäßigen Verhalten gegen Gott, sich selbst und andere, ohne doch die Gemüthsfassung davon auszuschließen, aus welcher dieses Verhalten herfließen muß; die Tugendlehre, die Moral. Die christliche Sittenlehre, zum Unterschiede von der philosophischen. Das Wort Sitten muß hier freylich in weiterer Bedeutung genommen werden, als es sonst gewöhnlich ist, wenn die Benennung passend und nicht zu enge seyn soll.


Sittenlehrer (W3) [Adelung]


Der Sittenlehrer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sittenlehrerinn, eine Person, welche andere in guten Sitten unterrichtet, so wohl in der ersten engern, als zweyten weitern Bedeutung des vorigen Wortes; ein Sittenprediger, Moralist.


Sittenlos (W3) [Adelung]


Sittenlos, -er, -este, adj. et adv. der guten oder pflichtmäßigen Sitten beraubt und darin gegründet. Ein sittenloses Betragen, ein sittenloser Mensch. So auch die Sittenlosigkeit.


Sittenspruch (W3) [Adelung]


Der Sittenspruch, des -es, plur. die -sprüche, ein Spruch, d. i. kurzer Satz, welcher eine gute Lehre für die Sitten, d. i. für das ganze freye äußere Verhalten enthält, ein moralischer Grundsatz, eine Sentenz.


Sittig (W3) [Adelung]


* Sittig, -er, -ste, adj. et adv. von dem Hauptworte Sitte und der Ableitungssylbe ig. 1. Gute äußere Sitten in Ansehung des gesellschaftlichen Lebens an sich habend und darin gegründet: ein veraltete Bedeutung, wofür jetzt sittsam üblich ist. Ein sittiger Mensch läßt sich am geringen genügen, Sir. 31, 22. Die jungen Weiber sollen sittig seyn, keusch, häuslich u. s. f. Tit. 2. 5, 2. In weiterer Bedeutung sanft, gelinde. Ein süßer sittiger Schlaf, Aphord, eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Es regnet fein sittig, im Oberd.


Sittig (W3) [Adelung]


* Der Sittig, des -es, plur. die -e, eine im Hochdeutschen unbekannte aber noch im Oberdeutschen gangbare Benennung eines Papageyes, wo das Wort auch Sittikust, Sitkust, Sickust, lautet. Es ist aus dem Latein. Psittacus verderbt, wofür man in den spätern Zeiten Citarus sagte. Daher sittiggrün im Oberdeutschen, papageyengrün, der grünen Farbe mancher Papageyen ähnlich.


Sittlich (W3) [Adelung]


Sittlich, -er, -ste, adj. et adv. in der ersten Hauptbedeutung des Hauptwortes Sitte. 1. Den Sitten, d. i. den Gebräuchen, Gewohnheiten eines Landes gemäß, üblich, gebräuchlich: Nieders. sedelik. Ländlich, sittlich: außer welchem sprichwörtlichen Satze es in dieser Bedeutung wenig gebraucht wird. Die Einfalt macht, daß ländlich, sittlich heißt; Ein weiser Mann ist Schärfer seine Sitten, Haged. 2. * Den guten Sitten, d. i. dem anständigen äußern Verhalten in dem gesellschaftlichen Leben gemäß und darin gegründet; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Der empfing sie sittlich, Theuerd. 3. Zu den gesellschaftlichen Verhältnissen gehörig, darin gegründet, moralisch. Das sittliche Gefühl, oder die Empfindung dessen, was sittlich gut oder böse ist. 4. In noch weiterer Bedeutung, zu dem freyen Verhalten des Menschen gehörig, in dessen freyem Willen gegründet, moralisch; im Gegensatze des physisch. Die sittliche Zurechnung und Belohnung. Was durch ein Gesetz verbothen ist, ist sittlicher Weise unmöglich. Sittlich gut, sittlich böse.


Sittlichkeit (W3) [Adelung]


Die Sittlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft einer Sache, da sie sich auf das freye Verhalten der Menschen beziehet, in demselben gegründet ist. Essen und Trinken an und für sich betrachtet hat keine Sittlichkeit, weil es zu Befriedigung eines physischen Bedürfnisses geschiehet. Die Sittengesetze enthalten dem Grund der Sittlichkeit bey allen übrigen Gesetzen. Was mit und nach eigener Wahl geschiehet, ist mit einer Sittlichkeit und Zurechnung verbunden.


Sittsam (W3) [Adelung]


Sittsam, -er, -ste, adj. et adv. von Sitte, und zwar so fern es von sitzen abstammet, und zunächst den Begriffe der Ruhe und Stille hat, wo es doch nur von den menschlichen Sitten, d. i. dem freyen äußern Verhalten in dem gesellschaftlichen Leben gebraucht wird, und dem wild, ungestüm, rauschend, entgegen gesetzet ist. Man ist in diesem Verstande sittsam, wenn man alles dem gesellschaftlichen Leben unangenehme, oder unanständige Geräusch in seinem Betragen vermeidet. In weiterer Bedeutung ist sittsam überhaupt, den guten Sitten, d. i. dem anständigen äußern. Betragen in der menschlichen Gesellschaft gemäß, und in diesem Verhalten gegründet. Mir trat mit sittsamer Geberden Ein Heer vergoldter Diener nach, Lichtw.

Anm. Schon bey dem Ottfried sizzam, der es nicht nur für wohlanständig, sondern auch in mehr eigentlicher Bedeutung für gemäßigt gebraucht, so daß es jeder heftigen Bewegung entgegen siehet. Siehe auch Sittig, welches ehedem gleichfalls für sittsam üblich war.


Sittsamkeit (W3) [Adelung]


Die Sittsamkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es sittsam ist, in den Bedeutungen des vorigen.


Sitz (W3) [Adelung]


Der Sitz, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte sitzen. 1. Die Handlung des Sitzens, der Zustand, da man sitzet, wo es doch nur in einigen figürlichen Bedeutungen gebraucht wird; ohne Plural. Sitz und Stimme in einem Collegio haben. Doch sagt man im gemeinen Leben, zehn Thaler in einem Sitze verspielen. ( S. auch Besitz, Beysitz, Vorsitz.) 2. Der Ort, wo man sitzet, worauf man sitzet, von solchen Körpern, welche zum Sitzen dienen. Der Sitz eines Stuhles, die Fläche, worauf man sitzet. Der Theil des Körpers, womit man sitzet, heißt das Gesäß. In weiterer Bedeutung, ein jeder Ort, ein jedes Werkzeug, worauf oder wo man sitzet, so daß es ein allgemeiner Ausdruck ist, welcher die besondern Arten, als Thron, Stuhl, Sessel, Bank u. s. f. in sich schließet. In der Allee sind hin und wieder Sitze angebracht. Die Sitze in der Kirche. Keinen Sitz in der Kirche haben. Die harte Erde, ein Stein war mein Sitz. Bey den Jägern heißt der Ort, wo sich das Rehwildbret nieder thut der Sitz. Auch in einigen figürlichen Bedeutungen des Zeitwortes sitzen. Besonders der Ort, wo man seinen dauerhaften Aufenthalt hat. Seinen Sitz en einem Orte haben, aufschlagen, sich daselbst niederlassen. Wien ist der Sitz des Römischen Kaisers. Die alten Deutschen Völker hatten ihren Sitz an dem schwarzen Meere. So auch Wohnsitz, Rittersitz, Landsitz, Witwensitz und so ferner. Anm. Bey dem Ottfried und Notker Sez, Gesazze, im Niedersächs. Sitt, Sete, im Englisch. Seat, im Schwed. Säte, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Sitzarbeit (W3) [Adelung]


Die Sitzarbeit, plur. die -en, im gemeinen Leben, Arbeit, welche sitzend, im Sitzen verrichtet wird.


Sitzen (W3) [Adelung]


Sitzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert; Imperf. ich saß, Conj. säße; Mittelw. gesessen; Imper. sitze, sitz. Es ist in einer doppelten Hauptbedeutung üblich. I. Sich gesetzet haben, d. i. diejenige Stellung wirklich haben, da man den Leib auf den Hintern niederlässet, und ihn also zur Ruhe bringet, zum Unterschiede von dem Stehen und Liegen; in welcher Bedeutung die Oberdeutschen es mit dem Hülfsworte seyn, die Hochdeutschen aber mit heben verbinden. 1. Eigentlich. Wir sitzen schon. Bleiben sie sitzen, stehen sie nicht auf. Auf einem Stuhle, auf der Bank, auf dem Bette, auf der bloßen Erde sitzen. Auf dem Pferde sitzen. Gut zu Pferde sitzen, im Reiten einen guten Anstand haben. Wir haben den ganzen Tag gesessen. Bey Tische sitzen, d. i. speisen; außer dem sagt man am Tische oder vor dem Tische sitzen. Am Ofen, an der Wand, im Fenster, in der Thür sitzen. Bey oder neben jemanden sitzen. Oben an, unten an sitzen. Einem zur Rechten sitzen. Sich müde sitzen. Hier sitzt sichs gut, übel u. s. f. für man sitzt hier gut oder übel. Auf ähnliche Art, wie der Mensch, sitzet auch der Hund, die Katze u. s. f. Allein das Geflügel sitzet, wenn es sich auf die Brust und den Bauch nieder thut. In engerer Bedeutung ist auf den Eyern sitzen, und oft nur sitzen, schlechthin, so viel wie Brüten. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. (1) In einigen Fällen gebraucht man dieses Zeitwort von solchen Verrichtungen, welche sitzend geschehen, da es denn zuweilen auf besondere Art construirt wird. Dem Mahler sitzen, sich mahlen lassen, weil man dabey sitzet. Beicht sitzen, sitzend die Beicht oder Beichtenden anhören. Einem Beicht sitzen. Dem Priester nur geziemt, daß er euch Beichte sitzt, Haged. Auf ähnliche Art sagt man im Niederdeutschen, Recht sitzen, das Gericht hegen. Die biblischen R. A. zu Gericht und am Gericht sitzen, Gericht halten, sind im Hochdeutschen veraltet. Wohl aber sagt man, mit im Rathe sitzen, mit im Gerichte sitzen, mit in der Commission sitzen, ein Glied eines solchen Collegii seyn, weil selbiges sein Amt sitzend verwaltet. In engerer Bedeutung ist der sitzende Rath, nicht allein der versammelte Rath, sondern, wo das gesammte Raths-Collegium in zwey oder drey Classen getheilet ist, wovon alle Jahre Eine an die Regierung kommt, da ist der sitzende Rath, diejenige Classe, welche eben jetzt die Regierung hat. So auch der sitzende Bürgermeister, der regierende. (2) Ehedem gebrauchte man es auch für wohnen, seinen dauerhaften Aufenthalt an einem Orte haben, in welchem Verstande es aber veraltet ist. Dagegen bedeutet es in manchen Fällen noch, sich in einer mit Ruhe, mit Mangel der Bewegung verbundenen Art des Zustandes befinden. Immer zu Hause sitzen, nicht aus dem Hause gehen. Immer über den Büchern sitzen. Im Kothe sitzen bleiben, nicht aus dem Kothe können. Auf Rechnung sitzen, einem Amte auf Rechnung vorstehen, so daß man dem Eigenthümer die Ausgaben und Einnahmen berechne. Er sitzt warm, im gemeinen Leben, er befindet sich in einem guten Wohlstande. Stille sitzen, nicht wirksam seyn, nicht handeln. Im Gefängnisse oder gefangen sitzen, sich im Gefängnisse befinden, wofür man auch nur sitzen schlechthin sagt. Schulden wegen sitzen, nähmlich gefangen. Auf den Tod sitzen, wegen eines Verbrechens, welches den Tod verdienet. Sitzen lassen, bedeutet theils ohne seinen Willen zurück lassen. Viel Geld im Spiele sitzen lassen. Die Belagerer haben viele Mannschaft vor der Stadt sitzen gelassen. Theils vorsetzlich verlassen. Es kommt den vornehmen Herren nicht daraus an, ihre Weiber sitzen zu lassen, und sich mit andern zu schleppen. Also will er meine Tochter sitzen lassen? Gell. sie seinem Versprechen zu wider nicht heirathen. Sitzen bleiben, wider seinen Willen unverheirathet bleiben, von dem andern Geschlechte. (3) Von leblosen Dingen gebraucht, bedeutet es oft, theils sich auf eine dauerhafte Art an einem Orte befinden, theils nur überhaupt, sich an einem Orte befinden. (a) Eigentlich. Der Hut sitzt nicht fest. Das Bret sitzt fest, sitzt locker. Es sitzet vieler Schleim auf der Brust. Es sitzt ihm auf der Brust. Hier sitzet mirs, hier fehlet mirs. Die Schuld nicht auf sich sitzen lassen. Nichts auf sich sitzen lassen, sich gegen jede Beschuldigung verantworten. (b) In engerer Bedeutung mit den Nebenwörtern gut, schlecht u. s. f. von der Art und Weise, wie ein solches Ding in die Augen fällt, doch nur von Kleidungsstücken; wofür auch stehen üblich ist. Das Kleid sitzt ihnen vortrefflich. Der Mantel sitzt dir nicht gut. Ehedem war es hier im weiterm Verstande üblich, und wurde überhaupt für kleiden, anstehen, anständig seyn, gebraucht, von welcher Bedeutung noch das Hauptwort Sitte übrig zu seyn scheinet. Schon Ottfried gebraucht es in diesem weitern Verstande.

Anm. In dieser ganzen ersten Hauptbedeutung bekommt es im Oberdeutschen das Hülfswort seyn. Christus ist gesessen zur Rechten Gottes, in der Deutschen Bibel, für hat. Ich empfinde fast ein Grauen, Daß ich Plato für und für Bin gesessen über dir, Opitz. Ein sitzendes Leben, sitzende Arbeit, wobey man viel sitzt, ist wider die Analogie und nur im gemeinen Leben üblich. Ein gesessener Mann, d. i. ein ansässiger, ist eben so unrichtig, aber auch nur im Oberdeutschen gangbar. II. * In mehr thätiger Bedeutung, doch immer noch als ein Neutrum, diese Stellung nehmen, für sich setzen; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber im Oberdeutschen gangbar ist. Ein Stein, der traf den Jeger, das Er vor Amacht darnieder saß, Theuerd. Kap. 37 Er saß auf ein resches Pferd. Kap. 84. Ein jeglicher saß auf sein Maulthier, 2 Sam. 13, 29. Sitzet auf die Rosse, Jet. 46, 9. Alle Fürsten am Meer werden herab von ihren Stühlen sitzen, Ezech. 26, 16. Sitz hin zu meiner rechten Hand, Opitz. Ps. 110. Laßt uns hier auf die höhern mit Moos bedeckten Steine uns sitzen, Geßn. Wo es überall für sich setzen stehet. Im Hochdeutschen gebraucht man es in dieser Bedeutung zuweilen in den Zusammensetzungen aufsitzen, zu Pferde steigen, sich zu Pferde setzen, absitzen, von dem Pferde oder Wagen steigen. So auch das Sitzen. S. auch Sitzung.

Anm. Schon im Isidor und Kero sitzen, sizzan, bey dem Ulphilas sitan, im Nieders. sitten, im Angels. sittan, im Engl. to sit, im Schwed. sitta, im Slavon. sedeti, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Lat. sedere. Das z, tz, oder tt in sitzen und sitten, ist ein Zeichen eines Intensivi, dagegen das Gothische sitan, das Lat. sedere u. s. f. einfacher sind. Das Stammwort ist das noch im Nieders. übliche sied, niedrig ( S. Seit;) wer sitzet, erniedriget sich, der persönlichen Höhe nach. Ottfried gebraucht auch sidelen für sitzen, und Notker siden, für wohnen. Das Activum oder vielmehr Factitivum von Sitzen, ist setzen. S. dasselbe, ingleichen Saß, Satz, Siedel, Sessel u. s. f.


Sitzer (W3) [Adelung]


Der Sitzer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sitzerinn, eine Person, welche sitzet, ein nur in Besitzer und Beysitzer übliches Wort. Doch sagt auch Hagedorn, aber in dichterischer Schreibart; Die Jahre, da des Gastmahls Länge. Den steifen Sitzern Lust gebar.


Sitzfleisch (W3) [Adelung]


Das Sitzfleisch, des -es, plur. car. ein nur im vertraulichen Scherze im figürlichen Verstande übliches Wort. Man sagt, es habe jemand nicht viel oder kein Sitzfleisch, wenn er nicht gern sitzet.


Sitzgeld (W3) [Adelung]


Das Sitzgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, ein nur in einigen einzelnen Fällen übliches Wort. 1. Dasjenige Geld, welches ein Verhafteter dem Gefangenwärter entrichten muß, heißt an vielen Orten das Sitzgeld. 2. In Schwaben ist es dasjenige Geld, welches die Beysitzer des Landgerichtes, als eine Besoldung bekommen. 3. Auf dem Lande in Schwaben ist es dasjenige Geld, welches die Häusler den Grundherren des Dorfes als ein Schutzgeld entrichten.


Sitzkasten (W3) [Adelung]


Der Sitzkasten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kasten darauf zu sitzen, besonders in den Wagen.


Sitzküssen (W3) [Adelung]


Das Sitzküssen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Küssen, worauf man sitzt, ein Küssen, welches auf einen Sitz oder zum Sitze bestimmt ist.


Sitzort (W3) [Adelung]


Der Sitzort, des -es, plur. die -örter, im Bergbaue, ein Ort, wo der Bergmann ansitzet, oder sitzend arbeitet. Mit dem Sitzorte fortfahren, einen solchen Ort in die Länge forttreiben.


Sitzpfahl (W3) [Adelung]


Der Sitzpfahl, des -es, plur. die -pfähle, eben daselbst, ein Pfahl oder kleiner Kloß, worauf der Häuer in der Grube vor Ort sitzet, das Erz und Gestein sitzend aushauet.


Sitztag (W3) [Adelung]


Der Sitztag, des -es, plur. die -e, ein Tag, an welchem ein Gericht oder Collegium seine Sitzung, oder Versammlung hält.


Sitzung (W3) [Adelung]


Die Sitzung, plur. die -en, nicht so wohl das Verbale von Sitzen, als vielmehr ein eigenes von diesem Zeitworte und der Ableitungssylbe ung gebildetes Hauptwort, die Versammlung eines Gerichtes oder Collegii zu bezeichnen, weil die Glieder desselben dabey sitzen, für das aus dem Lateinischen entlehnte Session. In der ersten Sitzung, Sitzung halten, sich versammeln.


Skalde (W3) [Adelung]


Der Skalde, des -s, plur. die -n, der Nahme der alten Dichter, der Schweden, Norweger und Isländer, Schwed. Skald. Der Nahme stammet ohne Zweifel von Schall, schallen, ab, und war ehedem auch dem nördlichen Deutschlande nicht unbekannt. Im Niedersächsischen war Schale, Schaller, Schaloe, ein Bänkelsänger, Spruchsprecher, Leyermann u. s. f. wovon das Bremisch Niederdeutsche Wörterbuch nachzusehen ist.


Skelett (W3) [Adelung]


Das Skelett, des -es, plur. die -e, die mit einander verbundenen Knochen eines thierischen Körpers, nachdem alles Fleisch und weichern Theile davon abgesondert worden; das Geripp, im Oberd. Beingeripp, Beingerüst, im Niederd. Reff, Hesebild, im Dän. Beenrad, im Schwed. Benragel. Der Nahme Skelett ist aus dem Französ. Squelette, welches wieder von dem Lat. und Griech. Sceleton, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - abstammet. Die Schreibart Scelet ist so wohl wider die Aussprache als Abstammung.


Skizze (W3) [Adelung]


Die Skizze, plur. die -n, in der Mahlerey, der erste Entwurf eines Gemähldes. Daher skizziren, einen solchen Entwurf machen. Es ist aus dem Ital. Schizzo, schizzare, woher auch die Franzosen ihr Esquisse und esquisser, haben.


Sklave (W3) [Adelung]


Der Sklave, S. Sclave.


Smalte (W3) [Adelung]


Die Smalte, S. Schmalte.


Smaragd (W3) [Adelung]


Der Smaragd, des -es, plur. die -e, ein gemeiniglich grüner Edelstein, welcher an Härte dem Topas weicht, seine Farbe im Feuer in die blaue verändert, aber im Erkalten seine natürliche Farbe wieder bekommt. Man findet ihn in Peru von allen Schattirungen, so daß es, obgleich seltener, auch weiße gibt. Der Nahme ist morgenländisch und lautet im Persischen Zemerud, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und ohne Zischlaut - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im mittlern Lat. Esmaraldus, Span. Esmeralda, Ital. Smeraldo, Franz. Emeraude, Engl. Emerald. Im Hebr. heißt er - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, glänzen abgeleitet wird.


Smaragden (W3) [Adelung]


Smaragden, adj. et adv. von Smaragd, ingleichen dem Smaragden Glanz und Farbe ähnlich. Es lachte die ganze smaragdene Flur, Uz.


Smaragd-Fluß (W3) [Adelung]


Der Smaragd-Fluß, des -sses, plur. die -flüsse, ein grüner Krystall, welcher dem Smaragde an Farbe, aber nicht an Härte gleich ist. Ingleichen ein nachgemachter, unechter Smaragd.


Smaragd-Pras (W3) [Adelung]


Der Smaragd-Pras, des -es, plur. die -e, ein grasgrüner, dem Smaragd ähnlicher Pras oder Praser.


So (W3) [Adelung]


So, eine Partikel, welche in einer dreyfachen Gestalt üblich ist. I. Als ein Wörtchen, welches die Stelle eines relativen Fürwortes vertritt, da es denn in allen Zahlen und Geschlechtern unverändert bleibt, aber nur von einem Zeitworte gebraucht wird, welches die erste oder vierte Endung erfordert, für welcher, welche, welches u. s. f. Die Heiligen, so auf Erden sind. Jerem. 44. 1. Alle Juden, so in Aegyptenland wohneten, 1 Pet. 2, 12. Der Mann, so uns begegnete. Der Gott, so uns erschaffen hat. Ob ich mich kann aus dem Staube schwingen, Und von der großen Zahl des armen Volkes dringen, So an der Erde klebt, Opitz. Dieses relative so hat in den neuern Zeiten viele sehr harte Feinde bekommen, welche es schlechterdings aus der Deutschen Sprache verbannt wissen wollen. Ich sehe indessen keinen Grund dazu, indem es von allen auch den besten Schriftstellern unzählige Mahle gebraucht wird; wenn gleich richtig ist, daß welcher die Beziehung vollständiger und oft auch würdiger bezeichnet. Wenigstens kann man es alsdann nicht entbehren, wenn in einem und eben demselben Satze das welcher mehrmahls stehen sollte, da denn dessen öftere Wiederhohlung einen Übelklang machen würde. Der Brief ist verloren, welchen ich dem Manne mitgab, der gestern mit der Post, so nach Berlin ging, abreisete. Dergleichen Fälle beständig vorkommen. Ein Grund mehr, dieses unschuldige Relativum nicht verstoßen, ist dessen Abstammung, indem es mit dem Artikel oder vielmehr dem demonstrativen Fürworte der, die, das, bey dem Ulphilas sa, so, thata, im Isländ. sa, su that, Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, u. s. f. genau verwandt, du in dieser relativen Bedeutung älter ist, als in den folgenden, welche bloße Figuren davon zu seyn scheinen. II. Als ein Nebenwort, welches aber dabey gleichfalls relativ ist, und sich entweder auf ein vorher gegangenes oder darunter verstandenes, oder auf ein nachfolgendes Subject beziehet, und eigentlich auf diese Art, auf solche Art, in diesem oder in solchem Grade bedeutet. Da es denn, (1) Sich auf ein vorher bezeichnetes Subject beziehet, und zwar, (a) Entweder mehr demonstrativ ist, indem man die Sache, worauf es sich beziehet, gleichsam mit den Fingern zeiget, für auf diese Art, in diesem Grade; in welchem Falle es zugleich den Ton hat. Ich mache mir nicht so viel daraus. Es sind ihrer so viel. So recht! so auf diese Art ist es recht. So recht, mein Sohn, Lucindens Herz ist, wenn du folgst, dein Lohn, Gell. So, meine liebe Freundinn, immer vertheidigen sie mich bey meiner Braut, Gell. So spricht der Herr. Er machte es so, u. s. f. So sollts nicht seyn. So haben sie noch niemahls geliebt, auf diese Art, in diesem Grade. Die Sache verhält sich ungefähr so: u. s. f. Ich habe es gedacht, daß es so kommen wird. So gehet es, wenn man nicht höret. Wenn sie mir so kommen. So gefällst du mir. Er hat mir nicht einmahl darauf geantwortet, so nachläßig ist er. Von Möpsen wird er kaum erkannt So dürftig kommt er angekrochen, Haged. Dahin gehöret auch das Verwunderung ausdruckende Fragewort so? auf diese Art? ists möglich? So? Also hat er meine Tochter nur in die Rede bringen wollen? Gell. Ferner das wie so? sich nach der Art und Weise zu erkundigen. Ingleichen das in der vertraulichen Sprechart übliche so, so, etwas Zweifelhaftes, ingleichen etwas Mittelmäßiges anzudeuten. Er gehet so, so, mittelmäßig. Es ist nun so, so, bedenklich. Bald so, bald so, bald auf diese, bald auf eine andere Art. Wenn man die Art und Weise einer Sache nicht genau bestimmen will, sagt man im gemeinen Leben in der vertraulichen Sprechart häufig, so und so viel, so und so groß, u. s. f. Ferner gehöret hierher das im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart übliche so ein, für ein solch, und so was, für so etwas, etwas von dieser Art. Dächten sie, daß ich zu so einer Bosheit geschickt wäre? Gell. Ich habe nicht gewußt, daß so ein schönes Buch in der Welt ist, eben ders. Lassen sie sich so ein Glück nicht aus den Händen gehen. Mit so einem Beine blieb ich wohl unten im Thale, Geßn. Wenn mir so einer wieder querfeldein käme, Weiße. Ich singe nicht für fremde Reiche, Wie käm mir so ein Ehrgeitz ein, Less. So was thue ich nur zur höchsten Noth. Ich merke so was. Welche Formen der vertraulichen Sprechart nicht unangemessen, für die edlere aber zu niedrig sind. (b) Oder es ist mehr relativ, für, auf solche Art, in einem solchen Grade, da es denn den Ton nicht hat, außer wenn es sich um des Nachdrucks willen mehr dem vorigen Demonstrativo nähert. Überhaupt sind die Gränzen zwischen beyden schwer zu bestimmen, indem es hier bloß auf das mehr und weniger ankommt. Gesetzt es wäre so, als im vorhergehenden gesagt worden. Ja, es ist so. Er machte es eben so, auch so. Das ist nicht so, ist nicht wahr, gehöret in die niedrige Sprechart. Ingleichen mit allerley Bey- und Nebenwörtern. Waren ihrer nicht acht? Antw. Nein, er waren ihrer nicht so viel. Habe ich nicht so viel Macht? So wie ich ihn kenne. Der so genannte Priester, wenn man jemanden einen Titel oder einen Nahmen nicht völlig zugestehen will. Da es denn, besonders in der vertraulichen Sprechart, oft allerley kleine Nebenbedeutungen bekommt, und oft bloß die Ründe der Rede befördern hilft. Wie heißen die kleinen Dingerchen, die so in den Sonnenstrahlen herum fliegen? Du hast so ganz unrecht nicht. Es ist mir nicht gar recht. So genau weiß ich es nicht mehr. Gesetzt auch, daß meine Lebensart nicht so recht nach der Mode wäre. So gleich kann ich nicht kommen. Man muß die Öffnung so gleich wieder verstopfen. Das ist nicht so gleich geschehen. Er verstehet es so ziemlich. Sie that als käme sie nur so von ungefähr, Gell. S. auch die Zusammensetzungen sodann, sogar u. s. f. in

Anm. 2. Das so scheinet in den meisten dieser Fälle, (welcher aber auch durch eine Ellipsin erkläret werden können) eine verstärkende Bedeutung zu haben, welche in andern Fällen noch mehr hervor sticht. Ich bin schon so oft da gewesen, sehr oft. Er wird so bald nicht wieder kommen. Er meint es so redlich, und hat so viele Verdienste, Gell. Es ist doch so ein artiger Mann, er hat mir so viel Schönes vorgesagt, Weiße. Ihr seyd ein so ein artiger Mann, und thut noch so kindisch. Im gemeinen Leben wird es auch häufig für ohne dieß, ohne hin gebraucht. Ich wollte so schon speisen, Haged. Ich denke, es wird so nicht mehr lange mit mir werden, Gell. Meinem Freund darf ichs nicht sagen, Denn der predigt so genug, Zach. (2) Eben so oft beziehet sich dieses Wörtchen auf etwas Nachfolgendes, eine Art und Weise zu bezeichnen, welche im Folgenden näher bestimmt wird. Es gewähret alsdann, (a) Eine bloße Beschreibung der Art und Weise, deren Bestimmung in einigen weniger Fällen mit und ausgedruckt wird. Seyn sie so gut und thun es. Sey so liebreich und komm ihm zuvor. Noch öfters mit wie. So wie die Rede gehet. Es ist allenthalben so wie hier. Laß die Welt so wie sie ist. Ingleichen mit daß. So, daß es unmöglich ist. So viel, daß man es kann. (b) Eine Vergleichung, so daß wie, oder noch mehr, als darauf folget. So helle, wie oder als die Sonne. So sehr als er es verdienet. Es ist so gut als geschehen. Wer ist so reich, als du? Wo das Wörtchen so in einigen Fällen auch verschwiegen werden kann, welches besonders in der höhern Schreibart zuweilen geschiehet. Schön als die Göttinn der Liebe. Noch öfter wird das als weggelassen, doch nur wenn es einem durch ein Zeitwort ausgedruckten Satze zur Begleitung dienet. So bald ich kann. So viel genug ist. So doch der Himmel über der Erde ist. So lange ich lebe. So oft du fehlest, so oft wirst du gestraft. So mehr mir Gott helfe! So viel meine Umstände leiden. S. Als. 1 (4) III. Ist diese Partikel auch ein Bindewort, welches gebraucht wird, verschiedene Glieder der Rede an einander zu knüpfen. Es ist hier von einem überaus häufigen Gebrauche, besonders in den Nachsetzen, wo es fast die allgemeine Verbindungs-Formel ist. Es ist, 1. Copulativ, für so wohl - als auch; in weiterer Gestalt es doch nur um der Kürze willen zuweilen von den Dichtern gebraucht wird. So Geduld als Zeit verstricht, Haged. Ja Grachus wird mir noch so Lust als Ruhe rauben, Gottsch. 2. Conditional, eine Bedingung begleiten, wo es so wohl im Vordersatze, als im Nachsatze stehen kann. (1) Im Vordersatze, für wenn. So Gott wird mit mir seyn - so soll der Herr mein Gott seyn, 1 Mos. 28, 20. So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seyd ihr meine rechten Jünger, Joh. 8, 31. So ihr um Missethat willen leidet, 1 Pet. 2, 20. So mirs geht, wie ich will, Logau. Welches so des Vordersatzes im Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird. (2) Im Nachsatze, so daß im Vordersatze wenn vorher gehet. Wenn du fromm bist, so bist du angenehm. Und wenn die Liebe nichts ist als eine Pflicht: so wundert michs, wie sie so viele Herzen an sich ziehen kann. Gell. Auch wenn dieses wenn verschwiegen wird, oder den Vordersatz andere Partikeln andeuten. Finde ich dreyßig darinnen, so will ich ihnen nichts thun, 1 Mos. 18, 30. Verträgt sich dieser Charakter des Neidischen mit der Vernunft, so ist sie eine elende Anführerinn zum Guten, Gell. Du hättest sie sollen ruhig machen, so sähe ich noch den Nutzen von deiner Geschicklichkeit, Gell. d. i. wenn du sie ruhig gemacht hättest, so u. s. f. Denn, geht ein Wort aus deinem Munde, So wird der Schatz verschwunden seyn, Gell. Gesetzt auch, daß meine Lebensart nicht recht nach der Mode wäre, so ist sie doch ruhig, ebend. Wo das so im Nachsatze auch zuweilen ausgelassen werden kann. Herr, so du willt, kannst du mich wohl reinigen, Matth. 18. So dich dein Auge ärgert, reiß es aus, Marc. 10, 12. Wenn sie wollen, will ich hingehen. Wenn sie mirs erzählen, wird es mir so neu klingen, als ob ichs selbst noch nicht wüßte, Gellert. Wenn die Bedingung versteckt ist, so daß der Vordersatz ohne alle Partikel einher tritt, so wird statt so in der edlern Schreibart zuweilen und gebraucht. Lehren sie mich ihre Tugend nachahmen, und ich werde sie als die Schöpferinn meines Glückes anbethen, Gell. Denke Gott nur so gütig, als du deinen edelsten Freund denkest und du wirst nicht mehr zweifeln, Gell. 3. Consecutiv, eine bloße Zeitfolge zu bezeichnen, wo sie ihre Stelle in dem Nachsatze hat. Es währete nicht lange, so ließ er mir sagen, u. s. f. So oft ich ihn erblicke, so wird er fleißig seyn, Gell. Indem nun Sylvia sich nach dem Bande bückt, So küßt sie ihn geschwind, eben ders. So lange mir mein Herz keine Vorwürfe macht, so werde ich die ihrigen mit Gelassenheit anhören, eben ders. Wahr ist es, daß mit diesem so, wenn es eine bloße Zeitfolge bezeichnet, viel Mißbrauch vorgehet, indem es nach als, nachdem, hernach u. s. f. oft sehr überflüßig gesetzet wird. Als ich gebethet hatte, so ging ich in die Kirche. Hernach so nimmt er ihn, Rost. Nachdem er es gesagt hatte, so schwieg er. In welchem Fällen es sich nur alsdann entschuldigen lässet, ja nothwendig wird, wenn der Vordersatz lang ist, und wiederum aus mehrern Gliedern bestehet, da denn der Nachsatz das so nicht entbehren kann. Wenn aber die Zeitfolge zugleich die Ursache enthält, so ist das so untadelhaft; alsdann aber ist es auch, 4. Causal, da es die Wirkung einer vorher gegangenen Ursache begleitet, wo es auf doppelte Art gebraucht wird. (1) In einfachen Sätzen, einen Satz zu begleiten, der eine Folge einer vorher gegangenen Ursache ist (illativ). So machen dich auf, 1 Mos. 13, 6. So gehet nun hin und, frohnet. So wollen wir nun den Anfang machen. O so gehe keiner zur Ruhe des Grabes, er habe denn süße Früchte getragen und erquickenden Schatten über den Nothleidenden gestreuet, Geßn. Wo es denn auch in dem vorher gegangenen gegründete Frage begleitet. So ist es denn nicht wahr? So wollen sie mich nicht melden lassen? So wird es sie wohl gar noch in seinem Testamente bedenken? eben ders. So ist die Liebe denn ein Spielwerk in Gedanken? eben ders. Ingleichen eine Aufmunterung. So kommen sie denn! Wie auch einen Unwillen. So höre doch! (2) In zusammen gesetzten die Wirkung der im Vordersatze gemeldeten Ursache anzukündigen. Weil du des Herr Wort verworfen hast, so hat der Herr dich wieder verworfen. Da die Sache schon überall bekannt ist, so darf man weiter kein Geheimniß daraus machen. Nachdem er selbst die That gestanden, so braucht es keiner weitern Überzeugung. Wie man den Verstand immer anstrengen kann, so ist es auch erlaubt, zuweilen etwas seichtes zu lesen, Gell. Um von dieser Sache den Anfang zu machen, so u. s. f. Damit sie alles desto besser verstehen, so will ich es ihnen erklären. Wo das so, wenn damit vorher gehet, und dasselbe nicht allzuweit von dem Nachsatze entfernet ist, auch verschweigen werden kann. Damit es gewiß gesthehe, will ich es selbst thun. 5. Concessiv, wo es seine Stelle gleichfalls im Nachsatze hat. Ob es gleich schwer ist, so will ich es doch versuchen. Obgleich ein Geist, keinen Ort einnimmt, so befindet er sich doch irgendwo. Und stehen nicht Säulen umher, so stehen doch fruchtbare Bäume und Reben umher, Geßn. So unhöflich diese beyden Fragen sind, so muß ich sie doch an sie thun, Gell. Doch, ist sie nicht so schön; so ist, sie nicht so stolz als du, Weiße. Wo das so auch zuweilen den Vorsatz begleiten kann, er behalte nun seine Stelle, oder nehme den Platz des Nachsatzes ein. Die Freundschaft, so vortrefflich sie ist, hält uns doch nie wegen der Liebe schadlos; Gell. Dieß kann ich, so alt ich bin, doch wohl leiden, eben ders. Auch diesen Befehl nehme ich an, so sauer er mir auch wird, eben ders. Verlier' ich doch, so mächtig ich auch bin, An dir den Ruhm der größten Zauberinn, eben ders. Da denn oft beyde Sätze durch diese Partikel ausgedruckt werden. So gern ich auch wollte, so unmöglich ist es mir doch. So sehr ich schrie und weinte, So ließ man mich nicht los, Weiße. Der falsche Schäfer der, so ehrlich sein Gesicht, So schlimm ist doch sein Herz, Gell. Wo beyde Sätze die Gestalt einer Vergleichung haben. 6. Comparativ, eine Vergleichung anzustellen, gleichfalls im Nachsatze, wo es doch als ein bloßes Nebenwort angesehen werden kann, indem es hier mehr die Art und Weise als eine eigentliche Vergleichung bezeichnet. Wie man den Knaben gewöhnet, so bleibt er. Wie ich merke, so mag ihr diese Tugend sehr natürlich seyn, Gell. So wie ich ihn kenne, und wie man ihn mir beschrieben hat, so ist er ein Mann, dem man alles anvertrauen kann, eben ders. So viel ich schließen kann, So hat sie ihn geliebt, eh' er sie lieb gewann, Gell. 7. Adversativ, da es zuweilen, doch nur im gemeinen Leben, zur Begleitung des aber gebraucht wird. Ich wollte euren Freund besuchen, so aber war niemand zu Hause; für aber, oder allein es war u. s. f. Anm. 1. In manchen Fällen wird für dieses so das verlängerte also gebraucht, S. dasselbe.

Anm. 2. Oft dienet diese Partikel zur Verstärkung oder Begleitung anderer Partikeln, mit welchen es von manchen oft irriger Weise zusammen gezogen wird, welches nur alsdann Statt findet, wenn die Bedeutung elliptisch ist. S. die Orthogr. Th. 1, S. 225. Diese Partikeln sind: Bald, in sobald als, besser so bald, S. Bald. Dann, in sodann, für alsdann. Lehren sie mich Weisheit, sodann will ich sie andere lehren. Fern, in so fern, S. Fern. Fort, in sofort, für sogleich, und im Oberdeutschen auch für darauf; wie auch, ingleichen. Gar, in sogar, S. Gar. Gleich, in sogleich, wo es eine Verstärkung ausdruckt. Ich winke nur, sogleich gehorcht mir die Natur, Gell. Siehe das Nebenwort So. * Hin, in sohin, für folglich, doch nur in Oberdeutschen. * Mit, in somit, im Oberdeutschen für dadurch, folglich u. s. f. Nach in sonach, für folglich, ingleichen auf diese Art, S. Nach 2. Wohl, in sowohl, besser so wohl, S. Wohl.

Anm. 3. Diese alte Partikel lautet schon von den ältesten Zeiten an so, und mit allerley Endlauten sam, alsam, sus, sunst, thus, im Engl. gleichfalls so, im Schwed. sa und som, im Angels. swa, bey den Krainerischen Wenden she, im Pohln. toc. Der Lauf der Zeiten hat in ihren Bedeutungen, wie bey allen Partikeln, viele Veränderungen hervor gebracht, welche in ein Glos- sarium gehören. Daß sie allem Anscheine nach aus dem alten Fürworte so, sa, su, derselbe, im Schwed. noch jetzt som, entstanden ist, ist schon oben bemerkt worden. Die Latein, si und sic sind nahe damit verwandt. Das gleichfalls Lat. ita und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - haben Ähnlichkeit mit den Artikeln id und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . In manchen gemeinen Sprecharten gebraucht man es auch für zu; es ist gar so groß, für gar zu groß. S. auch Solch.


Socke (W3) [Adelung]


Die Socke, plur. die -n. 1. Eine biegsame Bekleidung des untern Fußes, welche nicht viel weiter als der Schuh gehet. Strumpfsocken, von Leinwand, welche man unter den Strümpfen trägt; Filzsocken, von Haaren und grober Wolle, welche man auch wohl über die Schuhe ziehet. Auch der abgeschnittene untere Theil eines Strumpfes führet diesen Nahmen. 2. Auf den Socken gehen, auf den bloßen Strümpfen.

Anm. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Soke, in der Monseeischen Glosse Sochili, wo es durch Caliculas übersetzet wird, im Nieders. Socke, im Angels. Socc. im Engl. Sock, im Schwed. Socka, im Franz. Socque, im Span. Cueco, im Lat. Soccus. Es ist ein sehr altes Wort, welches schon bey dem Pollux - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und bey dem Hesychius - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - lautet, welcher letztere es für eine Art Phrygischer Schuhe erkläret. Es scheinet ein Verwandter von Sack, zu seyn, entweder den Begriff eines Gewebes, oder auch eines hohlen Raumes, der Bekleidung zu haben. Bey dem Pictorius kommt das Wort Finkle für Socke vor.


Socken (W3) [Adelung]


1. Socken, verb. reg. act. von dem vorigen Worte, mit Socken versehen, an häufigsten in dem zusammen gesetzten besocken.


Socken (W3) [Adelung]


2. Socken, verb. reg. recipr. welches nur in den Salzwerken üblich ist. Das Salz socket sich, wenn es sich nach und nach auf den Boden senket. Eben daselbst lässet man die Salzstücke absocken, d. i. abtröpfeln. Es ist mit dem Niederdeutschen sich sacken gleich bedeutet und ein Intensivum von dem gleichfalls nur in den Salzwerken üblichen sogen, welche von siegen, sich senken, nur eine gröbere Aussprache ist. S. Sogen und dessen Abgeleitete.


Sockerfalk (W3) [Adelung]


Der Sockerfalk, S. Sakerfalk.


Sod (W3) [Adelung]


1. * Der Sod, des -es, plur. die Söde, ein nur in einigen gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, übliches Wort, einen gegrabenen Brunnen zu bezeichnen, Angels. Seath, Fries. Sohde, Holländ. Sode, Soode. Daher Pumpsod, ein Brunnen mit einer Pumpe, der Sodeimer, der Brunneneimer. Sodwasser, Brunnenwasser u. s. f. Frisch und andere leiten es von sieden, als wenn damit auf das Sieden oder Rauschen des Wassers gezielet würde. Allein es scheinet vielmehr zu dem Nieders. sied. niedrig, zu gehören, und den Begriff des in die Tiefe ausgegrabenen hohlen Raumes zu haben. ( S. Seit.) Bey den ältern Friesen war Sad, eine Grube, ein Graben. Hierher scheinet auch das Nieders. Sode, ein abgestochener Rasen, zu gehören, und soden, Rasen ausstechen, ausgraben.


Sod (W3) [Adelung]


2. Der Sod, das Sod, des -es, plur. die -e, oder die Söder, in einigen Gegenden auch die Sode, plur. die -n, ein im Hochdeutschen unbekanntes und nur in einigen gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes übliches Wort, welches von sieden abstammet. 1. Im Nieders. ist das Sod so viel Wasser, als zu einem Gebräude Bier nöthig ist. 2. In andern Gegenden so wohl Ober- als Niederdeutschlandes ist das oder der Sod, die Sode, eine Brühe. Ein gut Soht (Sod) auf Birkhahnen, Coler. Einen Karpfen in Nelkensode kochen, eben ders. Logau sagt von einem Koche bey Hofe: Geußt Söder auf und Senf daran, die dienlich für den Grau. Im Nieders. ist eine Sode Fische, ein Gericht gesottener Fische. S. Siede. Ohne Zweifel stammen hiervon ab, die im gemeinen Leben üblichen R. A. in seinem Sode leben, in seinem Sode aufwachsen, in oder nach seinen Lüsten, sinnlichen Begierden; in welchen und andern ähnlichen figürlichen R. A. es nur im Singular mit einigen Vorwörtern gebraucht wird. Hans Unvernunft in seinem Sode Wächst auf als wie ein Klotz im Wald, Musen-Alm. Es heißt, ich läg' im Sode Und wäre nicht gewandt, Günth. Die Jugend wächst in einigem Sode, eben ders. Wo man in der vertraulichen Sprechart auch wohl im Diminut. sagt, in seinem Södchen leben, nach seiner Fantasie, in seinem sinnlichen Vergnügen. Im Niedersächsischen sagt man von jemanden, welcher einen halben Rausch hat, er sey halb söde. Im Oberdeutschen sagt man, die Hände mit im Sode haben, mit im Spiele. Es scheinet, daß mit diesem Worte auf das Siegen, das ist, Rauschen und Brausen, sinnlicher Vergnügungen gezielet werde.


Sod (W3) [Adelung]


3. Der Sod, plur. car. ein größten Theils veraltetes, und nur in der R. A. der Sod brennet mir, das Sodbrennen haben, mit dem Sode geplatzt seyn, übliches Wort, wodurch man eine brennende Empfindung bezeichnet, welche sich von dem Wagenmunde bis in den Schlund erstrecket, und von einer verderbten Säure im Magen herrühret; Pyrosis, Franz. Soude. Im Angels. Seada, Nieders. Sood. Man könnte es von 1 Sod, Brunnen, Schlund, ableiten, wenn es nicht wahrscheinlicher wäre, daß es ein Überrest des alten Sod, Krankheit ist, welches bey dem Ulphilas Sauth, und im Schwed. noch jetzt Sot lautet, und wofür wir jetzt Sucht sagen. ( S. Siech und Sucht.) Im Osnabrück. Sagt man für Sodbrennen, Saarbrennen, Soorbrennen, Soorseen, welches entweder zu sauer, oder auch zu dem alten Sehr, Schmerz, zu gehören scheinet. Im Hannöv. heißt es Grallen.


Soda,Sode,Soude (W3) [Adelung]


Die Soda, Sode oder Soude, plur. car. aus dem Spanischen Soda, Französischen Soude, ein feuerbeständiges mineralisches Laugensalz, welches eine Art Pottasche ist, und durch Einäschern gewisser am Ufer des Meeres wachsender Pflanzen erhalten wird, besonders von einer Art des Salzkrautes, welches in den salzigen Gegenden des mittägigen Europa wächset, Salsola Soda Linn. Im Deutschen pflegt man dieses Salz auch Aschensalz, Soersalz, Schmalzsalz zu nennen.


Sodann (W3) [Adelung]


Sodann, S. So

Anm. 2.


Sodbrennen (W3) [Adelung]


Das Sodbrennen, des -s, plur. car. S. 3 Sod.


Sodbrot (W3) [Adelung]


Das Sodbrot, des -es, plur. inus. die Hülsenfrucht eines in Italien und den Morgenländern einheimischen Baumes, welche das Sodbrennen, und überhaupt die Säure des Magens dämpfet, daher der Baum, welcher sie trägt, Sodbrotbaum genannt wird; Ceratonia Linn.


Sode (W3) [Adelung]


Die Sode, S. Sod, ingleichen Soda.


Sodomit (W3) [Adelung]


Der Sodomit, des -en, plur. die -en, Fämin. die Sodomitinn. 1. Die Einwohner der ehemahligen Stadt Sodom in Palästina. 2. Eine Person, welche sich der Sodomiterey schuldig macht oder schuldig gemacht hat. S. das folgende.


Sodomiterey (W3) [Adelung]


Die Sodomiterey, plur. die -en, die Sünde Sodoms, das Verbrechen, welches ehedem in dieser Stadt herrschte und in der unnatürlichen Vermischung mit Personen einerley Geschlechtes bestand, und wovon die Knabenschänderey eine Art ist. Daß dieses die eigentliche Sünde Sodoms gewesen, erhellet aus 1 Mos. 19, 4. In weiterer Bedeutung wird auch die unnatürliche Vermischung mit Thieren Sodomiterey genannt. Sodomiterey begehen. In dem Schwabensp. Kap. 166, V. 23 heißt es, die Pfaffen hätten Kaiser Friedrich verleumdet, und ihm nachgesagt, er uuaer Sodomitte, oder er habe daz Vihe geunraint, oder er si ain ketzer. S. Ketzer, welche ehedem gleichfalls in diesem Verstande gebraucht wurde.


Sodomitisch (W3) [Adelung]


Sodomitisch, adj. et adv. in der Sünde Sodoms gegründet, derselben ähnlich.


Soersalz (W3) [Adelung]


Das Soersalz, S. Soda.


Sofern (W3) [Adelung]


Sofern, richtiger so fern, S. Fern und So

Anm. 2.


Soff (W3) [Adelung]


Der Soff, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte saufen, nur in den niedrigen Sprecharten. 1. Die Fertigkeit des Saufens. Dem Soffe ergeben seyn. 2. Die Handlung des Sausens, ein unmäßiger Trunk. Einen Soff thun. Auf Einem Soffe austrinken. 3. Ein Getränk. Ein elender, ein guter Soff.


Sofort (W3) [Adelung]


Sofort, S. So

Anm. 2.


Sog (W3) [Adelung]


Der Sog, des -es, plur. die -e, ein nur bey den Schiffern und in der Schifffahrt in doppeltem Verstande übliches Wort. 1. Die Spur, welche das Schiff in Segeln auf der Fläche des Wassers zurück lässet, und auch das Fahrwasser genannt wird. Ein Schiff legt in das andern Sog oder Fahrwasser, wenn es dessen Spur nachfähret. 2. Ein Kasten im Schiffe hinten am Besanmaste, welcher bis auf den Boden des Schiffes gehet und in welchen sich das Wasser ziehet, welches in das Schiff kommt.

Anm. Es stammet allem Ansehen nach von ziehen ab. Im Niedersächsischen wird Sog mehrmahls für Zug gebraucht; der Sog oder Sogwind, ist daselbst die Zugluft. In der zweyten Bedeutung tritt auch der Begriff des Saugens und Siegens mit ein, von welchen bey den das erstere ein Intensivum von ziehen ist.


Sogar (W3) [Adelung]


Sogar, S. so

Anm. 2 und Gar.


Sogbaum (W3) [Adelung]


Der Sogbaum, des -es, plur. die -bäume, in den Salzhütten, viereckte Bäume, welche über der Pfanne liegen, die Körbe darauf zu setzen, wenn das Salz aus den Pfannen darein geschüttet wird, damit die folgende oder abtriefende Sohle wieder in die Pfannen laufen könne. S. Sogen.


Sogbrüstung (W3) [Adelung]


Die Sogbrüstung, plur. die -en, im Schiffbaue, die Abnahme des Schiffes am Vorder- und Hintertheile nach unten zu; vielleicht von sitzen, sinken, abnehmen.


Sogen (W3) [Adelung]


Sogen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert aber nur in den Salzsiedereyen üblich ist. Es wird daselbst in doppeltem Verstande gebraucht. 2. Für triefen, tropfen. Das Wasser von den Salzkörben sogen lassen; wofür daselbst auch das Intensivum socken üblich ist. 2. Das Salz soget, d. i. körnet sich, krystallisiret sich, indem es dabey gleichfalls auf den Boden der Pfanne sinket; wofür auch socken gebraucht wird. Auf ähnliche Art bedeutet sintern, so wohl tropfenweise rinnen, als auch gerinnen. So auch das Sogen.

Anm. Dieses Zeitwort scheinet eine bloße gröbere Aussprache von siegen, sinken, zu seyn, welches unter andern auch von flüssigen Körpern gebraucht wird, und wovon siekern, sichern u. s. f. veränderte Formen sind.


Sogleich (W3) [Adelung]


Sogleich, S. So

Anm. 2.


Sogpfanne (W3) [Adelung]


Die Sogpfanne, plur. die -n, in den Salzhütten, eine eigene Art Pfannen, worin die Sohle zum Sogen, d. i. Körnen und Anschießen, gebracht wird.


Sogspan (W3) [Adelung]


Der Sogspan, des -s, plur. die -späne, Stückchen Breter, welche in Gestalt eines halben Zirkels ausgeschnitten sind, und auf die Sogbäume gelegt werden, die Salzkörbe darauf zu setzen, damit die Sohle absogen oder abtriefen könne.


Sogstiel (W3) [Adelung]


Der Sogstiel, des -es, plur. die -e, eben daselbst, der Stiel an den Salzschaufeln; womit das gesogte Salz aus der Pfanne genommen wird.


Sohlbeere (W3) [Adelung]


Die Sohlbeere, plur. die -n, ein Nahme der schwarzen Johannis-Beere, vielleicht von dem alten sal, schwarz, schmutzig. Siehe Johannis-Beere und 1 Sahl.


Sohlberg (W3) [Adelung]


Der Sohlberg, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, Berg oder Berge, d. i. taubes Gestein, welches sich in der Mitte zwischen zwey Trümmern oder Armen eines Ganzes befindet, und wegen seiner Gestalt auch Keilberg genannt wird. Die Bedeutung der ersten Hälfte ist hier nicht ganz deutlich. S. indessen 1 Sahl, Rand.


Sohle (W3) [Adelung]


Die Sohle, plur. die -n, ein Wort, welches so wie 1 Sahl sehr vielfacher Bedeutungen nicht nur fähig ist, sondern zum Theil wirklich in denselben gebraucht wird. Es bedeutet: 1. Salzwasser, besonders natürliches, so wie es aus der Erde quillet, in welchem Verstande es besonders in den Salzsiedereyen üblich ist. Das Salz wird aus der Sohle gesotten. Die Sohle geht zu Salz, wenn sich das Salz in derselben körnet oder krystallisiret. Die Wilde Sohle, das nach der Krystallisation übrig gebliebene Wasser, ( S. Mutterlauge.) In dieser Bedeutung ist der Plural nur von mehrern Arten oder Quantitäten üblich. Nieders. Söle, Wend. Ssol. Diese Bedeutung ist eine der ältesten und mit Salz, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, genau verwandt. 2. Mit dem herrschenden Begriffe der Flüssigkeit, oder auch des Schmutzes, der Unreinigkeit, ist die Sohle bey den Jägern einiger Gegenden, eine Pfütze, ein Sumpf, worin sich das Hirsch- und Schweinwildbret abzukühlen pflegt, wo es zunächst aus Sudel zusammen gezogen zu seyn scheinet, und auch Sohllache, Suhllache lautet. S. Sudel. 3. Mit dem Hauptbegriffe der Ausdehnung in die Breite oder Länge, und als ein Verwandter von Schalle ist die Sohle, (1) Bey den Mundärzten, ein langes hohles Werkzeug, worein die zerbrochenen Glieder zur Heilung gelegt werden, wo es aber auch den Begriff der Vertiefung, des hohlen Raumes leidet. (2) Eine Art Plattfische oder Schollen mit einem länglichen und ganz scharfen Körper, welche wegen der Ähnlichkeit ihrer Gestalt auch Zungen genannt werden; Pleuronectes Solea Linn. Franz. Sole, im Niederdeutschen werden sie Scharren genannt. 4. Mit dem herrschenden Begriffe der Tiefe, des Untersten, ohne doch den Begriff der Ausdehnung auszuschließen, ist es noch in sehr vielen einzelnen Fällen gangbar. So wird die horizontale Grundlinie und Grundfläche bey den Markscheidern, im Bergbaue u. s. f. häufig die Sohle genannt. So ist die Sohle bey den Markscheidern die Grundlinie eines rechtwinkeligen Triangels, im Bergbaue die Horizontale Grundfläche eines Stollens. Die steinernen oder eisernen Platten in den Pochwerken, woraus gepocht wird, heißen die Pochsohlen. Bey den Zimmerleuten heißt ein jeder horizontal auf der Erde liegender Balke, so fern er die erste Grundlage zu einer Verbindung gibt, so wohl die Sohle als die Schwelle, welches letztere genau damit verwandt ist; Ital. Soglia, Nieders. Sül. Auch das Lat. Solum war in dieser Bedeutung üblich. Die untere horizontale Fläche an einem Pflughaupte und das eiserne Beschläge derselben führet gleichfalls den Nahmen der Sohle. Bey den Tischlern ist es die untere glatte Fläche des Hobels, welche auch die Bahn genannt wird. Die hornartige Klaue an dem Wildbrete heißt bey den Jägern die Sohle oder Schale wo es aber auch den Begriff des hohlen Raumes leidet. Eben so ist die Sohle an dem Pferdehufe das dünne Herrn zwischen dem untern starken Horne, welches das Hufeisen träget, und dem Strahle, welche auch die Fleischsohle genannt wird, zum Unterschiede von der untern Hornsohle. An dem menschlichen Fuße ist die Sohle oder Fußsohle die unter Fläche des Fußes, worauf man gehet, daher auch derjenige Theil der Kleidungsstücke, welcher diese Fläche bedecket, die Sohle genannt wird. Die Sohle eines Strumpfes, die Strumpfsohle, die Sohle eines Schuhes, die Schuhsohle, welche gemeiniglich von starkem dicken Leder ist, ( S. Sohlleder.) In dieser letztern Bedeutung im Nieders. Sale, im Angels. Sol, im Engl. Sole, im Schwed. Sola, im Ital. Suola, im Span. Suele. Da diese Sohle der Haupttheil des Schuhes ist, ja die ältesten Schuhe fast bloß aus Sohlen bestanden, so führeten ehedem auch manche Arten derselben den Nahmen der Sohlen. Bey dem Ulphilas ist Suljan ein Pantoffel, und in einigen Oberdeutschen Gegenden werden die Pantoffeln noch jetzt Sohlen genannt. Im Franz, ist Soulier ein jeder Schuh. Die Übereinstimmung mit dem Lat. Solea ist keine Folge der unmittelbaren Abstammung von erstem, sondern vielmehr des gemeinschaftlichen Ursprunges der Europäischen Sprechen, daher auch die Schreibart Sohle mit einem h untadelhaft ist, weil es nur der Deutschen Sprache eigen ist, von den Liquidis ein h hergehen zu lassen. Siehe von allen diesen Bedeutungen des Wortes Sohle 1 Sahl, wo ihre Verwandtschaft ausführlicher gezeiget worden.


Sohlenriß (W3) [Adelung]


Der Sohlenriß, des -sses, plur. die -sse, im Bergbaue, dasjenige, was in andern Fällen der Grundriß ist, von Sohle, die Grundfläche; zum Unterschiede von einem Seigerrisse.


Sohlenzwecke (W3) [Adelung]


Die Sohlenzwecke, plur. die -n, bey den Schustern, eine Art Zwecken mit doppelten Köpfen, die Schuhsohlen an die Leisten anzuzwecken.


Sohley (W3) [Adelung]


Das Sohley, des -es, plur. die -er, in denjenigen Gegenden, wo Salzsiedereyen sind, Eyer, welche in Sohle, oder von Natur salzigem Wasser, hart gesotten worden, und dadurch gesalzen werden.


Sohlfaß (W3) [Adelung]


Das Sohlfaß, des -sses, plur. die -fässer, in den Salzsiedereyen, ein großes Faß, worein die Sohle getragen und hernach daraus wieder in die Pfannen geschöpft wird.


Sohlhammer (W3) [Adelung]


Der Sohlhammer, des -s, plur. die -hämmer, bey den Schustern, ein Hammer, womit das Sohlleder gerade und fest geschlagen wird.


Söhlig (W3) [Adelung]


Söhlig, adj. et adv. welches von Sohle 4, die horizontale Grundfläche, nur im Bergbaue üblich ist, wo es für horizontal, gebraucht wird; Gegensatze des seiger oder perpendiculär.


Sohlkunst (W3) [Adelung]


Die Sohlkunst, plur. die -künste, in den Salzsiedereyen, eine Wasserkunst, die Salzsohle aus dem Salzbrunnen zu fördern.


Sohllache (W3) [Adelung]


Die Sohllache, plur. die -n, s. Sohle 2.


Sohlleder (W3) [Adelung]


Das Sohlleder, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. starkes Leder, so wie es zu den Schuhsohlen gebraucht wird.


Sohllinie (W3) [Adelung]


Die Sohllinie, plur. die -n, im Bergbaue, die horizontale Linie. S. Sohle 4.


Sohlmeister (W3) [Adelung]


Der Sohlmeister, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Salzwerken, z. B. zu Aldendorf im Hessen, ein Aufseher über die Bornknechte bey Ausschöpfung der Sohle.


Sohlrinne (W3) [Adelung]


Die Sohlrinne, plur. die -n, in den Salzsiedereyen, hölzerne Rinnen, die Salzsohle aus dem Sohlfasse in die Pfanne zu leiten.


Sohlröhre (W3) [Adelung]


Die Sohlröhre, plur. die -n, eben daselbst, Röhren, durch welche die Sohle aus dem Brunnen in die Salzkothe geleitet wird.


Sohlschacht (W3) [Adelung]


Der Sohlschacht, des -es, plur. die -schächte, eben daselbst, ein, Schacht über der Salzquelle, worin die Sohlkunst stehet.


Sohlschwiene (W3) [Adelung]


Die Sohlschwiene, plur. die -n, am Pfluge, eine Schwiene, d. i. lange eiserne Schiene am Pflughaupte, welche die Sohle desselben bedecket; ingleichen die Sohle unter dem Streichbrete. Von der letzten Hälfte diese Wortes, S. 1 Schwein.


Sohlstein (W3) [Adelung]


Der Sohlstein, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue ein viereckter Stein, so fern er die Sohle der Anzucht eines Schmelzherdes ausmacht.


Sohlstück (W3) [Adelung]


Das Sohlstück, des -es, plur. die -e, dasjenige Stück, welches die Sohle, d. i. die Grundfläche eines Dinges ausmacht. An den Fenstern ist das Sohlstück oder die Grundfläche des Fensters dem Sturze oder der obern Fläche entgegen gesetzet. Im Hüttenbaue ist es der starke Boden des Pochkastens, worauf die Pochstämpel treffen.


Sohlwage (W3) [Adelung]


Die Sohlwage, plur. die -n, eine Art hydrostatischer Wagen, den Salzgehalt der Salzsohle damit zu bestimmen; die Salzwage.


Sohlwanne (W3) [Adelung]


Die Sohlwanne, plur. die -n, in den Salzsiedereyen, große Wannen, die Sohle daraus in die Pfannen zu schöpfen. Man bedienet sich ihrer statt der größern Sohlfässer.


Sohn (W3) [Adelung]


Der Sohn, des -es, plur. die -söhne, Diminut. das Söhnchen, Oberd. Söhnlein, eine Person männlichen Geschlechtes, so fern sie ihr Wesen durch mittelbare Mittheilung von einer andern empfangen hat; dem Ursprunge, der Erhaltung und dem Eigenthume nach in derselben gegründet ist; so wie Tochter, eine solche Person weiblichen Geschlechtes bedeutet. 1. Im engsten Verstande, in Beziehung auf die unmittelbaren Ältern, d. i. so wohl auf den Vater als auf die Mutter. Jemandes Sohn seyn. Von einem Söhnchen entbunden werden. Der erstgeborne Sohn. Ein nachgeborner, angenommener, ehelicher, natürlicher Sohn. Der Schwester Sohn, oder Schwestersohn, des Bruders Sohn, oder Bruderssohn. 2. In weiterer Bedeutung. (1) In Beziehung auf die entfernten Stammältern; eine nur in der biblischen du höhern Schreibart übliche Bedeutung. Christus war der Sohn Davids. Die Söhne Adams, alle von ihm abstammende Menschen männlichen Geschlechtes. (2) Oft ist es auch eine Person männlichen Geschlechtes, zwischen welcher und einer andern nur eine Ähnlichkeit des Verhältnisses, in Ansehung der Erhaltung, der Erziehung, des Unterrichtes u. s. f. statt findet. Ein Pflegesohn, Stiefsohn, Schwiegersohn, Beichtsohn. Daher in noch weiterm Verstande ältere Personen jüngere Personen männlichen Geschlechtes, welche den Jahren nach unmittelbar von ihnen abstammen könnten; in der vertraulichen Sprechart mit mein Sohn anzureden pflegen. (3) In den biblischen Schreibart werden alle vernünftige Geschöpfte männlichen Geschlechtes, so fern sie alle in Gott gegründet sind, Sohne Gottes genannt, unter welche Benennung auch zuweilen die Engel vorkommen. In noch weiterm Verstande ist nach einer morgenländisch. Figur in der Deutschen Bibel der Sohn eine männliche Person; deren nähere Beschaffenheit durch ein beygefügtes Hauptwort ausgedruckt wird. Söhne der Bosheit, boshafte Leute männlichen Geschlechtes Söhne des Unglaubens u. s. f. welche sonst im Deutschen ungewöhnliche Figur auch wohl in der höhern Schreibart nachgeahmet wird. Söhne der Natur, im Stande der Natur lebende Personen männlichen Geschlechtes. Du Sohn der Freyheit u. s. f.

Anm. In dem Isidor Sunu, bey dem Kero, Ottfried u. s. f. Sun, im Nieders Säne, bey dem Ulphilas Sunus, im Angels. Sune, in den Slavonischen Mundarten Syn. Es ist sehr wahr- scheinlich, daß der Begriff der Verwandtschaft, der Verbindung in diesem Worte der herrschende ist, da es denn zu Zunft, dem alten Allemannischen Sune, Herde, Familie, zu Gesinde und vielleicht auch zu dem Zeitworte söhnen gehören würde. Da der Griechische Hauch in andern Sprachen häufig in ein s übergehet das n aber ein bloßer Endlaut ist, so muß auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - als ein Verwandter angesehen werden. Das Fämininum die Sohnin oder Söhnin ist längst veraltet, indem dafür Tochter eingeführet worden. Indessen wird doch im einigen Oberdeutschen Gegenden eine Schnur oder Schwiegertochter noch Söhninn, Söhnerinn oder Sühnerinn genannt. Ehe die eigentlichen Geschlechtsnahmen üblich wurden, und noch jede Person ihren eigenen Nahmen führete, war es sehr gebräuchlich, diesem Nahmen noch den Nahmen des Vaters mit dem Beysatze Sohn beyzufügen, und sich dadurch von andern gleiches Nahmens zu unterscheiden. Diese noch unter den heutigen Juden, Russen und Morgenländern übliche Gewohnheit ist sehr alt, und findet sich schon in den ersten Altern der Welt. Sie war ehedem auch in dem nördlichen Europa bis in Friesland gangbar. Jacob Anders Sohn, Jacob Andreä Sohn. Paul Dirks (Dietrich) Sohn. Mit der Zeit ward dieses Sohn in sen und gar nur in s verkürzt, und dem Nahmen des Vaters angehänget, der denn nachmahls in dieser Gestalt gar zu einem Geschlechtsnahmen wurde. Jacob Andersen oder Anders, Paul Dirksen oder Dirks, daher denn die noch jetzt in Deutschland, besonders in dessen nördlichem Theile gangbaren Geschlechtsnahmen Lüders, Petersen oder Peters, Claussen, Jacobs, Martens, Elers u. s. f. entstanden sind. Im Lateinischen druckt man dergleichen Nahmen durch den Genitiv aus, so daß filius darunter verstanden wird: Jac. Andreae, Paulus Dieterici u. s. f. welche Form denn gleichfalls sehr oft zu einem gangbaren Geschlechtsnahmen geworden ist, wohin die Nahmen Andreä, Pauli, Christiani, Fridrici, Martini und so ferner gehören.


Söhnen (W3) [Adelung]


Söhnen, verb. reg. act. welches außer der Zusammensetzung veraltet ist, und nur noch zuweilen in der dichterischen Schreibart gebraucht wird. Es bedeutete ehedem, dem Streit und Unwillen bey andern heben, sie besänftigen, zu Frieden stellen, es geschehe nun durch gütliche Verstellung, oder durch Abtrag und Genugtuung, oder auch durch richterliche Entscheidung des Streites. David sprach zu den Gibeonitern: was soll ich thun, und womit soll ich (euch) söhnen? 2 Sam. 21, 3; was soll ich auch für Genugthuung geben, um euch zu besänftigen? Scheltworte kann man söhnen, Sir. 27, 23. Es wird ein Unfall auf dich fallen, dich du nicht söhnen kannst, Es. 46, 11. Wir gebrauchen es nur noch in den Zusammensetzungen aussöhnen und versöhnen, doch nur noch in eingeschränkter Bedeutung. So auch die Söhnung.

Anm. Ehedem auch sühnen, bey dem Kero, Ottfried u. s. f. suanan, im Nieders. gleichfalls sönen, im Schwed. und Isländ. försona. Das Hauptwort der Sohn, noch häufiger aber, die Söhne, Sühne, bey dem Ulphilas Saun, die Beylegung streitiger Händel, ingleichen ein Vertrag, Vergleich, ist noch mehr veraltet. Bey dem Kero ist suanan richten, Suana, das Gericht und Suanar, Suano, der Richter, weil das Recht sprechen auch nichts anders ist, als ein Söhnen, oder eine Ausgleichung streitiger Parteyen. Es gehöret entweder gleichfalls zu Sohn, so daß der Begriff der Vereinigung, Verbindung der herrschende ist, oder auch zu sanft, indem besanftigen in ähnlichem Verstande gebraucht wird.


Söhnopfer (W3) [Adelung]


Das Söhnopfer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Deutschen Bibel und bey den ältern Juden, ein Opfer, welches zur Aussöhnung oder Versöhnung für eine begangene Sünde gebracht werden mußte, daher es auch das Sündopfer hieß. Bey dem Ottfried nur Sün.


Sohnschaft (W3) [Adelung]


Die Sohnschaft, plur. car. ein von einigen Neuern gewagtes gutes Hauptwort, die Eigenschaft, das Verhältniß zu bezeichnen, nach welchem jemand des andern Sohn ist.


Soje (W3) [Adelung]


Die Soje, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, ein Art Zeug, welches von gekämmter Wollen gewebet, und besser als Rasch ist, weil es auf der rechten Seite glätter ist. Aus dem Ital. Soja, Franz. Soje, im Mittlern Lat. Essaium. Ehedem nannte man es auch Cardies, Carties, Catties, von dem Franz. carder, Wolle kämmen.


Solcher (W3) [Adelung]


Solcher, solche, solches, ein Pronomen, welches demonstrativ-relativ ist, und sich entweder auf ein vorhergehendes oder auf ein nachfolgendes Subject beziehet. Es ist wiederum. 1. Conjunctiv, wenn es sein Hauptwort bey sich hat. Alle solche Schriften können mir nicht gefallen, von der im vorhergehenden beschriebenen Art. Von solchem Kampfe wird mein Herz gefoltert. Ich kann es solcher Gestalt nicht thun auf solche Art. Solchen Glauben habe ich in Israel nicht funden, Matth. 8, 10. Wo es oft für so groß, so sehr, so viel u. s. f. stehet. Wenn zwischen solches und seinem Hauptworte ein anderes Beywort stehet, so kann das -es von dem ersten in der vertraulichen Sprechart verschwiegen werden; weil es solche schönes Wetter ist, für solches schönes Wetter. Die solch gutes Deutsch schreiben, Gottsch. Dieses Fürwort leidet den unbestimmten Artikel ein, ingleichen das Wort kein vor sich. Er ist auch ein solcher Mann. Er ist solcher Mann. Eine solche Heldenthat traute ich ihm nicht zu. Wer sollte einen solchen Ausgang vermuthet haben. Wofür man im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart gern so ein sagt. So eine Heldenthat traute ich ihm nicht zu. Wer sollte so einen Ausgang vermuthet haben. Der unbestimmte Artikel kann in diesen Fällen auch hinter dem Fürworte stehen, da es aber, so wie welch, die Gestalt eines Nebenwortes bekommt, und seine Endsylbe verlieret. Solch eine Heldenthat traute ich ihm nicht zu. Wer sollte solch einen Ausgang vermuthet haben. Solch ein Mann. Welche Form, wo solch für das bloße so stehet, doch auch der vertraulichen Sprechart am angemessensten ist. 2. Absolut, so daß das Hauptwort verschwiegen wird. Man bestraft die Fehler an den Kindern, damit sie solche nicht mehr begehen, selbige, dieselben. Gib es solchen, welche es verdienen. Das sey fern von mir, solches zu thun, 1 Mos. 44, 17. Israel soll solches thun, 2 Mos. 12, 47. Solches mußte Christus leiden, Luc. 24, 26. Solcher ist das Himmelreich, Matth. 19, 4. Ingleichen mit dem unbestimmten Artikel, und mit kein. Er ist auch kein solcher. Einen solchen habe ich noch nicht gesehen. Er ist kein solcher, als du glaubst. Ein Fehler des gemeinen Lebens ist es, dieses Fürwort statt des persönlichen er, sie, oder der relativen derselbe, selbiger, und es, zu setzen. Cajus ist angekommen, und solcher will, oder es will solcher weiter reisen. Die Engländer weigern sich Truppen zu halten, auch wollen solche die Gnadengehalte nicht auszahlen.

Anm. Dieses Fürwort ist aus der Partikel so, und vermuthlich zunächst aus dem Relativo, und der Ableitungssylbe lich gebildet, ohne Zweifel ursprünglich in der Absicht, diese Partikel als ein Beywort gebrauchen zu können. Diese Zusammensetzung erhellet aus allen alten Formen dieses Wortes. In dem Isidor, bey dem Kero und Ottfried lautet es solih, und bey denjenigen Schriftstellern, welche für so swa, sam, sus, gebrauchen, swaleik, wie beym Ulphilas, im Angels. zusammen gezogen swilk, bey dem Notker suslih, alsuslih, bey dem Hornegk samlih u. s. f. Manche Mundarten ziehen dieses solch noch mehr zusammen, wie die Niedersachsen in ihrem suk, wofür sie aber auch sule sagen, wie die Engländer in ihrem such, die Schweden in ihrem sok, ehedem solik u. s. f. Auf ähnliche Art ist unser welcher aus wer, wo und ich, und das Schwed. dylik, tolik, tocken, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Lat. talis, aus dem Artikel der, da und lich zusammen gesetzt.


Solchenfalls (W3) [Adelung]


Solchenfalls, richtiger solchen Falls, ein Nebenwort, welches in den Kanzelleyen und im gemeinen Leben für in solchem Falle üblich ist.


Solcherley (W3) [Adelung]


* Solcherley, ein unabänderliches Beywort, welches im Hochdeutschen veraltet ist, für von solcher Art. Welcherley der irdische ist, solcherley sind auch die irdischen. 1 Cor. 15, 48. Das Speisopfer, das du von solcherley manchen willt, 3 Mos. 2. 8.


Sold (W3) [Adelung]


Der Sold, des -es, plur. car. dasjenige, was man einem andern für seine geleisteten Dienste bezahlet, der Lohn. Der Tod ist der Sünden Sold, Röm. 6, 23. Wo es doch nur noch in engerer Bedeutung von demjenigen Gelde gebraucht wird, welches man Truppen und Soldaten für ihre Kriegsdienste bezahlet. Um Sold dienen. Truppen in Sold nehmen. Den Truppen ihren Sold auszahlen. Der Monathssold. Im gemeinen Leben und von dem Solde gemeiner Soldaten ist dafür Löhnung üblich. In andern Fällen, ist von solchem Solde, welchen man jemanden für seine beständigen Dienste entrichtet, das zusammen gesetzte Besoldung üblicher, außer wo von körperlichen Diensten Lohn eingeführet ist. Nur in den höhern Schreibart wird Sold noch zuweilen für Besoldung und Lohn überhaupt gebraucht.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern Solt, bey einigen im ungewissen Geschlechte das Soltz, im Engl. und Schwed. Sold, im Ital. Soldo, im Franz. Solde, im Span. Sueldo, alle von dem Lohn der Soldaten und Truppen, auf welche es sehr früh eingeschränkt zu seyn scheint. Die Ähnlichkeit des Klanges mit Salz hat viele verleitet, es von diesem Worte abzuleiten, ungeachtet es nirgends erweislich ist, daß man jemahls Salz statt des Soldes gegeben. Es stammet vielmehr mit Salarium, soluere, und zahlen, von dem alten sellen, geben, übergeben, her, welches bey den Oberdeutschen Schriftstellern häufig genug vorkommt, und im Schwed. sälja lautet. Von diesem Zeitworte war Sal im Schwedischen ehedem Geldstrafe, welche für einen begangenen Mord bezahlet wurde, und im Isländ. ist Söl noch jetzt ein jedes Geschenk, ingleichen eine Gabe, Belohnung, welche Bedeutung unser Sold ehedem unstreitig auch gehabt hat.


Soldat (W3) [Adelung]


Der Soldat, des -en, plur. die -en, derjenige, welcher sich gegen einen gewissen Sold eidlich zu Kriegsdiensten verpflichtet hat. So wohl überhaupt, ohne Rücksicht auf den Stand. Ein guter, ein schlechter Soldat. Ein Landsoldat, zum Unterschiede von den See- oder Schiffssoldaten. Ein Stadtsoldat, zum Unterschiede von einem Feldsoldaten. Als auch im engerer Bedeutung, von den gemeinen Personen dieses Standes, zum Unterschiede von den Officiers. Ein gemeiner Soldat, welcher oft nur Soldat schlechthin genannt wird. Auch die eben gedachten Zusammensetzungen werden häufig in dieser engern Bedeutung gebraucht. Anm. Im Schwed. gleichfalls Soldat. Der Stand des Tones, welcher auf der Ableitungssylbe und nicht auf dem Stammworte lieget, zeiget schon, daß dieses Wort aus einer fremden Sprache entlehnet worden, obgleich das Stammwort Sold Deutsch genug ist. Es ist aus dem Ital. Soldato oder Soldado, im Gascognischen Souldat; ohne Zweifel, weil die eigentlichen Lohnsoldaten Italiänischen Ursprunges sind. Nach der ältesten Kriegsverfassung der Deutschen machten die Dienstleute den Kern der Kriegsheere aus, deren Unterthanen und Leibeigene die Stelle der gemeinen Soldaten vertraten, und Knechte, Kriegsknechte, Reifige, von Reise, Feldzug, Heermänner u. s. f. hießen. Als nachmahls die Lohnsoldaten aufkamen, wurden selbige von dem Solde, welchen sie erhielten, Söldner, im mittlern Lat. Solidarii, Engl. Soldiers genannt, bis endlich in den spätern Zeiten das ausländische Soldat, auch das Deutsche Söldner wieder verdrängete.


Soldatengalgen (W3) [Adelung]


Der Soldatengalgen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Galgen, an welchen nur allein die Ausreißer unter den Soldaten gehenket werden, und welcher gemeiniglich aus einer Säule mit einem Querbalken bestehet; zum Unterschiede von einem Diebesgalgen.


Soldatengeld (W3) [Adelung]


Das Soldatengeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, Geld, welches von den Unterthanen zum Unterhalte der Soldaten gegeben und an einigen Orten auch die Soldatensteuer genannt wird. Ehedem hieß es das Knechtgeld. Auch dasjenige Geld, welches für die Wohnung der Soldaten gegeben, oder wodurch die Einquartierung abgekauft wird, mit einem Französischen Kunstworte Service, wird in einigen Provinzen das Soldatengeld oder die Soldatensteuer genannt.


Soldatenspiel (W3) [Adelung]


Das Soldatenspiel, des -es, plur. die -e, eine Art des Kartenspieles, welches aus 36 Blättern bestehet, welche von d. m. General an, bis zu dem Trommelschläger und Bagage-Wagen gehen.


Soldatisch (W3) [Adelung]


Soldatisch, adj. et adv. nach Art der Soldaten, im gemeinen Leben. Ein halb soldatisch Wesen, Günth.


Sölde (W3) [Adelung]


* Die Sölde, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, übliches Wort, welches überhaupt ein geringes Haus, eine Hütte, ein Koth bedeutet, aber vorzüglich von einer gedoppelten Art solcher geringer Häuser gebraucht wird. 1. In Baiern, dem Öttingischen u. s. f. ist die Sölde, ein geringes Haus auf dem Lande, entweder ohne allen Acker, oder doch nur mit wenigem Acker, in welchem letztern Falle ein solches Bauergut, welches aus einem geringen Hofe und wenigem Acker bestehet, der etwas dem vierten Theil eines völligen Bauergutes ausmacht, ein Söldengut oder Köblergut genannt wird, welches eben das ist, was in Ober- oder Niedersachsen ein Kothsassen- oder Kossatengut heißt. Der Besitzer eines solchen Gutes führet daher den Nahmen eines Söldeners oder Köblers, in Ober- und Niedersachsen ein Kossat oder Kothsaß. 2. In den Salzwerken einiger Gegenden, z. B. in Frankenhausen, ist die Sölde ein geringes Haus, worauf das Recht haftet, eine gewisse Quantität Salz zu sieden, welches in Halle und an andern Orten gleichfalls den Nahmen eines Kothes führet. Derjenigen, welcher eine solche Sölde besitzet, wird daselbst ein Sölder genannt. Anm. Dieses Wort wird auch, und zwar richtiger, Selde geschrieben und gesprochen, und ist ein Verwandter, entweder von Siedel, siedeln, oder auch von Sahl, ein Gebäude, Wohnhaus, so daß es eigentlich ein jedes Gebäude bedeuten würde, ( S. 1. Sahl.) In der letzten Bedeutung leitet Frisch es von Salz her; allein da es auch hier mit dem andern Orten üblichen Koth gleich bedeutend ist, und dieses Wort auch Salzsölde lautet, so ist es wahrscheinlicher, daß auch hier die allgemeinere Bedeutung vorwaltet.


Sölder (W3) [Adelung]


Der Sölder, des -s, plur. ut nom. sing. der Besitzer einer Salzsölde, S. das vorige.


Söldner (W3) [Adelung]


1. Der Söldner, des -s, plur. ut nom. sing. der Eigenthümer einer Sölde auf dem Lande, ein Häusler, Kothsaß, S. das vorige.


Söldner (W3) [Adelung]


2. Der Söldner, des -s, plur. ut nom. sing. von Sold, derjenige, welcher um Sold oder Lohn dienet. Besonders wurden die Lohnsoldaten ehedem Söldner genannt, ehe das ausländische Soldat eingeführet wurde. Jetzt wird es, dichterische Schreibart etwa ausgenommen, wenig mehr gehöret. S. Soldat und Sold.


Sollen (W3) [Adelung]


Sollen, verb. reg. neutr. ich soll, du sollst (nicht sollt), er soll u. s. f. Imperf. ich sollte; Mittelw. gesollt. Es erfordert das Hülfswort haben, und bedeutet überhaupt, zu etwas verbunden seyn, wird aber in verschiedenen Bedeutungen gebraucht. 1. Durch eine Pflicht oder Schuldigkeit zu etwas verbunden seyn oder werden. (1) Überhaupt. Ein anderer karget, da es nicht soll, Sprichw. 11, 24. Sprichw. Wenn wir thäten, was wir sollten, so thäte Gott, was wir wollten. Besonders im Conjunctivo. Du solltest es billig thun. Ich sollte wohl schreiben. Solche Leute sollte man strafen. Sie sollten sich schämen. Du hättest früher aufstehen sollen. Wie sorgfältig sollte man seyn, den Fehler in seiner ersten Geburt zu bestrafen! Gell. Der Schlaue hätts nicht thun, und dus nicht glauben sollen, eben ders. (2) In engerer Bedeutung, zur Bezahlung einer Schuld verpflichtet seyn; im gemeinen Leben. Cajus soll mir noch hundert Thaler, d. i. ist sie mir schuldig. Wer mir funfzig Gülden soll, waget zwanzig Gülden dran, Daß er meine Zahlung mir länger noch verzögern kann, Logau. Wer treu bey Hofe dienet, verdient doch lauter Haß. Warum? wem man viel soll, diesem wird man blaß, eben ders. Im Hochdeutschen ist es bey den Kaufleuten in Rechnungen und Rechnungsbüchern am üblichsten, wo es dem haben entgegen gesetzet wird. Cajus soll, d. i. ist schuldig. 2. Durch die Billigkeit zu etwas verbunden seyn, doch nur im Conjunctivo. Du hättest schreiben sollen. Dieß hätte man nicht übersehen sollen. Verzagen sollte nur der Zustand feiger Seelen seyn. 3. Durch einen ausdrücklichen Befehl eines andern verbunden seyn oder werden. (1) Eigentlich, wo es in solchen Fällen gebraucht wird, wo der andere zu befehlen hat. Du sollt (sollst) keine andere Götter haben, 2 Mos. 20, 3. Ihr sollt heilig seyn, 3 Mos 19, 2. Sie besteht darauf, ich soll heute wieder nach Hause, Gell. Da es denn auch oft in solchen Fällen gebraucht wird, wo der Befehlende verschwiegen, oder unbestimmt gelassen wird. Es soll geheirathet seyn. Wenn es denn ja seyn soll. Es hat nicht seyn sollen. Oft wird das Zeitwort, welches die aus dem Befehle entspringende Verbindlichkeit bestimmt, verschwiegen, da denn sollen mit allerley Vor- und Nebenwörtern elliptisch stehet. Was soll ich hier? nämlich machen, thun. Was soll ich? Was soll ich in der Stadt? nämlich machen, thun. Ich weiß nicht was wir sollen. Es soll hinaus. Er soll fort. (2) In weiterer Bedeutung, durch den bestimmtem Willen eines andern verpflichtet oder verbunden seyn; auch nur in solchen Fällen, wo der andere berechtigt ist, bestimmt zu wollen. Es soll noch heute geschehen. Da soll schon Rath werden. Nein, ich verlange nichts, du sollst mir nur verzeihn, Gell. Recht, als ob er der Himmel so hätte haben wollen, daß ich hinter ihre Schliche kommen sollte, Gell. Sie sollen es schon bekommen. Wo gleichfalls der Wollende oft unbestimmt bleibt, der zuweilen in den jedesmahligen Umständen u. s. f. zu suchen ist. Was soll ich sagen? Wem soll ich es anvertrauen? Wem soll man nun glauben? Soll ich unsere Vereinigung mit Sorgen für die Zukunft anfangen? Die, wenn von Wein und Liebe voll, Ein Gast zu viel begehret, Und sie doch etwas missen soll, Am liebsten Band entbehret, Raml. Es ist lustig, zwo Personen zu sehen, die nicht wissen, was sie sich sagen sollen. Sie wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Das soll er wohl bleiben lassen, das darf er nicht thun, ingleichen das ist ihm unmöglich. Aber wie soll man ihm helfen? Oft auch in der Absicht, in dem Endzwecke. Man muß mich rufen, wenn ich kommen soll. Sie muß durch Güte gewonnen werden, wenn ihr Schwur unkräftig werden soll, Dusch. Ingleichen in der Bestimmung, da es denn oft in noch weiterm Verstande so viel als nützen, helfen, bedeutet. Thue die Stücke darein, die hinein sollen, Ezech. 24, 4. Was sollen die sieben Lämmer? 1 Mos. 21, 29; wozu sind sie bestimmt. Was soll doch dieser Unrath? Marc. 14, 4. Herr, was soll aber dieser? Joh. 21, 21. Wozu soll diese Erniedrigung? nähmlich dienen. Was soll das Geschwätz? Liebe Chloe, was sollen diese Kränze? Geßn. Die Person, für welche etwas bestimmt ist, oder welcher es nützen soll, bekommt das Vorwort für, noch häufiger aber die dritte Endung. Sie sollen alle für mein Haus, sie sind für mein Haus bestimmt. Die Esel sollen für das Gesinde, 1 Sam. 16, 2. Was soll mir die Erstgeburt? nämlich helfen, nützen, 1 Mos. 25. 32. Was soll mir das Leben? Kap. 27, 46. Wem soll denn dieser Staus? Gell. für wen ist er bestimmt? Was soll mir das Gold? Geßn. nähmlich nützen. (3) Figürlich. (a) Oft wird es im gebietherisch lehrenden Tone gebraucht, in welchem Falle auch müssen üblich ist. Sie sollen wissen, daß die Sache sich nicht so verhält. (b) Oft gebraucht man es, wenn man eine Sache als wahr, als richtig auf eine Zeitlang zugibt, ohne vor ihrer Wahrheit oder Richtigkeit überzeugt zu seyn. Sie sollen Recht haben, lassen sie mich nur in Ruhe, Gell. Sie sollen mich nicht beleidiget haben, ebend. ich will annehmen, zugeben, daß sie mich nicht beleidiget haben. Ingleichen, wenn man will, daß ein Ding das andere auf eine Zeit lang vorstelle. Dieß hier bin ich, und dieß soll meine Chloris seyn? Gell. 4. Sehr oft dienet es im Conjunctiv zur Einkleidung eines möglichen Falles. Wenn er morgen sterben sollte. Wenn ich es ja nicht wieder bekommen sollte. Sollte er ihm begegnen. Wie, soll es dich vielleicht gereun, Bey mir hier eingesperrt zu seyn? Weiße. Sollte ich meinen besten Freund darüber verlieren. Schade, sprach er, solltest du Baum in dieß wilde Wasser stürzen? Geßn. So auch in Fragen. Sollte es möglich seyn? Sollte der Stolz nicht ein Unkraut seyn, das von einem Feinde der menschlichen Natur auf unser Herz gesäet worden? Gell. Gott sollte ich nicht bewundern, nicht über alles lieben, da er nichts wollen kann, als meine Wohlfahrt? eben ders. Wie lange sollte deine Blüthe und seine Schönheit diese Blumen wohl noch überleben? Dusch. Oft hat es den Nebenbegriff eines deutlichen oder versteckten Wunsches einer möglichen Sache. O, wenn ein Monarch nur eine Wunde meines Mutterherzens fühlen sollte! Ach, wenn sie wissen sollten, wie viel es mich gekostet hat? Wenn sie nur die Gewalt hätten sehen sollen, die sie ihrem Herzen anthat; Gell. für, gesehen hätten. Wenn sie sie nur hätten sollen reden hören, eben ders. Wenn du wissen solltest, wie viel Gutes man mir von ihm erzählet hat! O, hätt' ichs nur verstehen sollen! Doch, wenn ich die Natur nur einmahl recht verstehen sollte, Und was ein Irrlicht sagen wollte, Gell. Wohin denn auch gehöret, wenn es zum Ausdrucke des Modi potentialis gebraucht wird. Ehe er wider die Ehrfurcht gegen Gott handeln sollte, wird er lieber sein Leben verlieren, Gell. Und wenn du mir gleich jetzt die Herde schenken wolltest, So glaube, daß du mir doch nicht bereden solltest, Rost. Der reiche Wollüstige, welcher viel zu satt ist, als daß er an Gott denken sollte. Mir hätte er nicht so kommen sollen. Man sollte glauben, ich sollte denken u. s. f. druckt oft einen hohen Grad der wahrscheinlichen Gründe aus, etwas zu glauben, oder zu denken. Bald sollte ich glauben, daß sie es nicht ist. Allein die Schere, sollt ich glauben, Die könnten sie mir wohl erlauben, Gell. Man sollte darauf schwören, es sey alles wahr, was sie sage, Weiße. Das ist wohlfeil, sollt ich meinen, Wiel. 5. * In einigen gemeinen Mundarten, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes wird es häufig für wollen gebraucht, eigentlich durch seinen eigenen Willen zu etwas bestimmt werden, verbunden seyn. Theuerdank sprach, ich euch folgen soll, Kap. 56. Der Diener merkt den Befehl wol, Sprach, Herr, ich der Sach recht thun sol, Kap. 58. Diesen Man ich recht führen sol, Das er sol wider khomen nit, Kap. 66. Auf welche Art es auch nicht nur in einigen Niederdeutschen Gegenden, sondern auch in einigen nördlichen Sprachen gebraucht wird, im Hochdeutschen aber unbekannt ist. 6. Eben so wird es zuweilen auch für werden gebraucht, das Futurum eines andern Zeitwortes zu bilden, und zwar, (1) Mit dem Nebenbegriffe eines geschehenen Versprechens, einer Bestimmung, wo es doch zunächst zu der vorigen dritten Bedeutung gehöret. Ich soll es wieder bekommen. Figürlich bedeutet die R. A. ich soll es noch wieder bekommen, nicht mehr, als ich habe es bisher noch nicht wieder bekommen. So auch, ich soll ihn noch sehen, ich habe ihn nicht wieder gesehen. Ich soll ja noch hören, daß er versprochen ist, Less. ich habe es noch nicht gehöret. Ich soll mein Geld noch wieder haben, u. s. f. (2) Ingleichen mit dem Nebenbegriffe des in einem Befehl, in einem bestimmten Willen, so wohl unserer selbst, als anderer gegründeten künftigen Erfolges. Ich hoffe, er soll mir nicht wieder kommen. Unsere Trennung soll nicht lange mehr dauern. (3) * In noch weiterm Verstande gebrauchen die Niederdeutschen, und unter ihnen besonders die Holländer, die Schweden, die Engländer u. s. f. es überhaupt als den Ausdruck eines zukünftigen eines Erfolges für werden; in welche Bedeutung aber es den Hochdeutschen unbekannt ist. Ich soll kommen, ich werde kommen. Daher war bey den ältern Schweden Skuld, die Zukunft, das Zukünftige. 7. In einigen Fällen begleitet es auch eine in unserer bloßen Vermuthung gegründete Begebenheit, wo es wohl von künftigen, als vergangenen Dingen gebraucht wird. Ich hoffe noch immer die Nachricht soll sich nicht bestätigen. Mich däucht, ich soll ihn irgendwo gesehen haben. Noch häufiger wird es gebraucht, einen Vorgang zu bezeichnen, welcher in einem bloßen Gerückte gegründet ist. Der Kaiser soll gestorben seyn, man sagt, man will, der Kaiser sey, gestorben. Die Türken sollen geschlagen seyn, oder, es sollen die Türken geschlagen seyn. Ich soll mein Julchen hintergangen haben, Gell. Ein Jüngling, welcher viel von einer Stadt gehört, In der der Segen wohnen sollte, eben ders. Daher das Sollen, welches doch nur in wenig Fällen gebraucht wird.

Anm. 1. Dieses Zeitwort setzt in den meisten Fällen einen Befehl, einen bestimmten Willen voraus, sollte es auch nur der Wille des Verhängnisses, der Umstände, der Absicht u. s. f. seyn, und unterscheidet sich dadurch hinlänglich von müssen. Im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart wird es oft überflüssig ge- braucht. Ich will doch nicht hoffen, daß sie ein heimlicher Verächter des Geldes seyn sollen, für seyn werden oder sind. Es hat gemeiniglich, die elliptischen Fälle ausgenommen, ein anderes Zeitwort bey sich, welches allemahl in Infinitiv stehet. Wenn sollen in diesem Falle in einem zusammen gesetzten Tempore stehet, so tritt es nach dem Muster des Zeitwortes dürfen, mögen, sehen, hören u. s. f. selbst in den Infinitiv. Du hättest es thun sollen, nicht, du hättest es thun gesollt. Ist aber kein Infinitiv dabey, so folgt es der gewöhnlichen Form. Ich habe gesollt. Das Plusquamperfectum Conjunctivi kann auf doppelte Art ausgedruckt werden. Für, du hättest es thun sollen, kann man auch unbeschadet des Sinnes und des Wohlklanges sagen, du solltest es gethan haben. Weil dieses Zeitwort sehr häufig gebraucht wird, Modos und Tempora anderer Zeitwort zu bilden, welche die Lateinische Sprache mit Einem Worte durch bloße Abänderung der Endung ausdrucket, so haben es viele Sprachlehrer unter die Hülfsworte gesetzt, welchem Nahmen man ihm denn in manchen seiner Bedeutungen nicht absprechen kann. Freylich würden wir alsdann eine große Menge Hülfswörter annehmen müssen, wie von vielen Sprechlehrern auch wirklich geschehen ist, welche wollen, können, dürfen, mögen, müssen, lassen, u. s. f. dahin rechnen. Allein es erhellet daraus nur so viel, daß der Begriff, welchen unsere Sprachlehrer von den Hülfswörtern hatten, sehr schwankend war, und durch den Unterschied in eigentliche und uneigentliche Hülfswörter, welcher im Grunde so viel wie nichts sagt, nicht bestimmter wird. Wir könnten die ganze Lehre von den Hülfswörtern völlig entbehren, wenn nicht unsere Sprechlehrer es sich noch immer zur Pflicht machen, die Deutsche Sprachkunst mehr nach der Lateinischen, als nach dem eigenthümlichen Genie der Deutschen Sprache zu bilden. Der Imperativ ist von diesem Zeitworte seiner Natur nach eben so wenig üblich, als die Mittelwörter in der adjectivischen Form gebraucht werden können. In den Oberdeutschen Kanzelleyen sagt man zwar, der seyn sollende Bürgermeister, der so genannte Bürgermeister, der gesollte Lohn, der bestimmte, schuldige Lohn; aber wer wird ihnen darin nachfolgen?

Anm. 2. Unser sollen, und das Engl. shall, verrathen durch das verdoppelte ll ein Intensivum, dessen einfacheres Zeitwort solen, salen, lautete. Das Niederdeutsche schölen ist aus beyden zusammen gesetzt, und gehet daher irregulär; Präs. ik schall, du schast, he schall; Imperf. ik scholde; Infinit. schölen. Das einfachere Stammwort ist sehr alt, und lautet schon bey dem Ulphilas skal, bey dem Kero scolan, bey dem Ottfried sculen, im Schwed. skola. Mir einem andern Endlaute sagte man ehedem auch sonen für sollen, und in der alten Zürchischen Mundart sun. Da der Begriff dieses Wortes sehr abstract ist, so ist, auch dessen Abstammung und eigentliche Bedeutung ungewiß. In der ersten Bedeutung ist die Verwandtschaft mit Schuld sehr scheinbar, welche Scheinbarkeit aber bey einer nähern Untersuchung verschwindet, S. Schuld Anm.


Söller (W3) [Adelung]


* Der Söller, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches aber noch in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes üblich ist. Es bedeutet, 1. dasjenige, was man im Hochdeutschen einen Boden zu nennen pflegt, den getäfelten Raum über den Wohnzimmern, oder in einem andern Gebäude. Daher wird ein Kornboden im Ober- und Niederdeutschen noch häufig ein Schüttsöller, Kernsöller genannt. Luther gebraucht es mehrmahls in der Deutschen Bibel, wo er auch die flachen Dächer der morgenländischen Bauart Söller nennet. Er fället fährlicher durch solche Rede, denn so er vom Söller siele, Sir. 20, 20. Es waren viel Fackeln auf dem Söller, da sie versammlet waren. Es fiel aber ein Jüngling - hinunter vom dritten Söller, Apost. 20, 8. f. So auch Kap. 9, 37, 39. Kap. 1, 9. 2. In einigen Oberdeutschen Gegenden heißt auch ein Altan am Hause, ingleichen ein jeder verschlossener Raum von den Thüren und Zimmern, ein Söller. 3. Im Niedersächsischen ist Söller auch ein erhöheter breterner Platz auf den Fußböden der Zimmer, z. B. in den Fenstern, wo selbige nach alter Bauart noch sehr hoch sind.

Anm. Bey dem Ottfried und im Tatian Solar, Soler, wo es an beyden Orten einen Saal, ein Speisezimmer bedeutet, im Nieders. Soller, im Holländ. Zolder, im Engl. Sollar, im mittlern. Lat. Solarium, Solerium, im Schwed. Svale, ehedem Svaler, und Skulle, im Griech. mit dem verwandten Hauche und einem andern Endlaute, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Die Endsylbe er ist die Ableitungssylbe, welche ein Ding, Subject bedeutet. Der herrschende Begriff in dem Stammworte Sohl, Söl, scheinet die Erhöhung zu seyn, obgleich in manchen Fällen auch die Bedeutung des wohnbaren Raumes hervor sticht; wenn nicht überhaupt der Begriff des Täfelwerks der Stammbegriff ist, da es denn zu Schale, ein Bret gehören würde, ( S. 1 Sahl.) In denjenigen Provinzen, wo dieses Wort gangbar ist, sind auch die Zeitwörter söllern und aufsöllern, üblich, Getreide, Waaren u. s. f. zur Verwahrung auf den Boden schaffen.


Solmisiren (W3) [Adelung]


Solmisiren, verb. reg. act. von dem mittlern Lat. solmisare, in der Vocal-Musik, die Noten mit den ihnen zukommenden Sylben ut, re, mi, fa, sol, la, absingen, aus deren zwey Sylben sol mi, das ganze außerdem verstandlose Wort gebildet ist. Von den Sylben sol und fa nannte man es in dem mittlern Lateine ehedem auch solvisiren, und im Italiänischen noch jetzt solveggiare. Daher die Solmisation, das Absingen der Noten mit den ihnen zukommenden Sylben. S. Abediren.


Somit (W3) [Adelung]


Somit, S. So,

Anm. 2.


Sommer (W3) [Adelung]


Der Sommer, des -s, plur. ut nom. sing. die wärmere Zeit des Jahrs. 1. Eigentlich, wo überhaupt die wärmere Zeit des Jahrs, da die Gewächse und Bäume zum Wachsthume kommen, der Sommer genannt wird; im Gegensatze des Winters. Die ältesten Deutschen kannten nur diese zwey Jahreszeiten, und im gemeinen Leben gebraucht man beyde Wörter noch oft in diesem Verstande. Es wird oder ist Sommer, sagt man, wenn die Witterung angenehm und anhaltend warm ist. In den spätern Zeiten, da man aus den Gränzen beyder Jahreszeiten zwey neue machte, ist der Sommer, im engern Verstande diejenige Jahreszeit, da die Sonne den Krebs, Löwen und die Jungfrau durchläuft. Wir haben Sommer. Den Sommer an einen Orte zubringen. Ein nasser, kühler Sommer. Der Mittensommer, im gemeinen Leben einiger Gegenden, der Tag Johannis des Täufers, gleichsam die Mitte des Sommers. Der Nachsommer, die angenehmen warmen Tage im Herbste von 1sten bis 13ten November, welche man im gemeinen Leben auch den alten Weiber Sommer zu nennen pflegt. 2. Figürlich. (1) Für Jahr, doch nur in der dichterischen Schreibart. Ich kenne schon der Schäfer Ränke, Und bin nun sechzehn Sommer alt, Haged. Nach einer andern Figur ist, doch auch nur in der dichterischen Schreibart, der Sommer des Lebens, das männliche Alter. Er starb, ach er starb, in dem Sommer seines Lebens, Geßn. (2) Die zarten Fäden, welche am Ende des Sommers die Erde überzeichnen, und in der Luft herum fliegen, werden im gemeinen Leben der Sommer genannt, weil der große Haufe sagt, daß alsdann der Sommer fortziehe. Weil sie sich im Nachsommer einstellen, so werden sie gleichfalls der alte Weiber Sommer, den andern aber Sommerfäden, Sommerweben, Marienfäden, im Nieders. Slammetje und Slammetje-Sommer, im Engl. Gossamer genannt. S. Marienfäden. Anm. Schon bey dem Kero Sumar, im Nieders. Sommer, im Angels. Sumer, Sumor, im Schwed. Sommar, im Irländ. Sam, Samihad. Daß dieses Wort mit Sonne nahe verwandt ist, so fern in beyden der Begriff der Wärme der herrschende ist, wird bey dem Zeitworte sömmern deutlich werden. S. auch Sonne.


Sommerbau (W3) [Adelung]


Der Sommerbau, des -es, plur. inus. in der Landwirthschaft, 1. der Bau des Sommergetreides. 2. In einigen Gegenden auch dieses Sommergetreide selbst. In beyden Fällen zum Unterschiede von dem Winterbaue.


Sommerbaum (W3) [Adelung]


Der Sommerbaum, S. Maysonntag.


Sommerbier (W3) [Adelung]


Das Sommerbier, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in einigen Gegenden ein Nahme des März- oder Lagerbieres, weil es im Sommer verschenket wird.


Sommerbirn (W3) [Adelung]


Die Sommerbirn, plur. die -en, Birnen, welche im Sommer, d. i. im Julio und August, reif werden, und auch Frühbirnen heißen, zum Unterschiede von den Herbst- und Winterbirnen.


Sommerblume (W3) [Adelung]


Die Sommerblume, plur. die -n, Blumen, welche im Sommer blühen, zum Unterschiede von den Früh- oder Frühlingsblumen und Herbstblumen.


Sommer-Calville (W3) [Adelung]


Die Sommer-Calville, plur. die -n, eine Art Calvillen oder Erdbeeräpfel, welche im Sommer reif werden, zum Unterschiede von den Herbst-Calvillen.


Sommerdeich (W3) [Adelung]


Der Sommerdeich, des -es, plur. die -e, in den Niederdeutschen Marschländern, ein kleiner Deich, durch welchen ein Stück Landes nur gegen die Fluth im Sommer beschützet wird.


Sommereiche (W3) [Adelung]


Die Sommereiche, plur. die -n, ein Nahme der Mast- oder August-Eiche.


Sommerfaden (W3) [Adelung]


Der Sommerfaden, des -s, plur. die -fäden, S. Sommer und Marienfäden.


Sommerfeder (W3) [Adelung]


Die Sommerfeder, plur. die -n, bey den Jägern, welche die Haare der wilden Schweine Federn nennen, die dunkelbraunen und schwärzlichen Haare und Borsten, welche die wilden Schweine im Sommer haben, zum Unterschiede von den hellgrauen Winterfedern.


Sommerfeld (W3) [Adelung]


Das Sommerfeld, des -es, plur. die -er, in der Landwirthschaft, ein Feld, welches mit Sommerfrüchten bestellet wird, und im Jahre vorher Winterfeld gewesen, d. i. Wintergetreide getragen hat. In einigen Gegenden Sömmerungsfeld, von sömmern, mit Sommerfrucht bestellen.


Sommerfleck (W3) [Adelung]


Der Sommerfleck, des -es, plur. die -en, kleine gelbliche Flecken im Gesichte und an den Händen, welche besonders im Sommer sichtbar werden; im gemeinen Leben auch Sommersprossen, im Oberdeutschen Sommermähler, im Baiern Sommermietel, bey dem Pictorius Laubflecken, im Nieders. Sommersprutteln, Sunnensprutteln, Sommerstippen.


Sommerfleckig (W3) [Adelung]


Sommerfleckig, -er, -ste, adj. et adv. mit Sommerflecken versehen, selbige habend; sommersprossig.


Sommerflur (W3) [Adelung]


Die Sommerflur, plur. die -en, eine Flur, d. i. an einander hangende Felder, welche mit Sommerfeucht bestellet wird; zum Unterschiede von der Brachflur und Winterflur.


Sommerfrucht (W3) [Adelung]


Die Sommerfrucht, plur. die -früchte. 1. In einigen Gegenden, z. B. in Meißen, die Fruchtbarkeit des Erdbodens im Sommer, und in engerer Bedeutung die Feuchtigkeit, welche der Erdboden in Sommer hat und empfängt; ohne Plural. Die Winterfrucht gibt den Gewächsen mehr Nahrung als die Sommerfrucht; d. i. Feuchtigkeit. 2. Frucht, oder Früchte, welche im Frühlinge gesäet werden, und noch in demselben Sommer zur Reife kommt, zum Unterschiede von der Winterfrucht, welche den Herbst vorher gesäet werden muß. Es wird hier, so wie Frucht, so wohl im Singular collective, als auch von mehrern Arten im Plural gebraucht. Das Sommergetreide gehöret in weiterm Verstande gleichfalls zur Sommerfrucht. Im engern Verstande werden die Sommererbsen, Sommerlinsen, Bohnen, Heidekorn, Hirse, Flachs, Hanf u. s. f. Sommerfrüchte genannt.


Sommergallenfliege (W3) [Adelung]


Die Sommergallenfliege, plur. die -n, eine Art Gallenfliegen, welche sich auf den Eichbäumen aufhält; Cynips Quercus Linn.


Sommergerste (W3) [Adelung]


Die Sommergerste, plur. car. eine Art Gerste, welche im Frühlinge gesäet und in dem darauf folgenden Herbste geerntet wird; zum Unterschiede von der Wintergerste. Man hat ihrer vornehmlich zwey Arten, die kleine oder vierzeilige, und die große oder zweyzeilige Sommergerste, welche letztere (Hordeum distichum Linn.) in der Tartarey am Flusse Samara wild wächset.


Sommergetreide (W3) [Adelung]


Das Sommergetreide, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. Getreide, welches im Frühlinge gesäet, und in dem darauf folgenden Sommer geerntet wird; zum Unterschiede von dem Wintergetreide, welches im Herbste vorher gesäet wird. In einigen Gegenden wird es Sommerkorn, das Sommerige, das Sommerungsgetreide, der Sommerbau, (Nieders. Sommerbaute) genannt. Die Sommergerste, das Sommerkorn oder der Sommerrocken; der Sommerweizen und der Hafer sind solches Sommergetreide.


Sommergewächs (W3) [Adelung]


Das Sommergewächs, des -es, plur. die -e, Gewächse, welche nur Einen Sommer dauern, und den folgenden Winter absterben; zum Unterschiede von den Wintergewächsen, welche auch den Winter über fortdauern.


Sommerhaar (W3) [Adelung]


Das Sommerhaar, des -es, plur. inus. oder die Sommerhaare, sing. inus. Haare, welche die Thiere gegen den Sommer zu bekommen pflegen; zum Unterschiede von dem Winterhaare oder den Winterhaaren.


Sommerhaft (W3) [Adelung]


Sommerhaft, adj. et adv. der warmen Sommerwitterung ähnlich; sommerlich. Ein sommerhaftes Wetter.


Sommerhaus (W3) [Adelung]


Das Sommerhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, welches man nur im Sommer bewohnet; zum Unterschiede von einem Winterhause.


Sommerherd (W3) [Adelung]


Der Sommerherd, des -es, plur. die -e, bey den Vogelstellern, eine Art Sangherde, auf welchen den Vögeln im Sommer mit dem verhaltenen Gesange nachgestellet wird; zum Unterschiede von den Herbst- und Winterherden.


Sommerhitze (W3) [Adelung]


Die Sommerhitze, plur. car. die Hitze des Sommers, oder im Sommer.


Sommerhonig (W3) [Adelung]


Das Sommerhonig, des -es, plur. inus. in der Bienenzucht, dasjenige Honig, welches die Bienen im Sommer eintragen.


Sommerhuhn (W3) [Adelung]


Das Sommerhuhn, des -es, plur. die -hühner, in einigen Gegenden ein Nahme der Zinshühner, welche im Sommer zur Erkenntniß der Oberherrschaft gegeben werden; zum Unterschiede von den Fastnachtshühnern, Pfingsthühnern, Herbsthühnern u. s. f.


Sommerkleid (W3) [Adelung]


Das Sommerkleid, des -es, plur. die -er, ein leichtes kühles Kleid, welches nur im Sommer getragen wird, zum Unterschiede von dem wärmern Winterkleide.


Sommerkohl (W3) [Adelung]


Der Sommerkohl, des -es, plur. car. Kohl, welcher im Frühlinge gesäet wird, und in dem gleich darauf folgenden Sommer schon Köpfe bringt; zum Unterschiede von dem Winterkohle, welcher den Herbst zuvor gesäet wird. S. Kohl.


Sommerkönig (W3) [Adelung]


Der Sommerkönig, des -es, plur. die -e, eine Art Zaunkönige, S. Goldhähnchen.


Sommerkorn (W3) [Adelung]


Das Sommerkorn, des -es, plur. inus. 1. Im weitesten Verstande, das Sommergetreide, ( S. dieses Wort, ingleichen Korn.) 2. Im engern, der Sommerrocken, S. dasselbe.


Sommerkresse (W3) [Adelung]


Die Sommerkresse, plur. inus. eine Art Gartenkresse, welche im Frühlinge gesäet, und im darauf folgenden Sommer gegessen wird; zum Unterschiede von der Winterkresse.


Sommerkuh (W3) [Adelung]


Die Sommerkuh, plur. die -kühe, in der Landwirthschaft, eine Kuh, welche im Sommer Milch gibt; zum Unterschiede von einer Winterkuh.


Sommerlatte (W3) [Adelung]


Die Sommerlatte, plur. die -n, im Forstwesen, junge Sprößlinge an oder von Bäumen, welche den Sommer über in die Höhe schlagen, oder einen Sommer alt sind; Stammlohden, Erdlohden. S. Latte.


Sommerlaube (W3) [Adelung]


Die Sommerlaube, plur. die -n, eine Laube oder grüne Hütte, deren man sich im Sommer wider die Sonnenhitze bedienet, Richt. 3, 20, 24.


Sommerlehne (W3) [Adelung]


Die Sommerlehne, plur. die -n, von Lehne, die abhängige Seite eines Berges, die nach der Sonne gerichtete, d. i. gegen Mittag gelegene Seite eines Berges oder einer Anhöhe; die Sommerseite, Südseite, Mittagsseite, im Oberd. die Sommerleite. Von Sommer, so fern ehedem mit Sonne oder Sonnenwärme gleich bedeutend war. S. Sömmern.


Sommerlich (W3) [Adelung]


Sommerlich, adj. et adv. dem Sommer ähnlich, wie sommerhaft, nur im gemeinen Leben. Ingleichen in dem Sommer und dessen warmen Witterung gegründet. Die sumurliche zit, die Sommerzeit, einer der Schwäbischen Dichter.


Sommerlolch (W3) [Adelung]


Der Sommerlolch, des -es, plur. inus. eine Art des Lolchs, welches ein Sommergewächs ist, und eine berauschende, dumm machende Kraft hat; Lolium temulentum L. Porsch, Post Schweineporsch.


Sommermahl (W3) [Adelung]


Das Sommermahl, des -es, plur. die -e, oder -mähler, S. Sommerflecken.


Sommer-Majoran (W3) [Adelung]


Der Sommer-Majoran, des -es, plur. inus. eine zarte sehr wohlriechende Art des Majoranes, welche aber nur einen Sommer dauert; zum Unterschiede von dem Winter-Majoran.


Sommermonath (W3) [Adelung]


Der Sommermonath, des -es, plur. die -e, einer von den drey Monathen, welche den Sommer im engsten Verstande ausmachen.


Sommern (W3) [Adelung]


Sommern, verb. imperf. neutr. mit dem Hülfsworte haben, Sommer werden. Es sommert heuer früh.


Sömmern (W3) [Adelung]


1. Sömmern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in der Landwirthschaft üblich ist, Schatten geben. Besonders sagt man von manchen stark belaubten und mir langen Ästen versehenen Bäumen, daß sie sömmern, wenn sie, so weit ihre Äste reichen, kein anders Gewächs unter ihrem Schatten aufkommen lassen. Die Linde sömmert am stärksten. Die starke Sömmerung der Linde. Es gehöret in dieser Bedeutung ohne Zweifel dem Nieders. Scheme, Schatten, schemern, dunkel scheinen und beschatten, Schummer, Dämmerung, womit auch unser dämmern und das Franz. sombre, dunkel, finster, verwandt sind.


Sömmern (W3) [Adelung]


2. Sömmern, verb. reg. act. welches mit Sommer verwandt ist, aber in verschiedenen Bedeutung gebraucht wird. 1. Den Sommerstrahlen aussetzen, an die Sonne, in die Sonne legen; im gemeinen Leben einiger Gegenden, besonders Meißens, wofür man in andern Provinzen sonnen sagt. Die Betten sömmern. Die Hühner sömmern sich, wenn sie sich in die Sonne legen, um ihre Strahlen zu empfangen. Figürlich sömmern die Gärtner die Bäume, wenn sie die Äste ausschneiteln, damit die Sonnenstrahlen durchfallen können. 2. Von Gewächsen oder Thieren, welche man den Sommer durch erhält, oder sie durch den Sommer bringt, sagt man im gemeinen Leben gleichfalls, daß man sie sömmere; in welchem Verstande es in aussömmern und übersömmern noch üblicher ist. Auf ähnliche Art sagt man, ein Gewächs oder ein Thier wintern, auswintern, oder überwintern, es durch den Winter bringen. So bald sich das Schaf sömmern kann, seine Sommernahrung suchen. 3. In der Landwirthschaft ist sömmern, einen Brachacker mit Sommerfrucht bestellen, anstatt ihn ganz müßig liegen zu lassen. Die Brache sömmern. Ein gesömmertes Feld. So auch die Sömmerung.

Anm. Aus der ersten Bedeutung erhellet, daß Sommer und Sonne sehr nahe verwandt sind, und daß erste eigentlich die Sonnenwärme bezeichnet, welche Verwandtschaft aus Sommerseite und andern noch erweislicher wird. S. Sonne Anm.


Sommerobst (W3) [Adelung]


Das Sommerobst, des -es, plur. inus. Obst, welches noch im Sommer zur Reife kommt, und sich auch nur den Sommer über hält, Frühobst; zum Unterschiede von dem Winterobst, welches erst gegen den Winter reifet.


Sommer-Punct (W3) [Adelung]


Der Sommer-Punct, des -es, plur. die -e, in der Astronomie, derjenige Punct in der Ekliptik, in welchem die Sonne zu Mittage dem Zenithe am nächsten kommt, weil alsdann der Sommer seinen Anfang nimmt.


Sommerrocken (W3) [Adelung]


Der Sommerrocken, des -s, plur. inus. eine Art des Rockens, welcher im Frühlinge gesäet wird, und den darauf folgenden Sommer geerntet werden kann, Sommerkorn; zum Unterschiede von dem Winterrocken oder Winterkorne.


Sommerrübesamen (W3) [Adelung]


Der Sommerrübesamen, im gemeinen Leben Sommerrübsen, des -s, plur. inus. eine Art des Rübesamens oder Rübsens welcher im Frühlinge gesäet wird, und in dem darauf folgenden Sommer reiset; zum Unterschiede von dem Winterübesamen oder Winterrübsen.


Sommersaat (W3) [Adelung]


Die Sommersaat, plur. inus. 1. Die Saat oder das Säen des Sommergetreides. 2. Die Saat, das ist, der aufgegangene Same des Sommergetreides, ehe es schosset. 3. In einigen Gegenden wird auch das Sommergetreide selbst die Sommersaat genannt.


Sommerseite (W3) [Adelung]


Die Sommerseite, plur. die -n, die nach der Sonne, d. i. nach Mittag oder Süden gerichtete Seite eines Dinges; die Mittagsseite, Südseite. Die Sommerseite eines Baumes, Hauses u. s. f. Die Sommerseite eines Berges, in einigen Gegenden die Sommerlehne, im Oberd. die Sommerleite.


Sommersprosse (W3) [Adelung]


Die Sommersprosse, plur. die -n, S. Sommerflecken.


Sommersprossig (W3) [Adelung]


Sommersprossig, S. Sommerfleckig.


Sommerstand (W3) [Adelung]


Der Sommerstand, des -es, plur. die -stände, bey den Jägern, der Stand eines Wildes im Sommer, der Ort, wo es sich im Sommer aufzuhalten pfleget; zum Unterschiede von dem Winterstande.


Sommerstoppel (W3) [Adelung]


Die Sommerstoppel, plur. die -n, in der Landwirthschaft, die Stoppeln des Sommergetreides; wo es auch im Singular collective gebraucht wird. Das Vieh auf die Sommerstoppel. treiben.


Sommertag (W3) [Adelung]


Der Sommertag, des -es, plur. die -e, ein Tag im Sommer; ingleichen ein Tag wie im Sommer.


Sommervogel (W3) [Adelung]


Der Sommervogel, des -s, plur. die -vögel, Vögel, welche sich bey uns nur im Sommer sehen lassen. Im engern und gewöhnlichsten Verstande werden die Schmetterlinge oder Tagfalter, Papiliones L. auch Sommervögel genannt. S. Schmetterling.


Sommerwebern (W3) [Adelung]


Die Sommerwebern, sing. inus. S. Sommer 2.


Sommerweizen (W3) [Adelung]


Der Sommerweizen, des -s, plur. inus. eine Art des Weizens, welcher im Frühlinge gesäet, und in darauf folgenden Sommer geerntet wird; zum Unterschiede von dem Winterweizen.


Sommerwende (W3) [Adelung]


Die Sommerwende, die -n, die Sommerwende im Sommer, der längste Tag; zum Unterschiede von der Winterwende. S. Sonnenwende.


Sommerwetter (W3) [Adelung]


Das Sommerwetter, des -s, plur. inus. das Wetter, d. i. die Beschaffenheit der Luft, im Sommer, ingleichen Wetter wie im Sommer.


Sommerwitterung (W3) [Adelung]


Die Sommerwitterung, plur. die -en, wie das vorige, ohne Plural. Ingleichen von Abänderungen dieses Wetters oder dieser Witterung, mit dem Plural.


Sommerwolle (W3) [Adelung]


Die Sommerwolle, plur. car. in der Landwirthschaft, diejenige Wolle, welche den Schafen im Sommer gewachsen ist, und ihnen im Herbste abgenommen wird; zum Unterschiede von der Winterwolle, welche ihnen im Frühlinge abgeschoren wird.


Sommerwurz (W3) [Adelung]


Die Sommerwurz, S. Sonnenwurz.


Sommerzaunkönig (W3) [Adelung]


Der Sommerzaunkönig, S. Soldhähnchen.


Sommerzeichen (W3) [Adelung]


Das Sommerzeichen, des -s, plur. ut nom. sing. in der Astronomie, die drey himmlischen Zeichen, in welchen die Sonne den Sommer über verweilet; welche bey und der Krebs, der Löwe und die Jungfrauen sind.


Sonach (W3) [Adelung]


Sonach, S. So

Anm. 2.


Sonder (W3) [Adelung]


* Sonder, adj. et adv. von andern Dingen abgesondert; ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, wofür das zusammen gesetzte besonder üblich ist. Es sammelte sich das Wasser an sondere Örter, 1 Mos. 1, 1. Lege dein Almosen an einem sondern Ort, Sir. 29, 15. Da er sie segnete, einen jeglichen mit einem sondern Segen, 1 Mos. 49, 28. Die sondere Versorgung Gottes, Opitz. S. Besonders und Sondern, das Zeitwort.


Sonder (W3) [Adelung]


Sonder, ein Vorwort, welches mit ohne gleich bedeutend ist, so wie dasselbe die vierte Endung erfordert, aber im gemeinen Sprachgebrauche der Hochdeutschen veraltet ist, und nur noch zuweilen gebraucht wird, besonders bey den Dichtern. Sonder Zweifel. Sonder Scherz. Sonder große Mühe. Seit, daß ihr Opfer bringt, der Ceres sonder mich, Opitz. Die Liebe, die dich kränkt, ist Liebe sonder Geist, Gell. Man findet zwar auch Beyspiele in der dritten Endung. Was soll mich sonder dir im Leben können laben? Opitz. Welche aber wohl als Ausnahmen von der Regel, wo nicht gar als Sprachfehler betrachtet werden müssen. Im Oberdeutschen findet man es auch als ein Binde- oder Nebenwort. Der Schenke des Königes Pharao brachte zwey Jahre zu, sonder an Joseph zu gedenken, für ohne; auf welche Art es im Hochdeutschen noch seltner ist. Hingegen ist es im Niederdeutschen so wohl für außer, es sey denn, als auch für aber üblich.

Anm. Im Nieders. sunder, bey dem Ulphilas sundro. Auch hier ist der Begriff der Absonderung der herrschende. Das Latein. sine ist genau damit verwandt, vielleicht auch ohne selbst; denn der Zischlaut ist oft ein müßiger Vorschlag. S. Sondern.


Sonderbar (W3) [Adelung]


Sonderbar, -er, -ste, adj. et adv. von dem veralteten Beyworte sonder und der Ableitungssylbe bar, besondere von andern sich vorzüglich auszeichnende Eigenschaften an sich habend, ohne ihre Beschaffenheit weiter zu bestimmen. Das ist doch ein sonderbarer Fall. Eine sonderbare Orthographie. Ein sonderbarer Satz. Das ist sonderbar. Es wäre doch sonderbar, wenn er nicht Abschied nehmen sollte. Dieses Wort deutet bloß das Besondere, das Auszeichnende, Ungewöhnliche an, und lässet es zwar unentschieden, ob das Ungewöhnliche vortrefflich oder seltsam ist, neiget sich aber doch mehr dem letztern. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch ein Neben- und Bindewort, für besonders, insonderheit, vornehmlich, in welcher Gestalt es aber im Hochdeutschen fremd ist.


Sonderbarkeit (W3) [Adelung]


Die Sonderbarkeit, plur. die -en. 1. Die Eigenschaft eines Dinges, da es sonderbar ist; ohne Plural. 2. Eine sonderbare Sache. Sonderbarkeiten der Orthographie.


Sonderheit (W3) [Adelung]


Sonderheit, ein nur in insonderheit übliches Wort, S. dasselbe.


Sonderleute (W3) [Adelung]


Die Sonderleute, sing. inus. in einigen Gegenden Westphalens, unangesessene leibeigene Leute, welche daher nur in Ansehung ihrer Personen leibeigen sind; zum Unterschiede von den Hofhörigen.


Sonderlich (W3) [Adelung]


Sonderlich, adj. et adv. gleichfalls von dem veralteten Bey- und Nebenwort sonder, von andern Dingen abgesondert, für besonder und besonders. 1. * Eigentlich. Je eine Herde sonderlich, 1 Mos. 32, 16. Jeglichen, sonderlich verhören. Hist. Sus. v. 51. Dem wird gegeben für seinem Glauben eine sonderliche Gabe, Weish. 3, 14. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen veraltet. 2. Figürlich. (1) Einen vorzüglichen Grad der Güte habend; in der vertraulichen Sprechart, so wohl als ein Beywort, als auch ein Nebenwort. Deine Liebe ist mir sonderlicher gewesen, als Frauenliebe, 1 Sam. 1, 26. Es ist nichts sonderliches an ihm, nichts besonders vorzüglich. Das Haus, das ich bauen will, soll groß und sonderlich seyn, 2 Chron. 2, 9. Es schmeckt nicht sonderlich. Noch mehr, (2) einen vorzüglichen Grad der Wichtigkeit, der innern Stärke habend, gleichfalls nur in der vertraulichen Sprechart, wo es doch auch nur am häufigsten mit der Verneinung gebraucht wird. Das wird keine sonderlichen Folgen haben, keine besondern. Er ist nicht sonderlich groß, reich, vornehm u. s. f. Sie ist nicht sonderlich auf seiner Seite. Dazu schicke ich mich nicht sonderlich. Darum, daß ihm sonderlich geholfen ward, 2 Chron. 26, 15. (3) Auf eine vorzügliche Art, als ein Nebenwort, für besonders, insonderheit. Die Vorsehung Gottes waltet sonderlich über diejenigen, welche u. s. f. Das geschiehet sonderlich deßwegen, damit u. s. f. Ich habe mich sonderlich beflissen, das Evangelium zu predigen, Röm. 15, 20. Anm. Schon bey dem Willeram sunterliho.


Sonderling (W3) [Adelung]


Der Sonderling, des -es, plur. die -e, Ein einzelnes, von andern abgesondertes, oder trennbares Ding; eine ungewöhnliche Bedeutung, in welcher einige trennbaren Vorwörter in der Sprachkunst Sonderlinge genannt haben. In gewöhnlicherm Verstande, ist ein Sonderling, 2, eine Person, welche sich bemühet, das Gegentheil von dem zu thun und zu äußern, was der Gebrauch, oder die Natur der Umstände erfordert, weil sie sich dadurch von andern gleichsam absondert oder auszeichnet.


Sondern (W3) [Adelung]


Sondern, verb. regul. act. welches theilen, von einem andern Dinge trennen bedeutet, und zwar so wohl dem Raume und dem körperlichen Zusammenhange nach, als der Verbindung, der Gemeinschaft nach. Er sonderte die sprenglichten und buntem Böcke 1 Mos. 80, 35. Du sollst die Leviten sondern von den Kindern Israel, 4 Mos. 8, 14. Wo du die Frommen lehrest, sich sondern von bösen Leuten, Ier. 15, 19. Es wird im Hochdeutschen wenig mehr gebracht, seitdem das zusammen gesetzte absondern üblicher geworden. Nur bey den Dichtern kommt es noch zuweilen vor. Hier athmet er Ruhe, Von dem leeren Geräusch der eitlen Besuche gesondert, Zachar. So auch die Sonderung. S. auch Aussondern. Anm. Im Nieders. sundern, im Angels. syndrian, asyndrian, bey dem Kero kisontron. Das Stammwort son, welches mit dem Lat. sine verwandt ist, hat allem Ansehen nach eine körperliche Theilung bezeichnet, welche denn wieder eine Figur der Bewegung und ihres Lautes seyn würde. ( S. auch Sünde und Sonst.) Übrigens ist dieses Zeitwort der Stamm so wohl von dem folgenden Bindeworte sondern, als auch von sonder und seinem Geschlechte.


Sondern (W3) [Adelung]


Sondern, eine Partikel, welche jetzt nur noch als ein Bindewort üblich ist, ehedem aber auch als ein Neben- und Vorwort gebraucht wurde. Sie bedeutete, 1. * Ausgenommen, außer, welches eine der ersten Bedeutungen ist, die aber nicht mehr gebraucht wird. Um sechs Uhr waren beyde Städte abgebrannt, sondern von einer Pforte blieben etliche Häuser stehen, in der Frankenb. Chron. bey dem Frisch. 2. * Aber, eine gleichfalls veraltete Bedeutung, wovon Frisch ein Niederdeutsches Beyspiel anführet. Wir gebrauchen es jetzt nur noch, 3. als ein adversatives Bindewort, etwas in dem Nachsatze zu setzen oder zu behaupten, wenn in dem Vordersatze eine Verneinung vorher gegangen. Nicht uns, Herr, sondern deinem Nahmen gib Ehre, Ps. 115, 1. Ich werde nicht sterben, sondern leben, Ps. 118, 17. Laß der Sünde nicht ihren Willen, sondern herrsche über sie, 1 Mos. 4, 7. So auch, wenn dem Vordersatze nicht nur, nicht allein vorher gegangen, da denn in dem Nachsatze sondern auch folget. Ich habe es nicht nur gesehen, sondern auch gehöret. Du hast es nicht allein gethan, sondern du hast es auch nach der That geläugnet. Wo das sondern auch zuweilen verschwiegen werden kann. Du hast es nicht allein gethan, du hast es auch nach der That geläugnet. Er ist nicht allein ganz unwissend, er hasset auch noch allen Unterricht.

Anm. Schon bey dem Ottfried suntar, suntir, im Nieders. sunder, sondern. Es ist mit dem alten Vorworte sonder ein und eben dasselbe Wort; denn das n am Ende ist erst in den spätern Zeiten angehänget worden. So wir hier der Begriff des Absonderns der herrschende ist, so scheinet das Lat. gleichbedeutende sed mit unserm scheiden eines Geschlechtes zu seyn.


Sonders (W3) [Adelung]


* Sonders, ein Nebenwort, für besonders, welches im Hochdeutschen veraltet ist. Es ist von hin nit sonders ferr Im wald ein grosses hawendes schwein, Theuerd. Kap. 41. Daß überall von ihm die Sage möchte gehn, Der Mann könn auf die Cur sich sonders wohl verstehen, Opitz. Es kommt nur in den Kanzelleyen vor, besonders in der Formel: Und bleiben euch sammt und sonders in Gnaden gewogen; d. i. insgesammt und jeden ins besondere.


Sonnabend (W3) [Adelung]


Der Sonnabend, des -s, plur. die -e, der letzte Tag in der Woche, welcher unmittelbar vor dem Sonntage hergehet. Der Genitiv wird wie bey den übrigen Wochentagen auch adverbisch gebraucht; Sonnabends, für an Sonnabende. Anm. Schon bey dem Ottfried Sunnunabend. Abend bedeutet hier, wie auch sonst, den Tag vor einem Feste, so daß Sonnabend eigentlich den Tag bezeichnet, welcher vor dem Sonntage hergehet, vollständig Sonntagsabend. Die Oberdeutschen nennen diesen Tag am liebsten Samstag, ( S. dieses Wort), und die Niederdeutschen Saterdag, Engl. Saterday, welches aus Saturns-Tag, Dies saturni, zusammen gezogen ist.


Sonne (W3) [Adelung]


Die Sonne, plur. die -n, ein beständig leuchtender Himmelskörper, welcher den ihm zugetheilten dunkeln Körpern oder Planeten Licht und Wärme ertheilet. 1. Eigentlich. Die Fixsterne sind so viele Sonnen, deren jede die Quelle des Lichts und der Wärme für ihre Planeten ist. Einen einzigen nebeligen Stern verwandelt das Fernglas in einen Himmel voll Sonnen. Kästn. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung verstehen wir unter der Sonne schlechthin denjenigen leuchtenden Himmelskörper, welcher unserer Erdkugel Licht und Wärme mittheilet. Die Sonne geht auf, geht unter. Der Aufgang der Sonne. Die Sonne scheinet, wenn sie gesehen wird. Die Sonne zieht Wasser, im gemeinen Leben, wenn sie zwischen zwey dichten Wolken durchscheinet, wobey man helle Streifen an dem Himmel siehet. ( S. Sonnenzopf.) Die Sonne bettet unter sich, auch im gemeinen Leben, wenn sich die Wolken am Tage unter der Sonne zusammen ziehen, worauf ungestüm Wetter folgen soll. Die Oberdeutsche Declination, in der zweyten und dritten Endung der Sonnen für der Sonne ist den Hochdeutschen eigentlich fremd, ob man sie gleich bey manchen Schriftstellern häufig findet. Es geschiehet nichts Neues unter der Sonnen, Pred. 1, 9. Sich der Sonnen freuen, Kap. 7, 12. Außer wenn es ohne bestimmten Artikel stehet, da es aber der angehängte Artikel ist. Vor Sonnen Aufgang. Nach Sonnen Untergang. Welche Form auch in den folgenden Zusammensetzungen Statt findet. 2. Figürlich. (1) Sehr häufig verstehet man unter dem Worte Sonne die Sonnenstrahlen. Die Sonne sticht, brennet. Von der Sonne verbrannt. Etwas an die Sonne, in die Sonne legen. In die Sonne gehen, treten, im Gegensatze des Schattens. Bey den ehemahligen Kampfspielen wurde den Kämpfern die Sonne gleich ausgetheilet, d. i. sie wurden so gestellet, daß die Sonne keinem mehr in das Gesicht schien als dem andern. (2) In der Deutschen Bibel wird Gott mehrmahls figürlich die Sonne, die Sonne der Gerechtigkeit genannt. Auch erhabene Personen, welche Erkenntniß und Thätigkeit um sich her verbreiten, werden in der höhern Schreibart Sonnen genannt. Noch mehr wird dieses Wort in der dichterischen Sprache der Liebe gemißbraucht, wo nicht nur schöne Augen, sondern auch schöne Personen selbst Sonnen genannt werden. Selbst Buhlerinnen wollen mit der Sonne verglichen seyn, ob sie gleich, wie Theophile sagt, ihr in nichts weiter ähnlich sind, als daß beyde für jemanden sind. (3) Der Tag, der Anbruch des Tages, doch nur in der höhern Dichtkunst. Mit jeder Sonne soll mein lauter Lobgesang. Von allen Welten wiederhallen, Raml.

Anm. Schon im Isidor und bey dem Kero Sunnu, bey dem Ottfried Sunna, bey dem Ulphilas Sunno, im Nieders. Sunne, im Angels. Sunna, Sunaa, im Engl. Sun, bey den Krainerischen Wenden Sonze. Es ist ohne allen Zweifel ein Abkömmling von scheinen und sehen, weil das Licht das eigenthümlichste Merkmahl dieses Himmelskörpers ist, dessen helles Licht durch das intensive verdoppelten bezeichnet wird. Das einfachere Sun war von sehen ehedem sehr gangbar; so ist z. B. bey dem Notker Anasune, das Angesicht. In dem alten Gedichte auf den heiligen Anno heißt die Sonne mit dem nahe verwandten m, Summi, welches die Verwandtschaft mit Sommer bestätiget. Mit einem andern Endlaute heißt dieser Himmelskörper im Schwed. Sol, im Dänischen Soel, im Lettischen Saule, im lat. Sol, im Wallis. Hawl, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welche zunächst von einem veralteten Sahl, Glanz, Licht, abstammen. ( S. 1. Sahl.) Bey vielen alten Oberdeutschen Schriftstellern, z. B. den Schwäbischen Dichtern, ist dieses Wort männlichen Geschlechtes, ther Sunne. S. auch Süd. Sonnen, verb. reg. act. an die Sonne legen, den Sonnenstrahlen aussetzen. Die Betten sonnen. Die Hühner sonnen sich, wenn sie sich an oder in die Sonne legen. Hier fand ich auch den Amor, Der seine Flügel sonnte, Haged. So auch das Sonnen.

Anm. In einigen gemeinen Mundarten sönnen, im Nieders. sunnen, sunnigen. Andere, besonders Obersächs. Mundarten gebrauchen dafür auch sömmern. S. dasselbe.


Sonnenauge (W3) [Adelung]


Das Sonnenauge, des -s, plur. die -n, eine Art Opal, welche auch Katzenauge, Elementstein, und Augenstein genannt wird; Silex Opalus Linn.


Sonnenbahn (W3) [Adelung]


Die Sonnenbahn, plur. die -en, S. Sonnenstraße.


Sonnenblick (W3) [Adelung]


Der Sonnenblick, des -es, plur. die -e, ein Blick der Sonne, da dieselbe auf kurze Zeit durch die Wolken oder Dünste scheinet. Dieß ist ein Sonnenblick, Der mühsam sich durch eine Wolke stielt, Weiße.


Sonnenblume (W3) [Adelung]


Die Sonnenblume, plur. die -n, eine Pflanze, deren große gelbe Blume die Gestalt einen Sonne hat; Helianthus annuus und multiflorus Linn. Sie ist in Peru und Mexico einheimisch und aus diesen Ländern in unsere Gärten gekommen. Von einigen wird sie Sonnenkrone genannt.


Sonnenfächer (W3) [Adelung]


Der Sonnenfächer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fächer, sich damit von den Sonnenstrahlen zu verwahren; zum Unterschiede von einem Feuerfächer. S. Fächer.


Sonnenferne (W3) [Adelung]


Die Sonnenferne, plur. die -n, in der Astronomie, de Zustand eines Planeten, da er in seiner Bahn am weitesten von der Sonne entfernet ist, und der Punct, in welchem er am weitesten von ihr entfernet ist, Aphelium; zum Unterschiede von der Sonnennähe, Perihelium. Diejenigen, welche der Sonne und den Planeten eine Bewegung um die Erde zuschreiben, nennen diese Puncte die Erdsterne, Apogaeum, und Erdnähe, Perigaeum.


Sonnenfinsterniß (W3) [Adelung]


Die Sonnenfinsterniß, plur. die -sse, eben daselbst, die Verfinsterung der Sonne durch den Mond, wenn derselbe zwischen ihr und der Erde tritt, und sie auf eine Zeit lang bedecket.


Sonnenflecken (W3) [Adelung]


Der Sonnenflecken, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Flecken, oder dunkele Theile in der Sonne; welche von den Neuern für Wolken oder Ausdünstungen gehalten werden. 2. Von einigen werden auch die Sommerflecken im Gesichte Sonnenflecken genannt.


Sonnenfrucht (W3) [Adelung]


Die Sonnenfrucht, plur. die -früchte, bey den Neuern ein Amerikanisches Gewächs, dessen zweyfächerige Capsel auf beyden Seiten Strahlen wie eine Sonne hat; Heliocarpus Linn.


Sonnengeyer (W3) [Adelung]


Der Sonnengeyer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Geyer mit nacktem Kopfe und Halse, dessen Kopf mit einem Lichtkreise umgeben zu seyn scheinet. Klein hält ihn für das Weibchen des Kuttengeyers, Vultur Monachus.


Sonnenglanz (W3) [Adelung]


Der Sonnenglanz, des -es, plur. inus. eigentlich der Glanz der Sonne. In einigen Gegenden wird diejenige Schwäche der Augen, da man ein Stechen in denselben empfindet, wenn man in sie Sonne stehet, der Sonnenglanz, Sonnenschein oder Sonnenschuß genannt.


Sonnengoldblume (W3) [Adelung]


Die Sonnengoldblume, plur. die -n, ein in dem südlichen Europa einheimisches Gewächs, welches bey und in den Gärten gezogen wird, und auf der Spitze des Stängels goldgelbe Blumen bürstenweise träget, wie die Schafgarbe.


Sonnengut (W3) [Adelung]


Das Sonnengut, des -es, plur. die -güter, Siehe Sonnenlehen.


Sonnenhof (W3) [Adelung]


Der Sonnenhof, des -es, plur. die -höfe, ein Hof, d. i. lichter Kreis um die Sonne.


Sonnenhöhe (W3) [Adelung]


Die Sonnenhöhe, plur. die -n, in der Astronomie, die Höhe der Sonne über dem Horizonte.


Sonnenjahr (W3) [Adelung]


Das Sonnenjahr, des -es, plur. die -e, dasjenige Jahr welches nach dem Laufe der Sonne bestimmt wird, die Zeit, in welcher die Sonne die zwölf Zeichen des Thierkreises durchläuft. Das Sonnenjahr bestehet aus zwölf Sonnenmonathen und hält 365 Tage, 5 Stunden und 49 Minuten. Es wird dem Mondsjahre und bürgerlichen Jahre entgegen gesetzt.


Sonnenkäfer (W3) [Adelung]


Der Sonnenkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Käfer mit abgestutzten Fühlhörnern, dessen Körper einer durchschnittenen Kugel gleicht und farbige Flügeldecken mit weißen, rothen oder schwarzen Puncten hat; Goccinella Linn. Vielleicht weil er sich gern im Sonnenscheine aufhält. Schon Notker nennt ihn Suncheuer.


Sonnenklar (W3) [Adelung]


Sonnenklar, adj. et adv. so hell und klar wie die Sonne; am häufigsten im figürlichen Verstande, den höchsten Grad der Deutlichkeit, Erweislichkeit und Faßlichkeit habend. Eine sonnenklare Sache, Wahrheit: Er ist seiner Betriegereyen sonnenklar überführet worden, Raben.


Sonnenkraut (W3) [Adelung]


Das Sonnenkraut, des -es, plur. inus. bey einigen ein Nahme der Cichorie oder der Wegewartes.


Sonnenkrone (W3) [Adelung]


Die Sonnenkrone, S. Sonnenblume.


Sonnenlauf (W3) [Adelung]


Der Sonnenlauf, des -es, plur. inus. die scheinbare Bewegung der Sonne um die Erde.


Sonnenlehen (W3) [Adelung]


Das Sonnenlehen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Lehengüter oder Güter, deren Beschaffenheit noch streitig ist, daher sich auch von dem Ursprunge der Benennung nichts gewissessagen lässet. Viele erklären es durch ein freyes eigenes Gut, welches von niemanden als der Sonne zu Lehen gehet. Aber da diese Figur sehr hart und ungewöhnlich ist, so würde, wenn die Sonnenlehen oder Sonnengüter, wie sie auch genannt werden, freye eigene Güter sind, die erste Hälfte wahrscheinlicher von sein, ehedem suna, abstammen, so daß es sein eigenes Lehen bedeuten würde, welches bey dem Besitzer selbst zu Lehne gehet. Siehe Schilters Gloss. S. 545. Haltaus Gloss. v. Sonnengut, Lennep Landsied. S. 57. 71, Buri Lehnr. 437.


Sonnenluft (W3) [Adelung]


Die Sonnenluft, plur. car. in der Astronomie, der um der Sonne befindliche der Luft ähnliche flüssige Körper.


Sonnenmonath (W3) [Adelung]


Der Sonnenmonath, des -es, plur. die -e, ein Monath, dessen Dauer durch den Lauf der Sonne bestimmt wird, die Zeit, in welcher die Sonne eines von zwölf Zeichen des Thierkreises durchläuft; zum Unterschiede von dem Mondsmonathe. Ein Sonnenmonath bestehet nach der mittlern Bewegung der Sonne aus 30 Tagen, 10 Stunden, 29 Minuten und 5 Secunden.


Sonnenpferd (W3) [Adelung]


Das Sonnenpferd, des -es, plur. die -e, in der Mythologie, die Pferde, welche den Wagen der Sonne ziehen. Der Aberglaube kämpft und flieht zugleich, Wie vor den kühnen Sonnenpferden, Die blinde Nacht voll Selbstvertrauen, Raml.


Sonnenpflanze (W3) [Adelung]


Die Sonnenpflanze, plur. die -n, bey einigen Neuen, ein Nahme der binsenförmigen Klapperschotte, Crotollaria iuncea Linn. welche in Ostindien einheimisch ist.


Sonnen-Quadrant (W3) [Adelung]


Der Sonnen-Quadrant, des -en, plur. die -en, ein Quadrant, die Höhe der Sonne damit zu messen; ingleichen ein Quadrant; so fern man ihn gebraucht, die Stunden des Tages damit zu erfahren, eine Sonnenuhr, welche auf einem Quadranten beschrieben wird.


Sonnenrauch (W3) [Adelung]


Der Sonnenrauch, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, besondere Dünste, welche nicht so feucht als andere sind, und bey dürren und warmen Sommertagen entstehen. S. Heerrauch.


Sonnenregen (W3) [Adelung]


Der Sonnenregen, des -s, plur. ut nom. sing. ein schwacher Regen bey oder nach welchem die Sonne scheinet, und welcher nach einiger Meinung den Honigthau hervor bringen soll.


Sonnenreich (W3) [Adelung]


Sonnenreich, -er, -ste, adj. et adv. viel Sonne oder Sonnenschein habend. Ein sonnenreiches Vorhaus. Trocknes und sonnenreiches Wetter.


Sonnenring (W3) [Adelung]


Der Sonnenring, des -es, plur. die -e, in der Mathematik, eine Sonnenuhr in Gestalt eines Ringes.


Sonnenscheibe (W3) [Adelung]


Die Sonnenscheibe, plur. die -n, in der Astronomie, die Sonne, so fern sie eine flache Scheibe zu seyn scheinet.


Sonnenschein (W3) [Adelung]


Der Sonnenschein, des -es, plur. car. 1. Das Scheinen der Sonne, der Zustand, da ihre Strahlen durch kein Hinderniß aufgehalten werden. Wir haben Sonnenschein. 2. Eine Schwäche der Augen. S. Sonnenglanz.


Sonnenschildkröte (W3) [Adelung]


Die Sonnenschildkröte, plur. die -n, eine Art Schildkröten, welche in Ostindien einheimisch ist, Testudo geometrica Linn.


Sonnenschirm (W3) [Adelung]


Der Sonnenschirm, des -es, plur. die -e, ein Schirm, die Sonnenstrahlen damit von sich abzuhalten; Franz. Parasol, zum Unterschiede von einem Regenschirme.


Sonnenschuß (W3) [Adelung]


Der Sonnenschuß, des -sses, plur. inus. 1. Der Sonnenkoller, ( S. dieses Wort.) 2. Eine Schwäche der Augen, S. Sonnenglanz.


Sonnenstaub (W3) [Adelung]


Der Sonnenstaub, des -es, plur. car. Diminut. das Sonnenstäubchen, Oberd. Sonnenstäublein, der in einem Zimmer herum fliegende unmerklich kleine Staub, welchen man nur alsdann stehet, wenn die Sonne durch eine kleine Öffnung in dasselbe scheinet. Man gebraucht dieses Wort oft, etwas unmerklich kleines zu bezeichnen.


Sonnenstein (W3) [Adelung]


Der Sonnenstein, des -es, plur. die -e. 1. Eine Art unedler Steine, auf welchen das Bild einer strahlender Sonne befindlich ist, dergleichen zu Massel in Schlesien gefunden Werden. 2. Eine Art Opal, welcher durchsichtig ist, und wenn er am Sonnenlichte umgewandt wird, das Bild der fortrückenden Sonne zeiget.


Sonnenstrahl (W3) [Adelung]


Der Sonnenstrahl, des -es, plur. die -en. 1. Die von der Sonne ausgehenden Lichtstrahlen. In der höhern Schreibart wird es auch zuweilen im Singular collective gebraucht. Auf einem Hügel lag der Greis Menalkas am milden Sonnenstrahl und sah durch die herbstliche Gegend hin, Geßn. 2. Eine Art Tellmuscheln mit Strahlen.


Sonnenstraße (W3) [Adelung]


Die Sonnenstraße, plur. die -n, in der Astronomie, der Weg am Himmel, welchen die Sonne in Ihrer eigenen Bewegung durchzulaufen scheinet; die Ekliptik, Sonnenbahn, der Sonnenzirkel, Sonnenweg. Da eigentlich nicht die Sonne, sondern die Erde diesen Weg zurück legt, so sollte er billig die Erdbahn, Erdstraße heißen.


Sonnentag (W3) [Adelung]


Der Sonnentag, des -es, plur. die -e, in der Chronologie, ein Tag, so fern dessen Dauer durch die scheinbare Bewegung der Sonne um die Erde bestimmt wird, der folglich 24 Stunden hält; der natürliche Tag der bürgerliche Tag, zum Unterschiede von dem künstlichen, d. i. derjenigen Zeit, in welcher die Sonne über unserm Horizonte gesehen wird.


Sonnenuhr (W3) [Adelung]


Die Sonnenuhr, plur. die -en, eine Fläche, auf welcher die Stunden durch den Schatten eines Zeigers im Sonnenscheine bestimmt werden; im gemeinen Leben der Sonnenweiser, Sonnen- zeiger. Daher die Sonnenuhrkunst, die Kunst, dergleichen Uhren zu verfertigen, Gnomonica.


Sonnenwedel (W3) [Adelung]


Der Sonnenwedel, des -s, plur. inus. S. Wegewart.


Sonnenweg (W3) [Adelung]


Der Sonnenweg, des -es, plur. die -e, S. Sonnenstraße.


Sonnenwende (W3) [Adelung]


Die Sonnenwende, plur. die -n. 1. In der Astronomie. Die Zeit, da die Sonne den längsten und den kürzesten Tag macht, weil sie alsdann in ihrer Bahn sich rückwärts zu wenden scheinet; der Sonnenstillstand, Solstitium. Schon im Schwabensp. Sunuuende, in den spätern Zeiten Sonnenstandung, Sonnengicht, Sungicht. 2. Auch die zwey Zirkel, welche von den zwey äußersten Puncten der Sonnenbahn beschreiben werden, die Tropici, werden daher von einigen Sonnenwenden, von andern und mehrern aber Wendezirkel genannt. 3. Eine Nahme der Cichorie oder Wegewart, welche auch Sonnenwedel, Sonnenwirbel, genannt wird, weil sich ihre Blume allezeit nach der Sonne wendet oder kehret. ( S. Wegewart.) 4. Eine Pflanze, welche in Ostindien und dem südlichen Amerika einheimisch ist, und deren Blume sich nach dem Laufe der Sonne wendet; Heliotropium Linn.


Sonnenwirbel (W3) [Adelung]


Der Sonnenwirbel, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Siehe das vorige. 2. Eine Sonne mir den zu gehörigen Planeten, weil sich selbige in Wirbeln um sich drehen; das Sonnen System.


Sonnenwurz (W3) [Adelung]


Die Sonnenwurz, plur. inus. eine Pflanze, welche auf den Äckern und trocken Wiesen wild wächset; Orobanche Linn Sommerwurz.


Sonnenzeiger (W3) [Adelung]


Der Sonnenzeiger, des -s, plur. ut nom. sing. der Zeiger an einer Sonnenuhr. Ingleichen die Sonnenuhr selbst.


Sonnenzirkel (W3) [Adelung]


Der Sonnenzirkel, des -s, plur. ut nom. sing. 1. In der Astronomie, ( S. Sonnenstraße.) In der Chronologie, eine Reihe von 28 Jahren, nach deren Endigung die Sonn und übrigen Wochentage wiederum auf die vorigen Tage des Julianischen Jahres fallen, und also wiederum mit einerley Buchstaben bemerket werden.


De (W3) [Adelung]


De Sonnenzopf, des -es, plur. die -zöpfe, im gemeinen Leben, die Streifen am Himmel, wenn die Sonne, wie man sagt, Wasser ziehet, S. Sonne.


Sonnett (W3) [Adelung]


Das Sonnett, des -es, plur. die -e, eine sehr gezwungene Art Gedichte, welche aus vierzehen gleich langen Zeiten bestehen, und in Ansehung der Reime vielem Zwange ausgesetzet sind. Der Nahme ist, so wie die Sache selbst Französischen Ursprunges. Son bedeutete bey den ältesten Provenzal Dichtern im 12ten Jahrhunderte ein Lied, und das Diminut. Sonette, ein kurzes Lied. Die Italiäner gaben dieser Art kurzer Lieder neue gezwungene Regeln, besonders soll sich das heutige Sonnett von dem Petrarch herschreiben, worauf auch die Deutschen es mit dem Italiänischen Nahmen Sonnetto angenommen haben. Die Holländer nennen ein Sonnett ein Klinggedicht, welchen Ausdruck auch einige Hochdeutschen einzuführen gesucht, ungeachtet er schon dem Opitz nicht gefallen wollte.


Sonnicht (W3) [Adelung]


Sonnicht, -er, -ste, adj. et adv. nur im gemeinen Leben, für sonnenreich. Indessen hat doch Zachariä es in die dichterische Schreibart aufgenommen. In dem sonnichten Vorholz lauscht der schimmernde Korbschwanz.


Sonntag (W3) [Adelung]


Der Sonntag, des -es, plur. die -e, der erste Tag in der Woche, welcher in allen christlichen Kirchen zugleich ein beständiger Feuertag ist. Der weiße Sonntag, eine noch im Oberdeutschen übliche Benennung des Sonntags nach Ostern, oder Quasimodogeniti, welcher in den mittlern Zeiten und Dominica in albis genannt wurde, von den weißen Kleidern, welche man in den ältesten Zeiten in den ersten acht Tagen nach Ostern zu tragen pflegte. Der schwarze Sonntag, bey dem großen Haufen, der Sonntag Judica, weil derselbe vorzüglich unglücklich seyn soll. Die goldnen Sonntage, auch nur noch bey den großen Haufen, die Sonntage, welche gleich auf die Quatember folgen, und welche mit vielem Aberglauben beschmitzet werden; z. B. Kinder, welche an denselben geboren werden, können Gespenster sehen, Verlöbnisse und Hochzeiten, welche an denselben genossen werden, bringen Geld und Gut u. s. f. Der Palmsonntag u. s. f.

Anm. Schon im achten Jahrhunderte Sununtag, bey dem Ottfried Sunundag, in Nieders. Sundag, so wie er schon bey den Römern Dies Solis hieß. Notker nennet ihn Frontag.


Sonntägig (W3) [Adelung]


Sonntägig, adj. et adv. was am Sonntage ist oder geschiehet.


Sonntäglich (W3) [Adelung]


Sonntäglich, adj. et adv. was alle Sonntage ist oder geschiehet. Oft aber auch wie das vorige. Der sonntägliche Gottesdienst.


Sonntagsbuchstab (W3) [Adelung]


Der Sonntagsbuchstab, des -en, plur. die -en, in der Chronologie, derjenige Buchstab, welcher im Kalender alle Sonntage das ganze Jahr durch andeutet.


Sonntagskind (W3) [Adelung]


Das Sonntagskind, des -es, plur. die -er, ein an einem Sonntage, und besonders an einem goldenen Sonntage gebornes Kind, dergleichen Kinder nicht nur Gespenster sehen können, sondern auch vorzüglich werden sollen.


Sonntagskleid (W3) [Adelung]


Das Sonntagskleid, des -es, plur. die -er, das beste Kleid, welches man hat, und welches man Sonntags zu tragen pflegt.


Sonst (W3) [Adelung]


Sonst, adverb. welches in allen seinen Bedeutungen eine Absonderung, eine Ausnahme, eine Ausschließung bezeichnet. Es bedeutet, 1. Etwas anders, im Oberd. anders. Haben sie noch sonst etwas? außer diesem, etwas anders. Wer weiß, was sie sonst noch für einen Feind haben. Weil ich zuweilen in dem Zuschauer oder sonst in einem weltlichen Buche lese, Gell. oder in einem andern weltlichen Buche. Was wollen sie sonst damit sagen? Dein Bruder sonst jemand. Ingleichen mit vereinenden Wörtern. Ich habe sonst nichts gehöret, nichts anders, außer diesem nichts. Er hat sonst nichts gethan. Sonst niemand als du. Ich habe sonst keine Vorzüge als meine Unschuld. Mein Herz ist mein Reichthum, sonst besitze ich nichts, Gell. Die Bedeutung ist hier adjectivisch, die Form aber völlig adverbisch. 2. In mehr adverbischer Bedeutung. (1) Auf andere Art. Daniel, der sonst Belsazer heißet, Dan. 4, 16. Aber vielleicht gehöret diese Vorstellung sonst in die Reihe deiner Empfindungen, Gell. (2) In andern Stücken, nur im gemeinen Leben. Kein Kluger liebt ein Mensch von ihrer Kleidung wegen, Die sonsten gräulich ist, Opitz. (3) An einem andern Orte. Im Grabe ist Trost für mich, sonst nirgends. Mich däucht, daß ich ihn sonst wo gesehen habe. (4) Zur andern Zeit, eine der gangbarsten Bedeutungen. Er ist ja sonst so vernünftig. Sonst bin ich gern bey dir. Komm sonst einmahl wieder. Sie lesen mir ja sonst keine Fabeln vor. Du pflegst dich sonst nicht so zu denken. Der Schiffer, sonst ein finstrer Mann, Sah seine Schönen freundlich an, Gell. Da es denn in engerer Bedeutung auch wohl von einer andern vergangenen Zeit gebraucht wird, für ehedem. Sonst war er nicht so. Sonst waren wir gute Freunde. (5) Im entgegen gesetzten Falle, wo es zugleich etwas von einem verursachenden Bindeworte an sich nimmt. Bezahle mich, sonst verklage ich dich. Wenn sie es sagen wollen, so machen sie, sonst gehe ich, Gell. Ich will ihm nachgehen, er möchte sonst gar zu große Händel anrichten, eben ders. Der Spaß könnte mir sonst theuer zu stehen kommen, Weiße. Kommt ja, sonst stirbt die Frau Schwägerinn, Gell. (6) Ich könnte, wenn ich sonst wollte, wenn ich nur wollte.

Anm. Sonst, in den gemeinen Mundarten auch sonsten, im Oberd. ansonst, ansonsten, im Nieders. sus, süß, sust, susten, sustes, stammet von sonder, ohne, und sondern, trennen, ab, daher auch der Begriff beyder Wörter in allen Bedeutungen desselben der herrschende ist. Die Verwandtschaft mit sonder, ohne, wird auch durch das Ital. senza und Franz. sans, ohne, bestätiget, welche durch eben denselben Endlaut aus dem verwandten sine gebildet worden. Im Oberdeutschen ist für sonst in den meisten Fällen anders üblich. S. auch Umsonst.


Sonstig (W3) [Adelung]


* Sonstig, adj. welches von dem vorigen Nebenworte gebildet, aber nur im Oberdeutschen üblich ist. Seine sonstigen guten Eigenschaften, welche er sonst, außer diesen Eigenschaften hat. Auf sonstige Art, auf andere Art. Die Gläubiger werden zur Pflegung der Güte und Beobachtung sonstiger Nothdurft vorgeladen.


Soogen (W3) [Adelung]


Soogen, S. Sogen.


Sophia (W3) [Adelung]


Sophia, ein aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Weisheit, entlehnter weiblicher Taufnahme, welcher im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart in Söffe, Söffchen, Fieke, Fiekchen, in Preußen aber in Fusch verkürzet wird.


Sophien-Kraut (W3) [Adelung]


Das Sophien-Kraut, des -es, plur. inus. eine Art der Rauke, welche an Wegen und wüsten Örtern wild wächset, und deren Same einen scharfen brennenden Geschmack hat; Sisymbrium Sophia Linn. Wallsamen. S. Dieses Wort.


Sophist (W3) [Adelung]


Der Sophist, des -en, plur. die -en, aus dem Griech. und Lat. Sophistes, Sophista, derjenige, welcher die Fertigkeit besitzet, andere durch Trugschlüsse oder falsche Schlüsse zu hintergehen. Daher die Sophisterey, diese Fertigkeit, ingleichen Trugschlüsse und darauf gegründete Urtheile selbst, sophistisch, darin gegründet.


Sorge (W3) [Adelung]


1. Die Sorge, plur. die -, ein nur in einigen Gegenden in dem zusammen gesetzten Feuersorge übliches Wort, eine Feuergieke zu bezeichnen. Es hat hier die Bedeutung eines Gefäßes, Behältnisses, S. Sarg, mit welchem es genau verwandt ist.


Sorge (W3) [Adelung]


2. Die Sorge, plur. die -e. 1. Eigentlich, die mit Unruhe verbundene anhaltende Richtung des Gemüthes auf die Abwendung eines Übels oder Erlangung eines künftigen Gutes, und die damit verbundene Unlust oder unangenehme Empfindung. Sein Brot mit Sorgen essen, Ps. 127, 2. Sorgen der Nahrung. Ohne Sorge oder ohne Sorgen leben. Viele Sorgen haben. Sich viele vergebliche Sorgen machen. Das ist meine größte Sorge. Einem tausend Sorgen machen, verursachen. Jemanden seine Sorgen benehmen. Sich der Sorgen entschlagen. Machen sie sich keine Sorgen, sorgen sie nicht. In Sorgen stehen, aber heißt so viel, als befürchten, besorgen. 2. In weiterer Bedeutung wird es oft von einer jeden ernstlichen Richtung des Gemüthes auf die Erhaltung oder Wegschaffung einer Sache gebraucht, da es denn wohl nur im Singular am üblichsten ist. Das ist meine Sorge. Sorge für etwas tragen, dafür sorgen. Ich nehme diese Sorge über mich.

Anm. Schon bey dem Kero Soragu, bey dem Ottfried Suorga, im Tatian Suorg; bey dem Willeram Sorgo, im Nieders. Sorge, bey dem Ulphilas Saurga, im Engl. Sorrow, im Schwed. Sorg, im Finländ. Suru. Das Stammwort ist das alte noch im Niederdeutschen gangbare Ser, Schmerz. ( S. Sehrund Versehren,) daher Sorge noch jetzt im Niederdeutschen Trauer, Traurigkeit, Kummer überhaupt bedeutet, und auch im Hochdeutschen ehedem bedeutet hat, ehe es auf eine besondere Art dieser Unlust eingeschränket worden.


Sorgen (W3) [Adelung]


Sorgen, verb. reg. welches in doppeltes Gestalt gefunden wird. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, wo es ehedem Kummer, Gram, Traurigkeit, Schmerzen des Gemüthes empfinden, bedeutete, jetzt aber nur in engerer Bedeutung von einzelnen Arten dieser Unlust gebraucht wird. 1. Das Gemüth auf eine anhaltende Art mit Unruhe und Unlust auf die Abwendung eines Übels oder Erlangung eines künftigen ungewissen Gutes richten. Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele? Ps. 23, 3. Sorget nicht, wenn ein dürres Jahr kommt, Jer. * 7, 8. Sprichw. Borgen macht Sorgen. Man sorget sich eher alt als reich. In weiterer Bedeutung, für etwas sorgen, ernstlich darauf bedacht seyn, es zu veranstalten suchen. Dafür laß mich sorgen. Ihn hält die Ruhe der Nacht nicht ab, für unsers Alters Freunde zu sorgen, Geßn. Wie wohl hat mein Geliebter für mein Vergnügung gesorgt! Dusch. Die biblische R. A. ich sorge für meine Sünde, Ps. 38, 19; Empfinde Betrübniß, wegen meiner Sünde, ist im Hochdeutschen veraltet. 2. Ein künftiges Übel mit Unlust als möglich oder wahrscheinlich betrachten, befürchten; in der vertraulichen Sprechart. Ich sorge sehr, daß es nicht geschehen wird. Ich sorge, ich sorge, es wird dich gereuen. II. Als ein Activum mit der vierten Endung des Hauptwortes. 1. Befürchten. Was ich sorgete, hat mich betroffen, Hiob 3, 25; wofür doch besorgen üblicher ist. 2. Ernstlich veranstalten. Hilf mir mein Bestes sorgen, Can. Auch in dieser Bedeutung ist das zusammen gesetzte besorgen gangbarer. So auch das Sorgen:

Anm. Bey dem Ottfried suorgan, im Niedersächs. gleichfalls sorgen, im Schwed. sörja, im Engl. to sorrow, bey dem Ulphilas saurgan.


Sorgenfrey (W3) [Adelung]


Sorgenfrey, -er, -ste, adj. et adv. frey von Sorgen. Ein sorgenfreyes Gemüth. Im Niedersächsischen wird es auch objective gebraucht; eine sorgenfreye Sache, für welche man nicht besorgt seyn darf.


Sorgenlos (W3) [Adelung]


Sorgenlos, -er, -este, adj. et adv. wie das vorige, ob es gleich nicht so üblich ist. Ich bin jetzt sorgenlos, habe keine Sorgen mehr. Ein sorgenloses Gemüth. S. Sorgenlos, mit welchem es doch nicht verwechselt werden muß.


Sorgenvoll (W3) [Adelung]


Sorgenvoll, adj. et adv. voll Sorgen, viele Sorgen habend oder empfindend. Dir sieht der sorgenvolle Greis, O Stifter der Geschlechter! Raml.


Sorgestuhl (W3) [Adelung]


Der Sorgestuhl, des -es, plur. die -stühle, in einigen Gegenden, ein Nahme eines Arm- oder Lehnstuhles, weil er sehr bequem ist, seinen Sorgen darin nachzuhängen.


Sorgfalt (W3) [Adelung]


Die Sorgfalt, plur. car. die ernstliche Richtung des Gemüthes auf einen Gegenstand und dessen sämmtliche einzelne Theile, die ernstliche Richtung des Gemüthes auf die mit uns verbundenen Dinge und auf unser gehöriges Verhalten gegen dieselben, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit dieses Betragens, die Sorgfältigkeit. Etwas mit vieler Sorgfalt betrachten, untersuchen, verrichten. Sorgfalt anwenden.

Anm. Die erste Hälfte ist ohne Zweifel, das Zeitwort sorgen in seiner weitern Bedeutung: Die Sylbe falt ist dunkel, zumahl da sie in dieser Zusammensetzung bey den ältesten Schriftstellern nicht vorkommt. Wenn sie nicht von walten, Wille oder einem ähnliche Worte abstammet, so scheinet sie eine Figur von faltig, ehedem nur falt, in einfältig, dreyfaltig u. s. f. zu seyn, und vornehmlich die Richtung auf alle einzelne Theile zu bezeichnen. In dem 1501 gedruckten Buche der Weisen, dem ältesten Buche, in welchem mir dieses Wort vorgekommen ist, bedeutet Sorgfeltigkeit, Sorge und Kummer überhaupt sollt er allen Lust sei- nes lybs rytumb haben vnd on alle Sorgfeltigkeit leben. Der Verfasser des Theuerdankes hingegen gebraucht es für Gefahr, und sorgfältiglich für gefährlich.


Sorgfältig (W3) [Adelung]


Sorgfältig, -er, -ste, adj. et adv. Sorgfalt anwendend, in derselben gegründet, und im Nebenworte, mit Sorgfalt. In allen Stücken sehr sorgfältig seyn. Eine sorgfältige Untersuchung, Betrachtung. Man mache einen sorgfältigen Unterschied zwischen den Fehlern des wesentlichen und des zufälligen Wohlstandes, Gell. In einigen Oberdeutschen Gegenden bedeutet es auch Sorgen, Kummer habend, in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist.


Sorgfältigkeit (W3) [Adelung]


Die Sorgfältigkeit, plur. inus. 1. Die Sorgfalt, eine veraltete Bedeutung. 2. Die Fertigkeit dieses Gemüthszustandes, wofür doch auch Sorgfalt üblicher ist.


Sorglich (W3) [Adelung]


Sorglich, -er, -ste, adj. et adv. 1. Kummer, Sorge empfindend, und darin gegründet. Mit sorglichemo ruache, Ottfried. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet. 2. Sorge anwendend, wo es ehedem für sorgfältig gebraucht wurde. Bey dem Notker sorglicho, Nieders. sorglik. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung unbekannt. 3. Sorge verursachend. (1) Im weitesten Verstande, wo es noch zuweilen vorkommt. Das ist ein sorglicher Handel. Sorgliche Zeiten, kümmerliche. (2) * In engerer Bedeutung wurde es ehedem häufig für gefährlich gebraucht. Notker sorgliho, Holländ. zorglyk. Du weyst das auf diesem perg dort - ist zu gan sorglich, Theuerd. Kap. 61.


Sorglichkeit (W3) [Adelung]


Die Sorglichkeit, plur. inus. welches ehedem in allen Bedeutungen des vorigen Beywortes gangbar war, im Hochdeutschen aber wenig mehr gehöret wird.


Sorglos (W3) [Adelung]


Sorglos, -er, -este, adj. et adv. der Sorge, d. i. ernstlichen Richtung des Gemüthes auf einen Gegenstand beraubt, und darin gegründet. Ich legte mich sorglos nieder. Spencers Poesie ist die sorglose Ergießung einer warmen Einbildungskraft und lebhaften Empfindung. In engerer Bedeutung bezeichnetes es die Unterlassung dieser pflichtmäßigen Richtung des Gemüthes. Ein sorgloser Mensch. Sorglos seyn.

Anm. Dieses Wort ist von dem Zeitworte sorgen, besonders in dessen weitern Bedeutung, zusammen gesetzt, und unterscheidet sich dadurch hinlänglich von sorgenlos, welches die Abwesenheit ängstlicher Sorgen bezeichnet.


Sorglosigkeit (W3) [Adelung]


Die Sorglosigkeit, plur. inus. der Zustand des Gemüthes, da man sorglos ist, in beyden Bedeutungen. Im engern Verstande die Fertigkeit dieses Zustandes.


Sorgsam (W3) [Adelung]


Sorgsam, -er, -ste, adj. et adv. 1. Sorge und in weiterm Verstande, Kummer, Furcht, Traurigkeit erweckend, in welcher Bedeutung in dem alten Gedichte auf den heil. Anno sorchsam für furchtbar vorkommt. 2. Sorge habend, empfindend. (1) In der engern Bedeutung des Hauptwortes; in welcher es im Hochdeutschen veraltet ist. (2) In der weitern Bedeutung de ernstlichen Richtung des Gemüthes, das Gemüth ernstlich auf die vorkommenden Dinge und unser Verhältniß gegen dieselben richtend, wo es sich von sorgfältig nur darin unterscheidet, daß sich dieses mehr auf die einzelnen Theile, sorgsam aber mehr auf das Ganze beziehet. Indessen ist doch das letztere im Hochdeutschen bey weiten nicht so gangbar, als das erste, welches in den meisten Fällen für dasselbe gebraucht wird. Behaltet ihn, und schließt ihn sorgsam ein, Gell.


Sorgsame (W3) [Adelung]


Der Sorgsame, des -ns, plur. die -n, der Same eines Italiänischen Gewächses und dieses Gewächs selbst welches von einigen zur Hirse gerechnet wird, einen dicken, hohlen, markigen Stängel hat und röthliche oder braune Samenkörner trägt, weiche zwey Mahl so groß wie Hirsenkörner sind, und von den Italiänern zum Brote gebraucht werden; Sorg, Sorgweitzen, in mittlern Lateine Sorium. Der Nahme ist ausländisch, so wie das Gewächs selbst.


Sorgsamkeit (W3) [Adelung]


Die Sorgsamkeit, plur. inus. das Hauptwort von dem Beyworte sorgsam, welches im Hochdeutschen nur in dessen letztern Bedeutung gangbar ist, die Richtung des Gemüthes auf die mit uns verbundenen Dinge und auf unser Verhalten gegen dieselben, und die Fertigkeit dieser Richtung.


Sortau (W3) [Adelung]


Das Sortau, des -es, plur. die e, eine Art Taue auf den Schiffen, welches sich besonders an der großen Bramstange befindet.


Sorte (W3) [Adelung]


Die Sorte, plur. die -n, aus dem Franz. Sorte, die Art, so fernes Dinge Einer Art bezeichnet. Waaren von der besten Sorte. Schlechte Geld- oder Münzsorten.


Sortement (W3) [Adelung]


Das Sortement, des -es, plur. die -e, aus dem Französ. Sortement, bey den Kaufleuten, ein Vorrath von mehren Waaren verschiedener Art, doch so, daß jede Art ordentlich bey einander befindlich ist. So ist z. B. die Sortements-Handlung bey den Buchhändlern von der Verlagshandlung verschieden.


Sortement-Stein (W3) [Adelung]


Der Sortement-Stein, des -es, plur. die -e, im Bernsteinhandel, die größten und besten Stücke Bernstein, vermuthlich, weil nur sie zu dem Sortemente kommen; zum Unterschiede von dem Sandsteine, den Schlug, den Knöbeln und Tonnensteinen.


Sortiren (W3) [Adelung]


Sortiren, verb. irregul. act. von Sorte, im Handel und Wandel, Dinge Einer Art zusammen legen oder thun. Die Waaren sortiren, nicht so wohl die schlechten von den guten trennen, als vielmehr die Waaren jeder Art besonders legen.


Sosisch (W3) [Adelung]


Sosisch, adj. et adv. ein nur im Bergbaue übliches Wort. Das gepochte Gestein wird daselbst sosisch genannt, wenn es sich in der Fluth, d. i. in dem Abflusse des Wassers von dem Pochwerke, zusammen setzet. Der Ursprung und eigentliche Bedeutung ist mir dunkel.


Soße (W3) [Adelung]


Die Soße, plur. die -n, aus dem Franz. Sauce, eine jede Brühe zu einer Speise oder über dieselbe. Das Wort ist schon frühe aus dem Französischen entlehnet worden, indem es schon bey dem Kaisersberg vorkommt, zu einem Beweise, daß unsere schmackhaften Brühen selbst eine Französische Erfindung sind.


Sothan (W3) [Adelung]


* Sothan und Sothanig, adj. et adv. welches im Hochdeutschen unbekannt ist, aber nicht nur in den Oberdeutschen Kanzelleyen, sondern auch im Niederdeutschen häufig vorkommt. Es bedeutet, 1, solch. Auf sothanes oder sothaniges euer Bitten. 2. Dergestalt. Es ist sothan oder sothanig eingerichtet, daß u. s. f.

Anm. Im Angels. sothan, im Dän. saardann, im Holländ. zedanig, dusdanig. Wachter und Aichinger vermuthen, daß es aus sodann gebildet worden; allein es stammet erweislich genug von thun her. Im Schwabenspiegel sind so getan dink, dergleichen oder solche Dinge. Hornegk gebraucht dafür nur getan, ohne so. Ehedem war auch wiegethan, und swiegeton, Dän. hoordann, für welch, und was für ein, üblich, wovon Frisch Beyspiele anführet. Im Holländ. ist hoedanig, welcher Gestalt, und Hoedanigheit, die Beschaffenheit.


Sottel (W3) [Adelung]


Das Sottel, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in der Landwirthschaft einiger Gegenden, z. B. in Thüringen, übliches Wort, einen Acker zu bezeichnen, welcher ungefähr zwey Ruthen weit ist, übrigens aber so lang seyn kann als er will; zum Unterschiede von einem Strichel, welcher 1 Ruthe, einer Dreygerte, welche che 3 Ruthen, und einem Gelenge, welches 4 Ruthen breit ist. Frisch, der aber dieses Wort überhaupt nicht verstand, scheint es von Siedel abzuleiten, weil er von Sottel dahin verweiset. Allein, da dieses Wort einen Acker von einer bestimmten Breite bezeichnet, so ist diese Ableitung zu unbestimmt.


Souverain (W3) [Adelung]


Der Souverain, (sprich Soüveraing) des -s, plur. die -s, aus dem Französischen Souverain. 1. Ein souverainer, unumschränkter Herr, welcher in Ansehung der Hoheitsrechte durch sein Reichsgrundgesetze eingeschränket ist: da es denn im gemeinen Leben wohl von einem jeden Landesherren gebraucht wird, so fern er in Ansehung unserer souverain ist, in Ansehung seines Verhaltens gegen und nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. 2. Eine Goldmünze, welche in den ehemahligen Spanischen, nachmahls Österreichischen Niederlanden geschlagen wurde, und ehedem zu 5 Rthlr. 21 Gr. hernach aber zu drey Ducaten oder 8 Rthlr. 12 Gr. ausgepräget wurde; ohne Zweifel, weil sie von dem Souverain und mit dessen Brustbilde ausgepräget ward. Im gemeinen Leben lautet es dieser Bedeutung häufig Severin.


Souverän (W3) [Adelung]


Souverän, -er, -ste, adj. et adv. aus dem Franz. souverain, unumschränkt, keinem andern von seinem Verhalten zur Rechenschaft verbunden, unumschränkt. Ein souveräner König. Souverän seyn, regieren.


Souverainität (W3) [Adelung]


Die Souverainität, plur. car. aus dem Franz. Souverainete, diejenige unumschränkte Macht, da man von seinem Verhalten niemanden zur Rechenschaft verbunden ist.


Sowohl (W3) [Adelung]


Sowohl, richtiger So wohl, S. Wohl.


Spachat (W3) [Adelung]


Der Spachat, S. Spagat.


Spaden (W3) [Adelung]


Der Spaden, S. Spaten.


Spadille (W3) [Adelung]


Die "Spadille", (Sprich Spadilje) plur. die -n, aus den Franz. "Espadille", und dieß wieder aus dem Spanischen, im l'Hombre Spiele, der erste und vornehmste Matador, welches in allen Farben das "Pik Daus" ist. Ohne Zweifel dem Spanischen "Spado". Deutsch "Spaten", weil die Pik-Farbe in der Deutschen Karte "Schüppen" oder "Spaten" genannt wird.


Spagat (W3) [Adelung]


Der Spagat, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in Österreich, Böhmen, u. s. f. übliches Wort, Bindfaden zu bezeichnen, wo das Wort auch Spaget, Spacht, Spachter, Spagen, Spoget u. s. f. lautet. Entweder von dem Ital. Spago, Spaghetto, dünner Bindfaden, oder auch von dem Böhm. spogiti, zusammen heften.


Späh (W3) [Adelung]


Die Späh, plur. inus. die Handlung, da man spähet, ein altes, nur noch im Oberdeutschen gangbares Wort, wo z. B. in den Steckbriefen heißt, daß man auf die beschriebene Person gute Späh und Kundschaft halten oder ausstellen soll. In einigen Gegenden den Spee, Spech, im mittlern Lat. Espia. S. Spähen.


Spähbiene (W3) [Adelung]


Die Spähbiene, plur. die -n, in der Bienenzucht, Bienen, welche aus einem Stocke, wenn derselbe bald schwärmen will, ausgeschickt werden, den besten Platz für die künftige neue Colonie auszuspähen; die Spurbienen.


Spähen (W3) [Adelung]


Spähen, verb. reg. neutr. et act. welches im ersten Falle das Hülfswort haben erfordert. Es ist eines der ältesten Wörter nicht nur der Deutschen, sondern auch aller nur einiger Maßen verwandten Sprachen. In dem gemeinen Sprachgebrauche der Hochdeutschen ist es veraltet, bis es in dem neuen Zeiten wieder von einigen in der dichterischen Schreibart gebraucht worden. Es bedeutet, 1. Sehen, so wohl schlechthin, als genau und scharf sehen; bey dem Notker spehen und irspehen. Das solm (soll man) an miner frowen spehen, Jacob von Warte. Man spähet dort mehr Dinge seltner Art, Haged. Bey den ältern Oberdeutschen war daher das spähende Leben, vita contemplativa, in der Theologie, und Spechunde, eigentlich Spähkunde, die beschauliche Theologie. Das Lat. specio und spicio sind auf das genaueste damit verwandt. Im Os- nabrückischen ist das Bey- und Nebenwort spee, frey, hell, wo man von jedermann gesehen werden kann, und im Holländischen werden die Seitenlöcher in den Schiffen Spiegaten genannt. ( S. auch Spiegel.) 2. Mit den Augen zu entdecken suchen, und in weiterer Bedeutung, kundschaften sowohl im guten und unschuldigen als nachtheiligen Verstande; eine sehr weit ausgebreitete Bedeutung. Von Stund an schickt der Held aus zu spehen, An welchem Ort die feind wären, Theuerd. Kap. 90. Gefällig sucht in meinem Blick Er jeden Wunsch zu spähen, Weiße. Im Oberd. spegen, spechen, speigen, spee, und intensive spieken, im Nieders. und Holländ. speen, spien, im Dän. bespeide, im Engl. to spy, espy, im Ital. spiare, im mittlern. Lat. expiare, im Schwed. speja, im Span. espiar, im Wallis. yspio, im Pohln. spiegowae, im Lat. speculari und selbst im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Daher das alte Spech, Specher, Speher, ein Spion, Engl. Spy, Pohln. Spieg, im mittlern Lat. Espia, wofür wir das Französ. Spion entlehnet haben. ( S. dasselbe.) 3. Wirklich entdecken, bey dem Ottfried spichan, und noch jetzt im Oberdeutschen spähen. 4. Nachstellen, in welchem Verstande man noch jetzt im Oberdeutschen häufig sagt, auf jemanden spähen, so wohl von Gerichten, wenn sie einem verborgenen Verbrecher nachstellen, als auch von unerlaubten und hinterlistigen Nachstellungen. So auch das Spähen.

Anm. Aus diesen mehr eigentlichen Bedeutungen floß ehedem eine Menge figürlicher, welche aber jetzt veraltet sind, wenigstens im Hochdeutschen nicht vorkommen. Die Vornehmsten sind, 1. Glänzen, scheinen, so wie sehen im ähnlichen Verstande gebraucht wird. Daher das alte Oberdeutsche spehe, schön, das Alban. spiun, und Wallach. spiunu, neu, eigentlich glänzend, die Lat. speciosus, Species, u. s. f. 2. In die Zukunft sehen. (1) Künftige Dinge vorher sehen und bestimmen. Daher das Schwedische spa, weißagen, im Dän. spaa, im Schottländ. spay. (2) Mit Sehnsucht in die Zukunft sehen, hoffen, welches mit dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eigentlich auch sehen bedeutet. Daher das Lat. Spes, und mit einem andern Endlaute sperare. 3. Scharfsichtig, weise, verschlagen seyn, eine ehedem sehr gangbare Bedeutung. Schon bey dem Kero ist spahe, weise, im Isidor u. s. f. Spahii, Spahida, Spehi, die Weisheit. Das Schwedische spak, bedeutet gleichfalls weise. Für listig, verschlagen, spitzfündig kommt es bey dem Winsbeck und andern Schwäbischen Dichtern vor.


Spallier (W3) [Adelung]


Das Spallier, des -es, plur. die -e, in dem Gartenbaue, ein Geländer von Latten und Pfählen, Bäume und Gewächse daran zu binden und zu ziehen, es mag nun an Wänden und Mauern angebracht seyn, oder frey stehen. Es ist aus dem Italiän. Spalliere, entlehnet, welches wieder von dem Latein. Palus, ein Pfahl, oder so fern es auch von einer Bekleidung gebraucht wird, von Pellis, Fell, abzustammen scheinen; denn in einigen Oberdeutschen Gegenden pflegt man auch die Tapeten Stuben Spalliere zu nennen.


Spallierbaum (W3) [Adelung]


Der Spallierbaum, des -es, plur. die -bäume, eben daselbst, Bäume an dem Spalliere gezogen werden. So auch das Spalliergewächs.


Spallieren (W3) [Adelung]


Spallieren, verb. reg. act. 1. Eine Wand oder Mauer mit einem Spalliere bekleiden. 2. In weiterer Bedeutung, eine Wand bekleiden oder auszieren, doch nur in einigen Gegenden. Der nur mit Schwamm und Moos rings um spallierte Saal, Günth.


Spalm (W3) [Adelung]


Der Spalm, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in den Niederdeutschen Seestädten ein Nahme des Schiffspeches, oder desjenigen Peches, welches aus Theer, Pech, Harz und Un- schlitt bestehet, das Holz und Tauwerk damit vor der Fäulniß zu bewahren. Das Wort ist ausländisch und vermuthlich Holländischen Ursprunges.


Spalt (W3) [Adelung]


Der Spalt, des -es, plur. die -e, oder die Spalte, plur. die -n, von dem Zeitworte spalten. 1. Eine durch Spalten entstandene Öffnung oder Theilung in die Länge. Durch den Spalt oder die Spalte einer Thür sehen. Das Holz bekommt einen Spalt, ist voller Spalte oder Spalten. Ein Spalt in dem Eise. Der Knochenspalt, bey den Mundärzten, eine Spalte in den Knochen, ingleichen der Zustand eines Knochens, da er gespalten ist. Der Spalt oder die Spalte einer Feder. In den Spalt pfropfen, bey den Gärtnern, das Pfropfreis in einen in den Stamm gemachten Spalt setzen. 2. Ein durch Spalten entstandener Theil, im welchem Verstande in figürlicher Bedeutung nur die Theile einer gespaltenen oder der Länge nach getheilten Seite bey den Büchern im weiblichen Geschlecht die Spalten, und mit einem Lat. Kunstworte Columnen genannt werden.

Anm. Bey dem Notker Spalte, der es in der weitern Bedeutung von der Theilung des rothen Meeres gebraucht, im Nieders. Splete, Splett. ( S. Spleißen.) Im Hochdeutschen ist es in den beyden angezeigten Geschlechtern gleich gangbar, obgleich in einigen einzelnen Fällen eines mehr üblich ist, als das andere. Ehedem gebrauchte man es auch figürlich für Trennung, Uneinigkeit, wofür aber, außer dem zusammen gesetzten Zweispalt, jetzt Spaltung üblicher ist, S. dasselbe.


Spaltader (W3) [Adelung]


Die Spaltader, plur. die -n, bey den Holzarbeitern, diejenigen Adern in dem innern Holze, durch welche sich das Holz am leichtesten spalten lässet, dergleichen besonders das Nadelholz.


Spalten (W3) [Adelung]


Spalten, verb. reg. außer daß es im Mittelworte häufiger gespalten, als gespaltet hat. Es ist doppelter Gattung üblich, I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, sich mit dem diesem Zeitworte eigenthümlichen Schalle der Länge, oder dem Laufe der Fasern nach von einander geben, oder theilen. Es prügelte ihn bis das Rohr spaltete. Das Holz will nicht spalten. Indessen ist doch statt dieses neutralen Zeitwort das folgende Activum in Gestalt eines Reciproci üblicher. II. Als ein Activum, spalten machen, den harten langen Fasern oder Platten nach mit dem diesem Zeitworte eigenthümlicher Schalle theilen. 1. Eigentlich. Ein Körper wird gespalten, wenn sich die Theile weiter von einander geben, als das theilende Werkzeug in den Körper eindringt, welches daher im eigentlichen Verstande nur bey harten elastischen Körpern Statt finden kann, welche der Länge nach aus Fasern oder Platten bestehen, den welchen denn auch nur der Statt findet, welchen dieses Zeitwort zunächst nachahmet. Holz spalten, im gemeinen Leben oder Ober- und Niedersachsen Holz spellen oder spellern. Den Schiefer spalten. Eine Feder spalten. Der Öhlberg wird sich spalten, Zachar. 14, 4. So auch reciproce, sich spalten, einen Spalt bekommen. Das Holz spaltet sich. Die Thür hat sich gespalten. 2. Figürlich, wo es, (1) vielen Fällen von mancherley Arten des Theilens oder der Trennung des körperlichen Zusammenhanges gebraucht wird. Gespaltene Klauen haben. Ein gespaltenes Kinn, eine gespaltene Lefze. Die gespaltenen Zungen der Schlagen. Er hat meine Nieren gespaltet, (gespalten,) Hob 16, 13. Er liegt mit gespaltenem Haupte, Klopft. Eine gespaltene Columne oder Seite, bey Buchdruckern, welche in zwey oder mehr Theile der Länge nach getheilet ist. Der Fluß spaltet sich in zwey Arme, wofür man doch lieber theilen gebraucht. Der weit gespaltene Herr erreichte bald das Zim- mer Rost; der Herr mit den langen Beinen. Gespaltene Bauerngüter in einigen Gegenden für getheilte. (2) * Durch Uneinigkeit trennen. Die Menge der Stadt spaltete sich, Apost. 14, 4. Eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher doch noch das Hauptwort die Spaltung üblich ist, ( S. dasselbe) So auch das Spalten.

Anm. Bey dem Notker und Ottfried spaltan, bey dem Stryker spiltan, im Nieders. spellern und splieten, im Engl. to spelt und split, im Schwed. spjälka. Es ahmet, so wie reißen, brechen, und andere ähnliche Zeitwörter zunächst den mit dem Spalten verbundenen Laut nach, welcher vermittelst des intensiven f zu balen, bellen gehöret womit auch das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, trennen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, zerschneiden, verwandt ist. ( S. Platzen und Spleißen.) Statt dieses Zeitwortes gebrauchen die Nieders. auch klöben, die Oberd. klieben und die Bergleute greißen für gereißen. Ehedem ging dieses Zeitwort irregulär, und im Oberdeutschen wird es noch so abgewandelt; Imperf ich spielt. Davon rühret noch das Mittelwort gespalten her, welches auch im hasten gangbarer ist, als das reguläre und neuere gespaltet.


Spaltig (W3) [Adelung]


Spaltig, adj. et adv. 1. Spalte oder Spalten habend. 2. Was sich spalten lässet, besonders in den Zusammensetzungen eine vierspaltige Büche, welche in vier Theile gespalten werden kann, ein sechsspaltiger Baum u. s. f. In einigen Mundarten spaltig, im gemeinen Leben spellig von spellen, spalten.


Spaltkeil (W3) [Adelung]


Der Spaltkeil, des -es, plur. die -e, eigentlich ein Keil, etwas damit zu spalten. Im Bergbaue hingegen wird die Holzaxt so fern sie zum Spalten des Holzes dienet, der Spaltkeil genannt.


Spaltklinge (W3) [Adelung]


Die Spaltklinge, plur. die -n, ein starkes breites Messer der Böttcher, das Holz damit zu ihrem Gebrauche zu spalten; das Kliebeisen, von klieben, spalten.


Spaltmesser (W3) [Adelung]


Das Spaltmesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein breites Messer der Gärtner, die Stämme und ihre Äste bey dem Pfropfen damit zu spalten; das Pfropfmesser.


Spalttopf (W3) [Adelung]


Der Spalttopf, des -es, plur. die -töpfe, eben daselbst, ein gespaltener, d. i. aus zwey Theilen bestehender Blumentopf mit einem Loche am Boden, Zweige von Bäumen darin abzusenken, ohne sie auf die Erde biegen zu dürfen.


Spaltung (W3) [Adelung]


Die Spaltung, plur. die -en, welches nicht so wohl das Verbale von spalten, als vielmehr ein eigenes vermittelst der Ableitungssylbe ing oder und gebildetes Hauptwort ist. Es wird daher auch nur im figürlichen Verstande gebraucht, eine Mißhälligkeit in Meinungen und dadurch verursache Trennung der gesellschaftlichen Gemeinschaft zu bezeichnen. Lasset nicht Spaltung unter euch seyn, 1 Cor. 1, 10. Es sind Spaltungen unter euch, Kap. 11, 18. Ottfried gebraucht dafür Gissiz.


Spaltzwiebel (W3) [Adelung]


Die Spaltzwiebel, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Winterzwiebeln, welche sie sich oben zu spalten pflegen; im Oberd. Schleißzwiebeln.


Spalze (W3) [Adelung]


Die Spalze, plur. die -n, die gespaltenen Häute oder Schalen des Getreides, besonders der Gerste, so wie sie bey dem Machen der Graupen, u. s. f. abgesondert werden; eine Art der Kleye. In einigen Gegenden Speize. S. diese Wort.


Spalzmehl (W3) [Adelung]


Das Spalzmehl, des -es, plur. inus. bey den Müllern und Bäckern, eine Art des Weitzenmehles, nachdem dasselbe durch verschiedene Gänge gegangen ist; vielleicht weil alle Spalzen oder Kleye davon geschieden werden.


Span (W3) [Adelung]


1. Der Span, des -es, plur. die -e, ein Slavonisches Wort, welches einen Herren bedeutet, aber in Gespan am üblichste ist, S. dasselbe.


Span (W3) [Adelung]


2. Der Span, des -es, plur. die -e, auch nur in Gespan einen Kamerad zu bezeichnen, S. Gespan.


Span (W3) [Adelung]


3. Der "Span", des -es, plur. "die Späne", ein nur in einigen Gegenden übliches Wort. Im Niederdeutschen, besonders in und um Bremen, ist "Span", ein "Gefäß", "Zuber". Im Englischen bedeutet "Spoon" einen "Löffel". Es scheinet hier den Begriff der Vertiefung, des hohlen Raumes zu haben, und mit Wanne Eines Geschlechtes zu seyn. Das "s" vor einem Consonans ist allemahl zufällig. Siehe auch "Spanbett", "Spind", "Sponde".


Span (W3) [Adelung]


4. Der Span, des -es, plur. inus. im Forstwesen einiger Gegenden, der Kern eines Baumes, das Innerste desselben. Vielleicht als eine Figur der vorigen Bedeutung. Da indessen dieser Theil des Holzes auch der Splint genannt wird, welches von spleißen abstammet, so scheinet ähnliche Art mit dem alten spanen, spalten, theilen, verwandt zu seyn.


Span (W3) [Adelung]


5. Der "Span", des -s, plur. die Späne, Dimin. Das Spänchen, Oberd. Spanlein.

1. Eigentlich, ein Theil, ein durch Theilung eines Ganzen erhaltenes Stück, eine dem ganzen Umfange nach veraltete Bedeutung, welche nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist.

(1) Dünne durch Spalten entstandene Breter, werden in manchen Fällen Späne genannt. So heißen im Bergbaue die Dachschindeln nur Späne. In einem etwas andern Verstande sind Dachspäne, dünne durch Spalten entstandene Breter, welche bey den Ziegeldächern unter die Fugen der Dachsteine gelegt werden, das Durchdringen der Nässe zu verhindern. Die Späne der Schuster, Buchbinder, u. s. f. sind ähnliche dünne Breter von Büchenholz, welche aber nicht gespalten, sondern vermittelst eines großen Hobels hervor gebracht werden. Die Tuchbereiter nennen auch die Stücke Pappe, welche sie zwischen das Tuch im Pressen legen, Späne. Die "Sogspäne" der Salzsieder sind stärkere Breter, worauf die gefüllten Salzkörbe gesetzet werden, damit das Wasser, absoge oder abtriefe.

(2) Noch häufiger werden die durch Spalten, Schneiden, Hauen, Sägen u. s. f. entstandenen kleinen, unförmlichen Theile eines festen Körpers Späne genannt, "Holzspäne", "Hornspäne", "Papierspäne" u. s. f. "Hobelspäne", welche von der Bearbeitung dem Hobel fallen, zum Unterschiede von dem "Zimmerspänen", "Drechselspänen", "Sägespänen", "Raspelspänen", "Feilspänen" u. s. f. Ein spitziger durch Spalten entstandener "Span", heißt ein "Splitter".

2. Figürlich.

(1) Bey den Oberdeutschen Donau-Schiffen ist der Span der Durchschnitt oder das Profil eines Schiffes, die Vorstellung desselben las wenn es durchschnitten wäre, damit man die innern Theile sehen könne. Der größte Span, der Durchschnitt in der größten Breite. Ohne Zweifel auch von dem veralteten "spanen", "theilen".

(2) * Mißhälligkeit Uneinigkeit, Streit u. s. f. eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung in welcher es ehedem im Oberdeutschen sehr gangbar war, und es in einigen Gegenden noch ist. Als aber die Erben etwas Spans bekommen, mit denen von Appenzell, Bluntschli. Auf ähnliche Art stammet Spaltung von "spalten", Schisma, von "???", Lis, von laedere, letzen schleißen her u. s. f.

Anm. In den eigentlichen Bedeutungen im Nieders. "Spoon", im Osnabrück "Spaunt", im Angels. "Spon", im Schwed. "Span", im Isländ. "Spann2. Die Analogie lehret, daß dieses Wort von einem veralteten Zeitworte "spanen" abstammen muß, welches "spalten", "theilen", "schneiden" u. s. f. bedeutet hat, und von dessen Geschlechte noch das Griechisch. "???", "schneiden", übrig ist. Da zum Spalten und Schneiden die Scharfe und Spitze nothwendig sind, so erhellet daraus die Verwandtschaft mit "Pinne", "Point", dem Hamb. "Punt". die Spitze u. s. f. welchen nur das zufällige hier vermuthlich intensive "s" mangelt.


Spanbett (W3) [Adelung]


Das Spanbett, des -es, plur. die -e, ein hölzernes Bettgestell ohne Himmel oder Decke, zum Unterschiede von den darein gehörigen Federbetten; in einigen Gegenden eine Bettspende. Span und Sponde scheinen in beyden Wörtern den Begriff des hohlen Raumes, eines Behältnisses zu haben. S. Span, Spind und Sponde.


Spanbrief (W3) [Adelung]


Der Spanbrief, des -es, plur. die -e, ein nur noch in einigen Oberdeutschen Gerichten übliches Wort, einen gerichtlichen Befehl zu bezeichnen, vermittelst dessen der Gläubiger in die liegenden Gründe seines Schuldners gesetzet, oder die Execution in die Güter des Schuldners erkannt wird. Der Nahme rühret von dem ehemahligen Gebrauche her, da man zum Zeichen der erlaubten. Execution einen Span gerichtlich aus dem Haufe des Schuldners hieb und ihn dem Gläubiger gab, daher diese Handlung im mittlern Lat. auch Festucatio und Exfestucatio genannt wurde.


Spanen (W3) [Adelung]


Spanen, ein veraltetes Zeitwort, welches ehedem bereden bedeutete, S. Abspannen 1, und Abspänstig.


Spänen (W3) [Adelung]


Spänen, verb. reg. act. welches nur noch in einigen gemeinen Mundarten üblich ist, wo es wo wohl säugen, als auch von der Muttermilch entwöhnen bedeutet, S. Abspänen und Spanferkel.


Spanfarbe (W3) [Adelung]


Die Spanfarbe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, Farben oder Farbenkörper in Gestalt der Späne, dergleichen Späne auch wohl Farbenspäne genannt werde. Das geraspelte Brasilienholz, Fernambuck, Blauholz u. s. f. sind solche Spanfarben.


Spanferkel (W3) [Adelung]


Das Spanferkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein saugendes ferkel, ein junges Schwein, welches noch an seiner Mutter saugt. Nieders. Speineferken, Spittferken. Es stammet von dem alten Oberd. Spun, Spunne, die Brustwarze, die Ziege, ingleichen figürlich Muttermilch, her, Nieders. Spön, Angels. Spana, Schwed. Spene, Isländ. Spini. S. Abspänen.


Spange (W3) [Adelung]


1. Die Spange, plur. die -n, ein nur im Bergbaue übliches Wort, wo die ausgezimmerten Bäume, welche man die Spundstücke bohret, damit das Fluder tiefer werde, Spangen, heißen. Bey einer nähren Kenntniß dieser Theile wird es leicht seyn, die wahre Bedeutung dieses Wortes zu bestimmen, ob es zu Span, ein Bret, oder zu Span, ein Behältniß, oder zu dem folgenden Spange, oder endlich auch zu dem Zeitworte spannen gehöret. Im Schwedischen ist Spang, ein Blech, dünner Bret, oder Dünner Balke, im Isländ. Spaung, ein Blech. In den alten Baierischen Gesetzen ist Spanga der äußerste Balken, eo quo ordinem tenet parietis.


Spange (W3) [Adelung]


2. Die Spange, plur. die -n, ein Wort, welches 1. * Eigentlich eine Spitze, ein spitziges Ding, ein spitziges Werkzeug bedeutete, in diesem Verstande aber veraltet ist. Nur im Österreichischen und einigen andern Oberdeutschen werden noch die Stecknadeln Spangel; Spingel, Spängelnadeln und Spännadeln genannt; ohne Zweifel wegen ihrer zum Stachen dienlichen Spitze. Es gehöret in dieser Bedeutung mit dem Lat. Spinther, Spina, zu dem Geschlechter der Wörter Pinne, Finne, pungere u. s. f. aus welchen es vermittelst des vorgesetzten Zischlautes gebildet ist, und in welchen allen der Begriff der Spitze herrschet. 2. In weiterer Bedeutung wurde daher auch ein spitziges in einem Ringe eingefaßtes Werkzeug, verschiedene Theile der Kleidungsstücke zusammen zu halten, eine Spange genannt; in welcher Bedeutung es nur noch in einigen gemeinen Sprecharten üblich ist, dagegen in den anständigern dafür Schnalle gebraucht wird. Schuhspangen, Armspangen, Gürtelspangen u. s. f. 3. * In noch weiterem Verstande, wurden denn auch verschiedene Arten des Geschmeides, wenn sie zierlich gearbeitet waren, mit diesem Nahmen belegt, wenn gleich keine eigentliche Spange darin befindlich war. So sind Armspangen, dergleichen Geschmeide an den Armen, Ohrenspangen, Ohrengehenke, u. s. f. In dieser Be- deutung ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet, ob es gleich in derselben noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt. Indessen stehet es dahin, ob es in dieser Bedeutung nicht vielmehr zu dem alten Spange, ein Blech, gehöret, so daß es eigentlich zierlich gearbeitete Bleche zum Putze bedeutet würde. S. 1 Spange und Spängeler.


Spangenmacher (W3) [Adelung]


Der Spangenmacher, des -s, plur. ut nom. sing. eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Benennung eines Gürtlers, weil er Spangen, d. i. Schnallen und andere zum Putz gehörige Stücke aus Metall verfertiget.


Spangenstein (W3) [Adelung]


Der Spangenstein, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden ein Nahme der Rädersteine, oder Trochiten und Entrochiten. Man leitet den Nahme von dem Spangenberge in Hessen her, wo sie in Menge gefunden werden sollen.


Spängler (W3) [Adelung]


Der Spängler, oder Spängeler, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Nahme desjenigen Handwerkers, welcher in Ober- und Niedersachsen unter dem Nahmen des Klempeners bekannt ist,( S. dieses Wort.) Ohne Zweifel von dem veralteten Spange, Blech, indem das Blech das vornehmste Material dieses Handwerkers ist, daher er von demselben auch Blechschläger genannt wird. S. 1. Spange.


Spangroschen (W3) [Adelung]


Der Spangroschen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, eine Abgabe in Geld für die Erlaubniß, die Späne und Äste in dem Walde des Grundherren auflesen zu dürfen.


Spangrün (W3) [Adelung]


Das Spangrün, des -es, plur. inus. 1. In Oberdeutschland, ein Nahme des grünen Kupferrostes, welche im Hochdeutschen mit versetzten Sylbe unter dem Nahmen des Grünspanes am bekanntesten ist. Es kommt schon im 15ten Jahrhunderte vor und ist aus Spanisches Grün zusammen gezogen, entweder so fern man diesen Kupferrost ehedem wirklich aus Spanien erhielt, oder auch so fern Spanisch ehedem fremd, ausländisch überhaupt bedeutete. 2. Die diesem Kupferroste ähnliche grüne Farbe, welche ein ziemlich hohes blauliches Grün ohne alles Gelb ist, und den Übergang der grünen Farbe in die blaue ausmacht. In dieser Bedeutung ist Grünspan nicht üblich. Man gebraucht es auch als ein Beywort. Ein spangrünes Tuch.


Spanheftel (W3) [Adelung]


Spanheftel, Spanhammer, S. in Spann -


Spanhobel (W3) [Adelung]


Der Spanhobel, des -s, plur. ut nom. sing. ein großer starker Hobel, die büchenen Späne für die Buchbinder damit zu verfertigen.


Spanholz (W3) [Adelung]


Das Spanholz, des -es, plur. car. Holz, so fern Späne daraus gespalten werden können. In einigen Gegenden wird das Holz des Kienbaumes Spanholz genannt, weil die Landleute ihre Leuchtspäne, deren sie sich statt des Lichtes bedienen, daraus zu spalten pflegen.


Spanisch (W3) [Adelung]


Spanisch, adj. et adv. 1. Aus Spanien gebürtig, daselbst erzeuget oder verfertiget; in welchem Verstande vielerley Dinge, welche entweder aus Spanien zu uns gebracht werden, oder auch daselbst erfunden, oder zuerst daselbst in Menge verfertiget worden, dieses Beywort bekommen. Spanisches Grün, ( S. Spangrün.) Spanisches Weiß. Franz. Blanc d'Espagne, ein weißes Pulver, welches aus dem in sauern Geistern aufgelöseten Wißmuthe mit reinem Wasser niederschlagen, und weil es zur Schminke dienet, auch Spanische Schminke genannt wird. Span. Kreide, der weiße Speckstein. Die Spanische Weibe, der gemeine Hartriegel, Ligustrum vulgare Linn. Die Spanische Fliege, ein schmaler goldgrüner Käfer von einem unangenehmen scharfen Geruche, Cantharis Meloe Linn. Spanisches Kraut, in einigen Gegenden ein Nahme des Spinates. Spanischer Hohlunder, der blaue Hohlunder. Das Spanische Rohr, ein ausländisches Rohr, welches ehedem über Spanien zu uns gebracht wurde, und zu Spazierstöcken verarbeitet wird, daher auch ein daraus verfertigter Spazierstab, ein Spanisches Rohr genannt wird. Spanisches Wachs, im Oberdeutschen ein Nahme des Siegellackes. Die Spanische Wand, eine bewegliche aus überzogenen Rahmen bestehende Wand; ein Schirm. Der Spanische Kragen, eine Krankheit, Paraphimosis. Die Spanischen Stiefel, eine Art der Tortur, die Schienbeine einzuschrauben; Beinstiefel, Beinschrauben, Beinfolter. Die Spanische Perücke, welche wenigstens 15 Stockwerke von Locken mit langsamen Wellen auf den Rücken herab fallen lässet. Spanische Reiter, ( S. 1 Reiter,) Jemanden mit der Spanischen Laterne nach Hause leuchten, im gemeinen Leben, ihn nach Hause prügeln, ohne Zweifel, so fern es mit einem Spanischen Rohre geschiehet. Und so in tausend andern Fällen mehr, wo es aber auch in manchen so viel wie fremd, ausländisch überhaupt bedeuten kann. (Siehe die folgende dritte Bedeutung.) 2. Nach Art der Spanier. Spanische Schritte machen. Mit Spanischem Ernste. 3. In weiterer Bedeutung wird es im gemeinen Leben oft für fremd, ausländisch überhaupt, und in engerm Verstande für seltsam gebraucht, letzteres vermuthlich, weil sich die Spanier durch ihre Tracht und Sitten vorzüglich von andern Europäischen Völkern zu unterscheiden pflegten. Das kommt mir Spanisch vor, fremd, wunderbar, seltsam. Das sind ihm Spanische Dörfer, fremde, unerhörte Dinge, entweder wegen ihres fremd klingenden Nahmens, wie man in diesem Verstande dafür auch Böhmische Dörfer sagt; oder auch wegen der Seltenheit der Dörfer in diesem entvölkerten Lande. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - gleichfalls fremd, wunderbar, welches mit - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Spanien, doch wohl nur zufälliger Weise gleich lautet, dagegen das Deutsche sehr begreifliche Figur von Spanisch im eigentlichen Verstande ist.


Spankohle (W3) [Adelung]


Die Spankohle, S. Grubenkohle.


Spanrose (W3) [Adelung]


Spanrose, in der Deutschen Bibel, S. Rosenspan.


Spann (W3) [Adelung]


Das Spann, S. Gespann.


Spann (W3) [Adelung]


Der Spann, des -es, plur. die -e, der vordere erhabene Theil des menschlichen Fußes, zu dessen beyden Seiten sich die Knöchel befinden; der Rist. Entweder, so wie Rist, von der Erhöhung als ein Verwandter von Wand, Wanst, Bohne, mit vorgesetztem Zischlaute; oder auch, weil die Schuhe daselbst zugespannet, d. i. zugebunden oder zugeschnallet werden.


Spannader (W3) [Adelung]


Die Spannader, plur. die -n, ein Nahme der Sehnen oder Nerven des menschlichen oder thierischen Körpers, S. Sehne.


Spannbaum (W3) [Adelung]


Der Spannbaum, des -es, plur. die -bäume, an den Stühlen der Seidenweber, derjenige Baum, welcher bey andern Webern der Brustbau, und bey den Sammetwebern der Pinnebaum heißt; weil der Aufzug damit straff gespannet wird.


Spannbett (W3) [Adelung]


Das Spannbett, S. Spanbett.


Spanndienst (W3) [Adelung]


Der Spanndienst, des -es, plur. die -e, Frohndienste, welche mit einem Spann oder Gespann Pferde verrichtet werden müssen; Fuhrfrohnen, zum Unterschiede von den Handdiensten, Fußdiensten u. s. f. Daher in einigen Gegenden auch solche zu Spanndiensten verpflichtete Unterthanen Spanndienster genannt werden.


Spanne (W3) [Adelung]


Die Spanne, plur. die -n. Ein Längenmaß, so weit als man mit ausgespannten Fingern reichen kann, die Länge von der Spitze des Daumens bis zur Spitze des kleinen Fingers der ausgespannten Hand, welches ungefähr 1/4 Elle ist; da denn auch wohl die auf solche Art ausgespannte Hand diesen Nahmen führet. Wer fasset den Himmel mit der Spannen? (Spanne) Es. 40, 12. Sechs Spannen lang. Die Form der Spannen in der zweyten und dritten einfachen Endung ist Oberdeutsch und im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2. In Forstwesen ist die Spanne ein Maß, die Bäume der Rundung damit zu messen, welches indessen keine bestimmte Größe hat, sondern eine in Klafter, Schuh u. s. f. getheilte Kette ist, womit die Bäume umspannet werden; daher es auch die Spannkette genannt wird. Die Bäume nach der Spanne verkaufen, nach diesem Maße.

Anm. Das Wort ist in dieser Bedeutung schon alt. In dem alten Friesischen Gesetze lautet es Spanna, bey andern Lateinischen Schriftstellern des mittlern Zeitalters Spannus, Espanna, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Spanne, im Engl. Span, im Ital. Spanna, im Franz. Empan.


Spannen (W3) [Adelung]


1. Spannen, verb. reg. act. bereden, S. Abspannen und Abspänstig.


Spannen (W3) [Adelung]


2. Spannen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur im gemeinen Leben gangbar ist, mit angestrengten Sinnen auf etwas merken. Ein jedes spannte voller Aufmerksamkeit die Geschichte zu hören. Auf etwas spannen, lauern, es geschehe nun mit den Augen, oder auch mit den Ohren. So auch das Spannen.

Anm. Es kann seyn, daß dieses Wort ein Intensivum von spähen ist, ( S. dasselbe;) es kann aber auch eine Figur des folgenden Zeitwortes und zwar in der Bedeutung der Ausdehnung, der Anstrengung seyn, da es denn eigentlich die Sinne anstrengen bedeuten würde. Auf ähnliche Art sind die Lateinischen attendere, intendere, u. s. f. von tendere, dehnen, gebildet.


Spannen (W3) [Adelung]


3. Spannen, verb. reg. act. einen elastischen Körper entweder durch Zusammendrückung oder durch Ausdehnung in den Fall setzen, daß es sich mit Heftigkeit bemühe, sich wieder in seinen vorigen Stand zu setzen. 1. Durch Zusammendrücken. (1) Eigentlich. Den Bogen (das Schießgewehr dieses Nahmens) spannen. Ein gespannter Bogen. Die Armbrust spannen. So auch den Hahn an einem Feuergewehre spannen oder aufspannen, entweder, weil dabey die Feder wirklich gespannt wird, oder auch als eine von dem Spannen der Bogen und Armbrüste beybehaltene Redensart. (2) In weiterer Bedeutung, mit einer Schnellkraft befestigen, so daß entweder die befestigte Sache, oder die zur Befestigung dienenden Theile eine Schnellkraft äußern. (a) Eigentlich. Der Schlösser spannet das Eisen, welches er bearbeiten will, in den Schraubestock, der Drechsler, den Körper, welchen er abdrehen will, auf die Drechselbank oder zwischen die Docken. Die Fuhrleute spannen den Wagen und die darauf liegenden Last mit der Spannkette, daher auch die Auf- oder Abländer, welche solches verrichten, an einigen Orten Spanner oder Spänner heißen, wo es aber auch zu der folgenden Bedeutung des Bindens, Fesselns gehören kann. Das gespannte Roß, in der Zimmermannskunst, wenn zwey Träger so auf einander gekämmet werden, daß sie eine große Last tragen können. ( S. Roß und Spannriegel.) Das Kleid spannet, der Schuh spannt mich, sagt man, wenn die Kleidungsstücke die Theile des Leibes zu sehr einschränken, so daß diese ihre elastische Kraft dagegen äußern. (b) Figürlich. aa) Einen Fluß spannen, oder aufspannen, ihn stämmen, seinen Abfluß hemmen, und dadurch aufschwellen machen, wo es in Ansehung dieses Aufschwellens auch eine Figur der Ausdehnung seyn kann. Auf ähnliche Art ist, einen Fluß oder Mühlenbach einspannen, ihn einfassen, sein Bett einschränken. bb) In manchen Fällen stehet es für binden, fesseln überhaupt. In der Landwirthschaft spannet man die Pferde, wenn man ihnen auf der Weide die Voderfüsse mit Stricken zusammen schleifet, damit sie nicht entlaufen, welches auch fesseln, und in Niedersachsen tüdern genannt wird. Im Niedersächsischen bedeutet es auch, einen Gefangenen fesseln oder binden. Am üblichsten ist es von der Befestigung des Zugviehes an den Wagen, Pflug u. s. f. Die Pferde vor den Wagen, die Ochsen an den Pflug oder vor den Pflug spannen, in welcher Bedeutung schon Notker spannen sagt. Die Pferde hinter den Wagen spannen, figürlich, eine Sache verkehrt anfangen. Die figürliche R. A. sie sind mit einander gespannt, oder über den Fuß gespannt, von Personen, welche nicht in dem besten Vernehmen mit einander stehen, ohne eben Feinde zu seyn, ist dunkel. Man könnte spannen hier von dem alten Span, Spänigkeit, Streit, Mißhälligkeit, ableiten, wenn nicht der Beysatz des Fußes diese Ableitung unwahrscheinlich machte. 2. Durch Ausdehnung. (1) Nach allen Richtungen. Einen gespannten Leib haben, wenn derselbe aufgetrieben, und die Haut gleichsam gespannt oder ausgedehnet ist. Da es denn auch von der dieser Ausdehnung ähnlichen Empfindungen gebraucht wird. Ach, wie spannt michs auf dem Schienbeine! Gell. (2) Der Länge nach von dehnbaren und elastischen Körpern. (a) Eigentlich. Einen Missethäter auf die Leiter spannen, eine Art der Tortur, welche auch der Zug genannt wird. Der Seiltänzer tanzet auf einem straff gespannten Seile. Die Saiten auf einem musikalischen Instrumente spannen. Die Saiten höher spannen, auch figürlich, seine Forderungen erhöhen. Die Saiten zu hoch spannen, zu viel begehren, die Sache zu weit treiben. Ingleichen durch Ausdehnung befestigen. Zeug in den Rahmen spannen. (b) Figürlich. aa) Mit Ausdehnung begreifen, erreichen. So weit als man mir der Hand spannen kann, so weit als man mit den ausgedehnten Fingern der Hand reichen kann. ( S. Spanne und Umspannen.) Ehedem sagte man auch gespannte, d. i. ausgestreckte, Arme. Nach einer noch weitern Figur ist ein weit gespanntes Gewölbe, welches einen großen Bogen macht. bb) Anstrengen, von den Fähigkeiten des Leibes und Geistes. Alle seine Kräfte spannen oder anspannen. Die Spannung der Kräfte. Überspannte Empfindungen. Ingleichen nach einer noch weitern Figur, ein zu hoch gespanntes, übertriebenes, Lob. So auch das Spannen und die Spannung, welches letztere in einigen Fällen auch von der Handlung des Spannens, noch häufiger aber von dem Zustande gebraucht wird, da ein Körper gespannt ist.

Anm. Bey dem Notker und Ottfried spannen welcher letztere es für binden gebraucht, im Nieders. gleichfalls spannen, im Schwed. spänna, welches so wohl biegen, als ausdehnen bedeutet. Das doppelte n bedeutet auf ein Intensivum, dessen einfacheres Zeitwort spanen noch bey dem Notker vorkommt, und, wenigstens in einigen Bedeutungen, zu dem Schwed. spana, ziehen, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gehöret. In andern Bedeutungen hingegen sticht die Bedeutung des Bindens merklich hervor, aus welchem Worte es vermittelst des oft gleichfalls intensiven Zischlautes gebildet seyn kann, daher dieses s auch in andern Sprachen mangelt, z. B. in dem Lat. pandere, dem Schwed. bända, päna, im mittlern Lat. bendare, in Angels. bendan, im Engl. to bend, welche insgesammt spannen bedeuten. Ehedem ging diese Zeitwort irregulär, ohne Zweifel, weil das einfachere spanen, mit dem intensiven spannen vermischt war. Das Imperf. lautet bey dem Notker spien, und das Mittelwort bey dem Ottfried gespannan, für gespannt.


Spanner (W3) [Adelung]


Der Spanner, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Derjenige, welcher spannet, am häufigsten in eini- gen Zusammensetzungen, z. B. Anspanner, Büchsenspanner, Einspänner. In einigen Oberdeutschen Gegenden, besonders in der Schweiz heißen die Auf- und Ablader der Frachtwägen Spanner, Einspänner, weil sie die Güter auf den Wagen spannen. 2. Ein Werkzeug, ein anderes Ding damit zu spannen. So heißt das Werkzeug, womit die Feuerröhre mit den alten Deutschen Schlössern gespannet werden, der Spanner. Das Stöckchen oben an der Säge, womit der Strick umgedrehet, und das Sägeblatt gespannet wird, führet gleichfalls diesen Nahmen.


Spänner (W3) [Adelung]


Der Spänner, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden, z. B. in dem Hallischen Salzwerke übliches Wort, denjenigen zu bezeichnen, welcher etwas mit einem andern gemeinschaftlich besitzet. So sind daselbst Spänner diejenigen, welche einen Salzkoth mit einem andern gemeinschaftlich besitzen; zum Unterschiede von dem Pfännern, deren jeder eine Salzpfanne oder ein Salzkoth allein besitzet. Im Bergbaue ist Einspänner derjenige, welcher eine Zeche allein bauet, ( S. dieses Wort.) Von spannen, verbinden, gleichsam, der einen Gespan im Besitze hat, S. dieses Wort.


Spannfrohne (W3) [Adelung]


Die Spannfrohne, plur. die -n, S. Spanndienst.


Spannhaken (W3) [Adelung]


Der Spannhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein Haken, etwas damit zu spannen, in vielen Fällen des gemeinen Lebens.


Spannhäftel (W3) [Adelung]


Das Spannhäftel, des -s, plur. ut nom. sing. im Jagdwesen, Häftel oder Pflöcke, womit die Garne und Netze gespannt werden; Spannpflöcke, Haupthäftel.


Spannhammer (W3) [Adelung]


Der Spannhammer, des -s, plur. die -hämmer, bey den Goldschmieden, ein Hammer, mit zwey flachen, gleich großer Bahnen, die Silberbleche damit auszuspannen, d. i. durch Schlagen auszudehnen.


Spannholz (W3) [Adelung]


Das Spannholz, des -es, plur. die -hölzer, bey den Tuchwebern, dasjenige Holz, wodurch das Tuch, so wie es gewebet, wird, auf dem Stuhle ausgespannet erhalten wird, der Spannstock, bey andern die Sperrruthe.


Spännig (W3) [Adelung]


Spännig, adj. et adv. welches von spannen und dessen Verwandten abstammet, aber in verschiedenen Bedeutungen üblich ist. 1. Zunächst von Span, Gespan, ein Mitgesell, Socius, ist spännig nur in einigen Zusammensetzungen üblich. In einigen Gegenden z. B. der Mark Brandenburg, ist ein einspänniges Bett, ein Bett auf Eine Person, ein zweyspänniges auf zwey Personen. In andern gemeinen Mundarten sind dafür die Wörter einmännisch und zweymännisch, einschläferig und zweyschläferig üblich. Auf ähnliche Art ist einspännig, zweyspännig, dreyspännig, vierspännig u. s. f. fahren, mit Einem, zwey, drey oder vier Pferden. Ein vierspänniger Wagen, welcher mit vier Pferden bespannet ist. In vielen Gegenden sind die Einspänniger, obrigkeitliche Diener zu Pferde oder Fuße, welche in allerley Verrichtungen einzeln gebraucht werden. ( S. dieses Wort.) 2. Von Spanne, dem Maße im Forstwesen ist ein spänniger Baum, ein starker, welcher nach der Spanne verkauft wird.


Spannkette (W3) [Adelung]


Die Spannkette, plur. die -n, eine Kette, etwas damit zu spannen oder zu umspannen. So wird die Kette, womit eine Last auf den Wagen gespannet wird, die Spannkette genannt. Auch die Kette, womit die Leitern eines beladenen Leiterwagens zusammen gespannet werden, ingleichen die Hemmkette der Fuhrleute, wodurch die Räder gespannet werden, führen diesen Nahmen. Im Forstwesen ist es diejenige Kette, womit die Bäume umspannet werden, ihre Dicke zu erforschen. S. Spanne.


Spannkraft (W3) [Adelung]


Die Spannkraft, plur. inus. bey einigen, ein Nahme der Elasticität, wofür doch Schnellkraft üblicher ist.


Spannleute (W3) [Adelung]


Die Spannleute, sing. inus. in einigen Gegenden ein Nahme der Anspänner, d. i. derjenigen Bauern, welche zu Bestellung ih- res Ackers Zugvieh halten, und zu Spanndiensten verpflichtet sind. S. Anspänner.


Spannnagel (W3) [Adelung]


Der Spannnagel, des -s, plur. die -nägel, ein starker runder Nagel, oder vielmehr ein Bolzen mit einem Kopfe, wie ein Nagel, welcher den hintern Wagen mit dem vordern verbindet; der Schloßnagel, in einigen Gegenden der Krollnagel. Ohne Zweifel von spannen, so fern es ehedem auch verbinden überhaupt bedeutete. Frisch erkläret es unrichtig durch denjenigen Nagel vorn an der Deichsel, vermittelst dessen der Wagen von dem Zugviehe rückwärts geschoben werden kann.


Spannpflock (W3) [Adelung]


Der Spannpflock, des -es, plur. die -pflöcke, S. Spannhäftel.


Spannrahmen (W3) [Adelung]


Der Spannrahmen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Wassermühlen, ein Stück des Grießwerkes, vermuthlich um das Wasser damit aufzuspannen oder zu stämmen.


Spannraupe (W3) [Adelung]


Die Spannraupe, plur. die -en. 1. Diejenigen Raupen, welche in Gesellschaft bey einander befindlich sind, zum Unterschiede von den einsamen Blatt- und Ringelraupen. Entweder von Span, Gespan, Gesell, oder auch von spinnen, weil sie in ihrem Gespinste beysammen liegen, daher sie auch Spinnraupen, genannt werden. 2. Bey einigen Neuern werden diejenigen Raupen, welchen die zwey oder drey ersten Paare der Bauchfüße fehlen, Geometrae L. Spannraupen genannt. Andere nennen sie Spannenmesser.


Spannreif (W3) [Adelung]


Der Spannreif, des -es, plur. die -e, bey den Böttchern, ein Reif, womit die Faßdauben in ihrer runden Gestalt ausgespannt erhalten werden, bis der Boden eingefüget werden kann.


Spannriegel (W3) [Adelung]


Der Spannriegel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Zimmermannskunst, ein Balken oder Riegel an einem liegenden Dachstuhle, wodurch die gegen einander über stehenden Stuhlsäulen unter dem Kehlbalken mit einander verbunden werden. Von spannen, verbinden.


Spannriemen (W3) [Adelung]


Der Spannriemen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Riemen, etwas damit zu spannen. Bey den Schustern, ist es derjenige Riemen, womit der Schuh während der Arbeit auf dem Knie fest gehalten wird; der Knieriemen.


Den (W3) [Adelung]


Den Spannring, des -es, plur. die -e, ein Ring, etwas damit zusammen zu spannen. Bey den Schmieden ist es derjenige Ring, womit die Zangengriffe zusammen gespannet werden; der Sperrring.


Spannrippe (W3) [Adelung]


Die Spannrippe, plur. die -n, bey den Fleischern, an einem geschlachteten Rinde; dasjenige Rippenstück, welches sich gleich an den vordern Theilen bey dem Kamme befindet.


Spannsäckchen (W3) [Adelung]


Das Spannsäckchen, des -s, plur. ut nom. sing. an den Stühlen der Bortenwirker, ein mit kleinen Stücken Ziegelstein beladenes Säckchen, die Kettenrollen straff zu spannen.


Spannseime (W3) [Adelung]


Die Spannseime, plur. die -n, eines von den Seimen oder Leinen an den Garnen der Vogelsteller.


Spannstock (W3) [Adelung]


Der Spannstock, des -es, plur. die -stöcke, bey den Webern, der hölzerne Stab, womit das Gewirk in der Breite ausgespannt erhalten wird; die Sperrruthe, das Spannholz.


Spannstrick (W3) [Adelung]


Der Spannstrick, des -es, plur. die -stricke, in der Landwirthschaft, ein Strick, womit die Pferde auf der Weide an den Vorderfüßen gespannet oder gefesselt werden, damit sie sich nicht weit entfernen können; die Fessel.


Spannwinde (W3) [Adelung]


Die Spannwinde, plur. die -n, eine Handwinde, den stählernen Bogen der Armbrust damit zu spannen.


Spannwüste (W3) [Adelung]


Die Spannwüste, plur. die -n, bey den Fleischern, ein Stück Fleisch aus dem hintern Viertel eines geschlachteten Rindes; zum Unterschiede von der Zwergwüste. S. Wüste.


Spannzange (W3) [Adelung]


Die Spannzange, plur. die -n, bey den Goldschlägern, eine Zange, den Rücken der Form auf dem Tische damit zusammen zu klemmen, wenn man die geschlagenen Goldblätter zwischen den Enden der Form hinein schieben will.


Spannzettel (W3) [Adelung]


Der Spannzettel, des -s, plur. ut nom. sing. in großen Haushaltungen einiger Gegenden. ein Zettel, welcher jedem Bedienten oder Dienstbothen bey dem Antritte seines Dienstes gegeben wird, worauf dessen Nahme, die Zeit, wenn er den Dienst angetreten und der ihm bewilligte Lohn verzeichnet ist. Die erste Hälfte ist mir in diesem Worte dunkel.


Spanzieher (W3) [Adelung]


Der Spanzieher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher Dach- und andere Späne macht.


Sparblock (W3) [Adelung]


Der Sparblock, des -es, plur. die -blöcke, auf den Holzgöllen und Elbkähnen, ein starkes Stück Holz in der Mitte quer über den Boden, welches 18 Zoll breit und 10 Zoll hoch, mit einem Sattel versehen ist, und ein Loch hat, worin der Mast gesetzet wird. Die erste Hälfte ist vermuthlich unser Sparren, welches im Niederdeutschen Spar, Sparen, Holländ. und Engl. gleichfalls Spar, lautet.


Sparbret (W3) [Adelung]


Das Sparbret, des -es, plur. die -er, bey den Maurern, ein vierecktes Bret mit einer auf der untern Seite befindlichen Handhabe, den Kalk und Mörtel darauf zu thun; Das Handbret, S. Sparkalk.


Sparbüchse (W3) [Adelung]


Die Sparbüchse, plur. die -n, eine verschollene Büchse, dasjenige Geld, welches man von Zeit zu Zeit ersparet, darin zu verwahren; Nieders. Sparpott, weil man auch dergleichen thönerne Gefäße hat, Hutzpott, von dem alten schon bey dem Ulphilas befindlichen Huzd, ein Schatz.


Sparen (W3) [Adelung]


1. Sparen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. * Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, schimmeln, ingleichen faulen, in die Fäulniß gerathen, die Anwesenheit des Schimmels durch den Geruch verrathen; eine nur in Franken und einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Bedeutung. Eben daselbst ist der Sparen, der Schimmel, die Fäulniß. II. Als ein Activum, in die Fäulniß bringen. Die Weißgärber sparen die Felle, wenn sie selbige in die schwache Kalkbrühe einweichen, um sie zur starken vorzubereiten, vermuthlich weil die Felle daselbst in einigen geringen Grad der Fäulniß gesetzt werden. Indessen da bis Französischen Gärber diese Arbeit sauver nennen, so kann es hier auch zum folgenden Zeitworte gerechnet werden, so daß der Begriff des sparsamen Gebrauches der Kalkbrühe der herrschende ist. So auch das Sparen.

Anm. In einigen Gegenden lautet dieses Wort in der ersten Bedeutung spuren, wo spuren auch schimmelig, feucht ist. Der Keller spuret, ist spurig, wenn er durch den Geruch verdorbene Feuchtigkeit verräth. Ehedem war Spork, Koth, Unreinigkeit, und im Bergbaue wird es noch von allem tauben Gesteine an den Erzen gebraucht. Das Latein. spurcus, das Franz. pourri, von putridus u. a. m. sind damit verwandt.


Sparen (W3) [Adelung]


2. Sparen, verb. reg. act. welches in verschiedenen, doch sehr nahe verwandten Bedeutungen gebraucht wird. 1. Zum künftigen Gebrauche aufheben. (1) Eigentlich. Spare deine Weisheit bis zur andern Zeit, Sir. 32, 6. Erschöpfe deine Kräfte nicht über einen Verstorbenen, sondern spare sie für die Lebendigen. (2) Figürlich, wo der Nebenbegriff des künftigen Gebrauches verschwindet. (a) * Erhalten, die unverletzte Fortdauer eines Dinges bewirken; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Im Niederdeutschen sagt man noch: Gott spare dich gesund, erhalte dich gesund. Auf eben dieselbe Art heißt es schon im Ottfried: then spar er nu zelibe, den erhalte er nun beym Leben. (b) Aufschieben, verschieben. Spare deine Buße nicht, bis du krank werdest, Sir. 18, 22. Die Arbeit bis auf eine andere Zeit sparen. In welcher Bedeutung doch versparen üblicher ist. 2. In Anwendung einer Sache nicht mehr davon anwenden, als zur jedesmahligen Absicht unentbehrlich nothwendig ist. (1) Eigentlich. Ich will die Wahrheit nicht sparen, Weish. 6, 24. Der Landwirth sparet das Heu, wenn er allen nicht äußerst nothwendigen Gebrauch desselben unterlässet. Sie hatte keine Schminke gesparet, um ihre Gesichtsfarbe zu heben. Keinen Fleiß und keine Kosten sparen. Im Oberdeutschen gebraucht man es in dieser Bedeutung gern mit der zweyten Endung. Breite aus die Teppiche deiner Wohnung, spare sein nicht, Es. 54, 2. Sparet der Pfeile nicht, Ier. 50, 14. (2) Mit verschiedenen Nebenbegriffen. (a) Durch wenigen oder unterlassenen Gebrauch in unverletztem Stande erhalten, wofür doch in der anständigen Sprechart schonen üblicher ist. Seine Kleider sparen. Es ist in dieser Bedeutung schon alt. Mi selbon ni sparoti, in dem alten Siegesliede auf den König Ludwig. (b) Mit dem Nebenbegriffe des Gebrauches auf künftige Zeiten ist sparen in engerer Bedeutung, nicht mehr Geld ausgeben als die höchste Nothdurft erfordert, um selbiges zu künftigen Bedürfnissen vorräthig zu haben, wo es so wohl absolute und in Gestalt eines Neutrius, als auch active und mit der vierten Endung gebraucht wird. Welcher karget und sparet, Sir. 11, 18. Hier sparet er, dort verschwendet er. Wer in der Jugend spart, der darbt im Alter nicht, Gell. Viel Geld zusammen sparen. ( S. auch Ersparen.) (c) Den Gebrauch einer Sache völlig unterlassen, so daß der Begriff des künftigen Gebrauches wegfällt, aber doch sehr schwach wird. Spare dein Geld, deinen Witz, deine Verweise. Deine Entschuldigungen kannst du sparen. So auch das Sparen.

Anm. Schon bey dem Ottfried und Notker sparan, im Nieders. sparen, im Angels. sparan, im Engl. to spare, im Schwed. und Isländ. spara, im Franz. epargner, im Italiän. sparagnare. Wachter leitet es von wara, in bewahren, Helwig von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, selten Frisch und Ihre aber von dem Lat. parcere her. Alle drey Ableitungssylben haben ihre Wahrscheinlichkeit, indem das s vor einem Mitlauter oft ein müßiger, oft auch ein intensiver Zusatz ist. Doch hält man das Lat. parcere und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - richtiger für Seitenverwandte, als für die nächsten Stammwörter. In Ansehung der zweyten Ableitung gibt das Niederd. Spier, im Diminut. Spierken, eigentlich eine zarte Spitze, und figürlich ein Weniges, ein noch näheres Stammwort ab, als das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Sparen hat so wohl den Begriff des Bewahrens, Erhaltens, als auch den Begriff des Wenigen in der Anwendung. Im Engl. ist spare, mager, gering. S. Sperr.


Sparer (W3) [Adelung]


Der Sparer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher spart, d. i. Geld zum künftigen Gebrauche sammelt; doch nur in der im gemeinen Leben üblichen Sentenz: ein Sparer will einen Zehrer haben, oder nach dem Sparer kommt ein Zehrer, erspartes Vermögen wird gemeiniglich wieder von einem Verschwender durchgebracht.


Spargel (W3) [Adelung]


Der Spargel, des -s, plur. inus. 1. Eigentlich, die jungen eßbaren Stängel einer gewissen Pflanze, und in weiterm Verstande diese ganze Pflanze selbst; Asparagus Linn. Spargel essen. Ein Gericht Spargel. Spargel säen. Gartenspargel, welcher auch nur Spargel schlechthin heißt, und eigentlich eßbar ist, zum Unterschiede von dem wilden Spargel, welcher auch bey uns wild wächset, aber nicht gegessen wird. 2. Spargel, Sparrkraut, auch ein Unkraut, so hoch als Hederich, welches häufige Zweige auswirft; vielleicht von sperren.

Anm. Im Oberd. Spargen, Sparges, Spart, im Nieders. Sparges, im Engl. Asparagus, im Italiän. Sparago, Asparago, im Böhm. Sspargl; alle aus dem Latein. Asparagus, indem wir den Gartenspargel ohne Zweifel aus Italien erhalten haben. Da eigentlich die hervor sprossenden Stängel dieses Gewächses den Nahmen Spargel führen, so scheinet das Lat. Asparagus mit dem Niederd. Spier, dünne Spitze, und Sport, Holländ. Sport, Sprosse, verwandt zu seyn. S. Spark und Sporn.


Spargelbeet (W3) [Adelung]


Das Spargelbeet, des -es, plur. die -e, ein Beet im Garten, welches mit Spargel bepflanzet wird.


Spargelbrühe (W3) [Adelung]


Die Spargelbrühe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, Brühe, mit welcher gemeiniglich der Spargel gegessen wird.


Spargelerbse (W3) [Adelung]


Die Spargelerbse, plur. die -n, eine Art Erbsen, deren junge Schoten mit einer Spargelbrühe gegessen werden; Lotus tetragonolobus Linn. Spargelschoten.


Spargelklee (W3) [Adelung]


Der Spargelklee, des -s, plur. inus. ein Nahme, welchen die Lucerne, eine Art des Sichelklees, in einigen Gegenden führet, Medicago satina Linn.


Spargelkohl (W3) [Adelung]


Der Spargelkohl, des -es, plur. inus. eine Art des Kohles, dessen Blumenstängel als Spargel zugerichtet und gegessen Werden können; Brassica asparagoides crispa Bauh. In Italien Broccoli.


Spargelkraut (W3) [Adelung]


Das Spargelkraut, des -es, plur. die -kräuter, ein jedes Kraut oder Gewächs, dessen junge Stängel oder Wurzelsprossen wie Spargel gegessen werden können.


Spargelraupe (W3) [Adelung]


Die Spargelraupe, plur. die -n, eine Art Raupen, aus welcher der kleine Kreuzkäfer, Chrysomela Asparagi Linn. entstehet, welcher auch das Spargelhähnchen genannt wird, weil sich beyde gern auf dem Spargel aufhalten.


Spargelschote (W3) [Adelung]


Die Spargelschote, plur. die -n, S. Spargelerbse.


Spargelzange (W3) [Adelung]


Die Spargelzange, plur. die -n, eine zierliche Zange in Gestalt einer gereiften Schere, Spargel damit vorzulegen.


Spark (W3) [Adelung]


Der Spark, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, eine Pflanze, welche bey uns sparsam wild wächset, und, weil sie ein gutes Futterkraut ist, auch in vielen Gegenden gebauet wird; Spergula Linn. Spergel, Knöterich, weil es sehr knotige Stängel hat, neben welchen die Blätter heraus wachsen. Von diesen Knoten rühret ohne Zweifel auch der Nahme Spark oder Spergel her, der denn mit Spargel Eines Geschlechtes ist.


Sparkalk (W3) [Adelung]


Der Sparkalk, des -es, plur. inus. ein Nahme des aus Gyps gebrennten Kalkes; Gypskalk, zum Unterschiede von dem Bitterkalke oder Lederkalke, welcher aus Kalksteinen bereitet wird. Da einige Gypsarten halb durchsichtig sind, wie z. B. das Fraueneis, welches daher in einigen Gegenden auch Sperrglas, im Engl. aber Spar genannt wird, so glaubet Frisch, daß dieser Umstand zur Benennung des Sparkalkes Anlaß gegeben, siehet es aber irrig als eine Zusammenziehung aus specularis lapis an, da er es schicklicher von wahren, sehen, wahrnehmen, hätte ableiten können. Im Nieders. ist Spark, ein Funken. Indessen scheinet doch auch diese Ableitung zu gezwungen, als daß sie nicht einer bessern Platz machen sollte. Vielleicht von Sparren, spannen, binden, weil dieser Kalk sehr schnell und fest bindet. Das Handbret der Maurer, worauf sie den Kalk und Mörtel während der Arbeit in der Hand halten, heißt auch das Sparbret, vielleicht nur in so fern sie mit Sparkalk arbeiten; allein im Böhmischen wird es durchgängig Sporidlo genannt.


Sparkunst (W3) [Adelung]


Die Sparkunst, plur. inus. die Kunst zu sparen, die Geschicklichkeit in der Anwendung einer Sache das Ziel der Nothdurft nicht zu überschreiten, damit man immer etwas davon für künftige Bedürfnisse übrig habe.


Spärlich (W3) [Adelung]


Spärlich, -er, -ste, adj. et adv. mit genauer Beobachtung des Maßes der Nothdurft, und darin gegründet. Eine spärliche Mahlzeit, welche nur zur Nothdurft zureicht. Spärlich leben. Es wird spärlich zureichen, kaum, mit genauer Noth. Schon bey dem Kero ist sparalihho, sparsam, parcus.


Sparren (W3) [Adelung]


* Sparren, verb. reg. act. welches im Hochdeutschen völlig fremd ist, und nur in einigen Gegenden für spannen gebraucht wird, daher der Spannring der Schmiede daselbst auch der Sparrring genennet wird. Es ist mit sperren nahe verwandt, S. dasselbe.


Sparren (W3) [Adelung]


Der Sparren, des -s, plur. ut nom. sing. eines von den schräge stehenden, oben in eine Spitze zusammen laufenden Bauhölzern, welche das Dach eines Gebäudes bilden; der Dachsparren. Man hat deren in der Zimmermannskunst verschiedene Arten, ( S. Grathsparren, Lehrsparren, Kehlsparren, Quersparren, Schiftsparren, Windsparren u. s. f.) In der Wapenkunst führet die Figur zweyer zusammen gefügter Sparren oder eines umgekehrten Lateinischen V gleichfalls diesen Nahmen. Einen Sparren zu viel haben, nicht recht bey Verstande seyn, einen Fehler am Verstande haben.

Anm. Im Niederdeutschen mit einem einfachen r Sparen, im Engl. Spar, im Schwed. und Isländ. Sparra, im mittlern Lat. Esporium. Die meisten sind in der Ableitung dieses Wortes auf das alte Barre, Barren, ein Balken u. s. f. gefallen, von welchem im Ital. Sbarra, ein Schlagbaum ist, noch andere auf das alte Sparr, ein Pfahl, in welchem der Begriff der Spitze der herrschende zu seyn scheinet, ( S. Speer.) Allein, es scheinet doch wohl, daß das Zeitwort sperren den nächsten Anspruch auf dieses Wort habe, wegen der gesperrten Gestalt, welche zwey Dachsparren unten haben.


Sparrengeld (W3) [Adelung]


Das Sparrengeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, in einigen Gegenden, ein Nahme derjenigen Steuer, welche von den Häusern gegeben wird; das Giebelgeld, Feuerstättengeld u. s. f.


Sparrenkopf (W3) [Adelung]


Der Sparrenkopf, des -es, plur. die -köpfe, in der Baukunst eine Verzierung in dem Karniese oder Kranzleisten, welche das hervor ragende Ende eines Sparrens vorstellet, so wie Balkenkopf, das Ende eines Balkens ist.


Sparrholz (W3) [Adelung]


Das Sparrholz, des -es, plur. car. im Forstwesen, Holz, welches zu Sparren dienlich ist.


Sparrkraut (W3) [Adelung]


Das Sparrkraut, des -es, plur. inus. S. Spargel 2.


Sparrlatte (W3) [Adelung]


Die Sparrlatte, plur. die -n, Latten, welche horizontal über die Sparren genagelt werden, das eigentliche Dach darauf zu befestigen.


Sparrwerk (W3) [Adelung]


Das Sparrwerk, des -es, plur. die -e, die sämmtlichen Sparren eines Daches, Nieders. Speer.


Sparsam (W3) [Adelung]


Sparsam, -er, -ste, adj. et adv. von dem Zeitworte sparen, in dessen zweyten Hauptbedeutung. 1. Eigentlich, Fertigkeit besitzend, in Anwendung einer Sache das Maß der Nothdurft, oder der Absicht auf das genaueste zu beobachten und darin gegründet, so wohl mit der Absicht etwas zu erübrigen, als auch ohne dieselbe. Sparsam seyn. Ein sparsamer Wirth. Sparsam mit etwas umgehen. Sparsam leben. Eine sparsame Mahlzeit. Ein zufriedenes Volk, obgleich ein sparsamer Himmel Über den traurenden Thälern hängt, Zachar. 2. In weiterm Verstande, wird es oft für leiten, ingleichen wenig gebraucht. Der Ahorn wird in unsern Wäldern nur sparsam gefunden, nur selten, hin und wieder ein Baum. Der Greis von Tejos, auf dessen heitre Stirn das Alter sparsame Runzeln gestreuet. Das Wasser tröpfelt sehr sparsam. Im Schwed. sparsam.


Sparsamkeit (W3) [Adelung]


Die Sparsamkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da man sparsam ist, in der ersten eigentlichen Bedeutung des Beywortes, die genaue Beobachtung der Nothdurft oder der Absicht in Anwendung seines Eigenthumes, und diese Fertigkeit.


Sparseide (W3) [Adelung]


Die Sparseide, plur. inus. bey den Schneidern, feiner Zwirn, welcher da, wo es nicht in die Augen fällt, anstatt der Seide gebraucht wird, weil man diese dadurch ersparet.


Sparsucht (W3) [Adelung]


Die Sparsucht, plur. car. die ungeordnete heftige Begierde zu sparen. So auch sparsüchtig.


Spaß (W3) [Adelung]


Der Spaß, des -es, plur. die Späße, Diminut. das Späßchen, in der vertraulichen Sprechart, ein jeder Scherz. Es war nur mein Spaß. Er hatte es nur zum Spaße oder im Spaße gesagt. Das wird einen hübschen Spaß geben. Spaß treiben.

Anm. Dieses Wort lautet auch im Italiänischen Spasso, woraus doch noch nicht folgt, daß wir es von den Italiänern entlehnet haben. Es ist ohne Zweifel mit Posse verwandt, ob es gleich den harten Nebenbegriff dieses Wortes nicht hat, sondern einen jeden vertraulichen Scherz bezeichnet. Der Plural lautet in einigen besonders Oberdeutschen Gegenden, Spaße. In manchen Provinzen wird auch das a kurz und das folgende ß hart gesprochen, wie das Ital. Spasso. S. Posse.


Spaßen (W3) [Adelung]


Spaßen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, scherzen doch nur in der vertraulichen Sprechart. Ich habe nur gespaßt. Mit jemanden spaßen. So auch das Spaßen.


Spaßhaft (W3) [Adelung]


Spaßhaft, -er, -este, adj. et adv. wie scherzhaft, in der vertraulichen Sprechart. Ein spaßhafter Mensch. Spaßhaft seyn. Ein spaßhafter Einfall. Im Oberdeutschen ist dafür auch spaßig üblich.


Spaßhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Spaßhaftigkeit, plur. inus. die Eigenschaft, da eine Person oder Sache Spaßhaft ist.


Spaßvogel (W3) [Adelung]


Der Spaßvogel, des -s, plur. die -vögel, eine spaßhafte Person, welche die Fertigkeit im Spaßen besitzet.


Spat (W3) [Adelung]


Der Spat, S. Spath.


Spät (W3) [Adelung]


Spät, -er, -este, adj. et adv. welches dem frühe entgegen gesetzet ist, und überhaupt nach der gewöhnlichen, nach der gehörigen, nach der bestimmten Zeit bedeutet. 1. Überhaupt nach der gewöhnlichen Zeit. Spät zu Bette gehen. Spät aufstehen. Spät speisen, es sey zu Mittage oder zu Abend. Spät klug werden. Ein später Verstand. Besser spät als nie. Nach der gehörigen, nach der schicklichen Zeit. Spät kommen. Er ist immer der späteste. ein später Wunsch. Dein Brief kommt zu spät. Es ist nun zu spät damit. Wir kamen um eine Stunde zu spät. Eine Uhr gehet um eine Stunde zu spät, wenn sie zu langsam gehet, und die Zeit um eine Stunde später anzeiget, als es die wahre Zeit erfordert. Ingleichen nach einer ausdrücklich benannten, oder bestimmten Zeit. Er kam später als ich. Die spätesten Nachkommen, nach uns. Wenn spät nach mir dich selbst der Himmel fordert, Raml. lange nach mir. 2. In engerer Bedeutung. (1) Von der Zeit des Tages, gegen das Ende des Tages. Es ist schon spät. Es wird spät. Spät in die Nacht aufbleiben. Die späte Abendsonne, in der dichterischen Schreibart. Die späte Nacht. (2) Von der Jahreszeit, gegen das Ende des Sommers. Spätes Obst, welches gegen das Ende des Sommers oder im Herbste reif wird. Spätes Getreide. So auch in den Zusammensetzungen Spätobst, Spätgersten u. s. f.

Anm. Schon bey dem Kero, Ottfried u. s. f. spat, bey den Schwäbischen Dichtern spad, bey dem Ulphilas sped. Frisch fand Ähnlichkeit zwischen diesem Worte und dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ziehen; wenigstens scheinet in dem unsrigen der Begriff der Langsamkeit der herrschende zu seyn. Im Oberdeutschen hautet dieses Wort spat, so wie man für früh, daselbst fruh sagt; diese Form ist auch im Hochdeutschen nicht ungewöhnlich, daher auch in manchen der folgenden Zusammensetzungen spat nur allein üblich ist. Den Niederdeutschen und den mit ihnen verwandten Sprachen ist dieses Wort unbekannt, welche dafür laat gebrauchen, das Stammwort von unserm letzte.


Spatel (W3) [Adelung]


Der Spatel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug in Gestalt eines Spatens oder Grabscheites, nur daß es weit kleiner ist, und von den Apothekern, Wundärzten u. s. f. gebraucht wird, dicke Säfte damit aus den Büchsen zu nehmen, Pflas=ter damit zu schmieren u. s. f. der hölzerne Spatel der Mahler, die Farben damit von dem Reibesteine zu streichen, hat oft mehr die Gestalt eines breiten Messers, und wird auch das Farbenmesser oder Temperier-Messer genannt.

Anm. Im Engl. Spattle, im Französ. Espatule, im Italiän. Spatola, im Lat. Spatula, im Böhm. Spachtle, im Pohln. Szpatela. Es ist nicht unmittelbar aus dem Lat. Spatula entlehnet, auch nicht das Diminutivum von dem folgenden Spaten, weil es sonst ungewissen Geschlechtes seyn müßte, sondern vermittelst der Ableitungssylbe el, welche ein Werkzeug, Subject bedeutet, von Spat, Spitze gebildet, dagegen das folgende die Sylbe -en angenommen hat, ( S. dasselbe.) Im mittlern Lat. ist Patula ohne Zischlaut, ein Degen, Dolch.


Spaten (W3) [Adelung]


Der Spaten, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug zum Graben, ein Grabescheit. Es ist in den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes am üblichsten, wo man auch die Zeitwörter spaden, spaten, und dessen Intensivum spitten, umgraben, hat. Den Spaten stechen, ist in den Niederdeutschen Marschländern, durch Einstechung eines Spatens einen Deich und das dazu gehörige Land für verlassen oder verfallen erklären, und den Spaten ausziehen, einen Deich und das dazu gehörige land in Besitz nehmen. Das Spatenrecht, oder Spatelandsrecht, ist eben daselbst, die Gerichtbarkeit über einen oder mehrere Deiche, ingleichen das Deichrecht.

Anm. In einigen Gegenden die Spate, im Niedersächsischen mit dem dieser Mundart eigenthümlichen weichen d Spaden, im Holländ. Spade, im Angels. Spad, Spadu, Spaedu, im Engl. Spade, im Schwed. Spade. Ehedem bedeutete es auch ein Schwert, und besonders ein breites Schwert; welche Bedeutung das Pohln. Szpada noch hat. Im Ital. ist Spada ein Degen, im Alban. Sapata, eine Art, und im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, so wohl ein Degen, als eine Ruthe und Schlägel. Man siehet leicht, daß in der Bedeutung eines Grabescheites und Degens der Begriff der Spitze, der Schärfe, der herrschende ist.


Späterbse (W3) [Adelung]


Die Späterbse, plur. die -n, eine Art Erbsen, welche spät im Sommer reif werden, zum Unterschiede von den Früherbsen.


Spatfährte (W3) [Adelung]


Die Spatfährte, plur. die -n, bey den Jägern, eine bereits vor etlichen Stunden gemachte Fährte, so daß die Witterung beynahe schon vergangen ist; eine kalte Fährte, zum Unterschiede von einer warmen. Spat stehet hier nach der Oberdeutschen Art für spät, und beziehet sich auf den Jäger, welcher spät zu dieser Fährte kommt.


Spatgang (W3) [Adelung]


Der Spatgang, (für Spätgang,) des -es, plur. die -gänge. 1. Bey den Jägern der Gang des Hirsches zu Holz, wenn selbiger spät, d. i. vor Anbruch des Tages, geschiehet; zum Unterschiede von dem frühen Gange, welcher länger vor Anbruch des Tages geschiehet. Eben daselbst wird es auch zuweilen für Spatfährte gebraucht. 2. Im Bergbaue oder vielmehr bey dem Markscheider ist ein Spatgang, welcher spät streicht, d. i. dem Compasse nach, die Stunde von 6 bis 9 führet, oder von Morgen gegen Abend streichet.


Spatgerste,Spätgerste (W3) [Adelung]


Die Spat- oder Spätgerste, plur. inusit. in der Landwirthschaft, Gerste, welche spät im Sommer reif wird, zum Unterschiede von der Frühgerste.


Spath (W3) [Adelung]


1. Der Spath, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Krankheit der Pferde und Ochsen, da sie an dem Knie Erhabenheiten oder Knoten, wie Überbeine bekommen, und einen steifen und lahmen Gang haben. Er entstehet vermuthlich durch Verhärtung des Gliedwassers in den Gelenken der Knochen. Die Curschmiede unterscheiden den Beinspath, Blutspath, Hahnenspath, Ochsenspath u. s. f. welche aber bloß in zufälligen Umständen unterschieden sind.

Anm. Im Nieders. gleichfalls Spat. Im Holländischen bedeuten Spat und Spit überdieß auch das Lendenweh und den Krampf. Vielleicht als ein Verwandter von Spitze, wegen der dabey sich äußernden Knoten. ( S. das folgende.) Da aber der Gang eines mit dem Spathe behafteten Pferdes wirklich krampfartig ist, so kann auch diese Bedeutung hier die herrschende seyn, und Spath würde von spannen nur in der Endsylbe unterschieden seyn. Im Französischen heißt diese Krankheit der Pferde Spavin, Eparvin, wovon das letztere zu sperren gerechnet werden kann.


Spath (W3) [Adelung]


2. Der Spath, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, bey den Bergleuten auch wohl die Späthe, in der Mineralogie, eine feine Steinart, welche krystallinisch angeschossen ist, sie mag nun in dünnen Blättern, oder knotig angeschossen seyn. Besonders werden die ungefärbten gemeiniglich weißen Spatharten, Spath genannt, dagegen die gefärbten undurchsichtigen Flüsse heißen. Ehedem wurde auch das durchsichtige Fraueneis, welches ein gypsartiger Stein ist, Spath genannt, daher auch die Goldschmiede das calcinirte Fraueneis Spath nennen.

Anm. Es scheinet, daß es in dieser letzten Bedeutung am ältesten sey, und alsdann würde der Nahme zunächst die Durchsichtigkeit, Helle, oder weiße Farbe des Fraueneises oder Selenites bezeichnen, und zu spähen, sehen, gehören, welches unter andern auch glänzen, bedeutete. Da der Spath der Bergleute zwar undurchsichtig ist, aber doch in der weißen Farbe dem Fraueneise gleichet, so hat man vielleicht aus Unkunde beyde Steinarten für einerley gehalten. Übrigens bezeichnet der Nahme Spath nur das Gewebe oder die Structur dieser Steinart; indem man Kalkspath, Gypsspath u. s. f. hat.


Spathasche (W3) [Adelung]


Die Spathasche, plur. inus. im Hüttenbaue, eine Asche, welche aus weißem Spathe gebrannt wird, die Teste daraus zu verfertigen.


Spathdruse (W3) [Adelung]


Die Spathdruse, plur. die -n, in der Mineralogie, ein in einem löcherigen Gefüge zusammen gefügter Spath, Spath in Gestalt einer Druse.


Spatheu (W3) [Adelung]


Das Spatheu, (für Spätheu,) des -es, plur. inus. Heu, welches spät im Sommer gemacht wird, und unter dem Nahmen des Grummets am bekanntesten ist, S. diese Wort.


Spathig (W3) [Adelung]


1. Spathig, adject. et adv. von 1 Spath, mit dem Spathe behaftet. Ein spathiges Pferd.


Spathig (W3) [Adelung]


2. Spathig, adj. et adv. von 2 Spath, dem Spathe ähnlich, spathartig. Gewisse Eisensteine haben ein spathiges Gefüge, gleichen in ihrer Structur dem Spathe.


Spathkrystalle (W3) [Adelung]


Die Spathkrystalle, plur. die -n, krystallinisch angeschossener Spath, in Gestalt der Krystallen.


Spätjahr (W3) [Adelung]


Das Spätjahr, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, der spätere Theil des Jahres, d. i. der Herbst, Nieders. das Nachjahr; im Gegensatze des Frühjahres oder Frühlinges, Nieders. Vorjahr.


Spätling (W3) [Adelung]


Der Spätling, des -es, plur. die -e, ein Ding, welches später als gewöhnlich zum Vorschein kommt, oder etwas später als gewöhnlich oder als gehörig ist, verrichtet. So werden z. B. Schafe, welche später als gewöhnlich ist, lammen, in der Landwirthschaft Spätlinge genannt, welchen Nahmen auch die von ihnen geworfenen Lämmer bekommen. 1 Mos. 30, 42. Im Gegensatze eines Frühlinges.


Spätobst (W3) [Adelung]


Das Spätobst, des -es, plur. car. Obst, welches spät im Jahre, d. i. erst im Herbste reif wird. S. Herbstobst.


Spatregen (W3) [Adelung]


Der Spatregen, des -s, plur. ut nom. sing. in der Deutschen Bibel, derjenige Regen, welcher in den Morgenländern kurz vor der Ernte im Aprill zufallen pflegt, im Gegensatze des Frühregens. S. Abendregen.


Spatz (W3) [Adelung]


Der Spatz, des -en, plur. die -en, ein nur in der vertraulichen Sprechart, besonders Oberdeutschlandes übliches Wort, einen Sperling zu bezeichnen. Es ist von Spar und Sperling, nur im Endlaute des Stammwortes verschieden, und mit dem Französ. Passe, und Lat. Passer, welchen nur der Zischlaut fehlet, genau verwandt. S. Sperling.


Spazieren (W3) [Adelung]


Spazieren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, zur Aufheiterung des Gemüthes langsam gehen, besonders in der frischen Luft, wo es für sich allein alsdann am üblichsten ist, wenn der Ort entweder durch ein Nebenwort oder vermittelst eines Vorwortes ausgedruckt wird. Wir wollen vor das Thor spazieren. Wir sind zwey Stunden auf der Wiese herum spazieret. In dem Garten auf- und abspazieren. Am häufigsten gebraucht man es mit dem Zeitworte gehen, da denn spazieren im Infinitivo zu stehen kommt; spazieren gehen. Wir sind spazieren gegangen. Figürlich ist spazieren gehen, müßig gehen. Im Weiterm Verstande gebraucht man es auch mit den Zeitwörtern reiten und fahren; spazieren reiten, spazieren fahren, zum bloßen Vergnügen ausreiten oder ausfahren. So auch das Spazieren.

Anm. Im Ital. spaziare. Es ist aus dem Lat. spatiari, und schon vor langer Zeit in das Deutsche aufgenommen worden. Darnach begab sich auf ein Zeyt Das spaciren ging Unfallo, Theuerd. Kap. 34. Als ich vor ein Holz spacieret, Darin gar wunniglich hoffieret Der vogel schar, Hans Sachs. Durch den häufigen Gebrauch ist es jetzt nur noch im gemeinen Leben und höchstens in der vertraulichen Sprechart üblich. Die Pegnitzschäfer suchten dafür lustwandeln und für Spaziergang Lustwandelung einzuführen, welche aber mit ihnen abgestorben sind.


Spazierfahrt (W3) [Adelung]


Die Spazierfahrt, plur. die -en, eine Fahrt, welche bloß zum Vergnügen geschiehet. Eine Spazierfahrt thun.


Spaziergang (W3) [Adelung]


Der Spaziergang, des -es, plur. die -gänge. 1. Ein Gang, welchen man bloß zum Vergnügen verrichtet. Einen Spaziergang thun. 2. Ein Gang, ingleichen ein Ort, wo man spazieren gehet. Spaziergänge in einem Garten.


Spazierreise (W3) [Adelung]


Die Spazierreise, plur. die -n, eine bloß zur Lust, zur Schöpfung frischer Luft vorgenommene Reise.


Specerey (W3) [Adelung]


Die Specerey, S. Spezerey.


Specht (W3) [Adelung]


Der Specht, des -es, plur. die -e, eine Art Waldvögel mit einem winkeligen Schnabel, welche auf den Bäumen herum klettern, die Rinde aufbicken und die dahinter befindlichen Larven der Insecten mit ihrer langen wurmförmigen Zunge hervor hohlen; Picus L. Baumhacker, Baumspecht, zum Unterschiede von dem von einigen angenommenen Mauerspechte. Man hat ihrer verschiedene Arten, S. Schwarzspecht, Grünspecht, Buntspecht, Blauspecht u. s. f.

Anm. Im Englischen gleichfalls Specht. Dieser Vogel hat den Nahmen von seinem charakteristischen Unterscheidungsmerkmahle dem Bicken oder Hacken in die Bäume, woher auch der Lateinische Nahme Picus, rühret. In einigen gemeinen Mundarten wird er daher auch Bicker, Picker, Baumbicker genannt. Das vorgesetzte s ist hier vermuthlich intensiv.


Spechter (W3) [Adelung]


Der Spechter, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, eine Art hoher und enger Trinkgläser zu bezeichnen, welche vermuthlich eine Art des so genannten Paßgläser sind. Dem Frisch zufolge rühret der Nahme von dem Walde Speßhart her, der wegen der vielen darin befindlichen Spechte ehedem, Piccaria silua, Spechteshart genannt wurde, und wo man diese Gläser ehedem Verfestigte. indessen wird spechtig in einigen gemeinen Mundarten auch für schmächtig, lang und dünne, gebraucht, vermuthlich von dem Nieders. spaken, zusammen trocknen, zerlechzen.


Spechtmeise (W3) [Adelung]


Die Spechtmeise, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme des Nußhackers, weil er einer Meise ähnlich ist, aber wie ein Specht auf die Bäume klettert. S. Nußhacker.


Spechtwurz,Spechtwurzel (W3) [Adelung]


Die Spechtwurz, oder Spechtwurzel, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Diptames. S. dieses Wort.


Species (W3) [Adelung]


Die Species, plur. ut nom. sing. ein aus dem Lat. Species entlehntes Wort, welches in verschiedenen Fällen des bürgerlichen Lebens üblich ist. In der Rechenkunst sind die vier, oder nach andern fünf, Species, die Arten, worin die Regeln der ganzen Rechenkunst vertheilet sind. In den Apotheken sind Species, am häufigsten im Plural, zerschnittene und trocken mit einander vermischte Kräuter. Grobe Geldsorten werden gleichfalls häufig im Plural Species genannt. Daher Species-Geld, Geld in groben Münzsorten. Ein Species-Gulden, ein Gulden in einem einzigen Stücke. Ein Species-Thaler, ein solcher Thaler, welcher gemeiniglich zu 1 Thl. 8 gr. ausgepräget wurde, daher diese Summe gleichfalls ein Species-Thaler genannt wird, auch wenn sie aus mehrern kleinen Münzsorten bestehet.


Speck (W3) [Adelung]


Der Speck, des -es, plur. car. welches in doppelter Bedeutung üblich ist. 1. In engerer, das Fett, welches die Schweine so wohl auf dem Rücken als den Rippen zwischen dem Vorderbuge und den Schinken haben. Ein Schwein hat vielen Speck. Frischer Speck. Gesalzener Speck. Eine Seite Speck, ( S. Speckfette.) Speckschneiden. 2. In weiterer, da alles Fett in beträchtlicher Masse, welches die Thiere unter der Haut, besonders auf den Rippen haben, so lange es noch nicht ausgelassen ist, häufig Speck genannt wird. So führet das Fett der Wallfische, Seehunde u. s. f. so lange es noch nicht zu Thran gesotten ist, den Nahmen des Speckes, und von andern Thieren und selbst von Menschen wird es in dieser Bedeutung gebraucht.

Anm. Im Niedersächsischen gleichfalls Speck, im Angels. Spic, im Schwed. Speck, im Isländ. Spick. Frisch übergehet die Abstammung dieses Wortes ganz, Wachter aber leitet es unwahrscheinlich genug von dem Engl. Bacon, ein Schinken her, welches zu Bak, Rücken, Erhöhung, oder noch wahrscheinlicher zu baken, backen, dörren, räuchern, gehöret. Glaublicher ist, daß die weiche Beschaffenheit des Fettes, besonders, wo es in beträchtlicher Menge vorhanden ist, und wodurch es sich auch von dem festern Fleisch unterscheidet, der Grund seiner Benennung ist, so daß dieses Wort vermittelst des Zischlautes aus weich gebildet worden, und als ein Verwandter von Wachs, vielleicht auch von Pech, backen, kleben, u. s. f. angesehen werden kann. Zu dem Begriff des Weichen gehöret auch der Begriff der Schmierigkeit, Schlüpfrigkeit, daher Speck in einigen Oberdeutschen Gegenden auch für Dreck, Unreinigkeit gebraucht wird. Im Osnabrückischen heißt der Speck Schmutte, welches mit Schmutz, Schmitz, eigentlich ein schmieriges Ding, ein und eben dasselbe Wort ist. In einigen Gegenden ist dieses Wort ungewissen Geschlechtes: halb abgenagtes Speck, Haged. S. Spicken.


Speckänte (W3) [Adelung]


Die Speckänte, plur. die -n, eine Art wilder Änten, welche auch Pfeifänte genannt wird, und andere Arten an Fett und Wohlgeschmack übertrifft.


Speckbank (W3) [Adelung]


Die Speckbank, plur. die -bänke, in dem Wallfischfange, eine Bank oder Erhöhung, auf welcher der Speck des Wallfisches zerschnitten wird.


Speckbauch (W3) [Adelung]


Der Speckbauch, des -es, plur. die -bäuche, ein fetter mit vielem Fette bewachsener Bauch.


Speckbirn (W3) [Adelung]


Die Speckbirn, plur. die -en, eine Art Birnen, welche im Äußern dem Specke gleicht.


Speckbohne (W3) [Adelung]


Die Speckbohne, plur. die -n, figürlich, eine Art Schminkbohnen mit sehr fleischiger Hülse, und bunten Bohnen.


Speckbrühe (W3) [Adelung]


Die Speckbrühe, plur. die -n, in den Küchen, eine von Schweinspeck gemachte Brühe.


Speckbückling (W3) [Adelung]


Der Speckbückling, des -es, plur. die -e, ein geräucherter fetter Häring, welcher am Rücken aufgeschnitten ist; im Nieders. Flickhäring.


Speckdamm (W3) [Adelung]


Der Speckdamm, des -es, plur. die -dämme, ein nur in den Niederdeutschen Marschländern übliches Wort, einen niedrigen und schmalen aufgeworfenen Damm in einer morastigen Gegend zu bezeichnen, und darauf zu gehen, ein erhöheter Fußsteig; die Specke, der Dickeldamm. Entweder auch von Speck, so fern es weichen Koth, Sumpf bedeutet, oder als ein verschiedenes Wort mit dem herrschenden Begriffe der Erhöhung, einen erhöheten Damm zu bezeichnen, von Bake, Bock, ein Gerüst, Beige, ein Haufe u. s. f.


Speckfett (W3) [Adelung]


Speckfett, adj. et adv. sehr fett. Eine speckfette Gans.


Speckgeschwulst (W3) [Adelung]


Die Speckgeschwulst, plur. die -geschwülste, bey den Ärzten und Wundärzten, eine Art der Geschwulst, bey welcher alle benachbarten weichen Theile die Gestalt des Speckes bekommen, das Speckgewächs; eine Art der Sackgeschwulst.


Speckguß (W3) [Adelung]


Der Speckguß, des -sses, plur. die -güsse, in dem Wallfischfange, eine von Bretern zusammen geschlagene Rinne, den zerschnittenen Speck von dem Verdeck in den Schiffraum zu schaffen.


Speckhaken (W3) [Adelung]


Der Speckhaken, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Haken an einer Stange, die Stücke Speck damit fortzuschleppen.


Speckhals (W3) [Adelung]


Der Speckhals, des -es, plur. die -hälse, ein allzu fetter, mit vielem Specke bewachsener Hals, besonders bey den Pferden, wo auch ein Pferd, welches einen zu fetten Hals hat, ein Speckhals genannt wird.


Speckhaspel (W3) [Adelung]


Der Speckhaspel, des -s, plur. ut nom. sing. im Wallfischfange, ein Haspel, den Speck aus dem Flensloche damit aufzuziehen.


Speckkäfer (W3) [Adelung]


Der Speckkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Käfer mit keulenförmigen Fühlhörnern, welche gemeiniglich von der Größe einer Erbse, aber länglich sind, und dem Specke nachgehen, aber auch Thierfelle, Bücher, Brot, Mehl, Holz u. s. f. fressen, Dermestes Linn. Kreuzkäfer.


Speckkranz (W3) [Adelung]


Der Speckkranz, des -es, plur. die -kränze, eben daselbst, ein Kranz, welchen man auf das Spundloch des Speckfasses legt, damit nichts daneben falle.


Speckkuchen (W3) [Adelung]


Der Speckkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Kuchen, welche auf der Oberfläche mit zerschnittenem Specke bestreuet werden.


Specklilie (W3) [Adelung]


Die Specklilie, plur. die -n, eine Art der Lonicere, deren Blumen wie Dachziegel über einander liegen; Lonicera Periclymenum Linn. Geißblatt, Geißlilie, Zaungilge, Je länger je lieber, wegen ihres angenehmen Geruches. Die Bedeutung des Wortes Speck in dieser Zusammensetzung ist mir unbekannt.


Speckmaus (W3) [Adelung]


Die Speckmaus, plur. die -mäuse, in einigen Gegenden ein Nahme der Fledermaus, weil sie dem geräucherten Speck nachgehet.


Speckmelde (W3) [Adelung]


Die Speckmelde, plur. inus. ein Nahme des Bingelkrautes.


Speckmesser (W3) [Adelung]


Das Speckmesser, des -s, plur. ut nom. sing. im Wallfischfange, großer Messer, womit der Speck von dem Wallfische geschnitten wird.


Speckschneider (W3) [Adelung]


Der Speckschneider, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, der den Speck von dem getödteten Wallfische schneidet.


Speckschwarte (W3) [Adelung]


Die Speckschwarte, plur. die -n, die steife dicke Haut von geräucherten Speckseiten.


Speckschwein (W3) [Adelung]


Das Speckschwein, des -es, plur. die -e, in der Hauswirthschaft, ein Schwein, welches sehr fett gemästet wird, oder gemästet worden, um Speckseiten davon zu bekommen, welches zu Speck gemästet wird.


Speckseite (W3) [Adelung]


Die Speckseite, plur. die -n, die mit Speck bewachsene Seite eines gemästeten und geschlachteten Schweines von dem Vorderbuge an bis zu den Schinken, besonders nachdem dieselbe geräuchert worden.


Speckstein (W3) [Adelung]


Der Speckstein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein thonartiger Stein, welcher etwas durchsichtig, aber von verschiedener Farbe ist. Er hat den Nahmen vermuthlich daher, weil er sich glatt oder fettig anfühlen lässet. Der weiße wird auch Schmeerstein genannt. Bey einigen führen auch die nahe verwandten, Schmeerstein, Topf- oder Lavetzstein und Serpentinstein, den Nahmen des Specksteines. Da alle diese Arten sehr weich sind, so scheinet Speck hier noch seine eigentliche Bedeutung zu haben.


Speckstrick (W3) [Adelung]


Der Speckstrick, des -es, plur. die -e, im Wallfischfange, Stricke, womit die großen Stücke Wallfischspeck in das Schiff gezogen werden.


Speckthran (W3) [Adelung]


Der Speckthran, des -es, plur. inus. der aus dem Wallfischspecke gesottene Thran, zum Unterschiede von dem Robbenthrane und Leberthrane.


Speckwurm (W3) [Adelung]


Der Speckwurm, des -es, plur. die -würmer, ein Nahme des Speckkäfers, besonders derjenigen Art desselben, welche vorzüglich in dem geräucherten Specke angetroffen wird; Dermestes lardarius Linn. Fettwurm.


Spectakel (W3) [Adelung]


Das Spectakel, des -s, plur. ut nom. sing. ein aus dem Lat. Spectaculum entlehntes, aber nur in den gemeinen Sprecharten übliches Wort, so wohl einen fürchterlichen, widrigen und seltsamen Anblick, als auch ein widerwärtiges Getöse, einen Lärm zu bezeichnen; und man auch das Zeitwort spectakeln hat, einen widerwärtigen Lärm verursachen. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch für Schauspiel.


Speculieren (W3) [Adelung]


Speculieren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, aus dem Latein. speculari, auch nur im gemeinen Leben, solche Verhältnisse betrachten und zu erforschen suchen, welche sich nicht jedem Auge zur Einsicht darstellen. Daher die Speculation, die Betrachtung oder Erforschung solcher Verhältnisse. Die Speculations-Handel, bey den Kaufleuten, ein Handel, welcher sich auf vermuthete, nicht jedermann bekannte Verhältnisse und Ereignisse gründet, wenn z. B. jemand eine Waare aufkauft, weil er muthmaßliche Gründe hat, daß selbige aufschlagen werde.


Spedieren (W3) [Adelung]


Spedieren, verb. reg. act. aus dem Ital. spedire, und dieß von expedire, absenden, versenden., ein besonders bey den Kaufleuten übliches Wort. Güter, Waaren spedieren, absenden, weiter senden. Daher der Spediteur, in Handelsstädten, derjenige, welcher fremder Kaufleute Waaren annimmt und weiter versendet; im Oberd. der Güterbestater, Güterversender, Gutfertiger, Fertiger, Bestäter. Die Spedition, die Versendung der Waaren und Güter. Die Speditions-Gebühren, die Gebühren, welche der Spediteur für diese Bemühung erhält u. s. f.


Speer (W3) [Adelung]


Der Speer, des -es, plur. die -e, ein altes Wort, welches ehedem den Begriff der langen dünnen Spitze hatte, und daher ein mit einer solchen Spitze versehenes Ding bedeutete, aber jetzt nur noch in einigen wenigen Fällen üblich ist. Der lange spitzige Theil einer Feile, vermittelst dessen sie in dem Häfte befestiget wird, heißt bey den Feilenhauern der Speer, welchen Nahmen bey den Zeugschmieden auch die ähnlichen Theile anderer Werkzeuge führen. Bey den Fischern ist der Speer eine Gabel mit zehen Zacken, die Barben damit im Winter zu stechen. Ehedem wurden auch die Spieße Speere genannt, in welcher Bedeutung es schon bey den alten Galliern Spara, Sparus lautete, wie aus dem Virgil, Sallust und Festus erhellet. Jesbi Speer war sehr schwer, 2 Sam. 21, 16. Jesus Seite wurde mit einem Speere geöffnet, Joh. 19. 34. Jetzt kommt es in dieser Bedeutung im Hochdeutschen wenig mehr vor, indem Spieß, Lanze u. s. f. üblicher sind.

Anm. In der Bedeutung eines Spießes schon bey dem Ottfried, im Tatian u. s. f. Sper, im Angels. Spaera, im Engl. Spear, Im Wallis. Ysper, im Schwed. Spjut. Im Nieders. wird noch eine jede zarte Spitze ein Speer genannt, Schwed. Spira, Engl. Spire. Es ist von Spieß, Spitze, Speile, Spelze, Speiche, Spina u. s. f. nur im Endlaute verschieden. Billig sollte man dieses Wort Spehr schreiben, weil das h vor einem Liquido üblicher ist, als die Verdoppelung des Mitlauters; indessen ist Speer einmahl eingeführet.


Speerenstich (W3) [Adelung]


Der Speerenstich, des -es, plur. inus. ein Nahme des Kleinen Enzianes Gentiana cruciata Linn. dessen lange weiße Wurzel zu beyden Seiten kreuzweise durchstochen ist, als wäre es mit einem Speere geschehen; Kreuzwurz, Himmelstängel, Modelgeer.


Speerkraut (W3) [Adelung]


Das Speerkraut, des -es, plur. inus. eine Art des Hahnenfußes, mit langen gekerbten spitzigen Blättern in Gestalt eines Speeres, Ranunculus Flammula Linn. Speerwurz, Speerwurzel.


Speerreiter (W3) [Adelung]


Der Speerreiter, des -s, plur. ut nom. sing. eine ehemahlige Art Reiter, welche mit Speeren bewaffnet waren, aber jetzt mit ihrem Nahmen veraltet sind.


Speerwurz (W3) [Adelung]


Die Speerwurz, plur. inus. S. Speerkraut.


Speiche (W3) [Adelung]


Die Speiche, plur. die -n, ein jetzt nur noch in einer eingeschränkten Bedeutung übliches Wort, diejenigen Stäbe zu bezeichnen, welche die Felgeu oder den Umkreis eines Rades tragen. Die Speichen eines Rades, die Radspeichen. Es ist von Wagenrädern am üblichsten, denn an einem Kunst- oder Wasserrade werden sie Radarme genannt. Figürlich führet in der Anatomie ein Knochen des Vorderarmes, wegen seiner Ähnlichkeit mit einer Radspeiche, so wohl den Nahmen der Speiche, als der Spindel. Anm. Von einer Radspeiche im Niedersächs. Specke, im Engl. Spoke, im Angels. Spacan, im Ital. Spiga, im Böhm. Spicc, im Pohln. Szpica. Auch in diesem Worte ist der Begriff der Dünne und der Spitze der herrschende. Im Schwed. bedeutet Spik, eine jede dünne Spitze, Nieders. Spier, Hochd. Speer. Das Lat. Spica, eine Ähre, ( S. Spier), Spiculum u. s. f. sind nahe damit verwandt. Im Fries. heißt die Speiche Spetze, welches diese Ableitung noch mehr bestätiget. Vermuthlich waren die Radspeichen ehedem spitziger als jetzt, oder vielmehr sie waren lange Nägel, welche durch die Felgen bis in die Nabe gingen. ( S. Spie- ker, welches noch jetzt im Niederdeutschen eine Art Nägel bedeutet. Siehe auch Speer.


Speichel (W3) [Adelung]


Der Speichel, des -s, plur. inus. die natürliche Flüssigkeit im Munde, welche zu dessen Benetzung und zur Verdauung der Speisen dienet, deren Überfluß aber ausgespien, oder ausgeworfen wird; wodurch er sich von dem Geiger und dem zähen Schleime unterscheidet. Nüchterner Speichel. Etwas mit Speichel benetzen. Jemandes Speichel lecken, figürlich ihm auf die niederträchtigste Art schmeicheln, sich auf das kriechendste vor ihm demüthigen, daher ein solcher, Speichellecker genannt wird.

Anm. Schon bey dem Ottfried Speichel, im Nieders. Spedel, Spije, Spey, Spucke, welches letztere auch im gemeinen Leben der Hochdeutschen nicht fremd ist, und von dem intensiven Dimin. spucken, abstammet, im Engl. Spittle. Alle stammen von Speyen ab, weil der überflüssige Speichel ausgeworfen wird. Die Endsylbe el bedeutet ein Object, von welchem etwas gesagt wird. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es weiblichen Geschlechtes, die Speichel. S. Speyen.


Speichel-Cur (W3) [Adelung]


Die Speichel-Cur, plur. die -en, bey den Ärzten, diejenige Cur, da verdorbene Säfte zu den Speicheldrüsen geleitet, und durch den Auswurf des Speichels fortgeschaffet werden; Salivatio, Die Salivation.


Speicheldrüse (W3) [Adelung]


Die Speicheldrüse, plur. die -n, Drüsen, in der Höhle des Mundes und auf den Lippen, welchen der Speichel zugeführet wird, welchen sie, so bald sie gedrücket werden, in den Mund ergießen.


Speichelfluß (W3) [Adelung]


Der Speichelfluß, des -sses, plur. inus. der starke Fluß des Speichels durch die Speicheldrüsen, besonders der durch die Kunst erweckte, so fern er zur Speichel-Cur nothwendig ist,


Speichelgang (W3) [Adelung]


Der Speichelgang, des -es, plur. die -gänge, in der Anatomie, Gänge oder zarte Röhren, durch welche der Speichel zu den Speicheldrüsen geführet, und aus denselben wieder in den Mund gelassen wird.


Speichelkraut (W3) [Adelung]


Das Speichelkraut, des -es, plur. inus. ein Nahme einer Art übel riechenden Roßpoleyes, welche den Zufluß des Speichels befördert; Stachys sylvatica Linn. Bienensaug, Läusekraut, Mäusepfeffer, Katzenpfeffer.


Speicheln (W3) [Adelung]


Speicheln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, den Speichel auswerfen. Es ist nur im Oberdeutschen üblich, verdiente aber auch im Hochdeutschen eingeführet zu werden, indem spucken Niederdeutsch, speyen aber hart und mehrdeutig ist.


Speichelwurz,Speichelwurzel (W3) [Adelung]


Die Speichelwurz, oder Speichelwurzel, plur. inus. ein Nahme des gemeinen Seifenkrautes Saponaria officinalis Linn. weil es den Speichel treibet; Geiferwurz.


Speichenring (W3) [Adelung]


Der Speichenring, des -es, plur. die -e, oder der Speichenrinken, des -s, plur. ut nom. sing. an den Wagenrädern, die beyden großen Ringe oder Rinken auf der Nabe zunächst an den Speichen.


Speicher (W3) [Adelung]


Der Speicher, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Ober- und Niederdeutschen gangbares, im Hochdeutschen aber wenig übliches Wort, ein Gebäude zu bezeichnen, welches dazu bestimmt ist, ausgedroschenes Getreide und andere Waaren darin in Menge aufzubehalten. Ein Kornspeicher, im Hochdeutschen ein Kornhaus, Schütthaus. Ein Waarenspeicher, Magazin. Anm. Ottfried und Notker gebrauchen Spihir und Spichar von einer Scheuer, in welcher Bedeutung es jetzt veraltet zu seyn scheinet. Im Niederdeutschen, wo es besonders in den Handelsstädten sehr gangbar ist, lautet es Spieker. Die Abstammung ist ungewiß, indem es so wohl zu packen gehören kann, einen Ort zu bezeichnen, wo man Waaren zum künftigen Gebrauche zusammen packet, als auch zu dem alten Beig, ein Haufe, Bock, Bake, u. s. f. so daß ursprünglich ein aus Waaren bestehender Haufe die- sen Nahmen bekommen, als endlich auch, zu dem alten Bygd, ein Gebäude, von bauen, so daß es ein jedes Gebäude bedeuten würde. Die letzte Ableitung wird dadurch wahrscheinlicher, weil die Landleute im Osnabrückischen ihre Bauerhäuser Speicher nennen, im Bremischen aber ein Lufthaus mit etlichen Zimmern auf einem Meierhofe ein Speicher heißt. Die Endsylbe er bedeutet ein Ding, ein Subject, von welchem etwas prädiciret wird. Frisch führet die in einigen Gegenden übliche R. A. an, das Feld speicht stattlich ein, wenn es die Scheuer füllet.


Speicherdieb (W3) [Adelung]


Der Speicherdieb, des -es, plur. die -e, eine im Niederdeutschen, vermuthlich nur im Scherze übliche Benennung des gemeinen Haussperlinges, weil er die Kornspeicher gern zu besuchen pflegt.


Speicherherr (W3) [Adelung]


Der Speicherherr, des -en, plur. die -en, in denjenigen Städten, wo die gemeinen Schütthäuser Speicher heißen, diejenige Rathsperson, welche die Aufsicht über diese Häuser hat; der Magazinherr.


Speilen (W3) [Adelung]


Speilen, verb. reg. act. im gemeinen Leben einiger Gegenden, mit Speilern versehen. Einen Bienenstock speilen, dünne Stäbe kreuzweise durchstecken, damit die Bienen die Scheiben daran befestigen können.


Speiler (W3) [Adelung]


Der Speiler, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, ein spitzig zugeschnittener Stock, so wohl etwas daran aufzuspießen, als auch gewisse Theile, besonders des Fleisches damit aus einander zu sperren. So werden die spitzigen Stäbe, worauf man Fleisch, Würste u. s. f. zum trocknen aufhängt, in manchen Gegenden Speiler genannt. Eben diesen Nahmen führen in den Küchen auch die spitzig geschnittenen Hölzchen, womit die Niere in dem Braten, oder die Hintertheile eines Hasen fest gespeilert werden, damit sie nicht herunter fallen, ingleichen die spitzigen Hölzer der Fleischer, die ausgeschlachteten Kälber, Lämmer u. s. f. damit zu speilern, d. i. aus einander zu sperren. Es ist aus dem Niederdeutschen Spiele in eben dieser Bedeutung gebildet, welches den Begriff der Spitze, ingleichen des Sperrens hat, daher in der anständigen Sprechart der Hochdeutschen für Speiler auch Spieß üblich ist. S. Spille.


Speise (W3) [Adelung]


2. Die Speise, plur. die -n. 1. Alles dasjenige, was ein lebendiges Geschöpf an festen Körpern zur Erhaltung des natürlichen Lebens zu sich nimmt, wo der Plural nur von mehrern Arten üblich ist; die Nahrung, Nahrungsmittel. Speise und Trank. Das Brot ist die gesündeste Speise. Erbsen sind eine blähende Speise. Speise zu sich nehmen. Was zur Speise dienet. Da dieses Wort eine sehr allgemeine Bedeutung hat, so wird es auch nicht gern mehr von besondern Arten der Lebensmittel, außer in diesem allgemeinsten Verstande gebraucht. Wenn es daher 1 Mos. 41, 35, 36, 47 heißt, daß Joseph die Speise, d. i. das Getreide, der guten Jahre gesammelt und aufgeschüttet habe, so ist solches wider den heutigen Sprachgebrauch. So auch von den Thieren, das man ihnen zur Nahrung dienet, welches im gemeinen Leben das Fraß, und bey zahmen Viehe das Futter heißt. Dein Leichnam wird eine Speise seyn allen Vögeln des Himmels, 5 Mos. 28, 26. Ein Adler fleucht zur Speise, Hiob. 9, 26. Die Ameise sammelt ihre Speise im Sommer, Sprichw. 6, 8. Figürlich wird auch die Nahrung des Feuers 3 Mos 3, 11, 16, Es. 9, 19 dessen Speise genannt, in welcher Bedeutung es doch außer der höhern Schreibart ungewöhnlich ist. 2. Die zubereitete menschliche Nahrung Einer Art; im gemeinen Leben das Essen. Den Tisch mit den ausgesuchtesten Speisen besetzen. Die Speisen auftragen, abtragen. Fleischspeisen, Fastenspeisen, warme Speisen, kalte Speisen, Mehlspeisen u. s. f. Da es denn auch oft für Gericht gebraucht wird, die in einem Gefäße beysammen befindliche zubereitete Nahrung Einer Art. Drey Speisen auf Ein Mahl auftragen. Wir haben alle Tage sechs Speisen. Da in dieser engern Beziehung nur die nach den Regeln der Kochkunst zubereiteten Nahrungsmittel den Nahmen der Speisen führen, so werden in diesem engern Verstande auch Brot, Confect, Obst, Back- werk u. s. f. nicht mit zu den Speisen gerechnet, zumahl da die letztern gemeiniglich nicht so wohl zur Nahrung, als zur Kützelung des Gaumens bestimmt sind. 3. Nach einer andern Einschränkung wird in einigen Niederdeutschen Gegenden, z. B. im Osnabrückischen, das Geschlinge, d. i. das Eingeweide des geschlachteten Viehes mit Kopf und Füßen, Speise genannt, Kälberspeise, Ochsenspeise.

Anm. Schon bey dem Ottfried Spiso, im Schwabensp. Spis, im Schwed. Spis. Im Böhmischen ist Pice, ohne Zischlaut, Futter. S. Speisen.


Speisebier (W3) [Adelung]


Das Speisebier, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art schwächern oder geringern Bieres, welches gemeiniglich bey den Mahlzeiten getrunken wird; Tischbier, Nachbier, im gemeinen Leben Kofent.


Speisefisch (W3) [Adelung]


Der Speisefisch, des -es, plur. die -e, ein Nahme der kleinern geringern eßbaren Fische, z. B. der Weißfische, Breitfische, Rothaugen, Bärsche u. s. f. nicht so wohl, weil man sie speiset, indem sonst alle eßbare Fische diesen Nahmen führen müßten, sondern weil man die Fischteiche damit zu speisen, d. i. sie zur Nahrung der größern Fische mit in die Fischteiche zu setzen pflegt.


Speisegelb (W3) [Adelung]


Speisegelb, adj. et adv. ein Nahme einer blaßgelben Farbe, welche ein wenig in das Röthliche fällt; eine ohne Zweifel von der Speise der Roth- und Glockengießer entlehnte Benennung.


Speisegewölbe (W3) [Adelung]


Das Speisegewölbe, des -s, plur. ut nom. sing. in den Haushaltungen, ein Gewölbe, die Speisen und deren Materialien in demselben zu verwahren.


Speisekammer (W3) [Adelung]


Die Speisekammer, plur. die -n, eben daselbst, eine Kammer, gemeiniglich zunächst an der Küche, den kleinern Vorrath von Speisen und deren Bestandtheilen in derselben zu verwahren; im Oberd. der Speisgaden, der Behalter, auch nur die Speis.


Speisekümmel (W3) [Adelung]


Der Speisekümmel, des -s, plur. inus. derjenige Kümmel, welcher in den Küchen an den Speisen gebraucht und auch nur Kümmel schlechthin genannt wird; Carum Linn. S. Kümmel.


Speisemeister (W3) [Adelung]


Der Speisemeister, des -s, plur. ut nom. sing. eine ungewöhnliche Benennung desjenigen, welcher in großen Haushaltungen die Mahlzeiten anordnet, und die Aufsicht über die Küche und deren Bedienten hat; der Küchenmeister. In der Deutschen Bibel kommt dieses sonst ungebräuchliche Wort mehrmahls vor.


Speisen (W3) [Adelung]


Speisen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert. 1. Speise, d. i. Nahrung in fester Gestalt zu sich nehmen, wo es in der anständigen Sprechart für das gemeine essen gebraucht wird. Wir werden bald speisen. Sie speisen noch. Ich habe heute allein gespeiset. Bey jemanden speisen. Mit jemanden speisen. Zu Mittage, zu Nacht speisen. Des Tages nur Ein Mahl speisen. Ingleichen, seine Nahrung gewöhnlich an einem Orte oder bey jemanden zu sich nehmen. Bey einem Gastwirthe speisen. Auf der Stube speisen. Nahrung geben, sättigen, von den Speisen und Nahrungsmitteln; eine nur in einigen Provinzen übliche Bedeutung. Das Schwarze Brot speiset besser, als das weiße. Auch das Schwed. spisa, ist in dieser Bedeutung des Sättigens üblich. II. Als ein Abstractum. 1. Als Speise zu sich nehmen, auch für das gemeinere essen. Was wollen sie heute speisen? Braten, Fische u. s. f. speisen. 2. Speise reichen oder durch andere reichen lassen. (1) Eigentlich, wo es wohl von einzelnen Mahlzeiten, als auch von der gewöhnliche Beköstigung gebraucht wird, es geschehe nur für Bezahlung oder ohne dieselbe. Ich habe heute sechs Personen zu speisen. Der Koch speiset die Gäste, wenn er die Speisen für dieselben zurichtet. Hungert deinen Feind, so speise ihn, Sprichw. 25, 21. Ein Gastwirth speiset, wenn er die Gäste für Bezahlung mit den nöthigen Speisen versorget. Es ist in dieser Bedeutung von Menschen am üblichsten, dagegen von Thieren futtern gewöhnlicher ist, außer im allgemeinsten Verstande, die Nahrung veranstalten, entstehen lassen; denn so kann man auch sagen: Gott speiset die Raben. (2) Figürlich. (a) Jemanden mit leerer Hoffnung speisen, ihn mit leerer Hoffnung unterhalten. ( S. auch Abspeisen.) Einen Fischteich speisen, ihn mit kleinen unedlen Fischen besetzen, damit selbige den größern edlern zur Nahrung dienen. Die Müller speisen die Mühlsteine, wenn sie Körner aufschütten, damit selbige etwas zu mahlen haben. (b) * Ehedem sagte man auch, eine Festung speisen, d. i. sie mit Proviant, Lebensmittel versehen, in welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen veraltet ist. (c) Austheilen, reichen; eine nur in einigen Fällen übliche Bedeutung. In großen Haushaltungen heißt speisen, ausspeisen und ausspenden, die zu den Speisen nöthigen Materialien ausgeben. So speiset der Küchenmeister das Fleisch, Federvieh u. s. f. aus, wenn er es den Köchen zur Zubereitung übergibt. Auch die Deputate bey der Kellerey an Wein, Bier und Brot, werden an den Höfen ausgespeiset, d. i. an die Behörde ausgespendet oder ausgetheilet. Sehr häufig wird dieses Wort auch von der Richtung oder Austheilung des Abendmahles gebrauchet. Die Communicanten Speisen. Einen Kranken speisen. Sich zu Hause speisen lassen. Es scheinet, daß es in dieser letzten Bedeutung des Austheilens nur ein sehr weitläufiger Seitenverwandter von speisen, essen und zu essen geben, ist, und mehr zu spenden gehöret. Merkwürdig ist dabey, daß das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , im Futuro - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - hat, oder vielmehr das Futurum von dem Zeitworte - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - oder - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, entlehnet hat. Im Schwed. ist spisa gleichfalls darreichen. ( S. Spenden.) So auch das Speisen und die Speisung, welches letztere aber nur in der zweyten Hauptbedeutung des Activi gebraucht wird.

Anm. Im Schwabenspiegel spisen, im Schwed. spisa. Die Niederdeutschen scheinen dieses Zeitwort eigentlich nicht zu kennen, sondern es bloß von den Hochdeutschen zu entlehnen. Wachter war ungewiß, ob er es von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, libare oder von Cibus, ( S. Kauen, Kiefer) ableiten sollte; Frisch ließ es gezwungen genug von Spezerey abstammen, und Ihre hält das Ulphilanische wisan, essen, für das Stammwort. Die letzte Ableitung ist die wahrscheinlichste, indem auch Ottfried Vuist für Speise gebraucht. ( S. Wesen, Weide und Weiden.) Noch näher gehöret hierher unser beißen, das alte Oberdeutsche Imbiß, unser Beitze, Lockspeise u. s. f. Das vor einem Mitlauter ist allemahl zufällig, und es scheinet, daß es hier intensiv ist, dagegen beißen seine Intension in dem in der Mitte verdoppelten s hat. Im Böhmischen ist Pice Futter. Die Lateinischen pascere, pastus u. s. f. gehören gleichfalls zu diesem Stamme.


Speiseopfer (W3) [Adelung]


Das Speiseopfer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Deutschen Bibel und bey den ältern Juden, ein unblutiges Opfer aus eßbaren Theilen des Gewächsreiches; z. B. Mehl.


Speiseröhre (W3) [Adelung]


Die Speiseröhre, plur. die -n, eine Röhre oder ein häutiger Kanal in den thierischen Körpern, welcher sich von der Kehle bis in den Magen erstrecket, und diesem die Speisen und das Getränke zuführet. Ihre von außen sichtbare Öffnung wird der Schlund genannt.


Speiseruhr (W3) [Adelung]


Die Speiseruhr, plur. inus. bey den Ärzten, eine Art der Ruhr, da die Speise fast ganz unverdauet fortgehet; Lienteria.


Speisesaal (W3) [Adelung]


Der Speisesaal, des -es, plur. die -säle, ein Saal, d. i. großes geräumliches Zimmer, so fern es besonders, zum Speisen bestimmt ist; an Höfen, der Tafelsaal, im gemeinen Leben der Eßsaal.


Speiseschrank (W3) [Adelung]


Der Speiseschrank, des -es, plur. die -schränke, in der Haushaltung, ein Schrank, worin die Speisen und ihre Überbleibsel bewahret werden; in einigen Gegenden Speiseköthe, Speisespint, Behalter oder Gehalter, Kalter u. s. f.


Speisewein (W3) [Adelung]


Der Speisewein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e. 1. Ein geringer leichter Wein, so wie man ihn gewöhnlich bey der Mahlzeit trinkt; Tischwein. 2. In einigen Gegenden auch noch ein geringerer Wein, welchen man nur in der Küche an den Speisen verbraucht. 3. In andern Gegenden wird auch der zum Abendmahle bestimmte Wein der Speisewein genannt, weil die Communicanten damit gespeiset werden.


Speisewirth (W3) [Adelung]


Der Speisewirth, des -es, plur. die -e, Fämin. Die Speisewirthinn. 1. Diejenige, bey welchem man gewöhnlich für Geld speiset. 2. Ein Wirth, oder eine Wirthinn, welche andere für Bezahlung speiset, übrigens aber keine Gäste beherberget, mit einem Französischen Ausdrucke ein Traitenr, Tracteur.


Speisezimmer (W3) [Adelung]


Das Speisezimmer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Zimmer, so fern es besonders dazu bestimmt ist, darin zu speisen; an Höfen das Tafelzimmer, im gemeinen Leben das Eßzimmer, S. Speisesaal.


Speisig (W3) [Adelung]


1. Speisig, -er, -ste, adj. et adv. von 1 Speise, im Bergbaue, Bestandtheile zur Speise enthaltend. Speisige Erze, welche sehr kobaltisch sind und daher im Ausschmelzen viele Speise geben. Ein speisiger Bleystein, welcher von solchen speisigen Bleyerzen fällt.


Speisig (W3) [Adelung]


2. Speisig, -er, -ste, adj. et adv. ein auch nur im Bergbaue übliches Wort, wo eine Erz- oder Bergart speisig, heißt, wenn sie auf dem Bruche körnig im weitern Verstande ist, so daß auch würfelige Theile mit darunter verstanden werden. Ein grobspeisiger Bleyglanz, welcher auf dem Bruche große Würfel zeiget, zum Unterschiede von dem kleinspeisigen. Vielleicht auch von 1 Speise, ein gemischtes Ding, so fern es ehedem eine Masse überhaupt bedeutet haben kann.


Spelz (W3) [Adelung]


Der Spelz, des -es, plur. inus. eine Art des Weitzens, welcher sich besonders dadurch von dem gewöhnlichen Weitzen unterscheidet, daß allezeit zwey Körner auf Einer Seite der Ähre neben einander stehen; Triticum Spelta Linn. Er wird in Oberdeutschland am häufigsten gebauet, wo er auch Fesen, Vesen, Kern, Dinkel heißt. Im Niederdeutschen heißt er mit der gewöhnlichen Vertauschung des Zischlautes Spelt, in welcher Gestalt dieses Wort auch einige Mahle in der Deutschen Bibel vorkommt; in einigen Gegenden Quälkorn.

Anm. Im Angels. Nieders. und Engl. Spelt, im Ital. Spelta, im Franz. Epeautre, Speute, im Böhmischen Sspalda, bey den heutigen Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Man leitet den Nahmen von den doppelten tiefen Spalten her, welche aus der Stellung der Körner an der Ähre entstehen. Indessen kommen im mittlern Lateine die Nahmen Piletum und Bilettum von eben derselben Getreideart vor.


Spelze (W3) [Adelung]


Die Spelze, plur. die -n, ein Wort, welches eigentlich eine Spitze, und besonders ein durch das Spalten entstandenes spitziges Ding bedeutet, aber nur in einem eingeschränkten Verstande üblich ist, da die durch das Dreschen gespaltenen spitzigen Hülsen der Getreidefrüchte, welche einen Theil der Spreu ausmachen, Spelzen oder Spalzen genannt werden, worunter man zuweilen auch wohl die im Dreschen zerschlagenen Grannen oder Achseln der Ähren verstehet. In der Botanik hingegen sind die Spelzen die zwey kleinen spitzigen Blätter, welche die innere Blumendecke Corolla, der Blumen ausmachen, und woran bey den Grasarten gemeiniglich die Grannen befestiget sind.

Anm. Entweder von spellen, welches im gemeinen Leben für spalten üblich ist; oder auch mit dem herrschenden Begriffe der Spitze, als ein Verwandter von Speiler, Spille u. s. f.


Spende (W3) [Adelung]


Die Spende, plur. die -n, ein nur noch im gemeinen Leben hin und wieder übliches Wort, eine Austheilung zu bezeichnen, besonders eine öffentliche Austheilung des Almosens zu gewissen Zeiten. Die Brotspende, Geldspende u. s. f. Daher denn dieses Wort auch zuweilen von solchen Almosen gebraucht wird, welche zu gewissen Zeiten ausgetheilet werden. Eine Spende stiften. Schon bey dem Ottfried in dieser Bedeutung des Almosens Spento, im Nieders. Spende.


Spenden (W3) [Adelung]


Spenden, verb. reg. act. ausgeben, austheilen, nur noch im gemeinen Leben, besonders mancher Gegenden. In großen Haushaltungen spendet die Ausgeberinn oder der Küchenmeister dem Koche die Materialien zu den Speisen aus, wenn er sie an ihn abgibt. Die Deputate werden in den herrschaftlichen Kellereyen ausgespendet, wenn sie an die Behörde abgeliefert werden. Das Abendmahl ausspenden, austheilen. Besonders von Almosen, dasselbe an mehrere austheilen, wo doch auch das zusammen gesetzte ausspenden am üblichsten ist. Daher das Spenden und die Spendung.

Anm. Schon bey dem Ottfr. spenton, der es für geben überhaupt zu gebrauchen scheinet indem er unter andern einen Gesetzgeber Vuizod spentar nennet, im Nieders. spenden, im Angels. spendan, im Englischen, wo es auch verschwenden, verthun bedeutet, to spend, im Ital. spendere, im Lat. dispendere, expendere, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Da dieses Wort sich schon so frühe in allen Europäischen Sprachen befindet, so ist es kaum glaublich, daß es aus der Lateinischen oder Griechischen sollte seyn entlehnet worden, sondern es scheinet vielmehr ein altes Stammwort zu seyn, welches allen diesen Sprachen von ihrem ersten Ursprunge an, gemein gewesen. Im Niedersächsischen ist zuspenden, zureichen, und Zuspender, ein Handlanger.


Spendesohle (W3) [Adelung]


Die Spendesohle, plur. inus. in dem Salzwerke zu Halle, eine gewisse Quantität Sohle, welche wöchentlich zum Besten der Armen versotten wird.


Spendiren (W3) [Adelung]


Spendiren, verb. reg. act. welches vermuthlich aus dem Ital. spendere entlehnet worden, aber nur im gemeinen Leben üblich ist, freygebig mittheilen. Einem etwas spendieren. So auch spendabel, für freygebig. Nieders. spenderen, Schwed. spendera.


Spenen (W3) [Adelung]


Spenen, S. Spänen.


Sperbe (W3) [Adelung]


Die Sperbe, plur. die -n. S. Sperberbaum.


Sperber (W3) [Adelung]


Der Sperber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme, welcher im gemeinen Leben allen kleinen Falkenarten beygeleget wird, welche nur auf kleinen Vögel stoßen, wohin denn der Lerchenfalk, Nisus Linn. der Finkenfalk, das Schmierlein, der Mauerfalk, und vielleicht noch andere Arten gehören. Vielleicht gebühret dieser Nahme zunächst den bunten Falken, besonders wenn sie auf der Brust auf eine ihnen besondere Art gesprenkelt sind, welche Mischung der Farben man auch bey andern Vögeln daher gesperbert zu nennen pflegt; und alsdann würden wohl der Lerchenfalk, und vielleicht auch der Baumfalk diesen Nahmen am eigentlichsten verdienen. S. auch Sprinz.

Anm. Im Schwabensp. Spaeruuer, im mittl. Lat. Esperverius, Sparverius, im Ital. Sparviere, im Franz. Epervier, Im Engl. Sparhawk, gleichsam Spar-Habicht. Die letzte Sylbe kann so wohl die Ableitungssylbe er, als auch das verkürzte Wort Aar, seyn, welches von Frischen und andern auch in Adler angenommen wird, so daß Sperber aus Sperb-Aar zusammen gezogen worden. Die erste Hälfte ist ohne Zweifel das alte Spar, Spärb, Sperb, ein Sperling, weil dieser Vogel am liebsten auf Sperlinge und andere ähnliche kleine Vögel stößt. S. Sperling.


Sperberbaum (W3) [Adelung]


Der Sperberbaum, des -es, plur. die -bäume, in vielen Gegenden ein Nahme des zahmen Vogelbeerbaumes, dessen röthlich braune der Mispel ähnliche eßbare Früchte die Gestalt einer Birn haben; Sorbus domestica Linn. Diese Früchte werden Sperberbeeren, Sperbeeren, Sperbirnen, Sporbirnen, Spuräpfel, Spierling, Speyerlinge, weil sie das Speyen oder Brechen stillen sollen, Schmerbirne, Sorbbirnen, Escheritze, der Baum selbst aber auch Sperbaum, Speerbaum, Sperbe, Speyerlingsbaum, Adelesche, Eschröslein u. s. f. genannt. Eine Abart davon, deren rundliche Frucht den Äpfeln gleicht, ist unter dem Nahmen des Sperapfels, Sporapfels, Sorbapfels bekannt. Da dieser Baum aus dem südlichen Europa nach Deutschland verpflanzet worden, so vermuthet Frisch, daß alle diese Nahmen aus dem Lat. Sorbus verunstaltet worden. Aber da man im Oberdeutschen das Bey- und Nebenwort sper, spär hat, welches herbe bedeutet, und diese Frucht, wenn sie nicht ihre völlige Reife erlangt hat, wirklich sehr herbe ist, so scheinet der Nahme aus diesem Worte gebildet zu seyn. Billig sollte also die Frucht Sperbeere und der Baum Sperbeerbaum oder Sperbaum geschrieben werden. In einigen Gegenden wird auch die Arlesstaude oder der Mehlbeerbaum so wohl Sperberbaum als Speyerlingsbaum genannt.


Sperberkraut (W3) [Adelung]


Das Sperberkraut, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche auf unsern dürren Wiesen wohnet, und wegen ihrer zusammen ziehenden Kraft wider die Blutflüsse und rothe Ruhr gebraucht wird; Sanguisorba officinalis Linn. Bluttröpflein, Wiesenknopf. Frisch vermuthet, daß auch hier Sorba in Sperber verwandelt worden. Es kann aber auch hier das Oberdeutsche sper, spär Statt finden.


Sperbern (W3) [Adelung]


Sperbern, verb. reg. act. von welchem aber nur das Mittelwort gesperbert üblich ist, an den Federn nach Art des Sperbers gesprenkelt, so wie man auf ähnliche Art getiegert sagt.


Spergel (W3) [Adelung]


Der Spergel, eine Pflanze, S. Spark.


Spergelbaum (W3) [Adelung]


Der Spergelbaum, des -es, plur. die -bäume, in einigen Gegenden ein Nahme des Faulbaumes; Rhamnus Frangula Linn. Spörgelbaum, dessen Beeren auch Spergel- oder Spörgelbeeren genannt werden. Vermuthlich als eine gleich bedeutendes Wort mit Faulbaum von dem veralteten Spark, Spork, Fäulniß, Unreinigkeit, S. 1. Sparen.


Spergelkraut (W3) [Adelung]


Das Spergelkraut, des -es, plur. inus. der Spergel oder Knöterich, S. Spark.


Sperling (W3) [Adelung]


Der Sperling, des -es, plur. die -e, eine sehr gemeine Art Sangvögel mit einem völlig kegelförmigen geraden und spitzigen Schnabel, dunkelgrauen Schwung- und Schwanzfedern, und grauen und schwarzen Körper, mit einem weißen Striche über den Flügeln; Fringilla domestica Linn. Passer Klein. S. Kornsperling, Haussperling, Baumsperling, Wiesensperling, Rohrsperling.

Anm. Der Nahme dieses Vogels ist seinen wesentlichen Theilen nach schon alt, obgleich die Endsylbe sehr verändert worden. Bey dem Ulphilas lautet er Sparwa, bey dem Notker, im Tatian u. s. f. Sparo, bey dem Hornegk Sperk, in einigen Oberdeutschen Gegenden noch jetzt Spork, Spörk, Spier, Spyr; im Schwed. Sparf, im Isländ. Spaur, im Dänischen und Norweg. Spurr, im Angels. Speare, Sparva, im Engl. Sparrow. Mit einem andern Endlaute heißt dieser Vogel im Oberdeutschen Spatz, welches mit dem Lat. Passer nahe verwandt ist. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Vogel den Nahmen von seinem Schwirren, Schirpen, oder Zwitschern hat, zumahl da Spirk in vielen gemeinen Mundarten das Zwitschern kleiner Vögel bezeichnet. Auch im Ital. ist sberlingare schwatzen. Frisch hält die Sylbe ling ohne Noth für das Zeichen eines Diminutivi; Sperling bedeutet ein schwirrendes oder zwitscherndes Subject. Übrigens wird dieser Vogel im Oberdeutschen auch Muschel, Mutschel, Holzmutschel, ( S. Meise) und im Nieders. Lüne, Lüning, Lünke genannt. Von dem Zeitworte sperren heißt in der Rothwälschen Diebessprache Sperrling, ein Knebel.


Sperr (W3) [Adelung]


* Sperr, -er, -ste, adj. et adv. welches aber nur in einige Oberdeutschen Gegenden üblich ist, wo es eigentlich gedrange, noch mehr aber im figürlichen Verstande, kümmerlich bedeutet, wofür im Hoch- und Niederdeutschen klemm üblich ist. Es gehet ihm sperr, kümmerlich. Es sind jetzt sperre Zeiten, klemme. Siehe Sperren.


Sperrbaum (W3) [Adelung]


Der Sperrbaum, des -es, plur. die -bäume, ein Baum, womit ein Ort oder die Öffnung zu demselben gesperret wird, dergleichen z. B. der Schlagbaum ist.


Sperre (W3) [Adelung]


Die Sperre, plur. die -n, von dem Zeitworte sperren. 1. Die Handlung des Sperrens in der zweyten Bedeutung des Zeitwortes, besonders in dessen figürlichen Bedeutung. Die Getreidsperre, die Hemmung der freyen Ausführe des Getreides. Im Oberdeutschen bedeutet es auch einen Arrest, welcher auf Sachen geleget wird. Die Sperre anlegen, aufheben, den Arrest. Im Niederdeutschen hingegen sagt man zu Sperre stehen, sich sträuben, sperren; die Haare stehen mir zu Sperre, wofür man im Hochdeutschen zu Berge sagt. 2. Ein Werkzeug zum Sperren, doch nur in einigen Zusammensetzungen. So ist z. B. die Radsperre, ein Werkzeug, das Rad am Wagen zu sperren oder zu hemmen.


Sperren (W3) [Adelung]


Sperren, verb. reg. act. welches in einer dreyfachen Hauptbedeutung üblich ist. 1. Mit Heftigkeit aus einander thun, weit und mit Heftigkeit öffnen. Die Füße von einander sperren. Das Maul sperren, weit öffnen, im Oberdeutschen, wofür man im Hochdeutschen aufsperren sagt, welches überhaupt in dieser Bedeutung am üblichsten ist. Die Tür aufsperren. Ingleichen in einigen figürlichen Bedeutungen. Die Zeilen sperren, sie von einander entfernen. Allzu sehr gesperrte Zeilen, welche zu weit von einander stehen. 2. Mit der herrschenden Bedeutung eines Riegels, eines steifen Werkzeuges und im weiterm Verstande, eines jeden Hindernisses, ist sperren. (1) eigentlich, mit einem Riegel oder ähnlichen Dinge verschießen. Die Thür zusperren, besonders im Oberdeutschen, sie zuriegeln, zuschließen, sie aufsperren, sie aufriegeln, aufschließen. Die Thore sperren, verschließen. ( S. Sperrgeld.) Im Hochdeutschen gebraucht man es am häufigsten in weiterm und figürlichstem Verstande, den freyen Zugang oder Durchgang zu oder durch einen Ort hemmen oder hindern. Die Stadt sperren, den Zu- oder Ausgang hindern. Einen Fluß sperren, die Überfahrt über denselben, ingleichen die Schifffahrt auf demselben durch ein Hinderniß hemmen. Die Gassen mit Ketten sperren. Einen Hafen sperren. Die Dardanellen sperren, die Fahrt in das Schwarze Meer. So auch einsperren, aussperren, versperren. (2) Die freye Bewegung eines Dinges durch ein Hinderniß hemmen. Ein Rad sperren. So auch im figürliche Verstande. Den Handel sperren. Ein gesperrtes Handwerk, welches nur auf Einen Ort allein eingeschränkt ist. In Oberdeutschen bedeutet es auch mit Arrest belegen. Die Erbschaft sperren. 3. Sich sperren, sich heftig widersetzen, wohl zunächst mit Anstämmung der Hände und Füße, dann aber auch für sich widersetzen überhaupt. Sperre dich wider ihre Bande nicht, Sir. 6, 26. Daß sich ein einiges Volk wider alle Welt sperrete, Stück. Esth. 1, 4. Ingleichen im gemeinen Leben, für sich weigern. Sperren sie sich nicht so. Sich sperren etwas zu thun. So auch das Sperren und die Sperrung.

Anm. In der ersten Bedeutung im Nieders. speren, von welchem das Hochdeutsche das Intensivum ist, im Schwed. sparra. Es scheinet, daß hier die Öffnung der herrschende Begriff ist, da es denn zu bar und baren in offenbaren, zu bersten, bohren, ingleichen zu dem Lat. varus und varicare gehören würde, wenn es anders nicht eigentlich vermittelst eines eingeklemmten Barrens weit öffnen und so geöffnet erhalten, bedeutet. Siehe auch Spreitzen und Sparre. In der zweyten Bedeutung, in welcher schon Ottfried sperran für verschließen gebraucht, gehöret es allem Ansehen nach zu Barre oder Barren, ein Riegel, Balken, daher auch im Französischen barrer, im Italiänischen barrare, sbarrare, verschließen, versperren, bedeuten, so wie das Angels. sparran, das Engl. to spar, das Schwed. spärra. ( S. Barre und Spiere.) Indessen scheinen auch sparan und wehren auf die Verwandtschaft Anspruch zu machen, von welchem letztern sich sperren, ein Intensivum zu seyn scheinet. Im Nieders. ist sparteln sich mit Händen und Füßen heftig bewegen.


Sperrgeld (W3) [Adelung]


Das Sperrgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches man für den Einlaß in ein bereits gesperrtes Thor entrichtet.


Sperrglas,Sperglas (W3) [Adelung]


Das Sperrglas, oder Sperglas, des -es, plur. inus. im gemeinen Leben einiger Gegenden, ein Nahme des Fraueneises, einer durchsichtigen Steinart, S. Sparkalk.


Sperrglocke (W3) [Adelung]


Die Sperrglocke, plur. die -n, diejenige Glocke, mit welcher in den Städten die Zeit angedeutet wird, wenn die Thore gesperret werden; die Thorglocke, in Aachen Pforzenglocke, vielleicht Pfortenglocke. Die Sperrglocke läuten.


Sperrhaken (W3) [Adelung]


Der Sperrhaken, des -s, plur. ut nom. sing. eigentlich, ein Haken, etwas damit zu sperren. So führet der Haken an der Hemmkette, vermittelst dessen das Rad gesperret wird, diesen Nahmen. Im Niedersächsischen ist es ein Haken, womit die Fenster aufgesperret werden. Von der jetzt veralteten Bedeutung des Zeitwortes sperren, da es so wie spannen auch für ausdehnen gebraucht wird, ist der Sperrhaken bey den Goldschmieden, Klempenern, Schlössern, u. s. f. ein Amboß mit zwey Haken, d. i. krummen spitzigen Armen, die Bleche rund oder eckig darauf zu richten, welcher auch das Sperrhorn, ingleichen der Hornamboß genannt wird.


Sperrholz (W3) [Adelung]


Das Sperrholz, des -es, plur. die -hölzer, bey den Fleischern, dasjenige Holz, womit die Hinterbeine eines ausgeschlachteten Ochsen aus einander gesperret werden, und worauf derselbe in die Höhe gewunden ist.


Sperrhorn (W3) [Adelung]


Das Sperrhorn, des -es, plur. die -hörner, S. Sperrhaken. Bey den Windenmachern ist es eine Art Amboß mit einem rundlichen und flachen Horne, welches sich im Kreise umdrehen lässet.


Sperrig,Sperricht (W3) [Adelung]


Sperrig, oder Sperricht, -er, -ste, adj. et adv. aus einander gesperret. Die Italiänische Pappel wächst nicht so sperrig als die gemeine, sondern pyramidenförmig.


Sperrkegel (W3) [Adelung]


Der Sperrkegel, des -s, plur. ut nom. sing. an vielen Maschinen, besonders Rädern, ein Kegel oder kegelartiger Theil, ein Rad zu sperren, d. i. dessen Bewegung zu unterbrechen oder zu hemmen. An den Uhren greift der Sperrkegel in die Zähne des Sperrrades ein, wenn man die Uhr aufgezogen hat, damit die Gewichte nicht wieder ablaufen können. Ähnliche Sperrkegel gibt es auch an andern Räderwerken.


Sperrkette (W3) [Adelung]


Die Sperrkette, plur. die -n, eine Kette, eine Öffnung damit zu versperren. So wird die Hafenkette, womit der Eingang eines Hafens gesperret wird, auch die Sperrkette genannt. Ingleichen eine Kette, ein Ding damit zu sperren, d. i. dessen Bewegung zu hemmen, von welcher Art die Hemmkette ist, die Bewegung eines Wagenrades damit zu hemmen.


Sperrleiste (W3) [Adelung]


Die Sperrleiste, plur. die -n, eine Leiste, d. i. gerades Holz, einen Körper damit aus einander zu sperren. An den Rüstwagen ist es dasjenige Holz, mit welchem die Wagenleitern in gleicher Weite von einander gehalten werden.


Sperrling (W3) [Adelung]


* Der Sperrling, des -es, plur. die -e, von sperren und der Ableitungssylbe ling, ein Ding, eine nur im Oberdeutschen üblich Benennung eines Knebels, weil derselbe auch zum Sperren gebraucht wird.


Sperrmaß (W3) [Adelung]


Das Sperrmaß, des -es, plur. die -e, bey den Bergleuten, eine kleine Stange oder ein Maßstab, die Länge der Zimmerhölzer in den Gruben damit zu bestimmen; vielleicht richtiger Spermaß oder Speermaß, von Speer, lange dünne Stange.


Sperrrad (W3) [Adelung]


Das Sperrrad, des -es, plur. die -räder, ein Rad, ein anderes Ding damit zu sperren, oder dessen Bewegung zu hemmen. Es hat Zähne, welche Sperrzähne heißen, in welche der Sperrkegel eingreift, das Rad und die damit verbundenen Theile zu hemmen. Dergleichen Sperrräder befinden sich in den Uhren, das Ablaufen aller Räder bey dem Aufziehen zu hindern, an den Weberstühlen, das Ablaufen des Garn- und Leinwandbaumes zu hintertreiben, u. s. f.


Sperrruthe (W3) [Adelung]


Die Sperrruthe, plur. die -n, bey den Webern, eine Ruthe, d. i. dünner Stab oder Schiene, das Gewebe damit auf dem Stuhle in die Breite ausgesperret zu halten; der Sperrstock, Sperrstab, der Spannstab, das Spannholz, bey den Damastwebern der Tempel.


Sperr-Ventil (W3) [Adelung]


Das Sperr-Ventil, des -es, plur. die -e, in den Orgeln, ein Ventil, den in den Kanal gelassenen Wind damit zu versperren.


Sperrweit (W3) [Adelung]


Sperrweit, adj. et adv. ausgesperrt weit, sehr weit, so weit als sich ein Ding nur aussperren lässet. Die Thür sperrweit aufmachen.


Sperrzahn (W3) [Adelung]


Der Sperrzahn, des -es, plur. die -zähne, die Zähne an einem Sperrrade.


Sperrzeit (W3) [Adelung]


Die Sperrzeit, plur. die -en, diejenige Zeit, da die Thore einer Stadt gewöhnlich gesperret werden.


Sperrzeug (W3) [Adelung]


Das Sperrzeug, des -es, plur. die -e, bey den Schlössern, ein Gebund stählerner Haken, Thürschlösser damit in Ermangelung des Schlüssels aufzusperren.


Speyarzeney (W3) [Adelung]


Die Speyarzeney, plur. die -en, in den Niedrigen Sprecharten, eine Arzeney zum Speyen oder Brechen, ein Brechmittel, Vomitiv.


Speybecken (W3) [Adelung]


Das Speybecken, des -s, plur. ut nom. sing. auch nur im gemeinen Leben, ein Becken, den Speichel oder Auswurf aus dem Munde hinein zu werfen; im Hochdeutschen das Spuckbecken, der Spucknapf, Spuckkasten, im Oberdeutschen das Spützbecken, der Spütznapf, der Spützkasten.


Speyen (W3) [Adelung]


Speyen, verb. irreg. Imperf. ist spie; Mittelw. gespien. Es wird mit der vierten Endung als ein Activum, ohne dieselbe aber auch als ein Neutrum gebraucht, in welchem Falle es das Hülfswort haben erfordert. Es bedeutet, mit Heftigkeit aus dem Munde und mit dem Munde auswerfen. 1. Eigentlich, wo es wegen der damit verbundenen und dem Wohlstande zuwider laufenden Heftigkeit nur im gemeinen Leben und in der niedrigen Sprecharten üblich ist. Der Hund frisset wieder, was er gespeit (gespien) hat, 2 Pet. 2, 22. Die Speisen wieder aus dem Munde speyen. Blut speyen, auswerfen, durch den Mund von sich geben. 2. In einigen engern Bedeutungen. (1) Den Speichel auswerfen, als ein Neutrum, aber auch nur im gemeinen Leben, außer wenn man die damit verbundene Heftigkeit vorsetzlich andeuten will. Jemanden in das Gesicht speyen, zum Zeichen der äußersten Verachtung. Wenn ihr Vater ihr ins Angesicht gespeyet (gespien) hätte, 4 Mos. 12, 14. Sie schonen nicht vor meinem Angesichte zu speyen, (auszuspeyen), Hiob. 30, 10. Von der gewöhnlichen Auswerfung des Speichels ist im gemeinen Leben der Hoch- und Niederdeutschen spucken, im Oberd. aber spützen und speicheln üblich. (2) Was im Magen befindlich ist, durch eine gewaltsame Zusammenziehung von sich geben. Galle speyen. Alles Essen wieder von sich speyen. Ingleichen ohne Accusativ als ein Reciprocum, sich speyen. Alles nur im gemeinen Leben, wofür in der noch niedrigen Sprechart kotzen, sich kotzen, im gemeinen Leben auch brechen, und sich brechen, in der anständigen Sprechart aber sich übergeben üblich sind. Die Härte des Wortes speyen zu verbergen, nennt man diese Handlung auch mit einer scherzhaften Zweydeutigkeit nach Speyer appelliren. 3. Figürlich, aus einer Öffnung als aus einem Munde mit Heftigkeit von sich geben. Der Berg speyet Feuer, wenn er brennende Mineralien mit Heftigkeit auswirft. Ein feuerspeyender Berg, welchen ungeschickte Übersetzer wohl mit einem Französischen Ausdrucke einen Vulkan zu nennen pflegen. Der blanke Vulkan klirrt, das Pflas=ter speyet Gluth, Zachar. Wasser ausspeyen. Feuer und Flamme speyen, einen heftigen Zorn ausbrechen lassen. Geld speyen müssen, in der niedrigen Sprechart, es wider Willen hergeben müssen. So auch das Speyen. Anm. Schon bey dem Ulphilas spiwan, bey dem Kero spian, bey dem Ottfried spiwan, spean, in einigen Oberdeutschen Gegenden spöwen, im Nieders. spijen, im Angels. spiwan, im Engl. to spew, spue, spawl, im Schwed. spy, im Isländ. spya, im Lat. spuere, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; alle, theils von der Auswerfung des Speichels, theils von dem Erbrechen. ( S. Speichel.) Mit einem andern Endlaute, welcher gewisser Maßen diminutiv ist, wenigstens die Heftigkeit des breitern speyen mildert, wird von der gewöhnlichen Auswerfung des flüssigen Speichels im Oberd. spützen gebraucht, Angels. spaetan, spaetlan, spittan, Lat. sputare, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, daher im Niedersächs. Spedel, der Speichel ist. Mit einem noch andern aber gleichfalls verkleinernden Endlaute ist dafür im Nieders. spucken üblich. Die reguläre Form, speyete, gespeyet, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.


Speyerbaum (W3) [Adelung]


Der Speyerbaum, des -es, plur. die -bäume, Siehe das folgende.


Speyerling (W3) [Adelung]


Der Speyerling, des -es, plur. die -e, in manchen Gegenden: 1. Die Arlesbeeren, Elsebeeren, oder zahmen Vogelbeeren, welche auch Eyerlinge, Arkirschen, Aressel, Darmbeeren u. s. f. genannt werden und die Frucht des Elsebeerbaumes, Crataegus torminalis Linn. sind, der daher auch Speyerlingsbaum, Speyerbaum genannt wird. 2. Die nahe verwandten Mehlbeeren, die Frucht des Mehlbeer- oder Speyerlingsbaumes, Crataegus Aria Linn. 3. Die Zahmen Sporbeeren, Sporbirnen oder Sporäpfel, welche auch Spierlinge, Speerbirnen genannt werden, und die Frucht des Sperberbaumes, Sorbus domestica Linn sind. Die erste und letzte Art Beeren soll den Nahmen von ihrer zusammenziehenden Kraft haben, indem sie das Speyen, so wie alle Blutflüsse stillen. Indessen stehet es dahin, ob nicht auch das Oberd. sper, herbe, mit in Betrachtung zu ziehen ist, oder ob nicht eine die andere Art wegen ihres ekelhaften süßen Geschmackes so benannt worden. S. Sperberbaum.


Speyfieber (W3) [Adelung]


Das Speyfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. im gemeinen Leben, eine Art des Fiebers, bey welchem der Kranke immer Speichel auswirft; Febris sputatoria.


Speygatt (W3) [Adelung]


* Das Speygatt, des -es, plur. die -e, ein eigentlich Niederdeutsches Wort. 1. An den Schiffen werden die Öffnungen, durch welche man hinaus siehet, mit diesem Nahmen belegt, wo es von spähen, sehen, herstammet, und daher billig Spähgatt lauten sollte. Gatt ist im Niederdeutschen ein Loch, eine Öffnung. 2. An den Holländischen Papiermühlen ist es eine Rinne, vermittelst welcher das Wasser aus den Kufen ab, und zur Mühle hinaus fließt; wo es, wenn es nicht eine Figur des vorigen ist, zu dem Zeitworte speyen zu gehören scheinet. S. Speyröhre.


Speykasten (W3) [Adelung]


Der Speykasten, des -s, plur. ut nom. sing. S. Speybecken.


Speyröhre (W3) [Adelung]


Die Speyröhre, plur. die -n, an den Dachrinnen. diejenige Röhre, welche das Wasser aus den Rinnen abführet und gleichsam ausspeyet.


Speyschlange (W3) [Adelung]


Die Speyschlange, S. Spritzschlange.


Speyvogel (W3) [Adelung]


Der Speyvogel, des -s, plur. die -vögel, in einigen Provinzen, ein Spöker; nicht von speyen, sondern von dem Nieders. speh, höhnisch. Eben daselbst sind Speyworte, höhnische Worte, Verspottung.


Speywurm (W3) [Adelung]


Der Speywurm, des -es, plur. die -würmer, S. Schaumwurm.


Spezerey (W3) [Adelung]


Die Spezerey, plur. doch nur von mehrern Arten, die -en, Gewürz und Gewürzen ähnliche Producte des Pflanzenreiches, auch wenn sie nur um ihres Geruches willen geschätzet werden. Specerey zur Salben und guten Rauchwerk, 2 Mos. 25, 6. Nimm zu dir die besten Specereyen, die edelsten Myrrhen- Cinnamet - Kalmes - Casien - und Öhle vom Öhlbaume, Kap. 30, 32 f. Die Königin vom Reich Arabia kam - mit Kamelen, die Specerey trugen, 1 Kön. 10, 2. Da nahmen sie den Leichnam Jesu und bunden ihn mit leinen Tücher mit Specereyen, Joh. 19, 40. Ihr edlen Mütter, opfert Specereyen, Die Maraba den Tempeln zollt, Raml.

Anm. Im mittlern Lat. Espiciae, Franz. Epices. Es ist aus dem Ital. Speciaria, welches wieder von dem Latein. Species herstammet. schon in den Digesten werden Cinnamomum, Piper longum u. s. f. Species genannt. ( S. Species.) Gemeiniglich schreibt man es Specerey; allein da dieses Wort am Ende eine völlig Deutschen Gestalt bekommen hat, so ist es billig, daß man ihm dieselbe auch in der Mitte gebe.


Spezereyhändler (W3) [Adelung]


Der Spezereyhändler, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher mit Spezereyen handelt; besonders wenn er im Großen damit handelt; der Gewürz-Händler, Material-Händler, Materialist, indem die Spezereyen eine Art der Material-Waaren sind. Handelt er damit im Kleinen, so wird er ein Spezereykrämer und noch häufiger Gewürzkrämer genannt.


Sphäre (W3) [Adelung]


Die Sphäre, plur. die -n, aus dem Griech. und Latein. Sphaera. 1. Eine Kugel, in welcher Bedeutung es doch in der höhern Schreibart am üblichsten ist, theils einen leuchtenden Himmelskörper mit den zu ihm gehörigen Planeten, theils auch das ganze Weltgebäude zu bezeichnen. Sagt, Sterbliche, den Sphären ihre Zahlen Und lehrt dem tollen Winde seinen Lauf, Raml. In der Astronomie wird auch das aus lauter Zirkeln zusammen gesetzte Instrument, sich das Weltgebäude daran vorzustellen, eine Sphäre genannt. 2. Ein Kreis, auch nur in einigen Fällen, besonders in figürlichen Verstande. in seiner Sphäre bleiben, in dem ihm gehören, seinen Fähigkeiten angemessenen Wirkungskreise. Das ist über deine Sphäre, über deine Fähigkeit.


Sphärisch (W3) [Adelung]


Sphärisch, adj. et adv. einer Sphäre oder Kugel ähnlich, ingleichen, aus Theilen einer Kugel bestehend. Ein sphärischer Winkel, welcher von zwey Zirkelbogen gebildet wird; der Kugelwinkel. Ein sphärischer Triangel, der von zwey Zirkelbogen eingeschlossen wird. Die sphärische Trigonometrie, welche sich mit sphärischen Triangeln beschäftiget.


Spiauter (W3) [Adelung]


Der Spiauter, des -s, plur. inus. im Bergbaue und gemeinen Leben: 1. Der Zink oder dasjenige fast bleyfärbige Halbmetall, welches, wenn es geschmolzen ist, an der freyen Luft mit einer blaugelblichen Farbe aufbrennet. 2. Ein aus Zinn und Messing vermischtes Metall.

Anm. Im Nieders. Spialter, im Holländ. Speauter, im Engl. Spelter. Das Wort ist allem Ansehen nach ausländisch. Im Engl. ist ohne Zischlaut Pewter, Zinn; aber das mittlere Lat. Pestrum und Peutreum, und die Franz. Peautre, Piautre, sind mit dem Deutschen Spiauter gleich bedeutend. S. 1 Speise.


Spic (W3) [Adelung]


Spic, Spicanarde, S. Spiek.


Spicken (W3) [Adelung]


Spicken, verb. reg. act. 1. eigentlich, länglich geschnittenen Speck durch die Oberfläche des Fleisches ziehen. Einen Braten spicken. Ein gespickter Braten. Der gespickte Hase, eine Art der Tortur, welche vermittelst eines mit zugespitzten Pflöcken beschlagenen Holzes zugefüget wird. 2. Figürlich sagt man im gemeinen Leben, sich mit etwas bespicken, reichlich versehen. Ein gespickter Beutel, der mit Gelde angefüllet ist. Die Wälle mit Kanonen spicken, reichlich besetzen. So auch das Spicken.

Anm. Es stammet wohl zunächst von Speck her, obgleich Frisch glaubt, daß auch Spick, Spitze, bicken u. s. f. mit in Betrachtung kommen könne, indem das Spicken in einem Durchstechen bestehe. Ein anderes Wort ist das Nieders. spicken, Schwed. spicka, räuchern, welches zu backen zu gehören scheinet, und von welchem ein geräucherter Häring im Niederd. ein Spickhäring, und eine geräucherte Gans eine Spickgans genannt wird. Ein anderes nur im gemeinen Leben der Oberdeutschen übliches spicken, welches für gucken gebraucht wird, ist ein Intensivum von spähen, sehen.


Spicknadel (W3) [Adelung]


Die Spicknadel, plur. die -n, in den Küchen, eine stählerne spitzige, an dem einen Ende aber hohle und offene Nadel, den länglich geschnittenen Speck damit durch die Oberfläche des Fleisches zu ziehen.


Spiegel (W3) [Adelung]


Der Spiegel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Spiegelchen, Oberd. Spiegellein, von dem Zeitworte spiegeln, so fern es ehedem so wohl active sehen, als auch ein Neutrum glänzen bedeutete. 1. Von der Bedeutung des Sehens, da es ehedem, (a) Überhaupt, ein jedes Werkzeug bedeutete, vermittelst dessen man siehet, oder wodurch man siehet. So wurde eine Brille, Lat. Conspicilla, ehedem ein Augenspiegel genannt. In einigen Oberdeutschen Gegenden heißt ein Fernglas noch jetzt ein Fernspiegel, und ein Vergrößerungsglas ein Vergrößerungsspiegel. Vermuthlich ist es eine Figur von dieser Bedeutung, wenn man noch im gemeinen leben einiger Gegenden eine schöne Person, einen Augenspiegel nennet, gleichsam einen Gegenstand, den man mit Luft ensiehet; eben daselbst wird auch ein liederliches Weibesbild Hurenspiegel genannt. (b) In engerer und gewöhnlichere Bedeutung ist der Spiegel eine glatte Fläche mit einem undurchsichtigen Grunde, welche die Strahlen so zurück wirft, daß man noch durch denselben das Bild eines Gegenstandes sehen kann, Lat. Speculum, besonders eine Fläche und ein mit einer solchen Fläche versehener Körper, dessen vornehmste Absicht diese Zurückwerfung der Lichtstrahlen ist. (1) Eigentlich. Ein platter, erhabener, hohler Spiegel oder Hohlspiegel. Ein konischer Spiegel, Kugelspiegel u. s. f. Ein Brennspiegel, ein solcher Spiegel, wenn er die zurück geworfenen Sonnenstrahlen zugleich in einen Punct vereiniget, damit zu brennen. Im gemeinen Leben verstehet man unter dem Spiegel schlechthin ein poliertes Glas mit einem dunkeln Grunde, seine Gestalt darin zu sehen, oder sich darin zu spiegeln. Vor den Spiegel treten. In den Spiegel sehen. Sich im Spiegel besehen. (2) Figürlich wird ein Ding, so fern es ein lebhafter Erkenntnißgrund eines andern Dinges ist, oft ein Spiegel desselben genannt. So heißt die Welt ein Spiegel der göttlichen Weisheit, ein Insect ein Spiegel der göttlichen Macht. In noch weiterm Verstande pflegte man ehedem eine jede deutliche Vorschrift des Verhaltens einen Spiegel zu nennen. Die alten Sammlungen des Schwäbischen und Sächsischen Rechtes, ingleichen der Lehenrechte, sind noch jetzt unter dem Nahmen des Schwabenspiegels, Sachsenspiegels und Lehenspiegels bekannt. Gewisse Andachtsbücher führen noch zuweilen die Nahmen Andachtsspiegel, Sündenspiegel, Gewissensspiegel, Lebensspiegel u. s. f. so fern sie Vorschriften enthalten, sich in der Andacht zu üben, sein Gewissen zu prüfen u. s. f. Auch ein Muster, ein Vorbild, wird zuweilen ein Spiegel genannt. Ein Spiegel der Geduld, der Tugend. 2. In weiterer Bedeutung und mit einem andern Stammbegriffe des Glänzens in der Spiegel oft eine jede glänzende Fläche. So heißen die ebenen glänzenden Flächen mancher Mineralien Spiegel, daher ein mit solchen Spiegeln versehenes Mineral gleichfalls Spiegel genannt wird, dahin der Eisenspiegel, Kupferspiegel, Schwefelkiesspiegel u. a. m. gehören. Die spiegelnden Flecken an manchen Vögeln und vierfüßigen Thieren sind unter den Nahmen der Spiegel bekannt genug. ( S. Spiegelschimmel, Spiegelmeise, Spiegelkarpfen, Spiegelänte u. s. f.) Der Pfau hat einen schönen Spiegel, wenn sein Schwanz mit schönen spiegelnden Flecken versehen ist, daher dieser Schwanz selbst auch wohl der Spiegel genannt wird. Der Spiegel einer Torte, bey den Zuckerbäckern, ein glänzender Überzug der Oberfläche, welcher aus Eiweiß und Zucker bestehet, und auch wohl der Guß genannt wird. ( S. Spiegeln.) Der Spiegel des Wassers, oder der Wasserspiegel, die Oberfläche des ruhigen Wassers. 3. In noch weiterm Verstande, so daß der Stammbegriff des Glänzens verschwindet, ist der Spiegel oft eine jede ebene Fläche. Bey den Tischlern wird die eingesetzte eben Fläche einer Thür u. s. f. oft einen Spiegel, noch häufiger aber eine Füllung genannt. Der Spiegel eines Gewölbes, ein ebenes Feld in dessen Mitte, ( S. Spiegelgewölbe.) Der Spiegel an einem Schiffe, dessen glattes ebenes Hintertheil, wo zugleich das Wapen oder Zeichen des Schiffes angebracht wird, ( S. Spiegelschiff.) In der Artillerie wird die hölzerne Scheibe, worauf die Haubitzgranate geküttet wird, der Spiegel genannt. Der Hebespiegel und Kammerspiegel sind eben daselbst zwey andere ähnliche hölzerne Scheiben, ( S. diese Wörter.) Bey den Jägern wird der Schwanz des Rehwildbretes, welcher aus einem Zopfe weißer Haare bestehet, so wohl der Spiegel als die Scheibe genannt, wo aber auch der Begriff des Spielens, der Bewegung, der herrschende seyn kann, indem der Schwanz daher bey andern Thieren auch das Spiel heißt. 4. In einigen Fällen führen auch gewisse Arten der Öffnungen den Nahmen der Spiegel. So sind die Maschen der Jagd- und Fischernetze, besonders die viereckten und rautenförmigen unter dem Nahmen der Spiegel bekannt, ( S. Spiegelgarn.) Bey einigen Jägern ist der Spiegel eine aufgestellte Schlinge. Auch die Wundärzte haben gewisse Werkzeuge, den Mund in der Mundklemme und den verschlossenen Muttermund bey einer todten Geburt zu öffnen, welche Mundspiegel und Mutterspiegel heißen, Latein. Dioptrae. Vielleicht wegen einer Ähnlichkeit mit einem Spiegel, oder in weiterm Verstande einer Masche und Schlinge, so fern man sich den eingeschlossenen offenen Raum als eine glatte ebene Fläche denkt, oder auch, so fern man dadurch spähen oder sehen kann.

Anm. In der gewöhnlichen Bedeutung eines Glases sich darin zu besehen, schon in dem alten Gedichte auf den heil. Anno, Spiegel, in der Monseeischen Glosse Spiegal; im Nieders. Speigel, Speiel, im Schwed. Spegel. Es kann seyn, daß es in dieser Bedeutung aus dem Latein. Speculum entlehnet worden, wenn es anders erweislich ist, daß wir dieses Werkzeug der Eitelkeit von den Italiänern bekommen haben. Allem das Wort selbst scheinet, wegen seines weiten Umfanges, der Bedeutung echt Deutsch zu seyn. Die Ableitungssylbe -el bedeutet ein Werkzeug, ein Ding; die erste Hälfte Spieg aber, verräth ein Intensivum von spähen, welches ehedem so wohl sehen, als glänzen bedeutete. Siehe dasselbe, ingleichen Spiegeln.


Spiegelänte (W3) [Adelung]


Die Spiegelänte, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der gemeinen wilden Änte, Anas sylvestris vera Klein. wegen des spiegelnden Glanzes der Federn.


Spiegelbecken (W3) [Adelung]


Das Spiegelbecken, des -s, plur. ut nom. sing. ein flaches Becken mit einem Spiegel, d. i. einer ebenen Fläche auf dem Boden, dergleichen Becken die Barbierer zum Zeichen ihrer Kunst auszuhängen pflegen.


Spiegelbraun (W3) [Adelung]


Spiegelbraun, adj. et adv. eine Art der braunen Farbe zu bezeichnen, welche den gläsernen Spiegel gleicht, und das Mittel zwischen schwarzbraun und kupferbraun zu seyn scheinet. Franz. bata miroir.


Spiegeldecke (W3) [Adelung]


Die Spiegeldecke, plur. die -n, die Decke eines Zimmers, welche mit einem einzigen Spiegel, d. i. einer ebenen Fläche, in der Mitte gezieret ist; zum Unterschiede von einer Felderdecke, welche mehrere eingefaßte Flächen hat.


Spiegeldruse (W3) [Adelung]


Die Spiegeldruse, plur. die -n, in der Mineralogie, eine Druse, welche mit Spiegeln, d. i. glatten, glänzenden Flächen, oder vielmehr viereckten Krystallen, versehen ist.


Spiegelerz (W3) [Adelung]


Das Spiegelerz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art Eisenerzes, welches aus glänzenden spiegelnden Flächen bestehet.


Spiegeleyer (W3) [Adelung]


Die Spiegeleyer, sing. inus. S. Spiegelkuchen.


Spiegelfechten (W3) [Adelung]


Das Spiegelfechten, des -s, plur. inus. ein Wort, welches vermuthlich ehedem ein Fechten zum Scherz oder zur Übung bezeichnete, jetzt aber nur noch im gemeinen Leben, von einer verstellten Handlung gebraucht wird, welche nur zum Scheine geschiehet, und welche auch wohl eine Spiegelfechterey heißt. Frisch erkläret es durch pugnationem ad ostentationem, weil Spiegler bey dem Pictorius Ostentator, ein Prahler ist. Allein in dem Begriffe dieses Wortes ist nichts von Prahlerey befindlich. Es scheinet daher entweder ein Fechten mit seinem Bilde im Spiegel zu bezeichnen, oder auch für Spielfechten, Spielgefecht zu stehen, indem spiegeln und spielen nahe verwandt sind. Das veraltete Zeitwort spiegelfechten gebraucht noch Luther. Was spiegelficht er dann mit erdichteten Worten?


Spiegelfenster (W3) [Adelung]


Das Spiegelfenster, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fenster, dessen Scheiben aus Spiegelglas sind. S. Spiegelscheibe.


Spiegel-Folie (W3) [Adelung]


Die Spiegel-Folie, plur. die -n, die Folie, oder das dünne Zinnblatt, womit die gläsernen Spiegel auf der andern Seite beleget werden, um ihnen einen dunklen Grund zu verschaffen. S. Folie.


Spiegelfutter (W3) [Adelung]


Das Spiegelfutter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Futter, oder Futteral, einen Spiegel darin zu verwahren.


Spiegelgarn (W3) [Adelung]


Das Spiegelgarn, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, eine Art Garne mit großen Maschen oder Spiegeln, welche Vierecke oder geschobene Rauten vorstellen, und im Stellen offen stehen; das Spiegelnetz. S. Spiegel 4.


Spiegelgewölbe (W3) [Adelung]


Das Spiegelgewölbe, des -s, plur. ut nom. sing. in der Baukunst, ein Gewölbe mit einem Spiegel in der Mitte, d. i. mit einer ebenen Fläche. In engerer Bedeutung, ein solches Gewölbe mit einem runden Spiegel; zum Unterschiede von einem Muldengewölbe, welches einen viereckigen Spiegel hat.


Spiegelglas (W3) [Adelung]


Das Spiegelglas, des -es, plur. die -gläser. 1. Das Glas eines gläsernen Spiegels. 2. Geschliffene Glasscheiben, so wie man sie zu den Spiegeln gebraucht, wo der Plural nur von mehrern Arten üblich ist. Chlar als ein Spiegelglas, bey dem Stryker.


Spiegelglatt (W3) [Adelung]


Spiegelglatt, adj. et adv. so glatt als ein Spiegel, sehr glatt.


Spiegelharz (W3) [Adelung]


Das Spiegelharz, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Geigenharzes oder Colophonii, weil es auf dem Bruche eine glänzende spiegelnde Fläche zeiget.


Spiegelhell (W3) [Adelung]


Spiegelhell, adj. et adv. so hell, als ein Spiegel, sehr hell.


Spiegelhütte (W3) [Adelung]


Die Spiegelhütte, plur. die -n, eine Glashütte, in welcher Spiegel verfertiget werden.


Spiegelicht,Spiegelig (W3) [Adelung]


Spiegelicht, oder Spiegelig, adj. et adv. einem Spiegel ähnlich, spiegelnd, in verschiedenen Bedeutungen des Hauptwortes. Spiegelichte oder spiegelige Erze, welche glatte Spiegel oder glänzende Oberflächen zeigen. Spiegelichter Eisenstein, Spiegelerz. Spiegelichte Netze oder Garne, deren Maschen Kanten oder Vierecke vorstellen.


Spiegelkarpfen (W3) [Adelung]


Der Spiegelkarpfen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Karpfen, mit großen goldgelben spiegelnden oder glänzenden Schuppen.


Spiegelkasten (W3) [Adelung]


Der Spiegelkasten, des -s, plur. ut nom. sing. ein optischer Kasten, worin durch angebrachte Spiegel eine Sache entweder vervielfältiget, oder vergrößert, oder entfernet vorgestellt wird; Camera catoptrica.


Spiegelkies (W3) [Adelung]


Der Spiegelkies, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, ein gelblicher auf einer oder der andern Seite spiegelartiger Kies; Pyrites specularis.


Spiegelkobalt (W3) [Adelung]


Der Spiegelkobalt, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art Kobaltes mit einer spiegelnden oder glänzenden Oberfläche, welcher auch Fliegenstein und Gifterz genannt wird.


Spiegelkuchen (W3) [Adelung]


Der Spiegelkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine im gemeinen Leben übliche Benennung der auf Butter geschlagenen Eyer, welche auch Spiegeleyer heißen, weil der Dotter einen spiegelnden Glanz bekommt.


Spiegelkunst (W3) [Adelung]


Die Spiegelkunst, plur. inus. 1. Die Kunst, Spiegel zum gemeinen Gebrauch zu verfertigen; in welcher Bedeutung es aber nicht gebraucht wird. 2. In der Mathematik ist es ein Theil der Opitz, welcher von den sichtbaren Dingen handelt, so fern sie durch Hülfe der Spiegel gesehen werden; die Katoptrik.


Spiegelmacher (W3) [Adelung]


Der Spiegelmacher, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher Spiegel auf den Kauf macht.


Spiegelmaß (W3) [Adelung]


Das Spiegelmaß, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, das vorgeschriebene Maß, nach welchem die Spiegel oder Maschen in den Netzen verfertiget werden.


Spiegelmeise (W3) [Adelung]


Die Spiegelmeise, plur. die -n, ein Nahme der Brand- oder Kohlmeise, weil sie von verschiedenen Farben spiegelt; Parus maior, Fringillago Klein.


Spiegelmühle (W3) [Adelung]


Die Spiegelmühle, plur. die -n, eine von dem Wasser getriebene Anstalt, wo die Spiegel geschliffen und poliret werden.


Spiegeln (W3) [Adelung]


Spiegeln, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, wegen seiner glatten und glänzenden Oberfläche die Lichtstrahlen auf eine merkliche und dem Scheine nach bewegliche Art zurück werfen, besonders wenn zugleich auch das Bild anderer Gegenstände auf dieser Oberfläche gesehen wird. Ein spiegelndes Glanz. Es spiegelt alles in diesem Haufe. Sie schminkte der spiegelnde Quell, Zachar. Auch von Spiegeln. Der Spiegel spiegelt dunkel, schief u. s. f. II. Als ein Activum. 1. Sein Bild in einer glatten, glänzenden Fläche darstellen, wo es doch nur als ein Reciprocum üblich ist. Der Baum am Ufer spiegelt sich in dem silberfarbenen Bache. Ingleichen figürlich. Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herren Klarheit, 2 Cor. 2, 18. Dieß Herz, welches sich in den reinsten und stillsten Augen spiegelt. Sonnenf. 2. In engerer Bedeutung, sein Bild in den zurück geworfenen Strahlen einer glatten Oberfläche betrachten; auch nur als ein Reciprocum. (1) Eigentlich. Sich in einem Bache spiegeln. Sich in einem Spiegel spiegeln, wofür man auch nur sich spiegeln schlechthin sagt. So glatt, daß man sich darin spiegeln könnte. (2) Figürlich: sich an jemanden oder an etwas spiegeln, es sich zur Warnung, ingleichen zum Muster der Nachahmung dienen lassen. (3) In den zusammen gesetzten vorspiegeln hat es noch eine andere Bedeutung, ( S. dasselbe.) 3. Einen Spiegel, d. i. eine glänzende Oberfläche geben, nur in einigen Fällen. So spiegeln die Zuckerbäcker eine Torte, wenn sie den Spiegel aus Zucker und Eiweiß auf dieselbe bringen. So auch das Spiegeln.

Anm. Im Nieders. spegeln. Bey dem Zeitworte spähen ist schon bemerket worden, daß dasselbe ehedem nicht allein sehen, sondern auch als ein Neutrum glänzen bedeutet hat. Hiervon stammet vermittelst der Ableitungssylbe -len, das Iterativum spähelen, spalen, spielen her, und noch jetzt wird spielen sehr häufig vor zurück geworfenen dem Scheine nach beweglichen Lichtstrahlen gebraucht; allerley Farben spielen. Durch Verdoppelung des mittlern Hauchlautes entstehet daraus das Intensivum spiegeln, und wirklich bezeichnet dieses einen stärkern Grad der Zurückwerfung der Lichtstrahlen, als spielen. ( S. dasselbe.) Dem Frisch zufolge bedeutete spiegeln ehedem auch prahlen, in welchem veralteten Verstande es aber ein Intensivum von dem alten spelan, reden, zu seyn scheinet. S. Spiel und Spielen.


Spiegelnetz (W3) [Adelung]


Das Spiegelnetz, des -es, plur. die -e, S. Spiegelgarn.


Spiegelrahmen (W3) [Adelung]


Der Spiegelrahmen, des -s, plur. ut nom. sing. der Nahmen, die Einfassung eines Spiegels.


Spiegelrochen (W3) [Adelung]


Der Spiegelrochen, des -s, plur. die -n, eine Art Rochen mit spiegelnden Flecken; Raja Miraletus L. Augenroche.


Spiegelscheibe (W3) [Adelung]


Die Spiegelscheibe, plur. die -n, eine Scheibe Spiegelglas.


Spiegelschiff (W3) [Adelung]


Das Spiegelschiff, des -es, plur. die -e, ein Schiff mit einem Spiegel, d. i. einem platten Hintertheile, zum Unterschiede von den Schmacken, Flütten, Gallioten und andern hinten rund gebaueten Schiffen.


Spiegelschimmel (W3) [Adelung]


Der Spiegelschimmel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Schimmel, dessen weiße Grundhaare mit schwarzen so vermischt sind, daß sie gleichsam spiegeln.


Spiegelspath (W3) [Adelung]


Der Spiegelspath, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art Spath, welcher aus glatten spiegelnden Blättern bestehet, und vermuthlich eben der durchsichtige blätterige Gypsspath ist, welcher auch Spiegelstein, Fraueneis, Selenit und schon bey dem Plinius Lapis specularis genannt wird.


Spiegelstein (W3) [Adelung]


Der Spiegelstein, des -es, plur. die -e, S. das vorige.


Spiegelzeug (W3) [Adelung]


Das Spiegelzeug, des -es, plur. die -e, in der Jägerey, das Zeug, d. i. die Netze, welche aus Spiegeln, d. i. viereckten und überhaupt weiten Maschen bestehen. S. Spiegelgarn.


Spiegelzimmer (W3) [Adelung]


Das Spiegelzimmer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Zimmer, dessen Wände von oben bis unten mit Spiegeln bekleidet sind; das Spiegelgemach.


Spieker (W3) [Adelung]


Der Spieker, des -s, plur. ut nom. sing. eine nur im Niederdeutschen übliche Benennung eines Nagels. Im Deichwesen heißen die großen Nägel und Spitzholzen, womit die Balken und Bohlen zusammen gefüget werden, Spieker. Noch häufiger gebraucht man es von kleinern Nägeln, welche denn durch einen Vorsatz näher bestimmt werden, dergleichen die Bretspieker, Lattenspieker, Schloßspieker, Pfennigsspieker u. s. f. sind.

Anm. Im Holländ. Spyker, Spieker, Spie, im Engl. Spike, Speek, im Schwed. Spik. Es hat den herrschenden Begriff der Spitze, ( S. Speiche.) Das gleichfalls Niederdeutsche Spieker, ein Speicher, gehöret nicht hierher, S. Speicher.


Spiel (W3) [Adelung]


1. Das Spiel, des -es, plur. die -e, ein Wort, welches nur in dem zusammen gesetzten Kirchspiel üblich ist, den zu einer Pfarrkirche gehörigen Bezirk mit den darin befindlichen Einwohnern zu bezeichnen; im Oberdeutschen die Kirchhöre, Kirchhörde, welche zu der Kirche gehören, Nieders. Kaspel. Gemeiniglich erkläret man es hier durch das folgende Spiel, Rede, diejenigen zu bezeichnen, welche in einer Kirche den Kanzelreden zuzuhören gehalten sind. Allein da diese Erklärung zu gezwungen und sprachwidrig ist, so scheinet Spiel in dieser Zusammensetzung vielmehr ein Gebieth, einen Bezirk zu bezeichnen, welche Bedeutung denn entweder eine Figur der Bewegung des folgenden Wortes seyn, oder auch mit Spiele, Spille, Pfahl u. s. f. verwandt seyn kann, eigentlich einen durch Pfähle seinen Gränzen nach bestimmten Raum zu bezeichnen. Im Bremischen ist Spal, Spall, noch jetzt ein gewisser Landesbezirk oder Landesmaß. S. das Bremisch-Nieders. Wörterbuch.


Spiel (W3) [Adelung]


2. Das Spiel, des -es, plur. die -e, Diminut. welches doch nur in einigen Bedeutungen üblich ist, das Spielchen, von dem Zeitworte spielen. 1. So fern dasselbe ein unmittelbarer Ausdruck eines gewissen Lautes ist, ist Spiel, (1) * eine Rede, ingleichen eine Geschichte; eine sehr alte Bedeutung, in welcher Spel, Spela nicht nur schon in den ältesten Deutschen Denkmahlen, sondern auch in allen mit der Deutschen verwandten Sprachen angetroffen wird. Bey dem Notker ist Spileuuorto, Schwatzhaftigkeit. Ottfried und andere gebrauchen Gotspel, häufig für Evangelium, als eine buchstäbliche Übersetzung dieses Griechischen Wortes, von got, gut, und Spel, Geschichte, Bothschaft, Erzählung. Doch in dieser Bedeutung ist es ganz veraltet, und nur noch in Beyspiel, Gegenspiel, Widerspiel üblich. (2) Der Klang, besonders die hervor gebrachten harmonischen Töne vermittelst eines musikalischen Instrumentes; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher Spil bey dem Ottfried die Musik ist. Man gebraucht es nur noch in einigen Fällen von gewissen musikalischen Instrumenten; z. B. das Glockenspiel. Bey den Soldaten wird die Trommel häufig nur das Spiel genannt. Der Tambour spannet sein Spiel zur Reveille. Das Spiel rühren, die Trommel. Mit klingendem Spiele und fliegenden Fahnen ausziehen. (3) Lärmen, Getöse, eine nur im gemeinen Leben einiger Gegenden übliche Bedeutung. Ein gräßliches Spiel anrichten, Lärmen. Im Niedersächsischen hat man davon das Intensivum Spalk, ein Lärmen, und spalken, lärmen, welches in Preußen scherzen bedeutet. 2. Von spielen, sich leicht bewegen, ist das Spiel, (1) Im weitesten Verstande, (a) Eigentlich, freye Bewegung und dann eine jede bestimmte Bewegung überhaupt; ohne Plural, außer von mehrern Arten. Das Spiel des Perpendikels einer Uhr, der Stampfer in einer Stampfmühle u. s. f. Das Spiel der Hände eines Schauspiel: s, die in seiner Kunst gegründete Bewegung der Hände, da denn auch wohl seine Geberden und Gestus überhaupt das Spiel genannt werden. Jeder Sinn hat seine eigene schickliche Materie, welche die Nerven in das erforderliche Spiel setzet. ( S. Spielraum.) Wenn bey den Jägern die Beize, oder die Jagd mit Falken das Federspiel genannt wird, so scheinet Spiel hier ein Jagen, eine heftige Bewegung zu bedeuten und mit dem Lat. pellere verwandt zu seyn. (b) Ein bewegliches, sich bewegendes Ding; eine nur in einigen Fällen übliche Bedeutung. Bey den Jägern wird der bewegliche Schwanz der Aglaster das Spiel genannt. Bey den Büchsenmachern ist das Spiel ein schmales bewegliches Stück Stahl in der Nuß, welches bey dem Abdrucken des Hahnes hindert, daß die Stange nicht in die Mittelrast fallen kann; wo aber auch der Begriff eines Bleches, vom Schwed. Spjäll, ein Blech, und dieß von spellen, spalten, ingleichen einer Spiele, oder Spille, Statt finden kann. Bey den Jägern werden auch die Federlappen das Federspiel oder das Spiel schlechthin genannt. Auch die zusammen gebundenen Federsittige bey der Falkenjagd, womit man den geworfenen Falken wieder an sich lockt, werden ohne Zweifel aus eben derselben Ursache das Spiel oder Federspiel genannt. Es scheinet, daß nach einer noch weitern Figur Spiel ehedem auch ein lebendiges, d. i. sich selbst bewegendes Geschöpf bedeutet habe. Denn das Federwildbrät wird noch jetzt bey den Jägern das Federspiel oder Federgespiel genannt, wohin denn auch Windspiel, d. i. Windhund, gehören würde. (2) In engerer und theils figürlicher Bedeutung ist das Spiel eine Bewegung und Beschäftigung, welche aus keiner andern Absicht als zum Zeitvertreibe oder zur Ergetzung des Gemüthes unternommen wird. (a) Im weitern Verstande, wo alle Beschäftigungen dieser Art Spiele genannt werden können. Indessen scheinet es, daß man jetzt nur noch diejenigen mit diesem Worte benenne, welche mit keinem eigenen Nahmen versehen sind; denn Spazieren gehen oder reiten, fechten, tanzen, jagen, u. s. f. werden jetzt nicht mehr Spiele genannt, obgleich die Ritterspiele noch unter diesem Nahmen bekannt sind. Das Schattenspiel, die Belustigung des Gemüthes vermittelst gewisser durch den Schatten hervorgebrachter Figuren. Ein Kind in seinem Spiele stören. Die Spiele eines Kindes leiten. Das Soldatenspiel, Gänsespiel u. s. f. In noch weiterm Verstande ist das Spiel, doch ohne Plural, noch zuweilen so viel als ein Scherz, in welcher Bedeutung es ehedem noch gangbarer war. Sein Spiel mit jemanden haben, seinen Scherz. Rechtschaffenheit, Gewissen, alles ist ihm nur ein Spiel. Sonnenf. (b) In engerer Bedeutung von besondern Arten solcher Beschäftigungen. aa) Gewisse durch Regeln bestimmte Ergetzlichkeiten dieser Art, besonders wenn sie darauf abzielen, einen Vorzug oder gesetzten Gewinnst von dem andern zu erlangen, wo das Wort wieder in verschiedenen Einschränkungen der Bedeutung gebraucht wird. 1. Oft bedeutet das Spiel, ohne Plural, oder das Spielen collective, alle Beschäftigungen dieser Art, besonders so fern sie auf die Erlangung eines Gewinnstes von dem andern abgesehen sind. Das Spiel für unerlaubt halten. Das Spiel hassen. Im Spiele glücklich seyn. Dem Spiele ergeben seyn. 2. Noch öfter werden darunter besondere durch ihre Regeln bestimmte Arten verstanden. Glücksspiele. Das Kartenspiel, Bretspiel, Schachspiel, Würfelspiel, Kegelspiel, Pfänderspiel, Hombre-Spiel, Picket-Spiel u. s. f. Ein Spiel spielen. 3. Ingleichen, den jedem Spiele Einer Art, die dazu gehörigen Handlungen bis zur Entscheidung des Vorzuges oder Gewinnstes. Zwey Spiele Billiard spielen. Ein Spielchen machen oder spielen, es sey nun in der Karte u. s. f. Geld auf das Spiel setzen. Es stehen zehn Thaler auf dem Spiele, es wird darum gespielet. Mein ganzes Glück stehet auf dem Spiele, figürlich, es kommt dabey auf mein ganzes Glück an. Ein Spiel gewinnen, verlieren. Das Spiel ist aus, ist zu Ende. Daher die figürlichen R. A. wo Spiel ein jedes Geschäft bedeutet. Die Hand mit im Spiele haben, bey einer Sache mit wirksam seyn. Gott hat die Hand im jeden Spiel, Bald gibt er wenig und bald viel, Can. Sich mit in das Spiel mengen, in eine Sache. Jemanden mit in das Spiel mischen. Lassen sie das unschuldige Schicksal aus dem Spiele, Less. 4. Der Zustand jedes Spielenden in Ansehung des Spieles. So sagt man z. B. in den Kartenspielen, man habe ein gutes, ein schlechtes Spiel, wenn man gute oder schlechte Karten hat. Jemanden sein Spiel verderben. 5. So viel Hülfsmittel oder Werkzeuge als zu einem Spiele jeder Art gehören. Ein Spiel Karten. Zwey Spiele Kegel. Drey Spiele Würfel. bb) Die nach gewissen Regeln eingerichtete Nachahmung menschlicher Handlungen, so fern sie zur Belustigung anderer dienet. Im Oberdeutschen sagt man daher noch, in das Spiel gehen; allein im Hochdeutschen ist es für sich allein veraltet. Desto gangbarer ist es hingegen in den Zusammensetzungen Schauspiel, Trauerspiel, Lustspiel, Vorspiel, Nachspiel, Zwischenspiel, Possenspiel, Singespiel, Schäferspiel u. s. f.

Anm. Im Nieders. Spell. S. Spielen.


Spielart (W3) [Adelung]


Die Spielart, plur. die -en. 1. Die Art und Weise, wie man spielet, in verschiedenen Bedeutungen des Zeitwortes. Die Spielart eines Virtuosen. 2. In der Naturgeschichte ist die Spielart, ein natürlicher Körper, welcher sich nur durch zufällige Abweichungen von den übrigen Körpern seiner Art unterscheidet z. B. durch die Farbe der Blume, ihre gefüllte Beschaffenheit, u. s. f. weil die Natur in ihrer Hervorbringung gleichsam spielet.


Spielbret (W3) [Adelung]


Das Spielbret, des -es, plur. die -er, ein Bret, so fern es dazu dienet, gewisse Spiele, z. B. Würfel, Dame, Schach u. s. f. darauf zu spielen.


Spieldocke (W3) [Adelung]


Die Spieldocke, plur. die -n, eine Decke oder Puppe damit zu spielen; die Spielpuppe.


Spiele (W3) [Adelung]


Die Spiele, plur. die -n, ein in manchen Fällen des gemeinen Lebens für Spille übliches Wort, einen zugespitzten Körper, besonders ein zugespitztes Holz zu bezeichnen. Die Spielen in einem Bienenstocke. Bey den Jägern werden die Lappreiser, oder die kleinen dünnen mit Haken versehenen Stangen, womit die Lappen gestellet werden, gleichfalls Spielen genannt. Die zarten Kiele der Federn an dem Geflügel, so lange sie noch in der Haut sitzen, heißen im Niedersächsischen, wo dieses Wort überhaupt einheimisch zu seyn scheinet, Spielen. S. Spille.


Spielen (W3) [Adelung]


Spielen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt. Es ist so wie alle Zeitwörter, eigentlich eine Onomatopöie, welche so wohl den Laut der Stimme, als auch den mit gewissen leichten Bewegungen verbundenen Laut nachahmet, und hernach, nach einer sehr gewöhnlichen Figur, diese und andere ähnliche Bewegungen selbst ausdrückt. 1) Als ein unmittelbarer Ausdruck eines gewissen Lautes, wo es mit bellen verwandt ist. (1) * Von der menschlichen Stimme, für reden, sprechen; eine jetzt veraltete Bedeutung, wohin das Angels. spellan und Isländ. spialla, erzählen, das Engl. to spell, buchstabieren, und ohne Zischlaut auch das Lat. pellare, in appellare; compellare und interpellare gehören. (2) Von dem harmonischen Laute so wohl der menschlichen Stimme, als auch musikalischer Werkzeuge. Von der menschlichen Stimme ist es gleichfalls veraltet, doch scheinet das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, singen, mit dieser Bedeutung verwandt zu seyn. Jetzt bedeutet es nur noch harmonische Klänge auf einem musikalischen Instrumente hervor bringen. Auf der Violine, auf der Orgel, auf dem Flügel, auf dem Claviere u. s. f. spielen, wo es doch nur von gewissen sanft klingenden Instrumenten gebraucht wird, denn von Trompeten, Posaunen, Pauken, Trommeln und andern stark klingenden Werkzeugen gebraucht man dieses Zeitwort nicht gern; woraus bey nahe zu erhellen scheinet, daß spielen in dieser Bedeutung zunächst nicht so wohl den Klang, als vielmehr die leichte schnelle Bewegung der Finger oder Hände ausdruckt, da es denn zur folgenden Bedeutung gehören würde. Wenn das musikalische Instrument in der vierten Endung mit diesem Zeitworte verbunden wird, die Laute, die Violine, die Flöte, das Clavier u. s. f. spielen, so bedeutet solches nicht allein, gegenwärtig harmonische Laute auf diesen Instrumenten hervor bringen, sondern auch überhaupt, Fertigkeit besitzen, auf diesen Instrumenten harmonische Klänge hervor zu bringen. Gut, schlecht, vortrefflich spielen. Ein Lied, eine Menuet u. s. f. spielen. Eine Spieluhr spielen lassen. (3) * Lärmen, ein Getöse machen, eine veraltete Bedeutung, von welcher in einigen gemeinen Mundarten noch das Zeitwort spalken übrig ist, welches lärmen, rasen, in Preußen aber scherzen bedeutet. 2. Als eine Nachahmung des mit gewissen Bewegungen verbundenen Lautes, da es denn diese Bewegungen selbst bezeichnet. (1) Von gewissen heftigen Bewegungen, da es mit fallen, wälzen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, pellere u. s. f. verwandt ist. Io spilota in theru muater, und hüpfte in der Mutter Leibe, Ottfr. Es ist in dieser Bedeutung nur noch in einigen Fällen üblich. So sagt man, eine Mine spielen lassen, für springen. Mit Mörsern auf eine Festung spielen, für schießen. Ein Gang, unter welchem die Sturmböcke gegen die Mauer spielten. (2) Von gewissen leichten und freyen Bewegungen, deren eigentlicher Ausdruck dieses Zeitwort zu seyn scheinet. Die Lat. Veles, velox; volare u. s. f. sind damit verwandt. (a) Eigentlich. Das Pferd spielt mit der Zunge, mit dem Gebisse, wenn es dieselben häufig und frey beweget. Die Fahne spielen lassen, fliegen. Sanft spielt ein leichter Wind auf dem vergoldeten Teich, Willam. Der Henker spielet ein gutes Rad, wenn er es leicht und geschickt zu führen weiß. In der Mechanik wird dieses Zeitwort sehr häufig von der freyen ungehinderten Bewegung eines Körpers in einem bestimmten Raume gebraucht. Die Zapfen des Rades oder der Wellespielen in ihrer Pfanne, wenn sie sich frey in derselben herum drehen. Das Riedblatt muß in der Lade des Webers spielen (beweglich seyn), weil es sonst zerbricht. Dahin gehören allem Ansehen nach auch die figürlichen Ausdrücke. Jemanden etwas in die Hand, aus der Hand spielen, es ihm auf eine behende, unmerkliche Art in die Hand, aus der Hand bringen. Eine Sache ins Weite spielen, sie zu verlängern suchen. Er sucht es dahin zu spielen, daß u. s. f. es dahin zu bringen. Einen frommen Betrug, jemanden eine List, einen Possen, einen bösen Streich spielen. Bankerott spielen, machen. Wenn er bankrott gespielet, so wird mein Gut noch wahren, Opitz. Wo es doch in einigen Fällen auch eine Figur der folgenden Bedeutung seyn kann. (b) In engerer Bedeutung ist spielen, eine Bewegung, und in weiterm Verstande eine Beschäftigung zum Zeitvertreib oder zur Ergetzung vornehmen. aa) Überhaupt, wo es doch, so wie Spiel, nur von solchen Beschäftigungen dieser Art üblich ist, welche keinen eigenen und besondern Nahmen haben. Mit den Fingern, mit einem Papiere, mit einem Stäbchen spielen, mit einem jungen Hunde spielen. Kannst du mit dem Leviathan spielen, wie mit einem Vogel? Hiob 40, 24. Die wilden Thiere spielen, V. 15. Das Kind spielt mit der Puppe. Aus der Tasche spielen, wunderbar scheinende Veränderungen durch die Geschwindigkeit der Bewegung und vermittelst einer Tasche hervor bringen. ( S. Taschenspieler.) Mit jemanden unter dem Hütlein, unter dem Mäntellein spielen, figürlich, in einer bösen Sache mit ihm einverstanden seyn, eine von einer ehemahligen Art betrüglicher Taschenspiele hergenommene Figur. Im gemeinen Leben wird es auch noch häufig für scherzen, gebraucht, daher sagt man auch figürlich, mit der Religion, mit einem Eide, mit der Tugend spielen, sie als bloß zur Belustigung erfundene Dinge behandeln. Nach einer andern Figur, wo der Begriff der Belustigung verschwindet, und dagegen der Begriff der Mannigfaltigkeit merklich hervor sticht, sagt man, die Naturspiele, wenn sie zufällige Veränderungen unter den Geschöpfen hervor bringet, ( S. Spielart und Naturspiel.) Das Glück spielet oft wunderlich, wenn es mannigfaltige Veränderungen hervor bringet. Die Weisheit Gottes spielet auf dem Erdboden, durch die Mannigfaltigkeit ihrer Werke und Veranstaltungen. bb) Besonders von einigen einzelnen Arten solcher bloß auf die Zeitverkürzung oder die Ergetzung abzielender Handlungen. 1. Gewisse durch Regeln bestimmte Handlungen dieser Art vornehmen, um von einem andern einen gewissen Vorzug oder Gewinnst zu erlangen. Der Nahme des Spieles stehet allemahl in der vierten Endung. Ein leichtes Spiel spielen. Zwey Spiele spielen. L'Hombre, Picket, Schach, Billiard u. s. f. spielen. Im Oberdeutschen auch wohl in der zweyten. Versteckens spielen, der blinden Kuh spielen. Das Werkzeug oder Hülfsmittel des Spielens erhält oft das Vorwort in. In der Karte, im Brete spielen. Seltener das Vorwort mit, mit Würfeln spielen, wofür man doch lieber würfeln sagt. Zuweilen stehet es auch in der vierten Endung. Regel spielen, Ball spielen. Um Geld, um Pfänder spielen. Sehr hoch spielen, um vieles Geld. Falsch spielen, ehrlich spielen. Sich arm, sich reich spielen. In engerer Bedeutung ist in manchen, besonders einigen Kartenspielen, spielen dem passen entgegen gesetzet. Ich spiele nicht, sondern passe. 2. Menschliche Handlungen nach gewissen Regeln zur Belustigung anderer nachahmen. (1) Eine Komödie, eine Tragödie spielen. Heute wird nicht gespielet. Der Acteur ist krank, und kann nicht spielen oder mitspielen. Seine Rolle gut, schlecht spielen, auch figürlich von der Art und Weise des Betragens in einem übernommenen Geschäfte. In engerer Bedeu- tung ist jemanden spielen, ihn in einem Schauspiele lächerlich machen. Schon Notker nennt das Schauspielhaus Spilehus. (2) Figürlich, wo es für vorstellen, seyn wollen, und zuweilen für wirklich seyn gebraucht wird. Den Herren spielen, einen Herren vorstellen, sich in seinem äußern Betragen, wie ein Herr geberden. Kaum aus dem Flügelkleide spielt sie schon stolz die Dame, Zachar. Ich glaube, du spielst den Freygeist, Less. Es ist eine verwirrte Sache, bey der ich eine sehr ungewisse Person spiele, Gellert. (3) Figürlich wird spielen auch häufig von glänzenden Körpern gebraucht, wenn sie die Lichtstrahlen auf eine dem Anblicke nach bewegliche Art zurück werfen. Geschiehet dieses Zurückwerfen in einem hohen Grade, so daß zugleich das Bild der umstehenden Gegenstände mit vorgestellet wird, so wird solches durch das intensive spiegeln ausgedruckt. Dein spiluder augen glast, der von Gliers. Der Demant spielet schön. Ein spielender Glanz. Besonders wenn die zurück geworfenen Lichtstrahlen mehrere Farben zeigen. Des Körpers seidner Anzug spielt Bunt, wie ein Taubenhälschen, Weiße. Wie spielt die schöne Blase nicht So bunt am goldnen Sonnenlicht! eben ders. In welchem Verstande es denn auch wohl von Körpern gebraucht wird, welche eben keine glänzende Oberfläche haben. Die Farbe spielt ein wenig in das Gelbliche. Das Niedersächsische spelder nij, völlig neu, gehöret vermuthlich auch hierher, so daß es mit dem Hochdeutschen funkel neu gleich bedeutend ist. So auch das Spielen, denn das Hauptwort die Spielung ist nicht üblich.

Anm. Im Nieders. spelen, im Schwed. spela. Daß die Onomatopöie des Lautes hier die erste und eigentlichste Bedeutung ist, erhellet unter andern auch das andern Sprachen. So ist z. B. das Lat. ludere mit unserm Laut und lauten verwandt, und wird in allen Bedeutungen unsers Spielens gebraucht, außer in der letzten des Glanzes nicht. In dieser ist indessen die Figur sehr begreiflich, indem eine spielende Oberfläche die Lichtstrahlen wirklich auf eine bewegliche Art zurück wirft. In dem Oberd. kostspielig, kostbar, viele Kosten verursachend, gehöret die letzte Hälfte nicht hierher, sondern zu spielen, jetzt spillen, verspillen, verschwenden.


Spieler (W3) [Adelung]


Der Spieler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Spielerinn, eine spielende Person, in allen Bedeutungen des Zeitwortes, außer in der letzten des Glanzes. Die auf musikalischen Instrumenten spielende Personen heißen Spieler; im gemeinen Leben und von geringen Personen Spielleute, Musikanten. Der Schauspieler, Bretspieler, Taschenspieler u. s. f. In einem Kartenspiele u. s. f. ist in engerer Bedeutung der Spieler demjenigen entgegen gesetzt, welcher paßt. Nach einer andern Einschränkung ist der Spieler derjenige, welcher aus dem Spielen um Geld sein vornehmstes Geschäft macht, bey welchem das Spielen zur Leidenschaft geworden ist.


Spielerey (W3) [Adelung]


Die Spielerey, plur. die -en, nur in dem ersten Falle der zweyten Hauptbedeutung des Zeitwortes, eine bloß zur Belustigung oder zum Zeitvertreibe vorgenommene Handlung, ingleichen ein bloß aus dieser Ursache hervorgebrachtes Werk; ein Spielwerk.


Spielgeld (W3) [Adelung]


Das Spielgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er. Geld, um welches man spielet, welches im Spiele gewonnen worden, zum Spiele bestimmt ist. 2. In einigen Gegenden bedeutet es auch dasjenige Geld, welches den Töch- tern bey ihrer Ausstattung außer dem Heirathsgute und der Ausstattung mitgegeben wird, um es zum Spiele oder andern kleinen Bedürfnissen anzuwenden.


Spielgesell (W3) [Adelung]


Der Spielgesell, des -en, plur. die -en, ein größten Theils veraltetes Wort, eigentlich denjenigen von gleichem Alter zu bezeichnen, mit welchem man spielet, den Gespielen, in weiterer Bedeutung aber auch einen jeden Kamerad.


Spielgraf (W3) [Adelung]


Der Spielgraf, S. Erbspielgraf.


Spielhahn (W3) [Adelung]


Der Spielhahn, des -es, plur. die -hähne, ein Nahme des Birkhahnes oder Laubhahnes, Tetrao tetrix L. dessen Weibchen das Spielhuhn genannt wird. Etwa von seiner Stimme? oder von der Beweglichkeit seines Schwanzes? oder auch von seinen spielenden schwarzen Federn? In einigen Gegenden auch Spillhahn.


Spielhaus (W3) [Adelung]


Das Spielhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, in welchem gespielet wird. So nennet Notker das Schauspielhaus Spilehus. Am üblichsten ist es jetzt von einem Haufe, welches dazu bestimmt ist, zur Erlangung des Vorzuges oder eines Gewinnstes in demselben zu spielen, oder wo häufig in dieser Absicht gespielet wird.


Spielkarte (W3) [Adelung]


Die Spielkarte, plur. die -n, Karten, d. i. gemahlte Blätter, zum Spielen, zum Unterschiede von der Landkarte u. s. f. Oft wird es auch im Singular collective gebraucht, mehrere zu einem Spiele gehörige Karten zu bezeichnen, ein Spiel Karten.


Spielleuchter (W3) [Adelung]


Der Spielleuchter, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art kleiner Leuchter, welche auf den Spieltischen gebraucht werden, damit sie nicht vielen Platz einnehmen.


Spielleute (W3) [Adelung]


Die Spielleute, sing. inus. S. Spielmann.


Spielmagen (W3) [Adelung]


Der Spielmagen, S. Spillmagen.


Spielmann (W3) [Adelung]


Der Spielmann, des -es, plur. die -männer, und -leute, eine Person männlichen Geschlechtes, welche spielet, wo es im gemeinen Leben in verschiedenen Bedeutungen üblich. 1. Ein Musikant, d. i. derjenige, welcher ein Handwerk daraus macht, andern zur Luft aufzuspielen, heißt ein Spielmann, und im Plural Spielleute; welchen Nahmen auch die Musikanten bey den Regimentern bekommen. Bringe mir einen Spielmann, 2 Kön. 3, 15. Die Spielleute gehen den Sängern nach, Pf. 63, 16. Für Instrumentisten besserer Art ist es, so wie das gleich bedeutende Musikant, zu niedrig, indem man solche lieber Musicos, und, wenn sie es verdienen, Virtuosen nennet. 2. Ein Schauspieler heißt noch hin und wieder im gemeinen Leben gleichfalls ein Spielmann, schon im Schwabens. Spilman und im Plural Spillüte. Der Plural Spielleute kann in beyden Fällen auch von Personen beyderley Geschlechtes gebraucht werden.


Spielraum (W3) [Adelung]


Der Spielraum, des -es, plur. die -räume, in der Mechanik, derjenige Raum, in welchem sich ein Körper frey und ungehindert beweget; in einigen Fällen auch die Flucht. Der Perpendikel einer Uhr muß in dem Uhrgehäuse den gehörigen Spielraum haben. Eine Thür hat zu viel Spielraum, wenn man am Rande durchsehen kann. Der Spielraum in einer Destillier-Blase, der leere zum Aufsteigen der Dünste nöthige Raum. In der Artillerie ist es der Raum zwischen der Mündung des Stückes und dem großen Zirkel der Kugel, die daraus geschossen wird, und wird daselbst auch der Windraum, Luftraum, die Spielung, das Windspiel genannt. Die Bombe hat in dem Mörser zu viel Spielraum, wenn sie nicht die gehörige Größe hat. Nieders. Speelraum, von spielen, sich frey bewegen.


Spielsache (W3) [Adelung]


Die Spielsache, plur. die -n, Sachen, d. i. Geräth, damit zu spielen, doch nur in dem ersten Falle der zweyten Hauptbedeutung. Spielsachen der Kinder, welche man auch collective das Spielzeug nennet.


Spielstunde (W3) [Adelung]


Die Spielstunde, plur. die -n, eine von denjenigen Stunden welche zum Spielen angewendet wird, zum Spielen bestimmt ist.


Spielteller (W3) [Adelung]


Der Spielteller, des -s, plur. ut nom. sing. von spielen, so fern es um Gewinnstes willen geschiehet, ein Teller, das Geld oder die Marken bey dem Spielen darauf zu legen.


Spieltisch (W3) [Adelung]


Der Spieltisch, des -es, plur. die -e, in eben dieser Bedeutung, ein besonderer Tisch, allerley Spiele, besonders Kartenspiele darauf zu spielen.


Spieluhr (W3) [Adelung]


Die Spieluhr, plur. die -n, eine Uhr, welche vermittelst einer Walze musikalische Stücke spielet.


Spielwerk (W3) [Adelung]


Das Spielwerk, des -es, plur. die -e, ein Werk, welches im Spielen oder durch Spielen hervor gebracht worden, in dem ersten Falle der zweyten Hauptbedeutung des Zeitwortes. Zuweilen und zwar collective und ohne Plural wird es auch für Spielsachen, Spielzeug gebraucht, so wie es im Niedersächsischen auch die Musik bedeutet.


Spielzeug (W3) [Adelung]


Das Spielzeug, des -es, plur. inus. ein Collectivum, Siehe Spielsache.


Spier (W3) [Adelung]


Das Spier, des -es, plur. die -e, Diminut. Spierchen, Oberd. Spierlein, ein nur in den gemeinen Mundarten, besonders Niederdeutschlandes, übliches Wort, eine jede kleine und zarte Spitze, besonders an den Grasarten zu bezeichnen, Engl. Spire, Schwed. Spira; daher es denn daselbst auch figürlich von etwas sehr Wenigem gebraucht wird. Nicht ein Spier, nicht das mindeste. Ein Spierchen Brot, ein wenig. Es ist mit Speer genau verwandt, S. dasselbe.


Spiere (W3) [Adelung]


Die Spiere, plur. die -n, ein nur in der Schifffahrt, besonders Niederdeutschlandes, übliches Wort, Enden von Mastbäumen zu bezeichnen, welche vorn und hinten an ein Schiff befestiget werden, den Brander davon abzuhalten. In einem andern Verstande sind die Spieren eben daselbst kleine Stangen, welche vermittelst eiserner Ringe an die Segelstangen des großen und Vordermastes befestiget werden, um die Beysegel bey schwachem Winde an selbige anzumachen. Gleichfalls als ein Verwandter des vorigen, so daß sich zugleich der Begriff der Länge mit einschleicht.


Spiering (W3) [Adelung]


Der Spiering, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme des Stintes, Salmo Eperlanus Linn. Spierling; vermuthlich auch wegen seines kleinen zarten Körpers. In andern Gegenden wird die Sardelle, Spiering und Spierling genannt.


Spierschwalbe (W3) [Adelung]


Die Spierschwalbe, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der großen Schwalbe mit kurzen Füßen, welche an Kirchen und alten Gemäuern nistet, und daher auch Kirchschwalbe, Mauerschwalbe und Steinschwalbe genannt wird. In einigen Gegenden nur Spiere, Speir, Holländ. Spyre. Vielleicht so wie Sperling, wofür ehedem auch nur Spar üblich war, wegen der zwitschernden Stimme, zumahl da ihr Nahme nur in einigen Gegenden wirklich Spirkschwalbe lautet, von spirken, zwitschern. ( S. Sperling.) Dem Frisch zu Folge heißt auch die kleine Mewe in einigen Gegenden Spiere, vielleicht aus einer ähnlichen Ursache, so daß Spier, Spar u. s. f. ehedem ein Nahme aller kleinen zwitschernden Vögel gewesen zu seyn scheinet.


Spieß (W3) [Adelung]


Der Spieß, des -es, plur. die -e, Diminut. das Spießchen, Oberd. Spießlein, ein jeder langer dünner mit einer Spitze versehener Körper, besonders so fern er bestimmt ist, etwas damit zu stechen. 1. Im weitesten Verstande, in welchem es doch nur in einigen einzelnen Fällen üblich ist. Ein Splitter heißt im gemeinen Leben vieler Gegenden noch ein Spieß. In der Haushal- tung ist ein Spieß, eine kleine dünne spitzige Stange von Eisen oder Holz, die gerupften Lerchen daran zu stecken und zu braten; ein Lerchenspieß. Ein Spieß Lerchen, so viel als man zusammen auf einen solchen Spieß zu stecken pflegt. Der Bratspieß, ist ein ähnlicher aber größerer Spieß. Der Lichtspieß, lange dünne zugespitzte Stäbe, die Dochte zu den Lichten im Lichtziehen darauf zu reihen. Bey den Jägern werden sie ersten Stangen des Hirsches ohne Enden, und bey einigen auch die Geweihe des Rehbockes Spieße genannt. ( S. Spießbock, Spießer.) 2. In engerer Bedeutung, eine Art eines Gewehres, welches aus einer scharfen Spitze an einem langen Scharfe bestehet, und ehedem bey den Soldaten sehr üblich war, nach Beschaffenheit der Umstände aber auch Speer, Lanze, Hellebarde und so ferner genannt wurde. Die heutigen Kurzgewehre oder Spontons der Unter- und Ober-Officiers des Fußvölker sind noch ein Überbleibsel davon. ( S. auch Bothenspieß, Judenspieß, Knebelspieß, Wurfspieß u. s. f.) Er läuft noch mit dem ersten Spieß sagt man von einem jungen Menschen, der aus Mangel der Erfahrung noch unbedachtsam oder unbesonnen handelt, entweder als eine Anspielung auf die Spieße, d. i. das erste Geweih, eines jungen Hirsches, oder auch von Spieß, so fern es im verächtlichen Verstande von einem langen Degen gebraucht wird, die Unbesonnenheit eines noch nicht lange mit dem Degen wehrhaft gemachten Jünglinges zu bezeichnen. Figürlich ist bey den Buchdruckern der Spieß ein fehlerhafter Abdruck eines gegossenen Spatii, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt.

Anm. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Spiz, im Schwed. Spesse, im Nieders. mit der gewöhnlichen Vertauschung des s und t, Speet, Spitt, im Schwed. Spett, Spets, Spiut, im Isländ. Spiot, im Engl. Spit. Im Ital. ist Spiedo, ein Bratspieß. Es kann seine Verwandtschaft mit Spitze, Spaten und allen ähnlichen Wörtern nicht verläugnen. S. Speer und Spitze.


Spießänte (W3) [Adelung]


Die Spießänte, plur. die -n, eine Art wilder Änten mit einem feuerrothen Kopfe, und einem spitzigen Schwanze, welchen doch nur das Männchen hat; Anas fera 12 oder Cauda acuta Klein. Spitzschwanz.


Spießbaum (W3) [Adelung]


Der Spießbaum, des -es, plur. die -bäume, im Bergbaue, der lange senkrecht stehende Baum in dem Göpel, um welchen sich die ganze Maschine drehet. Bey andern sind es die langen Hölzer am Göpel, welche ihm die Rundung geben.


Spießbock (W3) [Adelung]


Der Spießbock, des -es, plur. die -böcke, bey den Jägern, ein Rehbock, welcher das erste Mahl aufsetzet, und also nur noch Spieße ohne Enden hat. S. Spieß und Spießhirsch.


Spießbürger (W3) [Adelung]


Der Spießbürger, des -s, plur. ut nom. sing. eine ehemahlige Benennung derjenigen Bürger, welche mit Spießen bewaffnet, zu Fuße dieneten, und auch Glefenbürger hießen. Jetzt gebraucht man es nur im verächtlichen Verstande von einem jeden geringen Bürger, vielleicht weil man zu den Spießbürgern nur die ärmsten und untauglichsten wählete, dagegen die reichern bessern zu Pferde dieneten. S. auch Philister.


Spießdruse (W3) [Adelung]


Die Spießdruse, plur. die -n, S. Nadeldruse.


Spießeisen (W3) [Adelung]


Das Spießeisen, des -s, plur. ut nom. sing. der eiserne oder stählerne spitzige Theil eines Spießes, zum Unterschiede von dem Schafte.


Spießen (W3) [Adelung]


1. Spießen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und eine unmittelbare Nachahmung desjenigen Lautes ist, welchen man am häufigsten durch bisten oder pisten ausdruckt. Die Jäger gebrauchen es vornehmlich von dem Laute der Haselhühner, wenn sie sich zusammen rufen, oder zur Begattung locken, wo aber auch pisten üblich ist. Daher das Spießen.


Spießen (W3) [Adelung]


2. Spießen, verb. reg. act. auf etwas spitziges als auf einen Spieß stecken. Einen Missethäter spießen, eine in Asien übliche Lebensstrafe, da dem Verbrecher ein zugespitzter Pfahl durch den Hintern getrieben wird. Einen Frosch spießen, ihn an einen zugespitzten Stab stecken. Ein Thier spießet sich, wenn es, zum Beyspiel, über einen zugespitzten Pfahl springen will, und sich denselben in den Leib stößt. Die Jäger gebrauchen es auch von den Hirschen, wenn sie mit ihren spitzigen Geweihen stoßen. Bey eben denselben ist spießen in noch weiterer Bedeutung, eine Art der Verbindung zweyer gesprungenen Leinen, da selbige aufgedrehet, zusammen gestoßen und mit einem Bindfaden umwunden werden, welches auch schäften genannt wird.


Spießer (W3) [Adelung]


Der Spießer, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern, ein junger Hirsch, welcher das erste Mahl aufsetzet, und daher nur Spieße statt des Gehörnes hat, der Spießhirsch. ( S. Spieß.) Im mittlern Lateine Brokettus, von Broca, Französ. Broche, ein Spieß.


Spießgerte (W3) [Adelung]


Die Spießgerte, plur. die -n, eine dünne mit einer Spitze versehene Gerte, dergleichen man zum Reiten gebraucht; im gemeinen Leben die Spießruthe, S. dieses Wort.


Spießgesell (W3) [Adelung]


Der Spießgesell, des -en, plur. die -en, eigentlich ein mit einem Spieße gewaffneter Soldat, so fern er mit und neben einem andern zugleich dienet, in Rücksicht auf denselben; ein Kamerad, Commilito. Jetzt gebraucht man es nur noch zuweilen von einem jeden Mitgesellen oder Kamerad, doch am häufigsten nur im bösen und verächtlichen Verstande, von dem Theilnehmer, Gehülfen, Mitwisser in einer bösen Sache, ohne Zweifel von den Ausschweifungen, welche diese ehedem ohne heutige Zucht lebende Soldaten begingen.


Spießglas (W3) [Adelung]


Das Spießglas, des -es, plur. car. ein halbmetallisches mit Schwefel vererztes Mineral, dessen Halbmetall unter dem Nahmen des Spießglasköniges bekannt ist. Es hat gemeiniglich eine schwarzgraue Farbe und ein spießiges oder strahliges glänzendes Gewebe, welches denn auch der Grund seiner Benennung ist, denn Glaß bedeutet eigentlich einen glänzenden Körper. Rohes Spießglas, so wie es theils in der Natur gefunden, theils aus den Berg- und Erdarten geschmiedet wird. Unter dem Nahmen Spießglas verstehet man im gemeinen Leben, theils das Spießglaserz, theils auch den aus demselben geschmolzenen aber noch mit dem regulinischen Theile verbundenen Körper.

Anm. Im Böhmischen gleichfalls Sspisglas, bey dem Plinius Stibium, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welcher Nahme gleichfalls die Spitzen oder Stifte zu bezeichnen scheinet, woraus das Gewebe dieses Körpers bestehet. Der heutige Lateinische Nahme Antimonium ist ungewissen Ursprunges. Irgendwo ward in allem Ernste behauptet, Basilius Valentinus habe bemerkt, daß die Schweine, wenn sie Spießglas gefressen, heftig purgiret und hernach fett geworden. Er sey dadurch auf den Einfall gekommen, seine Mitmönche auf eben die Art damit zu mästen, weil sie aber an dieser Cur insgesammt gestorben, so habe er daraus den Schluß gemacht, daß dieses Mittel zwar den Schweinen aber nicht den Mönchen heilsam sey, und es daher Antimonium, d. i. Mönchengift genannt. Für einen scherzhaften Einfall gehet diese Ableitung hin; allein im Ernste kann sie auch um deßwillen nicht Statt finden, weil dieser Nahme älter ist als Basilius Valentinus, und schon bey dem Constantinus Africanus gefunden wird, welcher um 1100 lebte.


Spießglasblüthe (W3) [Adelung]


Die Spießglasblüthe, plur. inus. im Bergbaue der Nahme eines strahligen, krystallinischen Spießglaserzes, welches zuweilen wie Wolle angeschossen ist, gemeiniglich aber mehrere Farben spielet; Flores Antimonii, Spießglasblume, welcher Ausdruck aber auch die Blumen des in einer Retorte destillirten Spießglases bezeichnen kann. S. Blume.


Spießglasbutter (W3) [Adelung]


Die Spießglasbutter, plur. car. in der Chemie, rohes Spießglas, welches durch die Destillation mit einem ätzenden Quecksilber-Sublimate zur Consistenz der Butter gebraucht worden; Butyrum Antimonii.


Spießglaserz (W3) [Adelung]


Das Spießglaserz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, der mit Schwefel vererzte Spießglaskönig, so wie er in dieser Gestalt im Bergbaue gewonnen wird, Minera Antimonii.


Spießglasessig (W3) [Adelung]


Der Spießglasessig, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in den Apotheken, eine Art von Essig, welcher aus dem Spießglaserze durch angesprengtes Wasser erhalten wird; Acetum Antimonii.


Spießglasglas (W3) [Adelung]


Das Spießglasglas, des -es, plur. inus. ein rothbrauner, etwas durchsichtiger glasartiger Körper, welcher aus dem Spießglaskönige nach vorher gegangener Röstung bereitet wird; Vitrum Antimonii.


Spießglaskönig (W3) [Adelung]


Der Spießglaskönig, des -es, plur. inus. ein weißes sprödes und strengflüssiges Halbmetall, welcher aus dem Spießglaserze geschmelzet wird, und alsdann als ein König, d. i. in conischer Gestalt, in dem Schmelztiegel zurück bleibt. ( S. König.) Einen andern eigenen Nahmen hat dieses Halbmetall nicht.


Spießglasleber (W3) [Adelung]


Die Spießglasleber, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, in der Chemie, ein leberfarbenes Product, welches durch die Verpuffung des Spießglases mit gleichen Theilen Salpeters entstehet; Hepar Antimonii. S. Leber.


Spießglasöhl (W3) [Adelung]


Das Spießglasöhl, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eben daselbst, in Säuren aufgelösete Spießglasbutter; Oleum Antimonii.


Spießglas-Rubin (W3) [Adelung]


Der Spießglas-Rubin, des -es, plur. die -e, eine Art rubinfarbener Spießglasleber; Rubinus Antimonialis, Magnesia Opalmia.


Spießglassaffran (W3) [Adelung]


Der Spießglassaffran, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eben daselbst, ein saffranartiges Product, welches man erhält, wenn man die Spießglasleber mit Wasser wäscht und trocknet; Crocus Antimonii.


Spießglasschwefel (W3) [Adelung]


Der Spießglasschwefel, des -s, plur. inus. I. Derjenige Schwefel, welchen das Spießglas bey sich führet, mit welchem der Spießglaskönig vererzet ist. 2. Im gemeinen Leben wird auch ein hochgelbes aus dem Spießglase bereitetes Pulver Spießglasschwefel genannt; Sulphur Antimonii.


Spießglasweiß (W3) [Adelung]


Das Spießglasweiß, subst. indecl. plur. inus. eine weiße dem Bleyweiß ähnliche aus dem Spießglase bereitete Arzeney, welche den Schweiß treibet; schweißtreibendes Spießglas, Antimonium diaphoreticum, Cerussa Antimonii.


Spießglaszinnober (W3) [Adelung]


Der Spießglaszinnober, des -s, plur. inus. eben daselbst, eine schwärzliche Masse, welche sich in der Destillation der Spießglasbutter sublimiret, und durch das Reiben so roth wie Zinnober wird. Cinnabaris Antimonii.


Spießhaar (W3) [Adelung]


Das Spießhaar, des -es, plur. die -e, an den Hunden u. s. f. Haare, welche steifer als gewöhnlich sind, und den Schweinsborsten gleichen.


Spießhahn (W3) [Adelung]


Der Spießhahn, des -es, plur. die -hähne, in der Landwirthschaft, ein Hahn, welcher weder krähet, noch zur Zucht dienlich ist, und daher bloß für den Bratspieß bestimmet zu seyn scheinet.


Spießhirsch (W3) [Adelung]


Der Spießhirsch, des -es, plur. die -e, S. Spießer.


Spießig (W3) [Adelung]


Spießig, -er, -ste, adj. et adv. I. Aus Spießen oder langen Spitzen bestehend. Das Spießglas, der Zinnober u. s. f. haben ein spießiges Gewebe. 2 Im gemeinen Leben mancher Gegenden ist spießig, dürre, besonders fehlerhaft dürre und zerbrechlich, vielleicht als eine Figur von einem langen dünnen Spieße, oder auch von irgend einem andern Stamme. Spießiges Leder bey den Gärbern, welches nicht gehörig gegärbet worden, und daher hart und glasig ist.


Spießkuchen (W3) [Adelung]


Der Spießkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Buttergebackenes, welches vorzüglich in Meißen gangbar ist, und aus Butter, Rahm und Mehl bestehet, welche an einem Bratspieße gebacken werden.


Spießlerche (W3) [Adelung]


Die Spießlerche, plur. die -n, ein Nahme der Heidelerche, vermuthlich, weil sie am häufigsten gebraten gegessen wird.


Spießnagel (W3) [Adelung]


Der Spießnagel, des -s, plur. die -nägel, eine Art kleiner Nägel von bestimmter Größe, weil unter andern auch die langen Nebeneisen des Spießeisens damit an den Schaft genagelt werden.


Spießruthe (W3) [Adelung]


Die Spießruthe, plur. die -n, die Spießgerte, besonders so fern diese Ruthen zur Bestrafung der Soldaten gebraucht werden. Durch die Spießruthen laufen, wofür man nur Spießruthen laufen sagt, von den in Reihen gestellten Soldaten mit solchen Ruthen gehauen werden, welche Strafe auch das Gassen laufen genannt wird. Im Schwabensp. heißt eine Spießruthe Spisholz.


Spießwurzel (W3) [Adelung]


Die Spießwurzel, plur. die -n, an den Gewächsen, die Hauptwurzel, welche gemeiniglich zugespitzt ist, und gerade unter sich in die Erde gehet; die Pfahlwurzel, Herzwurzel, Hauptwurzel, bey den Weinstöcken auch wohl die Pfeilwurzel.


Spießzahn (W3) [Adelung]


Der Spießzahn, des -es, plur. die -zähne, ein spitziger oder zugespitzter Zahn; der Hundszahn, weil die Hunde solche Zähne haben.


Spik (W3) [Adelung]


Spik, Spiker, S. Spiek u. s. f.


Spille (W3) [Adelung]


1. Die Spille, plur. die -n, von spalten, eine Art gelber Pflaumen, S. Spilling.


Spille (W3) [Adelung]


2. Die Spille, plur. die -n, Diminut. das Spillchen, ein in den gemeinen Sprecharten für Spindel sehr gangbares Wort, welches so wie dieses theils den Begriff der Spitze, theils aber auch der Länge und Ründe hat, wozu noch zuweilen der Begriff der Bewegung um die Achse kommt. 1. Mit dem herrschenden Begriffe der Spitze, ist die Spille ein zugespitztes Hölzchen, welches man wie einen Kräusel zwischen den Fingern der rechten Hand herum drehet, darauf zu spinnen; im Hochdeutschen die Spindel. ( S. Spillmagen.) An dem Woll- oder Schweizerrade zum Wollspinnen sind die Spillen ähnliche dünne Hölzchen, worauf die Baumwolle gesponnen wird. Im Jagdwesen sind die Spillen kleine spitzige Pflöcke, das Wachtelgarn damit zu befestigen, daher sie auch Spieße und Pfahlhölzchen heißen. In einigen Gegenden heißen die Ähren, welche gerade in die Höhe stehen, Spillen, und das Zeitwort spillen bedeutet alsdann in die Ähre schossen. Im Engl. ist Spill, ein Zapfen, Nagel, im Ital. Spillo, so wohl eine Stecknadel als auch der Zapfen an einem Fasse. Die Spille am Leiterwagen, welche quer durch die beyden Arme und durch die Deichsel gehet, um beyde zusammen zu halten, scheinet gleichfalls ein Nagel zu seyn, oder doch ursprünglich gewesen zu seyn. 2. Mit dem Hauptbegriffe der Länge und Ründe ist die Spille in sehr vielen Fällen eine Welle oder Walze, welche, wenn sie groß und dick ist, auch wohl ein Spillbaum genannt wird. So ist die Spille auf den Schiffen eine bewegliche Welle, den Anker damit hinauf zu winden, da denn auch die ganze Maschine, welche eigentlich eine Winde ist, diesen Nahmen führet. In einem andern Verstande sind die Spillen die Stangen auf den Masten, von welchen die Flaggen und Wimpel wehen, wo aber auch der Begriff der Spitze Statt findet. Bey den Bergleuten werden diejenigen eisernen Stangen, woran die Kunststangen befestiget sind, Spillen genannt. Ein Knochen des Vorderarmes, welcher einer Radspeiche gleicht, wird so wohl die Speiche als die Spille genannt. Bey den Nadlern heißt der zu den Nadelköpfen aufgesponnene Draht die Spille, welcher Nahme vermuthlich zunächst demjenigen Drahte zukommt, worauf dieser Knopfdraht gesponnen wird. ( S. Spillenschneider.) Bey den Steinschneidern sind die Spillen kegelförmige Zapfen, welche die Schneide zum Schneiden tragen. Und so in andern Fällen mehr, in welchen man im Hochdeutschen und in der anständigern Sprechart lieber Spindel gebraucht.

Anm. Es ist aus diesem Spindel zusammen gezogen, sondern ein eigenes aber doch nur im Endlaute verschiedenes Wort. Speiche, Speer, Spier, Spieß, Spitze u. s. f. sind alles Wörter Eines Stammes, in welchen theils der Begriff der Spitze, theils der Länge und Dünne, theils auch der Bewegung um die Achse, und folglich auch der Ründe, der herrschende ist. Spille ist ein Intensivum von Speil, Nieders. Spieler und Spuhle, womit ohne Vorlaut auch Beil, Pfahl, Pfeil, Welle u. s. f. verwandt sind.


Spillen (W3) [Adelung]


Spillen, verb. reg. act. welches nur in dem zusammen gesetzten verspillen, zerspillen üblich ist, welches theils unnütz vereinzeln, und dadurch verlieren; theils auch verschwenden bedeutet, ( S. dasselbe.) Es ist in dieser Bedeutung sehr alt, denn schon bey dem Kero ist spildanter, verschwenderisch. Das Angels. spillan, Engl. to spill, Schwed. und Isländ. spilla, haben eben dieselbe Bedeutung. Spillen ist ein Intensivum von einem veralteten spielen, welches noch in dem Oberd. kostspielig, Kosten verursachend übrig ist, und zu spalten, im gemeinen Leben spellen, zu gehören scheinet.


Spillenholz (W3) [Adelung]


Das Spillenholz, des -es, plur. inus. das Holz aller derjenigen Bäume oder Stauden, welche zu Spillen oder Spindeln brauchbar sind; z. B. des weißen Ahornes. S. Spindelbaum.


Spillenschneider (W3) [Adelung]


Der Spillenschneider, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Nadlern, derjenige Arbeiter, welcher die Spillen, d. i. den aufgesponnenen Knopfdraht zerschneidet.


Spillhahn (W3) [Adelung]


Der Spillhahn, S. Spielhahn.


Spilling (W3) [Adelung]


Der Spilling, des -es, plur. die -e, ein Nahme einer sehr gemeinen Art Pflaumen, welche entweder ganz gelb, oder gelb und roth, oder auch weiß sind, eine längliche, noch häufiger aber eine runde Gestalt haben, und mit einer vorzüglich tiefen Spalte versehen sind; in einigen Gegenden Spille, im Oberd. Spänling, im Nieders. Spelje, Spelt, Speltje, im Böhm. Sspendliky. Daher der Spillingsbaum, der diese Frucht träget. Anm. Frisch leitet den Nahmen von Spille, Spitze her; allein, da diese Art Pflaumen gemeiniglich rund, wenigstens nicht so länglich als andere Arten sind, so scheinet der Nahme wohl von der merklichen Spalte, (im gemeinen Leben ist spellen, spalten) oder auch von der hellen weißen oder gelben Farbe herzurühren, in welchem letztern Falle er zu spielen, glänzen, gehören würde. S. Spelt.


Spillmagen (W3) [Adelung]


* Der Spillmagen, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, einen Verwandten von der Spillseite, d. i. von der weiblichen Seit, zu bezeichnen; von Mag, ein Verwandter, und Spille, die Spindel, ein altes Sinnbild des weiblichen Geschlechtes. Nieders. Spillmagen.


Spillseite (W3) [Adelung]


* Die Spillseite, plur. die -n, ein eben so sehr veraltetes Wort, die weibliche Seite oder Linie in den Geschlechtsregistern zu bezeichnen, im Nieders. nur die Spille schlechthin.


Spinat (W3) [Adelung]


Der Spinat, des -s, plur. inus. eine Pflanze, deren zu Muß gekochte Blätter eine angenehme und gesunde Frühlingsspeise sind; Spinacia Linn. im gemeinen Leben auch Spinetsch, Binetsch, Nieders. Spinaste, Holländ. Spinazie, Ital. Spinacci, Gran. Espinacas, Franz. Espinart, Epinars, Engl. Spinage. Er ist in Italien einheimisch, und hat von daher auch seinen Nahmen zu uns gebracht, welchen er ohne Zweifel wegen seiner langen, wie ein Pfeil zugespitzten und mit kleinen Spitzen besetzten Blätter, oder auch wegen seiner stacheligen Samenhülse bekommen hat, so daß derselbe als ein Verwandter von Spina, dem Oberd. Spänel, eine Nadel, und Spindel angesehen werden muß. Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt wird auch eine Art des Ampfers, Rumex Patientia Linn. welche sonst Mönchs-Rhabarbar heißt, Englischer Spinat genannt.


Spind (W3) [Adelung]


Das Spind, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden auch die Spinde, plur. die -n, ein nur in einigen Provinzen, besonders Niederdeutschlandes, übliches Wort, einen Schrank zu bezeichnen; Nieders. Spind. So lange dann und wann und Spinde Märkisch ist, Can. Es ist mit Spint, ein Getreidemaß, Sponde, Span und in Spanbett u. s. f. Ein und eben dasselbe Wort, und bezeichnet eigentlich ein Behältniß, einen eingeschlossenen Raum, S. 2 Spint.


Spindel (W3) [Adelung]


Die Spindel, plur. die -n, Diminut. das Spindelchen, ein Wort, welches in der anständigern Sprechart für das gemeinere und mehr Niederd. Spille üblich ist, und so, wie dieses, so wohl den Begriff der langen dünnen Spitze, als auch der Bewegung um seine Achse hat. 1. Mit dem herrschenden Begriffe der langen dünnen Spitze ist die Spindel in vielen Fällen ein langer dünner, entweder in Einem oder an beyden Enden zugespitzter Körper. Von dieser Art ist die Spindel, deren man sich noch in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlands zum Spinnen bedienet, welche ein spitz zulaufendes Hölzchen ist, welches man zwischen den Fingern der rechten Hand herum dreht, wo es aber auch unmittelbar von spinnen abstammen kann, ein Werkzeug zum Spinnen zu bezeichnen. Mit der Spindel, an der Spindel spinnen. Da klatscht, da kümmert sich das alte Trödelweib. In jener Rockenzunft um alle Spindelgrillen, Günth. Drey unerbittliche Schwestern (die Parcen) haben das Leben der Menschen auf ihrer Spindel. Die spitzigen Leimruthen der Vogelsteller sind gleichfalls unter dem Nahmen der Spindeln bekannt. Die Spindel an einem Thurme ist der dem Scheine nach spitzig zulaufende lange Baum, worauf der Knopf befestiget wird. Und so in andern Fällen mehr, wo es mit dem Oberd. Spänel, eine Nadel, dem Lat. Spina, Punctum, Pinne, u. s. f. verwandt ist. 2. Mit dem herrschenden Begriffe der Bewegung um seine Achse, ist es so wohl eine um ihre Achse bewegliche Welle, als auch eine Achse, um welche sich ein anderes Ding in einer schraubenförmigen Linie beweget. Von der letzten Art ist die Spindel in der Mechanik, d. i. eine jede Welle, um welche eine Schraube geführet wird. An einer Wendeltreppe ist es die senkrechte Säule, um welche die ganze Treppe herum gehet, welche auch wohl der Mönch genannt wird, welchen Nahmen in den Schneckenhäusern auch die kleinere Säule führet, um welche die Gänge gewunden sind. Zur ersten Art beweglicher Wellen, gehören die horizontalen Spindeln der Drechsler, dasjenige, was sie drechseln wollen, daran zu befestigen, da man denn Klebspindeln, Schlagspindeln, Ringspindeln u. s. f. hat. Der senkrechte Baum des Göpels, worin der Korb und die Trifft gehen, heißt die Spindel, welchen Nahmen auch der lange dünne Knochen des Vorderarmes, Radius, führet, welcher auch die Speiche und die Spille genannt wird. Bey den Nadlern heißt der Draht, worüber der Knopfdraht gesponnen wird, so wohl die Spille als die Spindel. Und so in hundert andern Fällen mehr.

Anm. Im Engl. Spindle, im Schwed. Spindel, welches aber auch eine Spinne bedeutet. In Ansehung der langen dünnen Spitze ist es von Spille, Speer, Spieß, Spitze u. s. f. nur im Endlaute verschieden. Was aber den Begriff der Bewegung um die Achse betrifft, so ist es in Ansehung desselben ein naher Verwandter von winden.


Spindelbirn (W3) [Adelung]


Die Spindelbirn, plur. die -en, eine Art ziemlich großer, bauchiger und etwas herber Birnen; Rautenbirn.


Spindelkraut (W3) [Adelung]


Das Spindelkraut, des -es, plur. inus. bey den Schriftstellern des Pflanzenreiches, eine in dem südlichen Europa einheimische Pflanze; Atractylis Linn. vielleicht wegen der mit Spindeln oder Strahlen versehenen Blumenblätter.


Spindelpresse (W3) [Adelung]


Die Spindelpresse, plur. die -n, eigentlich eine mit einer Spindel oder Schraubenspindel versehene Presse, in welchem Verstande aber die meisten Pressen diesen Nahmen verdienen würden. In engerer Bedeutung ist es eine Art Weinpressen, wo eine bloße Spindel zwischen ihren Nadeln und Kranzhölzern gehet, und auf den darunter gelegten Satz drucket; zum Unterschiede von einer Baumpresse, welche mit Zwingbäumen versehen ist, die Wirkung der Spindel auf die Schwellen und Druckbäume zu verstärken.


Spindelwirtel (W3) [Adelung]


Der Spindelwirtel, des -s, plur. ut nom. sing. da, wo man sich der Spindel zum Spinnen bedienet, ein Wirtel, d. i. dicker Ring, welcher unten an die Spindel gesteckt wird, das Gleichgewicht im Drehen dadurch zu erhalten.


Spinell (W3) [Adelung]


Der Spinell, des -es, plur. die -e, der Nahme eines sehr blaßrothen Rubines, welcher fast in das Weiße fällt; aus dem mittlern Lat. Spinellus.


Spinett (W3) [Adelung]


Das Spinett, des -es, plur. die -e, eine Art eines Clavieres, wo die Saiten mit bekielten Spitzen geschlagen werden; aus dem Ital. Spinetta.


Spinne (W3) [Adelung]


Die Spinne, plur. die -n, Diminut. das Spinnchen, Oberd. das Spinnlein, ein ungeflügeltes Insect mit acht Augen, acht Füßen und Warzen am Hintern, aus welchen sie die Faden zu ihrem Gewebe ziehet; Aranea Linn. Der Blick, in welchem schlau Der Argwohn gleich der finstern Spinne, lauscht, Weiße. ( S. Erdspinne, Gartenspinne, Kellerspinne, Kreuzspinne u. s. f.) Einige große Arten sind unter dem Nahmen der Kanker bekannt, ( S. dieses Wort.) Wegen einiger Ähnlichkeit werden auch einige andere Insecten, welche kein Gewebe verfertigen, Spinnen genannt, wohin die langbeinige Spinne, Phalangium Linn. bey einigen Neuern der Weberknecht, und die Wasserspinne gehören.

Anm. Bey dem Notker Spinnu, im Österreich. Spinnerinn, im Engl. Spinner und Spider, (im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, weben). Sie hat den Nahmen von spinnen, weil ihr Gewebe ihr vorzüglichstes Unterscheidungsmerkmahl ist.


Spinnefeind (W3) [Adelung]


Spinnefeind, adj. et adv. im höchsten Grade feind, todtfeind, so feind als die Spinnen einander, oder auch den Fliegen sind. Die Spinnen sind in der Naturgeschichte wegen der Feindschaft bekannt, welche sie gegen ihr eigenes Geschlecht tragen.


Spinnen (W3) [Adelung]


Spinnen, verb. irreg. Imperf. ich spann, (im gemeinen Leben ich sponn), Conj. ich spänne, (im gemeinen Leben ich spönne); Mittelw. gesponnen; Imper. spinne. Es wird so wohl absolute und in Gestalt eines Neutrius mit dem Hülfsworte haben, als auch active mit der vierten Endung gebraucht, und bedeutet, 1. Aus einem weichen und faserigen Körper einige Fasen ausziehen und selbige zu Fäden zusammen drehen. An der Spindel, an einem Rade spinnen. Sich mit spinnen nähren. Grob, klar, sein spinnen. Ist es ein Activum, so können so wohl die gesponnenen Fäden, als auch die Materie, woraus sie gesponnen worden, in der vierten Endung stehen. Einen klaren, einen groben Faden spinnen. Garn spinnen, Wolle, Flachs, Werrig, Seide spinnen, nähmlich zu Garn oder Fäden. Der Seidenwurm spinnet sich selbst sein Grab. Keine Seide bey einer Sache spinnen, figürlich, keinen Nutzen, keinen Vortheil davon haben, Sprichw. Es ist nichts so klein gesponnen, es kommt endlich an der Sonnen, (an die Sonne;) oder wie es Canitz ausdruckt: Es wird nichts so klein gesponnen, Das der Sonnen Endlich unverborgen bleibt. In anspinnen und entspinnen hat es auch die figürliche Bedeutung des Anfangens und Entstehens. 2. Mit dem herrschenden Begriffe des Drehens und Windens. Tobak spinnen, die getrockneten Blätter des Tobakes zu langen runden Strähnen zusammen drehen. ( S. Tobakspinner.) Die Nadler spinnen den Knopfdraht auf einer Spindel, wenn sie denselben vermittelst eines Rades schnell über dieselbe winden, auf welche Art auch die Gold- und Silberspinner den Gold- und Silberlahn auf seidene Fäden spinnen. Das Spinnen der Knopfmacher ist von noch anderer Art, obgleich auch eine Art eines schnellen Bewindens oder Umwindens vermittelst eines Rades. Gesponnene Knöpfe. Heu spinnen, es in Bündel binden. So auch das Spinnen.

Anm. Es ist ein sehr altes Wort, welches schon bey dem Ulphilas und im Angels. spinnan, bey dem Ottfried spinnen, im Nieders. gleichfalls spinnen, im Engl. to spin, im Schwed. und Isländ. spinna, im Dän. spinde, und im Griech. ohne Zischlaut - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - lautet, wo auch - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Faden, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Gewebe ist. Das doppelte n in der Worte deutet auf ein Intensivum. In der ersten Bedeutung scheinet es ein Intensivum von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ziehen, ( S. Spannen,) zu seyn; allein in der zweyten sticht der Begriff des Windens deutlich hervor, besonders des schnellen Bewindens vermittelst eines Rades. Indessen kann es auch in beyden Fällen eine unmittelbare Onomatopöie des mit dem Spinnen verbundenen Lautes seyn.


Spinnenfeind (W3) [Adelung]


Spinnenfeind, S. Spinnefeind.


Spinnengewebe (W3) [Adelung]


Das Spinnengewebe, des -s, plur. ut nom. sing. das Gewebe einer Spinne, welches sie, wie ein Netz ausspannt, Fliegen und andere Insecten darin zu fangen; im gemeinen Leben die Spinnewebe. Seine Hoffnung ist wie eine Spinnewebe, Hiob 8, 14. Ihre Spinnewebe taugt nicht zu Kleidern, Es. 59, 6. Bey dem Notker Wuppen der Spinna, Nieders. Spinnewoppe, Engl. Cobweb, Schwed. Spindelwaf.


Spinnenkraut (W3) [Adelung]


Das Spinnenkraut, des -es, plur. inus. ein Nahme der Zaunblume, Anthericum Linn. besonders des ramosi, vermuthlich weil sich die Erdspinnen gern auf und unter demselben aufhalten.


Spinnenlinie (W3) [Adelung]


Die Spinnenlinie, plur. die -n, in der Mathematik, eine besondere Art einer aus geraden und krummen Linien zusammen gesetzten Linie, welche einem Spinnengewebe gleicht.


Spinner (W3) [Adelung]


Der Spinner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Spinnerinn, eine Person, welche spinnet, besonders wenn das Spinnen ihr vornehmstes Geschäft ist. So auch in den Zusammensetzungen Seidenspinner, Wollspinner, Gold- und Silberspinner, Tobakspinner u. s. f.


Spinnerey (W3) [Adelung]


Die Spinnerey, plur. die -en. 1. Die Art und Weise zu spinnen; ohne Plural. 2. Das Spinnen, als eine Geschicklichkeit, als ein Gewerbe betrachtet; gleichfalls ohne Plural. Die Spinnerey verstehen. 3. Eine Anstalt, wo in Menge gesponnen wird.


Spinnewebe (W3) [Adelung]


Die Spinnewebe, plur. die -n, ( S. das Spinngewebe.) In der Jägerey ist das Spinnewebengarn eine Art hoher Netze, womit auf Repphühner und andere Vögel gestellt wird.


Spinnhaken (W3) [Adelung]


Der Spinnhaken, des -s, plur. ut nom. sing. 1. In der Landwirthschaft, ein hölzernes Werkzeug mit einem Haken, vermittelst dessen die Landleute ihre Seile spinnen. 2. Ein Haken von Draht der Spinnerinnen, den abgerissenen Faden wieder durch die Spule zu ziehen.


Spinnhaus (W3) [Adelung]


Das Spinnhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, welches bestimmt ist, darin zu spinnen. Besonders eine Art Arbeitshäuser, worin liederliche Weibsbilder zum Spinnen angehalten werden, und welches gemeiniglich mit einem Zuchthause verbunden ist.


Spinnhütte (W3) [Adelung]


Die Spinnhütte, plur. die -n, im Seidenbaue, eigene Hütten von Hobelspänen auf dem Gerüste der Seidenwürmer in welche die letztern gethan werden, wenn sie sich einspinnen wollen.


Spinnichte (W3) [Adelung]


Die Spinnichte, plur. die -n, S. Spinnstube.


Spinnlaus (W3) [Adelung]


Die Spinnlaus, plur. die -läufe, eine Art Blattläuse, welche auf den Lindenblättern wohnen, und die Bäume der Glashäuser mit einem fast unsichtbaren Gewebe überspinnen.


Spinnmühle (W3) [Adelung]


Die Spinnmühle, plur. die -n, eine durch Räder getriebene Maschine, mehrere Fäden zugleich mit Lahn darauf zu bespinnen.


Spinnrad (W3) [Adelung]


Das Spinnrad, des -es, plur. die -räder, ein mit einem Rade versehenes Gestell. Flachs, Hanf oder Wolle vermittelst desselben zu Fäden zu spinnen. Im Osnabrück. Wehl, Holländ. Wiel, von Welle.


Spinnraupe (W3) [Adelung]


Die Spinnraupe, plur. die -n, S. Spannraupe.


Spinnrocken (W3) [Adelung]


Der Spinnrocken, des -s, plur. ut nom. sing. ein Rocken zum Spinnen, d. i. die um einen Zylinder gewundene Materie, welche zu Fäden gesponnen wird; Nieders. Spinnwocken, Wocken, S. Rocken.


Spinnseide (W3) [Adelung]


Die Spinnseide, plur. inus. eine figürliche Benennung einer Art des Atlaßerzes, oder krystallinisch angeschossenen grünen Kupfererzes, wenn es mit langen Krystallen angeschossen ist.


Spinnstube (W3) [Adelung]


Die Spinnstube, plur. die -n, eine Stube, welche zum Spinnen bestimmt ist, worin gewöhnlich gesponnen wird. Auf dem Lande in Meißen wird das Spinnen des Gesindes durch gesellschaftliche Freude gewürzt, um das Schlafmachende dieser einförmigen Arbeit zu vermindern. Jedes Dorf wird daher in Ansehung des Spinnens in mehrere Gesellschaften vertheilt, deren jede aus vier Familien bestehet, welche nach dem Wechsel der Woche zusammen spinnen. Jede solcher Gesellschaften heißt eine Spinnstube, und mit einem Provinzial-Worte eine Spinnichte.


Spint (W3) [Adelung]


1. Der Spint, des -es, plur. die -e, ein im gemeinen Leben, besonders mancher Gegenden in verschiedenen Bedeutungen übliches Wort. 1. Der wässerige nicht genug ausgebackene Theil des Brotes und eines andern Gebäckes wird in manchen Gegenden der Spint, noch häufiger aber der Spund genannt. Daher spintig oder spündig, nicht ausgebacken. 2. Bey dem Notker ist Spind, das Fett, Schmalz welche Bedeutung das Holländ. Spin, Spint, noch hat. 3. Sehr häufig wird auch der weichere und zugleich weißere Theil des Holzes zwischen der Rinde und dem Kerne, der Spin oder Spint, noch häufiger aber der Splint genannt.

Anm. Allem Anschein nach ist die weiche Beschaffenheit in allen drey Bedeutungen der herrschende Begriff, wozu in der erstern noch der Begriff des Wässerigen kommt, da es denn mit Finne, Morast, dem alten Wand, Wasser, u. s. f. verwandt ist. Doch kann in den beyden letzten Bedeutungen durch die weiße Farbe, eine Figur des Glanzes, des Lichtes, als der Stammbegriff angesehen werden.


Spint (W3) [Adelung]


2. Das Spint, des -es, plur. die -e, oder mit einem Zahlworte, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen, besonders Niederdeutschen Gegenden übliches Maß, vornehmlich des Getreides. Im Lüneburgischen hat ein Himten vier, ein Schäffel aber acht Spint, dagegen in Bremen ein Schäffel sechzehen Spint hat. An dem letztern Orte machen 160 Spint, ein Quart, 640 aber eine Last. In einigen andern Gegenden ist es auch ein Feldmaß, welches aus zehen Quadrat-Ruthen bestehet; vermuthlich so viel Acker, als man mit einem Spinte Getreide besäen kann.

Anm. Nicht, wie Frisch will, von Spende, weil gewisse Almosen damit ausgemessen worden, sondern mit dem Stammbegriffe eines Gefäßes, eingeschlossenen Raumes, so daß es mit Spind, oder Spinde, ein Schrank, Sponde, und ohne Zischlaut auch mit Pinte, Wanne, Pfanne, Behnert, u. s. f. Eines Geschlechtes ist.


Spintisiren (W3) [Adelung]


Spintisiren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur im gemeinen Leben üblich ist, nachdenken, grübeln. Da geht er nun und spintisirt von dem was ist, und was nicht ist, Less. Vermuthlich von dem Ital. spignere, Spinto. Die Niederdeutschen gebrauchen dafür auch primisiren, welches Mattheson von Primicerio, nähmlich Cautore, herleitet.


Spion (W3) [Adelung]


Der Spion, des -es, plur. die -e, derjenige, welcher anderer Heimlichkeiten mit List auszuforschen sucht, um einen ihnen nachtheiligen Gebrauch davon zu machen. Ein Spion seyn. Sich als einen Spion gebrauchen lassen. Besonders im Kriege, der des Feindes Stärke, Verfassung u. s. f. zu dessen Schaden mit List auszuforschen sucht; ein Kundschafter. Bey den Jägern wird auch wohl der Stöberhund Spion genannt.

Anm. Wir haben dieses Wort mit andern zum Kriegswesen gehörigen Ausdrücken aus dem Ital. Spione, oder Franz. Espion entlehnt, welches auch daraus erhellet, weil dieses Wort, wider die Natur echter Deutscher Wörter, den Ton nicht auf der Stamm- sondern auf die Endsylbe hat. Aber beyde fremde Wörter stammen wieder von dem alten Deutschen Zeitwort spähen her, von welchem man ehedem einen Spion einen Spe, Spech, Speher nannte, welche Ausdrücke aber nunmehr veraltet sind. S. Spähen.


Spioniren (W3) [Adelung]


Spioniren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, anderer Heimlichkeiten mit List und zu ihrem Nachtheile zu erforschen suchen; aus dem Franz. espionner.


Spiring (W3) [Adelung]


Der Spiring, S. Spiering.


Spiritus (W3) [Adelung]


Der Spiritus, plur. ut nom. sing. das Lateinische Spiritus, ein Geist. Man gebraucht es im Deutschen nur im figürlichen Verstande, von einem flüchtigen durch die Destillation erhaltenen flüssigen Körper, welcher gemeiniglich leichter als das Wasser ist; in welchem Verstande zwar auch Geist üblich, aber doch im gemeinen Leben nicht so gewöhnlich ist.


Spirschwalbe (W3) [Adelung]


Die Spirschwalbe, S. Spierschwalbe.


Spital (W3) [Adelung]


Das Spital, des -es, plur. die Spitaler. 1. Eigentlich, ein Haus, in welchem Fremde oder Reisende für ihre Bezahlung beherberget und bewirthet werden; eine im Hochdeutschen veraltete, nur noch einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Bedeutung, wo es für Gasthaus, Wirtshaus stehet; im mittlern Lateine Hospitale. 2. In engerer Bedeutung, eine Anstalt, wo bejahrte Personen gegen ein von ihnen eingelegtes Capital auf Lebenszeit verpfleget werden; dergleichen Anstalten es an mehrern Orten gibt. 3. Eine Anstalt, in welcher arme und unvermögende Personen unentgeldlich erhalten und verpflegt werden; vollständig ein Armen-Spital. Ein Narren-Spital, in welchem des Verstandes beraubte Personen verpflegt werden. Das Kranken-Spital, Pest-Spital, welche doch unter dem Nahmen der Lazarethe am bekanntesten sind.

Anm. Schon bey dem Stryker Spital, im Nieders. Spitaal, im Ital. Spedale, im Schwed. Spetal, im Engl. Spital. Es ist aus dem Lat. Hospitale verkürzt, wofür man in der anständigen Sprechart auch wohl Hospital, im gemeinen Leben aber auch Spittel sagt. In einigen Gegenden ist es männlichen Geschlechtes, der Spital, welches Geschlecht auch in dem gemeinen Spittel am üblichsten ist. Übrigens wird ein Spital in den beyden letzten Bedeutungen auch in vielen Gegenden ein Gasthaus genannt.


Spital-Meister (W3) [Adelung]


Der Spital-Meister, des -s, plur. ut nom. sing. der Vorgesetzte eines Hospitales, welcher auch wohl der Spital-Pfleger, Spital-Verwalter, genannt wird.


Spitz (W3) [Adelung]


Spitz, -er, -este, adj. et adv. ein nur im gemeinen Leben für spitzig übliches Wort. Ein spitziges Messer. Und rückt den spitzen Hut die Queere, Gell. Ich kann es nicht spitz kriegen, figürlich, ich kann den Grund davon nicht einsehen, kann mich nicht darein finden.


Spitz (W3) [Adelung]


Der Spitz, des -es, plur. die -e. 1. Ein gewöhnlicher Nahme einer Art kleiner zottiger Hunde, mit einem langen nach der Schnauze zu zugespitzten Kopfe, von welchem sie auch den Nahmen haben. In Obersachsen pflegt man diese Art Hunde auch Pommer zu nennen, weil sie aus diesem Lande herstammen sollen. 2. In der vertraulichen Sprechart ist der Spitz und im Diminutivo das Spitzchen, ein geringerer Grad des Rausches, da man nur bis zur Fröhlichkeit getrunken hat; welchen Grad des Rausches man auch wohl einen Jesuiter-Rausch, einen Ansatz u. s. f. zu nennen pflegt. Einen Spitz, oder ein Spitzchen haben. Der Ursprung dieser Benennung ist mir unbekannt; vielleicht gründet sich selbige, wie andere ähnliche Ausdrücke ( S. Haarbeutel, Nagel u. s. f.) auf einen individuellen, nunmehr vergessenen Umstand. In vielen Oberdeutschen Gegenden heißt eine jede Spitze im männlichen Geschlechte der Spitz.


Spitzamboß (W3) [Adelung]


Der Spitzamboß, des -es, plur. die -e, bey verschiedenen Metallarbeitern, ein Amboß mit einer oder zwey Spitzen an den Seiten, welcher auch wohl ein Hornamboß genannt wird.


Spitzarbeiter (W3) [Adelung]


Der Spitzarbeiter, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Seiler, welche nur kurze Arbeiten von bestimmter und verlangter Länge verfertigen; zum Unterschiede von den Stückarbeitern oder Seilern im engern Verstande, welche lange Seile und Taue, besonders für die Schiffe verfertigen. Vielleicht gründet sich der Nahme auf ein Werkzeug, oder rühret auch von Spitze, ein kurzes Ende, her.


Spitzbart (W3) [Adelung]


Der Spitzbart, des -es, plur. die -bärte, ein spitziger, zugespitzter Bart, besonders der zugespitzte Bart mitten auf dem Kinne.


Spitzbeutel (W3) [Adelung]


Der Spitzbeutel, des -s, plur. ut nom. sing. in den Mühlen, ein eigener Beutel von Draht oder groben Beuteltuche, welchen man vorhängt, wenn man den Weitzen spitzet.


Spitzblatter (W3) [Adelung]


Die Spitzblatter, plur. die -n, bey den Ärzten eine Art spitziger Blattern; zum Unterschiede von den fetten Blattern oder Fließblattern. Im Niederdeutschen und auch wohl im gemeinen Leben der Hochdeutschen Spitzpocken.


Spitzbolzen (W3) [Adelung]


Der Spitzbolzen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Bolzen, welcher an einem Ende zugespitzt, oder auch wohl eingehacket ist.


Spitzbrand (W3) [Adelung]


Der Spitzbrand, des -es, plur. inus. eine Art des Brandes an dem Getreide und besonders an dem Weitzen; vermuthlich weil er nur die Spitze der Körner angreift.


Spitzbube (W3) [Adelung]


Der Spitzbube, des -n, plur. die -n, Fämin. die Spitzbübinn, ein Dieb, welcher mit listiger Behendigkeit zu stehlen weiß, ein verschlagener Dieb; ingleichen ein listiger Betrieger im härtesten Verstande. Im Schwed. gleichfalls Spetsbof. Ohne Zweifel von spitz, so fern es ehedem auch figürlich, listig, verschlagen bedeutete. S. Spitze Anm.


Spitzbübisch (W3) [Adelung]


Spitzbübisch, -er, -ste, adj. et adv. auf eine listige diebische Art, im härtesten Verstande.


Spitze (W3) [Adelung]


Die Spitze, plur. die -n, Diminut. das Spitzchen, Oberd. Spitzlein, derjenige Theil eines Körpers, wo derselbe am Ende in einem Punct zusammen läuft, und in weiterer Bedeutung, wo er sich am Ende einem Puncte nähert. 1. Im weitesten Verstande. Die Spitze einer Nabel, eines Messers, eines Degens, eines Thurmes, eines Baumes, eines Berges, der Nase u. s. f. Die Spitze der Finger, sonst auch, die Fingerkuppen. Eine Messerspitze voll. Etwas auf die Spitze stellen, auch figürlich, eine Sache in den höchsten Grad der Gefahr oder des mißlichen Erfolges setzen, weil ein Körper, der auf der Spitze stehet, keinen Augenblick vor dem Fallen sicher ist. Im Forstwesen werden die Zopfenden der Bäume Spitzen genannt. Von den ehemahligen spitzigen Schlachtordnungen, welche einem zugespitzten Keile glichen, sagt man noch, an der Spitze des Heeres, d. i. vorn, vor dem ersten Gliede; sich vor die Spitze stellen, voran, auch figürlich, sich vor andern der größten Gefahr aussetzen. In andern Fällen verstehet man darunter die Spitze des Degens. Jemanden vor die Spitze fordern, zum Duell. Jemanden die Spitze biethen, figürlich, sich ihm thätig widersetzen, es mit ihm aufnehmen. Da die Spitze oft der oberste und äußerste Theil eines Dinges bedeutet, so wird dieses Wort auch zuweilen für die höchste Stufe, den höchsten Grad gebraucht. Durch dieses Mittel schwang er sich aus dem niedrigsten Elende auf die Spitze der menschlichen Größe; wofür doch Gipfel üblicher ist. 2. In engerer Bedeutung sind die Spitzen ein geklöppeltes Gewirk, welches an dem Einen Rande mit zarten Spitzen oder Zacken versehen ist, von welchen es auch den Nahmen hat, und daher so wohl im Nieders. Kanten, als auch im Franz. Dentelles heißt. Man gebraucht es hier so wohl im Plural collective und absolute; Brabantische Spitzen, mit Spitzen handeln, ein Kleid mit Spitzen besetzen; als auch, obgleich seltener, im Singular, eine feine schöne Spitze. Mit Spitzen handeln, figürlich, im gemeinen Leben, versteckte beißende Vorwürfe machen, oder solche Verweise austheilen, satyrisiren.

Anm. Schon bey dem Willeram Spitzo, im Nieders. Spets, im Schwed. Spets, im Böhm. Sspice. Es ist ein altes sehr weit ausgebreitetes Wort, zu dessen Geschlechte mit andern Endlauten auch Speiche, Spica, Spiculum, Spieß, Speer, Spille, Spintel u. s. f. gehören. Das g ist ein Zeichen eines Intensivi. In vielen Oberdeutschen Gegenden ist es männlichen Geschlechts, der Spitz. In einigen Fällen, besonders in einigen Zusammensetzungen, bedeutet es auch so viel wie sein, listig, künstlich, z. B. Spitzbube, spitzfündig, in andern aber beißend, einen versteckten Vorwurf enthaltend, wie Spitznahme, spitzige Worte u. s. f. Spitzwort war ehedem für Argutiae sehr gangbar. Ehedem sagte man auch, auf jemanden spitzeln, für sticheln. Allein das Nieders. Spiet, Hohn, Verachtung, gehöret nicht hierher, sondern zu dem gleichfalls Nieders. späh, spey, höhnisch, verächtlich; unser Spott ist davon das Intensivum.


Spitzeisen (W3) [Adelung]


Das "Spitzeisen", des -s, plur. ut nom. sing. bey den Steinmetzen und Bildhauern, ein dreyeckiger spitziger Meißel, den "Marmor" damit aus dem Groben zu bearbeiten; der Spitzmeißel.


Spitzen (W3) [Adelung]


Spitzen, verb. reg. act. 1. Spitzig machen. So spitzen die Nadler die Nadeln, wenn sie selbige spitzig schleifen. Die Feder spitzen, spitzig schneiden. Nach einer größten Theils veralteten Figur ist, die Feder wider jemanden spitzen, ihn schriftlich mit bittern oder lebhaften Vorwürfen angreifen. Den Mund zum Pfeifen spitzen. Die Ohren spitzen, aufmerksam zuhören. Er wird die Ohren spitzen, Wenn er erfährt, was unsre Absicht ist, Wiel. In eben demselben Verstande sagt schon Ovidius cacuminare aures. Die Figur ist von einigen Thieren, z. B. den Pferden, entlehnt, welche die Ohren spitzig heraus, oder in die Höhe recken, wenn sie scharf hören wollen. Sich auf etwas spitzen, figürlich und in der vertraulichen Sprechart, sich Hoffnung auf oder zu etwas machen. Frisch leitet diese Figur von einem veralteten sich erspitzen, sich mit Spitzen putzen, her; allein wahrscheinlicher ist es eine Figur von dem Spitzen so wohl der Ohren als auch des Mundes zu dem Genusse einer angenehmen Sache. Vollständiger singt Hagedorn: Ihr lacht und spitzt den Mund auf Küsse. In Preußen sagt man dafür sich erspitzen, und in Schlesien sich verspitzen. Die Themis, kömmt mir vor, verspitzt sich schon auf ihn. Günth. 2. Im entgegen gesetzten Verstande ist spitzen in einigen Fällen der Spitzen berauben. In der Würtembergischen Waldordnung bey dem Frisch, bedeutet jemanden die Finger spitzen, ihm selbige abhauen. Die Hutmacher spitzen das Haar an den Hasenfellen, wenn sie die Spitzen der groben Haare mit einer Scheere abschneiden, damit sie nicht länger sind, als die seinen. Bey den Müllern wird der Rocken und Weitzen zuweilen gespitzet, wenn man nur die Spitzen von den Körnern abstoßen lässet, welches besonders bey dem Weitzen, wenn er den Spitzbrand hat, vermittelst des Spitzbeutels geschiehet; worauf er erst gegrieset, d. i. zu Gries gemahlen, der Rocken aber geschroten wird. So auch das Spitzer.


Spitzen-Filett (W3) [Adelung]


Das Spitzen-Filett, des -es, plur. die -e, ein Filett der Buchbinder, Zierathen, welche gewirkten Spitzen gleichen, damit auf die Bände der Bücher zu drucken.


Spitzengrund (W3) [Adelung]


Der Spitzengrund, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -gründe, von Spitze, 2 der Grund in den Spitzen, dasjenige Gewirk, auf welchem sich die Figuren befinden.


Spitzenhandel (W3) [Adelung]


Der Spitzenhandel, des -s, plur. inus. von Spitze 2, der Handel mit Spitzen, der Spitzenkram. Daher der Spitzenhändler, der mit Spitzen handelt, zuweilen auch der Spitzenkrämer. Ein gemeines Wortspiel ist es, wenn man einen listigen, verschlagenen Menschen oder auch wohl den, welcher seine aber doch beißende Vorwürfe macht, einen Spitzenhändler nennt.


Spitzenstich (W3) [Adelung]


Der Spitzenstich, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, bey den Nähterinnen, ein Stich, d. i. eine Art zu nähen, womit die Blumen in den genäheten Spitzen und anderer seinen Nähterey ausgefüllet werden.


Spitzfeile (W3) [Adelung]


Die Spitzfeile, plur. die -n, eine Art Feilen, andere Dinge damit spitzig zu feilen. So haben z. B. die Kammmacher solche Feilen, die Zähne der Kämme damit zu spitzen.


Spitzflöte (W3) [Adelung]


Die Spitzflöte, plur. die -n, eine Art Flöten in den Orgeln, welche oben offen, aber mehr als gewöhnlich zugespitzt sind, und einen sanften aber schneidenden Ton geben.


Spitzfündig (W3) [Adelung]


Spitzfündig, -er, -ste, adj. et adv. Fertigkeit besitzend, seine Sünde, d. i. Ränke und Kunstgriffe zu erdenken, und darin gegründet. Ein spitzfündiger Kopf, welchen man im gemeinen Leben auch wohl einen Spitzkopf nennet. Spitzfündig seyn. Eine spitzfündige Antwort, eine listig ausgedachte Antwort. Ehedem gebrauchte man es auch im guten Verstande für scharfsinnig, in welchem es aber im Hochdeutschen veraltet ist; wo es nur noch in engerer Bedeutung von demjenigen Fehler des Witzes üblich ist, wenn die Ähnlichkeiten oder Verschiedenheiten, worauf sich ein Gedanke gründet, zu fein und zu merklich sind, als daß sie Eindruck machen könnten. Mancher will scharfsinnig seyn, und ist bloß spitzfündig.

Anm. Die erste Hälfte ist das Beywort spitz, so fern es ehedem auch für sein ausgedacht, listig, verschlagen, gebraucht wurde. Die letzte Hälfte stammet von Fund, im Plural Fünde, Rank, Kunstgriff, Erfindung her. Das Hauptwort der Spitzfund, ein listiger Rank, Fund, kommt noch bey ältern Oberdeutschen Schriftstellern vor. Seine Spitzfünd, H. Sachs. Voller Spitzfünd und Schwürmerey, eben ders. Hieraus erhellet zugleich, theils daß die gewöhnliche Schreibart spitzfindig, unrichtig ist, theils aber doch, daß dieses Wort ursprünglich nur im nachtheiligen Verstande, von listig ausgedachten Sätzen u. s. f. gebraucht wird, welche auf den Schaden anderer abzielen, oder höchstens, welche keinen begreiflichen Nutzen haben.


Spitzfündigkeit (W3) [Adelung]


Die Spitzfündigkeit, plur. die -en. 1. Die Eigenschaft, da eine Person, oder ein Satz spitzfündig ist; ohne Plural. 2. Ein spitzfündiger Satz, eine spitzfündige, durch Worte vorgetragene Sache.


Spitzgelänge (W3) [Adelung]


Das Spitzgelänge, des -s, plur. ut nom. sing. in der Landwirthschaft einiger Gegenden, z. B. in Thüringen, ein Gelänge, welches spitz g zuläuft, d. i. an dem einen Ende schmäler ist, als an dem andern. ( S. Gelänge.) So auch Spitzsottel und Spitzstrichel, von spitzig zulaufenden Sotteln und Stricheln, S. diese Wörter.


Spitzglas (W3) [Adelung]


Das Spitzglas, des -es, plur. die -gläser, eine Art Weingläser, welche unten, ehe der Fuß angehet, spitzig zulaufen; zum Unterschiede von den Kelchgläsern. S. dieses Wort.


Spitzgras (W3) [Adelung]


Das Spitzgras, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -graser, eine Art Grases mit eyrunden nachenförmigen Ähren und einem aus vielen Bälglein bestehenden Kelche; Vniola Linn.


Spitzgroschen (W3) [Adelung]


Der Spitzgroschen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme einer ehemahligen Art Meißnischer Groschen, welche besonders im 15ten Jahrhunderte geschlagen wurden, und 15 bis 18 Pfennige galten, daher sie auch Funfzehnerlein und Achtzehner hießen. Sagittarius, Frisch und andere versichern, daß die Ursache ihres Nahmens unbekannt sey. Allein allem Anscheine nach waren sie mit den Judengroschen einerley, welche wegen des darauf geprägten Judenkopfes mit einem damahls üblichen sehr spitzigen Hute auch Spitzgroschen genannt seyn können; denn dem innern Werthe nach waren sie einander gleich. S. Judengroschen.


Spitzhacke (W3) [Adelung]


Die Spitzhacke, plur. die -n, eine spitze Hacke, oder Haue, hartes kiesiges Erdreich damit zu gewinnen; die Spitzhaue.


Spitzhafer (W3) [Adelung]


Der Spitzhafer, des -s, plur. inus. eine Art leichten Hafers, welcher außer den Grannen noch zwey lange röthliche Spitzen hat, und in Meißen häufig unter dem gemeinen Hafer wächst.


Spitzharfe (W3) [Adelung]


Die Spitzharfe, plur. die -n, eine Art spitzig zulaufender kleiner Harfen, welcher messingene Saiten hat; zum Unterschiede von der größern mit Darmsaiten bezogenen Davids-Harfe.


Spitzhaue (W3) [Adelung]


Die Spitzhaue, plur. die -n, S. Spitzhacke.


Spitzig (W3) [Adelung]


Spitzig, -er, -ste, adj. et adv. von Spitze, eine Spitze habend, im gem. Leben spitz. 1. Eigentlich. Ein spitziges Messer. Ein spitziger Felsen. Ein spitziger Schnabel. In engerer Bedeutung ist spitzig dem, was nicht so spitzig, sondern stumpfer ist, entgegen gesetzet. So ist ein spitziger Winkel in der Geometrie, derjenige, welcher kleiner ist, als ein rechter; im Gegensatze des rechten und stumpfen. 2. Figürlich, ist spitzig, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart, einen versteckten Verweis, oder versteckten Vorwurf enthaltend. Spitzige Worte. Ingleichen versteckt höhnisch. Jemanden eine spitzige Antwort geben. Ich stieß ihn fort, und machte ihm ein spitzig Compliment, Gell. Wo es sich zugleich dem Niederdeutschen spietsk, höhnisch, und unserm spöttisch nähert, ob es gleich nur einen schwächern, verborgenern Grad des Spottes bezeichnet. S. Spitze Anm.


Spitzklee (W3) [Adelung]


Der Spitzklee, des -es, plur. car.


Spitzklette (W3) [Adelung]


Die Spitzklette, plur. inus. ein der Klette ähnliches Gewächs, welches eine mit Spitzen oder Stacheln versehene runde Frucht hat; Xanthium strumarium Linn. Igelsklette, Spitzkier, vielleicht nur nach einer verderbten Aussprache, Bettlersläuse.


Spitzkleye (W3) [Adelung]


Die Spitzkleye, plur. inus. als ein Collectivum, diejenige Kleye zu bezeichnen, welche von dem Schrotmehle oder dem bloß gespitzten Weitzen fällt.


Spitzkopf (W3) [Adelung]


Der Spitzkopf, des -es, plur. die -köpfe. 1. Eigentlich ein spitz zulaufender Kopf, und im gemeinen Leben auch eine Person mit einem solchen Kopfe. 2. Figürlich im gemeinen Leben, eine arglistige und in weiterer Bedeutung, eine jede spitzfündige Person. S. Spitzfündig.


Spitzlerche (W3) [Adelung]


Die Spitzlerche, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Grasmücke.


Spitzmaul (W3) [Adelung]


Das Spitzmaul, des -es, plur. die -mäuler, eigentlich ein spitzig zugehendes Maul. Figürlich, der Nahme einer Art Rochen, welche bey Siam sehr häufig sind; Raja Oxyrinchus Linn.


Spitzmaus (W3) [Adelung]


Die Spitzmaus, plur. die -mäuse, eine Art Mäuse mit fünf Zehen und einer langen spitzigen Schnauze, von welcher sie auch den Nahmen hat; in einigen Gegenden wegen ihres zischenden Lautes Zischmaus, Zeisel, Erdzeisel, Böhm. Sysel.


Spitzmeißel (W3) [Adelung]


Der Spitzmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Spitzeisen.


Spitzmorchel (W3) [Adelung]


Die Spitzmorchel, plur. die -n, eine Art eßbarer Morcheln mit einem spitzigen Hute und nacktem Stiele, welche in alten Wäldern wohnet, und im Aprill und May zum Vorschein kommt. Sie ist eine Abänderung des Phallus esculentus Linn.


Spitzmünze (W3) [Adelung]


Die Spitzmünze, plur. inus. eine Art der Münze mit langen zugespitzten Blättern, wovon Eine Art bey uns wild wächset; Mentha spicata Linn.


Spitzmuschel (W3) [Adelung]


Die Spitzmuschel, plur. die -n, eine Art vielschaliger fast cylindrischer, an dem einen Ende aber zugespitzter Seemuscheln, welche auch versteinert angetroffen werden; Pholas, Pholade.


Spitznahme (W3) [Adelung]


Der Spitznahme, des -ns, plur. die -n, ein Beynahme, welchen man jemanden gibt, um ihn dadurch einen versteckten Vorwurf zu machen, ihm seine Unvollkommenheit auf eine versteckte Art vorzurücken; der Stichelnahme, der, wenn der Vorwurf deutlicher ist, im Nieders. ein Ökernahme, Ökelnahme, und wenn ein merklicher Grad des Spottes damit verbunden wird, im Hochdeutschen auch ein Spottnahme heißt. Entweder von spitz, auf eine versteckte Art höhnisch, S. Spitze

Anm. oder auch von dem Nieders. Spiet, Hohn, Spott.


Spitznuß (W3) [Adelung]


Die Spitznuß, plur. die -nüsse, ein Nahme, welchen auch die Wassernüsse, wegen ihrer Spitzen oder Stacheln bekommen.


Spitzpinsel (W3) [Adelung]


Der Spitzpinsel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Mahlern, ein Pinsel mit scharfen Spitzen zu seinen Arbeiten.


Spitzpocke (W3) [Adelung]


Die Spitzpocke, plur. die -n, S. Spitzblatter.


Spitzpumpe (W3) [Adelung]


Die Spitzpumpe, plur. die -n, in einigen Gegenden, z. B. in Meißen, ein Raubvogel, welcher klein von Leibe und nicht so stark als eine Waldschnepse ist, aber einen längern Hals und einen länglichen sehr spitzigen Schnabel, gelbe Federn und schwärzliche Flügel hat. Die erste Hälfte des Nahmens rühret von ihrem spitzigen Schnabel her, so wie die letzte eine Nachahmung ihrer dumpfigen Stimme seyn kann.


Spitzrad (W3) [Adelung]


Das Spitzrad des -es, plur. die -räder, ein Rad der Radler vermittelst desselben die Nadeln auf dem Spitzringe oder Spitzsteine zuzuspitzen; das Zuspitzrad.


Spitzring (W3) [Adelung]


Der Spitzring, des -es, plur. die -e, bey eben denselben, ein stählerner Ring, die Nadeln auf demselben zuzuspitzen.


Spitzruthe (W3) [Adelung]


Die Spitzruthe, plur. die -n, ein in manchen Gegenden für Spießruthe übliches Wort, eine Ruthe mit einer einzigen Spitze zu bezeichnen.


Spitzsäule (W3) [Adelung]


Die Spitzsäule, plur. die -n, ein erst in den neuern Zeiten gebildetes Wort, das Griechische Pyramide dadurch zu übersetzen, wo nur das Wort Säule nicht recht schicklich ist, daher der Nahme einem Prachtkegel oder Obelisk, welcher oben gleichfalls ein wenig zugespitzt ist, angemessener seyn würde. Den letztern nannte Opitz einen Spitzstein.


Spitzschwanz (W3) [Adelung]


Der Spitzschwanz, des -es, plur. die -schwänze, in einigen Gegenden, ein Nahme der Spießänte, ( S. dieses Wort; in andern des Band- oder Klippfisches, Cepola L.


Spitzsottel (W3) [Adelung]


Die Spitzsottel, plur. die -n, S. Spitzgelänge und Sottel.


Spitzstahl (W3) [Adelung]


Der Spitzstahl, des -es, plur. die -stähle, bey den Drechslern ein zugespitzter Drehstahl.


Spitzstein (W3) [Adelung]


Der Spitzstein, des -es, plur. die -e, bey den Nadlern, ein runder Schleifstein, die auf dem Spitzringe zugespitzten Nadeln darauf zu polieren.


Spitzstöckel (W3) [Adelung]


Der Spitzstöckel, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein langer eiserner Nagel in dem Werktische, auf welchem der Draht zu den Nadeln vorgespitzt wird.


Spitzstrichel (W3) [Adelung]


Das Spitzstrichel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Strichel.


Spitzwinkelig (W3) [Adelung]


Spitzwinkelig, adj. et adv. einen spitzigen Winkel habend, zum Unterschiede von dem rechtwinkelig und stumpfwinkelig.


Spitzzahn (W3) [Adelung]


Der Spitzzahn, des -es, plur. die -zähne, ein spitziger, zugespitzter Zahn; Spießzahn, Hundszahn.


Spleiße (W3) [Adelung]


Die Spleiße, plur. die -n, Diminut. das Spleißchen, ein nur in einigen Gegenden und einigen Fällen übliches Wort, ein Ding zu bezeichnen, welches durch spleißen oder spalten entstanden ist. So werden die Dachspäne in manchen Gegenden Spleißen, Nieders. Spleten, genannt. In andern sind es die Schuppen oder Funken, welche von dem glühenden Eisen abspringen, wo aber auch der Begriff des Leuchtens, Glänzens mit eintritt. Dasjenige, was sich an den Kleidungsstücken von dem Zeuge abreibet, und sich zwischen dem Futter und Oberzeuge setzet, heißt im Oberdeutschen in weiterer Bedeutung die Spleißen. S. das folgende.


Spleißen (W3) [Adelung]


Spleißen, verb. irreg. Imperf. ich spließ, Mittelw. gesplissen; Imperat. spleiß. Es bedeutet eigentlich spalten, und wird so wie dieses so wohl als ein Neutrum, als auch als ein Activum gebraucht, da es denn im ersten Falle das Hülfswort seyn bekommt. Im Hochdeutschen wird es wenig gebraucht, desto häufiger aber in einigen Oberdeutschen Gegenden, da es denn auch in weiterer Bedeutung für reißen, trennen, scheiden üblich ist. 1. Eigentlich, wie spalten. Das Holz ist gesplissen, hat sich gesplissen, gespalten. Noch häufiger als ein Activum; Holz spleißen, Reise, Faßdauben, Dachspäne spleißen. 2. Im weitern Verstande für reißen, theilen, trennen, in welchem es im Hochdeutschen völlig ungewöhnlich ist. Daß durch stolzen Wahn im Wissen. Das arme Christenthum in Stücken ist gesplissen, Opitz. Nur im Hüttenbaue einiger Gegenden, z. B. auf dem Harze, ist das Spleißen ein Schmelzen, durch welches das Königskupfer verschmelzen und reiner gemacht wird, welches in andern Gegenden das große Gahrmachen heißt. Es geschiehet in dem Spleißofen und der Spleißhütte von dem Spleißmeister und dessen Spleißknechten. Wo vermuthlich auch der Begriff des Scheidens oder Trennens der herrschende ist. So auch das Spleißen.

Anm. Im Nieders. spliten, und intensive spletten, zu welchem letztern unser Splitter gehöret, im Engl. split, im Schwed. splita, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welche alle so wohl spalten als reißen, zerreißen bedeuten; die Kleider zerspleißen, im Niedersächsischen terspliten. Es ist nicht aus spalten gebildet, sondern druckt seinen eigenen, freylich sehr nahe verwandten Laut aus. Es ist eine ziemlich allgemeine Regel, daß von zwey oder mehrern Anfangs-Consonanten nur die letzte eigentlich zu dem Stammlaute gehöret, die übrigen aber Präfixa sind, welche diesen Stammlaut auf verschiedene Art abändern. Nach dieser Regel gehöret spleißen zu dem Laute, welchen lassen, letzen, in verletzen u. s. f. mit vorgesetztem Blaselaute blesser, platzen u. s. f. ausdrucken. Mit andern Vorlauten bedeutet auch schleißen, und im Schwed. sprita, in einigen Gegenden spreißen, spalten, welches letztere mit unserm spreitzen und reißen verwandt ist. S. auch Splint.


Spleißhütte (W3) [Adelung]


Die Spleißhütte, plur. die -n, S. das vorige.


Spleißig (W3) [Adelung]


Spleißig, -er, -ste, adj. et adv. was sich spalten, und in engerer Bedeutung, was sich leicht spalten lässet; auch nur in einigen Gegenden.


Spleißmeister (W3) [Adelung]


Der Spleißmeister, Spleißofen, S. Spleißen.


Splint (W3) [Adelung]


1. Der Splint, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein nur in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, übliches Wort, den Anfang des Holzes an den Bäumen, den weichern und hellern Theil des Holzes zwischen der Rinde und dem Kerne zu bezeichnen, welcher in andern Gegenden der Spint, der Span und der Spund genannt wird. Englisch Splint. Es scheinet, daß entweder die weiche Beschaffenheit oder auch die hellere Farbe zu der Benennung Anlaß gegeben. In Ansehung des ersten Begriffes würde Splint zu linde, gelinde, lenis, in Ansehung der letztern aber zu Glanz, blenden, splendere, u. s. f. gehören. Wenigstens heißt der Splint wegen seiner weißlichen Farbe im Lat. Alburnum. Spint und Spund leiden eben dieselbe Ableitung, so wie das Lat. Splen, die Milz, sowohl den Begriff der Weiche, als der Weiße haben kann. Das in den gemeinen Sprecharten übliche splinternackend, ganz, völlig nackend, wofür in andern Gegenden splitternackend üblich ist, scheinet gleichfalls hierher zu gehören und so wie bloß, gleichfalls die Weiße der nackten Haut zu bezeichnen; denn das folgende Splint und Splitter in der gewöhnlichen Bedeutung geben keinen begreiflichen, wenigstens keinen analogischen Ableitungsgrund, man müßte denn den Ausdruck als gleich bedeutend mit fasennackend ansehen, so nackend, daß man auch keinen Splint oder Splitter von dem Zeuge mehr an sich hat.


Splint (W3) [Adelung]


2. Der Splint, des -es, plur. die -e, Diminut. das Splintchen, ein auch nur in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, gangbares Wort, in welchem der Begriff des Spaltens der herrschende ist. In einigen Gegengen werden die Splitter oder zarten Späne, Splinte und Splintchen genannt. Am üblichsten ist es von einem dünnen zusammen gebogenen Eisen mit einer Feder, oder auch von einem dünnen, langen zusammen gebogenen Stückchen Stahl, welches man durch das lange Loch eines Riegels oder Bolzens steckt, und hernach die Schenkel aus einander bieget, das Zurückgehen des Riegels oder Bolzens zu verhindern, in welcher Bedeutung Splint im Niederdeutschen am gangbarsten ist; dagegen dieses Werkzeug im Hochdeutschen eine Spleiße, noch häufiger aber eine Schleiße, oder Schließe heißt. ( S. Splintbolzen.) Alle diese Nahmen rühren von der gespaltenen Gestalt her, obgleich Schließe auch zunächst zu schließen gehören kann. Von ähnlicher Art scheinen die Splintchen der Tuchscherer zu seyn, welches spitzige mit Federn versehene Häkchen sind, den so genannten Frosch damit zu fassen. In einigen Niederd. Gegenden ist auch der Splint ein längliches gespaltenes Stück Eisen, eine besondere Art Schlösser, welche daher Splintenschlösser heißen, damit zu öffnen.

Anm. Im Engl. und Schwed. gleichfalls Splint. Das Zeitwort splinten, für spalten, muß längst veraltet seyn, wenn es jemahls vorhanden gewesen, denn da sich das n als ein Nasenlaut oft müßig mit einschleicht, so kann Splint auch von dem Nieder- deutschen Spliet, ein gesplissenes oder gespaltenes Ding gebildet seyn. S. Splitter.


Splintbolzen (W3) [Adelung]


Der Splintbolzen, des -s, plur. ut nom. sing. am häufigsten im Niederdeutschen, ein Bolzen, welcher an dem einen Ende mit einem Splinte versehen wird; im Hochdeutschen der Schließbolzen.


Splinternackend (W3) [Adelung]


Splinternackend, S. 1 Splint.


Splitter (W3) [Adelung]


Der Splitter, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Splitterchen, Oberd. das Splitterlein, eigentlich ein durch Spleißen oder Spalten entstandenes Stück, wo es doch nur in engerer Bedeutung von kleinen langen spitzigen Stücken dieser Art üblich ist. Ein Splitter von Glas, Holz, Stein u. s. f. ein Glas- Holz- oder Steinsplitter. Sich einen Splitter in den Finger stoßen. Was siehest du den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balken in deinem Auge? Matth. 7, 3. S. Splitterrichter.

Anm. Im Schwed. Splitter und Splitra, im Engl. Splinter, ( S. 2 Splint.) Die Endsylbe er, bezeichnet ein Ding, Subject; Splitt aber stammet von dem noch Niederdeutschen spletten, dem Intensivo von spleten, spleißen, her. Splitter bedeutet also ein durch heftiges Spalten oder brechen eines harten Körpers entstandenes spitziges Ding. ( S. Spleißen.) Von einem Fasen, Lumpen, Fetzen, oder andern durch Reißen entstandenen Theil eines weichen Körpers ist es im Hochdeutschen veraltet. ( S. Splitternackend.) In einigen Gegenden ist es weiblichen Geschlechtes, und daher rühret es wohl, daß man auch im Hochdeutschen im Plural zuweilen Splittern für Splitter sagt.


Splitterbruch (W3) [Adelung]


Der Splitterbruch, des -es, plur. die -brüche, bey den Mundärzten, eine Art des Knochenbruches, da sich zugleich Splitter von dem Knochen ablösen.


Splitterholz (W3) [Adelung]


Das Splitterholz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Gehölzen, die -hölzer, im Forstwesen einiger Gegenden ein Nahme des Hauholzes, welches zu seiner Zeit geschlagen oder abgetrieben wird; zum Unterschiede von dem Sägeholze.


Splitterig (W3) [Adelung]


Splitterig, -er, -ste, adj. et adv. sich in Splitter auflösend, viele Splitter gebend. Splitteriges Holz. Ein splitteriges Fossil.


Splittern (W3) [Adelung]


1. * Splittern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches ein unmittelbare Onomatopöie ist, und ängstlich schreyen, ein Zetergeschrey erheben, bedeutet. Im Hochdeutschen ist es unbekannt, nicht aber im Niederdeutschen, wo man es mit schreyen, zu verbinden pflegt, schreyen und splittern. In einer weitern aber ähnlichen Bedeutung scheinet Opitz es zu gebrauchen. Daß Thal und Hügel splittert; d. i. schüttert, wiederschallet.


Splittern (W3) [Adelung]


2. Splittern, verb. reg. welches zu Splitter gehöret, und in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, sich in Splitter auflösen. Das Holz splittert, wenn es in der Bearbeitung Splitter gibt. 2. In Splitter verwandeln. Das Holz splittern, es zu Splittern machen. In zersplittern bedeutet es figürlich, so wie zerspillen, vereinzeln und dadurch verderben oder verlieren. So auch das Splittern.

Anm. Entweder als das intensive Iterativum von dem noch Niederdeutschen spletten, spleten, spleißen, oder auch unmittelbar von Splitter.


Splitternackend,Splitternackt (W3) [Adelung]


Splitternackend, oder Splitternackt, adj. et adv. welches aber nur im gemeinen Leben üblich ist, völlig nackt, ganz unbekleidet, so daß man auch keinen Splitter von einem Zeuge mehr an sich hat, fasennackt. Im Nieders. splinternackend, im Schwed. gleichfalls splitternaken, spillernaken, im Dän. splitter nögen. Merkwürdig ist es, daß man das Wort Splitter auch in einigen Sprachen und Mundarten gebraucht, überhaupt den höch- sten Grad eines Prädicates auszudrucken. So ist im Schwed. split gaten, spiit rasunde, völlig wüthend, oder rasend, und im Nieders. splittertoll, sehr tobend, splittergewalt, absolut. Verglichen damit 1. Splint, und das Nieders. spalderneu, völlig neu, in Spielen und Spalten.


Splitterrichten (W3) [Adelung]


Das Splitterrichten, des -s, plur. car. ein aus dem biblischen Gleichnisse, Matth. 7, 3 entlehntes Wort, die lieblose Beurtheilung der geringen Fehler anderer zu bezeichnen. ( S. Splitter.) Daher der Splitterrichter, Fämin. die Splitterrichterinn, eine Person, welche die geringen Fehler anderer auf eine lieblose Art beurtheilet. Nicht so gewöhnlich ist das Zeitwort splitterrichten. Die Redlichkeit, Die sich daran nicht kehrt, daß man sie splitterrichte, Günth.


Sponde (W3) [Adelung]


Die Sponde, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, ein Bettgestell zu bezeichnen, welches man auch wohl eine Bettsponde nennet. Die zu Samaria wohnen, und haben in der Ecken ein Bette und zu Damasko eine Sponden Amos 3, 12. Im Latein. gleichfalls Sponda. Entweder von spünden, oder welches noch wahrscheinlicher ist, als ein naher Verwandter von Spind, ein Schrank, und Spanbett, so daß der Begriff des hohlen, eingeschlossenen Raumes der Stammbegriff ist. ( S. Spind.) Ein anderes Wort ist das Ital. Sponda, der Rand, die Gränze, welches von dem veralteten deutschen Baind, die Gränze abstammet, und mit Band, Wand u. s. f. Eines Geschlechtes ist.


Spor (W3) [Adelung]


Spor, im Hüttenbaue, S. Spur.


Sporader,Spornader (W3) [Adelung]


Die Sporader, oder Spornader, plur. die -n, bey den Pferden, eine Blutader am Bauche hinter dem Gurte, in der Gegend des Spornes; die Herzader, Seitenader. Thoracica externa.


Sporapfel (W3) [Adelung]


Der Sporapfel, des -s, plur. die -äpfel, Siehe Sperberbaum.


Sporen (W3) [Adelung]


Sporen, verb. reg. neutr. welches nur in einigen Gegenden für faulen üblich ist, S. Sparen.


Sporey (W3) [Adelung]


Das Sporey, des -es, plur. die -er, im gemeinen Leben, unfruchtbare Eyer, welche von Hennen gelegt werden, ohne daß sie von dem Hahne getreten worden, und noch häufiger Windeyer genennt werden; vielleicht von bar, bloß, leer, oder auch von sporen, sparen, faul, untauglich seyn.


Sporenstich (W3) [Adelung]


Der Sporenstich, des -es, plur. inus. eine figürliche Benennung des Enzianes, S. dieses Wort.


Sporenstreichs (W3) [Adelung]


Sporenstreichs, S. Spornstreichs.


Sporer (W3) [Adelung]


Der Sporer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher Spornen, Gebisse und anderes zur Regierung eines Pferdes gehörigen Geräth aus Metall verfertiget; von dem veralteten Spor, Sporn.


Sporgelbeere (W3) [Adelung]


Die Sporgelbeere, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Faulbeeren, deren Strauch alsdann auch der Sporgelbeerstrauch genannt wird; Rhamnus Fragula Linn. Gleichfalls von sporen, sparen, faul seyn. S. Elsebeere.


Sporkupfer (W3) [Adelung]


Das Sporkupfer, S. Spurkupfer.


Sporleder (W3) [Adelung]


Das Sporleder, S. Spornleder.


Sporn (W3) [Adelung]


Der Sporn, des -es, plur. die -en, ein Wort, welches überhaupt ein Werkzeug zum Stoßen oder Stechen bedeutet, aber jetzt nur noch in einigen einzelnen Fällen von besondern Arten von Stacheln gebraucht wird. Am bekanntesten ist es von demjenigen Werkzeuge, womit der Reiter seine Ferse bewaffnet, das Pferd vermittelst desselben anzutreiben, welches ehedem ein an dem Absatze befestigter Stachel war, jetzt aber ein stacheliges Rädchen an einem metallenen Bügel ist. Die Spornen anlegen, ablegen. Dem Pferde die Spornen geben. Ein Pferd heißt spornstätig, wenn es stätig wird, d. i. nicht von der Stelle will, so bald es die Spornen fühlet. Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt mit den alten ehemahligen Spornen führet die bekannte Blume "Rittersporn" diesen Nahmen; welche auch Spornblume genannt wird. Wegen eben dieser Ähnlichkeit führen nicht nur die Hinterklauen an dem Federviehe und manchen Vögeln, z. B. den Lerchen zur Streichzeit sondern auch die Afterklauen oder Oberklauen mancher vierfüßigen Thiere über dem Ballen den Nahmen der Spornen, welche bey den wilden Schweinen auch die Rücken, Oberrücken, bey andern vierfüßigen Thieren aber auch die Aftern heißen. Figürlich ist der Sporn ein heftiger sinnlicher Antrieb, lebhafter Bewegungsgrund. In der weitern Bedeutung eines Stachels sind die Spornen bey den Goldplättern zwey eiserne Stacheln, welche die blecherne Rolle mit dem Drahte, der geplättet werden soll, tragen. Siehe auch Eissporn, welches Stacheln sind, die man sich unter die Schuhe befestiget, um sicher auf dem Eise gehen zu können. In den Niederdeutschen Marschländern hat man auch ähnliche Kleyspornen in dem fetten schlüpfrigen Kleylande. In noch weiterm Verstande ist der Sporn zuweilen ein Strebepfeiler an einer Futtermauer, wo aber auch der Begriff des Bährens oder Tragens mit eintritt. Auch gewisse mit eisernen scharfen oder spitzigen Ecken beschlagene Bäume an den Brücken, damit sich die großen Eisschollen daran zerstoßen, welche noch von den Eisböcken verschieben sind, führen in vielen Gegenden den Nahmen der Spornen.

Anm. Schon bey dem Stryker Sporn, im gemeinen Leben der Hochdeutsch. besonders im Plural, Sporen, im Nieders. Spaarn, im Engl. Spur, im Schwed. Sporre, im Isländ. Spore, im Angels. Spora, im Ital. Spore, im Franz. Esperon, im Wallisischen Yspardum, im Epirot. Spori. Ihre gibt sich viele vergebliche Mühe, dieses Wort als einen Verwandten von dem Lakonisch - Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Fuß, dem Lat. Perna, Perniones, Pernix u. s. f. abzuleiten, weil die Spornen einen Theil der Bekleidung des Fußes des Reiters ausmachen. Allein der Begriff eines Stachels sticht zu merklich hervor, als daß man denselben verkennen könnte, daher man es allerdings als einen Verwandten von Speer, Spier, bohren u. s. f. anzusehen hat. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine kleine Spitze. Der Plural soll vielen Sprachlehrern zu Folge Sporne haben, allein alle Hochdeutschen sagen Spornen. Die gemeine Form Sporen ist noch in manchen Zusammensetzungen die herrschende, z. B. sporenstreichs, der Sporer u. s. f.


Spornen (W3) [Adelung]


Spornen, verb. reg. act. welches, 1. * Ehedem überhaupt heftig stoßen bedeutet, in welcher Bedeutung es aber veraltet ist. Wider garte ze spornonne, übersetzt Notker das, wider den Stachel läcken, oder ausschlagen. Thaz thue ni bispurnes in steine thinan fuoz, daß du deinen Fuß an keinen Stein stoßest, im Tatian, welches bey dem Ottfried heißt: thaz thin fuaz io uuanne in steine ni firspurne. Daher es denn auch figürlich für thätig widersetzen gebraucht wurde; di uuider Gote spornen, Notker. 2. In engerer Bedeutung, mit einem Stachel zur Beschleunigung des Ganges antreiben, wo es besonders von den Stacheln üblich ist, womit der Reiter seine Ferse bewaffnet. Das Pferd spornen, ihm die Spornen geben, es mit den Spornen stechen. Ingleichen figürlich heftig antreiben. Die Leidenschaft spornt den Ehrgeitzigen beständig, Dusch. ( S. auch Anspornen.) 3. Die Spornen anlegen, wo es doch nur im Mittelworte üblich ist. Gestiefelt und gespornt, mit Stiefeln und Spornen angethan. So auch das Spornen.

Anm. Im gemeinen Leben nur sporen, wovon spornen ein Intensivum zu seyn scheinet, im Angels. spornan, im Schwed. spjerna, im Isländ. spirna. Es ist allem Ansehen nach ver- mittelst des hier intensiven Zischlautes aus dem größten theils veralteten bären, schlagen, stoßen, gebildet, oder so fern der Begriff des Stechens der herrschende ist, von Speer hergeleitet.


Spornhalter (W3) [Adelung]


Der Spornhalter, des -s, plur. ut nom. sing. an den Stiefeln das starke hervorstehende Leder, worauf der Sporn ruhet.


Spornleder (W3) [Adelung]


Das Spornleder, des -s, plur. ut nom. sing. dasjenige Leder, vermittelst dessen der Sporn über dem Fuße fest geschnallet wird.


Spornstätig (W3) [Adelung]


Spornstätig, adj. et adv. S. Sporn.


Spornstreichs (W3) [Adelung]


Spornstreichs, im gemeinen Leben sporenstreichs, adv. in dem schnellsten Laufe, gleich einem angespornten Pferde.


Spornträger (W3) [Adelung]


Der Spornträger, des -s, plur. ut nom. sing. dasjenige Leder an der Ferse der Stiefeln, welches den Sporn träget, worauf derselbe auflieget.


Sporrost (W3) [Adelung]


Der Sporrost, im Hüttenbaue, S. Spurrost.


Sporstein (W3) [Adelung]


Der Sporstein, S. Spurstein.


Sporteln (W3) [Adelung]


Die Sporteln, sing. inus. diejenigen Gebühren, welche die Gerichtspersonen von den klagenden Parteyen für ihre Bemühung mancherley Art erhalten, in Ansehung dieser Gerichtspersonen, da sie in Rücksicht beyder Gebühren heißen. Es ist aus dem Latein. Sportula entlehnt, welches eigentlich einen kleinen Korb, hernach aber auch Erfrischungen und Speisewaaren bedeutete, welche andern in solchen Körben zugeschickt wurden, worin denn auch wohl die älteste Art der gerichtlichen Gebühren bestand.


Spott (W3) [Adelung]


Der Spott, des -es, plur. car. 1. Scherz, Spiel, Handlungen und Worte, welche bloß auf die Belustigung abzielen. (1) * Im weitesten Verstande, eine jetzt veraltete Bedeutung, in welcher es bey dem Stryker und dessen Zeitgenossen so wohl für Scherz als Spiel überhaupt vorkommt. Auch das Schwed. Spott ist noch in dieser Bedeutung gangbar. In einigen Gegenden höret man noch jetzt: ich sage es ohne Spott; es ist mir in der That kein Spott, kein Scherz. (2) In engerm Verstande, das Vergnügen über den Schaden oder die Unvollkommenheiten anderer, so fern es durch beißende Worte ausbricht. Wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen. Sich dem Spotte anderer aussetzen. Seinen Spott mit etwas treiben. (3) Ehedem gebrauchte man es auch häufig für Schande, Schimpf, als der Wirkung des Spottes, in welchem Verstande es aber nur noch im gemeinen Leben üblich ist. In Spott und Schande bringen. In Spott gerathen. Spott mit etwas einlegen. Einem einen Spott anthun, einen Schimpf. Ich will den Spott nicht auf mir sitzen lassen. 2. Ein Gegenstand des Spottes, in der zweyten engern Bedeutung. Zu Spott werden. Jemanden zum Spott machen. Du wirst ein Spott seyn unter allen Völkern, 5 Mos. 28, 37. Ich bin ein Spott allem Volk, Klagel. 3, 17. nicht zu Spott werden, Es. 45, 17. 3. Ein verächtlich geringer Preis, ein verächtlich geringes Geboth, doch nur im gemeinen Leben, für Spottgeld. etwas um einen Spott kaufen. Einen Spott auf etwas biethen.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern Spot, im Nieders. Spiet, im Engl. Spite, im Schwed. Spott. S. Spotten.


Spötteln (W3) [Adelung]


Spötteln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das Diminut. von spotten ist, ein wenig spotten, auf eine mehr versteckte Art spotten. Daher die Spötteley, das Spötteln, so wohl von der Handlung und ohne Plural, als auch von solchen Worten und Ausdrücken mit demselben.


Spotten (W3) [Adelung]


Spotten, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gefunden wird. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. I. Scherzen, eine im Hochdeutschen veraltet, und nur in einigen gemeinen Mundarten übliche Bedeutung. Ich spotte nicht, es ist mein wahrer Ernst. Wohl aber gebraucht man es noch zuweilen im engern Verstande, ehrwürdige und ernsthafte Dinge zum Scherze mißbrauchen, besonders mit dem Vorworte mit. Damit ist nicht zu spotten. Mit der Religion, mit der Bibel spotten. 2. In engerm und gewöhnlicherm Verstande, sein Vergnügen über anderer Schaden und wahre oder eingebildete Unvollkommenheit ausdrucken oder merklich machen. Laß sie nicht freuen, die mir feind sind, noch mit den Augen spotten, die mich hassen, Ps. 35, 19. In diesem weitern Verstande ist es im Hochdeutschen fremd, wo man es nur in so fern gebraucht, als dieses Vergnügen durch scherzhafte oder beißende Worte an den Tag geleget werden, da man es denn so wohl mit dem Vorworte über, als auch, und zwar am häufigsten in der edlern Schreibart mit der zweyten Endung der Person oder Sache verbindet. Über etwas spotten. Über jemandes Unglück spotten. Wer sie siehet, wird ihrer spotten, Ps. 64, 9. Spotte des Lahmen nicht, 4 Esr. 2, 21. Ein Gallsüchtiger, der des Vergnügens spottet, und der Freude flucht, Sonnenf. Ohne Schamröthe eines Gebrechlichen spotten, Gell. II. Als ein Activum mit der vierten Endung der Person, für verspotten, in welcher Gestalt es im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Irret euch nicht, Gott lässet sich nicht spotten, Gal. 6, 7. Elias spottete die Baals-Pfaffen, 1 Kön. 18, 27. Die Knaben spotteten den Eliam, 2 Kön. 2, 23. Er wird die Spötter spotten, Sprichw. 3, 34. So auch das Spotten.

Anm. Bey dem Notker spotten, im Schwed. spotta. Fast alle Wortforscher lassen dieses Wort von speyen, Lat. spuere, sputum, abstammen, und erklären es; zum Merkmahle der Verachtung gleichsam anspeyen. Indessen liegt doch nichts von Verachtung, und am wenigsten von einer so tiefen Verachtung in dem Worte, als mit dem Anspeyen verbunden ist, wohl aber sticht der Begriff der Freude, der Lustigkeit, des Scherzes merklich hervor, daher die Bedeutung des Scherzens, Spielens, die erste und eigentliche zu seyn scheinet, da es denn ein Verwandter von Spaß, Posse, im Nieders. Putz, u. s. f. seyn würde. Übrigens erhellet aus dem verdoppelten t, daß dieses Wort eigentlich ein Intensivum ist. Das einfachere ist noch im Niedersächsischen übrig, wo Spiet, Hohn, Spott, aber auch Verdruß, Kränkung, und spieten, als ein Intransitivum, verdrießen, bedeutet. Spotten heißt daselbst Spietlocken, eigentlich Spott lachen. Ohne allen Ableitungslaut ist im Niedersächs. späh, spee, spey, spöttisch, höhnisch, Speyvogel, ein Spottvogel.


Spötter (W3) [Adelung]


Der Spötter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Spötterinn, eine Person, welche spottet, und in engerer Bedeutung, welche eine Fertigkeit besitzet, zu spotten, d. i. so wohl ernsthafte und ehrwürdige Dinge zum Scherze zu mißbrauchen, als auch ihr Vergnügen über anderer Schaden oder Unvollkommenheiten durch scherzhafte oder beißende Worte an den Tag zu legen; im gemeinen Leben ein Spottvogel. Ismael war ein Spötter, 1 Mos. 21, 9. Der Spötter sucht Weisheit und findet sie nicht, Sprichw. 14, 6. Aber mit dem possessiven Fürworte, meine Freunde sind meine Spötter, Hiob 16, 20 ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich, weil spotten als ein Activum hier nicht mehr gangbar ist.


Spötterey (W3) [Adelung]


Die Spötterey, plur. die -en. 1. Die Handlung des Spottens, ingleichen die Neigung und Fertigkeit zu spotten; beydes ohne Plural. 2. Der Ausbruch dieser Neigung durch Worte und Ausdrücke, mit dem Plural. Eine Spötterey vorbringen.


Spottgedicht (W3) [Adelung]


Das Spottgedicht, des -es, plur. die -e, ein Gedicht, dessen Absicht ist, über anderer Mängel und Laster zu spotten; ein von einigen für Satyre gebrauchtes Wort, wofür andere mit noch wenigerm Glücke Stachelgedicht einzuführen versucht haben.


Spottgeist (W3) [Adelung]


Der Spottgeist, des -es, plur. die -er. 1. Die herrschende Neigung zum Spotten, ohne Plural. 2. Eine mit dieser Neigung behaftete Person; ein Spötter.


Spottgeld (W3) [Adelung]


Das Spottgeld, des -es, plur. inus. eine im höchsten Grade geringe Summe, als wenn man damit des Werthes der Sache spotten wollte, oder auch so fern Spott ehedem so viel wie Schande war, indem man in eben diesem Verstande auch ein Schandgeld sagt. Etwas für ein Spottgeld bekommen. Jemanden ein Spottgeld biethen. Im gemeinen Leben auch nur der Spott. S. Spott und Spottwohlfeil.


Spöttisch (W3) [Adelung]


Spöttisch, -er, -te, adj. et adv. 1. Neigung, Fertigkeit besitzend, anderer zu spotten. Ein spöttischer Mensch. 2. Einen Spott verrathend, enthaltend, in dem selben gegründet. Spöttische Worte. Eine spöttische Miene. Ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch verziehet, ist nicht selten um so viel schöner, Less. im Nieders. spietsk, spey, speh.


Spöttlich (W3) [Adelung]


Spöttlich, -er, -ste, adj. et adv. ein im Hochdeutschen wenig übliches Wort. 1. Für spöttisch, in welcher Bedeutung es sich schon bey dem Hornegk findet. Dem Haufen, der dir spöttlich flucht, Canitz. 2. Datum hast du eine spöttliche Strafe unter sie geschickt. Da sie aber solche spöttliche Ermahnung nicht bewegete u. s. f. Weish. 12, 25. Wo es für schimpflich zu stehen scheinet, von dem veralteten Spott, Schimpf.


Spottnahme (W3) [Adelung]


Der Spottnahme, des -ns, plur. die -n, ein Beynahme, welchen man jemanden gibt, seiner damit zu spotten. Siehe Spitznahme.


Spottschrift (W3) [Adelung]


Die Spottschrift, plur. die -en, eine Schrift, deren Absicht ist, anderer Dinge damit zu spotten; eine Satyre. S. Spottgedicht.


Spottvogel (W3) [Adelung]


Der Spottvogel, des -s, plur. die -vögel, in der vertraulichen Sprechart, ein leichtfertiger Spötter, eine leichtfertige Spötterinn.


Spottwohlfeil (W3) [Adelung]


Spottwohlfeil, adj. et adv. im höchsten Grade wohlfeil. S. Spottgeld.


Sprache (W3) [Adelung]


Die "Sprache", plur. die -n, von dem Zeitworte "sprechen", ein in einer doppelten Hauptbedeutung übliches Wort.

1. Als ein Abstractum, und ohne Plural.

(1) Das Vermögen zu sprechen.

(a) Im weitesten Verstande, das Vermögen, den innern Zustand seines Geistes durch Töne auszudrucken, und in dieser Bedeutung haben auch die Thiere eine Sprache. Die Thiersprache. Ach! und O! sind die Sprache des leidenden Menschen.

(b) Im engern und gewöhnlichern Verstande ist die Sprache das Vermögen, seine Gedanken durch Worte, d. i. articulierte (eigentlich nachgeahmte Töne) auszudrucken, das Vermögen Worte als Zeichen der Gedanken zu gebrauchen. Die Sprache ist ihm vergangen. Die Sprache wieder bekommen. Ohne Sprache da liegen, (S. Sprachlos.) Der Schrecken benahm ihm die Sprache. Die Sprache hat sich wieder gefunden.

(c) Figürlich bedeutet es zuweilen die Aussage, das Bekenntniß. Er will mit der Sprache nicht heraus. Nur heraus mit der Sprache! Nimm mir es nicht übel, daß ich mit der Sprache heraus rücke, daß ich es gerade heraus sage. Nach einer andern Figur kommt eine Sache zur Sprache, wenn ernstlich darüber gesprochen oder gehandelt wird.

(2) Die Art und Weise zu sprechen, wo es wieder in verschiedenen Einschränkungen üblich ist.

(a) In Rücksicht auf das Vermögen zu sprechen, wo es doch seltener gebraucht wird. Eine schwere, eine leichte Sprache haben.

(b) In Rücksicht auf den Schall, für Stimme. Eine grobe, eine klare Sprache haben. Dieses Frauenzimmer hat eine männliche Sprache.

(c) In Rücksicht auf die Mundart. Du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verräth dich, Matth. 26, 73.

(d) In Ansehung der Art und Weise sich auszudrucken, wo fast jeder Stand der bürgerlichen Gesellschaft, jede Lebensart, jede Leidenschaft ihre eigene Sprache hat. Die Sprache des gemeinen Lebens, des Hofes, der feinen Welt. Die Jägersprache, Handwerkssprache, Künstlersprache u. s. f. weg mit der Satyre! sie ist nicht die Sprache des Liebhabers. Diese Thränen, diese Seufzer, diese Sprache der Natur, wo sich die empfindlichste Seele mit so vieler Aufrichtigkeit abschildert, Weiße. Die Sprache der Liebe ist im Neste der Nachtigall süßer Gesang und im Winkel der Katze Zetergeschrey, Herd. wo es in der weitesten Bedeutung der Töne jeder Art stehet. Dieß ist die Sprache der Pflicht, Gell. Vergiß diese gezwungene Sprache bey mir, Weiße. Menschen, welche die feine Sprache Helden nennt. Der Telemach hat eine reiche und glänzende Sprache. Er hat diese Sprache erst von den Bösewichtern angenommen. Dieß ist die Sprache der lauten Verzweiflung. Orgon flieht die ehrenrührigen Worte und wählt aus der Sprache des Tadels die gelindesten, Gell. In der Sprache der Liebhaber reden. Wo sich denn

(e) auch oft der Begriff des Inhaltes dessen, was man spricht, mit einschleicht. Verändern sie die Sprache bey Julchen etwas, Gell. Sie reden in der Sprache der Liebhaber. Sollte wohl meine Sprache ihren Ohren ungewöhnlich seyn? Führen nicht alle Mannspersonen eben dieselbe Sprache, die er führet? Sie haben zweyerley Sprachen, und ich weiß nicht, auf welche man sich verlassen soll, Gell. besser, zweyerley Sprache, weil der Plural in dieser ganzen Hauptbedeutung nicht leicht gebraucht wird, ob er gleich der Analogie zu Folge, von mehrern Arten Statt finden könnte.

2. Als ein Concretum, folglich mit dem Plural, der Inbegriff von Tönen, wodurch man seinen innern Zustand ausdruckt.

(1) Im weitesten Verstande, von allen Tönen, so fern sie Zeichen der Empfindung sind. Die Thiersprache. Die Sprache der leidenden Natur.

(2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, der ganze Inbegriff von Wörtern und Redensarten, vermittelst deren die Glieder eines Volkes einander ihre Gedanken mittheilen, die von einer gewissen mit einander verbundenen Menge Menschen angenommene Weise, seine Gedanken durch Wörter und Redensarten von sich geben. Alle Welt hatte einerley Sprache, 1 Mos. 11, 1, 6. Eine reiche, eine arme, eine leichte, eine schwere Sprache. Eine rauhe, barbarische, zierliche Sprache. Die abendländische Sprachen, zum Unterschiede von den morgenländischen. Die Deutsche, Französische, Lateinische Sprache u. s. f. Die Muttersprache, Landessprache. Eine Sprache reden, verstehen, schreiben. Vielerley Sprachen lernen. Verschiedene Sprachen reden. Figürlich wurde daher auch Sprache ehedem für Volk, Nation gebraucht. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter kommt es noch von unterwürfigen Nationen vor. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, welche sich indessen noch mehrmahls in der Deutschen Bibel findet. Den Sprachen weissagen, Offenb. 10, 11. Über alle Sprachen Macht geben, Kap. 13, 7. Allen Sprachen verkündigen, Kap. 14, 6. (3) * Figürlich, eine wirkliche Unterredung. Datun eina Spracha, hielten eine Versammlung, Ottfr. Will mit ihm han ein sprach, Theuerd. Kap. 90. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet, außer daß sie noch zuweilen in dem zusammengesetzten Rücksprache vorkommt. S. auch Morgensprache.

Anm. Schon bey dem Kero "Sprahhi". bey dem Ottfried "Spracha", im Tatian "Spraha", im Niedersächs. "Sprake", "Sprik", im Schwed. "Sprak", S. "Sprechen".


Sprachähnlichkeit (W3) [Adelung]


Die Sprachähnlichkeit, plur. inus. die Ähnlichkeit in der Bildung und Veränderung der Wörter einer und eben derselben Sprache, d. i. das übereinstimmige Verfahren in dem Veränderlichen der Sprache in ähnlichen Fällen; Analogia Linguae, die Analogie.


Sprachfehler (W3) [Adelung]


Der Sprachfehler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Fehler wider die Regeln einer Sprache, ein grammatischer Fehler, ein Sprachschnitzer.


Sprachfenster (W3) [Adelung]


Das Sprachfenster, des -s, plur. ut nom. sing. in den Nonnenklöstern, das Fenster in dem Sprachzimmer, durch welches die Nonnen mit den Fremden zu sprechen pflegen, welches, so fern es gemeiniglich mit einem Gitter versehen ist, auch das Sprachgitter heißt.


Sprachgebrauch (W3) [Adelung]


Der Sprachgebrauch, des -es, plur. inus. dasjenige, was in einer Sprache gebräuchlich ist, die Beobachtung einer und eben derselben Sprachregel von allen Gliedern Eines Volkes, und das daraus erwachsende Gesetz.


Sprachgelehrte (W3) [Adelung]


Der Sprachgelehrte, des -n, plur. die -n, derjenige, welcher eine Sprache auf eine wissenschaftliche Art verstehet, d. i. von allen Veränderungen in derselben Grund anzugeben weiß, und von einem bloßen Sprachkundigen oder Sprachkenner noch verschieden ist; Grammaticus.


Sprachgewölbe (W3) [Adelung]


Das Sprachgewölbe, des -s, plur. ut nom. sing. in der Mathematik, ein elliptisches Gewölbe, wo der Schall, welcher sich aus einem Brennpuncte gegen die Ellipse bewegt, nach dem andern Brennpuncte geworfen wird; daher derjenige, welcher in dem einen Brennpuncte stehet, den in dem andern Brennpuncte stehenden sprechen höret, obgleich andere nichts davon vernehmen.


Sprachgitter (W3) [Adelung]


Das Sprachgitter, des -s, plur. ut nom. sing. S. Sprachfenster.


Sprachgrübler (W3) [Adelung]


Der Sprachgrübler, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher in einer Sprache grübelt, kleinen unerheblichen Umständen in derselben nachforschet.


Sprachkenner (W3) [Adelung]


Der Sprachkenner, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher eine Sprache kennt, d. i. von dem Mannigfaltigen in derselben klare und deutliche Vorstellungen hat; der Sprachkundige.


Sprachkenntniß (W3) [Adelung]


Die Sprachkenntniß, plur. die -e. 1. Die Kenntniß, d. i. klare und deutliche Vorstellung von dem Mannigfaltigen in einer Sprache. 2. Der Inbegriff dieser klaren und deutlichen Vorstellungen, ohne Plural; die Sprachkunde.


Sprachkunde (W3) [Adelung]


Die Sprachkunde, plur. inus. die Runde, d. i. der Inbegriff der klaren und deutlichen Vorstellungen von dem Mannigfaltigen in einer Sprache, wo es am häufigsten subjective gebraucht wird; die Sprachkenntniß. Viel Sprachkunde besitzen, eine Sprache genau kennen.


Sprachkundig (W3) [Adelung]


Sprachkundig, adj. et adv. einer Sprache kundig, d. i. von dem Mannigfaltigen in derselben klare und deutliche Vorstellungen habend. Sprachkundiger Leser. Ein Sprachkundiger.


Sprachkundigkeit (W3) [Adelung]


Die Sprachkundigkeit, plur. inus. die Sprachkunde als eine Fertigkeit betrachtet; die Fertigkeit von dem Mannigfaltigen in einer Sprache klare und deutliche Vorstellungen zu haben.


Sprachkunst (W3) [Adelung]


Die Sprachkunst, plur. inus. der Inbegriff aller oder doch der vornehmsten Ausübungssätze einer Sprache, doch nur objective; Grammatica, die Grammatik, Sprachlehre. Ingleichen ein Buch, welches diese Ausübungssätze enthält. Der Plural ist in dieser Bedeutung so wenig als in andern ähnlichen Zusammensetzungen üblich, so wenig als zur Zeit Sprachkünstler für Grammaticus, Sprachlehrer, und sprachkünstlich für grammatisch eingeführet ist.


Sprachlehre (W3) [Adelung]


Die Sprachlehre, plur. die -n, die Lehre, d. i. der Inbegriff der Vorschriften von dem Mannigfaltigen in einer Sprache, gleich- falls nur objective, und so wie Sprachkunst, nur daß hier von mehrern Büchern dieser Art der Plural gebräuchlich ist.


Sprachlehrer (W3) [Adelung]


Der Sprachlehrer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sprachlehrerinn, eine Person, welche andere in einer Sprache unterrichtet, wo man es in der anständigern Sprechart für das niedrige Sprachmeister gebraucht. In engerer Bedeutung ist es der Verfasser einer Sprachlehre oder andern grammatischen Schrift.


Sprachlos (W3) [Adelung]


Sprachlos, adj. et adv. der Sprache, d. i. des Vermögens zu sprechen beraubt, wo man es am häufigsten von der zufälligen Beraubung der Sprache gebraucht, zum Unterschiede von dem stumm. Sprachlos da liegen. Ein sprachloser Kranker.


Sprachlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Sprachlosigkeit, plur. inus. der Zustand, da man sprachlos ist, besonders so fern dieser Zustand nur zufällig ist.


Sprachmeister (W3) [Adelung]


Der Sprachmeister, des -s, plur. ut nom. sing. überhaupt, der Lehrmeister in einer Sprache, wo es doch nur im gemeinen Leben üblich ist; in der anständigern Sprechart, der Sprachlehrer. Am häufigsten ist es von solchen Personen, welche andere in einer lebendigen Sprache unterrichten, besonders so fern sie aus diesem Unterrichte ein Geschäft machen, und welche in der edlern Schreibart gleichfalls Sprachlehrer heißen.


Sprachmenger (W3) [Adelung]


Der Sprachmenger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sprachmengerinn, eine Person, welche Wörter aus verschiedenen Sprachen ohne dringende Noth unter einander mengt, welche Sprachmengerey in dem siebzehnten, und dem Anfange des achtzehnten Jahrhundertes sehr üblich war, und auch noch jetzt die Lieblingssünde mancher seichten Köpfe ist.


Sprachregel (W3) [Adelung]


Die Sprachregel, plur. die -n, die Regeln, d. i. Ausübungssätze, nach welchen eine Sprache gesprochen und geschrieben werden muß.


Sprachrichtig (W3) [Adelung]


Sprachrichtig, -er, -ste, adj. et adv. den Regeln einer Sprache gemäß, und darin gegründet. So auch die Sprachrichtigkeit.


Sprachrohr (W3) [Adelung]


Das Sprachrohr, des -es, plur. die -e, ein kegelförmiges Rohr, die Sprache, d. i. Stimme eines Sprechenden damit zu verstärken; welches Sam. Morland, ein Engländer, erfunden und 1670 bekannt gemacht hat. Es ist von einem Hörrohre noch verschieden.


Sprachzimmer (W3) [Adelung]


Das Sprachzimmer, des -s, plur. ut nom. sing. ein zur gemeinschaftlichen Unterredung bestimmtes Zimmer. Besonders in den Nonnenklöstern. S. Sprachfenster.


Sprachschnitzer (W3) [Adelung]


Der Sprachschnitzer, des -s, plur. ut nom. sing. ( S. Sprachfehler.) Daher der Sprachschnitzler, derjenige, welcher häufige Sprachschnitzler macht.


Spratzen (W3) [Adelung]


Spratzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in den gemeinen Sprecharten von dem Laute üblich ist, mit welchem gewisse trockne oder feuchte Körper im Feuer springen oder spritzen. Ein flüssiges Metall spratzet, wenn kalte Luft oder Nässe dazu kommt, da es denn in die Höhe steigt, und um sich herum spritzet. In einigen Mundarten auch spreitzen. S. Spritzen, Prasseln und Sprühen, welche Verwandte davon sind.


Sprechart (W3) [Adelung]


Die Sprechart, plur. die -en, die Art und Weise, wie man spricht, besonders in Rücksicht auf die Würde der Wörter. Die anständige, die niedrige, die gemeine Sprechart. Zuweilen wird es auch für Mundart gebraucht. Die Oberdeutsche, die Niederdeutsche Sprechart.


Spreche (W3) [Adelung]


Die Spreche, ein Vogel, S. Sprehe.


Sprechen (W3) [Adelung]


Sprechen, verb. irreg. Präs. ich spreche, du sprichst, er spricht; Imperf. ich sprach, Conj. ich spräche; Mittelw. gesprochen; Imper. sprich. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1. * Im weitesten Verstande, einen Laut von sich geben, eine jetzt veraltete Bedeutung, welche aber die erste und ursprüngliche ist, in welcher sprechen eine unmittelbare Nachahmung dieses Lautes ist. Darum spricht eine rauhe Fidel, nit als wol als ein polierte, in dem 1483 zu Augsburg gedruckten Buche der Natur, wo es für klingen stehet. Man gebraucht es noch in ansprechen von den Pfeifen, und den ihnen ähnlichen musikalischen Instrumenten. Eine Flöte spricht nicht rein, wenn sie keinen reinen Ton hat. Es ist in dieser weitesten Bedeutung mit brechen genau verwandt, ( S. die Anmerkung) und wurde daher so wie dieses auch figürlich von dem Glanze gebraucht. Daher sagen noch die Mahler, daß eine Farbe vorspricht, wenn sie unter einer andern vorschimmert. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, andern verständliche Laute vorbringen, und in noch engerm Verstande, seine Empfindungen und Gedanken durch Worte merklich machen. (1) Im weitesten Verstande, verständliche Laute hervor bringen, und in engerer Bedeutung seine Empfindungen und Gedanken durch Worte ausdrucken, in welcher Bedeutung man auch reden gebraucht. Ein Vogel spricht, kann sprechen, wenn er vernehmliche Laute vorbringen kann. Ein Kind lernt sprechen, wenn es seine Empfindungen und Gedanken durch Worte ausdrucken lernet. Figürlich und in der höhern Schreibart, vermittelst der Worte andern merklich gemacht werden. Die feurigste Zärtlichkeit spricht aus ihm, Sonnenf. Lieb' und Verzweiflung spricht aus beyden, Gell. Das Herz, das aus Gerinen spricht, eben ders. Ich fürcht', Achat, daß meine Schwäche nicht, Wenn ich sie sprechen will, aus jeder Sylbe spricht. Schleg. (2) In verschiedenen engern Bedeutungen. (a) In Rücksicht auf die Art und Weise, wie man seine Gedanken andern durch Worte mittheilet, wo es doch mehr von gewissen zufälligen Umständen, als von dem Inhalte der Rede gebraucht wird; wo man auch wohl reden gebraucht. Langsam, geschwinde, deutlich, undeutlich sprechen. Er spricht gut Französisch, schlecht Deutsch. Wo es auch active üblich ist. Eine Sprache fertig, ohne Anstoß sprechen. (b) Mit dem ausdrücklichen Beysatze dessen, was man durch Worte bekannt macht, für sagen, wo es sich doch in diesem darin unterscheidet, daß dieses auch active mit der vierten Bedeutung, sprechen, aber mehr neutraliter gebraucht wird. Paulus antwortete und sprach u. s. f. Jesus sprach zu seinen Jüngern: habet ihr u. s. f. Wie, sprach er, ist das möglich? Gott sprach: es werde Licht! Der Vater sprach, das tauge nicht viel. Die Leute sprechen, daß unser König der frömmste liebreichste Herr von der Welt ist, Weiße. Indessen ist im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart der Hochdeutschen sagen üblicher, dagegen die Oberdeutschen in dieser Bedeutung häufig sprechen gebrauchen. Zuweilen, obgleich nicht so häufig wie sagen, wird es hier auch active mit der vierten Endung gebraucht. Was spricht die Schrift? Gal. 4, 30. Was sprichst du dazu? - Ich spreche ja. Sprich nur ein Wort. Oft wird dasjenige, was man durch die Sprache ausdruckt, nicht unmittelbar, sondern mehr verdeckt angedeutet. Für jemanden sprechen, zu seinem Besten reden. Ja, mein ganzes Herz hat für sie gesprochen, Gell. Dazu gehört ja gar keine Tugend, einer Person etwas zu gönnen, für welche das Blut in mir spricht, eben ders. In welchem Verstande man auch wohl active sagt, einem das Wort sprechen. (c) Mit näherer Beziehung auf die Person, welcher man etwas bekannt macht, wie reden, besonders von dem Sprechen und Reden im gesellschaftlichen Umgange. Mit jemanden sprechen. Mit jemanden von einer Sache, (im gemeinen Leben auch aus einer Sache) sprechen. Wir sprachen von allerley. Wir sprachen eben von der Sache. Unter uns und nieman- den zu nahe gesprochen. Auch wohl active, doch nur mit dem Substantivo Wort. Ich habe ein Wort mit ihnen zu sprechen, ein Weniges. Ich möchte gern ein Wort mit ihm allein sprechen. Wo es denn mit der vierten Endung der Person auch in weiterm Verstande gebraucht wird. Jemanden sprechen, ihm persönlich gegenwärtig seyn, und mit ihm sprechen. Kann ich ihn nicht sprechen? Ich konnte ihn nicht zu sprechen bekommen. Sich nicht sprechen lassen, nicht zu sprechen seyn. Er ist seit drey Tagen nicht zu sprechen. Wir sprachen einander nur heimlich. Figürlich ist gut zu sprechen, und nicht gut zu sprechen seyn, guter, nicht guter Laune seyn. (d) In einigen Fällen, besonders der vertraulichen Sprechart, wird es so wie sagen auch für befehlen gebraucht. Hier hat er nichts zu sprechen. II. Als ein Activum, wo es außer den bereits angezeigten Fällen, durch verständliche Worte, mit deutlichen Worten bekannt machen heißt. Etwas gut sprechen, es mit Worten für gut erklären. Jemanden heilig sprechen, ihn feyerlich für einen Heiligen erklären. Jemanden frey sprechen, los und ledig sprechen, ihn von einer Pflicht frey sprechen. Jemanden rein, unrein sprechen, 3 Mos. 13, 7. 44. Etwas recht sprechen, es für recht erklären; aber den Parteyen Recht sprechen, ihre Streitigkeiten durch gesprochene Urtheile schlichten. Ein Urtheil in einer Sache sprechen, wo man auch elliptisch sagt, in einer Sache sprechen. Den Segen sprechen, ihn mit deutlicher Stimme hersagen. Das Tischgebeth, das Vater Unser sprechen. Im Oberdeutschen sagt man auch Reime sprechen, Sprüche sprechen, Reime, oder gereimte Sprüche mit deutlicher Stimme hersagen, ( S. Spruchsprecher.) In weiterer und figürlicher Bedeutung in der höhern Schreibart. Der unbeseelte Thon sprach in das Aug Entzücken, Zachar. Sey mir gesegnet, Stimme meines Heils, Die neuen Trost in meine Seele spricht, Gieseke. So auch das Sprechen. ( S. auch die Sprache.) In einigen Zusammensetzungen, z. B. Heiligsprechung ist auch das Verbale auf ung üblich.

Anm. Schon im Isidor, Kero u. s. f. sprehhan, im Nieders. spreken, im Angels. sprecan, im Schwed. spraka. Daß dieses Zeitwort mit brechen verwandt ist, haben schon Frisch und andere erkannt, nur haben sie die Verwandtschaft nicht aus dem rechten Lichte angesehen. Sprechen und brechen sind nur in so fern verwandt, als beyde ursprünglich Onomatopöien eines ähnlichen Lautes sind, der in dem ersten durch das intensive s verstärket worden. Ohne dieses intensive s ist im Ottfried anabrechon, anrufen, woraus denn erhellet, daß das Nieders. prachern, betteln, unser fragen, die Lat. precari, Praeco, Preces, das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , loben, das Schwed. vräka, erzählen, verkündigen, und andere mehr, gleichfalls mit zur Verwandtschaft gehören. ( S. Pracht und Pracher.) Nimmt man auch den Blaselaut weg, so kommt auch das veraltete rachon, wovon unser rechnen abstammt, mit in Betrachtung. Eben so ist für brechen in einigen alten Mundarten auch das intensivere sprechen üblich. Mit seinem wristum sind ausgesprochen (ausgebrochen) und entsprungen die Itweg, (Abgründe,) in einer alten Übersetzung der Sprüche Salomo, vom Jahre 1400. Im Schwed. ist spricka, spalten. Das Englische to speak und Angels. specan, ist nicht durch Ausstoßung des r aus sprechen gebildet, sondern ein eigenes Wort, welches mit dem Angels. Swaeg, der Laut, Schall, und swaegan, tönen, Nieders. schwögen, eintönig und langweilig reden, verwandt ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden gehet dieses Zeitwort regulär; daß ich dießfalls so hart sprechete, in einer Österreichischen Kanzelleyschrift. In andern hat man für sprechen das gleich- falls reguläre sprachen, welches so wohl für sprechen überhaupt, als besonders für vertraulich sprechen, schwatzen, üblich ist. Daß ein Esel hat gespracht, warum wundert man sich doch? Geh aufs Dorf, geh auf den Markt, o sie reden heute noch, Logau.


Sprecher (W3) [Adelung]


Der Sprecher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sprecherinn, eine Person, welche spricht, am häufigsten in einigen Zusammensetzungen. Der Urtheilssprecher, Großsprecher, Vorsprecher oder Fürsprecher, Widersprecher, Spruchsprecher u. s. f. Für sich allein gebraucht man es nur noch in einigen ausländischen Parlamenten, von demjenigen, welcher in dem Parlamente gewisser Maßen den Vorsitz hat. der Sprecher im Hause der Gemeinen, in dem Engländischen Parlamente, welcher auch wohl, obgleich unbequemer, der Redner genannt wird.


Sprehe (W3) [Adelung]


Die Sprehe, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme des Staares, der in andern mit einem stärkern Hauche Spreche, in andern Sprewe, Spren, Sprinne genannt wird. Ohne Zweifel wegen der weiß gesprenkelten und gleichsam gesprüheten Gestalt.


Spreil (W3) [Adelung]


Der Spreil, des -es, plur. die -e, in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden, ein mit Speiler, Spreißel, Spreitze, Sprenkel, Spriet, gleich bedeutendes Wort, von welchem letztern es nur im Endlaute verschieden ist.


Spreißel (W3) [Adelung]


Der Spreißel, S. Sprießel.


Spreißen (W3) [Adelung]


Spreißen, S. Sprießen, ingleichen Spreitzen.


Spreißfeder (W3) [Adelung]


Die Spreißfeder, plur. die -n, in den Schlaguhren, eine Feder, durch welche der Windfang auf seiner Welle befestiget wird. Ohne Zweifel für Spreitzfeder von spreitzen, welches in einigen weichen Mundarten spreißen lautet.


Spreißhaken (W3) [Adelung]


Der Spreißhaken, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Kohlenbrennern, ein Werkzeug, so wohl die Fußscheite aus dem Meiler heraus zu ziehen, als auch die verfertigten Kohlen mit demselben auszustoßen.


Spreit (W3) [Adelung]


Das Spreit, S. Spriet.


Spreiten (W3) [Adelung]


Spreiten, verb. reg. act. welches nur im gemeinen Leben für breiten üblich ist, dessen Intensivum es ist, der Breite nach ausdehnen, aus einander legen. Mit ausgespreiteten Armen. Die Flügel ausspreiten. Vergebens spreitet der Wald die frischesten Zweige Um den Köhler herum, Zachar. So auch das Spreiten.

Anm. Gespreiton unsere hende ze fremidemo Gote, Notk, Ottfried gebraucht zespreitan für zerstreuen. Im Nieders. spreden, spreen, spreien, im Angels. spredan, im Engl. to spread, im Schwed. sprida. Im Nieders. ist daher Spreede, Spree, das Ausbreiten des gerösteten Hanfes oder Flachses zum Trocknen. Ein anderes ist das veraltete spreiten, sprießen lassen, welches bey den Schwäbischen Dichtern vorkommt.


Spreitzbaum (W3) [Adelung]


Der Spreitzbaum, des -es, plur. die -bäume, bey den Brauern, ein Baum oder starkes Holz, den Stellboden damit anzuspreitzen.


Spreitze (W3) [Adelung]


Die Spreitze, plur. die -n, ein Werkzeug etwas damit zu spreitzen oder anzuspreitzen. So werden im Bergbaue und andern Fällen die Stützen, welche man gedrange unter den zu stützenden Ort treibt, Spreitzen genannt.


Spreitzen (W3) [Adelung]


Spreitzen, verb. reg. act. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, in welcher Gestalt es doch nur im gemeinen Leben einiger Gegenden üblich ist, wo es auch spratzen lautet, und mit spritzen und sprühen gleich bedeutend ist, von welchem letztern es ein Intensivum zu seyn scheinet. Im Hüttenbaue spreitzet oder spratzet geschmolzenes Metall, indem es, wenn Wind oder Feuchtigkeit dazu kommt, in die Höhe steiget, und sich in Tropfen und Körnern verbreitet. II. Als ein Activum, wo es wieder in verschiedenen Bedeutungen gangbar ist. 1. Als ein Intensivum von spreiten und vielleicht auch von reißen, mit Heftigkeit und weit aus einander dehnen. Die Füße auseinander spreitzen. Ein ausgeschlachtetes Kalb aus einander spreitzen, mit Spreitzen oder Sprießeln. Die Thür aufspreitzen, weit aufsperren. 2. Stämmen, stützen, wo der Begriff des Starren und Steifen der herrschende ist, daher es hier auch von protzig in der ersten Bedeutung abzustammen scheinet. (a) Eigentlich. Sich mit den Füßen an die Wand spreitzen, stämmen. Im Bergbaue spreitzet man baufällige Zimmer, wenn man Spreitzen oder Stützen darunter treibet. ( S. Spreitze, Sprießel, Spriet.) (b) Figürlich, sich mit Heftigkeit widersetzen, wie sperren, doch nur im gemeinen Leben. Sich wider jemand spreitzen. Er wird sich nicht lange spreitzen. 3. In die Höhe wachsen machen, als ein Factitivum von sprießen, wo es doch nur figürlich, und zwar nur im gemeinen Leben einiger Gegenden üblich ist. Sich mit etwas spreitzen, groß machen, sich dessen rühmen, sich damit brüsten, welches letztere auch damit verwandt zu seyn scheinet. - So auch das Spreitzen.


Sprengen (W3) [Adelung]


1. Sprengen, verb. reg. act. welches nur in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes üblich ist, wo man einen Balken sprenget, wenn man ihn mit Fleiß krumm säget. ( S. Sprengwerk.) Die Ähnlichkeit des Klanges mit dem folgenden Zeitworte scheinet hier bloß zufällig zu seyn, so daß es zunächst zu dem Worte Ring gehöret, und den Begriff der Krümme hat. So auch die Sprengung und das Sprengen.


Sprengen (W3) [Adelung]


2. Sprengen, verb. reg. act. welches eigentlich das Factitivum von springen ist, und springen machen bedeutet, aber in einigen Fällen doch auch als ein Neutrum gebraucht wird. 1. Einen Körper in kleinen Theilen und geringer Masse verbreiten oder werfen. Mose sprengete den Ruß gen Himmel, 2 Mos. 9, 8. 10. Simei sprengete mit Erdenklößen, 2 Sam. 16, 13. Sie sprengeten Erde auf ihr Haupt gen Himmel, Hiob 2, 12. Salz auf das Fleisch sprengen, es mit Salz besprengen, mit Salz einsprengen. ( S. Sprengmast.) Von einer größern Menge gebraucht man das Zeitwort streuen. - Am häufigsten von flüssigen Körpern. Mose sprengete das Blut auf den Altar, 2 Mos. 24, 6. Ich will rein Wasser über euch sprengen, Czech. 36, 25. Im Garten sprengen, ( S. Sprengkanne.) Von einem kleinen gelinden Regen sagt man: es hat nur gesprengt. So auch in den Zusammensetzungen besprengen, einsprengen, u. s. f. Spritzen setzet eine größere dabey angewandte Gewalt und Schnellkraft voraus. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und Lat. spargere, spergere sind mit sprengen in dieser Bedeutung nahe verwandt. 2. Mit dem herrschenden Begriffe einer größern Heftigkeit und Schnellkraft kommt es in folgenden Bedeutungen vor. (a) Springen und in weiterer Bedeutung heftig laufen machen. Bey den Jägern sprenget man ein Thier oder einen Haufen Geflügel aus seinem Lager, wenn man sie plötzlich auftreibet und zur Flucht beweget. Jemanden ohne Noth in der Stadt herum sprengen, ihn eilfertig in der Stadt herum schicken. Ein Pferd ansprengen, es durch die Spornen zum Springen und Laufen bewegen. Da es denn auch als ein Neutrum gebraucht wird, im Galoppe reiten. Mit dem Pferde über einen Graben sprengen. Mit einem Pferde daher sprengen. Vor jemanden her sprengen. Mitten unter das Volk sprengen. Durch die Gassen sprengen. Er sprenget auf dasselbige Schwein, Theuerd. Kap. 41. Doch Raufbold setzt sich auf, sprengt muthig durch das Thor, Zachar. Sie sprengen daher oben auf den Bergen, Joel 2, 5. Alles von im Galopp reitenden Personen. (b) Mit Heftigkeit springen, reißen oder brechen machen. Die Kugel im Billiard-Spiele sprengen. Die Saiten auf einem Instrumente sprengen, durch allzu heftiges Spannen. Ein Stück von einem Steine sprengen, durch heftiges Schlagen. Die Bank sprengen, figürlich in Glücksspielen, dem, der die Bank hält, seinen ganzen Vorrath abgewinnen. Die Thür aufsprengen, mit schneller Gewalt erbrechen. In engerer Bedeutung vermittelst des Schießpulvers. Einen Stein, einen Felsen mit Pulver sprengen, oder nur sprengen schlechthin. Ein Thor mit einer Petarde sprengen. Eine Festung, ein Schiff in die Luft sprengen. So auch das Sprengen, und in der ersten Bedeutung zuweilen die Sprengung.

Anm. Dieses Zeitwort ist sehr alt, besonders in der ersten Bedeutung, in welcher es schon bey dem Kero sprengan lautet. Schwedisch sprenga, wo auch spranga, spalten ist, Angelsächs. sprengan.


Sprenger (W3) [Adelung]


Der Sprenger, des -s, plur. ut nom. sing. in den Criminal-Gerichten, ein Marter-Instrument, welches aus einer eisernen Stange mit vier Schellen bestehet, wovon die beyden mittlern an die Beine über den Knöchel gelegt, mit den Schellen an jedem Ende aber beyde Hände gefesselt werden.


Sprenggabel (W3) [Adelung]


Die Sprenggabel, plur. die -n, ein Werkzeug der Schlösser, welches an einem Ende eine starke Gabel vorstellet, und bey Verfertigung der Sprengwerke die besten Dienste leistet.


Sprenggras (W3) [Adelung]


Das Sprenggras, S. Berstgras.


Sprengkanne (W3) [Adelung]


Die Sprengkanne, plur. die -n, ein Gefäß mit einer Röhre und einem trichterförmigen durchlöchertem Aufsatze darauf, die Gewächse in den Gärten damit zu besprengen oder zu begießen; die Gießkanne, in einigen Gegenden das Sprengfaß, der Sprengkrug, der Spritzkrug.


Sprengkugel (W3) [Adelung]


Die Sprengkugel, plur. die -n, in der Geschützkunst, ein Feuerballen, welcher mit Hand-Granaten versetzet und in die Transcheen geworfen wird; die Transcheen-Kugel. Einige ältere Schriftsteller belegen eine jede Bombe mit diesem Nahmen.


Sprengmast (W3) [Adelung]


Die Sprengmast, plur. car. in der Landwirthschaft, diejenige Beschaffenheit der Baummast, wenn nur hier oder da einige Eich- oder Buchbäume Früchte haben, so daß die Mast auf der Erde gleichsam nur gesprengt liegt; zum Unterschiede von der vollen und halben Mast.


Sprengpinsel (W3) [Adelung]


Der Sprengpinsel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Maurern, ein Pinsel von Borsten mit einem kurzen Stiele, die Mauersteine mit Wasser zu besprengen.


Sprengsel,Springsel (W3) [Adelung]


Der Sprengsel, oder Springsel, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden ein Nahme der Heuschrecken, von springen; Nieders. Sprenger, Grassprenger, Sprinke, Heusprinke, Springstabel, im Friesischen Gesprenger.


Sprengtrichter (W3) [Adelung]


Der Sprengtrichter, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Gärtnern, ein Trichter, dessen weite Öffnung mit einem subtil durchlöcherten Boden versehen ist, aus welchem man das Wasser zur Begießung zarter Gewächse nach Belieben in Gestalt eines Staubregens fließen lassen kann, nachdem man das obere Loch mit dem Daumen entweder öffnet oder verstopfet.


Sprengwage (W3) [Adelung]


Die Sprengwage, plur. die -n, die hölzerne Wage an einem Wagen, woran derselbe von den Pferden gezogen wird. Etwa von 1 Sprengen, weil sie gemeiniglich gesprenget, d. i. krumm gearbeitet ist?


Sprengwedel (W3) [Adelung]


Der "Sprengwedel", des -s, plur. ut nom. sing. ein Wedel von Borsten an einem Stiele, Wasser damit zu sprengen; besonders in der Catholischen Kirche, das Weihwasser damit zu sprengen; der Weihwedel, in einigen Gegenden der "Sprengel".


Sprengwerk (W3) [Adelung]


Das Sprengwerk, des -es, plur. die -e. 1. Bey den Schlössern, ein Gitter, dessen Felder mit Verzierungen von allerley Figuren ausgefüllet werden, und zu deren Verfertigung die Sprenggabel eines der nöthigsten Werkzeuge ist. Vielleicht von 1 Sprengen, krumm biegen, weil die Verzierungen gemeiniglich aus krumm gebogenen eisernen Stäben bestehen. Oder vielmehr von dem in einigen Oberdeutschen Gegenden noch ähnlichen Zeitworte sprenken, mit einem Gitter verwahren, so daß Sprengwerk ein jedes Gitterwerk bedeuten, und mit sprenken von Riegel, Ranke u. s. f. abstammen würde. 2. In der Zimmermannskunst, diejenige Verbindung langer Balken, wo unter denselben Strebebänder angebracht werden; zum Unterschiede von einem Hängewerke, ( S. dieses Wort). Vielleicht auch von dem gesprengten, d. i. krumm gehanenen Balken, mit welchem der Hauptbalken verzahnet wird; oder auch von sprengen, so fern es figürlich auch streben, der Biegung widerstehen bedeuten kann.


Sprengwisch (W3) [Adelung]


Der Sprengwisch, des -es, plur. die -e, bey den Bäckern, ein Wisch von Stroh, das Brot damit mit Wasser zu besprengen.


Sprenkel (W3) [Adelung]


Der Sprenkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein zusammen gebogenes und mit Schnur und einem Schnellhölzchen versehenes Reis, Vögel damit zu fangen. Sprenkel aufstellen. Die Sprenkel sind gemeiniglich größer als die Dohnen, welche letztern über dieß mit einer Schlinge versehen sind, und den gefangenen Vogel sogleich würgen, dagegen der Sprenkel ihn gemeiniglich nur an dem Fuße fänget. Beyde werden indessen in einigen Gegenden auch Schneiden, Schneißen und Baumgerichte genannt. Siehe diese Wörter.

Anm. Im Engl. Springe; ohne Zweifel als ein Intensivum von springen, weil die Sprenkel bey der geringsten Berührung des Schnellhölzchens aus einander springen. In einem andern Verstande sind im Nieders. Sprenkel, Hölzer, welche man zwischen etwas wirft, es aus einander zu sperren.


Sprenkeln (W3) [Adelung]


Sprenkeln, verb. reg. act. welches das Intensivum und Iterativum von sprengen ist, aber nur figürlich gebraucht wird, mit einer oder mehrern Farben gleichsam besprengen, wo doch das Mittelwort gesprenkelt für sprenklich am üblichsten ist. Nieders. sprenkeln und sprenken, Angels. sprencan, Engl. to sprinkle.


Sprenklein (W3) [Adelung]


Das Sprenklein, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, ein kleiner gleichsam angesprengter Flecken. Sprenklein im Gesichte, dergleichen Hitzblattern, kleine Sommerflecken u. s. w. sind.


Sprenklich (W3) [Adelung]


"Sprenklich", -er, -ste, adj. et adv. mit Flecken von einer andern Farbe gleichsam besprenget, gesprengelt; in Luthers Bibel sprenglich, im Oberdeutschen sprecklicht, sprickelich.


Spreu (W3) [Adelung]


Die Spreu, plur. car. ein Collectivum, die ausgedroschenen und zerschlagenen Hülsen des Getreides und der Feldfrüchte zu bezeichnen, welche durch das Worfeln von den guten Körnern angesondert werden, und bey dem Getreide zugleich mit den zerschlagenen Grannen oder Agen vermischt sind. Weitzenspreu, Rockenspreu, Haferspreu, Gerstenspreu, Erbsenspreu, (worunter man die leeren Schalen der ausgedroschenen Erbsen verstehet), Hirsenspreu, Leinspreu, Hanfspreu, u. s. f. Die Gottlosen sind wie Spreu, die der Wind wegführet und zerstreuet, Hiob 21, 18. Spreu wie Korn verkaufen, Amos 8, 6.

Anm. Schon im Isidor und bey dem Ottfried Spriu, ohne Zweifel von dem veralteten und noch im Tatian befindlichen Zeitworte spreihan, streuen, welches mit sprühen und spreiten verwandt ist, weil die Spreu sehr leicht von dem Winde zerstreuet, und durch denselben vermittelst des Worfelns von dem Getreide abgesondert wird. Frisch schränket dieses Wort ohne Grund allein auf die ausgemahlnen Hülfen des Dinkels oder Speltes ein. Im Niederdeutschen ist für Spreu das Wort Kaff., und in Baiern Gaffter, vielleicht Geaster, von Aster üblicher. In Meißen und vielen Oberdeutschen Gegenden gebraucht man im gemeinen Leben für den Singular Spreu den Plural die Spreuer, schon im Notker Spriuuuer, welcher niedrige und der anständigen Schreib- und Sprechart ganz unbekannte Plural indessen nicht verdient hätte, von Gottscheden in seiner Sprachkunst aufgenommen, und von seinen Freunden wider Herrn Heinzens gegründeten Widerspruch vertheidiget zu werden.


Spreublume (W3) [Adelung]


Die Spreublume, plur. die -n, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, der Nahme einer Ostindischen Pflanze, wovon eine Art auch in Sicilien und Jamaika angetroffen wird; Achyranthes L.


Spreuboden (W3) [Adelung]


Der Spreuboden, des -s, plur. die -böden, in der Landwirthschaft, ein eigener Boden, auf welchem die Spreu verwahret wird.


Spreustaub (W3) [Adelung]


Der Spreustaub, des -es, plur. car. eben daselbst, die kleinste Art der Spreu, z. B. die, welche durch die Kornfege von dem Getreide abgesondert wird, Spreu in Gestalt des Staubes.


Spreustein (W3) [Adelung]


Der Spreustein, des -es, plur. die -e, S. Ährenstein.


Sprichwort (W3) [Adelung]


Das Sprichwort, des -es, plur. die -wörter. 1. In weiterm Verstande, ein Satz oder ein Gleichniß, welches von mehrern bey mehrern ähnlichen Gelegenheiten in einerley Verstande und Bedeutung, wiederhohlet wird. Du wirst ein Sprichwort seyn unter allen Völkern, 5 Mos. 28, 37. 1 Kön. 9, 7. Er hat mich zum Sprichwort unter den Leuten gesetzt, Hiob 17, 6. Ihr werdet zu mir sagen dieß Sprichwort: Arzt, hilf dir selber, Luc. 4, 23. Was habt ihr für ein Sprichwort im Lande Israel, und sprechet: weil sichs so lange verzeucht, so wird nun fort nichts aus der Weißagung, Czech. 12, 22. 2. In eben so weiter aber noch ungewöhnlichern Bedeutung wird es in der Deutschen Bibel zuweilen von einer jeden figürlichen Art des Ausdruckes, von einer Rede in Gleichnissen oder Allegorien gebraucht. Solches habe ich zu euch durch Sprichwort geredet, Joh. 16, 25. Ich werde nicht mehr durch Sprichwort mit euch reden, eben daselbst. Nun redest du frey heraus und sagest kein Sprichwort, B. 29. 3. Im engern und gewöhnlichsten Verstande ist ein Sprichwort ein allgemeiner oft figürlich ausgedruckter kurzer Satz, oder sinnreiche Art zu reden, welcher in aller Leute Munde ist; z. B.; Mit großen Herren ist nicht gut Kirschen essen. Ein Rabe hackt dem andern die Augen nicht aus, u. s. f. Im engsten Verstande verlanget man von einem Sprichworte, daß es allemahl ein Gleichniß oder doch einen figürlichen Ausdruck enthalte, und alsdann gehören die bloßen Lehr- und Sittensprüche, z. B. Ende gut alles gut, nicht mit unter die Sprichwörter, daher die Sprüche Salomonis in diesem engsten Verstande nicht Sprichwörter genannt werden können, weil sie aus Sentenzen, Lehr- oder Sittensprüchen bestehen.

Anm. Sprichwort stammet von Wort, ein kurzer Satz, und sprechen ab, und bedeutet seiner Zusammensetzung nach einen kurzer Satz, welcher von jedermann in ähnlichen Fällen ausgesprochen wird, nach welcher weiten in der Abstammung gegründeten Bedeutung es denn freylich gar vielerley ähnliche Sätze unter sich begreifen kann, ob es gleich in der dritten engern Bedeutung am gewöhnlichsten ist. Die Schreibart Sprüchwort ist weniger richtig, weil die erste Hälfte nicht von Spruch herkommt, in welchem Falle es Spruchwort heißen müßte, alsdann aber auch eine Tautologie enthalten würde. Ottfried und andere ältere Schriftsteller nennen ein Sprichwort Biwort, aber nur als eine buchstäbliche Übersetzung des Latein. Proverbium; Engl. Byword, Angels. Biword.


Spriegel (W3) [Adelung]


Der Spriegel, des -s, plur. ut nom. sing. eine dünne krumm gebogene Schiene, etwas darüber zu decken. Von dieser Art sind die Spiegel über den Wiegen, über den Fuhrmannswagen, Postkutschen, Kähnen u. s. f. eine Decke darüber zu breiten. Auch die Bogenhölzer an einer Kutsche, worauf oben der Himmel ruhet, führen diesen Nahmen. In weiterer Bedeutung werden auch gerade und ungebogene hölzerne Schienen zuweilen Spriegel genannt, wohin die dünnen biegsamen Schienen, mit welchen die Wände und Decke eines Zimmers beschlagen werden, wenn selbige mit Gyps überzogen werden soll, ingleichen die kurzen und dünnen Stücken Holz gehören, womit im Bergbaue die Ritzen zwischen den Pfählen verstopfet werden.

Anm. Bey vielen ohne hinlänglichen Grund und wider die Aussprache Sprügel. Es scheinet, daß der Begriff der Länge und biegsamen Dünne in diesem Worte der herrschende ist, da es denn zu dem alten Gothischen Hrugga, eine Stange, dem Nieders. Ricke, eine lange dünne Stange, und unserm Riegel, Reihe u. s. f. gehören würde. Im Nieders. ist Sprick und Sprickel, ein kleiner, besonders verdorrter Zweig, Engl. Sprigg, Wallis. Brig.


Spriegeln (W3) [Adelung]


Spriegeln, verb. reg. act. mit Spriegeln versehen. Einen Wagen, ein Zimmer spriegeln.


Sprießel (W3) [Adelung]


Der Sprießel, des -s, plur. ut nom. sing. ein mit Sprosse gleich bedeutendes Wort, welches doch im Hochdeutschen nur in einigen Fällen üblich ist. So werden die Sprossen in den Leitern und Wagenleitern in manchen Gegenden auch Sprießel genannt; im Nieders. heißen sie Stalen, von Stale, der Grund, und im Hannöv. Stralen. Die Zacken an den Hirschgeweihen über den Augensprossen heißen bey den Jägern Eissprießel; und so vielleicht noch in andern Fällen mehr.

Anm. In manchen Gegenden Sprüßel und Spreiße. Es hat allem Ansehen nach den Begriff des Sprießens, oder der Ausdehnung in die Länge und Höhe, und ist daher mit Sprosse eines Geschlechts. S. dasselbe und Sprießen.


Sprießen (W3) [Adelung]


Sprießen, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, obgleich das Zeitwort außer der Zusammensetzung in den zusammen gesetzten Zeiten wenig vorkommt; ich sprieße, du sprießest, (Oberd. spreußst), er sprießet, oder, sprießt, (Oberd. spreußt); Imperf. ich sproß; Mittelw. gesprossen; Imper. sprieße, (Oberd. spreuß). es bedeutet langsam, und nach und nach hervor kommen, eigentlich und zunächst von Gewächsen, in weiterer und figürlicher Bedeutung auch von dem Entstehen und Hervorkommen anderer Dinge. Im Hochdeutschen wird es außer der dichterischen Schreibart wenig gebraucht, indem dafür sprossen üblicher ist, welches sich von sprießen, bloß in der Mundart unterscheidet. Hier wandelt sie und Blumen sprießen Bey jedem leichten Tritt hervor, Götting. Musen-Alman. 1776. So auch das Sprießen. Anm. Es scheinet, daß sprießen, oder einigen Mundarten nach spreißen, ehedem überhaupt eine jede schnelle Bewegung bedeutet habe, da es denn zu reisen, reißen u. s. f. gehören würde. Daz Ouge spreiz uz imi verre, das Auge flog weit heraus, heißt es in dem alten Lobgedichte auf den heil. Anno. Im Niederdeutschen lautet es mit der gewöhnlichen Vertauschung des s und t, sprotten, spruten, Angels. spryttan, Engl. sprout, Holländ. spruyten, Isländ. sprotta, Das Span. brotar, sprossen, und Broton, eine Sprosse, Franz. Brout, ist nahe damit verwandt, ( S. auch Brosse.) Im Schwed. ist spritta, springen, und bey dem Ulphilas sprauto, schnell, hurtig. S. auch Sprossen.


Spriet (W3) [Adelung]


Das Spriet, des -es, plur. die -e, ein eigentlich Niederdeutsches Wort, welches eine an einem Ende mit einer Gabel versehene, oder in Gestalt einer Gabel gewachsene oder gespaltene Stange bezeichnet. Von dieser Art ist das Spriet an einem Leiterwagen, ein starkes an einem Ende in Gestalt einer Gabel gespaltenes Holz an dem Hinterwagen, welches denselben mit dem Vorderwagen verbindet; im Hochdeutschen die Schere. An den Schiffen ist das Spriet, eine Segelstange in den Schmacken und andern Holländischen Schiffen, welche mit ihrem untern Ende an dem Mastbaume befestiget ist und das Segel in die Quere bis zu dem Punct ausspannet, wo es am Maste befestiget ist; vielleicht auch weil es an einem Ende mit einer Gabel versehen ist; oder auch, so fern Spriet als ein Abkömmling von sprießen, Nieders. sprotien, eine jede Stange bedeuten kann, wie das Schwed. Spröte, Angels. Spreota, Engl. Sprit, So fern aber der Begriff der Gabel oder des gespaltenen Endes hier wesentlich ist so gehöret es zu spreitzen.


Spriettau (W3) [Adelung]


Das Spriettau, des -es, plur. die -e, auf den Schiffen, kleine Taue, welche sich an den Wänden endigen, und die Stengen zu halten dienen; vielleicht von spreiten, weil die Stengen gleichsam ausspreiten.


Spring (W3) [Adelung]


Der Spring, des -es, plur. die -e, ein nur in den gemeinen Sprecharten übliches Wort, eine Wasserquelle zu bezeichnen, einen Ort, wo das Wasser sichtbar aus der Erde entspringet, welchen Opitz mit einem ungewöhnlichen Worte eine Springader nennet.


Springauf (W3) [Adelung]


Das Springauf, indecl. plur. car. in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden, ein Nahme der Mayblümchen, Convallaria scapo nudo L. Springauf, Lilien, Narzissen Füllet euren Körben ein, Opitz.


Springbecken (W3) [Adelung]


Das Springbecken, des -s, plur. ut nom. sing. das Becken an einem Springbrunnen, in dessen Mitte der Wasserstrahl in die Höhe gehet.


Springbrunnen (W3) [Adelung]


Der Springbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Brunnen oder Wasserbehältniß, aus welchem das Wasser durch seinen eigenen Druck in einem oder mehrern Strahlen in die Höhe getrieben wird; mit einem aus dem Französ. entlehnten Worte, eine Fontäne, im Schwed. Springekalla. Bey dem Ottfried hingegen ist springanta Brunno, eine Wasserquelle.


Springen (W3) [Adelung]


Springen, verb. irreg. neutr. ich springe, du springst u. s. f. Imperf. ich sprang, (im gemeinen Leben sprung); Conj. spränge, (im gemeinen Leben sprünge); Mittelw. gesprungen; Imperat. springe oder spring. Es bekommt am häufigsten das Hülfswort seyn, zuweilen aber auch haben, und ist wie alle Zeitwörter ursprünglich eine Onomatopöie, welche den Laut derjenigen Handlungen, welche sie bezeichnet, genau nachahmet. Diese Handlungen sind besonders von doppelter Art. 1. Von trocken, elastisch oder scharf gespannten Körpern sagt man, wenn sie schnell und mit einem gewissen eigenthümlichen Klange zerbrechen, daß sie springen; in welchem Falle es allemahl das Hülfswort seyn erfordert. Das Glas springt, ist gesprungen. Die Saiten springen, wenn sie zu straff gespannet werden. Die Schoten springen auf, wenn sie reif sind. Wo denn oft der Hauptbegriff des Klanges verschwindet und die bloße schnelle Öffnung eines trocknen oder elastischen Körpers übrig bleibt. Die Haut springt auf, ist aufgesprungen. Oft gesellet sich dazu der folgende Begriff der schnellen Veränderung des Ortes. Der Knopf springt von dem Kleide. S. auch Aufspringen, Zerspringen. 2. In sehr vielen Fällen ist springen der eigenthümliche Ausdruck einer sehr schnellen Bewegung mit Überschreitung oder doch unmerklicher Berührung der Zwischenräume, wo allem Ansehen nach gleichfalls eine Onomatopöie zum Grunde liegt. (1) Von flüssigen Körpern sagt man, daß sie springen, wenn sie durch Druck gezwungen werden, schnell und in einem langen Strahle aus einer Öffnung hervor zu brechen, besonders wenn es aufwärts geschiehet. Es erfordert hier gleichfalls das Hülfswort seyn. Das Wasser springt aus der Röhre, springt zehn Schuh hoch. Einen Springbrunnen springen lassen. Das Blut sprang aus den Adern. Wenn die Zeitdauer dabey bestimmt wird, so erfordert es das Hülfswort haben. Die Fontäne hat den ganzen Tag gesprungen. In weiterer Bedeutung wird es oft für quellen von dem Wasser gebraucht, reichlich aus der Oberfläche der Erde hervor brechen, daher eine sichtbare Quelle über der Erde auch im gemeinen Leben ein Spring genannt wird. Das Wasser springt aus einem Felsen. Besonders in der Zusammensetzung entspringen, welches nach einer noch weitern Figur auch entstehen überhaupt bedeutet, welche Bedeutung auch in Ursprung Statt findet. Schon im Isidor ist arspringan, entstehen. (2) Von harten und elastischen leblosen Körpern, sich schnell und mit Überschreitung oder doch unmerklicher Berührung der Zwischenräume in die Ferne bewegen, besonders wenn es in einer krummen Linie geschiehet, gleichfalls mit dem Hülfsworte seyn. Die Erbsen springen aus dem Schoten. Es sprang ein Stück von dem Steine in das Fenster. Vor großer Hitze ist die Farbe von dem Holze gesprungen. So auch abspringen, ausspringen u. s. f. Eine Mine springen lassen, sie anzünden. Einen Ducaten, zehn Thaler springen lassen, figürlich sie ausgeben. (3) Von lebendigen Geschöpfen, den Ort schnell, mit Erhebung des Körpers und Überschreitung der Zwischenräume verändern. Es bekommt hier das Hülfswort seyn, so oft der Ort entweder ausdrücklich gemeldet oder doch darunter verstanden wird; außer dem aber das Hülfswort haben. Er ist vor Freuden in die Höhe gesprungen. Über den Graben, über einen Stein, zum Fenster hinunter, in das Wasser, an das Land, von dem Wagen, aus der Kutsche, aus dem Bette, auf den Tisch springen. Der Hund springt über den Stock. Heuschrecken und Flöhe springen. Gesprungen kommen, ( S. Kommen.) Wenn aber nicht die geringste Beziehung auf den Ort, welchen man durch Springen überschreitet, dabey ist, so stehet haben. Wir haben den ganzen Tag gesprungen und getanzet. Hingegen sagt man: das Kind ist den ganzen Tag herum gesprungen, weil hier die Bestimmung des Ortes in dem Nebenworte herum lieget. Daß es, wenn es zu einem Reciproco wird, haben bekommen müsse, verstehet sich ohnehin. Wir haben uns müde gesprungen. Figürliche Arten des Ausdruckes sind: Vor Freuden, vor Zorn, vor Ärgerniß aus der Haut springen wollen, einen sehr hohen Grad unruhiger Leidenschaften zu bezeichnen. Jemanden über die Zunge springen lassen, ihn verleumden, ihm vorsätzlich Böses nachreden, um ihm zu schaden. Jemanden über die Klinge springen lassen, ihn niederhauen. Hingegen bedeutet dieses Wort figürlich. (a) Sich schnell aus einem verwahrten Orte entfernen, in einigen Fällen. Aus dem Kloster, aus dem Gefängnisse springen; in welcher Bedeutung doch das zusammen gesetzte entspringen üblicher ist. (b) Von dem männlichen Geschlechte größere Thiere für befruchten, begatten, weil dasselbe mit einem Sprunge verbunden ist, wo es zugleich das Hülfswort haben bekommt. Den Hengst springen lassen. Der Ochs hat gesprungen. S. auch Bespringen. So auch das Springen, Siehe auch Sprung.

Anm. Schon im Isidor kommt springan für quellen und bey dem Willeram für exsultare vor. Im Angelsächsischen lautet es gleichfalls springan, im Niederdeutschen springen, im Englischen to spring, im Schwed. springa, im Span. brincar. Die Stammsylbe ist rin, und so wohl die Vorlaute s und p als auch der Endlaut g dienen zur nähern Bezeichnung des eigenthümlichen Lautes. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, quellen, ist freylich damit verwandt, druckt aber mehr den rauschenden als klingenden und springenden Laut des hervor quellenden Wassers aus. Sprießen ist von springen nur im Endlaute verschieden. Das Activum oder vielmehr Factitivum von unserm Neutro ist Sprengen, S. dasselbe.


Springer (W3) [Adelung]


Der Springer, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte, eine Person, oder ein Thier, welches eine vorzügliche Geschicklichkeit im Springen besitzet, da es denn von Personen auch das Fäm. die Springerinn leidet. Seiltänzer und Tänzer werden, wenn sie eine vorzügliche Fertigkeit im Springen besitzen, Springer oder Luftspringer genannt. In den Reitschulen ist der Springer ein Pferd, welches zu Luftsprüngen oder Capriolen abgerichtet ist. In der Naturgeschichte pflegt man eine Art kleiner Meerschweine, welche über dem Wasser springen, Springer zu nennen, Thursio s. Phocaena Klein. dagegen andere das größere Meerschwein, Orca Klein. mit diesem Nahmen belegen. Die Wickelraupe, welche gleichfalls springet, führet bey einigen auch den Nahmen des Springers. Im Schachspiele ist der Springer der vierte unter den Officieren, weil er in seinem Gange alle Mahl ein Feld überspringet; ursprünglich aber stellet er einen Reiter vor, daher er im Persischen auch Pharas heißt. An einigen Orten werden auch die Fußfesseln Springer genannt; ohne Zweifel aus einer Ironie, weil sie das Springen verhindern. Bey dem Notker Sprangere.


Springfaden (W3) [Adelung]


Der Springfaden, des -s, plur. die -fäden, Glasfäden, welche in kaltem Wasser abgehärtet worden, und wie die Springgläser in Staub zerspringen, so bald man etwas davon abbricht.


Springfluth (W3) [Adelung]


Die Springfluth, plur. die -en, eine schnelle und hohe Fluth des Meeres, welche durch verschiedene Ursachen außerordentlich veranlasset wird, und zuweilen viel Unglück anrichtet. Die Springfluth steigt mit großem Brausen auf, Opitz. Niedersächsisch Sprengtide, Sprengtie, Sprengflood, Engl. Springtied. S. Springzeit.


Springfuß (W3) [Adelung]


Der Springfuß, des -es, plur. die -füße, bey manchen Insecten eine eigene besonders zum Springen eingerichtete Art Füße; zum Unterschiede von den Lauf- und Schwimmfüßen.


Springglas (W3) [Adelung]


Das Springglas, des -es, plur. die -gläser, gläserne Tropfen mit einem fadenähnlichen Schwanze, welche in Staub zerspringen, so bald man von dem letztern nur ein Stückchen abbricht; daher sie im gemeinen Leben auch Vexier-Gläser, sonst aber auch Glastropfen genannt werden. Sie entstehen, wenn man einen Tropfen geschmolzenen Glases in kaltes Wasser fallen und ihn darinn erhärten lässet. S. Springkolben.


Springgurke (W3) [Adelung]


Die Springgurke, plur. die -n, S. Eselsgurke.


Springhafer,Sprunghafer (W3) [Adelung]


Der Springhafer, oder Sprunghafer, des -s, plur. inus. in einigen Gegenden, ein gewisses Maß Hafer, welches dem Eigenthümer eines Springhengstes oder Beschälers von dem Herrn der Stute so wohl gleich nach dem Bespringen, als auch, wenn die Stute trächtig geworden ist, entrichtet wird.


Springhahn (W3) [Adelung]


Der Springhahn, des -es, plur. die -hähne, in einigen Gegenden ein Nahme der Heuschrecke, welche in andern Springsel, Sprengsel, Heuspringer Sprink und so ferner genannt wird.


Springhengst (W3) [Adelung]


Der Springhengst, des -es, plur. die -e, ein Hengst, welcher zum Bespringen, d. i. zur Fortpflanzung seines Geschlechts gehalten wird; der Beschäler, Zuchthengst, Stößer.


Springherd (W3) [Adelung]


Der Springherd, des -es, plur. die -e, eine Art Vogelherde, welche mit Springwänden umstellet, und mit den gehörigen Lochvögeln versehen wird.


Springkäfer (W3) [Adelung]


Der Springkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Naturgeschichte, eine besondere Art Käfer, welcher sich auf dem Rücken liegend in die Höhe schnellet, wozu er eine eigene Feder unter dem Leibe in einer Grube hat; Elater Linn.


Springkiste (W3) [Adelung]


Die Springkiste, plur. die -n, in der Geschützkunst, Kisten, welche mit Kugeln, Eisen u. s. f. gefüllet sind, und auf den Schiffen anstatt der Minen gebraucht werden, wenn der Feind an Bort kommt; die Feuerkiste.


Springkolben (W3) [Adelung]


Der Springkolben, des -s, plur. ut nom. sing. kleine dicke hohle Kolben von Glas, welche sogleich springen, wenn man sie von innen ritzet, oder nur einen Feuerstein hinein fallen lässet; Bologneser Flaschen. Sie entstehen, wenn man sie nach ihrer Verfertigung plötzlich an der freyen Luft abkühlet, wodurch das Glas in eine starke Spannung geräth, wie bey den Springgläsern.


Springkorn (W3) [Adelung]


Das Springkorn, des -es, plur. die -körner, die Samenkörner des Springkrautes; Springsame, Treibkörner. Siehe Springkraut.


Springkraut (W3) [Adelung]


Das Springkraut, des -es, plur. inus. 1. Eine Pflanze, welche bey uns in den Hainen wächset, und deren reife Samenkapseln bey der geringsten Berührung aus einander springen; Impatiens Noli me tangere Linn. Judenhütlein, wilde gelbe Ungeduld, gelbe Balsamine, Springsamenkraut. Der Same ist unter dem Nahmen der Springkörner und Treibkörner bekannt. 2. Bey einigen neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches wird auch eine in Frankreich und Italien einheimische Art des Euphorbii, Euphorbia Lathyris Linn. Springkraut genannt.


Springkresse (W3) [Adelung]


Die Springkresse, plur. inus. eine Art der Bergkresse, deren reife Samenschoten bey der geringsten Berührung aufspringen und den Samen weit umher streuen; Cardamine impatiens Linn.


Springkugel (W3) [Adelung]


Die Springkugel, plur. die -n, Kugeln, welche die Seiltänzer und Luftspringer ehedem anstatt der Springstange in der Hand hielten, um sich damit im Gleichgewichte zu erhalten.


Springlade (W3) [Adelung]


Die Springlade, plur. die -n, in den Orgeln, eine Art Windladen, welche mit einem Spring-Ventile versehen ist, so von dem Register geöffnet und zum Aufspringen bewogen wird.


Springochs (W3) [Adelung]


Der Springochs, des -en, plur. die -en, ein Ochs, welcher zum Beyspringen, d. i. zur Fortpflanzung seines Geschlechts gehalten wird; der Stammochs, Zuchtochs, Herdochs, Bulle und so ferner.


Springquelle (W3) [Adelung]


Die Springquelle, plur. die -n, eine Quelle hervor springen, den Wassers: die Wasserquelle, Quelle, im gemeinen Leben der Spring.


Springsame (W3) [Adelung]


Der Springsame, des -ns, plur. inus. S. Springkorn.


Springsamenkraut (W3) [Adelung]


Das Springsamenkraut, S. Springkraut.


Springspinne (W3) [Adelung]


Die Springspinne, plur. die -n, eine Art Spinnen, welche kein Gewebe macht, sondern ihren Raub mit einen Sprunge erhaschet.


Springstange (W3) [Adelung]


Die Springstange, plur. die -n, diejenige Stange, welche die Seiltänzer und Luftspringer in den Händen führen, sich damit im Gleichgewichte zu erhalten; die Balancier-Stange.


Springstock (W3) [Adelung]


Der Springstock, des -es, plur. die -stöcke. 1. Eine unten mit einem Klotze versehene Stanze, vermittelst derselben über einen Graben zu springen. Franz. Brin d'Estoc, Ital. Brandistocco. 2. An einigen Orten kurze krumme Stöcke, welche die Häscher und Stadtknechte führen, und solche den Tumultuanten, wenn selbige zu entspringen suchen, sehr geschickt zwischen die Füße zu werfen und sie dadurch zum Fallen zu bringen wissen. Und sie verfolgt im fliehn, gleich einen Wetterstrahl, Der Springstock, Zachar.


Spring-Ventil (W3) [Adelung]


Das Spring-Ventil, des -es, plur. die -e, S. Springlade.


Springwand (W3) [Adelung]


Die Springwand, plur. die -wände, bey den Vogelstellern, eine Art Garnwände, welche so aufgestellt werden, daß sie bey der geringsten Berührung zufallen und überspringen S. Springherd.


Springwanze (W3) [Adelung]


Die Springwanze, plur. die -n, eine Art Wanzen, welche springet und hüpfet; Cimex saltatorius Linn.


Springwasser (W3) [Adelung]


Das Springwasser, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Wasser, welches durch seinen eigenen oder fremden Druck aus Röhren in die Höhe zu springen genöthiget wird; wohin z. B. die Springbrunnen gehören. 2. Im gemeinen Leben, wo Spring eine Quelle bedeutet, ist Springwasser ein jedes Quellwasser, wo der Plural nur von mehrern Arten Statt findet.


Springwurm (W3) [Adelung]


Der Springwurm, S. Madenwurm.


Springzeit (W3) [Adelung]


Die Springzeit, plur. die -en. 1. Diejenige Zeit, da man die Zuchthengste, Zuchtochsen u. s. f. springen, d. i. die weiblichen Individua ihres Geschlechtes befruchten lässet. 2. Diejenige Zeit, da die Springfluth einzutreten pflegt, welches an manchen Küsten bey jedem Neu- und Vollmonde ist.


Sprinz (W3) [Adelung]


Die Sprinz, des -en, plur. die -en, in einigen Gegenden, ein Nahme des aschfarbigen Bergfalken, welcher bunt von Puncten und kleinen Sternchen ist, starke himmelblaue Füße hat, und zur Jagd sehr gut zu gebrauchen ist; Falco Cyanopus Klein. Blaufuß. Im gemeinen Leben behauptet man, der Sprinz sey das männliche Geschlecht des Sperbers. Ohne Zweifel wegen seiner gesprengten oder gesprenkelten Farbe, weil sprenzen in einigen, besonders Oberdeutsch. Mundarten noch wirklich für sprengen üblich ist. Wegen dieser sprenklichen Federn heißt er auch im mittlern Lat. Muscetus, Ital. Muschetto, Holl. Mosket, vom Franz. mouchete, sprenklich. Übrigens kommt der Nahme Sprinz schon im Schwabensp. vor, wo es Kap. 335. heißt: Suuer ainen Speruuer, oder ain Sprintzen, oder ander Vogel, die man uff der Hand trait, stilt oder sleht u. s. f.


Spritzbüchse (W3) [Adelung]


Die Spritzbüchse, plur. die -n, eine kleine Spritze von ausgehöhltem Hohlunder, womit die Kinder zu spielen pflegen.


Spritze (W3) [Adelung]


Die Spritze, plur. die -n, ein Werkzeug, wodurch man einen flüssigen Körper spritzen, d. i. durch den Druck in einem langen Strahle an einen entfernten Ort bringen kann. Die Wasserspri- tze, Wasser damit zu spritzen, welche, so fern sie in Feuersgefahren gebraucht wird, Feuerspritze heißt, und die Handspritzen, Schlangenspritzen u. s. f. unter sich begreift. Von kleinerer Art sind die Spritzen der Köche zu Spritzkuchen, die Spritzen der Wundärzte u. s. f. Im Nieders. Spölte, im Holländ. Spuyte, im Engl. Spirt.


Spritzen (W3) [Adelung]


Spritzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist, in beyden aber nur noch von flüssigen Körpern gebraucht wird. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. 1. Mit Heftigkeit in kleinen Theilen springen, von flüssigen oder flüssig gemachten Körpern. Der Roth spritzte mir in das Gesicht. Wenn im Hüttenbaue kalte Luft oder Feuchtigkeit zu dem geschmolzenen Metalle kommt, so stehet es auf und spritzet um sich herum. Ehedem gebrauchte man es auch für heftig springen von harten Körpern, von welcher jetzt veralteten Bedeutung Frisch einige Beyspiele anführet. 2. In engerer Bedeutung, mit Heftigkeit und in beträchtlicher Entfernung aus einer Öffnung hervor dringen; gleichfalls nur von flüssigen Körpern, wobey spritzen theils eine größere Gewalt voraus setzt, als springen, theils auch noch den Nebenbegriff hat, daß sich der heraus spritzende Körper in kleine Tropfen zertheilet. Das Blut spritzte aus den Adern, ist mir in das Gesicht, auf die Kleider gespritzt. Das Wasser spritzt aus der Röhre. II. Als ein Activum, spritzen machen, einen flüssigen oder flüssig gemachten Körper mit Heftigkeit zum Spritzen bringen, in beyden Bedeutungen des Neutrius. Jemanden den Roth in das Gesicht spritzen. Wasser aus dem Munde spritzen. In das Feuer spritzen. Jemanden in den Hals spritzen. So auch das Spritzen.

Anm. Von einigen wird dieses Wort wider die Aussprache sprützen geschrieben, ob es gleich im Nieders. sprutten lautet; Ital. sprizzare, spruzzare, Schwed. spruta. Es ist eigentlich eine Onomatopöie, welche den Laut ausdruckt, der mit einem heftig heraus dringenden und sich in kleine Tropfen zertheilenden flüssigen Körper verbunden ist, und wovon spratzen, spreitzen, spratzeln u. s. f. bloße Abänderungen sind. Der Form nach ist es ein Intensivum von sprühen, spreiten u. a. m. Übrigens gebrauchen die Niederdeutschen dafür auch ihr scheuten, swirtjen und sputtern, Engl. spatter, spurtle, S. Spützen.


Spritzenhaus (W3) [Adelung]


Das Spritzenhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Gebäude, in welchem die öffentlichen Feuerspritzen eines Ortes oder einer Gemeinde aufbehalten werden.


Spritzenmeister (W3) [Adelung]


Der Spritzenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher die Aufsicht über die öffentlichen Feuerspritzen und deren Gebrauch führet.


Spritzfisch (W3) [Adelung]


Der Spritzfisch, des -es, plur. die -e, ein kleiner Fisch in Java, welcher zu den Chaetodonis des Linne gehöret, und den Nahmen von seiner sonderbaren Geschicklichkeit hat, mit welche er einen Wassertropfen aus seinem Munde hoch über die Wasserfläche nach den Insecten spritzen oder schießen, und sie damit fangen kann; der Schießer, Holländ. Spuytvisch.


Spritzgurke (W3) [Adelung]


Die Spritzgurke, S. Eselsgurke.


Spritzkanne (W3) [Adelung]


Die Spritzkanne, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Gieß- oder Sprengkanne, womit man die Gewächse in den Gärten zu begießen pfleget.


Spritzkuchen (W3) [Adelung]


Der Spritzkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Gebackenes, wozu der Teig durch eine besonders dazu verfertigte Spritze in das heiße Schmalz getrieben wird; in einigen Gegenden Straube.


Spritzleder (W3) [Adelung]


Das Spritzleder, des -s, plur. ut nom. sing. ein Leder an den Kutschen und andern Wagen, damit das Gepäcke nicht mit Roth bespritzet werde.


Spritzling (W3) [Adelung]


Der Spritzling, des -es, plur. die -e, ein nackter Wurm mit Gliedern, mit einem länglichen gleichsam aus zwey Lippen zusammen gesetzten Körper, zwey keilförmigen Fühlhörnern und zwey Öffnungen zum Luftschöpfen; Tethys Linn. Er hält sich im Meere auf und der Meerhase ist eine Art davon.


Spritznudel (W3) [Adelung]


Die Spritznudel, plur. die -n, in den Küchen, eine Art gebildeter Nudeln, wozu der Teig aus einer eigenen Spritze getrieben wird.


Spritzschlange (W3) [Adelung]


Die Spritzschlange, plur. die -n, eine Art Schlangen, welche ihr tödliches Gift dem Menschen entgegen spritzen sollen; Speyschlange.


Spritzwall (W3) [Adelung]


Der "Spritzwall", des -es, plur. die -e, in den nordischen Meeren, eine Art Walle oder Wallfische, welche dem äußern Ansehen nach einem Cachelot gleicht, den Zähnen in beyden Kinnladen nach aber zu den Delphinen gehöret. Er ist ungeheuer groß, und hat nur Ein Blaseloch, aus welchem er aber das Wasser höher als andere Wallfische heraus spritzet; "Physeter Linn."


Sprock (W3) [Adelung]


Sprock, adj. et adv. welches nur im Niederdeutschen üblich ist, wo es spröde, zerbrechlich bedeutet, daher eine Art sehr brüchiger Weiden, welche im Biegen leicht zerbrechen, daselbst auch Sprockweiden genannt werden. Das Wort ist mit Brocken und brechen augenscheinlich verwandt. S. Sprücke.


Spröde (W3) [Adelung]


Spröde, -r, -ste, adj. et adv. welches überhaupt dem geschmeidig entgegen gesetzet ist. 1. Eigentlich. (1) Rauh und trocken, von Dingen, welche biegsam, saftig und geschmeidig seyn sollten. Eine spröde Haut. Der rauhe Wind macht die Lippen spröde. Sprödes Brot. (2) In engerer Bedeutung nennt man einen Körper spröde, wenn die Theile zwar zusammen hangen, aber unter sich völlig unbewegbar sind, daher er bricht, wenn man seine Figur ändern will; im Mecklenburgischen gelsprig, in andern Niederdeutschen Gegenden mit einem andern Endlaute sprock, bey den Schmieden von dem Stahle gührig. Das Eisen ist spröde, wenn es sich nicht dehnen lässet, sondern eher bricht. Spröde Kohlen, auf den Eisenhämmern, welches das Eisen spröde machen sollen. Sprödes Holz. 2. Figürlich. (1) Ein spröder Wind, ein rauher, doch nur in einigen Gegenden. (2) Im sittlichen Verstande ist spröde Fertigkeit besitzend, andern mit Gleichgültigkeit und Ungefälligkeit zu begegnen, und darin gegründet. Spröde seyn. Jemanden sehr spröde begegnen. Eine spröde Antwort. Im engsten Verstande ist es von dem andern Geschlechte am üblichsten, wenn es die Liebkosungen des männlichen mit Kaltsinn oder Ungefälligkeit aufnimmt. Eine spröde Schöne.

Anm. Spröde vereiniget die Begriffe des rauhen, Lat. rudis, und der Brüchigkeit in sich, in welchem letztern Verstande es zu Ottfrieds britan, brechen, vielleicht auch zu reißen, Nieders. riten, gehöret. Bey dem Kero ist Prody, Brüchigkeit. Zu der figürlichen Bedeutung gehöret so wohl das Hamburgische wreed, sauer, herbe, als auch Kero's Preitii, der Stolz, und das heutige Englische proud, stolz.


Sprödigkeit (W3) [Adelung]


Die Sprödigkeit, plur. inus. die Fertigkeit, Eigenschaft eines Dinges, da es spröde ist, in beyden Bedeutungen. Zuweilen auch ein sprödes Betragen, in der zweyten figürlichen Bedeutung, da es denn auch den Plural leidet.


Sprosse (W3) [Adelung]


Der Sprosse, des -n, plur. die -n, oder die Sprosse, plur. die -n, Diminut. das Sprößchen, Oberd. Sprößlein, ein junger hervor sprossender Theil oder Zweig eines Gewächses. Junge Sprossen. Kohlsprossen. Auch von Bäumen. Ihre Wurzel wird verfaulen, und ihre Sprossen werden auffahren wie Staub, Es. 5, 24. ( S. auch Sprößling.) In weiterer Bedeutung bedeutet es in dem zusammen gesetzten Sommersprosse auch hervor sprießende Flecken im Gesichte.

Anm. Im Nieders. Sprate, Spratel, Sprotte, im Angels. Spranto, im Engl. Sprout. Es kommt von sprießen und sprossen her, ist aber mit Reis (von reisen, riesen, hervor kommen) Brosse, u. s. f. genau verwandt. Das Wort ist beynahe in beyden Geschlechtern gleich üblich, obgleich im Hochdeutschen das männliche das übliche zu seyn scheinet.


Sprosse (W3) [Adelung]


Die Sprosse, plur. die -n. Diejenige Stecken in den Leitern und Wagenleitern, welche besonders in der ersten statt der Staffeln dienen. In einigen Gegenden Spreißel, Sprießel. 2. In den Fensterrahmen sind es diejenigen Hölzer mit einigen Gliederzierathen, worein das Glas statt des Bleyes gesetzt wird.

Anm. Es kann seyn, daß dieses Wort, wie Frisch will, von spreißen abstammet, weil die Sprossen gewisser Maßen auch als Spreitzen betrachtet werden können; es kann aber auch seyn, daß es mit dem vorigen Eines Geschlechts ist, und einen in die Länge ausgedehnten dünnen Körper bedeutet. S. auch Sprießel.


Sprossen (W3) [Adelung]


Sprossen, verb. reg. neutr. (außer daß es im Mittelworte lieber gesprossen als gesprosset hat), welches das Hülfswort seyn erfordert, und mit sprießen völlig gleich bedeutend ist, außer daß sprossen mehr in der gewöhnlichen, das Oberdeutsche sprießen aber mehr in der dichterischen Schreibart gebraucht wird. Keime, Blumen, Pflanzen, welche aus der Erde hervor sprossen. Sprossende Blumen, wenn aus einer Blume eine andere hervor wächset. Zuweilen wird dieses Zeitwort auch in etwas mehr thätiger Bedeutung gebraucht, für Sprossen treiben, und alsdann bekommt es auch das Hülfswort haben. Die Bäume sprossen schön. Der Kohl sprosset wieder. So auch das Sprossen.

Anm. Nieders. sprotten, Isländ. sprotta, Engl. to sproud, S. Spriessen.


Sprossenbier (W3) [Adelung]


Das Sprossenbier, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, eine Art gesunden Bieres, welches aus den Sprossen der Sprossenfichte, Pinus Canadensis Mill. bereitet wird, und dem Scharbocke widerstehet.


Sprossenschabe (W3) [Adelung]


Die Sprossenschabe, plur. die -n, eine Art Schaben, welche sich auf den Sprossen und jungen Zweigen der Bäume aufhält; Phalaena Tinea ramella Linn.


Sprosser (W3) [Adelung]


Der Sprosser, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Nachtigallen, welche keinen so rothen Schwanz haben, und etwas größer sind, als die gewöhnlichen Nachtigallen oder so genannten Rothvögel, und vornehmlich die ganze Nacht hindurch schlagen; der Sproßvogel, Nachtschläger. Etwa als eine Nachahmung ihres Gesanges und eines Theils derselben, und als ein Verwandter von rauschen?


Sprößling (W3) [Adelung]


Der Sprößling, des -es, plur. die -e, ein Sprosse, hervor gesprossenes junges Gewächs, Keim oder Zweig, besonders von jungen Zweigen oder Schossen der Bäume. Ein junger Sprößling. Auch figürlich. Ein Sprößling eigennütziger Ehe, Haged. Von sprossen und der Ableitungssylbe ling.


Sprott (W3) [Adelung]


Der Sprott, des -es, plur. die -e, bey den Fischern einiger Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, die Larven der Frühlingsfliegen oder Wasser-Papilions, welche sich einen hohlen Cylinder aus kleinen Hölzern, Steinchen, u. s. f. machen, und zur Lockspeise für die Fische gebraucht werden. S. das folgende.


Sprotte (W3) [Adelung]


Die Sprotte, plur. die -n, wohl auch am häufigsten in Niederdeutschland, eine Art Sardellen oder kleiner Häringe, welche geräuchert zu uns aus England gebracht werden; Clupea Sprattus Linn. Engl. Sprat, Holl. Dän. und Schwed. Sprot.

Anm. Vielleicht ist in beyden Wörtern der Begriff der Kleinheit, welcher als eine Figur der Brüchigkeit angesehen werden kann, der Stammbegriff, da denn dieses Wort mit spröde Eines Geschlechts seyn würde, S. dasselbe.


Sprotterz (W3) [Adelung]


Das Sprotterz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue einiger besonders Niederdeutschen Gegenden, ein Nahme des strahligen Bleyglanzes, welcher an andern Orten Blümchensglanz genannt wird. Ohne Zweifel von dem Nieders. sprotten, sprossen.


Spruch (W3) [Adelung]


Der Spruch, des -es, plur. die Sprüche, von dem Zeitworte sprechen. 1. Die Handlung des Sprechens, ohne Plural, wo es doch nur in den Rechten von der Handlung des ordentlichen oder selbst erwählten Richters gebraucht wird, nach welcher er in einer Sache ein Urtheil fället. Eine Sache zum Spruche bringen. Die Sache stehet auf den Spruch. 2. Dasjenige, was von jemanden gesprochen wird oder gesprochen worden. (1) Im weitesten Verstande, in welchem es doch nur in den Zusammensetzungen Anspruch, Ausspruch, Einspruch, Lobspruch, Machtspruch, Vorspruch, Widerspruch, Zuspruch, u. s. f. üblich ist. (2) In einigen engern Bedeutungen. (a) * Ein jeder ausgesprochener oder auch schriftlich verfaßter Satz; eine jetzt veraltete Bedeutung. (b) Ein kurzer, nachdrücklicher und merkwürdiger Satz, besonders wenn er eine Lehre enthält. Salomo redete drey tausend Sprüche, 1 Kön. 4, 32. Die Sprüche Salomo, welche oft unrichtig Sprichwörter genannt werden. In der Deutschen Bibel kommt es in dieser Bedeutung sehr häufig vor, welche aber in der anständigen Schreibart veraltet ist, und nur noch im gemeinen Leben gehöret wird; außer in den Zusammensetzungen Denkspruch Wahlspruch u. s. f. (c) Ein Satz, eine Stelle aus der Bibel, besonders wenn sie eine lehrreiche oder wichtige Wahrheit enthält; auch nur am häufigsten im gemeinen Leben. Biblische Sprüche. Der Hauptspruch, Beweisspruch, Kernspruch. (d) Der Ausspruch eines Richters in einer streitigen Sache, eine Art des Urtheils. Einen Spruch thun. Es sind in dieser Sache schon drey Sprüche geschehen. (e) * Ein Gedicht, besonders ein aus dem Stegreife gefertigtes und mündlich hergesagtes Gedicht; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, welche aber zu den Zeiten der Schwäbischen Dichter sehr gangbar war, und bey den gemeinen Reimschmieden und Meistersängern mancher Gegenden noch zuweilen vorkommt. S. Spruchsprecher.

Anm. Im Niedersächsischen Sproke, Spröke. ( S. Sprechen.) Im Oberdeutschen wird es auch für Anspruch gebraucht, Siehe dieses Wort.


Spruchbuch (W3) [Adelung]


Das Spruchbuch, des -es, plur. die -bücher. 1. Ein Buch, welches lauter Sprüche, d. i. sinnreiche Aussprüche und lehrreiche Verhaltungssätze enthält; eine fast ganz veraltete Bedeutung. 2. Ein Buch, welches biblische Sprüche, d. i. auserlesene lehrreiche und zur Andacht reitzende Stellen enthält.


Spruchmann (W3) [Adelung]


Der Spruchmann, des -es, plur. die -männer, oder -leute, eine veraltete Benennung gesetzter oder selbst erwählter Schiedsrichter, welche den Ausspruch in einer streitigen Sache thun sollen.


Spruchreich (W3) [Adelung]


Spruchreich, -er, -ste, adj. et adv. reich an Sprüchen, d. i. sinnreichen und lehrreichen kurzen Sätzen.


Spruchsprecher (W3) [Adelung]


Der Spruchsprecher, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Reichsstädten, z. B. zu Nürnberg, ein feiler Reimschild, der aber doch von der Obrigkeit bestätiget wird, und bey feyerlichen Gelegenheiten die Anwesenden mit Reimen aus dem Stegereife belustiget; von dem veralteten Spruch, ein Gedicht. Ein solcher Spruchsprecher ist weder mit einem Meistersänger, noch mit einem Bänkelsänger zu verwechseln.


Sprüchwort (W3) [Adelung]


Das Sprüchwort, S. Sprichwort.


Sprücke (W3) [Adelung]


Die Sprücke, plur. die -n, Diminut. das Sprückchen, auf dem Lande einiger Gegenden, z. B. im Amte Skeuditz, unförmliche Grasflecke, welche ein jeder Nachbar von einem Gemeinstücke zu seinem Antheile eingeräumt bekommt, mit den Haupt- stücken nicht zusammen hangen, aber doch mehrentheils durch einen Graben abgesondert sind. Sie werden auch Brüche, an andern Orten aber Breitchen und Folgen genannt. Sprücke, Bruch und Sprock sind Wörter Eines Geschlechtes, und bedeuten eigentlich abgebrochene, figürlich aber auch kleine durch Theilung entstandene Stücke. S. Sprock.


Sprudeln (W3) [Adelung]


Sprudeln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. Es ist eine unmittelbare Onomatopöie, 1. eines heftig aufwallenden flüssigen Körpers, er werde nun durch die Hitze, oder durch seinen eigenen Druck (wie bey einem hervor quellenden Wasser) in Bewegung gesetzt. Sanfte Entzückungen sprudeln aus jeder Quelle, Geßn. Ihr gleicht dem stehenden Wasser, das von zu vieler Hitze aufsprudelt. Wie schön sind die Quellen, wenn sie aus Klippen sprudeln, und dann durch blumige Wiesen sich schlängeln. 2. Eine Bewegung mit dem Munde machen, welche diesen Laut nachahmet, und mit einem Ausspützen verbunden ist; z. B. wenn man etwas mit Widerwillen und einem sprudelnden Laut aus dem Munde wirft. Voll Begierde biß er zu; Hänschen, o was sprudelt du! Weiße. Figürlich ist sprudeln, im gemeinen Leben, sich zu etwas ungeberdig stellen. So auch das Sprudeln.

Anm. Der Form nach ist dieses Zeitwort ein Iterativum von sprühen, so wie spritzen das Intensivum davon ist. Unser brudeln, prudeln, und das Nieders. pruddeln, aufwallen, anfangen zu sieden, sind nur durch den Mangel des Zischlautes davon unterschieden.


Sprügel (W3) [Adelung]


Der Sprügel, S. Spriegel.


Sprüssel (W3) [Adelung]


Der Sprüssel, S. Spriessel.


Sprühen (W3) [Adelung]


Sprühen, verb. reg. Es ist 1. ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. (1) In unmerklich kleinen Tropfen regnen, unpersönlich. Es regnet nicht, es sprühet nur. (2) In Tropfen oder kleinen Theilen mit Heftigkeit um sich her verbreitet werden. Glühendes Eisen sprühet, wenn man Wasser darauf gießt. Die Funken sprühn aus halb verbrannten Fackeln, Weiße. 2. Ein Activum. (1) In unmerklich kleinen Tropfen verbreiten. Die Wolken sprühen Regen. (2) In Tropfen oder kleinen festen Theilen mit Heftigkeit um sich her verbreiten. Und wo der Mittag Flammen sprüht, Zu. Man sah die Kohlen noch die rothen Funken sprühen, Zach. So auch das Sprühen.

Anm. Sprühen ist eine unmittelbare Nachahmung des damit verbundenen Lautes und zugleich das Stammwort der Intensiven, spreiten, spratzen, spritzen u. s. f. In einigen gemeinen Mundarten lautet es spreuen.


Sprung (W3) [Adelung]


Der Sprung, des -es, plur. die Sprünge, von dem Zeitworte springen. 1. So fern dasselbe einen Riß oder Bruch bekommen bedeutet, der auf solche Art entstandene und mit dem diesem Zeitworte eigenen Laute verbundene Riß oder Bruch. Das Glas hat einen Sprung. 2. Von springen, den Ort mit Erhebung des Leides und Überschreitung der dazwischen befindlichen Räume verändern, diese Veränderung des Ortes; ingleichen der Raum, welchen man auf solche Art zurück leget. (1) Eigentlich. Einen Sprung thun. Einen Sprung zum Fenster hinunter wagen. Ein gefährlicher Sprung. Es ist nur ein Sprung bis dahin. Allerley seltsame Sprünge machen. Ein Luftsprung. Figürliche Arten des Ausdruckes sind: Auf dem Sprunge stehen, im Begriffe stehen. Jemanden viele Sprünge machen, ihm viel zu schaffen machen. Jemanden auf die Sprünge, oder hinter die Sprünge kommen, hinter eine Schliche kommen, seine Ränke, Kunstgriffe entdecken. Je- manden auf die Sprünge helfen, ihm die nöthigen Kunstgriffe, die Art und Weise des Verfahrens angeben. Wieder auf seine alten Sprünge kommen, auf seine vorige Art und Weise zu handeln. Keine großen Sprünge machen können, nichts Wichtiges aus Mangel der Hülfsmittel unternehmen können. (2) Figürlich. (a) Von großen Thieren, von welchen springen für befruchten üblich ist, ist der Sprung die Handlung des Befruchtens. Den Hengst zum Sprunge lassen. (b) Ein Bein des Vorderfußes an dem menschlichen und thierischen Körper, welches sich als eine Grundsäule unter dem Schienbeine befindet, mit seinen sechs Seiten an die nahe gelegenen Beine verbunden ist, und das Springen erleichtert und befördet; Talus, Astragalus, bey einigen der Lauf. Der Hasensprung, ein solches Bein von einem Hasen. (c) In der Sprungfischerey ist der Sprung, oder in einigen Gegenden der Sprang, diejenige Angel, welche bey dieser Art der Fischerey gebraucht wird. ( S. Sprungfischerey.) (d) In den Künsten und Wissenschaften ist der Sprung die schnelle Begebung oder Richtung von einem Gegenstande auf einen andern entfernten mit Überschreitung der Stufen, oder der dazwischen zur Verbindung derselben dienenden Gegenstände, wodurch es von Schwung unterschieden ist. In der Musik werden daher alle Intervallen, welche weiter als eine Secunde von einander entfernt sind, Sprünge genannt, weil in denselben ein, zwey oder mehr Stufen der Tonleiter übersprungen worden. Der Übergang von einem Gedanken, von einem Satze zu einem entferntern, der keine sichtbare Verbindung damit hat, heißt gleichfalls ein Sprung. Die Natur thut keinen Sprung, alle natürliche Veränderungen geschehen nach und nach, durch gewisse unmerkliche Stufen, so daß keine davon überschritten wird. S. Springen.


Sprungfischerey (W3) [Adelung]


Die Sprungfischerey, plur. die -en, diejenige Art der Fischerey, da man den Forellen und Aschen gewisse Insecten an die Angel bindet, welche sie mit einem Sprunge zu erschnappen suchen, daher die Angel selbst auch der Sprung genannt wird.


Sprunghafer (W3) [Adelung]


Der Sprunghafer, S. Springhafer.


Sprungriemen (W3) [Adelung]


Der Sprungriemen, des -s, plur. ut nom. sing. ein breiter Riemen, welchen man an dem Bauchgurte eines Pferdes befestiget, zwischen den Vorderschenkeln durchziehet und ihn an dem Zaume fest macht, damit das Pferd nicht mit dem Kopfe schnellen könne. vielleicht auch das Springen und Bäumen zu verhindern.


Sprungthaler (W3) [Adelung]


Der Sprungthaler, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, z. B. im Amte Lüchau im Bremischen, eine Abgabe neu verehelichter Personen, welche sie den Morgen nach der Hochzeit dem Amtmanne so wohl als dem Pfarrer, und zwar jedem einen Reichsthaler, entrichten müssen. Man leitet es von springen, befruchten, beywohnen her; allein, da im Niedersächsischen dasjenige Geld, welches Kinder in den Schulen, oder auch andere Personen bey andern Gelegenheiten, zum Antritte oder Eintritte geben, das Einspringelgeld genannt wird, so kann es auch hier den Antritt des Ehestandes bedeuten. Zu Dannenberg, auch im Bremischen, muß jedes neuverehelichte Paar dem Gerichtsschulzen ein Upspringel- oder Aufspringelgeld von 8 Schilling geben. An andern Orten hat diese Abgabe, welche gemeiniglich als ein Überbleibsel des Rechts der ersten Nacht angesehen wird, noch andere und oft eben so zweydeutige Nahmen.


Spucke (W3) [Adelung]


Die Spucke, plur. car. im gemeinen Leben, besonders Niederdeutschlandes, der Speichel. Siehe das folgende.


Spucken (W3) [Adelung]


Spucken, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches gleichfalls nur im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart Ober- und Niedersachsens üblich ist, den Speichel auswerfen, speyen spützen. Auf die Erde spucken. So auch das Spucken.

Anm. Spucken, in einigen gemeinen Oberdeutschen Sprecharten spuchen, ist mit speyen und spützen genau verwandt, welche nur im Endlaute davon verschieden sind. ( S. dieselben.) Dem Lappländischen poikon und Ungarischen pököm, spuken, fehlet nur der Zischlaut.


Spuden (W3) [Adelung]


* Spuden, verb. reg. recipr. welches nur in den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes üblich ist, sich spuden, eilen, etwas mit Geschwindigkeit verrichten, daher denn davon auch wohl Spude die Eile bedeutet. Im Engl. Speed, im Holländ. Spoed, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Eile, so wie im Engl. to speed. im Holl. spoeden, und im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eilen ist. Im Nieders. ist spodig, eilig, bey dem Notker spuotigo, im Alban. isspeita. Es scheinet mit Pfad, dem Nieders. pedden, treten, Pes, pedis, pedire in expedire u. s. f. verwandt zu seyn, und eigentlich eine jede schnelle Bewegung zu bezeichnen.


Spuk (W3) [Adelung]


Der Spuk, des -es, plur. inus. ein nur in den gemeinen Sprecharten übliches Wort. 1. Lärm, Geräusch. Einen entsetzlichen Spuk machen. Das war ein Spuk. 2. Beschwerliche Hindernisse mancherley Art, Widersetzlichkeit, oder was man im gemeinen Leben auch krumme Sprünge nennet; vielleicht eine Figur der vorigen Bedeutung. Einem vielen Spuk machen. 3. Eine Erscheinung, ein Gespenst, besonders im Niederdeutschen; Nieders. Spok, Holländ. Spook, Spooksel, Schwed. Spok, Spöka. Daher ist im Niederdeutschen Vorspuk, eigentlich eine Vordeutung, Omen, und dann figürlich auch ein jedes Geschäft, ein jedes Ding, welches vor einem andern her gehet, und dasselbe gleichsam ankündiget.

Anm. In der ersten Bedeutung des Lärmens gehöret dieses Wort allem Ansehen nach zu pochen, dem alten Oberdeutschen Paga, Zank, Streit, bagen, zanken, und andern ähnlichen, welchen nur der ohnehin nicht wesentliche Zischlaut mangelt. Die dritte Bedeutung eines Gespenstes lässet sich als eine Figur erklären, ob sie gleich auch noch andere nicht minder wahrscheinliche Ableitungen leidet. Dergleichen sind z. B. von dem Oberdeutschen spähen, sehen, Lat. specio, so daß Spuk eigentlich eine Erscheinung bedeuten würde, oder von dem Angels. paecan, betriegen, u. s. f. Luther gebraucht in seinem Schriften Spugniß und Gespugniß mehrmahls für Scheingrund, Gaukeley, im Engl. aber ist Powke Isländ. Puke, der Teufel. Übrigens kommt Spuk in dieser Bedeutung mit dem Latein. Species und Spectrum, sehr sichtbar überein.


Spuken (W3) [Adelung]


Spuken, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches am häufigsten unpersönlich gebraucht wird, aber nur in der letzten Bedeutung des vorigen Hauptwortes üblich zu seyn scheinet. Es spukt, es lässet sich ein Gespenst sehen, es gehet um. Figürlich sagt man, es spukt in seinem Kopfe er hat Erscheinungen, es ist mit seinem Verstande nicht allzu richtig. Im Niederdeutschen hat man noch andere Ausdrücke, welche die ursprüngliche Bedeutung des Geräusches oder der heftigen Bewegung zu bestätigen scheinen; z. B. der Wein spuket ihm in dem Giebel, der Wein ist ihm zu Kopfe gestiegen; mit dem Feuer spuken, unvorsichtig damit umgehen; mit dem Gelde spuken, Geld verschwenden; das siehet aus, als wenn es spukte, das siehet seltsam aus.

Anm. In einigen Mundarten spüken, spuchen, Nieders. spöken. Schwed. spöka. ( S. das vorige.) Im Nieders. ist Spokerije auch oft altes Gerümpel; eine neue Bestätigung der Bedeutung des Geräusches.


Spulbaum (W3) [Adelung]


Der Spulbaum, S. Spindelbaum.


Spule (W3) [Adelung]


Die Spule, plur. die -n, eine nur in einigen Gegenden, z. B. bey dem Salzbrunnen in Halle übliches Wort, einen bedeckten Graben unter der Erde zu bezeichnen, wodurch das wilde Wasser abgeleitet wird. Daher ist eben daselbst das Spulhaus, ein Gebäude, in welchem das in die Spulen dringende Wasser mit Haspeln in die Höhe gezogen und durch Tröge abgeleitet wird; der Spulenzieher, ein Arbeiter, welcher das Wasser aus der Spule ziehet und durch eine Rinne in die Saale gießet. Anm. Entweder von dem folgenden Zeitworte spülen, oder auch mit dem herrschenden Begriffe des Behältnisses und hohlen Raumes, als ein Verwandter von dem Angels. Wala, Engl. Well, ein Brunnen, dem Deutschen Balg, Balge, ein Zuber, Siehe auch Spule, oder auch wegen des in solcher Sammlung befindlichen trüben faulen Wassers, als ein Verwandter von faul, dem Angels. Will, Fäulniß u. s. w. In dem Salzwerke zu Halle ist spulig, so viel wie trübe, schlammig.


Spule (W3) [Adelung]


Die Spule, plur. die -n, Diminut. das Spulchen, ein Wort, welches in drey dem Anscheine nach sehr verschiedenen, aber doch ursprünglich nahe verwandten Bedeutungen gebraucht wird. 1. Mit dem herrschenden Begriffe der Bewegung um die Achse, ohne doch die folgende des hohlen Raumes auszuschließen, ist die Spule an den Spinnrädern, eine hohle Röhre, welche an beyden Enden mit hohen Rändern versehen ist, den gesponnenen Faden aufzunehmen. Die Spule soll spinnen. Eine Spule Garn. Bey den Webern ist die Spule die kleine Röhre ohne Ränder, welche mit dem darauf gewickelten Garne in das Weberschiff gethan wird, und sich in demselben gleichfalls um eine angebrachte Achse beweget; die Weberspule. Es wird daher das ganze Weberschiff oft nur die Schießspule genannt. In beyden Bedeutungen im Nieders. Spole, Holl. Spoele, Engl. Spool, Schwed. Spole, Ital. Spola, Span. Espolin, Franz. Espaulee, wo auch Poulie, ohne Zischlaut, eine Rolle ist. Der Begriff der Ründe, der schnellen Bewegung um die Achse, sticht hier merklich vor, daher man es hier als einen Verwandten von dem alten bolen, wälzen, Welle, wölben, boll rund, u. s. f. ansehen muß. Auch sind Spule und Spille verwandt, obgleich die Spille eigentlich die kleine gedrechselte nicht hohle Welle ist, auf welche das Garn gewunden wird, wenn der Weber es scheren soll. Von der Spille kommt es auf die Spule. 2. Mit dem herrschenden Begriff des hohlen Raumes, ohne doch den folgenden der Ausdehnung in die Länge ganz auszuschließen, nennet man den untern hohlen Theil an den größern Federkielen, und hernach auch eine jede noch ungeschnittene Feder mit ihrem Kiele, eine Spule, Nieders. Spole, ingleichen Pose. Federspulen, Gänsespulen, Schwanenspulen u. s. f. Von kleinen nur zum Schließen tauglichen Federn ist es nicht üblich. Es ist hier mit 1 Spule ein Graben. Canal, genau verwandt, (Siehe dasselbe.) 3. Mit dem Grammbegriffe der Ausdehnung in die Länge ohne beträchtliche Decke, ingleichen der Spitze, werden nur bey den Jägern die kleinen Stecken in den Hühner- und Steckgarnen, welche sonst auch Sprießel und Spreißel heißen, Spulen genannt. Es ist hier mit dem mehr Nieders. Spille, ein zugespitzter kleiner Grab, auf das genaueste verwandt. Eben daselbst heißen die zarten spitzigen Kiele an den Federn, so lange sie noch in der Haut stecken, Spielen.


Spuleisen (W3) [Adelung]


Das Spuleisen, des -s, plur. ut nom. sing. das Eisen, welches durch die Spulen gehet, und um welches sie sich, als um ihre Achse bewegen.


Spulen (W3) [Adelung]


Spulen, verb. reg. auf die Spule, und in weiterer Bedeutung auch auf die Spindel laufen lassen. Das Garn spulen, es auf die Weberspulen bringen. So auch das Spulen.


Spülen (W3) [Adelung]


Spülen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, da es eigentlich eine Nachahmung eines in einer schwankenden oder wellenförmigen Bewegung befindlichen flüssigen Körpers ist, welche man in einigen Gegenden auch durch schalen ausdruckt. Der Fluß spült an die Mauer, benetzt in seiner wellenförmigen Bewegung die Mauer, wofür doch anspülen üblicher ist. II. Als ein Activum, vermittelst eines in eine schwankende oder wellenförmigen Bewegung gesetzten flüssigen Körpers bearbeiten; besonders auf solche Art reinigen, (wodurch es sich von waschen unterscheiden,) für das noch üblichere ausspülen. Ists ein eherner Topf, so soll man ihn mit Wasser spülen, 3 Mos. 6, 28. Kap. 15, 12. Die Gläser spülen. Die Wäsche spülen. Das Essen in den Magen spülen, im gemeinen Leben für trinken. Das Wasser hat alles Holz mit weggespület. So auch das Spülen.

Anm. Bey dem Notker spuolen, im Nieders. spölen, im Böhm. spilati, im Wallach. spelu, im Alban. spaljann. Welle, wallen, quellen u. s. f. gründen sich auf eine ähnliche Onomatopöie und unterscheiden sich unter andern auch durch den Mangel des Zischlautes. Das h ist in diesem und dem vorher gehenden Worte eben so unnöthig als in dem vorhergehenden Spule, daher man es ohne Bedenken spülen, schreiben kann. S. die Orthographie Th. 1. S. 257.


Spülfaß (W3) [Adelung]


Das Spülfaß, des -es, plur. die -fässer, ein Faß, in welchem das gewaschene oder gescheuerte Küchengeschirr gespület, d. i. ab- oder ausgespület wird, und welches nach Maßgebung seiner Gestalt, auch wohl die Spülgelte, die Spülstande, die Spülwanne u. s. f. heißt.


Spulhaus (W3) [Adelung]


Das Spulhaus, des -es, plur. die -häuser; Siehe 1. Spule.


Spülig,Spülicht (W3) [Adelung]


Das Spülig, oder Spülicht, des -es, plur. car. dasjenige Wasser, worin gebrauchte Schüsseln, Teller und Töpfe ausgespület, und von den noch darin befindlichen Überresten von Speisen gereiniget werden. Das Branntweinspülicht, der für Menschen untaugliche Bodenfaß in der Branntweinblase, welcher mit Wasser ausgespület wird.


Spuljunge (W3) [Adelung]


Der Spuljunge, des -n, plur. die -n, bey den Webern, ein Knabe oder Lehrling, welcher das Spulen verrichtet.


Spülkelch (W3) [Adelung]


Der Spülkelch, des -es, plur. car. in der Katholischen Kirche, der in einem Kelche befindliche aber nicht consecrirte Wein, welcher den Communicanten auf Verlangen gereichet wird, das consecrirte Brot damit hinunter zu spülen.


Spülkessel (W3) [Adelung]


Der Spülkessel, S. Schwänkkessel.


Spülkumm (W3) [Adelung]


Der Spülkumm, oder Spülkumpf, des -es, plur. die -e, ein halbrundes Gefäß, gemeiniglich von Porzellan, die Tassen darin auszuspülen. ( S. 2 Rumpf.) Sonst auch der Spülnapf.


Spülkumpf (W3) [Adelung]


Der Spülkumm, oder Spülkumpf, des -es, plur. die -e, ein halbrundes Gefäß, gemeiniglich von Porzellan, die Tassen darin auszuspülen. ( S. 2 Rumpf.) Sonst auch der Spülnapf.


Spülmagd (W3) [Adelung]


Die Spülmagd, plur. die -mägde, in großen Küchen, eine eigene Magd, welche das Küchengeschirr spület, und oft von der Scheuermagd verschieden ist.


Spülnapf (W3) [Adelung]


Der Spülnapf, des -es, plur. die -näpfe, ein Napf, andere Gefäße darin auszuspülen, S. Spülkumm.


Spulrad (W3) [Adelung]


Das Spulrad, des -es, plur. die -räder, eben daselbst, ein Rad, vermittelst dessen das gesponnene Garn auf die Weberspulen gebracht wird.


Spulspindel (W3) [Adelung]


Die Spulspindel, plur. die -n, diejenige Spindel, woran die Weberspulen stecken.


Spülwasser (W3) [Adelung]


Das Spülwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. Wasser, worin und womit andere Gefäße ausgespület worden, oder ausgespület werden sollen; im ersten Falle auch das Spülicht.


Spulwurm (W3) [Adelung]


Der Spulwurm, des -es, plur. die -würmer, ein Nahme, welche verschiedenen nackten und runden Würmern ohne Gliedmaßen beybeleget wird, um sie von den Taeniis, oder breiten Würmern zu unterscheiden. 1. Einem länglich runden oder vielmehr fadenähnlichen, und an beyden Enden zugespitzten Wurme; Ascaris Linn. Er hält sich in den Sümpfen und an den Wurzeln faulende Bäume, vornehmlich aber in den Eingeweiden der Menschen und Thiere auf. Die gewöhnliche Art ist nicht viel grö- ßer als eine Made; es gibt ihrer aber auch, welche eine Spanne lang und den Regenwürmern ähnlich sind, Ascaris lumbricoides Linn. 2. Einer Art Regenwürmer, welche aber weißer ist, keinen so deutlichen Ring hat, oft Ellen lang wird, und sich gleichfalls in den menschlichen Gedärmen antreffen lässet; Lumbricus teres Linn.

Anm. Nieders. Spoolworm, Dän. Spoolorm. Ohne Zweifel wegen der langen dünnen zugespitzten Gestalt, von Spule, Spiele, Spille, u. s. f. Siehe Spule 3.


Spund (W3) [Adelung]


1. Der Spund, des -es, plur. inus. der wässerige nicht genug ausgebackene Theil des Brotes, ingleichen der weißere, weichere Theil des Holzes gleich unter der Rinde, S. 1 Spint.


Spund (W3) [Adelung]


2. Der Spund, des -es, plur. die Spünde, von dem Zeitworte spünden, ein aus mehrern zusammen gespündeten Theilen bestehendes Werk, eine nur in einigen Fällen übliche Bedeutung. So ist im Hüttenbaue der Spund; ein Werk, das Wasser bey den Fludern zu ertragen, welches aus zwey starken winkelrecht ausgehauenen Bäumen bestehet, zwischen welchen Breter eingeschnitten werden; wo aber auch die folgende Bedeutung einer Rinne, eines Kanales, Statt findet. S. Spünden.


Spund (W3) [Adelung]


3. Der Spund, des -es, plur. die Spünde, Diminut. das Spündchen, ein Wort, welches so wohl eine Offnung, als auch einen Zapfen, als endlich auch einen Rand bedeutet. 1. Eine Öffnung, wo es von verschiedenen Arien derselben und eines hohlen leeren Raumes üblich ist. Eine Stelle im Dache nahe an einer Feuermauer, wo man das Dachwerk in der Geschwindigkeit wegnehmen kann, um in Feuersgefahr zu der Feuermauer kommen zu können, heißt ein Spund. Die Öffnungen der Röhren in den Wasserleitungen sind unter dem Nahmen der Spünde bekannt Im Bergbaue einiger Gegenden ist der Spund ein Wetterthürchen. Am bekanntesten ist es von der gemeiniglich runden, zuweilen aber auch viereckten Öffnung oben in der Mitte eines Fasses, den flüssiger Körper dadurch in das Faß zu füllen, und welche oft der Spund schlechthin, oft aber auch zum Unterschiede von dem darein gehörigen Pfropfen oder Zapfen, das Spundloch genannt wird. Im Oberdeutschen auch ohne Zischlaut, Pundt, Punten, das Bündlein, Ital. Bondonne, im Franz. Bondon, im mittlern Lat. Bondonus, Böhm. Sspunk, Pohln. Szpunt. Es ist in dieser Bedeutung mit Sponde, Spind, 2 Spint, Pinte, Wanne, Pfanne, und andern ähnlichen Wörtern genau verwandt. 2. Ein kurzer Zapfen, Pfropfen, und was dem ähnlich ist, auch nur in einigen einzelnen Fällen. Der hölzerne Pfropfen, womit der Spund oder das Spundloch eines Fasses verstopfet wird, heißt gleichfalls der Spund. In der Artillerie ist es der Pfropfen, womit die Mündung eines Stückes verwahret wird, damit nichts unreines hinein falle; der Zapfen, Mundpfropfen. Bey den Drechslern sind die Zapfen oder Spünde kurze runde Stückchen Holz, welche an die Spindel befestiget werden, das zu drehende Stück daran zu befestigen. An den Fischreichen ist es der Zapfen, welchen man heraus ziehet, wenn man das Wasser ablassen will; und so vielleicht noch in andern Fällen mehr. Hier herrscht entweder der Begriff der Spitze, als ein Verwandter von Finne, Pfinne, Nieders. Pinne, oder der Hervorragung und Ründe, wie in Bohne, Wanst, u. s. f. 3. Ein Rand, gleichfalls nur in einigen wenigen Fällen, z. B. bey den Holzarbeitern, wo es zuweilen den Rand des Holzes bedeutet. Wo die Fensterrahmen mit keinen Nuthen ausgefahren werden, da werden sie an der auswendigen Seite auf den halben Spund einen halben Zoll hoch abgestoßen, so daß die Glasscheiben nur an einer Seite am Holze anliegen können. Im Ital. ist Sponda gleichfalls der Rand. Beyde gehören zu dem alten Bann und Bant, die Gränze, Wand.


Spundband (W3) [Adelung]


Das Spundband, des -es, plur. die -bänder; bey den Böttchern, dasjenige Band eines Fasses, welches zunächst an dem Spunde zu liegen kommt.


Spundbaum (W3) [Adelung]


Der Spundbaum, des -es, plur. die -bäume. 1. Im Holzhandel, ein starker Baum, aus welchem starke Spundbreter geschnitten werden können. 2. An den Wassermühlen und Wehren ist der Grund- oder Fachbaum, welcher unmittelbar vor den Gerinnen lieget, auch unter dem Nahmen des Spundbaumes bekannt; entweder von Spund, der Rand, die Gränze, weil er zur Bestimmung der Wasserhöhe dienet, oder auch, weil er sehr fest verbunden oder auch gleichsam verspündet wird.


Spundbier (W3) [Adelung]


Das Spundbier, des -es, plur. car. an einigen Orten, eine Ergetzlichkeit an Bier oder Geld, welche den Kleidern gegeben wird, wenn sie einen Boden flechten und das letzte Holz einlegen, und gleichsam einspünden.


Spundbohrer (W3) [Adelung]


Der Spundbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art großer Bohrer, die Spünde in den Fässern damit zu bohren.


Spundbret,Spundebret (W3) [Adelung]


Das Spundbret, oder Spundebret, des -es, plur. die -breter, im Holzhandel und bey den Holzarbeitern, eine Art starker Breter, welche einen guten bis 1 1/2 Zoll dick sind, damit sie zum Spünden gebraucht, oder auf den ganzen oder halben Spund ausgezogen werden können.


Spünden (W3) [Adelung]


1. Spünden, verb. reg. act. von Spund, die obere Öffnung eines Fasses, den Spund verschließen, oder zumachen. Ein Faß spünden; wofür doch zuspünden üblicher ist. Ingleichen, durch Verstopfung des Spundes einschließen, verwahren. Wenn der Wein gebrauset hat, so lässet man ihn spünden. In weiterer Bedeutung gebraucht man es auch zuweilen von der Verschließung des Bodens eines Fasses, so daß Spund hier jede Öffnung bedeutet. Mehl in Fässer spünden, weil man doch das Mehl nicht durch den Spund in ein Faß zu bringen pflegt. S. Spund.


Spünden (W3) [Adelung]


2. Spünden, verb. reg. act. von Spund, Falz, Fuge, oder auch der Rand; ein im Hochdeutschen wenig mehr übliches Wort. 1. Vermittelst einer an dem Rande befindlichen Fuge oder Naht an und in einander fügen; in welchem Verstande es noch zuweilen bei den Holzarbeitern von dieser Art der Verbindung der Breter und ähnlichen Stücke üblich ist. Breter spünden, oder in einander spünden. ( S. Spundbret u. s. f.) Vermittelst solcher gespündeten Breter überziehen oder bekleiden; täfeln. Er spündete das Haus mit Cedern, beyde oben und an den Wänden, 1 Kön. 6, 9, 15. Er spündete den Altar mit Cedern, V. 20. Der Salzbrunn zu Halle ist unten mit Bohlen gespündet, Fritsch varii tract. bey dem Frisch. So auch das Spünden.

Anm. Im Nieders. spunden, im Schwed. sprunda. Was Frisch in seiner Ausgabe Bödickers S. 341 von der Abstammung dieses Wortes saget, ist äußerst gezwungen und weit gesucht. Indessen läßt sich doch die nächste Abstammung nur muthmaßlich bestimmen. Es scheinet, daß binden eher verbinden der herrschende Begriff sey, der durch den vorgesetzten Zischlaut hier nur mehr Nachdruck bekommen, obgleich auch Spund, Falz, Fuge, Nuht, Öffnung, mit in Betrachtung kommen kann, da es denn eigentlich, vermittelst einer Fuge verbinden, bedeuten würde. Im Pohln. ist spinam gleichfalls ich füge zusammen.


Spünder (W3) [Adelung]


Der Spünder, des -s, plur. ut nom. sing. oder vollständig der Bierspünder, Weinspünder, ein verpflichteter Arbeiter, der nicht nur volle Fässer in die Keller schafft, sondern auch selbige zur gehörigen Zeit zuspündet, und der von der ersten Arbeit gemeiniglich Wein- oder Bierschröter heißt.


Spundgeld (W3) [Adelung]


Das Spundgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, an einigen Orten, eine Abgabe, welche der Obrigkeit von dem ausgeschenkten Weine oder Biere entrichtet wird; vielleicht eigentlich nur diejenige Abgabe, welche für die von der Obrig- keit gemachte Taxe des zu verschenkenden Getränkes gegeben wird wie das mittlere Lat. Foragium, weil das Getränk dabey vorher durch Öffnung des Spundes gekostet wird.


Spundhefen (W3) [Adelung]


Die Spundhefen, sing. inus. diejenigen Hefen, welche das Bier, nachdem es gefasset worden, zum Spundloche auswirft, die Oberhefen, zum Unterschiede von den Unterhefen, oder Stellhefen.


Spundhobel (W3) [Adelung]


Der Spundhobel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Hobel der Tischler und Zimmerleute, womit sie so wohl den Falz als die Nuht an den Kanten derjenigen Breter, welche gespündet werden sollen, verfertigen; welcher Ausdruck denn so wohl den Falshobel als den Nuhthobel unter sich begreift.


Spundlade (W3) [Adelung]


Die Spundlade, plur. die -n, an den Orgeln eine Windlade, deren Boden ausgemeißelt und hernach wieder verspündet worden.


Spundloch (W3) [Adelung]


Das Spundloch, des -es, plur. die -löcher, der Spund, so fern er ein Loch, eine Öffnung bezeichnet; besonders diese Öffnung oben in der Mitte eines Fasses, um es von Spund, Zapfen, Pfropfen, zu unterscheiden.


Spundnagel (W3) [Adelung]


Der Spundnagel, des -s, plur. die -nägel. 1. In einigen Gegenden, eine Art Nägel, womit die Spundbreter mit welchen ein Boden gespündet wird, befestiget werden, und welche von den ganzen Bretnageln vielleicht nicht verschieden sind. 2. Hölzerne an beyden Enden spitzige Nägel, zwey Breter damit an einander zu spünden.


Spundpfahl (W3) [Adelung]


Der Spundpfahl, des -es, plur. die -pfähle, ein in einem andern gespündeter oder gesalzter Pfahl.


Spundsäge (W3) [Adelung]


Die Spundsäge, plur. die -n, eine Säge der Faßbinder, den Spund damit auszuschneiden.


Spundstück (W3) [Adelung]


Das Spundstück, des -es, plur. die -e. 1. Im Bergbaue, winkelrecht ausgehauene Bäume, welche zu den Fludern gebraucht, und mit Bretern bekleidet werden, da denn ein solches Werk ein Spund heißt. ( S. 2 Spund.) 2. Auch ein Stück oder Theil eines Ganzen, in welchem sich ein Spund oder Spundloch befindet.


Spundtiefe (W3) [Adelung]


Die Spundtiefe, plur. die -n, die Tiefe eines Fasses, wenn dasselbe durch den Spund gemessen wird; die Mitteltiefe, d. i. die Tiefe in der Mitte.


Spundzapfen (W3) [Adelung]


Der Spundzapfen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Spund, so fern dieses Wort einen Zapfen bedeutet, um es von einem Spundloche zu unterscheiden, dergleichen der Spund, oder Spundzapfen an den Teichen ist.


Spur (W3) [Adelung]


Die Spur, plur. die -en, ein Wort, welches überhaupt den Begriff eines Einschnittes, Eindruckes, einer Öffnung u. s. f. zu haben scheinet. 1. Überhaupt, wo es doch nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist. So ist im Bergbaue die Spur, der Mittelpunct in dem Pfännchen, worinn das Kreuz oder die Spindel herum läuft, wo es eigentlich eine Vertiefung, ein Loch, zu bezeichnen scheinet. In einem andern Verstande ist im Hüttenbaue die Spur, ein runder vertiefter Zirkel im Treibeherde, worin sich das Blickstiber setzt, ingleichen eine ähnliche Vertiefung in dem hohen Ofen und Krummofen, in welcher das geschmolzene Metall zusammen fließet. Die Spur schneiden, sie in dem Herde ausschneiden. Die Bergleute nennen diejenige Kerbe, welche sie bey Bohrung der Schießlöcher machen, gleichfalls die Spur. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Spur der Eindruck von dem Gange eines Dinges in dem Boden, so wohl von lebendigen Geschöpfen, als auch im weitern Verstande von leblosen Dingen; wo es denn gemeiniglich collective, so wohl im Singular, als Plural von mehrern solchen Eindrücken gebraucht wird. (1) Eigentlich. Die Spur eines Menschen. Der Spur eines Diebes nachgehen. Jemanden auf die Spur kommen, auch figürlich, Merkmahle bekommen, woraus man ihn oder seine Gesinnung, seine Maßregeln entdecken kann. Wenn er- Im seligsten Triumphe fährt, Indeß der Überfluß auf jede seiner Spuren Ein ganzes Füllhorn leert, Raml. Bey den jagdbaren Thieren wird die Spur gemeiniglich die Fährte genannt, obgleich einige beyde noch unterscheiden, und Spur nur von beklaueten Thieren gebrauchen, dagegen andere es bloß auf das niedere Wildbret einschränken. Die Spur verlieren. Der Hund gehet der Spur nach, ist auf der Spur. Wenn es aber im Lichtwehr heißt: Ein Fuchs, Der oft mit mehrerm Glück als Rechte Der schnellen Hunde Spur entging, wo es von der Handlung des Spürens gebraucht zu seyn scheinet, so ist solches ungewöhnlich und wider den Sprachgebrauch. In einem etwas andern Verstande ist die Spur auch der Eindruck im Boden von einem beständigen Gange. Bey den Pferdemühlen müssen die Pferde immer in einer und eben derselben Spur bleiben. Auch das Geleise eines Wagens wird in manchen Provinzen häufig die Spur genannt. (2) In weiterer und figürlicher Bedeutung, ist die Spur ein jedes Merkmahl einer vorhandenen oder vorhanden gewesenen Sache, wo sich denn ein doppelter Nebenbegriff mit einschleicht. (a) Ein Merkmahl einer vorhanden gewesenen Sache, ein Überbleibsel derselben. Das sind noch die Spuren der ehemahligen Verwüstung. Man sieht keine Spur mehr von dieser ehedem so großen Stadt. (b) Ein Merkmahl, ein Erkenntnißgrund einer nicht sichtbar erkannten Sache. Spuren von etwas haben. Es sind Spuren davon da. An den Unfällen und glücklichen Begebenheiten die Spuren der Vorsehung entdecken.

Anm. In der zweyten Hauptbedeutung schon bey dem Ottfried und Notker Spor, im Oberdeutschen noch jetzt das Spor, das Gespor, oder das Gespöre, bey dem Willeram und Stryker im männlichen Geschlechte der Spor, im Nieders. Spoor, im Schwed. Spar, im Angels. Spor, im Isländ. Spör. In der ersten allgemeinen Bedeutung ist es wohl gewiß, daß es den Begriff der Öffnung, Vertiefung u. s. f. hat, und als ein Verwandter von hohen angesehen werden müsse. Allein in der zweyten Bedeutung haben fahren, für gehen, sich bewegen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Gang, Fährte, Ferse und alle dieses Geschlechtes gleichen Anspruch auf die Verwandtschaft, so wie sich in der figürlichen Bedeutung der Begriff des Wahrnehmens, Erfahrens, u. s. f. mit einschleicht. S. Spüren.


Spurbiene (W3) [Adelung]


Die Spurbiene, plur. die -n, diejenigen Bienen, welche ein Stock, wenn er Schwärmen will, voraus schicken soll, einen bequemen Ort für den Schwarm auszusuchen; an einigen Orten Putzer.


Spureisen (W3) [Adelung]


Das Spureisen, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein krummes Eisen oder Messer, womit die Spur in dem Herde ausgeschnitten wird.


Spuren (W3) [Adelung]


Spuren, verb. reg. neutr. die Anwesenheit einer vorhandenen Feuchtigkeit durch den Geruch verrathen, S. 1. Sparen.


Spüren (W3) [Adelung]


Spüren, verb. reg. act. welches in einer doppelten Hauptbedeutung vorkommt. 1. In mehr thätiger, vermittelst einer oder mehrerer Spuren ein Ding zu erkennen, zu erforschen suchen. Nach etwas spüren, die Hunde spüren im Walde, spüren nach dem Wilde. Es ist hier als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben und dem Vorworte nach am üblichsten, wird aber noch häufiger in den Zusammensetzungen aufspüren, ausspüren, nachspüren; u. s. f. gebraucht. In einigen Mundarten lautet es in dieser thätigen Bedeutung spuren. 2. In mehr leidender Bedeutung, an einer oder mehr Spuren oder Merkmahlen erkennen, wobey es doch gemeiniglich den Nebenbegriff der geringen Erkenntniß, oder der Erkenntniß aus wenig Merkmahlen bey sich führet, merken, schwach empfinden. Ich spüre, daß mich der Herr segnet, um deinetwillen, 1 M. 30, 27. Es ist kaum zu spüren. Ich spüre nichts. Die Katze spüret eine Maus, die Hunde spüren ein Wild. Es ist so leicht, daß man das Gewicht kaum spüret. Einen unangenehmen Geruch spüren. S. auch Verspüren, welches häufig für das einfache spüren gebraucht wird. So auch das Spüren.

Anm. Schon bey den alten Oberd. Schriftstellern spuron, wovon das Iterativum spurilon bey dem Ottfr. nachdenken, meditari, bedeutet; im Nieders. spören, im Angels. spyrian, spuran, im Schwed. spara, im Schottländ. speer, im Isländ. spiria, im Engl. to spere, alle bald in thätiger Bedeutung für forschen, aufsuchen, bald auch in leidender für merken, empfinden. Die Abstammung ist ungewiß, weil mehrere Wörter darauf Anspruch machen können. Da -ren oft ein Merkmahl eines Iterativi und Intensivi ist, so kann man es als ein solches von spähen, sehen, zu sehen suchen, betrachten, und dann würde spüren, für späheren stehen. Man kann es aber auch als ein vermittelst des Zischlautes von wahr und wahrnehmen, gewahr, erfahren u. s. f. abstammendes Wort ansehen, so daß es eigentlich durch die Sinne empfinden bedeuten würde. Am wahrscheinlichsten läßt es sich indessen doch von Spur ableiten, welches theils das aus dem u entstandene ü glaublich macht, theils aber auch der Nebenbegriff der schwachen oder dunkeln Erkenntniß aus geringen oder dunkeln Merkmahlen. Das Lat. vestigare, mit welchem spüren in der thätigen Bedeutung überein kommt, stammet auf ähnliche Art von Vestigium ab, welches wiederum Pes, Fuß, und steigen, gleichsam Fußtapfe, für seine Stammwörter erkennet.


Spürer (W3) [Adelung]


Der Spürer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Spürhund.


Spurgang (W3) [Adelung]


Der Spurgang, des -es, plur. die -gänge, bey den Jägern, ein Gang, welchen man bey einem frisch gefallenen Schnee thut, um zu sehen, was für Sauen oder Wölfe in einem Wege oder Flügel wechseln. Geschiehet es zu Pferde, so heißt es ein Spurritt.


Spurherd (W3) [Adelung]


Der Spurherd, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue, derjenige Raum, in welchem die Spur gemacht wird.


Spurholz (W3) [Adelung]


Das Spurholz des -es, plur. die -hölzer, eben daselbst, eine dünne geschnittene häselne Ruthe, mit welcher man ehedem die Spur zu machen pflegte.


Spürhund (W3) [Adelung]


Der Spürhund, des -es, plur. die -e, ein Jagdhund, welcher dazu abgerichtet ist, das Wild auf seiner Spur aufzusuchen und zu verfolgen, da denn Spürhund, Spürer, eine allgemeine Benennung aller Jagdhunde dieser Art ist, wenn sie frey gehen und suchen. Wenn ein solcher Hund aber an dem Hängeseile gehet, so heißt er ein Leithund. Das Wort ist alt, und lautet schon in den alten Baierischen Gesetzen Spurihunt.


Spurmesser (W3) [Adelung]


Das Spurmesser, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Messer, womit die Spur in den Schmelzherden ausgeschnitten wird; das Spureisen.


Spurritt (W3) [Adelung]


Der Spurritt, des -es, plur. die -e, S. Spurgang.


Spürschnee (W3) [Adelung]


Der Spürschnee, des -s, plur. car. bey den Jägern, frisch gefallener Schnee, so fern es geschickt ist, Wölfe und andere Raubthiere in demselben zu spüren.


Spurstein (W3) [Adelung]


Der Spurstein, des -es, plur. die -e. 1. In der Mineralogie, Steine, an und in welchen man noch die Spuren von ehemahligen thierischen oder vegetabilischen Körpern entdecket, wohin denn so wohl die Abdrücke, als die Steinkerne gehören. 2. Ohne Plural, außer von mehrern Arten, ist in dem Hüttenbaue der Spurstein, ein noch mit Gestein und andern Unarten vermischtes Ku- pfer, welches durch die Schmelzung des Schwarzkupfers erhalten wird; vermuthlich weil es sich in der Spur sammelt.


Spurwiesel (W3) [Adelung]


Das Spurwiesel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Ägyptischer Wiesel, welche auch unter dem Nahmen der Pharaons-Maus oder Pharaons-Katze bekannt ist, und eine besondere Geschicklichkeit in Aufspürung im Vögel besitzet, daher sie auch im Griech. Ichnevmon genannt wird.


Spützen (W3) [Adelung]


Spützen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, den Speichel auswerfen. Jesus spützete und rührete seine Zunge, Marc. 7, 33. Er spützete in seine Augen, Kap. 8, 23. Er spützete auf die Erde, Joh. 9, 6. Es ist ein ursprünglich Oberdeutsches Wort, welches im Hochdeutschen wenig gebraucht wird, außer zuweilen in der edlern und anständigern Schreibart, das gemeinere Sächsische spucken und härtere speyen zu vermeiden. So auch das Sputzen.

Anm. Im Oberd. spöutzen, speutzen, speyzen, im Angelsächs. spaetan, spittan, im Holländ. spitten, im Engl. to spout. Es ist mit dem Lat. Sputum, Speichel, dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - spützen, und unserm speyen und spucken genau verwandt, welche insgesammt Onomatopöien des damit verbundenen Lautes sind.


Squenz (W3) [Adelung]


Squenz, ein erdichteter komischer eigenthümlicher Nahme, unter welchem Andr. Gryphius in seinem 1663 heraus gegebenen Lustspiele: Absurda comica oder Peter Squenz, einen abgeschmackten Schulmeister vorstellet. Indessen rühret weder der Nahme noch die Erfindung des Stückes von Gryphio her, sondern gehöret dem Shakesspear zu, welcher in einem Zwischenspiele, so in seinem Summer Nights-Day eingeschaltet ist, einen solchen Schulmeister Nahmens Quince, aufführet, welches Zwischenspiel Gryphius bloß nachgeahmet hat.


St (W3) [Adelung]


St, ein zusammen gesetzter Mitlaut, welcher aus dem angezischten t oder d bestehet, und dessen Figur in der kleinen Schrift durch st angedeutet wird. Die Obersachsen und Oberdeutschen, welche das gelinde s in vielen Fällen gern in den ihnen eigenen Zischer verwandeln, sprechen dieses st zu Anfang einer Sylbe wie scht aus, dagegen die Niederdeutschen hier bloß ein einfaches sanftes s hören lassen, Siehe S, wo von dieser Aussprache und der etymologischen Bestimmung dieses s vor dem t schon das nöthigste gesagt worden.


St! (W3) [Adelung]


St! ein Zwischenwort, oder vielmehr nur ein bloßer Laut, welcher ohne allen Selbstlaute ausgesprochen wird, und im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart üblich ist, wenn man damit ein bedeutendes Stillschweigen gebiethen will, um auf etwas zu horchen, zu lauern u. s. f. St! ich glaube er kommt. Französ. gleichfalls St! sonst aber auch chute! die Niedersachsen gebrauchen dafür tuß! tusse! die Dänen d'üß, welche mit dem Lat. tace übereinkommen, ohne eben davon abzustammen. Unsor st! ist nicht aus stille! zusammen gezogen, oder davon abgerissen, wie einige wollen, sondern ein eigener Naturlaut, der in stille, stehen, sistere, u. a. m. ein eigenthümlicher Laut der Ruhe und der Stille ist.


Staag (W3) [Adelung]


Der Staag, S. Stag.


Staar (W3) [Adelung]


Der Staar, ein Vogel. S. Stahr.


Staar (W3) [Adelung]


Der Staar, des -es, plur. die -e, eine Krankheit des Auges, da dasselbe verdunkelt und zum Sehen unbrauchbar gemacht wird. Der graue Staar, Cataracta, Suffusio, wo der Augapfel eine weiße oder graue Farbe bekommt und die Krystall-Linse völlig verdunkelt ist. Er bestehet oft in einer undurchsichtigen Haut, welche sich in dem Innern des Auges zwischen der Hornhaut und der Krystall-Linse erzeugt, und, wenn das Auge geheilet werden soll, niedergedrückt, oder heraus gezogen werden muß, welches man den Staar stechen nennet. Der schwarze Staar, wenn der Augapfel bey einer völligen Blindheit seine natürliche Farbe behält, welche Art des Staares für ganz unheilbar gehalten wird, weil die Netzhaut des Auges, oder dessen Nerve alsdann unbrauchbar geworden; Amaurosis, Guttaserena.

Anm. Weil der Staar in einer Verletzung des Sternes im Auge bestehet, so leitet es Frisch von diesem Worte her, zumahl da ältere Oberdeutsche Schriftsteller diese Art der Blindheit die Staarblindheit nennen. Allein, da mit dem Staare behaftete Personen starr vor sich hin sehen, daher man für völlig blind auch starrblind, und in einigen Mundarten staarblind sagt, so scheinet dieses mehr Recht auf die Abstammung zu haben. Daß in starr das verdoppelte r nicht wesentlich ist, erhellet aus dem Nieders. stieren, mit starren Augen sehen, Angels. starian, Isländ. stara. Was die Schreibart dieses Wortes betrifft, so könnte man es immer Star oder höchstens Stahr schreiben; indessen ist die Schreibart mit dem doppelten a die gemeinste.


Staarbrille (W3) [Adelung]


Die Staarbrille, plur. die -n, eine Art Brillen für kranke Augen, besonders für solche, welchen der Staar gestochen worden.


Staarnadel (W3) [Adelung]


Die Staarnadel, plur. die -n, eine goldne Nadel der Staarstecher oder Oculisten, den Staar damit zu stechen.


Staarstecher (W3) [Adelung]


Der Staarstecher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wundarzt, der ein eignes Geschäft daraus macht, andern den Staar zu stechen, dergleichen Personen sich aber doch lieber Oculisten oder Augenärzte nennen lassen.


Staat (W3) [Adelung]


1. * Der Staat, des -es, plur. inus. der Zustand, die Beschaffenheit einer Person oder Sache; eine im Hochdeutschen völlig unbekannte, und nur noch in einigen Oberdeutschen Gegenden gangbare Bedeutung. In der Stat (Stadt) - da er vormals syn gewohnlichen Stat (Stand, Aufenthalt) und Wesen gehalten hat, in dem Deutschen Livius von 1514. Hanna blieb nach ihres Mannes Tode in dem Statt der Wittwen, Kaisersb. bey dem Frisch. Sie fragte fleißig nach dem Statt ihrer Schwester, eben ders. Sich im guten Stat befinden. Cramer im Italiänischen Wörterbuche. Im Stat seyn zu reisen, eben das. Nicht im Stat seyn, anzustehen, eben das. In engerer Bedeutung ist in eben diesen Oberdeutschen Gegenden Staat ein öffentliches Amt. Wir Pfaffen suchen einen Stat, daß wir mögen Gott dienen, Kaisersb. bey dem Frisch. Es gedenkt mancher, wär ich in dem Stat, oder in dem Stot, und hätte die oder den, so wär mir wohl, eben ders.

Anm. Es ist in diesem Verstande mit Stand gleich bedeutend, und stammet so wie dieses von stehen ab. Das Latein. Status, Französ. Etat, und Ital. Stato, Istato, haben gleiche Bedeutung, ohne deßwegen die Stammwörter des Deutschen zu seyn, Im Isländ. ist Stiet, ein öffentliches Amt, eine Würde.


Staat (W3) [Adelung]


2. Der Staat, des -es, plur. die -en, ein Wort, welches ursprünglich ein Geräusch, ein Getöse bedeutet zu haben scheinet, aber noch in einigen einzelnen und zum Theil figürlichen Fällen üblich ist. 1. Geräusch, Wortgepränge, ohne Plural; doch nur noch in der R. A. großen Staat von etwas machen, viel Aufsehens, Rühmens; im Ital. gleichfalls sare grau stato. Im Holländ. ist stuyten, prahlen, und im Isländ. Stat, Prahlerey. Vielleicht gehöret hierher auch die R. A. Staat auf etwas zu machen, sich darauf verlassen, ingleichen es vermuthen, hoffen. Auf seinen Vater können sie sichern Staat machen, sich sicher auf ihn verlassen. Ich habe lange Staat darauf gemacht, es lange gehoffet, vermuthet. Die Niedersachsen gebrauchen die R. A. Staat machen, noch in weiterm Verstande, für vermuthen überhaupt. Ich mache Staat, die andere Woche wieder hier zu seyn, ich vermuthe es. Indessen leidet es in dieser Bedeutung auch noch andere Ableitungen, und besonders die von stehen. 2. Glänzende und kostbare Hülfsmittel im gesellschaftlichen Leben, so fern man dadurch seine Meinung von seinen eigenen hohen Vorzilgen an den Tag legen will; auch ohne Plural. Einen großen Staat machen, oder führen. Einen königlichen Staat führen. Keinen Staat machen. Wo dieses Wort so wohl ein großes und glänzendes Gefolge, als kostbare Kleider, prächtiges Hausgeräth u. s. f. in sich begreift. Daher Staatswagen, Staatskleider, Staatskutsche, Staats-Liverey u. s. f. In engerer Bedeutung ist Staat, (1) großes Gefolge, doch nur noch in dem zusammen gesetzten Hofstaat, die sämmtlichen zur Bedienung eines Hofes gehörigen Personen zu bezeichnen. (2) Prächtige Kleidung im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart. Im völligen Staate erscheinen. Seinen ganzen Staat anlegen. Im Nieders. gleichfalls Staat, Schwed. Stat, Stat. Engl. State. Es einer hier mit stutzen, in Schonen statsa, verwandt, und eine Figur des Geräusches zu seyn, so wie sich Pracht auf eine ähnliche Figur gründet. Bey dem Notker ist Stata, Aufwand, die Kosten. 3. Eine Menge Volkes, doch nur noch in der engern Bedeutung, einer zahlreichen Gesellschaft von Menschen, welche unter dem gemeinschaftlichen Bande einer Regierungsform stehen, wodurch es sich von Volk und Nation unterscheidet, und eine allgemeine Benennung ist, welche die Arten Reich, Republik u. s. f. unter sich begreift, aber doch nur von solchen bürgerlichen Gesellschaften von einem gewissen beträchtlichen Umfange gebraucht wird, indem man z. B. kleine Freystädte wohl nicht leicht Staaten nennen wird. Man gebraucht es hier theils als ein Abstractum und ohne Plural. Wider den Staat reden. Ein Verbrechen wider den Staat. Ein Staatsverbrechen. Zum Besten des Staates. Theils aber auch als ein Concretum, eine auf solche Art verbundene bürgerliche Gesellschaft, mit dem ihr gehörigen Landesbezirk zu bezeichnen. Die Europäischen Staaten. Ein Freystaat, eine freye Republik. Ein monarchischer Staat. Der Kirchenstaat, der Venetianische Staat, der Französische Staat. Da es denn auch häufig für Provinz, Land gebraucht wird, so fern auch jede Provinz unter sich auf gewisse besondere Art verbunden ist. Durch jemandes Staaten reisen. Die Preußische Staaten. Seine Staaten vermehren.

Anm. Im Ital. Stato, im Franz. Etat. Es leidet in dieser letzten Bedeutung mehr als Eine Ableitung. Es kann von stehen abstammen, und eine in einer bestimmten Gegend auf eine beständige oder bleibende Art verbundene bürgerliche Gesellschaft bezeichnen, zum Unterschiede von einem unstäten, herum schweifenden Volke. Indessen scheinet die Ableitung von dem Getöse, Geräusche, welche eine Menge Menschen macht, auch ihre und vielleicht noch mehr Wahrscheinlichkeit zu haben, und würde alsdann Staat nur durch den vorgesetzten Zischlaut von dem alten Theut, Thiot, Diet, Volk, dem Gothischen Thiudan, Reich u. s. f. gebildet seyn. Zu der allgemeinen Bedeutung des Lautes, Tones, Geräusches gehören noch das Schwed. tuta, tönen, das Angels. thutan, heulen, das Oberd. Gethiode, Gethiute, Sprache, das Nieders. düten oder tüten, auf einem Horne blasen, und andere mehr, welche insgesammt Onomatopöien eines gewissen bestimmten Lautes sind.


Staaten (W3) [Adelung]


Die Staaten, sing. inus. ein Wort, welches überhaupt Stände, Landesstände bezeichnet, aber nur von den Ständen, d. i. den Abgeordneten der vereinigten Niederländischen Provinzen, üblich ist; Franz. les Etats. Die Staaten von Holland, und Westfriesland. Die General-Staaten, die Abgeordneten aus den Staaten oder Ständen der Provinzen zur Verwaltung der Angelegenheiten der gesammten Republik. Einer von den General-Staaten. Daher der Staatenrath u. s. f.

Anm. Es stammet hier, so wie das im Deutschen in andern Fällen üblichere Stand von stehen ab, es müßte denn eine Figur des vorigen Wortes seyn, und die Repräsentanten eines Staates bezeichnen. S. Stand.


Staatengeschichte (W3) [Adelung]


Die Staatengeschichte, plur. die -n, die Geschichte aller oder doch der vornehmsten Staaten; von 2 Staat 3. Die Geschichte eines einzelnen Staates oder mehrern Staaten als ein Ganzes betrachtet, heißt die Staatsgeschichte.


Staatenkunde (W3) [Adelung]


Die Staatenkunde, plur. car. die Kunde, d. i. Kenntniß mehrerer Staaten und ihrer innern und äußern Verhältnisse. Die Kenntniß eines einzelnen Staates oder mehrerer Staaten, als ein Ganzes betrachtet, ist die Staatskunde.


Staatlich (W3) [Adelung]


Staatlich, S. Stattlich, mit welcher Aussprache und Schreibart es am üblichsten ist.


Staatsangelegenheit (W3) [Adelung]


Die Staatsangelegenheit, plur. die -en, von 2 Staat 3, eine Angelegenheit oder Sache, welche den Staat, d. i. die unter einer gemeinschaftlichen Regierungsform verbundene bürgerliche Gesellschaft betrifft; die Staatssache.


Staats-Dame (W3) [Adelung]


Die Staats-Dame, plur. die -en, an den Höfen eine Dame, d. i. vornehmes Frauenzimmer, welches zur Vermehrung des Staates, d. i. des Gepränges gehalten wird. Im gemeinen Leben wird auch wohl ein sehr geputztes Frauenzimmer zum Scherze mit diesem Nahmen beleget. S. 2 Staat 2.


Staatsengel (W3) [Adelung]


Der Staatsengel, des -s, plur. ut nom. sing. von 2 Staat 3, der Schutzengel eines Staates oder einer unter einer gemeinschaftlichen Regierungsform verbundenen bürgerlichen Gesellschaft.


Staatsgeheimniß (W3) [Adelung]


Das Staatsgeheimniß, des -es, plur. die -e, eine Sache, welche den Zustand eines Staates betrifft, oder geheim und verborgen bleiben soll.


Staatsgeschäft (W3) [Adelung]


Das Staatsgeschäft, des -es, plur. die -e, ein Geschäft, welches den Staat und dessen Verwaltung betrifft; von 2 Staatz.


Staatsgeschichte (W3) [Adelung]


Die Staatsgeschichte, S. Staatengeschichte.


Staatsgesetz (W3) [Adelung]


Das Staatsgesetz, des -es, plur. die -e, ein Gesetz, so fern es sich auf die Verwaltung eines Staats und dessen öffentlichen Zustand beziehet.


Staatskanzelley (W3) [Adelung]


Die Staatskanzelley, plur. die -en, in verschiedenen Staaten ein Nahme derjenigen Kanzelley, welche sich mit Ausfertigung der Staatssachen beschäftiget, und deren Vorgesetzter der Staatskanzler genannt wird; zum Unterschiede von einer Hofkanzelley, Lehenskanzelley, Kriegskanzelley u. s. f. Von 2 Staat 3.


Staatsklugheit (W3) [Adelung]


Die Staatsklugheit, plur. car. die Fertigkeit, den Zusammenhang der Staatssachen einzusehen, und selbige zur Wohlfahrt des Staates vortheilhaft zu leiten; mit einem Griechischen Kunstworte die Polnik. Daher Staatsklug, adj. et adv. diese Klugheit besitzend, ingleichen darin gegründet. Ein staatskluger Mann.


Staatsklügler (W3) [Adelung]


Der Staatsklügler, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher den Zusammenhang der Angelegenheiten eines Staates aus Vorwitz einzusehen und zu bestimmen sucht. S. Klügeln.


Staatskunde (W3) [Adelung]


Die Staatskunde, S. Staatenkunde.


Staatskunst (W3) [Adelung]


Die Staatskunst, plur. car. die Fertigkeit, die Wohlfahrt eines Staates auf das vortheilhafteste zu erhalten und zu befördern.


Staatskutsche (W3) [Adelung]


Die Staatskutsche, plur. die -n, von 2 Staat 2, eine zierliche Kutsche zum Staate oder zum Gepränge.


Staatslehre (W3) [Adelung]


Die Staatslehre, plur. die -n, die Lehre von der klüglichen Regierung und Verwaltung eines Staates; welche mit andern Nebenbegriffen auch die Staatsklugheit, Staatskunst und Staatswissenschaft heißt.


Staatsmann (W3) [Adelung]


Der Staatsmann, des -es, plur. die -männer. 1. Ein staatskluger Mann, ein Mann, welcher Fertigkeit besitzet, die Verhältnisse eines Staates in ihrem Zusammenhange einzusehen, und zu leiten. 2. Ein Mann, welchem die Geschäfte eines ganzen Staates wirklich anvertrauet sind.


Staats-Minister (W3) [Adelung]


Der Staats-Minister, des -s, plur. ut nom. sing. ein Minister, so fern ihm die Angelegenheiten eines ganzen Staates anvertrauet sind, ein Mitglied des obersten zur Verwaltung der innern und äußern Angelegenheiten eines Staates niedergesetzten Collegii.


Staatsnaht (W3) [Adelung]


Die Staatsnaht, plur. die -nähte, bey den Schustern, eine Naht hinten an den steifen Stiefeln längst des Schaftes, welche nur bald durchgenähet wird. Vermuthlich von 2 Staat 2.


Staats-Perrücke (W3) [Adelung]


Die Staats-Perrücke, plur. die -n, eine Art großer Perrücken, welche von den Schultern tief auf den Rücken hinabfallen, und ehedem eine vorzügliche Tracht nicht nur der regierenden Herren und Staats-Minister, sondern auch anderer vornehmen Personen zum Staate war. S. 2 Staat 2.


Staatsrath (W3) [Adelung]


Der Staatsrath, des -es, plur. die -räthe. 1. Ein Collegium, welches die Angelegenheiten eines Staates verwaltet, und zu welchem die Staatskanzelley gehöret. In manchen Staaten, z. B. zu Wien ist es ein Raths-Collegium, welches nur die innern Geschäfte eines Staats verwaltet. In andern Staaten hat man einen geheimen Staatsrath, welcher alsdann das höchste Collegium dieser Art ist. 2. Ein einzelnes Mitglied eines solchen Collegii, dessen Gattinn alsdann die Staatsräthinn heißt. In manchen Ländern ist es ein bloßer Titel, der so wie andere ähnliche mit keinen Geschäften verbunden ist.


Staatsrecht (W3) [Adelung]


Das Staatsrecht, des -es, plur. die -e. 1. Die Rechte, d. i. Befugnisse eines Staates, etwas zu thun oder zu lassen, da es denn auch collective so wohl im Singular als Plural allein von dem ganzen Inbegriffe dieser Befugnisse gebraucht wird. 2. Die Maßregeln, nach welchen ein Staat regieret werden muß, der Inbegriff der Gerechtsame des Regenten und der Unterthanen gegen einander; am häufigsten collective, im Singular allein. Das Deutsche Staatsrecht, Ius publicum. So auch die Staatsrechtslehre, Staatsrechtswissenschaft u. s. f. 3. Der Inbegriff der Rechte mehrerer Staaten gegen einander, in welchem Verstande es von manchen für Völkerrecht gebraucht wird, obgleich auf eine unbequeme Art, indem in diesem Falle Staatenrecht richtiger wäre.


Staats-Roman (W3) [Adelung]


Der Staats-Roman, des -es, plur. die -e, ein Roman, so fern dessen Absicht ist, durch eine erdichtete Geschichte, regierende Herren und Staatsminister zu bilden.


Staatssache (W3) [Adelung]


Die Staatssache, plur. die -n, S. Staatsangelegenheit.


Staatsschrift (W3) [Adelung]


Die Staatsschrift, plur. die -en, eine Schrift, welche die Gerechtsame oder Verhältnisse eines Staates betrifft.


Staatswirthschaft (W3) [Adelung]


Die Staatswirthschaft, plur. inus. die Verwaltung der Einkünfte und Ausgaben eines Staates; zum Unterschiede von der Privat-Wirthschaft.


Staatswissenschaft (W3) [Adelung]


Die Staatswissenschaft, plur. inus. die wissenschaftliche, oder aus Gründen hergeleitete Erkenntniß der Einrichtung und Verwaltung eines Staates.


Stab (W3) [Adelung]


Der Stab, des -es, plur. die Stäbe, Diminut. das Stäbchen, Oberd. Stäblein, ein Wort, welches überhaupt einen steifen in die Länge ausgedehnten geraden Körper ohne beträchtliche verhältnißmäßige Breite oder Dicke bezeichnet. 1. Im weitesten Verstande, ohne auf die übrige Figur eines solchen Körpers zu sehen, er sey rund, viereckt oder breit, wo es im Deutschen nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich ist. So werden viereckig gegossene oder geschmiedete Stangen Gold, Silber, vornehmlich aber Eisen, so fern daraus andere Dinge verfertiget werden sollen, häufig Stäbe genannt, wofür auch die Wörter Stange, Barre, und von Gold, Silber u. s. f. Zain, üblich sind. Nieders. gleichfalls Staff. Ein Stab Eisen, Gold u. s. f. ( S. Stabeisen.) Im Holzhandel und bey den Böttchern, besonders Niederdeutschlandes, werden die Faßdauben gemeiniglich Stäbe genannt, Nieders. Staff, Engl. Staff, Schwed. Staf, in welchem Verstande es im Deutschen im Plural am üblichsten ist. Pipen- stäbe, Tonnenstäbe u. s. f. (Siehe Stabholz.) Und so noch in andern Fällen mehr. Im Schwed. ist Staf, ein Balken, und Stabbe eine Säule. 2. In engerer Bedeutung, ein solcher gemeiniglich kleiner in die Länge ausgedehnter steifer Körper von Holz, wenn er keine andere eigene Benennung hat. Hölzerne Stäbe. Ein Gitter aus Stäben zusammen setzen. (1) Eigentlich, wo dieses Wort besonders von solchen Körpern dieser Art gebraucht wird, deren man sich zum Gehen bedienet, und in der anständigen Schreib- und Sprechart für das gemeinere Stock üblich ist. Der Wanderstab, Reisestab, Hirtenstab, Spazierstab, Bettelstab u. s. f. An einem Stabe gehen, sich aus Alter oder Schwachheit im Gehen eines Stabes bedienen. Du wer e suel, nu ist din Trit Zu nahe leider bi dem Stabe, Winsbeck; ehedem warest du schnell, nun aber ist dein tritt, leider! zu nahe bey dem Stabe. Palämon hub sich zitternd an seinem Stabe auf, Geßn. Seinen Stab weiter setzen, figürlich, weiter gehen. Er ist der Stab seines Alters, seine Stütze. Zuweilen auch, so fern ein solcher oder ähnlicher Stab zum Schlagen gebraucht wird, für Stock, Stecken. Jemanden mit einem Stabe schlagen. (2) Figürlich. (a) Ein solcher Stab, so fern er zum Messen gebraucht wird, der Maßstab. In manchen Gegenden ist der Stab ein Längenmaß von bestimmter Länge. In Leipzig hält der Stab zwey Ellen oder vier Fuß; in den Tirolischen Bergwerken aber Eine Elle und drey Finger. (b) Bey den Werkleuten und in der Baukunst wird ein jedes rundes Glied in den Verzierungen, welches einen halben Zirkel ausmacht, ein Stab genannt; bey dem Vitruv Torus, Französ. le Tore, Ital. il Toro, bey dem Goldmann der Pfuhl. Man theilet ihn in den ganzen Stab, und in den Viertel-Stab, welcher letztere auch der Wulst genannt wird. Ein solches kleines nach einem halben Zirkel ausgebogenes Glied, wird alsdann auch das Stäbchen genannt, Astragalus, bey andern der Ring, oder der Reifen. An den Kanonen hat man den Hinterstab und Vorderstab, welche beyde eben solche Verzierungen sind. (c) Schon von den ältesten Zeiten her war der Stab ein Sinnbild der höchsten so wohl richterlichen als oberherrschaftlichen Gewalt, und er ist es in vielen Fällen noch, ob er gleich in manchen Fällen in den zierlichen Zepter übergegangen ist. Als ein Merkmahl der richterlichen Gewalt ist er noch in den Criminal-Gerichten üblich, wo zum Zeichen des unabänderlich gesprochenen Todesurtheiles noch der Stab über einen solchen Delinquenten gebrochen wird. Daher bezeichnet man ehedem die höhern Gerichte mit dem Nahmen des Stabes oder der Stabgerichte, obgleich in einigen Gegenden das letztere Wort nur die niedere Gerichtbarkeit bezeichnet. ( S. Stabgericht.) Unter einem Stabe stehen, unter dessen Gerichtbarkeit. Der Hofstab, die Gerichtbarkeit über den Hof. Der Bürgerstab, die Civil- oder bürgerliche Gerichtbarkeit. Der Lehensstab, die lehensherrliche Gerichtbarkeit. Der Krummstab, (eigentlich, der an einem Ende gekrümmte Hirtenstab, als ein Sinnbild der bischöflichen Würde) die weltliche Gerichtbarkeit eines Bischofs. In einigen Gegenden der Schweiz bedeutet der Stab das Rathhaus mit der davon abhängigen Gerichtsstätte. Auch die bloße befehlende Gewalt wurde ehedem durch einen Stab bezeichnet, welches heutiges Tages in vielen Fällen noch geschiehet. Der Heroldsstab, Marschallsstab, Commando-Stab und so ferner. Daher ist im Kriegeswesen der Stab noch jetzt ein Collectivum, die Höhern befehlhabenden Officiere einer Armee, eines Corps, ja nur eines Regimentes zu bezeichnen. Der Regiments-Stab, die sämmtli- chen höhern Officiere von dem Major an, denselben mit eingeschlossen. Der General-Stab, die Generals-Personen. Oft bedeutet der Stab auch nur den commandirenden Officier einer Anzahl Truppen, sie sey übrigens so groß oder klein, wie sie wolle, wenn derselbe nur wenigstens ein Major ist. Das Regiment liegt auf den Dörfern, der Stab aber befindet sich in der Stadt. In dieser ganzen Bedeutung ist es nur allein im Singular üblich.

Anm. Schon bey dem Ottfried Stab, im Nieders. Staff und im Plural Stäve, im Schwed. Staf, im Angels. Staef, im Engl. Staff, im Alban. Stap. Es ist wohl außer allem Zweifel, daß der Begriff des Steifen hier der herrschende ist, so daß es mit diesem Worte und dessen Verwandten, dem Lat. Stipes, dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, unserm Stubbe u. s. f. Eines Geschlechtes ist. Zu den figürlichen Bedeutungen dieses Wortes gehören auch das Schwed. Staf, eine Linie, und nach einer noch weitern Figur, ein Buchstab, und das Nieders. Stäve, Schrift, ohne Zweifel, weil die älteste nordische Schrift größten Theils aus geraden Linien bestand. S. Buchstab, in dessen letzten Hälfte sich diese Bedeutung noch erhalten hat, ingleichen Staben.


Stabblock (W3) [Adelung]


Der Stabblock, des -es, plur. die -blöcke, im Schiffsbaue, ein starkes Stück Holz, ungefähr sechs Fuß lang, welches an den Holzaällen, Schüten und Kähnen auf die Hebung des Bodens gesetzt wird, um diesen mit den Bortplanken zu verbinden.


Stabeinguß (W3) [Adelung]


Der Stabeinguß, des -es, plur. die -güsse, in den Münzen, eine eiserne Stange mit einer langen rundlichen Rinne, das Silber darin zu Stäben zu gießen.


Stabeisen (W3) [Adelung]


Das Stabeisen, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten ut nom. sing. Eisen in Stäben, zu Stäben geschmiedetes Eisen, welches man auch wohl Stangeneisen zu nennen pflegt. Im engern und genauern Verstande unterscheidet man noch Stabeisen und Stangeneisen, und verstehet unter letzterem, Eisen in langen gevierten Stangen, von ein, zwey und mehr Zoll in das Gevierte, unter ersterm aber Eisen in kleinen und kürzern Stäben, deren drey ungefähr 22 Pfund wiegen.


Stabel (W3) [Adelung]


Der Stabel, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, welches vermittelst der Ableitungssylbe el von Stab oder dessen Stammworte staben herstammet, und gemeiniglich einen Pfahl bedeutet. So werden in dem Salzwerke zu Halle die Pfähle oder Scheite Holz, welche neben der Pfanne in die Erde gegraben werden, die Sogbäume darauf zu legen, Stabel genannt; wo es aber auch das Wort Stapel seyn kann, indem man sich statt der Pfähle auch kleiner gemauerter Pfeiler unter diesem Nahmen bedienet. In einigen Gegenden werden die Weinpfähle auch Stäbel genannt, wo es das provinzielle Diminutivum von Stab zu seyn scheinet.


Stabelerbse (W3) [Adelung]


Die Stabelerbse, plur. die -n, eine Art Gartenerbsen, von welchen man eine größere und eine kleinere Art hat, welche gestäbelt werden, indem man zwischen zwey und zwey Erbsenpflanzen eine Ruthe stecket, an welche sie sich ranken können; zum Unterschiede von den Früherbsen, Zuckererbsen, Kronenerbsen u. s. f.


Stabelherr,Stäbelherr (W3) [Adelung]


Der Stabelherr, oder Stäbelherr, des -en, plur. die -en, ehedem ein vornehmer von Adel, welcher bey den Turnieren den Anfang und das Ende des Turnieres mit dem Stabe zu gebiethen hatte, und auch wohl der Stabelmeister, der Turniervogt genannt wurde. In den Österreichischen Erbländern gibt es noch angesehene Erbbeamte unter dem Nahmen Erbstäbelmeister. Stabel oder Stäbel ist auch hier das Diminutivum von Stab für Stäblein.


Stäbeln (W3) [Adelung]


Stäbeln, verb. reg. act. mit Stäben oder Stäblein versehen, stängeln, in einigen Gegenden stiefeln. Die Erbsen stäbeln, Stäte oder kleine Stangen zu denselben stecken, sich daran zu ran- ken. Den Wein stäbeln, in einigen Gegenden, ihn pfählen; von Stab, ein Pfahl.


Staben (W3) [Adelung]


* Staben, verb. reg. act. ein jetzt im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches aber ehedem, besonders in den Gerichten, sehr gangbar war, zum Nachsprechen vorsagen oder vorlesen. Jemanden einen Eid staben, war ehedem ihm denselben vorsprechen, so daß er ihn nachsprechen mußte. Daher ein gestabter, ein auf solche Art vorgelesener, Eid, welcher auch wohl ein gelehrter Eid genannt wurde. Im alt Fries. stowian, im alt Schwed. stafva, stawa, wo es aber auch lesen überhaupt bedeutet. Allem Ansehen nach von dem noch Nieders. Stäve, Schrift, Sprache, als eine Figur von Stab, Linie u. s. f. (Siehe Buchstab, und Stab Anm.) Vergl. das Brem. Niedersächs. Wörterb. v. Stäve und Staven.


Staberrad (W3) [Adelung]


Das Staberrad, des -es, plur. die -räder, eine Art unterschlächtiger Wasserräder, wovon die Schaufeln nach dem Radio des Rades zwischen den Wangen oder Felgen eingesetzt sind, und welche sich von den Pansterrädern nur in der Größe unterscheiden, indem diese größer sind, und zwey Mühlgänge treiben, jene kleinern aber nur Einen in Bewegung setzen. Ein solches Rad mit seinem Zugehör wird das Staberzeug genannt. Die eigentliche Bedeutung des Wortes Staber ist hier eben so dunkel als Panster in Pansterrad. Vielleicht stammet es von Stab her, so fern es auch, wie in der Bedeutung der Faßdauben, eine Art Breter bedeutet, da es denn von einem veralteten Zeitworte staben, mit solchen Stäben versehen, herkommen würde.


Stabgericht (W3) [Adelung]


Das Stabgericht, des -es, plur. die -e, ein Gericht, welches den Stab als das symbolische Kennzeichen seiner Gerichtbarkeit führet, oder auch, welches mit einem Stabe verliehen wird. In diesem Verstande wurden ehedem verschiedene höhere mit dem Blutbanne versehene Gerichte Stabgerichte genannt, wovon Frisch einige Beyspiele anführet. An andern Orten war Stabgericht eine Benennung der niedern, mit keiner Criminal-Jurisdiction versehenen Gerichte, und in diesem Verstande kommt dieses Wort noch im Öttingischen und andern Gegenden vor. Ja in einigen Gegenden Meißens werden die Feld- und Dorfgerichte Stabgerichte genannt. S. Stab 2 (2) (c)


Stabhalter (W3) [Adelung]


Der Stabhalter, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur noch in einigen Gegenden übliches Wort, denjenigen zu bezeichnen, welcher zum Zeichen der richterlichen Würde oder der befehlshabenden Gewalt unter mehrern den Stab träget oder hält; der Präsident. Bey dem kaiserlichen Landgerichte in Schwaben wird derjenige, welcher des Landrichters Stelle vertritt, aus eben der Ursache, so wohl der Stabhalter als der Statthalter genannt. S. Stabler und Stabträger.


Stabhammer (W3) [Adelung]


Der Stabhammer, des -s, plur. die -hämmer, ein Hammerwerk oder Eisenhammer, wo das Eisen zu Stäben geschmieden wird; zum Unterschiede von einem Blechhammer.


Stabhobel (W3) [Adelung]


Der Stabhobel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Tischlern, eine Art Hobel, die unter dem Nahmen der Stäbe bekannten Verzierungen damit zu verfertigen, dessen Eisen folglich in Gestalt eines halben Zirkels ausgehöhlet ist.


Stabholz (W3) [Adelung]


Das Stabholz, des -es, plur. inus. ein Collectivum, Holz, welches zu Stäben, d. i. Faßdauben, bestimmt oder schon aus dem Groben bearbeitet ist. S. Stab 1.


Stabler,Stäbler (W3) [Adelung]


Der Stabler oder Stäbler, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine zum Zeichen der richterlichen oder befehlshabenden Gewalt mit einem Stabe versehene Person, in welchem Verstande dieses Wort nur noch in einigen Gegenden üblich ist. So werden die Handwerksmeister, welche ehedem zum Zeichen ihrer Gewalt Stab und Heiligen bekamen, an einigen Orten noch Stäbler genannt. Ehedem führeten auch die Stabelherren oder Stäbelmeister, d. i. die Turniervögte, diesen Nahmen. 2. Eine vermuthlich veraltete Art Schweizerischer und besonders Baseler Scheidemünzen, welche einen Bischofsstab zum Gepräge hatten, und deren 60 auf einen Rheinischen Goldgülden gingen. S. Frischens Wörterb.


Stabreißer (W3) [Adelung]


Der Stabreißer, des -s, plur. ut nom. sing. im Forstwesen, ein Arbeiter, welcher das Holz in den Wäldern zu Stabholz reißet oder spaltet; der Stabschläger.


Stabs-Capitän (W3) [Adelung]


Der Stabs-Capitän, des -es, plur. die -e, derjenige, welcher die dem Eigenthümer eines Regimentes zustehende Compagnie, (die Leib-Compagnie,) commandieret, weil er da, wo der Stab sein Stand-Quartier hat, einquartieret wird.


Stabs-Officier (W3) [Adelung]


Der Stabs-Officier, des -s, plur. ut nom. sing. im Kriegeswesen, ein Officier, welcher zu dem Stabe gehöret, wozu bey den Regimentern die Ober-Officiere von dem Major an gehören. S. Stab 2 (2) (c)


Stabs-Quartier (W3) [Adelung]


Das Stabs-Quartier, des -es, plur. die -e, eben daselbst, derjenige Ort, wo der Stab, d. i. oder die befehlshabende Stabs-Officiere, ihr Quartier haben.


Stabträger (W3) [Adelung]


Der Stabträger, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher den Stab als ein symbolisches Kennzeichen träget, in welchem Verstande dieses Wort in verschiedenen einzelnen Fällen üblich ist. So wird z. B. in der katholischen Kirche derjenige, welcher der Geistlichkeit den Stab oder Bischofsstab vorträget, der Stabträger genannt. Bey den Schützen-Compagnien einiger Orte ist es ein mit gewissen Gewalt versehener Ober-Officier, der ehedem der General-Gewaltige der Gesellschaft gewesen seyn soll.


Stabzange (W3) [Adelung]


Die Stabzange, plur. die -n, auf den Stabhämmern, eine große Zange, die Kolben, wenn sie zu Stäben geschmiedet werden sollen, damit zu regieren.


Stabzehente (W3) [Adelung]


Der Stabzehente, des -n, plur. die -n, in einigen Gegenden, derjenige Zehente, welcher von Wicken und andern Feldfrüchten gegeben wird, welche man nicht in Garben zu binden, sondern diesen Zehenten mit einem Stabe oder einer Stange, welche die Zehentruhe heißt, abzumessen pflegt; der Stangenzehente.


Stachel (W3) [Adelung]


Der Stachel, des -s, plur. die -n, ein Ding, welches sticht, ein Werkzeug zum Stechen, in welchem Falle viele spitzige Werkzeuge und Theile der Körper, wenn sie keinen andern eigenen Nahmen haben, Stacheln genannt werden. Dergleichen sind die Stacheln an den Wassernüssen, Dornen, Igeln, Stachelschweinen, an den Getreidearten, welche auch Agen, Acheln, Gracheln, Grannen genannt werden, ingleichen die Stacheln der Bienen, Wespen u. s. f. Sprichw. wer Honig lecken will, muß den Stachel (der Bienen) nicht scheuen. Dornen und Stacheln werden, wenn von spitzigen holzartigen Auswüchsen an Gewächsen die Rede ist, zwar gemeiniglich als gleichbedeutend gebraucht; allein in der Botanik unterscheidet man sie noch, und nennet Stacheln oder Spinas, dergleichen Auswüchse, welche aus dem Holze durch die Rinde hervor ragen, Dornen oder Aculeos aber, wenn sie nur an der Rinde befestiget sind. In vielen Fällen ist der Stachel auch ein mit einer scharfen Spitze zum Stechen versehenes Werkzeug. Dahin gehöret der Stachel oder Treibestachel, ein Stecken mit einem eisernen Stachel das Zugvieh damit anstatt der Peitsche anzutreiben, eine morgenländische Gewohnheit, welche auch noch in manchen Gegenden Europens üblich ist. Daher die biblische R. A. es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu lecken, (zu läcken, hinten auszuschlagen,) Apost. 9, 5, Kap. 26, 14. Bey dem Notker, uuider garte ze spornonne. In einer Art kleiner Schlitten pflegt man sich selbst mit Stacheln, d. i. Stäben, welche an einem Ende eiserne Spitzen haben, fortzuhelfen, ( S. Stachelschlitten.) Im Hüttenbaue sind die Stacheln drey Ellen lange vorn zugespitzte Eisen mit hölzernen Stielen, den Rohstein auf den hohen Öfen damit abzustechen. Auf den Schmelzhütten heißt dieses Werkzeug das Stecheisen. Und so in andern Fällen mehr, dagegen in noch andern ein solches Werkzeug seinen eigenen Nahmen hat.

Anm. Dieses Wort ist vermittelst der Ableitungssylbe -el, welche hier ein Werkzeug bedeutet, von dem Zeitworte stechen gebildet, ( S. dasselbe.) Im Oberdeutschen ist es häufig weiblichen Geschlechtes, die Stachel, in welchem es auch Hiob 40, 21 vorkommt: kannst du ihm mit einer Stachel die Backen durchbohren? Welches im Hochdeutschen im Plural beybehaltene Geschlecht vermuthlich auch Ursache ist, daß dieses Wort in der Mehrheit Stacheln, und nicht wie andere Masculina Stachel hat.


Stachelähre (W3) [Adelung]


Die Stachelähre, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Esparsette, S. dieses Wort.


Stachelbeere (W3) [Adelung]


Die Stachelbeere, plur. die -n, die eßbare beerartige Frucht der Stachelbeerstaude, welche im Plural gleichfalls Stachelbeeren genannt wird, und nach dem Linnee, eine Art mit vielen Stacheln versehener Johannisbeerstauden ist; Ribes Grossularia Linn. Man hat ihrer in den Gärten verschiedene Arten, davon die mit großen glatten Beeren in engerer Bedeutung Stachelbeeren, die mit grünen kleinern und haarigen Beeren aber in manchen Gegenden Rauhbeeren oder Rauchbeeren ingleichen Klosterbeeren, Krauselbeeren genannt werden. Beyde Arten heißen in einigen Gegenden Grünzel, vermuthlich wegen der grünen Beeren, Grosselbeere, (Grossularia,) in Baiern Eiterbotzen, Anerputzen, von dem alten aiten, stechen, brennen, S. Eiternessel, und Botze, Batzen, eine große Beere, runder Körper, im Bremischen Stickbeeren, im Österreich. Ackras, Agras, vielleicht von dem Ital. Agresta.


Stachelbiene (W3) [Adelung]


Die Stachelbiene, plur. die -n, ein Nahme der gemeinen Arbeitsbienen oder Bienen schlechthin, weil sie mit einem Stachel versehen sind; zum Unterschiede von dem Weisel und den Drohnen.


Stachelfisch (W3) [Adelung]


Der Stachelfisch, des -es, plur. die -e, ein mit Stacheln versehener Fisch. 1. Ein kleiner Fisch mit drey scharfen Stacheln auf dem Rücken und drey auf dem Bauche, welcher in den Flüssen und Seen wohnet; Engl. Stittlebag, Italiän. Strazzarigla. 2. Von einigen wird auch der mit Stacheln versehene Meer- oder Seeapfel, Echinus marinus, mit diesem Nahmen beleget. 3. Siehe auch Stachelroche.


Stachelflunder (W3) [Adelung]


Die Stachelflunder, plur. die -n, eine Art Flundern mit Stacheln am Kopfe, Pleuronectes passer L.


Stachelgras (W3) [Adelung]


Das Stachelgras, des -es, plur. inus. eine mit einer stacheligen Hülle versehene Grasart, deren Stacheln, wenn der Same reif ist, von dem Stängel abgehen und sich an daran rührende Menschen und Thiere hängen; Cenchrus Linn. Es ist in dem mittägigen Europa und den wärmern Ländern einheimisch.


Stachelhirse (W3) [Adelung]


Die Stachelhirse, plur. inus. eine Art mit Stacheln oder Grannen versehener Hirse, welcher daher auch die Vögel nicht so vielen Schaden thun.


Stachelig (W3) [Adelung]


Stachelig, -er, -ste, adj. et adv. Stacheln habend, mit Stacheln versehen. Es sind wohl widerspenstige und stacheligte (stachelige) Dornen bey dir, Ezech. 2, 6. Auch zuweilen figürlich, so wie beißend, spitzig. Stachelige Worte, welche eine bittere, beißende Empfindung in dem Gemüthe zurück lassen.


Stachelkarpfen (W3) [Adelung]


Der Stachelkarpfen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Fische, welche den Karpfen völlig ähnlich sehen, nur daß sie voll scharfer Stacheln oder Dornen sind; Dornkarpfen. Man findet sie in dem Comer-See in Italien, wo sie Pigo genannt werden.


Stachelkranz (W3) [Adelung]


Der Stachelkranz, des -es, plur. die -kränze, in einigen Gegenden, ein stacheliger oder mit Stacheln versehener Kranz, welchen die Bräute am zweyten Hochzeitstage aufsetzen, um sich damit gegen diejenigen zu wehren, welche ihnen den Brautkranz abnehmen wollen.


Stachelkraut (W3) [Adelung]


Das Stachelkraut, des -es, plur. inus. S. Hauhechel.


Stachelmohn (W3) [Adelung]


Der Stachelmohn, des -es, plur. inus. eine Art Mohnes mit kleinen gelblichen Blumen und stacheligen Samenhäuptern.


Stacheln (W3) [Adelung]


Stacheln, verb. reg. act. nur in einigen Gegenden, mit einem Stachel stechen. Die Ochsen stacheln, oder anstacheln. In andern Gegenden gebraucht man es auch figürlich für sticheln, S. dasselbe.


Stachelnuß (W3) [Adelung]


Die Stachelnuß, plur. die -nüsse, ein Nahme der Wassernüsse, wegen der vier entgegen gesetzten Stacheln, womit sie besetzt sind; Trapa L. Wassernuß.


Stachelroche (W3) [Adelung]


Der Stachelroche, des -n, plur. die -n, eine Art Rochen, dessen Rücken mit scharfen Stacheln versehen ist; Raja Fullonica L. Walkerroche.


Stachelschlitten (W3) [Adelung]


Der Stachelschlitten, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art kleiner niedriger Schlitten, in welchen man sich im Winter auf dem Eise vermittelst zweyer mit eisernen Stacheln versehener Stäbe selbst forthülft.


Stachelschnecke (W3) [Adelung]


Die Stachelschnecke, plur. die -n, ein Art Schnecken mit gewundener Schale, welche rauh und zum Theil mit Stacheln versehen ist; Murex L.


Stachelschrift (W3) [Adelung]


Die Stachelschrift, plur. die -en, ein von einigen für Satyre gebrauchtes Wort, welches aber wenig Beyfall gefunden hat.


Stachelschwamm (W3) [Adelung]


Der Stachelschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine Art horizontaler Schwämme, deren Hut an der untern Seite mit Stacheln versehen ist, und wovon einige Arten eßbar sind; Hydnum L.


Stachelschwein (W3) [Adelung]


Das Stachelschwein, des -es, plur. die -e, ein vierzehiges vierfüßiges Thier, welches einem Schweine gleichet, nur daß es kleiner, und seinem Körper mit sehr langen Stacheln besetzt ist, welche es durch eine heftige Erschütterung der Haut auf seinen Feind schießet; Hystrix L. es lebt in Asien, und dem nördlichen Amerika. Es wird auch das Stachelthier, und von einigen auch Schweinigel genannt, welcher letztere Nahme doch mehr eine Art Igel bezeichnet. Nieders. Scharphase.


Stachelthier (W3) [Adelung]


Das Stachelthier, des -es, plur. die -e, S. das vorige.


Stacket (W3) [Adelung]


Das Stacket, des -es, plur. die -e, in der Befestigungskunst, eine Reihe Palisaden, mit welcher ein offener Raum vor dem Zugange verwahret wird. Außer dem pflegt man auch einen Lattenzaun, d. i. aus nahe an einander gesetzten senkrechten Latten bestehende Befriedigungen der Gärten, Höfe u. s. f. sehr häufig Stackete zu nennen. Nieders. Statik, Böhm. Sstacheti, aus dem Ital. Stachetta, woher es durch die Kriegskunst nach Deutschland gekommen, Franz. Estacade, ehedem Estachette, im mittlern Lat. Estachada, welche wiederum von dem noch Niederdeutschen Staken, ein Pfahl, besonders ein kleiner zugespitzter Pfahl, eine Stange, Engl. Stake, im mittlern Lat. Staca, Kstaqua, alt Franz. Estache, Estace, Ital. Staggio, abstammen.


Stadel (W3) [Adelung]


Die Stadel, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort. 1. In dem Salzwerke zu Halle werden zwey und zwey Haspeler an dem Salzbrunnen, welche gegen einander über stehen, Stadel genannt. Eben daselbst bezeichnet dieses Wort aber auch die zwey Zuber Sohle, welche allemahl zugleich voll gezapfet und weg getragen werden. 2. Eine Stätte, Stelle, wo etwas gestanden hat; eine nur im Oberdeutschen übliche Bedeutung. Die Burgstadel, die Stelle, wo ehedem eine Burg gestanden hat. 3. Ein Schuppen, eine Scheuer, ein Stall, ein Vorrathshaus oder anderes dergleichen Gebäude, gleichfalls nur im Oberdeutschen. Beyspiele finden sich bey dem Frisch.

Anm. Es stammet allem Anscheine nach von stehen her, von welchem Stamme es vermittelst der Ableitungssylbe -el gebildet worden. ( S. Statt, Stätte, Stall, Stehen.) In manchen Gegenden ist es männlichen Geschlechtes; indessen scheinet doch das weibliche das gangbarste zu seyn. Auch im Böhmischen ist Stodela eine Scheuer.


Stadt (W3) [Adelung]


Die Stadt, plur. die Städte, Diminut. das Städtchen, Oberd. Städtlein, welches im weitesten aber nur im gemeinen Leben üblichen Verstände oft einen jeden ummauerten, d. i., mit Mauern und Thoren umgebenen, und einigen städtischen Freyheiten versehenen Wohnort mehrerer bezeichnet, so daß man oft auch Flecken mit dem Nahmen der Städte oder Städtchen zu bringen pflegt. Im engsten und gewöhnlichsten Verstande ist eine Stadt ein ummauerter Wohnort mehrerer bürgerlicher Familien, welche mit besondern Stadt- und Bürgerrechten begabet, und gewisse besondere Nahrungsgewerbe zu treiben befugt sind. In diesen Gewerben gehöret vornehmlich die Veredelung und Verhandelung der Naturalien, deren Erwerbung und erste Bearbeitung das Geschäft der Dörfer und des flachen Landes ist; daher die Stadt auch häufig dem flachen Lande entgegen gesetzt wird, besonders in Zusammensetzungen. In der Stadt wohnen. In die Stadt ziehen. Eine Stadt belagern. Eine feste, offene, große Stadt u. s. f. Die Hauptstadt, Residenz-Stadt, Handelsstadt, Bergstadt. Landstadt, Reichsstadt, Seestadt u. s. f. Ein Mann bey der Stadt, ein angesehener, zu wichtigen Geschäften brauchbarer Mann, der gleichsam die Stütze der Stadt ist. Figürlich wird es oft auch von den Einwohnern einer Stadt gebraucht. Die ganze Stadt weiß es. So wie auch besondere abgesonderte Theile einer Stadt diesen Nahmen führen; die Vorstadt, Altstadt, Neustadt, Judenstadt.

Anm. Schon bey dem Ottfried und Willeram Stat, welche es doch gemeiniglich nur von großen Städten gebrauchen, kleinere aber eine Burg nennen, Schwed. Stad. Es ist mit Start und Stätte ein und eben dasselbe Wort, welches unter andern auch aus dem Schwedischen erhellet, wo Stad, nicht nur eine Stadt, sondern auch einen jeden Ort, eines andern Statt, oder Stelle, eine beständige, stätige Wohnung, das Ufer oder Gestade, und endlich auch einen Theil bedeutet, so daß die Stadt entweder vorzugsweise den Nahmen einer Stätte oder eines Ortes bekommen, oder auch mit ihrem Nahmen auf den beständigen, stätigen Aufenthalt gesehen worden. Die Schreibart mit dt ist neuern Ursprunges, vermuthlich um dieses Wort von Statt zu unterscheiden, mit welchem es doch nur ein und eben dasselbe Wort ausmacht.


Stadtadel (W3) [Adelung]


Der Stadtadel, plur. car. 1. Im weitesten Verstande und als ein Collectivum, die in einer Stadt wohnhaften oder ansäßigen Personen von Adel; zum Unterschiede von dem Landadel. 2. In engerer Bedeutung ist der Stadtadel, so wohl im Abstracto, diejenige adelige Würde, welche nicht durch Kriegsdienste, sondern durch friedliche Dienste in den Städten und bey deren gemeinen Wesen erworben worden, als auch im Concreto die damit begabten Personen; da denn in manchen Reichsstädten die obern Stellen des Rathes nur von gewissen mit dem Stadtadel begabten Geschlechtern verwaltet werden können, dergleichen Personen Patricii oder in einigen Reichsstädten Geschlechter genannt werden. Auch hier ist es als ein Collectivum üblich, sämmtliche oder doch mehrere Personen dieser Art zu bezeichnen.


Stadtamt (W3) [Adelung]


Das Stadtamt, des -es, plur. die -ämter. 1. Ein Amt bey der Stadt; zum Unterschiede von einem Hofamte u. s. f. 2. Von Amt, Amtsbezirk, so wohl ein Kammeramt, so fern es aus der gemeinen Stadt Gütern bestehet, als auch ein landesherrliches Kammeramt, so fern es seinen Sitz in der Stadt hat, und die Stadt dazu gehöret. Daher der Stadtamtmann, der einem solchen Stadtamte vorgesetzet ist, in beyden Fällen.


Stadtanwalt (W3) [Adelung]


Der Stadtanwalt, des -es, plur. die -e, in einigen Städten, z. B. zu Straßburg, eine obrigkeitliche Person in und bey der Stadt, welche sich vor dem Bürgermeister befindet, und das Haupt des innern Stadtrathes ist.


Stadtarzt (W3) [Adelung]


Der Stadtarzt, des -es, plur. die -ärzte, Siehe Stadt-Physicus.


Stadtbier (W3) [Adelung]


Das Stadtbier, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e. 1. Bier, welches in einer Stadt gebrauet wird, zum Unterschiede von dem Land- oder Dorfbiere. 2. Bier, welches in der Stadt, in welcher man sich befindet, gebrauet worden, zum Unterschiede von ausländischen Bieren.


Stadtbuch (W3) [Adelung]


Das Stadtbuch, des -es, plur. die -bücher, ein Buch, worein die Statuten und Privilegien einer Stadt, ingleichen die Gerichtshandlungen, gerichtliche Bestätigungen, Verträge u. s. f. in derselben unter öffentlicher Authoritär, verzeichnet werden.


Städter (W3) [Adelung]


Der Städter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Einwohner einer Stadt, einer der in der Stadt wohnet, im Gegensatze der Landleute. Uraltes Landvolk, eure Hütten Verschont der Städter Stolz und Neid, Haged.


Stadtflur (W3) [Adelung]


Die Stadtflur, plur. die -en, die zu einer Stadt gehörige Feldflur; zum Unterschiede von der Dorfflur. S. Flur.


Stadtgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Stadtgerechtigkeit, plur. die -en, S. Stadtrecht.


Stadtgericht (W3) [Adelung]


Das Stadtgericht, des -es, plur. die -e, das gemeiner Stadt gehörige Gericht, so fern es von derselben oder dem Raths-Collegio besetzet, und in dessen Nahmen verwaltet wird. Ingleichen ein Gericht, welches sich in einer Stadt befindet, und sich über dieselbe und ihre Einwohner erstrecket; zum Unterschiede von einem Dorf- oder Landgerichte. In beyden Fällen im gemeinen Leben auch wohl im Plural allein die Stadtgerichte.


Stadtgraben (W3) [Adelung]


Der Stadtgraben, des -s, plur. die -gräben; der Graben, welcher zur Sicherheit um eine Stadt geführet ist.


Stadtgut (W3) [Adelung]


Das Stadtgut, des -es, plur. die -güter, ein Gut, welches einer Stadt und deren gemeinen Wesen gehöret.


Stadthauptmann (W3) [Adelung]


Der Stadthauptmann, des -es, plur. die -leute, derjenige, welcher einer Bürger-Compagnie als Hauptmann vorstehet. So auch Stadtfähnrich. Stadt-Lieutenant, Stadt-Major, welche Stadt-Officiere der Bürgerschaft in ihren Kriegesübungen, bey feyerlichen Aufzügen u. s. f. vorstehen.


Städtisch (W3) [Adelung]


Städtisch, adj. et adv. einer Stadt und zu derselben gehörig, derselben ähnlich, eigen. Städtische Gewerbe. Mich hat von städtischem Gedränge Mein günstig Glück zu euch gebracht, Uz.


Stadthaus (W3) [Adelung]


Das Stadthaus, des -es, plur. die -häuser, in einigen Städten ein Nahme des Rathhauses.


Stadtkämmerer (W3) [Adelung]


Der Stadtkämmerer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher den Einnahmen und Ausgaben einer Stadt und ihres gemeinen Wesens vorgesetzet ist und Rechnung darüber führet. ( S. Kämmerer.) Daher die Stadtkämmerey, dessen Amt und Würde, ingleichen der Ort wo sich derselbe mit den ihm untergebenen Officianten versammelt.


Stadtkeller (W3) [Adelung]


Der Stadtkeller, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wein- oder Bierkeller, welcher dem gemeinen Wesen einer Stadt oder ihrer Obrigkeit gehöret; der Rathskeller.


Stadtkind (W3) [Adelung]


Das Stadtkind, des -es, plur. die -er, ein aus einer Stadt gebürtige Person; ein nur im gemeinen Leben übliches Wort, daher Gottsched in einer feyerlichen Rede den großen Leibnitz sehr unschicklich Leipzigs berühmtes Stadtkind nannte. In Danzig heißt derjenige, welcher für einen Verschwender erkläret worden, ein Stadtkind, weil er unter der Vormundschaft der Stadt stehet.


Stadtknecht (W3) [Adelung]


Der Stadtknecht, des -es, plur. die -e, die geringsten Diener der Polizey und Stadtgerichte, welche die Verbrecher einfangen, für die Sicherheit der Ruhe und Gassen wachen, und andere niedrige Dienste verrichten. Sie werden auch Häscher, Knechte u. s. f. genannt.


Stadtkündig (W3) [Adelung]


Stadtkündig, adj. et adv. in der ganzen Stadt bekannt, Siehe Kündig.


Stadt (W3) [Adelung]


Der Stadt Major, des -s, plur. die -e, ein Officier, unter dem Befehlshaber einer Festung, welcher die Schlüssel zu den Stadtthoren von ihm abhohlet und wieder zu ihm bringet. In kleinen Festungen heißt er der Stadtwachtmeister.


Stadtmauer (W3) [Adelung]


Die Stadtmauer, plur. die -n, eine Mauer um eine Stadt, welche zu ihrer Befriedigung und Sicherheit dienet.


Stadt-Musikant (W3) [Adelung]


Der Stadt-Musikant, des -en, plur. die -en, die öffentlichen, privilegierten Musikanten einer Stadt; im gemeinen Leben die Stadtpfeifer.


Stadtobrigkeit (W3) [Adelung]


Die Stadtobrigkeit, plur. die -en, die Obrigkeit in einer Stadt und über dieselbe, deren Gerichtbarkeit sich über die Bürger und Einwohner erstrecket.


Stadtpflichtig (W3) [Adelung]


Stadtpflichtig, adj. et adv. der Stadt und ihrer Obrigkeit zu Abgaben und zum Gehorsam verpflichtet. Stadtpflichtige Güter, welche alle bürgerliche Abgaben und Beschwerden tragen müssen.


Stadt-Physicus (W3) [Adelung]


Der Stadt-Physicus, des -ci, plur. die -ci, ein Arzt, welcher die Stadt und ihrem gemeinen Wesen mit Eid und Pflicht verbunden ist, und alle in seine Wissenschaft gehörige Verrichtungen zum Dienste gemeiner Stadt übernehmen muß; in einigen Städten der Stadtarzt.


Stadtrath (W3) [Adelung]


Der Stadtrath, des -es, plur. die -räthe, ein Collectivum, das Raths-Collegium in einer Stadt, das Collegium derjenigen Personen, welche entweder die ganze Regierung einer Stadt, oder doch die Polizey in derselben handhaben; der Magistrat, auch der Rath schlechthin, im Schwabenspiegel die Stadtherren.


Stadtrecht (W3) [Adelung]


Das Stadtrecht des -es, plur. die -e. 1. Das Recht eine Stadt zu seyn, aber doch die Gerechtsamen und Freyheiten derselben zu besitzen; ohne Plural. Einem Flecken Stadtrecht geben oder verleihen. Ein Dorf hat Stadtrecht, wenn es städtische Gewerbe treiben darf. 2. Die Rechte oder Gerichtsamen, welche einer Stadt, als Stadt zustehen, wo es auch als ein Collectivum im Singular allein üblich ist. 3. Diejenigen Gesetze, welche zu Erhaltung guter Ordnung in einer Stadt gemacht, oder derselben von dem Landesherren gegeben worden; auch häufig als ein Collectivum im Singular allein. 4. An einigen Orten wird auch die Gerichtbarkeit einer Stadt, ja ein Stadtgericht selbst das Stadtrecht genannt.


Stadtrichter (W3) [Adelung]


Der Stadtrichter, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher in einem Stadtgerichte als Richter den Vorsitz führet.


Stadtröthling (W3) [Adelung]


Der Stadtröthling, des -es, plur. die -e, eine Art Röthlinge oder Rothschwanze, welche sich in den Städten aufhalten; zum Unterschiede von den Gartenröthlingen.


Stadtschreiber (W3) [Adelung]


Der Stadtschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige verpflichtete Beamte des Stadtrathes, welcher die das gemeine Wesen der Stadt betreffende öffentliche Verhandlungen verzeichnet, und das Protocoll über die vor dem Stadtrathe verhandelten Geschäfte führet; an einigen Orten der Stadt-Secretair.


Stadtschule (W3) [Adelung]


Die Stadtschule, plur. die -n. 1. Eine öffentliche Schule, welche sich in einer Stadt befindet, zum Unterschiede von einer Dorfschule. 2. Eine Schule, welche einer Stadt gehöret, deren Lehrer daher auch von ihr oder der Stadtobrigkeit berufen werden.


Stadtschuldheiß (W3) [Adelung]


Der Stadtschuldheiß, des -en, plur. die -en, ein Schuldheiß in einer Stadt, welcher in derselben, oder über dieselbe zu befehlen hat, zum Unterschiede von einem Dorf- oder Landschuldheißen; wo in einigen Gegenden so wohl der oberste Vorgesetzte einer Stadt in Civil-Sachen, als auch der Vorgesetzte eines Stadtgerichtes, der Stadtrichter, diesen Nahmen führen, welche zuweilen auch Stadtvögte genannt werden. S. Schuldheiß.


Stadtsoldat (W3) [Adelung]


Der Stadtsoldat, des -en, plur. die -en, ein Soldat, welcher bey einer Stadt in Eid und Pflicht stehet, und nur zur Besatzung in derselben gebraucht wird; zum Unterschiede von einem Feldsoldaten.


Stadtvogt (W3) [Adelung]


Der Stadtvogt, des -es, plur. die -vögte, ein Voigt, Advocatus, welcher in einer Stadt oder über dieselbe zu gebiethen hat, zum Unterschiede von einem Landvogte; da es denn nach dem verschiedenen Gebrauche des Wortes Vogt auch verschiedene Arten von Stadtvögten gibt. (Siehe das erstere.) Daher die Stadtvogtey, die Würde, das Amt eines Stadtvogtes; ingleichen dessen Gebieth, wie auch dessen Wohnung.


Stadtwachtmeister (W3) [Adelung]


Der Stadtwachtmeister, des -s, plur. ut nom. sing. S. Stadt-Major.


Stadtwagen (W3) [Adelung]


Der Stadtwagen, des -s, plur. ut nom. sing. ein zierlicher bedeckter Wagen, dessen man sich in der Stadt bedienet; zum Unterschiede von einem Reisewagen.


Stafette (W3) [Adelung]


Die Stafette, plur. die -n, aus dem Ital. Stafetta, Franz. Estavette, Span. Estafete, eine Anstalt, da durch einen geschwinde reitenden Postillion, welcher außerordentlich abgeschickt wird, ein oder mehrere Briefe zur nächsten Station überbracht werden; daher der Stafeten-Reiter, dieser Postillion, der sich dadurch hinlänglich von einem Courier unterscheidet, und oft auch nur die Stafette genannt wird. Eine Stafette abschicken. Das Italiänische ist das Diminutivum von Staffa, ein Steigbügel, und bedeutet eigentlich einen kleinen Steigbügel, vielleicht weil sich die Postillions in solchen Fällen ehedem derselben bedienten, um geschwinder fortzukommen.


Staffel (W3) [Adelung]


Die Staffel, plur. die -n. 1. Die Sprossen einer Leiter, noch mehr aber die Absätze an einer Treppe, oder einer auf ähnliche Art eingerichtete Fläche, worauf man dieselbe hinan steiget; die Stufen. Auf der ersten, auf der zweyten Staffel. Die Staffeln der steinernen Treppen werden abgeründet. Ingleichen figürlich für Stufe Grad. Die höchste Staffel der Ehre. Bis auf den (die) Staffel, da das Eisen glühend wird, Altmann von den helvet. Eisberg. 2. Bey den Mahlern ist die Staffel, oder wie sie noch häufiger heißt, die Staffeley, ein hölzernes schief stehendes Gestell, auf welche sie die in Rahmen gefaßte Leinwand, welche gemahlet werden soll, stellen. Ähnliche Staffeln oder Staffeleyen haben auch die Bildhauer zu den halb erhabenen Arbeiten, und die Kupferstecher zu den kupfernen Platten. Vielleicht, weil dieses Gestell ehedem verschiedene Staffeln oder Stufen hatte, um das Gemählde hoch oder niedrig stellen zu können, welcher Endzweck jetzt durch Pflöcke erreicht wird; oder auch von dem veralteten staffen, stapfen, stellen, so daß es mit Gestell gleich bedeutend ist. 3. * Von dem im Hochdeutschen ungebräuchlichen staffeln, auf und über einander stellen, Nieders. stapeln, ist im Oberdeutschen die oder noch häufiger im männlichen Geschlechte der Staffel, so viel als der Stapel, daher Staffelstadt, Staffelgüter, Staffelbar, Staffelgerechtigkeit, für Stapel. ( S. dieses Wort.) 4. In einigen Gegenden ist es eine gewisse Ader an den Pferden, welche auch die Würfelader genannt wird; vermuthlich wegen einiger Ähnlichkeit mit einer Staffel.

Anm. In dem Theuerdanke und bey andern alten Oberdeutschen Schriftstellern Stapfel. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe -el, ein Werkzeug, Subject, von dem veralteten staffen, stapfen, gehen, steigen, stellen, bey dem Ottfried stafon, wovon auch Fußstapfe und Stufe abstammen. Im Oberdeutschen ist es männlichen Geschlechtes, der Staffel.


Staffelbar (W3) [Adelung]


Staffelbar, adj. et adv. im Oberdeutschen, fähig und verbunden, aufgestaffelt, d. i. an einem Stapelorte niedergeleget zu werden, im Oberd. und Nieders. stapelbar. Staffelbare Güter, welche bey und in einer Stapelstadt niedergeleget werden müssen.


Staffelbirn (W3) [Adelung]


Die Staffelbirn, plur. die -en, eine Art gelbröthlicher und getüpfelter Birnen, mit einer rauhen Haut, und einem süßen, saftigen Fleische.


Staffeley (W3) [Adelung]


Die Staffeley, plur. die -en, bey den Mahlern, Bildhauern und Kupferstechern, ( S. Staffel 2.) Ehedem Staffelet. Daher das Staffeleygemählde, ein Gemählde mittlerer Größe, welches auf der Staffeley verfertiget wird.


Staffelgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Staffelgerechtigkeit, Staffelgut, u. s. f. S. in Stapel-


Staffen (W3) [Adelung]


Der Staffen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Uhrmachern, eine Scheibe in dem Repetier-Werke, welche nach der Zahl der Stunden zwölf Absätze oder Stundenstaffeln hat, welche nach einer bestimmten Abtheilung beständig tiefer hinab gehen, und das Sinken des rechen nach der Anzahl der Schläge jeder Stunde bestimmen. Gleichfalls von Staff, Staffel, weil es mit solchen Absätzen versehen ist.


Staffholz (W3) [Adelung]


Das Staffholz, ein Niederdeutscher Ausdruck für Stabholz.


Staffieren (W3) [Adelung]


Staffieren, verb. reg. act. nur im gemeinen Leben, mit den nöthigen Hülfsmitteln, Zugehör u. s. f. versehen. Ein Zimmer staffieren, es mit den nöthigen Meublen versehen, ausrüsten. Jemanden mit Geld und Wechselbriefen staffieren, hinlänglich versehen. Mit Proviant wohl staffiert seyn, Fronsperg. Besonders in engerer Bedeutung, mit den nöthigen Kleidungsstücken versehen. Eine Braut ausstaffieren. Ingleichen von Kleidungsstücken, sie mit den nöthigen Putzwerk und andern Zugehör versehen. Ein Kleid staffieren, es mit Treffen, Borten, Schleiffen u. s. f. ausputzen, ingleichen das Futter an den Oberzeug nähen. Einen Hut staffieren, das Futter hinein setzen, die Treffe herum nähen u. s. f. daher eine von den Hutmachern noch verschiedene Art Handwerker Hutstaffierer heißen, im Österreich. Hutstepper. Daher das Staffieren, und die Staffierung, welches letztere auch dasjenige bedeutet, womit ein Kleidungsstück staffieret wird.

Anm. Schon die Endung zeiget, daß dieses Wort ausländischen Ursprunges ist. Es stammet von dem Franz. estoffer, ausrüsten, versehen, Estoffure, Putz, oder dem Ital. stuffare, ausrüsten, her, welches wieder zu unserm Stoff, Franz. Estoffer, jede Materie, woraus etwas wird, herkommt, daher auch die Schweden mit Beybehaltung des o stoffera sagen. Unmittelbar von Stoff ist im Isländ. stofna, zubereiten, zurüsten.


Staffier-Naht (W3) [Adelung]


Die Staffier-Naht, plur. die -Nähte, bey den Schneidern, diejenige Naht, mit welcher sie das Futter an das Tuch oder den Zeug nähen.


Stag (W3) [Adelung]


Der Stag, des -es, plur. die -e. (im Niederdeutschen, die Stage,) ein nur in der Schifffahrt übliches Wort, diejenigen starken Taue zu bezeichnen welche den Mastbaum vorn fest halten, so wie es die Wände zu beyden Seiten thun. Der große Stag, wel- cher von dem großen Mast bis zum obern Theile des Vordersteven läuft, wo er befestiget ist. Die Stange bekommen ihren Nahmen von den Masten, an welchen sie sich befinden; daher Besaanstag, Fockestag u. s. f. Franz. Etai, welches so wie Stag zu Tau, starkes Seil, zu gehören scheinet.


Stagnol (W3) [Adelung]


Das Stagnol, (sprich Stanjol,) des -es, plur. car. bey verschiedenen Handwerkern, zu dünnen Blättern geschlagenes Zinn, Blattzinn; aus dem Ital. Stagnuolo, von Stagno, Zinn.


Stagsegel (W3) [Adelung]


Das Stagsegel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Schifffahrt, ein dreyeckiges Segel, welches ohne Rahe an den Stag ausgespannet wird.


Stahl (W3) [Adelung]


1. Der Stahl, des -es, plur. die Stähle, Diminut. das Stählchen, ein besonders in Niederdeutschland übliches Wort, eine Probe zu bezeichnen, einen kleinen Theil eines Ganzen, um die Güte des letztern daran zu erkennen. Aus der Niederdeutschen Mundart haben es auch einige Hochdeutsche Handwerker beybehalten. So ist bey den Färbern der Stahl ein Läppchen, welches man in die Blauküpe taucht, um zu sehen, ob die Brühe den gehörigen Grad der blauen Farbe hervor bringt; wo denn auch abstählen so viel ist, als diesen Versuch machen. Im Niederdeutschen ist es nicht allein von einer jeden Probe üblich, sondern es bezeichnet daselbst auch das gestämpelte Bley, welches ein Beweis der Güte gefärbter Tücher ist; Holländ. Staellot. Stahlen ist daselbst, dieses Bley zum Beweise der Güte anhängen, die Wolle stählen aber so viel als färben.

Anm. Im Bremisch-Nieders. Wörterbuche wird es von stellen abgeleitet, diejenige Waare zu bezeichnen, welche der Krämer zur Probe ausstellet, Französ. etaler. Allein es scheinet vielmehr zu Theil, theilen, im weitesten Verstande des Schneidens zu gehören, und ein zur Probe abgeschnittenes Stück zu bezeichnen. Im mittlern Lat. ist Dalha, die Sichel, alt Franz. Dail, und dalliare, mit der Sichel schneiden. Zu andern Stämmen gehören die gleichfalls Niederdeutschen Staal oder Stahl, der Kiel an einer Schreibfeder (zu Dohle, Stollen, ein Kanal,) Staal oder Stahl, der Grund eines Dinges, (zu Stelle, Gestell, Franz. Piedestal,) Stahl, die Sprosse einer Leiter, (zu Stiel,) u. s. f.


Stahl (W3) [Adelung]


2. Der Stahl, des -es, plur. die Stähle. 1. Ohne Plural, ein gereinigtes und dadurch gehärtetes, seiner und elastischer gemachtes Eisen, da denn der Stahl theils sogleich aus den Eisenerzen durch eine besondere Art der Ausschmelzung, theils aus dem schon verfertigten Eisen, durch Brennen, d. i. Schmelzen und Schmieden, theils durch Cämentiren erhalten wird, zu welcher letztern Art auch das mehrmahlige Glühen und Ablöschen des Eisens in gewissen flüssigen Körpern gehöret. Eisen in Stahl verwandeln. So hart wie Stahl und Eisen. Eine Schneide von Stahl. 2. Verschiedene aus Stahl bereitete Dinge und Werkzeuge, da denn nicht nur der Plural Stähle, sondern auch das Diminutivum Stählchen üblich ist. So wird ein aus Stahl bereitetes Werkzeug, die Schneide schneidender Werkzeuge durch Streichen darauf zu schärfen, der Wetzstahl oder Stahl schlechthin genannt, so wie der Stahl oder Feuerstahl ein solches Werkzeug ist, Feuer damit anzuschlagen. Der eiserne Bolzen in den Plätt- und Bügeleisen heißt im Oberdeutschen nur der Stahl. An den ehemahligen Bogen, Armbrüsten u. s. f. wurde der stählerne Bügel häufig der Stahl genannt, da denn auch oft das ganze Geschoß diesen Nahmen bekam. Den Stahel fürt vor ewer pruft Gespannt, darauf ein Geschos Denn er hat doch khein Zungel schloß, Theuerd. Kap. 44. Bey den Drechslern werden die Dreheisen zu Bein und andern harten Körpern nur Stähle genannt, dagegen die zum Holze Eisen heißen. Daher der Schlichtstahl, Stechstahl, Häkelstahl, Schraubenstahl, Polierstahl, Gärbstahl u. s. f. In der höhern Schreibart ist der Stahl oft ein schneidendes oder stechendes Werkzeug, ein Schwert, Messer oder Degen. Ach, soll ein Stahl dieß schöne Haar verletzen? Raml. Anm. Im Oberdeutschen Stahel, Stachel, im Niedersächs. Staal, im Angels. Stal. im Engl. Steel, im Schwed. Stal, im Pohln. Stal. Man leitet es gemeiniglich von Stachel stechen, ab, weil doch die Spitzen und Schneiden scharfer Werkzeuge gemeiniglich aus Stahl verfertiget werden; eine Ableitung, welche nicht nur durch die Oberdeutsche Aussprache Stachel, (in Baiern hingegen wird ein Stachel auch Stahl genannt,) sondern auch durch das mittlere Lat. Acer, Franz. Acier, Ital. Acciaro, Span. Azero, bestätiget wird, welche insgesammt Stahl bedeuten, und von Acies abstammen können. Indessen gibt das nach im Schwed. gangbare stel, steif, hart, starr, einen fast noch bequemen Stamm ab, wozu auch unser stolz, in der eigentlichen Bedeutung des Steifen, und vielleicht auch steil gehören, welche Bedeutung des Starren, Steifen, auch das mittlere Lat. Acer, mit seinen Abkömmlingen leidet. Im Böhm. ist staly, standhaft, und Stalost, die Steife. In dem Oberdeutschen Stachel würde also nur der gelinde Hauchlaut nach Oberdeutscher Art und Sitte in das stärkere ch verändert seyn, welches daselbst mehrern ähnlichen Wörtern widerfähret.


Stahlader (W3) [Adelung]


Die Stahlader, plur. die -n, ein nur bey den Schlössern üblicher Ausdruck. Das Eisen hat daselbst Stahladern, wenn sich Körner und Stellen in demselben befinden, welche so hart wie Stahl sind, und weder von der Feile noch von dem Bohrer angegriffen werden.


Stahlarbeiter (W3) [Adelung]


Der Stahlarbeiter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher verschiedene feine Waaren, besonders Galanterie-Arbeiten (nicht aus Stahl, sondern) aus Eisen verfertiget, ihnen durch das Cämentiren eine Stahlhärte gibt, und sie durch die täuschendste Politur verschönert.


Stahlblau (W3) [Adelung]


Stahlblau, adj. et adv. der blauen Farbe des angelaufenen Stahles gleich.


Stahlbrennen (W3) [Adelung]


Das Stahlbrennen, des -s, plur. car. in den Stahlhütten, die Verwandelung des geschmolzenen Eisens in Stahl, welches durch mehrmahliges Schmieden und Schmelzen geschiehet. Daher der Stahlbrenner, ein Arbeiter in einer solchen Stahlhütte.


Stahlderb (W3) [Adelung]


Stahlderb, adj. et adv. in der Mineralogie, so hart und derb wie Stahl. Man hat daselbst stahlharte Kobaldstufen, stahlderbes Glaserz, stahlderbes rothgüldenes Erz u. s. w.


Stählen (W3) [Adelung]


Stählen, verb. reg. act. 1. Mit einer Schneide oder Spitze von Stahl versehen; im gemeinen Leben auch verstählen. Eine Art, eine Hacke, ein Messer stählen. Ein gut gestähltes Messer. 2. So hart wie Stahl machen, in einem hohen Grade verhärten; in der dichterischen Schreibart. Noch weiß ich nicht, was für ein Gott den Muth mir stählt, Weiße. So auch das Stählen und die Stählung.


Stählern (W3) [Adelung]


Stählern, adj. et adv. von Stahl, aus Stahl bereitet. Stählerne Knöpfe, Werkzeuge u. s. f. In dem alten Gedichte auf den heil. Anno stalin, bey dem Strycker stelein, im Buche Belial von 1472 stächlin, im Theuerd. stechlein, im Oberdeutschen noch jetzt stählin. S. ern.


Stahlerz (W3) [Adelung]


Das Stahlerz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein Nahme, welchen man verschiedenen reinen Eisenerzen beyzulegen pfleget, welche zum Schmelzen des Stahles am bequemsten sind. S. auch Stahlstein, besonders einem blauen Eisenerze, welches inwendig braun und auf dem Bauche fahlblau aussiehet, viel und gutes Eisen enthält, und in Steyermark Pflinz oder Flinz genannt wird; ingleichen einem weißlichen oder wei- ßen Eisenerze, welchem der Deutsche Stahl seine vorzügliche Güte zu danken hat.


Stahlgrün (W3) [Adelung]


Stahlgrün, adj. et adv. der grünen Farbe des polierten und im Feuer grün angelaufenen Stahles ähnlich.


Stahlhammer (W3) [Adelung]


Der Stahlhammer, des -s, plur. die -hämmer, in den Stahlhütten, ein Hammerwerk, das gegossene Eisen durch Schmieden zu reinigen und in Stahl zu verwandeln.


Stahlhof (W3) [Adelung]


Der Stahlhof, des -es, plur. die -höfe, ein Nahme, welchen das Comtoir und die dazu gehörigen Gebäude der ehemahligen Hansestädte in London führen; von welchen die Städte Lübeck Bremen und Hamburg noch jetzt die Einkünfte genießen. Englisch Steel Yard. Nicht, weil etwa die Hansestädte vielen Stahl dahin zum Verkaufe gebracht, sondern, weil daselbst die Englischen Tücher, welche nach Deutschland geschickt werden sollten, gestahlet, d. i. mit bleyernen Stämpeln und Zeichen versehen wurden. In der Stadt Goest hat man einen öffentlichen Stahlgadem, welches ein ähnliches Gebäude zu seyn scheinet. S. 1 Stahl.


Stahlhütte (W3) [Adelung]


Die Stahlhütte, plur. die -n, eine Anstalt, wo Stahl in Menge aus Eisen gemacht wird, welches in Deutschland durch mehrmahliges Schmelzen und Schmieden geschiehet.


Stachlknoten (W3) [Adelung]


Der Stachlknoten, des -s, plur. ut nom. sing. in den Stahlhütten, ein gewisser Zusatz, um dem Stahle die gehörige Härte zu geben, welcher aber gemeiniglich sehr geheim gehalten wird.


Stahlkraut (W3) [Adelung]


Das Stahlkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme der Hauhechel, Genista Ononis Linn. Ohne Zweifel wegen der spitzigen Ruthen, von dem Baierischen Stahl für Stachel. S. 2 Stahl

Anm. und Hauhechel.


Stahlkugel (W3) [Adelung]


Die Stahlkugel, plur. die -n, bey den Ärzten, Eisenfeil mit Weinsteinrahm zu einer festen Masse gebracht und zu Kugeln geformt.


Stahlmotte (W3) [Adelung]


Die Stahlmotte, plur. die -n, eine Art Motten oder Nachtfalter, welche auf den Eichbäumen einheimisch ist; Phalaena noctua quadra Linn.


Stahlschießen (W3) [Adelung]


Das Stahlschießen, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, das feyerliche Schießen mit Armbrüsten nach einem Ziele; von Stahl, der stählerne Bogen einer Armbrust und diese selbst.


Stahlschneider (W3) [Adelung]


Der Stahlschneider, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, welcher allerley Figuren geschickt in Stahl zu schneiden weiß.


Stahlstein (W3) [Adelung]


Der Stahlstein, des -es, plur. die -e. 1. Im Bergbaue, ein Nahme, welchen man allen reinen Eisensteinen zu geben pflegt, weil sie zur unmittelbaren Bereitung des Stahles aus den Erzen am bequemsten sind; ( S. Stahlerz.) 2. In den Bergwerken zu Goslar ist der Stahlstein eine Art Schiefer, welcher bey der Schmelzung des Galmeyes gebraucht wird. 3. In den Stahlhütten ist es ein gutes klarspeißiges Eisen, welches man erhält, wenn man das aus dem hohen Ofen gekommene rohe Eisen nochmahls schmelzet; vielleicht weil es mit steinartigen Unreinigkeiten vermischt ist. ( S. Stein.) In den beyden letzten Bedeutungen kann der Plural nur von mehrern Arten gebraucht werden.


Stahlwasser (W3) [Adelung]


Das Stahlwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein mit zarten Stahl- oder vielmehr Eisentheilchen geschwängertes, mit einem Eisen-Vitriol vermischtes Wasser, welches, wenn es aus der Erde quillet, auch Sauerbrunnen genannt wird.


Stahr (W3) [Adelung]


Der Stahr, ein Fehler der Augen; S. Staar.


Stahr (W3) [Adelung]


Der Stahr, des -es, plur. die -e, oder des -en, plur. die -en, ein Saugvogel, mit einem kegelförmigen, zugespitzten dünnen, gemeiniglich gelblichen Schnabel, und mit einem schwarzen Körper mit weißen Flecken. Er ist so groß wie eine Drossel, hat eine zwey Mahl gespaltene Zunge, und lernt die menschliche Stimme sehr leicht nachahmen; Sturnus Linn. et Klein. In den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes heißt dieser Vogel Sprehe, wegen seiner gesprenkelten Farbe, Nieders. auch Sprinne, Holländ. Spreeuw, im Allemannischen Spra. Der Nahme Stahr, Angelsächs. Staer, Stearn, Engl. Stare, Ital. Storno, Franz. Etourneau, ist sehr alt, und mit dem Lat. Sturnus genau verwandt. Vielleicht von stören, so fern es eigentlich Geräusch, Lerm machen bedeutet, wegen seiner Schwatzhaftigkeit.


Stähr (W3) [Adelung]


Der Stähr, des -es, plur. die -e, in den gemeinen Sprecharten, besonders Obersachsens, der Widder oder Schafbock. In einigen Mundarten auch Stier. S. das folgende.


Stähren (W3) [Adelung]


Stähren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber auch nur in Obersachsen üblich zu seyn scheinet. 1. Von dem Stähr oder Schafbock sagt man er stähre, wenn er die Schafe befruchtet. Den Schafbock stähren lassen. 2. Von den Schafen hingegen gebraucht, ist stähren, nach dem Schafbocke verlangen. So auch das Stähren.

Anm. In den gemeinen Sprecharten stieren. Es scheinet entweder ein eigenthümlicher Ausdruck der Befruchtung zu seyn, oder auch zu stören zu gehören, so fern es eigentlich Geräusch und rauschende Bewegungen machen bedeutet. So auch Stier.


Stährlamm (W3) [Adelung]


Das Stährlamm, des -es, plur. die -lämmer, eben daselbst, ein noch ungeschnittenes Lamm männlichen Geschlechtes; ein Bocklamm.


Staken (W3) [Adelung]


Der Staken, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur im Niederdeutschen übliches Wort, einen langen Stock, eine Stange zu bezeichnen; im Angels. Staca, Engl. Stake, Span. Estaca. ( S. Stacket, Stock und Stecken.) Daher staken, ausstaken, bestaken, mit Staken oder starken langen Stöcken versehen.


Staket (W3) [Adelung]


Das Staket, S. Stacket.


Stall (W3) [Adelung]


1. Der Stall, des -es, plur. car. von stallen, den Urin lassen, der Urin eines Pferdes, oder vielmehr das Stallen, das Lassen desselben; ein nur in einigen Fällen übliches Wort. So ist z. B. der lautere Stall, eine Krankheit der Pferde, da das Getränk unverdauet wieder durch den Urin fortgehet. S. 1 Stallen.


Stall (W3) [Adelung]


2. Der Stall, des -es, plur. die Ställe, von dem Zeitworte stallen, d stellen, eine Stelle, und im engern Verstande, ein umstellter oder eingestellter, d. i. eingeschlossener und bedeckter Raum, etwas dahin zu stellen. 1. * Im weitesten Verstande, wo es ehedem für Stelle sehr üblich war. In dero marterero Stal, an der Märtyrer Stelle, Notker. In sinen stal, an seiner Stelle, in den Monseeischen Glossen. In engerer Bedeutung ein eingeschlossener Raum. Construxit Stalla nova in choro, neue Sitze, Stühle, bey einem Schriftsteller des mittlern Zeitalters. Ingleichen ein Zimmer, eine Wohnung. Daher war ein Stallbruder ehedem so viel als ein Kamerad. Im mittlern Lat. ist Estallum, eine Bude. In dieser Bedeutung ist es veraltet, außer in dem zusammen gesetzten Holzstall. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Stall ein eingeschlossener und bedeckter Raum Vieh in denselben zu stellen. Der Pferdestall, Kühstall, Schafstall, Hühnerstall, Hundestall, Äntenstall, Marstall u. s. f. wo es denn oft ein ganzes Gebäude dieser Art, ein Stallgebäude, oft auch nur einen einzelnen abgesonderten Raum in demselben bedeutet. Figürlich ist der Stall anhören ein Collectivum, die sämmtlichen zum Marstalle gehörigen Gebäude mit den darin befindlichen Pferden und den zu ihrer Wartung und Aufsicht gehörigen Personen. Daher das Stallamt, Stall-Secretär, Stall-Apotheker, Stallschreiber, Stall-Chirurgus u. s. f.

Anm. Im Nieders. gleichfalls Stall, im Schwed. und Ital. Stalla, im Engl. Stall, bey den Krainerischen Wenden Shtalla, im Lateinischen mit einem andern Endlaute Stabulum, bey dem Hesychius von einem Ochsenstalle - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . S. 2 Stallen.


Stallbaum (W3) [Adelung]


Der Stallbaum, des -es, plur. die -bäume, in den Pferdeställen, ein starker Baum, welchen man zwischen den Pferden befestiget, damit sie nicht zusammen können.


Stallen (W3) [Adelung]


1. Stallen, verb. reg. neutr. et act. welches im ersten Falle das Hülfswort haben bekommt, harnen, den Urin lassen. Es ist nur von den Pferden und Eseln, bey den Jägern aber auch von den Hirschen, Wölfen und Leithunden üblich, wofür sie aber auch feuchten gebrauchen. Ein Pferd stallen lassen. Das Pferd kann nicht stallen. Das Pferd stallet Blut. So auch das Stallen.

Anm. Im Schwed. stalla, im Engl. stale, wo auch Stale der Pferdeharn ist, im Ital. stallare, alle zunächst von den Pferden, daher die meisten in der Ableitung dieses Wortes auf Stall fallen, weil die Pferde gemeiniglich harnen, so bald sie in den Stall kommen. Andere leiten es von stellen ab, entweder, weil die Pferde dabey eine besondere Stellung annehmen, oder auch so fern sie im Harnen stille stehen. Allein es scheint vielmehr, so wie die ähnlichen schollen, strullen u. s. f. eine Onomatopöie zu seyn, und den Laut eines reichlich abfließenden Wassers nachzuahmen, da es denn zu Dohle, ein Graben, Stollen, ein Canal u. s. f. gehören würde. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gleichfalls harnen.


Stallen (W3) [Adelung]


2. Stallen, verb. reg. welches mit stellen gleichbedeutend ist, aber nur in einigen Fällen gebraucht wird, und in doppelter Gestalt vorkommt. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, in einem Stalle, d. i. Raume, Zimmer, bey einander seyn; doch nur noch figürlichem Verstande, friedlich bey und neben einander leben, sich vertragen. Sie stallen nicht miteinander, können sich nicht mit einander vertragen. Füchse stallen nicht mit Wölfen, Lichtw. Wo es auch, obgleich vielleicht nicht so richtig, als ein Reciprocum, gebraucht wird, sich stallen. 2. Als ein Activum. (1) Für stellen in weiterm Verstande, wo es nur noch in einigen Zusammensetzungen üblich ist. ( S. Bestallen, Bestallung.) Im Oberdeutschen ist Stallung auf einen flüchtigen Missethäter machen, ihm nachsetzen, nachstellen, ihn zu erhaschen suchen. (2) In engerer Bedeutung, oder vielmehr unmittelbar von Stall, in den Stall stellen, besonders in dem zusammen gesetzten einstallen. Keine Pferde mehr stallen können, keine Stallung oder keinen Stallraum für sie mehr haben. So auch das Stallen und die Stallung. Siehe das letztere besonders.

Anm. Im Niedersächsischen gleichfalls stallen. Zu den Provinzial-Bedeutungen gehöret auch die, da es in Niederdeutschland für gerinnen gebraucht wird, Nieders. stallen, Holl. stollen. S. Stellen.


Staller (W3) [Adelung]


Der Staller, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen unbekanntes und nur noch in einigen Gegenden des nördlichsten Deutschlandes übliches Wort, welches daselbst eine Art eines vornehmen obrigkeitlichen Beamten bezeichnet. So gibt es z. B. in der Landschaft Eyderstädt so wohl einen Oberstaller, als auch einen Unterstaller oder Staller schlechthin. Jener hat die Oberste Aufsicht in Kirchen-politischen und ökonomischen Sachen, dieser aber ist eigentlich ein Richter, und hat das erste Verfahren in allen Privat-Sachen der Einwohner. Beyde haben in allen Gerichten der Landschaft den Vorsitz. Bey den Friesen ist Staller so viel wie ein Statthalter, entweder nach einer den Niederdeutschen sehr gewöhnlichen Ausstoßung der harten Mitlauter, oder auch unmittelbar von Stall, Stelle, für Stellvertreter. Bey den ältern Schweden wurde der Reichsmarschall Stallare genannt, wo es wohl zunächst von Stall, Marschall, herstammet. Man hat daher nicht nöthig, mit Spelmannen, Frischen und andern dieses Wort von dem mittlern Lat. Constabularius herzuleiten, welches vielmehr eine ungeschickte Übersetzung oder Nachahmung des Deutschen Staller zu seyn scheinet.


Stallfütterung (W3) [Adelung]


Die Stallfütterung, plur. inus. in der Landwirthschaft, die Gewohnheit, das Vieh im Sommer in den Ställen zu behalten und daselbst zu füttern; im Gegensatze des Weidganges.


Stallgeld (W3) [Adelung]


Das Stallgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches man für den Gebrauch eines fremden Stalles entrichtet. So zahlet man in den Gasthöfen für den Gebrauch eines Pferdestalles ein gewisses Stallgeld. Von Stall, Bude oder Stelle, ist in Straßburg das Stallgeld so viel wie der Budenzins oder auch der Zins für eine Stelle auf dem Jahrmarkte, das Standgeld.


Stallherr (W3) [Adelung]


Der Stallherr, des -en, plur. die -en, in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. zu Zürch, derjenige Rathsherr, welcher über des Rathes Marstall gesetzt ist.


Stallknecht (W3) [Adelung]


Der Stallknecht, des -es, plur. die -e, ein Knecht, dessen Amt es ist, die Pferde im Stalle zu warten, die Reinlichkeit des Stalles zu besorgen u. s. f. zum Unterschiede von einem Reitknechte, Fuhrknechte, Ackerknechte u. s. f.


Stallkraut (W3) [Adelung]


Das Stallkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme, 1. der Hauhechel, Ononis arvensis L. und 2. des Flachs- oder Leinkrautes, Antirrhinum Linaria L. beyde von 1 Stallen, harnen, weil beyde Pflanzen eine den Urin treibenden Kraft haben.


Stallschreiber (W3) [Adelung]


Der Stallschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. von Stall, Marstall, der Schreiber bey einem Marstalle.


Stallmeister (W3) [Adelung]


Der Stallmeister, des -s, plur. ut nom. sing. ein vornehmer Beamter, welcher einem Marstalle vorgesetzet ist, und an großen Höfen noch den Oberstallmeister über sich hat. Er hat die oberste Aufsicht über einen Marstall, daher die Bereiter und andere Bediente seinen Befehlen unterworfen sind. Im mittlern Lateine Constabularius.


Stallung (W3) [Adelung]


Die Stallung, plur. die -en. Unmittelbar von stallen, als das Verbale davon, ohne Plural, wo es doch nur in einigen Zusammensetzungen üblich ist; die Einstallung, Bestallung u. s. f. Stallung auf jemanden machen, im Oberd. (Siehe 2 Stallen.) 2. Von stallen, stellen, und der Ableitungssylbe ing oder ung ist die Stallung: (1) Im Jagdwesen, ein mit dem kleinen Zeuge eingestellter Ort im Walde. (2) Stallraum, d. i. Ställe oder Raum in denselben; ohne Plural. Das Gut hat wenig Stallung, wenig zum Stalle oder zu Ställen eingerichteten Raum. Auf sechs Pferde Stallung haben. In den Wirthshäusern etwas für die Stallung bezahlen.


Stamm (W3) [Adelung]


Der Stamm, des -es, plur. die Stämme, Diminut. das Stämmchen, Oberd. Stämmlein. 1. Eigentlich, der Theil eines Baumes zwischen der Wurzel und den Ästen, aus welchem diese letztern entspringen. Ein gerader, hoher Stamm, Sprich. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamme, die Kinder arten gemeiniglich den Ältern nach. In engerer Bedeutung pflegt man zuweilen auch den untersten dicksten Theil dieses Stammes zunächst an der Wurzel, das Stammende, nur den Stamm schlechthin zu nennen, so wie man in weiterer, unter Stamm oft den ganzen Baum verstehet, so fern er um seines Stammes willen geschätzet wird. Funfzig Stämme Bauholz fällen. Auch in den Baumschulen werden die jungen Bäume gemeiniglich Stämme, genannt, ohne Zweifel, weil man sie daselbst um ihrer Stämme willen erziehet, um dieselben nochmahls durch Propfen veredeln zu können. Im weitesten Verstande, der aber nur in der Kräuterkunde am üblichsten ist, heißt der Theil einer jeden Pflanze über der Erde, welcher die übrigen Theile träget, der Stamm; im gemeinen Leben der Stängel. In engerer Bedeutung bekommt dieser Theil nur den Nahmen des Stammes, Gaulis, wenn er Blätter und Blüthen trägt; zum Unterschiede von einem Schafte und Strunke. 2. Figürlich. (1) Dasjenige, woraus ein oder mehrere Dinge Einer Art entspringen. So pflegt man die Stamm- oder Wurzelwörter, woraus andere entspringen, oft nur die Stämme dieser zu nennen. In dem l'Hombre-Spiel ist der Stamm oder die Stammkarte, derjenige Haufe Karten, von welchem die spielenden Personen, nachdem gegeben worden, die zum Spiele nöthigen Karten nehmen. (2) Diejenigen Dinge Einer Art, welche von einem gemeinschaftlichen Ursprunge bekommen; als ein Collectivum, doch mit dem Plural. (a) Mit dem herrschenden Begriffe des gemeinschaftlichen Ursprunges, wo besonders eine Menge mehrerer von einem gemeinschaftlichen Stammvater herkommender Menschen ein Stamm genannt wird. Man gebraucht es hier für Geschlecht, doch nur in einigen Fällen und ohne Plural. Der ganze Stamm ist ausgestorben. Er ist der letzte seines Stammes. Seinen Stamm vermehren, sein Geschlecht. Zuweilen gebraucht man es in engerm Verstande von den Zweigen oder Ästen eines Geschlechtes. Der männliche, der weibliche Stamm. Am häufigsten aber ist es von einer aus mehrern einzelnen Häusern oder Geschlechtern bestehenden Menge Menschen, so fern selbige von einem gemeinschaftlichen Vater abstammen; da denn mehrere solcher Stämme ein Volk machen. So sind in der Deutschen Bibel die zwölf Stämme Israel bekannt, welche zusammen genommen das Jüdische Volk ausmachten. (b) In einigen obgleich einzelnen Fällen verlieret sich der Begriff des gemeinschaftlichen Ursprunges, und es bleibt nur der Inbegriff der Vielheit übrig, wozu sich noch der diesem Worte ursprünglich eigene Begriff der Festigkeit und Dauer gesellet. 1. Ein Capital, eine auf Zinsen ausgethane Summe Geldes wird häufig der Stamm oder Hauptstamm genannt. ( S. auch Lehensstamm.) Daher auch in manchen Arten von Spielen, das im Pot befindliche Geld, warum gespielet wird, der Stamm heißt. 2. Eine Menge Viehes Einer Art, so fern dieselbe auf eine dauerhafte Art der Zahl und Güte nach erhalten wird, heißt oft ein Stamm. Das Gut hat einen tüchtigen Stamm von kluft- und weichhärigen Schafen. 3. Im Bergbaue ist der Stamm eine Zahl von vier Kuren; 32 Stamm (nicht Stämme, nach dem Muster so vieler andern Wörter, welche eine Zahl, ein Maß, ein Gewicht u. s. f. bedeuten,) machen eine Zeche oder 128 Kur. Indessen scheinet es hier auch einer andern Ableitung fähig zu seyn.

Anm. Im Schwed. gleichfalls Stamm, im Angels. Stemne, im Engl. Stem, im Lat. Stemma, alle in der ersten eigentlichen Bedeutung. In der figürlichen eines Geschlechtes gebraucht schon Winsbeck Stam, Notker aber noch Chumberra, Chumbarru, vielleicht Chunbarru, von Chunne, Geschlecht. Der Begriff der Stärke, Dicke und Festigkeit ist sichtlich der herrschende. ( S. Stämmen, Stämmig, Stumpf, Stampfen u. s. f.) Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, der Stängel, welches zu dem Lat. Stamen, u. s. f. gehöret, von welchen Stamm ein Intensivum ist, eine größere Dicke und Stärke zu bezeichnen.


Stamm-Aloe (W3) [Adelung]


Die Stamm-Aloe, plur. die -n, eine Art Aloe, welche mit einem eigenen Stamme versehen ist, von welcher es mehrere Gattungen gibt, welche zu der Aloe perfoliata Linn. gehören.


Stammältern (W3) [Adelung]


Die Stammältern, sing. inus. die ersten Ältern eines Stammes oder Geschlechtes, von welchen derselbe herstammet, und wohin so wohl der Stammvater als die Stammmutter gehören. So sind Adam und Eva die Stammältern des menschlichen Geschlechtes.


Stammausträge (W3) [Adelung]


Die Stammausträge, sing. inus. Austräge, d. i. selbst erwählte zur Pflegung der Güte bestimmte Gerichte, so fern sie bey einem Stamme oder Geschlechte hergebracht, bey demselben von ältern Zeiten her eingeführet sind.


Stammaxt (W3) [Adelung]


Die Stammaxt, plur. die -äxte, im Holz- und Forstwesen, eine Axt, womit die Bäume gestämmet, d. i. nahe über der Wurzel gefället werden.


Stammbuch (W3) [Adelung]


Das Stammbuch, des -es, plur. die -bücher. 1. Ein Geschlechtsregister in Gestalt eines Buches, ingleichen ein Buch, welches mehrere Geschlechtsregister enthält; eine ehedem sehr gangbare Bedeutung, welche auch noch jetzt nicht ganz veraltet ist. 2. Ein Buch, welches dazu bestimmt ist, daß Gönner und Freunde Denksprüche mit ihren Nahmen eigenhändig in dasselbe verzeichnen; ohne Zweifel, wie schon Frisch vermuthet, weil man anfänglich nur Anverwandte in ein solches Buch schreiben zu lassen pflegte.


Stämmeisen (W3) [Adelung]


Das Stämmeisen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Meißel der Holzarbeiter, Löcher damit auszustämmen, oder einen Theil damit abzustämmen; im gemeinen Leben der Durchschlag. S. Stämmen.


Stammeln (W3) [Adelung]


Stammeln, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt, in Reden die Sylben abgebrochen, oder mit merklichen Zwischenräumen, und mit mehrmahliger Wiederhohlung einer und eben derselben Sylbe aussprechen, es geschehe nun aus natürlichen Unvermögen, oder aus heftiger Gemüthsbewegung. Das Kind kann noch nicht reden, es stammelt nur. Mit stammelnder Zunge. Dann wein ich und sinke hin, und stammle mein Erstaunen, dem, der die Erde schuf, Geßn. Sage ihm, daß diese sterbende Lippen für sein Wohl die letzten Gebethe stammeln, von Brawe. Doch du hörst auch das Lied, das fromme Bewundrung dir stammelt, Zach. Daher das Stammeln.

Anm. In den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes stammern, im Engl. to stammer, im Schwed. stamma, im Angels. stomettan, Frisch leitet es von stämmen, stehen machen, und mit demselben wie auch stottern, von stehen, Ihre aber von stumm, bey dem Ulphilas stammuua her. Allein es scheinet so wie stottern eine Onomatopöie zu seyn, weil stammelnde Personen gern die Buchstaben m und t zu wiederhohlen pflegen. Übrigens ist dieses Wort der Form nach ein Iterativum, dessen Stammwort noch das Schwed. Stamma erhält. Stammeln und Stottern werden oft als gleich bedeutend gebraucht; indessen druckt das letzte doch mehr die Wiederhohlung einer und eben derselben Sylbe aus, ist auch mehr im gemeinen Leben, so wie stammeln mehr in der edlern Schreibart üblich.


Stammeler (W3) [Adelung]


Der Stammeler, zusammen gezogen Stammler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person, welche stammelt.


Stammen (W3) [Adelung]


Stammen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, von einem Dinge, als seinem Stamme oder Ursprunge herkommen. Die Furcht, die aus dem unendlichen Hunger und Durst unserer Begierden stammet, Mosheim. Personen, die nicht mit uns aus einerley Geschlecht stammen, Gell. Ungeheuer, das aus der Hölle stammt! Raml. Indessen ist es in der gewöhnlichen gesellschaftlichen Sprechart in den Zusammensetzungen abstammen und herstammen am gangbarsten, in welchen auch nur das Verbale auf ung üblich ist.

Anm. Es kommt von Stamm her, so fern die Äste und Zweige aus demselben ihren Ursprung haben, und so fern derselbe auch figürlich einen jeden Ursprung bedeutet.


Stämmen (W3) [Adelung]


Stämmen, verb. reg. act. welches mit Stamm eines und eben desselben Ursprunges ist. 1. In mehr eigentlichen Verstande, wo es eine unmittelbare Onomatopöie zu seyn, und den dumpfigen Laut nachzuahmen scheint, der mit der Zertheilung eines Stammes, in die Quere und vermittelst der Arzt verbunden ist. Einen Baum stämmen oder abstämmen, in einigen Gegenden für fällen. Einen Baum von einander stämmen, einen gefällten Baum mit der Art der Quere nach theilen. Auch gebrauchen es verschiedene Holzarbeiter von der Bearbeitung mit dem Stämmeisen und Schlägel. Ein Loch stämmen oder ausstämmen. Einen Ast abstämmen. 2. Im figürlichen Verstande, wo die unmittelbare Onomatopöie verschwindet, und den Begriff des Steifen zurück lässet. (1) Die Füße an die Wand stämmen, die steif gemachten Füße fest an die Wand setzen, stützen. Sich mit den Füßen anstämmen. Stämme dich nicht zu viel, sträube, widersetze dich nicht zu sehr. Den Ellbogen auf den Tisch stämmen, fest und plump auf den Tisch setzen. Komm Lachen, Die Hände gestämmt in keuchende Seiten, Raml. Sich auf etwas stämmen, z. B. auf einen Stock, fest stützen. (2) Nach einer noch weitern Figur stämmet man das Wasser, wenn man dessen Abfluß hindert, und es folglich an- und aufschwellen macht; es dämmen, stauchen, Niedersächs. stanen, Schwed. stämma, Isländ. styma. Das Wasser stämmen. Der Fluß stämmt sich hier. So auch das Stämmen.

Anm. Der dumpfige Laut ist ohne Zweifel der Stammbegriff, daher es auch mit dumpfig selbst verwandt ist, bis auf die Verschiedenheiten des Lautes, welche die Vocalen a und u ausdrucken. Stampfen ist davon ein Intensivum. Der dumpfige Laut setzet in vielen Fällen eine dicke, starke Masse voraus, daher denn der Begriff des Stammes, und ohne Zischlaut des Dammes, womit der Begriff des Steifen wieder nahe verwandt ist.


Stammende (W3) [Adelung]


Das Stammende, plur. die -n, das dickere Ende eines Stammes oder Baumes zunächst an der Wurzel; im Gegensatze des Zopfendes.


Stämmer (W3) [Adelung]


Der Stämmer, des -s, plur. ut nom. sing. eine eiserne Stütze an dem Wendeschämel eines Wagens, welche die Runge an dem Blatte des Schämels befestiget, so daß sich erstere darauf stämmet oder stützet.


Stammerbe (W3) [Adelung]


Der Stammerbe, des -n, plur. die -n, der Erbe eines Geschlechtes oder Stammes, welcher die Güter desselben erbet.


Stammgeld (W3) [Adelung]


Das Stammgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er. 1. In einigen Gegenden, so viel wie ein Capital, der Stamm, oder Hauptstamm, zum Unterschiede von den Zinsen, ( S. Stamm.) 2. Im Forstwesen ist das Stammgeld, eine Erkenntlichkeit, welche die Forstbedienten für die Anweisung im Ganzen verkaufter Stämme oder Bäume bekommen.


Stammgut (W3) [Adelung]


Das Stammgut, des -es, plur. die -güter. 1. Ein von dem gemeinschaftlichen Stamme oder Stammvater herrührendes Gut, es mag dasselbe von einer Beschaffenheit seyn, von welcher es wolle; Erb gut, Stockgut, welche Ausdrücke mit Stammgut oft als gleich bedeutend vorkommen. 2. Oft werden auch freye und eigenthümliche besessene Güter eines Stammes oder Geschlechtes, Allodial-Güter, mit dem Nahmen der Stammgüter belegt, um sie von Lehen zu unterscheiden; welche Bedeutung aber freylich nicht die schicklichste ist. 3. In der engsten und üblichsten Bedeutung ist das Stammgut ein von einem Geschlechte oder Stamme ererbtes Gut, welches bey demselben bleiben muß, und nicht veräußert werden kann; ein Fidei-Commiß-Gut.


Stammhaar (W3) [Adelung]


Das Stammhaar, des -es, plur. inus. oder die Stammhaare, sing. inus. grobe und starke, steife Haare, besonders von den Haaren, aus welchen die Wolle bestehet. Schafwolle, welche aus solchen Haaren bestehet, wird daher Stammwolle, eine ein- zelne Locke solcher Haare aber die Stammlocke genannt. Daher Stammhärig, solche Haare habend. Stammhärige Wolle. Stamm hat in all diesen Wörtern den figürlichen Begriff der Steife und Dicke.


Stammhaft (W3) [Adelung]


Stammhaft, -er, -este, adj. et adv. dick und stark, im gemeinen Leben stämmig, im Gegensatze des schlank oder geschlank. Die stammhafte dorische Säule. Die stammhafte Leibesbeschaffenheit der Alten. Daher die Stammhaftigkeit.


Stammhalter (W3) [Adelung]


Der Stammhalter, des -s, plur. ut nom. sing. diejenige Person männlichen Geschlechtes, auf welcher die Erhaltung und Fortpflanzung eines Stammes oder Geschlechtes beruhet.


Stammhaus (W3) [Adelung]


Das Stammhaus, des -es, plur. die -häuser, dasjenige Haus, derjenige Sitz eines Geschlechtes, aus welchem dasselbe herstammet, und von welchem es, wenn es von Adel ist, gemeiniglich auch den Nahmen hat.


Stammholz (W3) [Adelung]


Das Stammholz, des -es, plur. inus. 1. Dasjenige Holz, woraus der Stamm eines Baumes bestehet, ingleichen, Holz, welches aus dem Stamme geschlagen oder von demselben genommen worden. 2. Holz, welches zu völligen Stämmen oder Bäumen erwachsen ist, Oberholz; im Gegensatze des Busch- oder Unterholzes.


Stämmig (W3) [Adelung]


Stämmig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Von Stamm, der Stamm eines Baumes, und ohne Comparation, einen Stamm habend. Stämmiges Holz, welches zu Stämmen oder Bäumen erwachsen ist, welches aber noch lieber Stammholz genannt wird. Am üblichsten ist es hier in den Zusammensetzungen hochstämmig, kurzstämmig, dünnstämmig, einstämmig, zweystämmig u. s. f. 2. Dick, steif und stark. Ein stämmiger Mensch. Wofür doch in der anständigen Sprechart stammhaft üblicher ist.


Stammkarte (W3) [Adelung]


Die Stammkarte, plur. die -n, S. Stamm.


Stammlehen (W3) [Adelung]


Das Stammlehen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Lehen, oder Lehngut, welches dem ganzen Stamme oder Geschlechte gehöret, und welchem die ganze Familie in ihrer Ordnung folgen kann.


Stämmleiste (W3) [Adelung]


Die Stämmleiste, plur. die -n, an den Rüst- und Leiterwägen, eine starke Stange, welche unten auf der Achse stehet, oben aber durch einen Ring an den Leiterbaum gesteckt wird, damit sich derselbe daran stämmen und stützen könne.


Stammleiter (W3) [Adelung]


Die Stammleiter, plur. die -n, in der Tonkunst, die Tonleiter von e bis c, nach welcher alle übrigen gebildet werden; die Hauptleiter.


Stammler (W3) [Adelung]


Der Stammler, S. Stammeler.


Stammlocke (W3) [Adelung]


Die Stammlocke, plur. die -n, S. Stammhaar.


Stammlohde (W3) [Adelung]


Die Stammlohde, plur. die -n, im Forstwesen, Lohden, d. i. junge Schüsse, welche aus den Wurzeln und Stämmen des abgehauenen Holzes hervor kommen.


Stammmotte (W3) [Adelung]


Die Stammmotte, plur. die -n, eine Motte oder Nachtfalter, welcher sich auf den Obstbäumen aufhält und auch Schwammmotte genannt wird; Phalaena Bombyx dispar Linn.


Stammnadel,Stammnodel (W3) [Adelung]


Die Stammnadel, oder Stammnodel, plur. die -n, bey den Schustern, eine Art Nadeln, welche vorn die Gestalt einer Lanze mit einem gebogenen Ohre haben, die Überstämme damit an das Oberleder anzunadeln. Man bedienet sich dabey eines offenen Fingerhutes, welcher der Stämmring genannt wird.


Stammochs (W3) [Adelung]


Der Stammochs, des -en, plur. die -en, ein Ochs welcher zur Fortpflanzung seines Stammes oder Geschlechtes gehalten wird; der Zuchtochs, Herdochs, Bulle.


Stammraupe (W3) [Adelung]


Die Stammraupe, plur. die -n, eine Art Raupen, welche ihre Eyer an den Stämmen der Bäume zwischen den Schalen der Äste und in den Klüften in einen rauhen Schwamm oder Pelz legen; zum Unterschiede von den Nestraupen und Ringelraupen.


Stammregister (W3) [Adelung]


Das Stammregister, des -s, plur. ut nom. sing. das Geschlechtsregister, das Verzeichniß der Glieder eines Stammes oder Geschlechtes nach ihrer Abstammung.


Stämmring (W3) [Adelung]


Der Stämmring, des -es, plur. die -e, S. Stämmnadel.


Stammschwarm (W3) [Adelung]


Der Stammschwarm, des -es, plur. die -schwärme, ein Schwarm aber Bienenstock, welcher zur Fortpflanzung des Geschlechtes gehalten wird; der Leibstock, Mutterstock, Ständer.


Stammsprache (W3) [Adelung]


Die Stammsprache, plur. die -n, diejenige Sprache, von welcher eine oder mehrere andere abstammen, S. Hauptsprache.


Stammsylbe (W3) [Adelung]


Die Stammsylbe, plur. die -n, diejenige Sylbe eines Wortes, welche den Stamm oder die Wurzel desselben enthält, und zu welcher sich die übrigen Sylben nur als Zusätze oder Nebenbestimmungen verhalten.


Stammträger (W3) [Adelung]


Der Stammträger, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher im Nahmen des ganzen Stammes oder mehrerer Erben die Lehen von dem Lehensherren empfängt, und auch der Lehenträger genannt wird.


Stammvater (W3) [Adelung]


Der Stammvater, des -s, plur. die -väter, der erste eines Geschlechts, diejenige männliche Person, von welcher ein Geschlecht herstammet.


Stammvieh (W3) [Adelung]


Das Stammvieh, des -es, plur. car. dasjenige Vieh, welches bey einem Grundstücke bleiben und mit demselben wieder übergeben werden muß; das Inventarium an Vieh, eisernes Vieh. Der Viehstamm hingegen ist schlechthin ein Haufe bey einem Grundstücke befindlichen Viehes. S. Stamm.


Stammwapen (W3) [Adelung]


Das Stammwapen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wapen, welches einem ganzen Stamme oder Geschlechte gemein ist, welches das ganze Geschlecht führet.


Stammwolle (W3) [Adelung]


Die Stammwolle, plur. car. S. Stammherr.


Stammwort (W3) [Adelung]


Das Stammwort, des -es, plur. die -wörter, dasjenige Wort von welchem ein anderes herstammet. So ist roth das Stammwort von erröthen.


Stämpel (W3) [Adelung]


Der Stämpel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Stämpelchen, ein Werkzeug zum Stampfen, daher es im Oberdeutschen auch Stämpfel lautet. Eigentlich. 1. Der Stämpel in einem Mörser, welcher doch im Hochdeutschen lieber die Käule heißt. Wenn du den Narren im Mörser zerstießest mit einem Stämpfel, Sprichw. 27, 22. Die Stämpel in den Stampfmühlen, welche auch Stampfen genannt werden, in den Pochwerken, die Pochstämpel, bey den Nadlern in der Wippe, die Knöpfe damit auf die Stecknadeln zu stampfen u. s. f. Die Grobschmiede haben einen Hufstämpel, Schienenstämpel und so ferner, die Löcher in den Hufeisen, Radschienen und so ferner damit zu stämpen. In engerer Bedeutung ist der Stämpel ein mit einem Zeichen versehenes Werkzeug, dieses Zeichen vermittelst eines mit einem Schlage oder Große verbundenen Druckes auf einen andern Körper abzudrucken. Daher der Stämpel in den Münzen, der Münzstämpel, der das Gepräge der Münzen und Medaillen enthält. Der Stämpel, vermittelst dessen das Papier, die Karten, die Kalender u. s. f. gestämpelt werden; ingleichen die ähnlichen Stämpel, verschiedene Arten Zeuge zum Zeichen ihrer erprobten Güte damit zu bezeichnen. Im Forstwesen wird auch die Mahlart, oder das Waldeisen, der Waldhammer, der Stämpel genannt, und so in andern Fällen mehr, so wie in andern der Stämpel seinen eigenen Nahmen hat. 2. Figürlich. (1) Das mit einem Stämpel aufgeschlagene oder aufgedruckte Zeichen. Der Stämpel auf dem Papiere u. s. f. (2) Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt haben einige Schriftsteller des Kräuterreiches die Pistilla in den Blumen Stämpel genannt, welche bey andern bequemer Staubwege heißen. (3) Arten von Stützen, welche mit Gewalt unter oder zwischen einen Körper getrieben werden; heißen in manchen Fällen gleichfalls Stämpel. Dergleichen sind die Stämpel im Bergbaue, oder starke Hölzer, welche zwischen die Wandruthen und Anfälle eines Schachtes getrieben werden. Anm. Schwed. Stämpel, im mittlern Lat. Stampilla. Es ist eigentlich aus der Niederdeutschen Mundart entlehnet, von stampen, stampfen, und zeiget vermittelst der Ableitungssylbe -el, ein Werkzeug zum Stampfen an. Die Oberdeutsche Mundart liebt Stämpfel, und einige Hochdeutsche folgen ihr; indessen ist doch Stämpel das gewöhnlichste.


Stämpelamt (W3) [Adelung]


Das Stämpelamt, des -es, plur. die -ämter, ein Amt, d. i. Collegium von Beamten, wo Waaren, Papier, Spielkarten u. s. f. gestämpelt werden, dessen Vorgesetzter zuweilen der Stämpelmeister heißt.


Stämpelgeld (W3) [Adelung]


Das Stämpelgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen dieser Art, die -er, dasjenige Geld, welches für die Stämpelung der Waaren, Karten, des Papieres u. s. f. an die Obrigkeit entrichtet wird.


Stämpelkammer (W3) [Adelung]


Die Stämpelkammer, plur. die -n. 1. Ein Zimmer oder Gebäude, wo die Obrigkeit die Waaren, Karten, das Papier u. s. f. stämpeln lässet. 2. Das Collegium der dazu verordneten Personen, das Stämpelamt.


Stämpellüfter (W3) [Adelung]


Der Stämpellüfter, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Nadlern, ein verstähltes Stück Eisen, die Stämpel in der Wippe damit zu lüften, d. i. die Gruben in den Ober- und Unterstämpel damit zu öffnen.


Stämpelmeister (W3) [Adelung]


Der Stämpelmeister, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Stämpelamt.


Stämpeln (W3) [Adelung]


Stämpeln, verb. reg. act. mit einem Stämpel, d. i. eingegrabenen Zeichen des Stämpels versehen. So werden manche Arten von Zeugen zum Beweise ihrer Güte von einer obrigkeitlichen Anstalt gestämpelt, welches entweder vermittelst eines mit Farbe aufgedruckten Zeichens des Stämpels geschiehet, oder es wird auch der Stämpel auf ein Stückchen Bley geschlagen, und dieses an den Zeug befestiget. Das zu einem gewissen Behuf bestimmte Schreibpapier, die Spielkarten, die Kalender, öffentliche Zeitungen u. s. f. werden zum Beweise, daß die darauf gelegte Abgabe entrichtet worden, in vielen Ländern gleichfalls gestämpelt. Gestämpeltes Papier oder Stämpelpapier. Im Oberdeutschen stämpfen.


Stämpelpapier (W3) [Adelung]


Das Stämpelpapier, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, gestämpeltes Papier. S. das vorige.


Stämpelschneider (W3) [Adelung]


Der Stämpelschneider, des -s, plur. ut nom. sing. ein Künstler, welcher das Gepräge zu den Münzen und Medaillen in stählerne Stämpel schneidet oder gräbt.


Stämpen (W3) [Adelung]


Stämpen, verb. regul. act. welches nur in einigen Fällen des gemeinen Lebens für stampfen, Nieders. stampen üblich ist. So stämpen die Grobschmiede die Löcher in die Hufeisen, Radschienen u. s. f. wenn sie selbige mit dem Stämpel einschlagen, und sie hernach mit dem Spitzhammer völlig ausarbeiten.


Stamper,Stämper (W3) [Adelung]


Der Stamper, oder Stämper, des -s, plur. ut nom. sing. auch nur in einigen Fällen für Stämpel oder Stampfe. So haben die Hutmacher einen Stamper, und bey den Nadlern wer- den die Stämpel in der Wippe in einigen Gegenden Stämper genannt.


Stampf (W3) [Adelung]


Der Stampf, des -es, plur. die -e, gleichfalls nur in einigen Fällen nur Stämpel oder Stampfe. So ist bey den Goldschmieden der Löffelstampf ein starker eiserner Stämpel, dem silbernen Löffel seine Vertiefung zu geben. Der Bleystampf ist eben daselbst die bleyerne Platte, in deren Vertiefung das zu einem Löffel bestimmte Blech alsdann gelegt wird. Eben dieselben haben auch Degenkampfe, Dosenstampfe u. s. f. Bey dem Fronsberg heißt der Mörser der Stampf. Bey andern heißen diese Werkzeuge richtiger im weiblichen Geschlechte die Stampfen. S. das folgende.


Stampfe (W3) [Adelung]


Die Stampfe, plur. die -n, von dem Zeitworte stampfen. 1. Die Bearbeitung durch das Stampfen, ohne Plural. Die Hirse in die Stampfe schicken, um sie stampfen zu lassen. Noch häufiger, 2. ein Werkzeug zum Stampfen, in sehr vielen Fällen, welches in einigen andern der Stämpel, Stamper, Stampfer, Stampf heißt, im Oberdeutschen Stampfel. Die Krautstampfe ist in der Hauswirthschaft ein in der Gestalt eines Latein. S gebogenes scharfes Eisen mit einem Stiele, das Kraut zum Futter für das Vieh damit zu stampfen, d. i. es stampfend zu zerschneiden. In vielen andern Fällen bleibt der Nebenbegriff des Schneidens weg. und nur der eigentliche Begriff des dumpfigen Stoßens übrig. So heißen die Stämpel oder Stöcke in den Lohe- Walk- Papier- und Öhlmühlen, welche durch ihr Erheben und Fallen das Stampfen verrichten, die Stampfen. Auch die schweren Hämmer in der Papiermühle, womit das Papier geschlagen wird, führen diesen Nahmen. Auch die Form, worin etwas gestampft wird, heißt zuweilen die Stampfe, dergleichen die Bleystampfe oder das Bleystampf bey den Goldschmieden ist, Franz. Etampe. S. das vorige.


Stampfen (W3) [Adelung]


Stampfen, verb. reg. neutr. et act. welches im ersten Falle das Hülfswort haben bekommt, mit einem dicken schweren Körper oder auch mit Heftigkeit stoßen, so daß der dumpfige Laut erfolgt, welchen dieses Zeitwort zunächst ausdruckt, und welcher dasselbe von dem allgemeinern stoßen unterscheidet. Mit dem Fuß auf die Erde stampfen, mit den Füßen stampfen. Zornig stampfte der Flußgott wider die Erde, und wo er stampfte, da sprudelte eine Quelle an seinem Fuße auf, Geßn. Wie wiehern die muthigen Pferde Und schlagen und stampfen die Erde, Bernh. Ingleichen, durch solches Stampfen bearbeiten. Besonders zerstoßen oder bestoßen. So werden in den Lohe- Walk- Papier- Ohl- und Graupenmühlen die Rinde, der Zeug, der Samen, das Getreide gestampft. Graupen, Hirse stampfen, mit den Stampfen in der Stampfmühle die Bälge abstoßen. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch von dem Stoßen im Mörser, wofür im Hochdeutschen stoßen üblicher ist. Eben daselbst ist es auch so viel als prägen. In der Haushaltung wird das Kraut gestampft, wenn es mit der Krautstampfe in den Stampftroge stoßend zerschnitten wird. Die Nadler stampfen, wenn sie den Stecknadeln vermittelst der Stämpel in der Wippe den Kopf aufsetzen. Die Goldschmiede stampfen z. B. einen Löffel, wenn sie dem platten Bleche in der Bleystampfe mit der Löffelstampfe die nöthige Vertiefung geben, ( S. der Stampf.) Und so in vielen andern ähnlichen Fällen mehr. Daher das Stampfen.

Anm. Im Nieders. stampen, im Engl. to stamp, im Schwed. stampa, im Französ. estamper, im Ital. stampare, welches auch mit einem Stoße drucken bedeutet. Es druckt den dumpfigen mit dem Stampfen verbundenen Laut aus, und ist ein doppeltes Intensivum, vermittelst des pf oder p von Stamm, stammen u. s. f. und vermittelst des vorgesetzten Zischlautes von dumpf, dämpfen, u. s. f. Siehe auch Stumpf.


Stampfer (W3) [Adelung]


Der Stampfer, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine männliche Person, welche stampft, d. i. ein Ding durch Stampfen bearbeitet. 2. Ein Werkzeug zum Stampfen, in einigen Fällen, indem in den meisten Stämpel und Stampfe üblicher sind. So wird in der Artillerie der Setzkolben oder Setzer, womit die Ladung fest gestoßen wird, auch der Stampfer genannt. Einen ähnlichen Stampfer haben die Bergleute, das Pulver in dem Schußloche mit Thon fest zu stampfen.


Stampfgang (W3) [Adelung]


Der Stampfgang, des -es, plur. die -gänge, derjenige Gang an einer Mühle, in welchem Körper gestampfet werden, zum Unterschiede von einem Mahlgange. Werden die Früchte in einem solchen Gange nur abgeschälet, wie z. B. Hirse, Gerste zu Graupen u. s. f. so heißt er auch ein Schälgang.


Stampfhammer (W3) [Adelung]


Der Stampfhammer, des -s, plur. die -hämmer, bey den Gürtlern, ein schwerer Hammer, die zu den Knöpfen rund geschnittenen Scheiben in der Anke damit zu kleinen Kesseln zu stampfen oder zu schlagen.


Stampfklotz (W3) [Adelung]


Der Stampfklotz, des -es, plur. die -klötze, ein Nahme, welchen in einigen Gegenden der Bär oder schwere Klotz in einer Ramme, der Rammklotz, führet.


Stampfmühle (W3) [Adelung]


Die Stampfmühle, plur. die -n, eine Mühle, in welcher gewisse Körper durch Stämpel oder Stampfen zerstoßen oder zubereitet werden.


Stampftrog (W3) [Adelung]


Der Stampftrog, des -es, plur. die -tröge, ein hölzerner trog in der Hauswirthschaft, das Kraut darin für das Vieh mit der Krautstämpfe stoßend zu zerschneiden. S. Stampfe.


Stand (W3) [Adelung]


Der Stand, des -es, plur. die Stände, von dem Zeitworte stehen. 1. Das Stehen, die Handlung des Stehens; ohne Plural. (1) eigentlich, wo es doch nur von einigen Fällen üblich ist. Reinen festen Stand haben, nicht fest stehen können, wo aber auch die dritte Bedeutung des Ortes Statt finden kann. Am üblichsten ist es in den Zusammensetzungen Stillstand, Aufstand u. s. f. Ingleichen wird es in manchen Fällen von leblosen Dingen gebraucht. Der höchste Stand des Wassers. Der niedrigste Wasserstand des Flusses. (2) In engerer Bedeutung. (a) Im Gegensatze der Bewegung, doch nur in einigen figürlichen R. A. stand halten, stehen bleiben, nicht fliehen. Aus Scham mußt' ich Stand halten, Lessing. Als wie ein Held in seiner Hand Geschwinde Kriegespfeile träget, Sie auf den starken Bogen leget, Schnellt los, und hält mit ihnen Stand, Opitz, Ps. 127. Ingleichen figürlich. Noch hat ziemlich Stand gehalten. Weiße; sie ist so ziemlich standhaft geblieben. Wer ihn den Herren liebt, Bey diesen hält er Stand, Opitz, Ps. 97; denen stehet er kräftig bey, verläßt sie nicht. (b) Im Gegensatze des Liegens, auch nur in einigen figürlichen Arten des Ausdruckes. Zu Stande kommen den gehörigen Grad der Vollkommenheit erlangen. Etwas zu Stande bringen, es zu dem gehörigen Grad der Vollkommenheit bringen. Viel anfangen und nichts zu Stande bringen. Auf diese Art werden wir niemahls zu Stande kommen. 2. Die Art und Weise, wie man stehet. (1) Eigentlich und ohne Plural, nur in einigen Redensarten. Ich habe hier keinen guten Stand, stehe hier nicht gut. (2) Figürlich, der Inbegriff der zufälligen Bestimmungen eines Dinges. (a) Im weitesten Verstande, und ohne Plural, wo es oft mit Zustand gleich bedeutend ist, mehrentheils aber eine mehrere Dauer und Beständigkeit dieser zufälligen Bestimmungen ausdruckt, wie das letztere; welches vermöge der Partikel zu etwas mehr vorübergehendes zu bezeichnen scheinet. Der Umfang ist eine dieser zufälligen Bestimmungen selbst. Du wirst einen schweren Stand bekommen, wirst viel zu leiden, viel Hindernisse zu überwinden bekommen. Das war ein harter Stand! Er schien den Stand meines Herzens zu wissen, den Zustand. Die Sache befindet sich noch in dem vorigen Stande. Etwas wieder in den vorigen Stand setzen. Etwas im Stande erhalten, in dem gegenwärtigen oder auch in dem gehörigen Stande. Ein Haus im baulichen Stande erhalten. Im Stande seyn, etwas zu thun, die nöthigen Kräfte, das Vermögen, den Willen dazu haben. Ich bin es nicht im Stande, bin nicht im Stande es zu thun. Er setzt mich durch seine gar zu große Sparsamkeit außer den Stand (besser außer Stand, ohne Artikel) jemanden Gutes zu, thun, Gell. Die Finsterniß des Verstandes ist der Stand der Abwesenheit der zur Beurtheilung unserer Umstände unentbehrlichen Wahrheiten. (b) Im engern Verstande von besondern Arten solcher zufälliger Bestimmungen, da denn von mehrern Einrichtungen Einer Art auch der Plural die Stände üblich ist. Der Nymphen- oder Puppenstand eines Insectes, im Gegensatze des Standes seiner Vollkommenheit. Besonders: 1. In der Theologie werden die außerwesentlichen Verhältnisse und Veränderungen Christi, die zur Verrichtung seines Mittleramtes nöthig waren, Stände genannt. Der Stand der Erniedrigung Christi, im Gegensatze des Standes der Erhöhung. Von Menschen aber gebraucht, bezeichnet es die Einrichtung der zufälligen Beschaffenheit oder außerwesentlichen Umstände in Absicht auf Gott Der Stand der Unschuld, der Sünde, der Gnade, der Knechtschaft, der herrschenden Sicherheit, u. s. f. 2. In Ansehung der bürgerlichen Gesellschaft ist der Stand überhaupt der Inbegriff der zufälligen Bestimmungen in Ansehung des gesellschaftlichen Lebens, welche denn wieder von verschiedener Art sind. Der ledige Stand, im Gegensatze des Ehestandes. In den Stand der heiligen Ehe treten. Der Jungfernstand, der Junggesellenstand, der Witwenstand. Mit seinem Stande zufrieden seyn. In engerer Bedeutung sind die Stände die verschiedenen Arten von Verhältnissen gegen die ganze bürgerliche Gesellschaft; wo es aber auch eine Figur der folgenden Bedeutung des Ortes seyn kann. Niemand ist mit seinem Stande vergnügt. Von vornehmen, von geringem Stande seyn. Das lässet nicht für meinen Stand. Im Mittelstande leben. Ein Mann von Stande, elliptisch, für von vornehmen Stande: eine Redensart, welche Gottsched ohne Noth tadelte, weil es tausend ähnliche Ellipsen gibt. Der Hausstand oder Nährstand, der bürgerliche Stand, der geistliche Stand, oder Lehrstand, der Kriegsstand oder Wehrstand, der obrigkeitliche Stand, der Bauernstand. Der Fürstenstand, Grafenstand, Ritterstand, Adelstand, Herrenstand u. s. f. Da es denn zuweilen auch den Inbegriff der Pflichten und Befugnisse im gesellschaftlichen Leben, noch häufiger aber als ein Concretum und Collectivum, alle zu einem gewissen Stande gehörigen Personen bezeichnen. Siehe die folgende vierte Hauptbedeutung dessen was stehet. 3. Der bestimmte Ort, wo man stehet, mit dem Plural. Der stand der Kirche, der Kirchenstand. Seinen Stand auf dem Chore haben. Der Stand eines Krämers auf dem Markte, ( S. Standgeld.) Die Stände für die Pferde in einem Pferdestalle, die abgetheilten Räume. Bey dem Scheibenschießen ist der Stand, der bestimmte Ort, wo man sich zum Schießen anstellet, ( S. auch Anstand.) Bey den Jägern werden die Orte im Walde, wo sich das Wild gern stecket, und wo sich das Raubgeflü- gel des Abends einfindet, dessen Stände genannt. In weiterer Bedeutung bezeichnet es auch den Ort, wo ein hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, so wie es in Gerichtsstand figürlich dasjenige Gericht bedeutet, vor welchem jemand zu Recht stehen muß, oder dessen Gerichtbarkeit er unterworfen ist. 4. Dasjenige was stehet. (1) Im weitesten Verstande, doch nur in den Zusammensetzungen Rückstand, Gegenstand, Beystand, Vorstand u. s. f. (2) In einigen besondern Fällen. (a) Der Viehstand, als ein Collectivum, eine Anzahl zu einem Grundstücke gehörigen Viehes, wofür auch Viehstamm üblich ist. Einen ansehnlichen Viehstand haben. Besonders, wenn es als ein Inventarium zu dem Grundstücke gehöret. Der Schaf- Rind- Schwein- und Federviehstand. (b) In dem Staatsrechte, ist ein Stand, eine Person, welche in den Versammlungen der Häupter eines Landes Sitz und Stimme hat; eine vermuthlich noch aus den ältesten Zeiten herrührende Bedeutung, wo die Berathschlagungen in dergleichen Versammlungen stehend gehalten wurden. Ein Landstand, eine Person, welche auf den Landtagen Sitz und Stimme hat, und auch nur ein Stand schlechthin genannt wird. Auch eine ganze Gemeinheit, z. B. eine Stadt, wenn sie den Landtagen durch Abgeordnete beywohnet, heißt alsdann ein Stand oder Landstand. Der Stand eines Reichs oder Reichsstand, eine Person oder Gemeinheit, welche auf den Reichstagen Sitz und Stimme hat, und gleichfalls nur schlechthin ein Stand genannt wird. In dem Deutschen Reiche sind Stände oder Reichsstände, im eigentlichsten Verstande unmittelbare Reichsglieder, welche Sitz und Stimme auf den Reichstagen hergebracht haben, dagegen in weiterm Verstande auch solche unmittelbare Reichsglieder diesen Nahmen führen, welche nicht mit Sitz und Stimme versehen sind. Der Nahme ist in diesem Verstande in dem Deutschen Staatsrechte nicht alt, sondern erst unter dem Kaiser Fridrich IV. üblich geworden, da man anfänglich nur die niedern unmittelbaren Reichsglieder mit diesem Nahmen belegte, daher denn auch noch jetzt der Ausdruck vorkommt: Churfürsten, Fürsten und Stände des H. R. Reichs. Der katholische Reichstheil behauptete einmahl, daß unter dem Nahmen der Stände bloß weltliche unmittelbare Reichsglieder verstanden würden, welches denn heftige Streitigkeiten veranlaßte. 5. Derjenige Theil, worauf man stehet, in welchem Verstande doch nur die Füße der Auerhahnen und Reiher bey den Jägern Stände, bey andern aber Ständer genannt werden. Siehe das letzte. 6. Eine kurze Musik, welche man vor einem Haufe oder Fenster stehend bringet, ist im Diminutivo unter dem Nahmen des Ständchens bekannt; im Oberd. Ständerlein. Jemanden ein Ständchen bringen.

Anm. Im Engl. Stand, Stond, im Schwed. Stand, im Pohln. Stan; alle von stehen und dessen Imperf. ich stand. Es kommt in den meisten Bedeutungen mit dem Latein. Status überein. S. Stehen.


Standarte (W3) [Adelung]


Die Standarte, plur. die -n, ein nur im Kriegswesen übliches Wort, wo die bey der Reiterey üblichen kleinen Fahnen noch Standorten genannt werden. Daher der Standartenschuh, die Scheide, den untern Theil der Standarte im Tragen darein zu stecken, bey den Fahnen der Fahnenschuh; Standartenjunker, ein Unter-Officier, welcher die Standarte auf dem Marsche führet; bey dem Fußvolke der Fahnjunker. Figürlich ist bey den Jägern der Schwanz des Wolfes und des Fuchses unter dem Nahmen der Standarte bekannt.

Anm. Im Niedersächsischen und andern gemeinen Sprecharten Standare, Schwed. Standar, im Angels. Standard, im Franz. Etendard. Es ist allem Ansehen nach, so wie mehrere zum Krie- geswesen gehörige Wörter aus dem Ital. Standardo, Stendardo, im mittlern Latein. Standardum entlehnet; welches unter andern auch die Stellung des Tones beweiset, der nicht, wie bey andern Deutschen Wörtern auf der Stammsylbe, sondern auf der ohnehin ausländischen Ableitungssylbe ruhet, ob es gleich von dem Deutschen Stand, oder stehen abzustammen, und eigentlich eine stehende Fahne, welche in die Erde gesteckt wurde, zu bezeichnen scheinet, wenn es nicht vielmehr von extendere gebildet worden, eine lange hohe Fahne zu bezeichnen. In den gemeinen Sprecharten nennt man eine lange hagere Person figürlich eine lange Standarte. Das Ital. Standardo bezeichnet unter andern auch die große Commando-Flagge auf einer Galeeren-Flotte.


Standbaum (W3) [Adelung]


Der Standbaum, des -es, plur. die -bäume, ein Baum, oder starke Stange, welche in den Pferdeställen der Länge nach zwischen die Pferde befestiget wird, die Stände damit abzutheilen. S. Stand 3.


Standbild (W3) [Adelung]


Das Standbild, des -es, plur. die -er, ein stehendes ausgehauenes Bild; ein Wort, welches das Lat. Statua bestimmter ausdruckt, als das gewöhnlichere Bildsäule.


Standblock (W3) [Adelung]


Der Standblock, des -es, plur. die -blöcke, auf den Schiffen, große viereckte senkrecht stehende Blöcke oder Bäume, welche an dem Fuße der Masten auf der Kielschwinne stehen, und bis an das Verdeck reichen. Es sind ihrer allemahl zwey, welche von den Masten, an welchen sie sich befinden, genannt werden, und auch Knechte heißen; der große Standblock oder Knecht, an dem großen Maste, und der Fockeknecht oder Standblock, an dem Fockemast. Beyde haben oben starke Rollen, vermittelst derselben die Segel aufzuziehen, oder einen Mast aufzurichten.


Stande (W3) [Adelung]


Die Stande, plur. die -en, Diminut. das Ständchen, ein hölzernes Gefäß aus Böttcherarbeit, welches gemeiniglich drey hohe aus verlängerten Dauben bestehende Füße hat, und unten etwas weiter ist, als oben. Die Badestande, Sahnstande, Wasserstande, Spülstande u. s. f. In einigen Gegenden der Ständer. Vermuthlich auch von stehen, ein auf seinen Füßen stehendes Gefäß, oder ein Gefäß, worin man etwas stehen hat, zu bezeichnen. Siehe das folgende.


Ständer (W3) [Adelung]


Der Ständer, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Ständerchen, Oberd. Ständerlein, ein stehendes Ding, oder in manchen Fällen auch ein Ding, worin man etwas stehen hat, in welcher Bedeutung es in verschiedenen Fällen vorkommt. (1) Das fest angeschlagene Ende eines laufenden Tauwerkes heißt in dem Schiffswesen der Ständer. (2) Ein Gefäß, (Siehe das vorige.) So haben die Kramer Baumöhlständer, welche von Zinn oder Blech sind, worin sie das Baumöhl zum Verkaufe stehen haben. Bey den Papiermachern ist es ein Faß mit kaltem Alaunwasser, worin das Papier alaunet wird. (3) Ein auf einem Grundstücke stehendes Capital, wenn es auf demselben beständig haften und verzinset werden muß, wie in manchen Gegenden ein Ständer genannt, so wie in andern, (4) die in den Bienenhäusern stehenden Bienenstöcke Ständer oder Ständerstöcke heißen, zum Unterschiede von den Lagerstöcken. (5) Ein kleiner Fischteich, in welchem man die Fische zum täglichen Gebrauche stehen hat, heißt gleichfalls ein Ständer, an andern Orten ein Hälter. (6) Ein aufrecht stehendes Stück Bauholz ist in vielen Fällen unter dem Nahmen des Ständers bekannt. In Niederdeutschland führet ein jedes Stück gerade stehendes Bauholz in einem Gebäude diesen Nahmen, welches in Obersachsen ein Säule heißet. Besonders auch in Obersachsen eine hölzerne Säule zur Vermachung der Gärten oder Obstgeländer. Ingleichen die aufrecht stehende Rinne an einem Teiche, vermittelst welcher derselbe abgelassen werden kann. In allen diesen Bedeutungen gleichfalls von stehen.


Ständerstock (W3) [Adelung]


Der Ständerstock, des -es, plur. die -stöcke. Siehe Ständer 4.


Standgebühr (W3) [Adelung]


Die Standgebühr, plur. inus. oder die Standgebühren, sing. inus. ( S. Standgeld.) Standesgebühr hingegen, von Stand 2 (2) was jedem nach seinem Stande an Vorzug gebühret, sind zwey Wörter.


Standesherr (W3) [Adelung]


Der Standesherr, des -en, plur. die -en, ein nur in einigen Provinzen, z. B. Schlesien und der Lausitz übliches Wort, einen Freyherren, Dynasten zu bezeichnen, welcher außer seinen eigenen Gütern noch Sub-Vasallen hat. Daher die Standesherrschaft, die Herrschaft, das Gebieth eines solchen Standesherren, worauf diese Würde haftet. Entweder von Stand 4, so fern eine solche Herrschaft und deren Besitzer das Recht haben, ein Landstand ihrer Provinz zu seyn, oder auch von Stand, so fern es ehedem in engerer Bedeutung den Stand des höhern Adels bezeichnet haben mag. S. Standesperson.


Standesmäßig (W3) [Adelung]


Standesmäßig, adj. et adv. von Stand 2, seinem Stande seinem Verhältnisse und Range in der bürgerlichen Gesellschaft gemäß. Beelzebub verschwand standsmäßig mit Gestank, Haged.


Standesperson (W3) [Adelung]


Die Standesperson, plur. die -en, eine Person von Stande, d. i. von hohem vornehmen Stande. In engster und eigentlichster Bedeutung gehören dahin nur Personen von dem höhern Adel, in weiterer aber auch solche, welche ihnen an Würde nahe kommen. Im weitesten Verstande pflegt man, obgleich aus einem Mißbrauche, oft jede über dem Bürgerstande erhabene Person mit diesem Nahmen zu belegen.


Standeswapen (W3) [Adelung]


Das Standeswapen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wapen, welches jemand vermöge seines Standes, d. i. seiner Verhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft führet; zum Unterschiede von einem Geschlechtswapen, Heirathswapen, Gnadenwapen und so ferner.


Standgeld (W3) [Adelung]


Das Standgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, dasjenige Geld, welches jemand von seinem Stande oder für denselben auf dem Markte oder den öffentlichen Gassen zur Markt- oder Jahrmarktszeit bezahlet; die Standgebühr, in einigen Städten das Bohlengeld, Stättegeld, im mittlern Lat. Estantagium.


Standhaft (W3) [Adelung]


Standhaft, -er, -este, adj. et adv. 1. Dauerhaft, geschickt, lange zu stehen und zu dauern, besonders von Gebäuden; doch nur in einigen besonders Oberdeutschen Gegenden. Ein standhafter, dauerhafter Bau. 2. Im Bergbaue brechen die Erze standhaft, wenn sie sich in einer beträchtlichen Weite erstrecken, und nicht bloß in kurzen Nestern oder Nieren vorkommen. Am üblichsten ist es 3. im figürlichen Verstande, gegen alle Reitzungen zum Gegentheil, besonders gegen alle Vorstellungen des Scheinguten und Scheinbösen anhaltenden Widerstand leistend, die Fertigkeit dieses Widerstandes besitzend, und darin gegründet. Ein standhafter Mann. In seiner Entschließung standhaft seyn. Standhaft in den Schmerzen, wenn man sich durch die Schmerzen nicht aus seiner Gemüthsfassung bringen lässet. Der unschuldig Leidende, der allen seinen widrigen Schicksalen eine standhafte Geduld entgegen setzt, Dusch. Im Nieders. standfast. Beständig bezeichnet vermöge des Zeitwortes bestehen, eigentlich die Zeitdauer, standhaft aber zunächst den Widerstand gegen die Hindernisse. Geschiehet dieser Widerstand gegen rechtmäßige Hindernisse, oder gegen Vorstellungen des wahren Guten oder wahren Bösen, so heißt es hartnäckig, halsstarrig, und in manchen Fällen widerspenstig.


Standhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Standhaftigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es standhaft ist, besonders in der letzten figürlichen Bedeutung, die Fertigkeit, gegen alle Hindernisse, gegen alle Reitzungen zum Gegentheil, und besonders gegen alle Vorstellungen des Scheinguten und Scheinbösen anhaltenden Widerstand zu leisten. Mit der Standhaftigkeit, mit welcher du unerschrocken dem Tode entgegen sahest, Dusch. Bey dem Willeram Statekheit. S. das vorige.


Ständig (W3) [Adelung]


Ständig, adj. et adv. stehend, was stehet, ein für sich allein nur in einigen Fällen übliches Wort. Ständige Spanndienste, beständige, welche das ganze Jahr zu bestimmten Zeiten fortdauern, gemessene. Ständige Gefälle, beständige, im Gegensatze der unständigen, d. i. zufälligen oder veränderlichen. Im Niedersächsischen gebraucht man es auch für geständig. Einem etwas ständig seyn, geständig. Am gangbarsten ist es in den Zusammensetzungen beständig, anständig, geständig, inständig, rückständig, verständig und so ferner.


Ständisch (W3) [Adelung]


Ständisch, adj. et adv. welches nur von Stand, ein Land- oder Reichsstand üblich ist, den Land- oder Reichsständen gehörig, ihnen zukommend. Die ständischen Gerechtsamen, besser, die Gerechtsamen der Stände.


Standlinie (W3) [Adelung]


Die Standlinie, plur. die -n, die Linie, wo man stehet, eine gewisse Fläche zu übersehen. So ist es im Feldwesen diejenige Linie, aus deren beyden Enden man eine Figur in den Grund legt; Linea stationis. S. Standpunct.


Standort (W3) [Adelung]


Der Standort, des -es, plur. die -orte, und örter, ( S. Ort) der Ort, wo man stehet, besonders in Rücksicht auf ein aus demselben vollbrachtes Geschäft, oder auch in Rücksicht auf das Verhältniß gegen andere Dinge.


Standpunct (W3) [Adelung]


Der Standpunct, des -es, plur. die -e, derjenige Punct, in welchem man stehet, aus welchem man einen Gegenstand betrachtet, oder das Verhältniß eines andern Dinges bestimmet. In der Mathematik ist es der Punct, aus welchem man eine Entfernung misset.


Standquartier (W3) [Adelung]


Das Standquartier, des -es, plur. die -e, von Stand, Ort des Aufenthaltes, ein nur in dem Kriegswesen übliches Wort, ein Ort, wo ein Kriegesheer, ein Regiment, oder ein Theil desselben, auf einige Zeit im Quartier stehet, auf einige Zeit seinen Aufenthalt hat; Statiua.


Standrecht (W3) [Adelung]


Das Standrecht, des -es, plur. car. gleichfalls nur im Kriegeswesen, dasjenige gerichtliche Verfahren, da man einen in groben Verbrechen begriffenen Soldaten nach kurzer Untersuchung sogleich auf der Stelle verurtheilet; Iudicium statarium, ohne Zweifel, weil dieses Recht oder Gericht anfänglich stehend gehalten wurde. Standrecht über jemanden halten. In das Standrecht gehen.


Standrede (W3) [Adelung]


Die Standrede, plur. die -n, eine kurze Rede, welche stehend gehalten und stehend angehöret wird; am häufigsten in engerer Bedeutung, von einer solchen Rede, welche nach Einsenkung einer Leiche bey dem Grabe gehalten wird, wodurch sie sich von einer Parentation unterscheidet.


Standriß (W3) [Adelung]


Der Standriß, des -es, plur. die -e, ein Riß, welcher einen Körper, und besonders ein Gebäude stehend abbildet, oder so wie es sich von außen darstellet, wenn man vor demselben stehet; der Anriß, zum Unterschiede von einem Grundrisse, Durchschnitte u. s. f.


Standthier (W3) [Adelung]


Das Standthier, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein Wild, welches seinen gewöhnlichen Stand an einem Orte und in einer Gegend hat, und sich nicht weit verwechselt.


Stange (W3) [Adelung]


Die Stange, plur. die -n, Diminut. Stänglein, im gemeinen Leben der Hochdeutschen Stängelchen. 1. Im eigentlichsten Verstande, ein jeder in die Länge ausgedehnter Körper ohne beträchtliche Breite und Dicke, in welchem weitesten Verstande es doch nur in einigen einzelnen Fällen üblich ist, wo dergleichen Körper mit keinem andern eigenen Nahmen versehen sind, der ihre Bestimmung näher ausdruckt. So werden die beyden langen Theile eines Hirschgeweihes, welche unten die Rose, oben die Krone, und dazwischen die Enden tragen, die Stangen genannt. Ein Hirsch hat gemeiniglich zwey, selten drey oder vier solcher Stangen. An einem Pferdegebisse sind die Stangen zwey auf besondere Art gekrümmte Stücke Eisen, welche mit dem einen Ende an dem Hauptgestelle, mit dem andern aber an dem Zügel befestiget sind, und das Mundstück, das Kettchen und die Kinnkette zwischen sich haben. ( S. Stangenzaum.) Bey den Handwerkern und Künstlern führen viele entweder gerade oder gekrümmte Körper, auch wenn sie noch so klein sind, den Nahmen der Stangen oder Stänglein. Von der Art ist die Stange in einem Büchsenschlosse, welche mit einer Schraube auf dem Schloßbleche befestiget ist, einen stark hervorragenden Zapfen hat, und die Mittel- und Hinterrast träget. ( S. Stangenfeder.) An den Scheren heißt der lange gerade Theil zwischen dem Ringe und dem Schilde die Stange, und so in vielen andern Fällen mehr. 2. Im engsten und gewöhnlichsten Verstande, ist die Stange ein solcher Körper von beträchtlicher aber doch unbestimmter Länge, ein langer glatter Körper ohne beträchtliche Breite und Dicke, der größer und stärker ist, als ein Stock oder Stecken, aber doch kleiner und schwächer als ein Baum. Die Stange an einem Spieße, welche doch lieber der Schaft genannt wird. Die Hopfenstange, Bohnenstange, Segelstange u. s. f. Eine Stange etwas daran zu tragen. Eisen in Stangen, Stangeneisen. Gold, Silber in Stangen. Jemanden die Stange halten, figürlich, ihm beystehen, Hülfe leisten, ihn vertheidigen; eine noch von den alten Kampf- und Ritterspiele übrig gebliebene Redensart, da der Grießwärtel (Kreiswärter) die Grießstange unterschießen mußte, wenn die Kämpfer zu hitzig wurden, oder auch über den, der zu Boden gefallen war, die Stange hielt, um ihn dadurch vor aller weitern Beleidigung zu schützen. Bey der Stange halten oder bleiben, standhaft ausharren, nicht fliehen, jemanden nicht verlassen; eine vermuthlich auch daher entlehnte Redensart. Ehedem sagte man auch, der Stange begehren, d. i. Hülfe begehren. Im Forstwesen werden junge gerade aufgeschossene Bäume Stangen genannt. Auch schwache Bäume, welche vier Zoll im Durchmesser dick und 15 bis 20 Ellen lang sind, führen im Holzhandel den Nahmen der Stangen. Zuweilen werden auch sehr starke und lange Körper, welche sonst gewöhnlicher Bäume heißen, Stangen genannt; von welcher Art z. B. die Vogelstange ist, dagegen oft auch eigentlich Stangen den Nahmen der Bäume führen, z. B. der Hebebaum. Auf den Schiffen ist die Stänge oder Stenge der obere verlängerte Theil des Mastbaumes. Figürlich heißt bey den Jägern der Schwanz des Fuchses und des Wolfes so wohl die Stange als die Standarte. Anm. Schon bey dem Ottfried und Willeram Stanga, im Nieders. Stange, im Angels. Stynga, im Ital. Stanga, im Schwed. Stang, im Wallisischen Ystang. Die beträchtliche Ausdehnung in die Länge ist vermuthlich der Stammbegriff, so daß dieses Wort ein naher Verwandter von dem Niederdeutschen Staken ist, welches sich nur durch den Mangel des Nasenlautes unterscheidet. ( S. Stock, Stecken, Staken.) Im Niedersächsischen hat man noch die Wörter Schecht, Prange, Rick, Wiem u. s. f. welche alle eine Stange, obgleich gemeiniglich in besondern Fällen bezeichnen.


Stänge (W3) [Adelung]


Die Stänge, im Schiffbaue, S. Stenge.


Stängel (W3) [Adelung]


Der Stängel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Stänglein, im gemeinen Leben der Hochdeutschen Stängelchen, ein mit Stange von einem und eben demselben Stamme gebildetes Wort, nur daß es einen kleinern in die Länge ausgedehnten Körper bezeichnet, als dieses. Am üblichsten ist es im engern Verstande von demjenigen in die Länge ausgedehnten Theile der eigentlichen Pflanzen, welcher sich über der Erde befindet, die übrigen Theile der Pflanze träget, und bey den Bäumen der Stamm genannt wird. Der Stängel einer Tulpe, einer Lilie u. s. f. Von den Grasarten ist dieses Wort zwar auch üblich, besonders in Niederdeutschland, doch nennt man im Hochdeutschen hier den Stängel lieber Halm, so wie bey einigen andern Gewächsen die Nahmen Schaft, Strunk und Stiel üblicher sind, ( S. diese Wörter.) Im Niederdeutschen ist es gewöhnlich, auch diejenigen Theile, wodurch die Blumen, Blätter und Früchte an dem Stängel oder Stamme befestiget sind Stängel zu nennen; allein im Hochdeutschen ist diese Bedeutung ungewöhnlich, indem man hier durchgängig das Wort Stiel gebraucht. Der Stiel einer Pflaume, einer Kirsche, eines Apfels u. s. f. und nicht der Stängel. Daher auch der ganze Unterschied, welchen Herr Stosch zwischen beyden Wörtern in dieser Rücksicht macht, wenigstens für die Hochdeutschen unbrauchbar ist.

Anm. Im Schwedischen gleichfalls Stängel. Gemeiniglich hält man diese Wort für ein Diminutivum von Stange, in welchem Falle es denn überaus alt seyn müßte, weil es das den Verkleinerungswörtern so eigenthümliche ungewisse Geschlecht verloren und dafür das männliche angenommen hat. Man sieht es daher richtiger als ein mit Stange von einem und eben demselben nunmehr veralteten Zeitworte stangen, sich in die Länge ausdehnen, extendi, abstammendes Wort an, welches vermittelst der Ableitungssylbe el, ein Subject, Ding, davon gebildet worden.


Stängelbohne (W3) [Adelung]


Die Stängelbohne, plur. die -n, Schminkbohnen oder Phaseolen, welche gestängelt werden, an Stangen hinauf ranken, Steigbohnen; zum Unterschiede von den Kriech- oder Zwergbohnen.


Stängelerbsen (W3) [Adelung]


Die Stängelerbsen, sing. inus. im Gartenbaue, Erbsen, welche gestängelt werden, welche man an Stangen oder Stäben ranken lässet; im Oberd. Stabelerbsen.


Stängeln (W3) [Adelung]


Stängeln, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, Stängel bekommen, in der Landwirthschaft einiger Gegenden. Das Korn stängelt, wenn es einen Stängel oder Halm treibet. 2) Als ein Activum, wo es ein Factitivum von Stange ist, mit Stangen oder Stänglein versehen. Den Hopfen, die Bohnen, die Erbsen stängeln; im Oberd. stäbeln, stiefeln. So auch das Stängeln.


Stangeneisen (W3) [Adelung]


Das Stangeneisen, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Zu starken und langen viereckten Stangen geschmiedetes Eisen; wo der Plural allenfalls nur von mehrern Arten gebraucht wird. 2. Im Bergbaue, dasjenige Eisen an dem Kreuze der Künste, an welchem die Kunststangen befestiget sind. 3. Bey den Jägern ist das Stangeneisen ein Fangeisen für die Wölfe, Füchse und Luchse, welches aus zwey Stangen mit Zähnen und einer Feder bestehet, und einem Tellerreifen gleichet.


Stangenfeder (W3) [Adelung]


Die Stangenfeder, plur. die -n, in den Gewehrschlössern, eine Feder, welche auf der Stange liegt, und diese in der Rast der Nuß fest hält.


Stangengraupe (W3) [Adelung]


Die Stangengraupe, plur. die -n, in den Hessischen Bergwerken zu Frankenberg, eine Art in den dasigen Schiefern brechenden Fahlerzes, welches ein mit Erdharz, weißem Kiese und Kupfer-Lasurerz durchdrungenes Holz seyn soll.


Stangenhammer (W3) [Adelung]


Der Stangenhammer, des -s, plur. die -hämmer, bey den Windenmachern, ein schief abgehauener Hammer, die Zähne an der Stange der Winde damit auszuhauen.


Stangenholz (W3) [Adelung]


Das Stangenholz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, oder von mehrern mit solchem Holze bewachsenen Gegenden, die -hölzer, im Forstwesen, zu Stangen erwachsene junge Bäume, ingleichen ein mit solchen jungen Bäumen bewachsener Schlag.


Stangenkuchen (W3) [Adelung]


Der Stangenkuchen, des -s, plur. ut nom. sing. in Meißen eine Art Zuckergebackenes, welches an einer runden Stange gebacken wird; Baumkuchen.


Stangenkugel (W3) [Adelung]


Die Stangenkugel, plur. die -n, in der Geschützkunst, ganze oder halbe Kugeln, welche durch Stangen mit einander verbunden sind, und besonders in dem Seekriege gebraucht werden, die Wände, das Tauwerk und die Segel zu zerreißen.


Stangenkunst (W3) [Adelung]


Die Stangenkunst, plur. die -künste, im Bergbaue, eine Wasserkunst, welche das Wasser vermittelst mehrerer Stangen und Sätze aus einer großen Tiefe hebt.


Stangenlaterne (W3) [Adelung]


Die Stangenlaterne, plur. die -n, eine große Laterne, welche auf einer Stange in der Höhe vorgetragen wird; Niedersächs. Stocklüchte.


Stangenleinwand (W3) [Adelung]


Die Stangenleinwand, plur. car. eine besondere Art gemodelter Leinwand mit überschlagenen Fäden, welche nicht so dicht ist, als der Zwillich, und zu Tischzeug, Handquehlen und andern Geräthe gebraucht wird.


Stangenmaß (W3) [Adelung]


Das Stangenmaß, des -es, plur. die -e, bey den Windenmachern, ein mit einem Einschnitte versehenes Blech, die Stärke der Stange in der Winde bey dem Schmieden derselben damit zu messen.


Stangenquarz (W3) [Adelung]


Der Stangenquarz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in der Mineralogie, Quarz, welcher in Gestalt der Stangen auf einer Druse befindlich ist.


Stangenpferd (W3) [Adelung]


Das Stangenpferd, des -es, plur. die -e, diejenigen Pferde, welche gleich vor dem Wagen an die Stange oder Deichsel gespannet werden, die Deichselpferde; zum Unterschiede von den Riemenpferden.


Stangenrecht (W3) [Adelung]


Das Stangenrecht, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, zum Beyspiel im Hennebergischen, das Recht, d. i. dem Schuldner abgepfändeten Dinge öffentlich an die Meistbiethenden zu verkaufen, im Oberd. das Gantrecht; vermuthlich als eine buchstäbliche Übersetzung des Latein. Jus Subhastationis, von der alten Art, etwas bey einem aufgesteckten Spieße zu verauctioniren.


Stangenrege (W3) [Adelung]


Die Stangenrege, plur. die -n, bey den Vogelstellern, ein Rege, an welcher der Lockvogel vermittelst zweyer langen Stangen auf und niedergezogen wird; die hohe Rege.


Stangensalpeter (W3) [Adelung]


Der Stangensalpeter, des -s, plur. inus. Salpeter, welcher aus großen Krystallen in Gestalt der Stangen bestehet.


Stangenstahl (W3) [Adelung]


Der Stangenstahl, des -es, plur. inus. Stahl in viereckten Stangen, wie Stangeneisen.


Stangenzaum (W3) [Adelung]


Der Stangenzaum, des -es, plur. die -zäume, eine Art Pferdezäume mit zwey zu beyden Seiten des Mundstückes befestigten Stangen, woran die Zügel befindlich sind, S. Stangen.


Stangenzehente (W3) [Adelung]


Der Stangenzehente, des -n, plur. die -n. Siehe Stabzehente.


Stangenzirkel (W3) [Adelung]


Der Stangenzirkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Zirkel in Gestalt einer Stange, eine Stange mit zwey senkrechten Spitzen an beyden Enden, wovon die eine beweglich ist, große Zirkel damit zu beschreiben.


Stank (W3) [Adelung]


Der Stank, des -es, plur. car. ein im Hochdeutschen größten Theils veralteter Ausdruck. Er bedeutet, 1. Überhaupt einen jeden Geruch, die Ausflüsse aus den Körpern, so fern sie durch die Nase empfunden werden, ohne zu bestimmen, ob sie eine ange- nehme oder widerwärtige Empfindung verursachen; eine völlig veraltete Bedeutung. Stanck libes ze libe, ein Geruch des Lebens zum Leben, Notker. Der Stank dines mundes ist samo der suozon Ephelo, Willer. 2. In engerer Bedeutung. (1) * Ein angenehmer Geruch, ein Wohlgeruch; eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Der stank dinero Salbon der ist aber alle stank unurze, Willer. Suossen Stang tuoe dir min gebet, Notk. (2) Ein übler widerwärtiger Geruch; in welchem Verstande es noch im gemeinen Leben für das üblichere Gestank vorkommt. Es wird Stank für guten Geruch seyn, Es. 3, 24. Stank der Leichnamen, Kap. 34, 3.

Anm. Im Angels. Stenc, im Schwed. Stank. Es ist von stinken, S. dasselbe.


Stänker (W3) [Adelung]


Der Stänker, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine stinkende Person oder Sache. So wird ein stinkender oder einen Gestank machender Mensch ein Stänker genannt. In einigen Gegenden, z. B. in Meißen ist der Theer oder das Wagenschmier unter dem Nahmen des Stänkers bekannt, so wie der Iltiß gleichfalls wegen seines Gestankes hin und wieder diesen Nahmen führet. 2. Eine Person, welche aus Vorwitz alles durchsucht oder durchstänkert, im verächtlichen Verstande. (Siehe Stänkern.) 3. Eine Person, welche gern unnütze Streitigkeiten anfängt, ein Zänker; ingleichen, welche durch Verhetzung Uneinigkeiten unter andern stiftet. S. Stänkern.


Stänkerey (W3) [Adelung]


Die Stänkerey, plur. die -en. 1. Ein erregter Gestank; ohne Plural. Eine Stänkerey anrichten. 2. Die vorwitzige Durchsuchung fremder Sachen; ohne Plural. 3. Ein Zank, unnützer Streit, besonders ein unter andern ohne Noth verursachtes Gezänk. S. das folgende.


Stänkern (W3) [Adelung]


Stänkern, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. 1. Als ein Iterativum oder Intensivum des Activi stinken, so fern es ehedem auch riechen, den Geruch zu empfinden suchen, bedeutete, ist stänkern eigentlich, den Geruch mit mehrmahliger und heftiger Einziehung in die Nase zu empfinden, und dadurch zu entdecken suchen, wofür im gemeinen Leben auch schnobbern üblich ist. Man gebraucht es nur figürlich für, aus Vorwitz durchsuchen. Im Hause herum stänkern. Ein Buch durchstänkern, durchsuchen. Etwas aufstänkern, aufsuchen. In Meißen lautet es in dieser Bedeutung, und vielleicht richtiger stankern. 2. Als das Factitivum von stinken, einen Gestank verursachen. So auch in den Zusammensetzungen einstänkern, durchstänkern. 3. Einen Zank, Streit, Händel anfangen, ingleichen andere zu unnöthigen Händeln reitzen; alles nur in den gemeinen Sprecharten. So auch das Stänkern.

Anm. Im Nieders. gleichfalls stänkern. Die erste Bedeutung läßt sich füglich von Stank, stinken, ableiten; es kann aber in derselben auch vermittelst des n euphonici, welches die Gaumenlaute so gerne begleitet, von dem Nieders. staken, aufsuchen, stöchern, stören, abstammen, wovon man daselbst auch stakern, stochern oder stöchern hat. Wenigstens stammet die dritte Bedeutung am wahrscheinlichsten von diesem Worte ab; denn im Nieders. ist Quadstaker und Stakebrand, ein Mensch, der durch Verhetzung, Zank, Streit und Händel stiftet, und upstakern, aufhetzen, verhetzen. Im Schwed. ist stinka, cum impetu ferri.


Stanniol (W3) [Adelung]


Der Stanniol, S. Stagnol.


Stanze (W3) [Adelung]


Die Stanze, plur. die -n, bey den Gürtlern, dicke kurze messingene oder stählerne Platten mit einer Vertiefung in der Mitte, in welcher diejenige Figur gegraben ist, welche ein Stück Arbeit, so darin getrieben oder geschlagen wird, bekommen soll. Etwas mit Stanzen oder in der Stanze treiben, im Gegensatze des Treibens aus freyer Hand. Daher der Stanzenstämpel, ein zu jeder Stanze gehöriger Stämpel, welcher an dem einen Ende etwas rund ist, das Blech damit in der Stanze zu treiben; der Stanzenhammer, ein schwerer Hammer, womit dabey auf den Stämpel geschlagen wird; der Stanzenbunzen, Bunzen mit allerley erhaben geschnittenen Figuren auf ihrer Spitze, die Stanzen damit auszuzieren. Anm. Bey den Goldschmieden heißt dieses Werkzeug die Stampfe. Es scheinet, daß auch Stanze von eben der Bedeutung ist, da es denn vermittelst des Zischlautes von dem alten Oberdeutschen tunsen, tinsen, deinsen, schlagen, stämpfen, tundere, abstammen könnte; wenn nicht vielmehr die kurze abgestumpfte Gestalt der Stammbegriff ist. Im Nieders. ist Stunzel, ein kurzer, dicker Mensch, und im Schwed. stunt, abgestutzt.


Stapel (W3) [Adelung]


Der Stapel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, welches vorzüglich in der Niederdeutschen Mundart einheimisch, und aus derselben auch in die Hochdeutsche aufgenommen worden ist, in der Oberdeutschen aber Staffel lautet. Es kommt in einer doppelten Hauptbedeutung vor. I. Ein Pfahl, eine Stütze, eine nur in einigen Fällen und Gegenden gangbare Bedeutung. So werden in den Salzwerken die in die Erde gegrabenen Pfähle, worauf die Sogbäume geleget werden, welche die Pfannen tragen, Stabeln, Stapeln, oder richtiger Stapel genannt, an deren Statt man sich auch wohl gemauerter Pfeiler bedienet. Auch wenn man die Pfannen reiniget, werden sie niedergelegt, und an einer Seite ein Stapel, d. i. eine Stütze, untergesetzt. Der Heckpfahl, oder derjenige Pfahl, woran das Heck oder die niedrige Gatterthür in den Zäunen u. s. f. befestiget ist, heißt in Niedersachsen häufig der Heckstapel. Im Angels. ist Stapul gleichfalls ein Pfahl. Es ist in dieser Bedeutung mit dem Latein. Stipes, den Deutschen Stab, Stubbe, Stoppel, Steif, u. s. f. genau verwandt. 2. Ein Haufe mehrerer Dinge. (1) Eigentlich, in welchem Verstande es vorzüglich in Niederdeutschland gangbar ist; Nieders. Stapel, Engl. Staple, Schwed. Stapel, und schon im Salischen Gesetze Staplus. Ein Stapel Holz, ein Holzstapel, ein Haufe ordentlich auf einander gelegten Holzes. Ein Stapel Thaler, in Niedersachsen, ein Haufe auf einander gesetzter Thaler. Auf einen Stapel legen, auf einen Haufen, eben daselbst. Ein Stapel Volks, ein Haufe Volks. Im Hochdeutschen höret man es in dieser Bedeutung selten, außer etwa im gemeinen Leben. So setzten die Gärber ihre Häute in Stapel, wenn sie selbige in Haufen legen. (2) In engerer und zum Theil figürlicher Bedeutung. (a) Eine Unterlage, ein Gestell, Gerüst, worauf etwas ruhet; vorzüglich auch im Niederdeutschen. Es können zu dieser Bedeutung auch die oben aus den Salzwerken angeführten Arten des Gebrauches gerechnet werden. Besonders ist es im Schiffbaue die Grundlage oder das Gerüst, worauf der Kiel oder der Boden eines Schiffes, so lange daran gebauet wird, ruhet. Daher die R. A. ein Schiff auf den Stapel setzen, anfangen daran zu bauen, den Grund dazu legen. Es vom Stapel lassen, es in das Wasser lassen, welches geschiehet, wenn der ganze Bau gezimmert und bis auf die dritte Planke verkleidet ist. In weiterer Bedeutung wird auch wohl der ganze Platz, wo Schiffe gebauet werden, der Stapel genannt. Im Schwedischen heißt auch ein hölzerner Glockenthurm, ein Stapel. (b) Ein Ort, wo man etwas auf eine Zeit lang in Haufen niederlegt. Daher war Holzstapel im Niederdeutschen ehedem so viel als ein Holzfall. Figürlich wurde ehedem in den nördlichen Gegenden Deutschlandes eine Messe, ein Jahrmarkt häufig ein Stapel genannt, weil die Waaren alsdann in Menge an einem solchen Orte niedergelegt werden; Schwed. Stape. Daher die Stapelstadt ehedem eine jede mit einem Jahrmarkte versehene Stadt war. In engerer noch jetzt gangbarer Bedeutung ist der Stapel, ohne Plural, die gesetzliche Niederlage gewisser Waaren an einen Ort, und das Recht, welches gewisse Handelsstädte haben, nach welchem alle durchgehende Waaren daselbst auf eine gewisse Zeit zum Verkaufe niedergeleget werden müssen, das Stapelrecht; daher auch ein mit diesem Rechte versehener Ort in engerm Verstande ein Stapelplatz oder eine Stapelstadt genannt wird. Die Oberdeutschen haben das Wort in dieser Bedeutung auch, sprechen es aber alsdann Staffel aus. Engl. Staple, Ital. Stapola, Franz. Etape, im mittlern Lat. Estapula. (c) Auf der Insel Rügen führet das zu Bergen befindliche Landgericht den Nahmen des Stapels; vielleicht von Stapel, ein Jahrmarkt, weil es etwa ursprünglich nur an den feyerlichen Jahrmärkten gehalten worden. Anm. Die Bedeutung eines Pfahles, einer Stütze und eines Haufens sind in ihrem Ursprunge nahe mit einander verwandt; ( S. Stab, Staffel, Stufe, Stift u. s. f.) Im Lat. ist stipare, aufhäufen und Stipes, ein Pfahl, im Böhm. aber stawiti, stellen. In der Bedeutung einer gesetzlichen Niederlage der Waaren leiten es Frisch und Ihre von dem Lat. Stabulum, ein Stall, Bude, Magazin, her; allein man bleibt mit Wachtern füglicher bey der Bedeutung eines Haufens stehen. Das Nieders. Stapel, eine Heuschrecke, gehöret zu stapfen, schreiten, springen.


Stapelbar (W3) [Adelung]


Stapelbar, adj. et adv. dem Stapelrechte unterworfen. Stapelbare Waare, welche, bey ihrem Durchgange durch einen Stapelplatz und dessen Bezirk, auf eine gewisse Zeit zum Verkaufe niederlegt werden müssen; Stapelgüter, Stapelwaaren. Im Oberd. staffelbar.


Stapelgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Stapelgerechtigkeit, plur. inus. im Oberd. Staffelgerechtigkeit, S. Stapelrecht.


Stapelgut (W3) [Adelung]


Das Stapelgut, des -es, plur. die -güter, im Oberd. Staffelgut, S. Stapelbar.


Stapeln (W3) [Adelung]


Stapeln, verb. reg. welches im Niederdeutschen am üblichsten ist, wo es in doppelter Gestalt gebraucht wird. 1. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, mit langen hoch aufgehobenen Beinen langsam daher schreiten. Sehr ernsthaft einher stapeln. Gestapelt kommen. Es gehöret hier zunächst zu Stapfe, und stapfen, ist aber doch mit dem folgenden nahe verwandt. 2. Als ein Activum und zunächst von Stapel, ein Haufe, ordentlich in Haufen legen, auf einander legen; Schwed. stapla, Holz auf einander stapeln. Es wegstapeln, es an einen andern Ort auf einander schichten, damit es wegkomme. Aufstapeln, aufhäufen. So auch das Stapeln.


Stapelplatz (W3) [Adelung]


Der Stapelplatz, des -es, plur. die -plätze. 1. Von Stapel, Jahrmarkt, Messe, ein jeder Handelsplatz oder Hafen, in welchem Handlung getrieben wird; in welchem Verstande es besonders in den nördlichen Gegenden Deutschlandes und Europens üblich ist. Besonders werden in Schweden die vier und zwanzig Städte, welche das Recht haben, mit ihren eigenen Schiffen zu Ein- und Ausführung der Waaren nach ausländischen Orten zu fahren, Stapelplätze oder Stapelstädte genannt. Da Stapel im Oberdeutschen Staffel lautet, welches mit dem verwandten Staffel, Stufe, leicht verwechselt werden können, so ist es sehr wahrscheinlich, daß die Franz. Echelle, ein Handelsplatz in der Levante, und Escale, ein Handelsplatz in Afrika, ungeschickte Übersetzungen des Deutschen Stapels sind, von welchen Wörtern die Französischen Wortforscher so viele ungereimte Ableitungen träumen. Auch im Italiänischen wird Stapel, Handlung, Niederlage häufig durch Scala übersetzt. 2. In engerer und auch im Hochdeutschen bekannter Bedeutung, ist der Stapelplatz, wenn es eine Stadt ist, die Stapelstadt, ein Ort, welcher mit dem Stapelrechte in engerer Bedeutung versehen ist; im Oberd. Staffelplatz, Staffelstadt.


Stapelrecht (W3) [Adelung]


Das Stapelrecht, des -es, plur. inus. 1. * Das Recht, Jahrmärkte zu haben, und Handlung zu treiben, von ganzen Orten; eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung. 2. In engerm Verstande, das Recht, welches ein Ort hat, daß alle oder doch gewisse durch denselben, oder den ihm angewiesenen Bezirk gehende Waaren eine Zeit lang daselbst zum Verkaufe niederlegt werden müssen; die Stapelgerechtigkeit, die Niederlage, das Niederlagsrecht, im Oberd. das Staffelrecht, in Cöln das Vent-Recht, von dem Lat. venum, feil, oder vendere, verkaufen.


Stapelstadt (W3) [Adelung]


Die Stapelstadt, plur. die -städte, S. Stapelplatz.


Stapelwaare (W3) [Adelung]


Die Stapelwaare, plur. die -n. 1. S. Stapelbar. 2. Die vornehmste Waare eines Ortes oder Landes. Wollene Zeuge sind Englands Stapelwaare.


Stapfen (W3) [Adelung]


* Stapfen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, im Gehen fest auftreten, und in weiterm Verstande, gehen, steigen, springen u. s. f. ein im Hochdeutschen veraltetes, ehedem aber sehr gangbares Wort. ( S. Fußstapfen,) welches noch davon übrig ist. Es ist eine Onomatopöie des dumpfigen Lautes, welcher mit dem festen Auftreten im Gehen und andern ähnlichen Bewegungen verbunden ist, und muß als ein Verwandter von Staffel, Stampfen, Tupfen, Tappen, Stumpf, Stufe angesehen werden.


Star (W3) [Adelung]


Der Star, S. Staar und Stahr.


Star (W3) [Adelung]


Der Star, der Schafbock, S. Stähr.


Star,Stär (W3) [Adelung]


Das Star, oder Stär, des -es, plur. die -e, und mit einem Zahlworte, ut nom. sing. ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliches Wort, wo es wohl ein Maß als auch ein Gewicht bezeichnet. 1. Als ein Maß erkläret Frischlin es durch 1 1/2 Simmer. 2. Als ein Gewicht ist es besonders in den Tirolischen Bergwerken üblich, wo es mit unserm Zentner überein kommt, gemeiniglich Star lautet, und 108 bis 110 Pfund hält.

Anm. Auch im Ital. Stara, ein Getreidemaß, welches Frisch mit dem Deutschen Worte als eine Zusammenziehung des Latein. Sextarius, ansiehet, wovon in einigen Oberdeutschen Gegenden auch Sester üblich ist.


Stark (W3) [Adelung]


Stark, stärker, stärkste, adj. et adv. ein Wort, welches überhaupt dem schwach entgegen gesetzet ist, und eigentlich den Begriff der festen Verbindung seiner Theile und der daraus erfolgenden Härte, Unbiegsamkeit und Unbeweglickeit hat. 1. * Eigentlich, wo es ehedem für hart und das nahe verwandte starr gebraucht wurde, im Gegensatze des weich oder schwach in der ersten veralteten Bedeutung. Stark so fo stein, Ottfried, so hart wie ein Stein. Im Schwed. ist stark, starr unbeweglich. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - starr, und das Lat. durus, hart, dem nur der Zischlaut mangelt, sind nahe damit verwandt. 2. Figürlich, wo es von verschiedenen Eigenschaften der Dinge üblich ist, welche die Härte und Unbiegsamkeit gemeiniglich zu begleiten pflegen. (1) Von der körperlichen Größe; einen beträchtlichen Umfang der Masse, und zwar nach allen Richtungen, besonders aber der Dicke, habend, wo es oft ein anständiger Ausdruck für dick ist, ohne doch den folgenden Begriff der damit verbundenen Kraft auszuschließen. Stark von Glieder seyn. Dick und stark werden. Ein großer starker Mann. Alle Tage stärker werden, corpulenter, an Masse zunehmen, besonders in der Dicke. Ein starker Baum, im Gegensatze eines schwachen. Ein starkes Reis. Ein starker Strom. (2) In Ansehung der Zahl oder Menge der Theile, aus vielen Theilen oder einzelnen Individuis bestehend. Ein starkes Kriegesheer, oder zahlreiches. Die Armee ist hundert tausend Mann stark. Es war eine starke Gesellschaft da, die Gesellschaft war sehr stark. Ein starkes Gefolge haben. Sich einen starken Anhang machen. Eine starke Familie haben. Wie stark ist die Familie? Aus wie viel Personen be- stehet sie? Starke Ausgaben haben, viele. (3) In Ansehung der Zeit und des Raumes. Eine starke Meile, eine starke Stunde. (4) In Ansehung der Kraft, viele Kraft, d. i. viel Vermögen habend, Widerstand zu überwinden; so wohl von der körperlichen Stärke, körperlichen Widerstand zu überwinden. Ein starker Mann. Stark seyn, stark werden. Das Recht des Stärkern, das ewige, allgemeine und unumschränkte Recht der Natur. Eine starke Natur haben. Ein starker Magen. Starke Speisen, welche schwer zu verdauen ist. Ein starkes Seil, eine starke Leinwand, ein starkes Tuch. Eine starke Brücke, eine starke Festung, ein starker Thurm. Das Schiff ist sehr stark gebauet. Eine starke Mauer, ein starkes Gebäude. Als auch von andern Arten des Widerstandes. Ein starker Gott. Ein starker Verstand, welcher ungeachtet aller Hindernisse tief in den Zusammenhang der Dinge eindringet. Ein starkes Gedächtniß haben. Ein starker Geist, eigentlich, welcher allen Reitzen zum Gegentheil, und in engerm Verstande, welcher allen Vorurtheilen Widerstand leistet. Ein starker Beweis, welcher alle Gegengründe entkräftet. Stark in einer Kunst oder Wissenschaft seyn, viel Fertigkeit oder Einsicht in derselben besitzen. Ingleichen in einigen engern Bedeutungen. So nennet man gewisse Arten von Getränken, welche schnell und sehr merklich auf die Nerven wirken, starke Getränke. Ein starkes Bier, ein starker Wein, ein starker Essig. So wie eine jede Arzeney stark heißet, wenn sie mit mehr Kraft, als der Widerstand besitzt, wirket. Starke Ausdrücke, welche sehr merklich auf das Gemüth wirken. Ein starkes Gemählde, welches lebhafte Empfindungen hervor bringet. (5) Da es denn oft eine Intension ausdruckt, einen hohen Grad der innern Kraft zu bezeichnen; für heftig. Ein starker Rauch, ein starker Geruch, ein starker Wind, ein starker Regen. Der Hunger ward stark, 2 Kön. 25, 3. Stark schallen, stark schreyen, stark rufen. Eine starke Stimme, ein starker Donner. Ein starker Schlag. Starke Leidenschaften. Ein starkes Fieber. Es sind starke Anzeigen davon vorhanden. Ein starker Schlaf, ein starkes Feuer, ein starker Brand, eine starke Kälte. Ein starker Glaube, eine starke Hoffnung. Durch das Gesträuch reißt sich das Roß mit starkem Ungestüm, Weiße. Stark laufen, sieden, ziehen, fechten, weinen, anklopfen, zweifeln u. s. f. Man redet stark davon. Sich etwas stark einbilden. Stark an etwas denken. Nimm es dir nicht so stark zu Herzen, so sehr. In den gemeinen Sprecharten ist es hier in vielen Fällen gebräuchlich, wo die edle und anständige Sprechart es nicht kennet. Überhaupt kommt es hier, so wie bey den meisten ähnlichen intensiven Wörtern auf den Gebrauch an, ob er dieses oder ein anderes in jedem einzelnen Falle hergebracht hat. (6) * Im engsten Verstande ist stark, doch nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, so viel als ranzig, von Fett und fetten Dingen. Starke Butter, ranzige. Der Speck ist stark. Ohne Zweifel von der starken widerwärtigen Empfindung, die diese Eigenschaft verursacht.

Anm. Schon bey dem Kero starch, bey dem Ottfried stark, im Schwed. stark. Es ist mit starr, sterilis - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, dem Slavon. star, groß, und andern ähnlichen nahe verwandt.


Starke,Stärke (W3) [Adelung]


Die Starke, oder Stärke, plur. die -n, ein vornehmlich in Niederdeutschland übliches Wort, eine junge gemeiniglich zweyjährige Kuh zu bezeichnen, welche noch nicht getragen hat, oder zum ersten Mahle trägt, in Meißen die Färse und Mosche, im Hannöv. Quene, in andern Gegenden die Schelbe, Kalbe, bey dem Alberus Stollin.

Anm. Im Nieders. Sterke, im Holländ. Stierick. Frisch lässet es von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sterilis, abstammen, weil eine Starke gemeiniglich noch nicht getragen hat. Allein es scheinet vielmehr das Fämininum von Stier zu seyn; zumahl da man einen jungen Ochsen häufig einen Stier zu nennen pflegt, ( S. dieses Wort.) Kalb bezeichnet das kindische Stier und Stärke das jugendliche, Kuh und Ochs aber das männliche Alter dieser Thiere.


Stärke (W3) [Adelung]


Die Stärke, plur. inus. das Abstractum von dem Bey- und Nebenworte stark, welches der Schwäche entgegen stehet. 1. Als ein eigentliches Abstractum, die Eigenschaft eines Dinges, da es stark ist, wo es in allen Bedeutungen dieses Wortes, außer der veralteten eigentlichen gebraucht wird. (1) Von dem körperlichen Umfange, besonders als ein anständiger Ausdruck für Dicke, ohne doch den Begriff eines beträchtlichen Grades der Kraft auszuschließen. Die Stärke der Glieder, des Leibes. Der Baum hält 20 Zoll in der Stärke. (2) Von der Zahl und Menge. Die Stärke eines Kriegesheeres, eines Haufens, einer Familie u. s. f. (3) Von der Zeit und dem Raume; obgleich seltener. Die Stärke der Stunde, einer Meile. (4) Am häufigsten von einem beträchtlichen Grade der Kraft, oder einem beträchtlichen Grade des Vermögens, Widerstand zu überwinden, wiederum in allen den Fällen, in welchen das Beywort gangbar ist. Leibesstärke, Riesenstärke. An Stärke zunehmen. Eine große Stärke in den Armen haben. Die Stärke der Seele, des Gedächtnisses, des Verstandes, der Beurtheilungskraft u. s. f. Laß diesen Verlust deine Stärke nicht beugen, die Stärke deiner Seele. Die Gelassenheit ziehet ihre Stärke aus dem Bewußtseyn höherer Güter, als die sind, die wir entbehren, Gell. Ingleichen, die Stärke einer Festung, einer Mauer, eines Zeuges, des Weines u. s. f. Da es denn (5) eben so oft auch als eine bloße Intension, einen hohen Grad der innern Kraft eines Dinges ausdruckt. Die Stärke der Leidenschaft, des Schmerzens, des Verlustes u. s. f. 2. Der Ort, wo ein Ding seine vorzügliche Stärke hat, auch im Gegensatze der Schwäche. So wird bey vielen Künstlern und Handwerkern der dickste und stärkste Theil eines Dinges dessen Stärke genannt. An den Degen- und Rappierklingen heißt in der Fechtkunst der Theil von dem Stichblatte bis zur Mitte der Klinge, die Stärke, weil die Klinge hier mit der größten Kraft wirket, welcher Theil denn wieder in die ganze und halbe Stärke getheilet wird. Auch in der Ringekunst hat man so wohl am Kopfe, als an den Armen, und dem Leibe die ganze und halbe Stärke. 3. Was stark, d. i. steif macht, doch nur in einigen Fällen. So ist die Stärke, oder weiße Stärke das von seinen alkalischen Theilen geschiedene und getrocknete Weitzen- oder Dinkelmehl, weil man die Wäsche damit zu stärken, d. i. steif zu machen pflegt; Engl. Starch, Schwed. Stärkelse, Nieders. Stievels, Holländ. Styfsel. Im gemeinen Leben pflegt man auch die klar geriebene blaue Smalte blaue Stärke (Nieders. Blauels) zu nennen, weil die Wäscherinnen sie unter die weiße Stärke zu mengen pflegen, der gestreiften Wäsche dadurch ein bläuliches Ansehen zu geben.

Anm. Als ein Abstractum schon bey dem Notker Starchi, im Schwabenspiegel Sterke für Tapferkeit, im Schwed. Styrka, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Stärken (W3) [Adelung]


Stärken, verb. reg. act. stark, oder stärker machen. 1. In der eigentlichen Bedeutung dieses Wortes, wo es noch in einigen Fällen für steif machen oder steifen gebraucht wird. So stärken die Weber den Aufzug, wenn sie ihn mit einer Art Kleisters Steife und Stärke ertheilen, wofür doch in vielen Gegenden schlichten üblicher ist. Die Wäscherinnen stärken die Wäsche, wenn sie selbige mit Stärke steif machen. 2. In den figürlichen Bedeutungen des Wortes stark. (1) * In den beyden ersten der Dicke und der Zahl und Menge nach stärker machen; in welchen es aber ver- altet ist, indem verstärken üblicher geworden. (2) Am häufigsten ist es in der vierten, mehr Stärke, oder einen beträchtlichen Grad der Kraft verleihen. Stärkende Arzeneyen, bey den Ärzten, welche die schwachen Fiebern des Körpers stärker machen. Von vielen Dingen, z. B. dem Weine, den Gewürzen u. s. f. sagt man, sie stärken den Körper, wenn sie nur die Nerven anspannen oder reitzen. Ihr Umgang hat mich in der Tugend gestärket. In engerer Bedeutung ist stärken, Trost, ingleichen Munterkeit, Thätigkeit verleihen. Einen Bekümmerten durch seinen Zuspruch stärken. Jemanden im Guten stärken. So auch die Stärkung, nicht allein von der Handlung des Stärkens, doch nur im figürlichen Verstande, weil von der Wäsche das Stärken üblich ist; sondern auch von stärkenden Dingen, gleichfalls nur in der letzten figürlichen Bedeutung.

Anm. Bey dem Kero kestarachen, bey dem Notker sterchen. Ehedem gebrauchte man es auch für bestätigen. Viel anders in der Schrift der Juden aufgemerket, Wird durch Bezeugungen der Heiden auch gestärket, Opitz. Welche Bedeutung aber im Hochdeutschen veraltet ist. Vor Alters hatte man zu diesem Activo auch das Neutrum starken, stark werden, wovon das Intensivum erstarken noch im Oberdeutschen gangbar ist.


Starkgeisterey (W3) [Adelung]


Die Starkgeisterey, plur. inus. ein von einigen aus dem Ausdrucke starker Geist gebildetes Wort, diejenige Fertigkeit zu bezeichnen, da man die Lehren der geoffenbarten Religion als Vorurtheile zu bestreiten und zu verwerfen sucht.


Stärkkleister (W3) [Adelung]


Der Stärkkleister, des -s, plur. inus. ein aus Stärke bereiteter Kleister, zum Unterschiede von dem Mehlkleister.


Stärkkraut (W3) [Adelung]


Das Stärkkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme verschiedener Kräuter, von welchen man ehedem glaubte, daß sie fest machen oder Stärke verleihen könnten. 1. Des Orantes oder Dorantes, Antirrhinum Orontium Linn. ( S. Orant.) 2. Einer Pflanze, welche in Languedok und auf der Insel Creta einheimisch ist; Catananche Linn. wo aber auch die Benennung einen andern Grund haben kann.


Stärkmacher (W3) [Adelung]


Der Stärkmacher, des -s, plur. ut nom. sing. ein unzünftiger Handwerker, welcher Stärke macht, oder vielmehr den vegetabilischen Theil des Mehles von dem alkalischen scheidet, da denn der erste den Nahmen der Stärke bekommt. S. Stärke 3.


Stärkmehl (W3) [Adelung]


Das Stärkmehl, des -es, plur. inus. das aus der Stärke bereitete Mehl, d. i. der eigentliche vegetabilische Theil des Weitzens und anderer Getreidearten, in Gestalt eines Mehles; Kraftmehl, im Oberd. Ammelmehl. S. Stärke 3.


Stärkung (W3) [Adelung]


Die Stärkung, plur. die -en, S. Stärken.


Stärkwäsche (W3) [Adelung]


Die Stärkwäsche, plur. car. in der Haushaltung die kleine und feine Wäsche, d. i. leinenes Geräth, welche nach dem Waschen gestärket oder mit Stärke steif gemacht zu werden pflegt.


Stärkwasser (W3) [Adelung]


Das Stärkwasser, des -s, plur. inus. Wasser, in welchem Stärke oder Stärkmehl aufgelöset worden. Bey den Stärkmachern ist es die noch mit Wasser vermischte Stärke, welche in dem Tretfasse aus dem eingeweichten Weitzenschrote getreten wird.


Starost (W3) [Adelung]


Der Starost, des -en, plur. die -en, Fämin. die Starostinn, ein eigentlich Slavonisches Wort, welches besonders in Pohlen üblich ist, einen vornehmen Beamten zu bezeichnen, welcher ein königliches Schloß mit dem dazu gehörigen oft ansehnlichen Gebiethe verwaltet, die Gerechtigkeit in demselben handhabet u. s. f. und ungefähr das ist, was ehedem die Grafen in Deutschland waren. Daher die Starostey, die Würde eines Starosten, noch mehr aber das Gebieth, über welches sich dessen Aufsicht und Herrschaft erstrecket. Die erste Hälfte dieses ausländischen Wortes ist das alte Slavonische Star, alt, ohne Zweifel, weil diese Würde ehedem nur alten verdienten Personen aufgetragen wurde, da es denn auch hierin mit Graf überein kommen würde, wenn dieses, wie viele glauben, von grau, alt, bejahet, abstammen sollte.


Starr (W3) [Adelung]


Starr, -er, -este, adj. et adv. in einem hohen Grade steif und unbiegsam, besonders von Dingen, welche weich und biegsam seyn sollen. 1. Eigentlich. Die Glieder werden vor Kälte starr. Einen starren Arm haben. Starr da stehen. Starr werden. Die Kälte hält den Teig zusammen und macht ihn starr, sehr steif. Starre Leinwand, steife. 2. Figürlich. (1) Jemanden starr ansehen, mit offenen unverwandten Augen; Nieders. stier, stekel. Ein starrer Blick. Ich hieng starr an deinen Blicken, Dusch. Dem starren Aug entfiel der Wehmuth sanfte Zähre, Weiße. (2) Ein starrer Sinn, eine unbiegsame Gemüthsfassung, da man allen Gründen hartnäckig widerstehet. Siehe Starrkopf und Halsstarrig. Anm. In Hamburg sturr, im Schwed. stark und starr, im Wallisischen ohne Zischlaut terrig. Es ist mit störrig nahe verwandt, und wie aus dem verdoppelten r erhellet, ein Intensivum von einem veralteten star, von welchem auch stark abstammet. Ehedem war im Oberdeutschen für starr auch rag üblich, welches augenscheinlich zu dem Geschlechte des Lat. rigidus gehöret.


Starrblind (W3) [Adelung]


Starrblind, adj. et adv. völlig, ganz blind, im gemeinen Leben auch stockblind. Starrblind seyn, völlig blind. Bey dem Hans Sachs staren blindt, im Niederdeutschen starblind, Angels. staerblind, Engl. und Dän. starblind. Man leitet die erste Sylbe gemeiniglich von Staar, Fell auf dem Auge, her, und will es daher auch mit den Niederdeutschen starblind oder staarblind geschrieben haben. Allein, da im Hochdeutschen das r unläugbar doppelt lautet, das a aber kurz ist, so scheinet es von starren abzustammen, und eigentlich die starre Beschaffenheit eines völlig blinden Auges zu bezeichnen.


Starre (W3) [Adelung]


Die Starre, plur. car. die fehlerhafte Eigenschaft eines Dinges, da es starr ist, ein nur in Halsstarre übliches Wort. S. dasselbe.


Starren (W3) [Adelung]


Starren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, starr seyn oder werden. 1. Eigentlich. Die Finger starren mir vor Kälte, wofür doch erstarren üblicher ist. Die Adern starren wie ein Ast, Hiob. 40, 12. Kleider, welche von Golde starren. Vor Hochmuth starren. Kann ich meinem Herze gebiethen, daß es nicht mehr schlägt, und meinem Blute, daß es starrt? Weiße. Ihm stockt sein Blut, ihm starrt das Haar, Wiel. Das schon gezuckte Schwert Starrt in des Würgers Hand, eben ders. 2. Figürlich, mit starren, unverwandten Augen ansehen. Auf etwas starren, es anstarren; im Nieders. stieren, starogen. So auch das Starren.

Anm. Im Nieders. staren, im Angels. starian, im Isländ. stara, im Engl. stare, von welchen allen unser starren und das Schwed. stirra das Intensivum ist. In dem gemeinen Sprecharten hat man von diesem ein neues Intensivum starzen, im hohen Grade starren, welches aber der anständigern Sprechart unbekannt ist.


Starrig (W3) [Adelung]


Starrig, -er, -ste, adj. et adv. ein im Oberdeutschen für starr übliches Wort. Ein starriger Hals, starriger Sinn. Die Hochdeutschen kennen es nur in dem zusammen gesetzten halsstarrig.


Starrkopf (W3) [Adelung]


Der Starrkopf, des -es, plur. die -köpfe, eine starre, halsstarrige, unbiegsame Gemüthsart, ohne Plural; der Starrsinn. Einen Starrkopf haben. Ingleichen, eine mit einer solchen Gemüthsart begabte Person. Ein Starrkopf seyn. Im Nieders. Sturrkopf, Stiefkopp, Stiefnacke.


Starrköpfig (W3) [Adelung]


Starrköpfig, -er, -ste, adj. et adv. einen Starrkopf, hohen Grad des Eigensinnes, der Unbiegsamkeit des Gemüthes habend; starrsinnig, starrköpfig seyn. Im Nieders. sturrkopped, stiefkopped, stiefnacked, Schwed. styfnackot.


Starrleinwand (W3) [Adelung]


Die Starrleinwand, plur. car. ein einigen Gegenden für starre Leinwand oder steife Leinwand.


Starrsinn,Starrsinnig (W3) [Adelung]


Der Starrsinn und Starrsinnig, S. Starrkopf und Starrköpfig.


Starrsucht (W3) [Adelung]


Die Starrsucht, plur. car. bey den Ärzten, eine Art der Lähmung eines oder mehrerer Glieder, da selbige starr und unbiegsam werden und bleiben; catalepsis.


Stät (W3) [Adelung]


Stät, -er, -ste, adj. et adv. ein mit Staat, Statt u. s. f. von stehen abstammendes Wort, welches nur noch in einigen figürlichen Bedeutungen üblich ist. 1. Fest, unbeweglich, im Gegensatze des unstät. Stäte Augen. Die Augen stät auf etwas richten. Eine stäte Zuversicht, 2 Maccab. 15, 7. 2. * Langsam, ingleichen still, ruhig, eine im Hochdeutschen unbekannte, aber in der Österreichischen Mundart gangbare Bedeutung, im Gegensatze des unstät. 3. Beständig, anhaltend, ununterbrochen fortdauernd. Stäte Arbeit. Ein stäter Fleiß. Ein stäter Regen. Komm, zeige mir nach langer Nacht Des stäten Tages helle Pracht, Gryph. Ingleichen unverrückt in seinen Gesinnungen beharrend, beständig. Ein stätes Herz, Opitz; ein beständiges.

Anm. Bey dem Notker stat für stabilis, bey dem Winsbeck stet. Man hatte ehedem davon auch das Hauptwort die Stäte, Beständigkeit, Standhaftigkeit, welches noch bey den Schwäbischen Dichtern vorkommt. Übrigens wird stät im Hochdeutschen selten gehört, außer etwa in der dritten Bedeutung. Es stammet von stehen ab, und wird von vielen auch stet geschrieben; dagegen stät nicht nur Beyspiele des Alterthums, sondern auch die Verwandtschaft mit Statt, Stätte u. s. f. für sich hat. S. das folgende, ingleichen Stets.


Stätig (W3) [Adelung]


Stätig, -er, -ste, ein vermittelst der Ableitungssylbe -ig von dem vorigen gebildetes Wort, welches mit demselben die meisten Bedeutungen gemein hat. 1. Ein Pferd ist stätig, wenn es stehen will, da es gehen sollte, wenn man es nicht von der Stelle bringen kann. Ein stätiges Pferd. In den gemeinen Sprecharten stätisch, Nieders. stedisk, Holländ. stedig. 2. * Fest, unbeweglich, bey dem Ottfried stetig; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. 3. Ununterbrochen fortdauernd; so wohl (1) dem Raume nach, wo doch nur in der Philosophie ein stätiges Ding, continuum, ein auf solche Art zusammengesetztes Ding ist, daß dessen Theile in unverrückter Ordnung auf einander folgen, ohne daß man andere in einer andern Ordnung zwischen ihnen sehen könne, z. B. die Fläche eines polierten Glases. Ein solches Glas hat einen stätigen Glanz. (2) Der Zeit nach, wie stät. Ein stätiges Gebeth, stätiges Wohlergehen, ein stätiger Regen. Ein stätiges Triefen, Sprichw. 19, 13. Wofür doch im Hochdeutschen beständig üblicher ist.

Anm. Schon bey dem Kero ist statig, stabilis, im Nieders. stedig, im Angels. staedig, im Engl. steaty, im Schwed. stadig, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Stätigkeit (W3) [Adelung]


Die Stätigkeit, plur. car. die Eigenschaft eines Dinges, da es stätig ist, in allen Bedeutungen des vorigen Wortes. Bey dem Kero mit einer andern Ableitungssylbe Statigii, bey dem Willeram, der es für Standhaftigkeit gebraucht, Stadekeit, im Nieders. Stedigkeit, wo es aber auch die zu einem Geschäfte nothwendige Zeit bedeutet, die Muße, eigentlich wohl Ruhe.


Statik (W3) [Adelung]


Die Statik, plur. car. ein aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - enthaltenes Kunstwort, diejenige mathematische Wissenschaft zu bezeichnen, welche von dem Gleichgewichte fester Körper handelt, mit deren Bewegung sich die Mechanik beschäftigt.


Station (W3) [Adelung]


Die Station, plur. die -en, aus dem Latein. Statio. 1. Im Postwesen, ein Ort, wo die Pferde gewöhnlich gewechselt werden; der Postwechsel. 2. Eine ansehnliche Bedienung, beträchtliche Stelle; am häufigsten im gemeinen und gesellschaftlichen Leben. Eine einträgliche Station bekommen. Von geringern Bedienungen und Ämtern ist es nicht gebräuchlich.


Statist (W3) [Adelung]


Der Statist, des -en, plur. die -en, aus dem mittlern Lat. Statista, und dieß von Status, Staat, derjenige, welcher des Staatsrechts, der Staatswissenschaft, kundig ist.


Statistik (W3) [Adelung]


Die Statistik, plur. die -en, aus dem neuern Lat. Statistica. 1. Die Wissenschaft von der natürlichen und politischen Verfassung eines Staates; ohne Plural. Daher statistisch, darin gegründet; der Statistiker, der sie verstehet. 2. Ein Buch, worin diese Wissenschaft gelehret wird.


Stativ (W3) [Adelung]


Das Stativ, des -es, plur. die -e, aus dem Lat. Stativa, ein Gestell, worauf man etwas stellet; ein vornehmlich in der Mathematik übliches Wort, wo besonders die Gestelle, worauf die zum Feldmeßen dienlichen Werkzeuge gestellet werden, diesen Nahmen führen.


Statt (W3) [Adelung]


Die Statt, plur. der doch nicht gebraucht wird, die Stätte, ein mit Stätte und Stelle gleich bedeutendes Wort, einen Ort, eine Stelle zu bezeichnen. Nirgends eine bleibende Statt haben, im Oberdeutschen. So auch in den Zusammensetzungen, die Bettstatt, Wohnstatt, Lagerstatt, Gerichtsstatt, Wahlstatt, Werkstatt u. s. f. welche doch im Hochdeutschen mit Stätte am üblichsten sind, außer etwa in Hofstatt, Wahlstatt, und vielleicht noch einigen andern. Im Hochdeutschen, wo dieses Wort seinem ganzen Umfange nach unter die veralteten gehöret, gebraucht man es nur noch in einigen adverbischen Redensarten ohne Artikel und gemeiniglich im figürlichen Verstande. 1. Ohne Artikel. Statt haben, bewilliget, zugegen, eingeräumt werden können. Das hat hier keine Statt, kann hier nicht eingeräumet, zugelassen, verstattet werden. Statt finden, in eben dieser Bedeutung, außer welcher es aber auch noch bedeutet, vorhanden oder möglich seyn. Die Demuth kann nicht ohne Gefühl der Liebe des Schöpfers, Statt finden, Gell. Theils mit dem Zeitworte lassen, etwas Statt finden lassen, es bewilligen. Lassen sie meine Bitte, meine Ermahnungen, u. s. f. Statt finden. Ein gut Wort findet eine gute Statt, gütliche Vorstellungen sind selten ohne Wirkung. So auch, jemandes Bitten, jemandes Ermahnungen, Vorstellungen Statt geben, sie mit Einfluß auf den Willen anhören. Jemandes Statt vertreten, im Oberd. dessen Stelle. Ehedem sagte man auch, der Zusage Statt thun, sie erfüllen. Ingleichen sehr häufig mit dem Vorworte an: an meiner Statt, an Kindes Statt, und mit Auslassung des Vorwortes, Statt meiner, u. s. f. 2. Mit dem alten Articulo postpositivo, in der dritten Endung und mit dem Vorwörtern von und zu, in den Redensarten, von Statten gehen, und zu Statten kommen. Von Statten gehen, gefördert werden, einen guten Fortgang haben. Die Arbeit geht ihm gut von Statten, er arbeitet geschickt und hurtig. Das will mir nicht von Statten gehen, nicht gelingen. Zu Statten kommen, zu einer Absicht nützlich, beförderlich seyn. Das Geld wird mir heute gut zu Statten kommen. Das kam mir zu dieser Absicht vortrefflich zu Statten. Dann wird ihnen ihre Gelehrsamkeit recht gut zu Statten kommen. In Aichingers Sprachlehre heißt es, von Statten und zu Statten, hätten keine Analogie, und sollten also billig als Ein Wort geschrieben werden: allein die Analogie ist unläugbar. Nicht vom Flecke kommen, das gehet ihnen zu Gute, und tausend andere Ausdrücke sind eben so adverbisch. Der Unterschied bestehet bloß darin, daß Statt außer solchen Redensarten im Hochdeutschen veraltet ist. Der Gegensatz zu Unstatten im Hochdeutschen ungewöhnlich. Er mag nit stets komen darvon Sonnder mües ein mall mißratten Unnd im khomen zu vnstatten, Theuerd. Kap. 85.

Anm. Schon im Isidor, Ottfried und andern die Stat, bey dem Ulphilas Stad, Stads, im Angels. Styd, Sted, im Engl. Stead, im Schwed. Stad. Es ist mit Stadt, vrbs, ursprünglich ein und eben dasselbe Wort, von welchem es erst in den spätern Zeiten durch die Bedeutung und Schreibart getrennt worden. Weil dieses Wort im Hochdeutschen nur in adverbischen Ausdrücken gebraucht wird, so wird es von vielen sehr unbillig mit einem kleinen st geschrieben, indem es durch diesen Gebrauch, welchen es mit so vielen andern Hauptwörtern gemein hat, nichts von seinen Gerechtsamen verlieret. ( S. auch Anstatt.) Statten ist hier nicht der Plural, der in der dritten Endung Stätten heißen müßte, sondern die Endsylbe ist der wahre Articulus postpositivus, welchen so viele andere Hauptwörter annehmen, wenn sie ohne Artikel gebraucht werden: von Handen kommen, abhanden, vorhanden seyn, von Hand, zu jemandes Gunsten sprechen, im Oberdeutschen; besonders die auf ein e: auf Erden zu Gnaden kommen, und viele andere mehr, obgleich alle Sprachlehrer von diesem angehängten Artikel schweigen.


Stätte (W3) [Adelung]


Die Stätte, plur. die -n, das vorige Wort, nur mit dem e Fäminino am Ende, der Ort, wo etwas stehet, oder gestanden hat, die Stelle. Gott schloß die Stätte zu mit Fleisch, 1 Mos. 2, 21. Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten, Joh. 14, 2. 3. Wir haben hier keine bleibende Stätte, Ebr. 13, 14. Es ist in der edlern und höhern Schreibart am üblichsten, dagegen in der vertraulichern und gemeinen Stelle gangbar ist; außer in den Zusammensetzungen Bettstätte, Brandstätte, Wohnstätte, Gerichtsstätte, Schlafstätte, Werkstätte, Wohnstätte, wovon doch einige auch häufig mit -stelle gemacht werden.

Anm. Schon im Isidor Stedi, bey dem Ottfried, bey welchem es auch eine Stadt bedeutet, Steti, im Nieders. Stede, im Angels. Steda, Stede. Das Niedersächsische ist daselbst nicht nur für Stelle sehr gangbar, gehe nicht von der Stätte, auf der Stätte, auf der Stelle; sondern es bedeutet auch eine Bedienung, Station, ingleichen, Gelegenheit, in welchem letztern Verstande auch Strycker State, für Gelegenheit gebraucht. Staat, Stadt, Stand, Statt, Stätte u. s. f. stammen insgesammt von stehen ab, so wie die Lat. Status, Statio u. s. f. von stare.


Stättegeld (W3) [Adelung]


Das Stättegeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, an einigen Orten, eine Abgabe, welche diejenigen, die etwas zu verkaufen haben, für ihre Stätte oder Stelle an die Obrigkeit entrichten; das Standgeld, Nieders. Stedegeld, welches aber auch den Grundzins bedeutet.


Statten (W3) [Adelung]


* Statten, verb. reg. act. stehen machen, stellen, ein für sich allein veraltetes Zeitwort, welches noch bey dem Notker vorkommt, der es für das nahe verwandte statuere, so wohl im eigentlichen als figürlichen Verstande gebraucht. Wir haben es noch in den Zusammensetzungen abstatten, bestatten, ausstatten, erstatten, gestatten u. s. f.


Statthaft (W3) [Adelung]


Statthaft, -er, -este, adj. et adv. 1. Was Statt haben, oder finden kann, d. i. eingeräumt, zugeben, bewilliget, ingleichen gestattet werden kann; im Gegensatze des unstatthaft. Diese Einrichtung ist nicht statthaft kann nicht angenommen werden. Ein statthafter Beweis. 2. Rechtsbeständig, gültig, auch im Gegensatze des unstatthaft. Ein statthaftes Verfahren. Nieders. stede.

Anm. In beyden Bedeutungen ist es in den Kanzelleyen am üblichsten. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist eine statthafte Person in mehr eigentlichem Verstande eine rathsfähige, welche zu einer Stelle im Rathe die nöthigen Eigenschaften hat.


Statthalter (W3) [Adelung]


Der Statthalter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Statthalterinn. 1. Überhaupt, eine jede Person, welche einer andern Statt oder Stelle vertritt; im mittlern Lat. Lociservator, Locumtenes, Franz. Lieutenant; im welcher weitern Bedeutung es doch nur noch in einigen Fällen gebraucht wird. Bey dem kaiserlichen Landgerichte in Schwaben heißt derjenige, der des Landrichters Stelle vertritt, dessen Statthalter. In Pommern wird ein Verwalter auf adelichen Gütern, der des Eigenthümers Stelle in der Aufsicht über die ökonomische Verwaltung vertritt, und der in Meißen ein Hofmeister heißt, Statthalter genannt; und so noch in einigen andern Fällen mehr. Am üblichsten ist es, 2. in engerer und vorzüglicher Bedeutung, derjenige, welcher des Landesherren oder der höchsten Obrigkeit Stelle in einem Lande oder in einer Provinz vertritt, und welchen man mit ausländischen Wörtern auch einen Vice König, wenn die höchste Landesobrigkeit ein König ist, noch häufiger aber einen Gouverneur zu nennen pflegt. Zum Statthalter ließ der König hinter ihm den Fürsten Andronicum, 2 Maccab. 4, 31. Im neuen Testamente gebraucht Luther dafür das noch Oberdeutsche Landpfleger. Der Statthalter in den vereinigten Niederländen bekleidet eine beynahe königliche Würde, und vertritt die Stelle der General-Staaten in einigen Stücken, besonders im Kriege.

Anm. Im Schwed. Stathallare. Es ist von Statt, Stelle, und wird daher von einigen irrig Stadthalter geschrieben. So fern ein Statthalter zum Zeichen seiner Würde zu manchen Fällen einen Stab träget, heißt derselbe in einigen Oberdeutschen Gegenden auch Stabhalter, ( S. dieses Wort.) Im Schwedischen, im Hollsteinischen, in Friesland u. s. f. ist für Statthalter auch Staller üblich, welches von vielen als eine Zusammenziehung des erstern angesehen wird. Siehe Staller.


Statthalterey (W3) [Adelung]


Die Statthalterey, plur. die -en. 1. Das einem Statthalter anvertraute Gebieth, doch nur in einigen Fällen. So sind die Länder des Bischofs zu Straßburg in vier Statthaltereyen abgetheilet. Von ganzen Provinzen ist dieses Wort nicht üblich. 2. Die Wohnung, der Pallast eines Statthalters.


Statthalterschaft (W3) [Adelung]


Die Statthalterschaft, plur. die -en, die Würde eines Statthalters; zuweilen auch das demselben anvertraute Gebieth.


Stattlich (W3) [Adelung]


Stattlich, -er, -ste, von ein von Staat, Pracht, Pomp, abstammendes Wort. 1. Prächtig, kostbar; Nieders. staatsk. Stattliche Kleider. Stattlich gekleidet seyn. Bindet mir einen rechten stattlichen Erntekranz, Weiße. Ein stattliches Freudenmahl, 3 Maccab. 6, 3. Ein stattliches Geschenk. Eine stattliche Hochzeit, ein stattliches Leichenbegängniß, ein stattlicher Pallast, ein stattlicher Titel. Jemanden stattlich bewirthen, beschenken u. s. f. 2. In noch weiterm Verstande wird es häufig für vortrefflich, im hohen Grade vorzüglich überhaupt gebraucht. Ein stattliches Amt, ein ansehnliches, einträgliches. Ein stattliches Versprechen. Ein stattlicher Prediger, Medicus, Musicus u. s. f. Ein stattlicher Mann, eine stattliche Frau, von vielen Verdiensten und Vorzügen. Eine stattliche Rede, eine stattliche Antwort. Ein stattlicher Wein. Einen stattlichen Grund in den Wissenschaften legen, im Oberdeutschen. Stattliche gelehrte Männer, eben daselbst. Stattliche aufgeweckte Gemuther, Opitz. Da es denn in noch weiterm Verstande im Oberdeutschen häufig für sehr, im hohen Grade gebraucht wird. Klagt stattlich, seufzt und schreyt, Opitz. Ich muß ja stattlich büßen, eben ders. 3. Einen guten Schein oder Anschein, scheinbar. Unter allerley stattlichen Vorwänden.

Anm. In der ersten Bedeutung im Engl. stately, im Schwed. statelig, im Böhm. statecny. Die Hochdeutschen kennen und gebrauchen dieses Wort auch in allen drey Bedeutungen; doch nicht so häufig als die Oberdeutschen, denen es überaus geläufig ist. Es ist ohne Zweifel von Staat, Pracht, Pomp, und viele gemeine Mundarten sprechen es auch sehr richtig staatlich aus, Nieders. staatsk. Indessen ist im Hoch- und Oberdeutschen die kurze Aussprache des a und die Verdoppelung des folgenden Mitlauters die gewöhnlichste, auf welche Art es denn auch am häufigsten geschrieben wird. Das Hauptwort die Stattlichkeit ist im Hochdeutschen selten, im Oberdeutschen aber gewöhnlicher.


Statüe (W3) [Adelung]


Die "Statüe", dreysylbig, plur. die -n, eine jede in erhabener Arbeit und abgesondert abgebildete menschliche oder thierische Figur; im eigentlichsten Verstande, so fern sie stehend vorgestellet wird, in weiterm aber auch in jeder andern Stellung; die Bildsäule, das Standbild, welches letztere doch nicht so gewöhnlich ist. Eine Statüe von Holz, "Marmor", Gyps, Metall u. s. f.

Es ist zunächst aus dem Franz. "Statue", dessen Aussprache auch im Hochdeutschen beybehalten wird. Im Oberdeutschen hingegen folgt man dem Lateinischen "Statua", und spricht und schreibt daselbst "Statua", "Statue", nach welchem Musiker auch Gellert sang: Ihr seht hier vor euren Augen stehn.


Statur (W3) [Adelung]


Die Statur, plur. die -en, aus dem Lat. Statura, die Leibesgröße, besonders in Ansehung der Länge, doch ohne das Verhältniß derselben gegen die Dicke auszuschließen. Ein Mensch von guter Statur, von gutem Wuchse. Eine lange Statur.


Statut (W3) [Adelung]


Das Statut, des -es, plur. die -en, aus dem Latein. Statutum, ein Gesetz, welches einer Stadt, oder einer bürgerlichen Gesellschaft gegeben, oder von derselben selbst gemacht worden. Die Statuten einer Stadt, die Stadtgesetze; ehedem die Willkühr, u. s. f. Die Statuten einer Innung, einer Zunft, eines Handwerkes.


Staub (W3) [Adelung]


Der Staub, des -es, plur. car. ein Collectivum, mehrere so sehr zerkleinte Theile eines trocknen Körpers zu bezeichnen, daß sie zwischen den Fingern unfühlbar sind, und sich leicht von der Luft und dem Winde erheben lassen. 1. Im weitesten Verstande. Moses machte das gegossene Kalb zu Staub, 5 Mos. 9, 21. wofür doch jetzt so wie in andern ähnlichen Fällen Pulver üblicher ist. Wenn Staub in diesem weitern Verstande allein stehet, so verstehet man darunter gemeiniglich die zarten unfühlbaren Theile, welche sich von allen Körpern abreiben, sich in der Luft erheben, und sich wieder auf andere Dinge legen. Voller Staub seyn. Den Staub abkehren, ausklopfen. Näher bestimmet man einen solchen zerkleinten Körper durch die Zusammensetzung: Kohlenstaub, Mehlstaub, Spreustaub, Mühlenstaub, Blumenstaub, Feilstaub, der diesen Nahmen doch nur uneigentlich führet u. s. f. 2. In engerer Bedeutung ist der Staub zu unfühlbaren Theilen zerkleinte Erde, oder Sand, welche sich leicht in der Luft erheben. Ein großer, dicker Staub. Es erhebet sich ein Staub. Der Wind erhebet den Staub. Staub machen, erregen, diese zarten Theile in die Luft treiben. Ich erwartete nicht, daß sie den Staub, den sie mit den Füßen aufstoßen, für Wolken ausgeben würden, Weiße. Jemanden Staub in die Augen streuen, figürlich, ihm etwas Falsches vorbilden, um ihn zu hintergehen. Ich weiß, daß er sich albern stellt, um ihr Staub in die Augen zu werfen, Weiße. Besonders gebraucht man es verschiedenen figürlichen Redensarten, den Stand der tiefsten Niedrigkeit, der Demuth zu bezeichnen. Im Staube liegen, in der tiefsten Niedrigkeit. Jemanden aus dem Staube erheben, hervor ziehen. Denn sinkt der schwache Henker, den Frevelthat und Glück, Vom (besser aus dem) Staub' erhoben hatte, in seinen Staub zurück, Dusch. In den Staub treten, auf das verächtlichste behandeln, in die tiefste Niedrigkeit versetzen. Ich trat dein zitterndes Alter in den Staub der Dürftigkeit und Verachtung nieder, von Brawe. Sich im Staube krümmen, in der tiefsten Demuth, Niedrigkeit. Und siehst, wie sich der Stolz Der Tyranney im blutigen Staube krümmt, Weiße. In der höhern Schreibart gebraucht man es auch häufig figürlich für Erde besonders wenn deren Verächtlichkeit oder Vergänglichkeit zugleich mit bezeichnet werden soll. Unsterblich, doch des Todes Raub, Sind wir halb Engel und halb Staub, Cron. 3. Man hat von diesem Worte auch das Diminut. Stäubchen und im Oberdeutschen und der edlern Schreibart der Hochdeutschen Stäublein, welches aber nicht collective, sondern individualiter gebraucht wird, einen einzigen solchen unfühlbaren Theil zu bezeichnen. Es ist mir ein Stäublein in das Auge gekommen. Das Sonnenstäublein. Welches Wort denn auch für ein unmerklich Weniges gebraucht wird. Nicht ein Stäublein, nicht das geringste. Ein Stäublein Salz, sehr wenig. Aus dem Frisch erhellet, daß Staub, Nieders. Stoff, ehedem auf eben diese Art gebraucht worden. Anm. Bey dem Ulphilas Stub, Stubjus, bey dem Notker Stoub, bey eben demselben aber auch daz Stuppo, Ottfried Stubbi, Willer. Stuppe, (welches vermuthlich ein Intensivum von Staub ist,) im mittlern Lat. Estopa, im Nieders. Stoff, im Dän. Stöf, im Schwed. Stoft, Stybbe. Martinius, Junius und Frisch leiten es von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, mit den Füßen stampfen, her, weil dadurch der Staub erhoben wird, Wachter noch unwahrscheinlicher von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - Asche. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, kann mit seinen Verwandten stäupen, stampfen, stapfen u. s. f. allerdings als das Stammwort angesehen werden, doch in dem allgemeinsten Begriffe, da es ein Ausdruck eines stumpfen oder dumpfigen Stoßes ist, vermittelst dessen Körper zermalmet und zu Staub verwandelt werden; wenn anders nicht die Erhebung in die Luft der Stammbegriff ist. ( S. Stauben, Stäuben und Stieben.) Ohne Zischlaut ist im Isländ. Dupt, und Schwed. Doft, der Staub, S. Duft, und mit einem andern Endlaute im Nieders. Dust, Angels. und Engl. Dust.


Staubbehältniß (W3) [Adelung]


Das Staubbehältniß, des -es, plur. die -e, S. Staubbeutel.


Staubbesen (W3) [Adelung]


Der Staubbesen, S. Staupbesen.


Staubbeutel (W3) [Adelung]


Der Staubbeutel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Pflanzenkunde der Neuern, kleine mehrentheils gefärbte Köpfe in den Blumen und Blüthen, welche auf den Staubfäden befestiget sind, in ihren innern Behältnissen oder Fächern den befruchtenden Blumenstaub enthalten, und das Merkmahl männlicher Blumen sind; Antherae, bey einigen Staubfächer, Staubbehältniß.


Staubboden (W3) [Adelung]


Der Staubboden, des -s, plur. die -böden, eine breterne Bühne oben unter dem Boden in den Mahlmühlen, den Mehlstaub darin aufzufangen.


Staubbrand (W3) [Adelung]


Der Staubbrand, des -es, plur. car. eine Art schädlichen Brandes an dem Weitzen, welcher auch der Steinbrand genannt wird, weil er sich in einer so lockern Schale befindet, daß sie unter dem Dreschen zerreißt, und wie Staub in der Scheuer herum flieget.


Stauben (W3) [Adelung]


Stauben, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert aber nur unpersönlich gebraucht wird. Staub von sich geben, voller Staub seyn. Es staubt in der Mühle. Er galoppierte, daß es staubte.

Anm. Nieders. stuven. Es ist das Neutrum des folgenden Activi stäuben, und von dem irregulären stieben, welches aber noch in weiterer Bedeutung üblich ist, nur in der Mundart verschieden. Indessen werden stauben und stäuben, in den gemeinen Sprecharten von alten Zeiten an sehr häufig verwechselt. So heißt es auch 2 Mos. 9, 9. Mose sprenge den Ruß gen Himmel, daß über ganz Egyptenland stäube.


Stäuben (W3) [Adelung]


Stäuben, verb. reg. act. welches die thätige Gattung des vorigen Neutrius ist. 1. Staub erregen, Nieders. stuven, im Oberd. stauben. Stäube nicht so. Bey den Jägern stauben oder stäuben die wilden Hühner, wenn sie sich im Sande baden. 2. Als Staub streuen, einen in Staub verwandelten Körper streuen. Mose zermalmete das goldene Kalb zu Pulver und stäubte es aufs Wasser, 2 Mos. 32, 20. Ein wenig Pfeffer auf die Speise stäuben. Gestäubte Tapeten, auf welche sehr fein gehackte Wolle oder Seide gestäubet wird. In weiterer oder figürlicher Bedeutung stäuben bey den Jägern die Feldhühner, wenn sie ihren Koth von sich geben, wo es aber auch stieben und stüben lautet. 3. Von dem Staube reinigen, Nieders. stöven, wo man es oft für abstäuben und ausstäuben, gebraucht. Ein Zimmer stäuben. Das Getreide stäuben, in der Landwirthschaft, es durch Schwingen von dem Staube reinigen. Die Besten stäuben, die Federn mit einem Flederwische in Bewegung bringen, so daß die tauglichen aufstieben, die untauglichen aber liegen bleiben. So auch das Stäuben.

Anm. Bey dem Notker stouben, für streuen, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter stieven, welches jetzt nur als ein Neutrum üblich ist, bey den Krainerischen Wenden shtupan, ich streue. S. Stieben und Stäubern.


Stäuber (W3) [Adelung]


Der Stäuber, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Von stäuben, eine Person, welche stäubet, besonders in einigen Gegenden, eine Person, welche ein Geschäft daraus macht, die Betten für andere zu stäuben und auszustopfen. Ingleichen, ein Werkzeug, damit zu stäuben, d. i. von dem Staube zu reinigen, ein Flederwisch, Wedel u. s. f. am häufigsten in Niedersachsen. 2. Eine Art kleiner Hunde, welche dazu abgerichtet sind, das Wild aufzustäubern, d. i. durch ihr Bellen aus seinen Schlupfwinkel zu treiben, in den gemeinen Sprecharten ein Stöber, Nieders. Stöver, Schwed. Stöfvare, welches letztere einen Spürhund bedeutet. Nicht wie Frisch will, weil er das Wild, wie der Wind den Staub wegbläset, noch wie Ihre vermuthet, weil er es mit der Nase in dem Staube aufsuchet, sondern mit dem folgenden aus einer Quelle.


Stäubern (W3) [Adelung]


Stäubern, verb. reg. act. et neutr. welches nur in den gemeinen Sprecharten üblich ist. 1. Stieben machen, als ein Iterativum von stauben, wo es nur in einigen Gegenden üblich ist, und auch stöbern lautet. Das Haus stäubern oder ausstaubern, von dem Staube reinigen. Noch mehr in weiterm Verstande, aufstieben machen, d. i. auf- und forttreiben, über Hals und Kopf fortjagen. So stäubert der Stäuber das Wild auf. Ich will ihn stäubern, er soll an mich gedenken. Jemanden zum Hause hinaus stäubern. 2. Begierig suchen, im gemeinen Leben und im verächtlichen Verstande; als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. Im Hause herum stäubern. Etwas aufstäubern, aufjagen, auftreiben. So auch das Stäubern.

Anm. In einigen Gegenden, besonders in der ersten Bedeutung auch stäupern (intensive) und stöbern, im Nieders. stovern. Es ist ein Iterativum von stäuben, und scheint in der Bedeutung des Aufjagens eine Onomatopöie eines Lautes zu seyn welcher mit dem, welchen Staub nachahmet, Einer Art ist. In Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gleichfalls suchen aufsuchen.


Stauberde (W3) [Adelung]


Die Stauberde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, diejenige Erde, welche sich wenn sie trocken wird, gern in Staub verwandelt, und welches die auch sonst so genannte Mohrerde ist, welche im nassen Zustande eine schwarze Farbe hat.


Staubfach (W3) [Adelung]


Das Staubfach, des -es, plur. die -fächer, S. Staubbeutel.


Staubfaden (W3) [Adelung]


Der Staubfaden, des -s, plur. die -fäden, in den Blumen der Gewächse, ein Faden ähnlicher Theil, welcher den Staubbeutel trägt, Filamentum L.


Staubfedern (W3) [Adelung]


Die Staubfedern, sing. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme der Flaumfedern, weil sie bey der geringsten Bewegung der Luft in die Höhe stieben.


Staubgefäß (W3) [Adelung]


Das Staubgefäß, des -es, plur. die -e, diejenigen Gefäße in den Blumen der Pflanzen, welche den Blumenstaub enthalten; der Staubbeutel.


Staubhaar (W3) [Adelung]


Das Staubhaar, des -es, plur. inus. oder die Staubhaare sing. inus. in einigen Gegenden ein Nahme der zarten weichen ersten Barthaare des männlichen Geschlechtes; Nieders. Stofhaar, vermuthlich wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Staubfedern.


Staubig (W3) [Adelung]


Staubig, -er, -ste, adj. et adv. Staub enthaltend. Ein staubiger Tisch, staubige Bücher. Es ist sehr staubig, wenn es sehr staubt. Nieders. stöverig.


Staubkäfer (W3) [Adelung]


Der Staubkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Käfer, welche mit einem feinen Staube bestreut zu seyn scheint; Scarabaeus pulverulentus L.


Staubkamm (W3) [Adelung]


Der Staubkamm, des -es, plur. die -kämme, bey den Kammmachern, ein Kamm, dessen Zähne sehr nahe beysammen stehen, und damit den in Staub verwandelten Schweiß, Puder u. s. f. wegzubringen. S. Staubzeug.


Staublauwine (W3) [Adelung]


Die Staublauwine in der Schweiz, S. Lauwine.


Staublaus (W3) [Adelung]


Die Staublaus, plur. die -läuse. 1. Eine Art sehr kleiner Kopfläuse, welche so klein wie Staub, und vermuthlich die junge Brut der gewöhnlichen sind. 2. Bey einigen wird auch die Papierlaus, welche so klein ist, daß man sie kaum mit den bloßen Augen entdecken kann, Termes pulsatorium L. die Staublaus genannt.


Staubmehl (W3) [Adelung]


Das Staubmehl, des -es, plur. car. in den Mühlen dasjenige flüchtige Mehl, welches im Mahlen in Gestalt des Staubes aufstiebet, und auch Flugmehl und Mehlstaub genannt wird.


Staubperle (W3) [Adelung]


Die Staubperle, plur. die -n, im Perlenhandel, die geringste und kleinste Art Perlen, welche gemeiniglich nur zur Arzeney gebraucht wird. Samenperle, Lothperle.


Staubregen (W3) [Adelung]


Der Staubregen, des -s, plur. ut nom. sing. ein sehr zarter Regen, dessen Tropfen dem Staube gleichen. Er erfolget, wenn die untere Luft sehr dicht und dick ist. Nieders. Stofregen, Sabberegen, Smudderregen, in Schwaben und in der Schweiß Staubeten.


Staubsäge (W3) [Adelung]


Die Staubsäge, plur. die -n, S. Staubzeug.


Staubsand (W3) [Adelung]


Der Staubsand, des -es, plur. car. ein zarter feiner Sand, dessen Körner dem Staube gleichen, daher auch leicht wie Staub, in die Höhe steigen.


Staubschwamm (W3) [Adelung]


Der Staubschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine Art fast kugelrunder Schwämme, welche mit einem seinen Samenstaube angefüllet sind, welcher, wenn der Schwamm aufspringet, in die Luft stäubet; Lycoperdon L. Es gehören dahin die Trüffel, der Sternschwamm nebst noch einigen andern, besonders aber der Bofist.


Staubsieb (W3) [Adelung]


Das Staubsieb, des -es, plur. die -e, in der Hauswirthschaft, ein sehr enges Sieb, den Staub damit von dem Getreide abzusondern.


Staubspinne (W3) [Adelung]


Die Staubspinne, plur. die -n, die gewöhnliche Stubenspinne, deren Gewebe gemeiniglich mit Staub bedeckt ist; die Kehrigspinne.


Staubweg (W3) [Adelung]


Der Staubweg, des -es, plur. die -e, in der Botanik der Neuern, gewisse Theile in den weiblichen Blüthen, welche aus dem Fruchtknoten entspringen, sich in eine Spitze endigen, den Blumenstaub empfangen, und dadurch befruchtet werden; Pistillum, bey einigen der Stämpel.


Staubzeug (W3) [Adelung]


Das Staubzeug, des -es, plur. die -e, bey den Kammmachern, eine Säge mit zwey Blättern, die Zähne in den Staubkämmen damit einzuschneiden; die Staubsäge. Siehe Staubkamm.


Stauch (W3) [Adelung]


Der Stauch, des -es, plur. die -e, ein nicht überall bekanntes Wort. 1. Bey den Wassermühlen sagt man, das Rad gehe im Stauch, oder auch adverbisch, es gehe stauch, wenn das Wasser so groß geworden, daß das Rad nur schwer herum gehen kann und von dem Wasser gleichsam gestauchet wird; Nieders. Stau. Es hat in dieser Bedeutung, da es eigentlich einen Zustand bezeichnet keinen Plural. 2. Im Oberdeutschen ist Stauch oder Staucher, ein Muff, besonders ein kurzer enger Muff, der daselbst auch ein Stutz, ein Schliefer genannt wird. Eben daselbst werden auch die Ärmel, ingleichen eine Art Schleyer, wodurch man den Kopf steckt, Stauche genannt, wovon Frisch einige Beyspiele anführet, welcher es in dieser Bedeutung von stecken, stechen, in einigen Mundarten stauchen ableitet, weil man die Hände, Arme und den Kopf darein steckt. Es kann aber auch die stumpfe abgestutzte Gestalt, um deren Willen ein solcher Muff daselbst auch ein Stutz heißt, der Grund der Benennung seyn. ( S. Stauchen und das folgende.) Im mittlern Latein. ist Estugerum, Estugium, ein Behältniß, Franz. Etui.


Stauche (W3) [Adelung]


Die Stauche, plur. die -n, gleichfalls nur in einigen Gegenden. In einigen Hochdeutschen Gegenden sind die Stauchen kleine Büschel oder Bündel Flachs, in welchen derselbe, wenn er aus der Röste genommen worden, zum Trocknen aufgesetzet wird; in einigen Gegenden werden sie Bosen genannt, Nieders. Both, welches mit Busch, Büschel Eines Geschlechtes zu seyn scheinet. Stauchen heißen sie, entweder, weil man solche Büschel, indem man sie bindet, auf die Erde stauchet, oder auch so fern Stauche überhaupt etwas Kurzes und Dickes bedeutet, da es denn mit Stock, ein Klotz, Stumpf, nahe verwandt ist. Das Nieders. Stuke, welches von Stauche nur in der Mundart verschieden ist, bedeutet einen Haufen, oder ein jedes Bündel. Eine Stuke oder Stauche Torf, ein Haufe Torf von sechs Stücken.


Stauchen (W3) [Adelung]


Stauchen, verb. reg. act. welches eigentlich eine Onomatopöie ist, und den dumpfigen hauchenden Laut nachahmet, welcher entstehet, wenn man einen kurzen dicken weichen Körper gegen einen harten, oder einen solchen festen gegen einen weichen stößet. 1. Eigentlich. Jemanden mit dem Hintern gegen die Wand stauchen. Sich die Hand, den Fuß verstauchen. Waaren in ein Faß, in ein Schiff stauchen, sie fest zusammen setzen, mit den Füßen in ein Faß treten; Nieders. stauen. Die Schmiede stauchen ein Stück Eisen, wenn sie dasselbe glühend der Länge entgegen schmieden, so daß es kürzer und dicker werde. Daher ist im Bergbaue, eine Art stauchen, sie ausschmieden. 2. Figürlich. (1) Den Hanf stauchen, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, z. B. Obersachsens, ihn, wenn er geraufet worden, in kleine Häufchen zusammen lehnen, damit er trockne; Niedersächs. stuken, von Stuke, eine Stauche, ein Haufe, Bündel. Den Flachs stauchen, ihn nach dem Rösten in ähnliche Bündel aussetzen. (Siehe Stauche.) (2) Das Wasser wird gestauchet, wenn man dessen Abfluß hindert, und es dadurch aufschwellen macht; stämmen, Nieders. stauen, Ital. stuare. Einen Fluß, einen Bach stauchen. (3) In den Küchen einiger Gegenden ist stauchen so viel als dämpfen, Nieders. stöfen, stoven. Gestauchtes Fleisch, ge- dämpftes, in einem verschlossenen Gefäße langsam gekochtes. S. auch das Stauchen und zuweilen die Stauchung.

Anm. Im Niedersächsischen und einigen andern gemeinen Mundarten lautet dieses Wort ohne Hauchlaut stauen, Engl. to stow. Es ahmet den mit dieser Handlung verbundenen Laut genau nach, welcher Laut demjenigen ähnlich ist, welchen mit andern Endlauten die Zeitwörter staben, stapfen, stämmen, stampfen, stopfen u. s. f. und ohne Zischlaut, tauchen, ducken u. s. f. ausdrucken. Da die Körper, welche diesen Laut verursachen, gemeiniglich kurz und dick sind, so wird nach einer gewöhnlichen Figur in manchen Fällen dieser Begriff allein der herrschende. (Siehe Stauch, Stock, Stück u. s. f. Der Begriff eines Haufens gründet sich auf eine ähnliche Figur, wohin auch dick, Deich, in der Bedeutung eines Dammes, u. s. f. gehören.


Staucher (W3) [Adelung]


Der Staucher, des -s, plur. ut nom. sing. in Schwaben, ein Muff, S. Stauch.


Stauchzange (W3) [Adelung]


Die Stauchzange, plur. die -n, auf den Eisenhämmern, eine Art Zange, vermuthlich das Stangeneisen damit zu stauchen, S. dieses Wort.


Staude (W3) [Adelung]


Die Staude, plur. die -n, Diminut. das Stäubchen, Oberd. Stäudlein. 1. Ein stehendes Ding, zunächst von dem Zeitworte stehen, in welcher Bedeutung es doch nur in einigen Fällen von Pfosten oder Säulen üblich ist. So werden in den Papiermühlen die kleinen Säulen, in und zwischen welchen die Schwingen gehen, Stauden genannt. ( S. Hinterstaude, Vorderstaude.) Bey andern Handwerkern heißt eine solche kleine Säule eine Studel. 2. Eine Art Gewächse, welche einen vielfachen Stamm oder Stängel aus der Wurzel treiben, wo es (1) im weitesten Verstande zuweilen von allen Pflanzen oder Gewächsen dieser Art gebraucht wird, welche nicht bloß Einen, sondern mehrere Stängel treiben, und welche man zum Unterschiede von den folgenden auch wohl Staudengewächse nennt. In diesem Verstande ist z. B. die Nelke eine Staude oder ein Staudengewächs, obgleich hiervon, so wie von einigen andern das Wort Stock üblicher ist. ( S. Staudengerste, Staudenkorn, Bestauden.) (2) In etwas engerer Bedeutung ist die Staude, oder zum Unterschiede von dem folgenden, das Staudengewächs, ein solches Gewächs mit mehrern, gemeiniglich holzartigen Stämmen, welche im Herbste über der Wurzel verdorren, im Frühlinge aber wieder ausschlagen; Suffrutex. (3) Im engsten und gewöhnlichsten Verstande sind Stauden Gewächse mit mehrern holzigen Stämmen, welche im Herbste nicht absterben, sondern fortdauern; Frutex. In diesem und dem vorigen Verstande sind die Stauden das Mittel zwischen den größern und nur mit Einem Stamme versehenen Bäumen, und den eigentlichen Pflanzen oder Kräutern, welche einen saftigen weichen Stängel haben. Die Haselstaude, Brombeerstaude, Hohlunderstaude, Wachholderstaude u. s. f. Staude und Strauch werden oft als gleich bedeutend gebraucht, sie sind aber verschieden. Nach Stosch werden nur die Frucht tragenden Gewächse dieser Art Stauden, die übrigen aber Sträucher genannt. Allein der wahre Unterschied scheinet in andern Umständen zu liegen. Denn 1. ist Staude der Niederdeutschen Mundart unbekannt, welche alles Strauch nennet; dagegen das erstere mehr der Oberdeutschen Mundart, und aus dieser der edlern und anständigern Schreibart der Hochdeutschen eigen ist, daher man auch in der höhern Schreibart lieber Dornstaude als Dornstrauch sagt. 2. Bezeichnet Strauch eine mehr verworrene Lage der Stämme und Zweige, so wie das gleichfalls nur im gemeinen Leben übliche Busch eine mit sehr vielen nahe an einander stehenden oder dick belaubten Stämmen versehene Staude bezeichnet. Und um deßwillen ist Dornstrauch, üblicher als Dornstaude. In manchen Fällen ist auch hier Stock entweder allein, oder mit Staude gleich sehr gebräuchlich; Rosenstock und Rosenstaude, Weinstock, aber nicht Weinstaude.

Anm. In der ersten Bedeutung stammet es mit Staat, Statt, Stätte u. s. f. unstreitig von stehen ab. In der zweyten Bedeutung ist der Stammbegriff nicht so deutlich. Wenn man erwäget, daß Stock in vielen Fällen mit Staude gleich bedeutend ist, so scheinet es, daß es zunächst, entweder den Umfang in der Dicke, oder auch die mäßige kleinliche Beschaffenheit der Stämme ausdruckt.


Staudelbeere (W3) [Adelung]


Die Staudelbeere, plur. die -n, S. Heidelbeere 1.


Staudenapfel (W3) [Adelung]


Der Staudenapfel, des -s, plur. die -äpfel, eine Art Äpfel, deren Baum eine Staude bleibt, daher sie auch Hedenäpfel, und Zwergäpfel, und weil sie am frühesten reifen, Johannisäpfel heißen.


Staudengerste (W3) [Adelung]


Die Staudengerste, plur. inus. eine Art zweyzeiliger Sommergerste, welche sich in einem schweren und feuchten Boden sehr bestaudet, d. i. mehrere Halme treibt. Sie wird auch Blattgerste genannt.


Staudengewächs (W3) [Adelung]


Das Staudengewächs, des -es, plur. die -e. 1. Eine Staude, ein Gewächs, welches eine Staude genannt zu werden verdienet. 2. Ein Gewächs, welches einer Staude nur ähnlich ist, S. Staude 2 (1) (2).


Staudenkorn (W3) [Adelung]


Das Staudenkorn, des -es, plur. car. eine Art Korn oder Rockens, welcher mehrere Halme aus Einer Wurzel treibet, und und daher das Ansehen einer Staude hat; in Niedersachsen Staudenrocken, in Meißen Stollkorn.


Staudenschnapper (W3) [Adelung]


Der Staudenschnapper, des -s, plur. ut nom. sing. in Obersachsen, ein kleiner Vogel von der Größe einer Hanfmeise, welcher einem Rothkehlchen gleicht, und wohl auch zu diesem Geschlechte gehöret. Er läßt sich schon im März auf den Gipfeln der Stauden sehen, wo er nach dem Gewürm schnappet, und brütet in denselben auf und nahe über der Erde.


Stauen (W3) [Adelung]


Stauen, S. Stauchen.


Stauf (W3) [Adelung]


Der Stauf, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stäuflein, ein im Hochdeutschen unbekanntes und nur im Oberdeutschen gangbares Wort, ein Gefäß von einem gewissen Umfange ingleichen einen Becher, einen Kelch zu bezeichnen. Gemeiniglich ist es ein Maß flüssiger Dinge, welches mit unserm Stübchen so wohl dem körperlichen Inhalte, als der Abstammung nach, genau überein kommt, und in einigen Niederdeutschen Gegenden Stoff lautet; bey dem Notker Stouph, Schwed. Stop, Isländ. Staupa, Angelsächs. Stoppa. S. Frischens Wörterbuch und unten Stübchen.


Staunen (W3) [Adelung]


Staunen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, vor Verwunderung gleichsam stumm, unbeweglich da stehen, da es denn zur Bezeichnung des höchsten Grades der Verwunderung gebraucht wird. Es ist ein altes Deutsches Wort, welches für sich allein im Hochdeutschen veraltet ist, im Oberdeutschen aber gangbar geblieben. Du staunst; es regt sich deine Tugend, Hall. Nach dem Beyspiele Hallers und einiger anderer neuerer Schweizerischer Schriftsteller, ist es auch von den Hochdeutschen in der höhern Schreibart wieder eingeführet worden, da man es bisher in dieser Mundart nur in dem zusammen gesetzten Erstaunen kannte. S. dasselbe, ingleichen Anstaunen.

Anm. Auch im Englischen ist stunned, betäubt, und Stunning das Betäuben. Frisch leitet das Deutsche von Stein her, als wenn es eigentlich vor Verwunderung versteinert werden, bedeutete. Allein man muß den Ursprung allem Ansehen nach höher suchen. Die Endsylbe -nen ist bey den Zeitwörtern in den meisten Fällen ein Zeichen eines Intensivi; das Stammwort müßte also stauen gelautet haben, wovon stauenen, zusammen gezogen, staunen, geworden. Stauen, oder Oberd. stauchen drückt zwar heutiges Tages seinen eigenen Laut und Begriff aus, ist aber auch sehr nahe mit stehen verwandt, und kann auch unbeweglich da stehen und da stehen machen, bedeuten, welcher Begriff mit dem Staunen unstreitig verbunden ist. ( S. auch Erstaunen.) Das Franz. etonner, ehedem estonner, ist genau damit verwandt.


Staupbesen (W3) [Adelung]


Der Staupbesen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Besen, d. i. große Ruthe, einen Missethäter damit zu stäupen, in welchem Verstande es noch die große Ruthe bedeutet, mit welcher gewisse Verbrecher von dem Henker öffentlich ausgestrichen werden. Den Staupbesen bekommen. Zum Staupbesen verurtheilet werden.

Anm. Besen wurde ehedem mehrmahls von einer Ruthe gebraucht, ( S. dieses Wort.) Die Schreibart Staubbesen ist der Abstammung völlig zuwider.


Staupe (W3) [Adelung]


1. Die Staupe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, eine ansteckende Krankheit, eine Seuche zu bezeichnen. Die Staupe bekommen, die herrschende ansteckende Krankheit. Die Viehstaupe, die Viehseuche. In engerer Bedeutung ist in einigen Gegenden die Staupe, eine ansteckende Krankheit der Schafe, da sie den Tauniel, und hernach den Durchfall bekommen, und plötzlich sterben. ( S. Blutstaupe.) Frisch siehet dieses Wort als eine Figur des folgenden an, so daß es jede Landplage oder Plage bedeuten würde. Allein es scheinet wohl ein eigenes und verschiedenes Wort zu seyn, obgleich dessen Stammbegriff so deutlich noch nicht ist.


Staupe (W3) [Adelung]


2. Die Staupe, plur. die -n. 1. Eine Ruthe, besonders eine große Ruthe, jemanden damit zu stäupen. Ich habe dich geschlagen - mit unbarmherziger Staupe. Jer. 30, 14. Jemanden die Staupe geben. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, wo man es 2. nur für Staupenschlag, d. i. die Strafe der öffentlichen Züchtigung mit einer großen Ruthe gebraucht, und zwar ohne Plural, und in der dem Anscheine nach sonderbaren R. A. Jemanden zur Staupe schlagen, d. i. ihm den Staupbesen geben, ihn öffentlich stäupen, welche R. A. noch in den Gerichten gangbar ist, und Niederdeutschen Ursprunges zu seyn scheinet, wenigstens in dieser Mundart schon sehr alt ist. Nieders. Stupe.


Stäupen (W3) [Adelung]


Stäupen, verb. reg. act. mit Ruthen streichen. Er stäupet aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt, Ebr. 12, 6. Ein Kind stäupen. Besonders, öffentlich mit Ruthen streichen, wie noch jetzt zur Strafe gewisser Verbrecher geschiehet. Ich bin drey Mahl gestäupet worden, 2 Cor. 11, 3. Etliche stäupeten sie, Marc, 12, 5; und so in andern Stellen mehr, wo es auch zuweilen figürlich für züchtigen, strafen überhaupt gebraucht wird. Es ist deiner Bosheit Schuld, daß du so gestäupet wirst, Jer. 2, 19. Es scheinet im Oberdeutschen am gangbarsten zu seyn, und wird im Hochdeutschen nur noch in der edlern und anständigern Schreibart gebraucht, dagegen im gemeinen Leben die Ausdrücke, die Ruthe geben von Kindern, und von der öffentlichen Strafe dieser Art an grobe Verbrecher, den Staupbesen geben, zur Staupe schlagen, mit Ruthen streichen oder ausstreichen, üblicher sind. So auch das Stäupen und die Stäupung.

Anm. Im Nieders. stupen, Holländ. stuypen, Schwed. stupa, Isländ. steypa. Der Begriff des Schlagens, Hauens ist ohne Zweifel der herrschende, der hier ursprünglich durch eine Onomatopöie ausgedruckt worden und in so fern ist es auch mit Stab verwandt, ob dieses gleich nicht eigentlich ein Werkzeug zum Schlagen bedeutet, ingleichen mit dem Nieders. deffen, mit Fäusten schlagen, dem Böhmischen Staupa, ein Stämpel, Stößel, dem Griech - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schlagen u. a. m.


Staupenschlag (W3) [Adelung]


Der Staupenschlag, des -es, plur. car. die Handlung und Strafe, da ein Verbrecher öffentlich gestäupet, zur Staupe geschlagen, oder mit Ruthen gestrichen wird.


Stäupern (W3) [Adelung]


Stäupern, S. Stäubern.


Stechapfel (W3) [Adelung]


Der Stechapfel, des -s, plur. die -äpfel, eigentlich die mit Stacheln besetzte äpfelförmige Frucht eines gewissen Gewächses, und in weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung, doch ohne Plural auch diese Pflanze selbst; Datura L. und besonders dessen Datura Stramonium. Es ist eigentlich in Amerika einheimisch, wird aber jetzt in allen Gärten Europens angetroffen, und von einigen auch Igelskopf, Stachelnuß, Rauchapfel und Fliegenkraut genannt, vielleicht, weil man mit diesem giftigen Gewächse die Fliegen vergiften kann.


Stechbahn (W3) [Adelung]


Die Stechbahn, plur. die -en, die Bahn, das ist, der lange ebene Platz, wo man mit Lanzen zur Lust nach einem aufgesetzten Ziele sticht; der Stechplatz.


Stechbaum (W3) [Adelung]


Der Stechbaum, des -es, plur. die -bäume, S. Stechpalme.


Stechbeutel (W3) [Adelung]


Der Stechbeutel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Holzarbeitern, ein Beutel, oder breiter Meißel, zum Stechen, oder das Holz mit der Faust gerade zu bestoßen, zum Unterschiede von einem Lochbeutel; das Stecheisen, S. 4 Beutel.


Stecheiche (W3) [Adelung]


Die Stecheiche, plur. die -n, S. Stechpalme.


Stecheisen (W3) [Adelung]


Das Stecheisen, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Ein Eisen damit zu stechen, doch nur in einigen Fällen, wo ein solches Werkzeug keinen eigenen Nahmen hat. So wird der Stechbeutel zuweilen auch das Stecheisen genannt. Im Hüttenbaue ist es eine spitzige eiserne Stange mit einem hölzernen Stiele, das Auge in dem Schmelzofen damit zu öffnen oder aufzustechen; das Sticheisen. 2. Auf dem hohen Ofen ist das Stecheisen, oder gestochenes Eisen, Eisen, welches so flüssig wie Wasser gemacht, und hernach abgestochen worden, wo der Plural nur von mehrern Arten üblich ist.


Stechen (W3) [Adelung]


Stechen, verb. irreg. Präs. ich steche, du stichst, er sticht; Conj. ich steche, du stechest, er stecht. Imperf. ich stach; Conjunct. ich stäche. Mittelw. gestochen. Imper. stich. Es ist in doppelter Gattung üblich, wo es zugleich zwey Hauptbedeutungen hat welche sich auf zwey der Sache nach sehr verschiedene, dem Laute nach aber ähnliche Onomatopöien gründen. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, den Ort schnell verändern; in welcher Bedeutung es doch nur in einigen Fällen üblich ist. In dem Bergbaue ist jemanden nachstechen, so viel als ihm nachfahren, d. i. hinter ihm her in die Grube steigen. Er kommt angestochen, eine im gemeinen Leben sehr übliche Bedeutung, eigentlich, er kommt mit weiten Schritten oder langen Beinen einher gegangen, welche Art des Gehens man im Niedersächsischen durch staken ausdruckt. Hervor stechen, vor andern Dingen merklich empfunden werden, mit dem Hülfsworte haben. Der Begriff sticht merklich hervor. ( S. auch Abstechen.) Am üblichsten ist es in der Schiffersprache, wo ein Schiff in die See sticht, wenn es aus dem Hafen segelt. Wenn es hier nicht noch ein Überbleibsel der ehemahligen unvollkommenen Art der Schifffahrt ist, da man sich im Fahren allein mit langen Stangen fortschieben mußte, so scheinet es hier so, wie in den vorigen Fällen, ein Verwandter von ziehen, Nieders. tehen oder auch von steigen zu seyn. Das erste würde durch den Zischlaut und den verstärkten Hauch in stechen in ein Intensivum verwandelt seyn. II. Als ein Activum, wo es von spitzigen Dingen gebraucht wird, wenn sie in einen Körper dringen und denselben verwunden. 2. Eigentlich. Das Subject, welches dieses thut, es sey nun allein oder vermittelst eines Werkzeuges, stehet wie gewöhnlich in der ersten Endung. Die Biene, die Schlange sticht. Die Nadel sticht. Ein spitziges Messer sticht. Das Werkzeug bekommt als Werkzeug, das Vorwort mit. Mit der Nadel, mit dem Dolche, mit dem Stachel stechen. Die Person oder Sache, welche gestochen wird, stehet in der vierten Endung. Jemanden todt stechen. Die Nadel hat mich gestochen. Stax stach ihn mit dem Dolche. Die Bienen stachen uns nicht. Der Ort, die Stelle, oder der Theil an diesem Dinge, bekommt das Vorwort in, zuweilen auch ein anderes, so daß der Accusativ des Dinges bleibt. Du wirst ihn (nicht ihm) in die Fersen stechen. 1 Mos. 3, 15. Und stach ihn in den Wanst. 2 Sam. 3, 27. Die Sonne stach dem (den) Jona auf den Kopf, Jon. 4, 8. Sich in den Arm stechen. Nur dann muß die dritte Endung der Person stehen, wenn das Werkzeug oder auch die Wunde, welche durch Stechen hervor gebracht wird, in der vierten Endung stehet. Einem den Dolch in das Herz stechen. Einem ein Loch stechen. Einem den Geck stechen, figürlich im gemeinen Leben, ( S. Geck.) Ihr sollt euch kein Mahl stechen, 5 Mos. 14, 1. Nach jemanden stechen. Figürliche, doch nur im gemeinen Leben übliche Arten des Ausdruckes sind: Das ist weder gehauen noch gestochen, hat von keiner Sache die gehörige Eigenschaft an sich. Der Kitzel sticht ihn, er ist muthwillig, übermüthig. Bey einem Manne, den noch der Kitzel wie ihn sticht, Weiße; der noch verliebt ist. Der Hafer sticht ihn, die guten Tage machen ihn übermüthig, muthwillig, eine von den Pferden entlehnte Redensart. So reißt der Mensch auch aus, wenn ihn der Hafer sticht, Opitz. Sylben-Stechen, sich zu ängstlich und pedantisch mit Aufsuchung des Wortverstandes abgeben; eine vermuthlich aus den Leseschulen entlehnte Redensart, wo die Kinder die Sylben mit spitzigen Griffeln zeigen. Dann lachen sie mit Recht, wenn einer Sylben sticht, Kästner. 2. Figürlich. (1) Verschiedene Arten der Handlungen oder Bearbeitungen, welche mit einem Stechen verbunden sind, oder wobey das Stechen den vornehmsten Theil ausmacht, werden stechen genannt. In Kupfer stechen; daher der Kupferstecher, Kupferstich. Ein Bild in Kupfer stechen. Ein Petschaft stechen. Ein Wapen in Stein, in Stahl stechen, so fern es von dem Petschaftmachern geschiehet. Jemanden den Staar stechen, den Staar im Auge durch eine vermittelst eines Stiches gemachte Öffnung heraus ziehen. Ein Schwein, ein Kalb stechen, bey den Fleischern, es vermittelst eines Stiches tödten. Im Hüttenbaue wird gestochen, wenn man das Auge in dem Schmelzofen mit dem Stecheisen öffnet, damit das geschmolzene Metall von dem Herde ablaufe. Auch wird es in manchen Fällen für graben gebraucht, besonders in den Zusammensetzungen, abstechen, ausstechen u. s. f. ingleichen für schaufeln, das Getreide wegstechen, umstechen; auch für nähen, in bestechen, und von andern ähnlichen Handlungen mehr.

(2) Besonders war "stechen" ehedem für "turnieren" sehr gangbar, so fern es mit Lanzen geschahe, da denn auch noch jetzt ähnliche theils ritterliche, theils bloß zur Lust angestellte bürgerliche Übungen ein Stechen genannt werden. Nach einem Ringe stechen eine Art ritterlicher Übungen. Das Gesellenstechen, Fischerstechen; u. s. f. Von diesem Stechen, so fern es ein Gefecht bezeichnet, stammen ohne Zweifel noch folgende figürliche Bedeutungen her.

(a) In den Kartenspielen sticht eine Karte die ander, wenn sie mehr ist, als diese, sie überwindet, und daher die gestochene von dem, der die höhere Karte hatte, eingenommen wird. Das "Daus" sticht den König, der König die Dame u. s. f. (Siehe auch Abstechen.)

(b) Mit jemanden stechen, eine besonders in dem Würfelspiele übliche Redensart, da zwey, welche eine gleiche Anzahl Augen haben, noch Ein Mahl werfen, welches im Niedersächsischen kämpen, kämpfen, genannt wird. (c) Nach etwas stechen, d. i. streben, ein im Hochdeutschen unbekannter Ausdruck. Die Ruhm- und Ehresucht, das Gasthaus der Gebrechen, Da Rom und Griechenland so geitzig darnach stechen, Opitz. (3) Einen Schmerz verursachen, welcher dem von stechenden Werkzeugen gleichet. (a) Eigentlich. Die Sonne sticht mich, Daß dich des Tages die Sonne nicht steche, Ps. 121, 8. Stechen in der Seite empfinden. Das Seitenstechen. Die Milz sticht uns, nach einem starken Laufen. Es sticht mich in meinen Nieren, Ps. 73, 21. (b) Figürlich. Das sticht ihn in die Nase, in die Augen, im gemeinen Leben, das reitzt sein Verlangen, seine Begierde. Wir suchen nicht den Heldenruhm, der dir (dich) ins Auge sticht, Weiße. Das kleine Lieschen sticht, Dem (den) Schösser ins Gesicht, eben ders. (4) Im gemeinen Leben ist stechen, häufig so viel als tauschen, besonders in den Zusammensetzungen verstechen und umstechen, S. diese Wörter. (5) Für bestechen, eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Viele lassen sich mit Geld stechen, Sir. 8, 3. So auch das Stechen.

Anm. Schon bey dem Ottfried stechen, im Tatian stehan, im Nieders. steken, im Schwed. stika, im Engl. to stich, und mit dem Nasenlaute sting, im Lat. stigare, welches noch in instigare üblich ist, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es vereiniget den Begriff der Spitze mit dem Begriff des Stoßes, und ist in Rücksicht des ersten, mit Deichsel, Zacke, Nieders. Tacke, und andern mehr verwandt. In den Schwabenspiegel kommt es noch für stoßen vor: stichet ain ochs ainen man ze tode. Stechen und Stecken sind genau verwandt, und das Nieders. stecken und Schwed. sticka haben beyder Bedeutungen; allem im Hochdeutschen sind die Gränzen beyder Zeitwörter genau bezeichnet, ob sie gleich in der Anwendung von manchen häufig verwechselt werden. S. auch Stachel, Stich und Stochern.


Stecher (W3) [Adelung]


Der Stecher, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Eine Person, welche sticht, doch nur in einigen Fällen. Derjenige, welcher Geschicklichkeit im Turnieren und Stechen mit Lanzen besaß, wurde ehedem ein Stecher genannt. In den Gewehr-Fabriken heißen diejenigen Arbeiter, welche den Nahmen u. s. f. auf den Lauf stechen, Stecher. Im Nieders. ist der Stecher ein Tagelöhner, welcher den Torf nach der Länge und Breite absticht, zum Unterschiede von dem Graber, welcher ihn aus der Erde gräbt. Am üblichsten ist es in den Zusammensetzungen Kupferstecher, Petschaftstecher, Staarstecher u. s. f. 2. Ein Ding, welches sticht, ein Werkzeug zum Suchen; auch nur in einigen Fällen, weil es in den meisten übrigen einen eigenthümlichen Nahmen hat. Eine Art breiter Degen zum Stechen hieß ehedem ein Stecher. An den Orgelbälgen ist es ein Holz an dem Oberblatte, welches das letztere in die Höhe sticht oder stößt, wenn der Balg getreten wird. Bey den Hutmachern führen auch die Kopffache, welche den Herzfachen gleichen, und im Walken auf den Hut geleget werden, den Nahmen der Stecher, und an den Kugelbüchsen wird die Zunge unter dem Schlosse, womit man die Büchse abdruckt, so wohl der Schneller, als der Stecher genannt.


Stecherling (W3) [Adelung]


Der Stecherling, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein Nahme eines kleinen Fisches mit stacheligen Floßfedern; Nieders. Stekerling, Stekelstang, Stengelstang, Stekelgrindken. Im Hochdeutschen ist er unter dem Nahmen des Stichlinges am bekanntesten, S. dieses Wort.


Stechfliege (W3) [Adelung]


Die Stechfliege, plur. die -n, eine allgemeine Benennung derjenigen Fliegen, welche empfindlich stechen, zum Unterschiede von andern unschädlichen Arten.


Stechginster (W3) [Adelung]


Der Stechginster, des -s, plur. ut nom. sing. ein dem Ginster ähnliches Gewächs, welches wie dieser spitzige Blätter hat, welche mit Stacheln versehen sind; Ulex L.


Stechgroschen (W3) [Adelung]


Der Stechgroschen, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, z. B. im Amte Giebichenstein bey Halle, eine Abgabe von einem Groschen, welche eine Witwe, wenn sie wieder heirathen will, der Grundobrigkeit entrichten muß, worauf sie zur Bescheinigung der entrichteten Abgabe einen Stechzettel oder Stechschein erhält, S. Sprungthaler.


Stechhaufe (W3) [Adelung]


Der Stechhaufe, des -ns, plur. die -n, bey den Fleischern, ein Haufe zum Schlachten oder Abstechen bestimmten Viehes, dergleichen Vieh auch Stechvieh genannt wird. Frisch erkläret es unrichtig, durch dasjenige Schlachtvieh, welches die Fleischer über ihr ordentliches Vieh der Stadt zur Nothdurft schlagen dürfen.


Stechheber (W3) [Adelung]


Der Stechheber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Heber welcher unten enger ist als oben, und in die flüßige Materie gestochen, d. i. gestoßen wird, da man denn, wenn man die obere Öffnung bey dem Herausziehen mit dem Daumen verschließt, etwas von dem flüssigen Körper heraus stechen kann.


Stechhelm (W3) [Adelung]


Der Stechhelm, des -es, plur. die -e, in den ehemahligen Turnieren, ein ganz verschlossener und nur mit einigen Löchern versehener Helm, das Gesicht bey dem Stechen mit Lanzen zu verwahren, zum Unterschiede von dem offenen Turnierhelme.


Stechholz (W3) [Adelung]


Das Stechholz, des -es, plur. die -hölzer, im Hüttenbaue, ein dickes rundes Holz, Einer Ellen lang, über welches der Stich durch das Gestübe in der Oberbrust des Vorherdes geführet, oder das geschmolzene Metall abgestochen wird.


Stechkamm (W3) [Adelung]


Der Stechkamm, des -es, plur. die -kämme, bey den Nadlern, ein Werkzeug in Gestalt eines Kammes mit etwa 25 Spitzen, die Löcher in das Papier zu den Nadelbriefen damit zu schlagen.


Stechkanne (W3) [Adelung]


Die Stechkanne, plur. die -n, in einigen Gegenden, besonders Niederdeutschlandes, ein Maß flüssiger Dinge, welches ungefähr so viel wie ein Stübchen ist. In Bremen hält ein Oxboft Thran 2 Tonnen, oder 12 Stechkannen, eine Stechkanne aber 16 Mengel oder 4 Quart.


Stechkraut (W3) [Adelung]


Das Stechkraut, des -es, plur. inus. eine Art des Kratzkrautes, mit stacheligen Kelchen, welches auf den Brachäckern Spaniens häufig wächst; Cnicus Acarna L.


Stechküssen (W3) [Adelung]


Das Stechküssen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Kupferstechern, ein langrundes mit Sande gefülltes Küssen, worauf sie die Platte unter dem Stechen und Radieren legen; der Sandsack.


Stechlaub (W3) [Adelung]


Das Stechlaub, des -es, plur. car. S. Stechpalme.


Stechling (W3) [Adelung]


Der Stechling, S. Stichling.


Stechlöffel (W3) [Adelung]


Der Stechlöffel, des -s, plur. ut nom. sing. in den Münzen, ein Löffel mit einer Spalte in der Vertiefung, durch welche das Stechmesser gestoßen wird.


Stechmesser (W3) [Adelung]


Das Stechmesser, des -s, plur. ut nom. sing. überhaupt ein Messer, welches zugleich zum Stechen geschickt und bestimmt ist. In den Münzen ist es eine drey Fuß lange eiserne Klinge, welche in den Formsand gestoßen wird, die Löcher zu den Silberzainen damit in dem Sande zu machen.


Stechpalme (W3) [Adelung]


Die Stechpalme, plur. die -n, eine der Palme ähnliche Staude, welche eyförmige stachelige spitzige Blätter hat; Ilex Linn. besonders dessen Ilex Aquifolium, welches auch in dem mittägigen Europa einheimisch ist; Stechbaum, Stecheiche, Stechlaub, Walddistel, Hülse, Hülsenbaum, Klesebusch, Christdorn, Mäusedorn, Myrthendorn.


Stechpille (W3) [Adelung]


Die Stechpille, plur. die -n, ein längliches rundes Stückchen Seife, welches man bey Verstopfungen in den After stecket; den Stuhlgang zu befördern; das Stuhlzäpfchen, Stech- stehet hier für Steck-


Stechplatz (W3) [Adelung]


Der Stechplatz, des -es, plur. die -plätze, ein Platz, worauf gestochen, d. i. mit Lanzen gefochten und gestochen wird; die Stechbahn.


Stechsalat (W3) [Adelung]


Der Stechsalat, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in der Hauswirthschaft, ein jeder Salat, von welchem man im Frühlinge die ersten Blätter absticht oder abschneidet, und der am häufigsten Schnittsalat genannt wird.


Stechschaf (W3) [Adelung]


Das Stechschaf, des -es, plur. die -e, zum Schlachten oder Abstechen bestimmte Schafe, Küchenschafe. Siehe Stechhaufen.


Stechschein (W3) [Adelung]


Der Stechschein, des -es, plur. die -e, S. Stechgroschen.


Stechschlitten (W3) [Adelung]


Der Stechschlitten, des -s, plur. ut nom. sing. ein kleiner Schlitten, in welchem man sich selbst vermittelst zweyer mit eisernen Spitzen versehener Stäbe durch Stechen forthilft; Stachelschlitten, Nieders. Prickelslede.


Stechschwalbe (W3) [Adelung]


Die Stechschwalbe, plur. die -n, eine in Meißen übliche Benennung einer gewissen Art Schwalben.


Stechschwein (W3) [Adelung]


Das Stechschwein, des -es, plur. die -e, Schweine, welche zum Abstechen, d. i. zum Schlachten bestimmt sind; zum Unterschiede von den Zuchtschweinen.


Stechspiel (W3) [Adelung]


Das Stechspiel, des -es, plur. die -e, ein Spiel, wobey mit Lanzen gestochen wird, eine Art der ehedem so üblichen Turniere.


Stechstahl (W3) [Adelung]


Der Stechstahl, des -es, plur. die -stähle, bey den Drechslern in harten Materien, deren Dreheisen Stahle heißen, ein solches Dreheisen, das Bein damit abzustechen.


Stechstaude (W3) [Adelung]


Die Stechstaude, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Stachelbeerstaude, S. dieses Wort.


Stechvieh (W3) [Adelung]


Das Stechvieh, des -es, plur. car. Vieh, welches zum Abstechen, d. i. zum Schlachten bestimmt ist; Schlachtvieh, Siehe Stechhaufen.


Stechweide (W3) [Adelung]


Die Stechweide, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Bergweide mit dem Lorbeerblatte, welche auch Bitterweide, Schafweide, Faulweide und Baumwollenweide genannt wird; Salix pentandra Linn.


Stechwinde (W3) [Adelung]


Die Stechwinde, plur. die -n, ein ausländisches Gewächs welches der Winde gleicht, nur daß es einen dornigen eckigen Stamm hat; Smilax Linn. besonders dessen Smilax aspera.


Stechwurm (W3) [Adelung]


Der Stechwurm, des -es, plur. die -würmer, im gemeinen Leben ein kleines fliegendes Insect von verschiedener Farbe, welches die Sprossen an den jungen Bäumen abkneipt und abfrißt; Kneipwurm.


Stechzettel (W3) [Adelung]


Der Stechzettel, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Stechgroschen.


Steckamboß (W3) [Adelung]


Der Steckamboß, des -es, plur. die -e, bey verschiedenen Handwerkern, z. B. den Kupferschmieden, ein Amboß, welcher, wenn man ihn braucht, in einen Fuß oder eine Stütze gesteckt wird.


Steckbrief (W3) [Adelung]


Der Steckbrief, des -es, plur. die -e, in den Gerichten, Briefe, welche man an andere Obrigkeiten ergehen lässet, worin man einen entwichenen Übelthäter beschreibt, und selbigen im Betretungsfall anzuhalten und in Verhaft zu nehmen bittet; der Haftbrief. Die erste Sylbe ist von stöcken, in den Stock oder in das Gefängniß werfen, welches auch häufig stecken geschrieben oder gesprochen wurde; jemanden stecken, in Verhaft nehmen, wovon Frisch einige Beyspiele anführet. S. Stöcken.


Steckelkiel (W3) [Adelung]


Der Steckelkiel, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Kiel oder kleine Röhre in dem Pumpenwerke, in welcher das Ventil befestiget wird, und wozu auch das Steckelblech und die Steckelschraube gehöret; der Steckkiel.


Stecken (W3) [Adelung]


Der Stecken, des -s, plur. ut nom. sing. ein mäßiger oder kleiner Stock, und zuweilen auch ein jeder Stock. An einem Stecken gehen. Aarons Stecken grünete und blühete, 4 Mos. 17, 8. Dein Stecken und Stab trösten mich, Ps. 23, 4. Auf einem Stecken reiten, wie die Kinder. Nicht einen Stecken Holz im Hause haben. Der Ladestecken oder Ladestock, Zaunstecken, ein von einem Zaune abgebrochener Stecken.

Anm. Im Ital. Stecco, Stecca. Die Niederdeutschen Mundarten und damit verwandten nordischen Sprachen kennen dieses Wort nicht, welches daher eigentlich Oberdeutschen Ursprunges zu seyn scheinet, wo man es sehr häufig mit Stock als gleich bedeutend gebraucht. Eben daselbst bezeichnet es aber auch zuweilen einen Pfahl; Rebstecken für Weinpfahl. Im Hochdeutschen ist es in den edlern und anständigern Sprecharten am üblichsten, anstatt des niedrigern Stocks, mit welchem man gemeiniglich den Begriff eines Steckens zum Schlagen verbindet. Indessen stammet es mit demselben aus Einer Quelle her, indem es nur vermittelst der Ableitungssylbe en gebildet worden. Der Begriff der Kleinheit wird schon durch das kleinliche e ausgedruckt, so wie das runde o den Begriff der mehrern Größe hat.


Stecken (W3) [Adelung]


Stecken, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, (im Oberdeutschen mit seyn) in eine längliche enge Öffnung hinein gethan seyn, zunächst mit der Spitze, oder von spitzigen Dingen, hernach aber auch von allen länglichen und vielen andern Körpern. 1. Eigentlich von spitzigen Dingen als das Neutrum von stechen. Der Nagel steckt in der Wand, er steckt fest. Der Braten steckt am Spieße. Er schreyet als wenn er am Spieße steckte. Deine Pfeile stecken in mir, Hiob 6, 4. 2. In weiterer Bedeutung, an einem Orte befindlich seyn, gemeiniglich mit dem Nebenbegriffe der Festigkeit, Unbeweglichkeit, oder des Unvermögens, diesen Ort verlassen zu können. Im Schlamme stecken. Im Kothe stecken bleiben. Zwischen Thür und Angel stecken, sich zwischen zwey Gefahren oder Verlegenheiten befinden, von welcher man Eine erwählen muß. Es steckt mir in allen Gliedern. Es steckt ihm auf der Brust. Dem Tode im Rachen stecken. In Noth, in Gefahr, in Schulden, im Elende stecken. Jemanden in der Noth, in dem Elende, stecken lassen, ihm seine Hülfe versagen. Du steckest in deinem Unglück, 2 Sam. 16, 8. Thorheit steckt dem Knaben im Herzen, Sprichw. 22, 15. Ich weiß nicht, was ihm im Kopfe steckt. Stecke dich nicht in mancherley Händel, Sir. 11, 10; menge dich nicht derein. Alles war Ohr, den Schwätzerinnen blieb das Wort im offenen Munde stecken, Hermes. Immer in den Wirthshäusern stecken, sich daselbst aufhalten. Oft aber auch mit dem Nebenbegriffe der Verborgenheit. Da steckt etwas Böses dahinter. Ich weiß nicht, was dahinter steckt. Wo hast du den ganzen Tag gesteckt? Es weiß niemand, wo er steckt, sich befindet. Den ganzen Tag beysammen stecken, heimlich beysammen seyn. 3. Figürlich. (1) Stecken bleiben, nicht von der Stelle können. In einer Rede, in einer Predigt stecken bleiben, nicht weiter können. Mit einer Sache stecken bleiben, dieselbe nicht fortsetzen, nicht fortführen können. (2) Die Sache steckt, wird gehindert, in ihrem Fortgange aufgehalten, wofür man im Hochdeutschen lieber stocken sagt. Doch gebraucht man daselbst häufig den Infinitiv als ein Hauptwort, ins Stecken gerathen, in eben diesem Verstande. Die Sache ist ins Stecken gerathen.

Anm. Schon bey dem Notker stecchen, bey andern gleichzeitigen Oberdeutschen Schriftstellern stechen, stechen, und noch jetzt wird in manchen gemeinen Mundarten dieses Neutrum stecken mit stechen häufig verwechselt, besonders von den Niedersachsen, bey welchen ihr steken, so wohl stechen als stecken bedeutet. Vermuthlich rühret es gleichfalls von dieser Verwechselung her, daß dieses stecken in manchen Gegenden irregulär abgewandelt wird, besonders im Imperfecto, ich stak, für ich steckte. Ein armer Schiffer stak in Schulden, Gell. Da es, wenn es wirklich ein irreguläres Zeitwort wäre, auch im Mittelworte gestecken haben müßte, dieses aber nicht üblich ist, so scheinet auch das irreguläre stak ein bloßer aus der Niedersächs. Mundart herrührender Mißverstand zu seyn. II. Als ein Activum, ein Ding in das andere thun, stecken machen. 1. Eigentlich, wo es zunächst von spitzigen oder langen Körpern gebraucht wird, wenn sie in eine enge Öffnung gethan werden. Den Braten an den Spieß, die Nadel in das Hemd, den Nagel in die Wand, den Degen in die Scheide, den Schlüssel in das Schlüsselloch, ein Licht auf den Leuchter stecken. Ingleichen auf solche Art befestigen. Einen Zettel an den Vorhang stecken. Oft stehet absolute mit Verschweigung des Ortes. Weinpfähle stecken, in die Erde. Bohnen Erbsen, Melonenkerne, Pflanzen u. s. f. stecken, sie in ein mit einem spitzigen Werkzeuge gestochenes Loch thun. Jemanden ein Ziel stecken, Ziel und Maß stecken. Auch durch mehreres Stecken hervor bringen oder zubereiten. Hauben stecken. 2. In weiterer Bedeutung, auch von andern Körpern, wenn sie in eine enge Öffnung gethan werden. Das Geld in den Beutel, in die Tasche stecken. Die Hand in den Busen, in die Tasche stecken. Den Bissen in den Mund stecken. Den Ring an den Finger stecken. Einem etwas in die Hand stecken, heimlich in die Hand geben, wo zugleich der Begriff der Verborgenheit hervor sticht. Jemanden unter die Bank, oder in den Sack stecken, ihm überlegen seyn. Sich hinter jemanden stecken, ihn zum geheimen Werkzeuge in Erreichung seiner Absichten gebrauchen. Die Köpfe zusammen stecken, heimlich mit einander reden. Ingleichen in noch weiterm Verstande. Sich in Schulden stecken, Schulden machen, von welchen man sich nicht leicht wieder befreyen kann. Sich in Gefahr, in fremde Händel stecken, im gemeinen Leben. Stecke dich nicht in mancherley Händel, Sir. 11, 10. 3. Figürlich. (1) In einen sichern Ort in Verwahrung bringen. Eine Jungfer in das Kloster, einen Verbrecher in das Gefängniß stecken. Von der Einsperrung in ein Gefängniß sind im gemeinen Leben auch einstecken und beystecken üblich. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist stecken noch absolute, für in Verhaft nehmen üblich; wo es aber auch eine fehlerhafte Schreib- und Sprechart für stöcken seyn kann, ( S. dasselbe.) (2) Sich stecken, von dem Wasser, ist im gemeinen Leben so viel als sich stauchen, durch ein vorliegendes Hinderniß im Abflusse gehemmet werden. Bey den Jägern steckt sich das Wild, wenn es im Treiben zu enge zusammen kommt, so daß es nicht weiter kann, und gleichsam stockt. (3) In einem andern Verstande ist eben daselbst sich stecken, so viel als sich verbergen, wofür sonst verstecken üblich ist. Das Wild steckt sich, wenn es sich in die Dickungen verbirgt. (4) Geld in etwas stecken, es auf etwas wenden. Diesen Profit stecke ich in meinen Garten, Gell. Verwundern sie sich nicht, daß ich so viel Geld darein stecke? eben ders. (5) Jemanden etwas stecken, ihm insgeheim Nachricht davon geben. Er hat mir kein Wörtchen davon gesteckt. (6) In den Brand stecken, anzünden, von großen in Brand gesetzten Massen. Ein Haus, eine Stadt in Brand stecken. S. auch anstecken. So auch das Stecken. Anm. Bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern stecchen. Das Nieders. steken, Angels. stican, Engl. stick, und Schwed. sticka, bedeuten nicht allein stecken, sondern auch stechen. Beyde Wörter scheinen ursprünglich nur in der Mundart verschieden zu seyn, obgleich auch das letztere ein Intensivum des erstern seyn könnte; indessen sind ihre Gränzen im Hochdeutschen dem zu Tage genau abgezeichnet. Stechen bedeutet bloß eine Öffnung, die Verwundung machen, stecken das Befestigen oder Verbergen in dieselbe. Im Oberdeutschen ist erstecken auch für das Activum ersticken üblich: Schlechte Kunst ist Krieg erwecken, Schwere Last ist Krieg erstrecken, Große Kunst ist Krieg erstecken, Logau. welches aber im Hochdeutschen unbekannt. S. Steckfluß. Einige Sprachlehrer, z. B. Frisch und nach ihm Aichinger behaupten einen Unterschied in der Aussprache zwischen dem Neutro und Activo stecken, und wollen, daß das erste e in dem Neutro wie ein ä, in dem Activo aber wie ein scharfes e lauten soll. In der Aussprache der Hochdeutschen findet sich von dieser Aussprache keine Spur, welche allenfalls ein Provinzial-Gebrauch seyn könnte, wenn er nicht gar eine Grille ist.


Steckenerbse (W3) [Adelung]


Die Steckenerbse, plur. die -n, in einigen Gegenden für Stäbel- oder Stängelerbsen, welche sich an Stecken oder Stäbe zu ranken pflegen.


Steckenknecht (W3) [Adelung]


Der Steckenknecht, des -es, plur. die -e, ein Knecht oder Gehilfe des Profoßes in dem Kriegeswesen, entweder weil er nur mit einem Stecken bewaffnet ist, oder weil er die zur Züchtigung der Soldaten nöthigen Stecken herbey schaffen muß; im gemeinen Leben einiger Gegenden, Stäbke, Stäbken, von Stab. In Dresden werden auch diejenigen Bauknechte, welche die Aufsicht auf die Baugefangenen unter dem Profoße haben, Steckenknechte genannt.


Steckerbsen (W3) [Adelung]


Die Steckerbsen, sing. inus. ein Nahme der Felderbsen, wenn sie nicht gesäet, sondern nach Art der Gartenerbsen in lange schmale und seichte Gruben gesteckt werden.


Steckfluß (W3) [Adelung]


Der Steckfluß, des -es, plur. die -flüsse, ein Fluß, welcher den, welchen er befällt, plötzlich erstickt; Catarrhus suffocativus. Von dem Oberdeutsch. stecken, ersticken machen; daher in vielen Gegenden auch das mehr Hochdeutsche Stickfluß üblich ist.


Steckförster (W3) [Adelung]


Der Steckförster, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in und um Nürnberg übliches Wort, einen Förster zu bezeichnen, welcher von dem Erbförster an seine Statt zur Huth des Waldes verordnet wird.


Steckgarn (W3) [Adelung]


Das Steckgarn, des -es, plur. die -e, im Jagdwesen Garne oder Netze, welche zum Hühner- oder Lerchenfange gebraucht und auf die Erde gesteckt werden; Stecknetze, Flachgarne.


Steckhusten (W3) [Adelung]


Der Steckhusten, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. wie Steckfluß, von dem Oberd. stecken, ersticken machen, ein Husten, welcher mit Ersticken drohet, mit welchem ein Trieb zum Ersticken verbunden ist; der Stickhusten.


Steckkiel (W3) [Adelung]


Der Steckkiel, S. Steckelkiel.


Steckkraut (W3) [Adelung]


Das Steckkraut, des -es, plur. inus. S. Orant.


Steckleiter (W3) [Adelung]


Die Steckleiter, plur. die -n, Leitern, (eine Art Garne,) welche an kleine Stäbe gebunden und zu beyden Seiten des Treibezeuges gestecket werden, damit auf den Flügeln nichts durchkommen kann; Laufleitern. S. Leiter.


Steckleuchter (W3) [Adelung]


Der Steckleuchter, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Leuchter, mit einem kurzen hölzernen Griffe und einer eisernen Spitze, ihn in eine Wand u. s. f. zu stecken.


Steckmuschel (W3) [Adelung]


Die Steckmuschel, plur. die -n, eine Art zweyschaliger langer Muscheln, welche in eine schmale Spitze zulaufen; Pinna L. Vielleicht weil man sie mit ihrer Spitze gemeiniglich im Sande stecken findet.


Stecknadel (W3) [Adelung]


Die Stecknadel, plur. die n, Nadeln mit einem kleinen runden Kopfe, die Theile der Kleidungsstücke damit anzustecken; zum Unterschiede von den Nähnadeln. In Österreich und Baiern nennt man die Stecknadel Spännadel, Spändel, Spenel. Franz. Epingle, im Böhmischen Sspendlik, Spinadlo, mit dem Latein. Spinula, aus Einer Quelle; in andern Oberdeutschen Gegenden, Guffe, Gluffe, Klufe, Kluft, Fürspang, Heftel, Heftlein, im Niedersächsischen Knopfnadel, Knipnadel, und in einigen Gegenden gleichfalls Spendel, Spenel.


Stecknagel (W3) [Adelung]


Der Stecknagel, des -s, plur. die -nägel, ein Nagel, welcher zur Befestigung in etwas gestecket wird, von welcher Art die Stecknägel im Bergbaue sind, die Kunststangen in dem Geschütze zu befestigen.


Stecknetz (W3) [Adelung]


Das Stecknetz, des -es, plur. die -e, S. Steckgarn.


Steckreis (W3) [Adelung]


Das Steckreis, des -es, plur. die -er, ein Reis, oder junger Zweig eines Baumes, welchen man unter dem Knoten des vorigen Jahres abschneidet, und ihn zur Fortpflanzung in die Erde steckt. So werden die Weiden am häufigsten durch Steckreiser fortgepflanzt.


Steckrübe (W3) [Adelung]


Die Steckrübe, plur. die -n, ein Nahme, welchen in einigen Gegenden, z. B. in Meißen, die Kohlrüben führen, Brassica oleracea Napobrassica Linn. In andern führet eine Art kleinerer Rüben, welche eine Abänderung der Brassica Napus Lin. sind, den Nahmen der Steck- oder Steckelrüben, und zuweilen pflegt man auch die ganz kleinen Rüben, welche vorzüglich bey der Stadt Teltov in der Mittelmark wachsen, mit diesem Nahmen zu belegen. Von dieser Art sind vermuthlich auch die, welche man in Österreich Scherrübel nennt, weil man sie scheren oder schaben muß.


Steckzirkel (W3) [Adelung]


Der Steckzirkel, des -s, plur. ut nom. sing. bey einigen ein Nahme des Reißzirkels, weil man dessen Spitzen verwechseln, und bald diese, bald jene hinein stecken kann.


Steffen (W3) [Adelung]


Steffen, der Nahme Stephanus in den gemeinen Mundarten, S. denselben.


Steft (W3) [Adelung]


Der Steft, S. Stift.


Steg (W3) [Adelung]


Der Steg, des -es, plur. die -e, ein Wort, welches überhaupt den Begriff eines schmalen sich in die Länge dehnenden Körpers zu haben scheinet. 1. Im weitesten Verstande, wo es doch nur als ein Kunstwort in einigen einzelnen Fällen üblich ist. So sind die Stege bey den Buchdruckern schmale lange Hölzer, den leeren Raum zwischen den Columnen in der Form auszufüllen. Im Bergbaue werden so wohl die Hölzer, zwischen welchen das Feldgestänge schiebet, als auch das Quereisen an dem Laufkarren der Bergleute Stege genannt; der letztere heißt zum Unterschiede der Karrensteg. Bey den Tischlern sind die Stege die schmalen Breter an den Thüren, welche die Füllungen einschließen und aufnehmen. Der Steg an der Säge ist das lange schmale Holz, welches die beyden Arme über dem Blatte verbindet, und den Spanner trägt. Die Stege oder Sattelstege sind ähnliche Hölzer zwischen den Bäumen zu beyden Seiten des Sattels. In den Säulenordnungen ist der Steg die mittelste Erhöhung zwischen zwey ganzen Schlitzen an den Dreyschlitzen der Dorischen Ordnung; Femur. Und so noch in vielen andern Fällen mehr. 2. In engerer Bedeutung ist der Steg ein langes schmales Holz über einen Graben oder Fluß, auf welchem Fußgänger über denselben gehen können; ingleichen eine aus mehrern solchen Hölzern zusammen gesetzte schmale Brücke; so lange sie nur allein für Fußgänger dienet. Über einen Steg gehen. Alle Wege und Stege wissen. Weder Weg noch Steg wissen. Auch die ähnliche schmale Brücke, welche man von einem Schiffe an das Ufer legt, heißt im Nieders. der Steg, so wie im Bergbaue. ein solcher Weg, worauf man hin und wieder gehet, oder mit dem Schubkarren fähret, diesen Nahmen führet, wo es aber im Niedersächsischen ungewissen Geschlechtes ist, das Steg. Figürlich, wegen einer Ähnlichkeit in der Gestalt mit solchen schmalen Brücken ist der Steg an den Violinen und andern Saiten-Instrumenten, ein erhabenes oben halb geründetes Bretchen, welches die Saiten trägt und sie in der bestimmten Erhöhung hält.

Anm. Im Nieders. gleichfalls Steg. Steg, Steig und Stiege sind freylich nahe verwandt und stammen alle drey von dem Zeitworte steigen ab; Steg aber, allem Ansehen nach, nicht so wohl, so fern dieses Zeitwort geben, sondern vielmehr so fern es figürlich, sich in die Länge ausdehnen oder erstrecken bedeutet, so daß Steg mit Stock, Stecken, Stange, und dem Nieders. Staken nahe verwandt ist. Indessen werden Steg und Steig in den gemeinen Mundarten so wohl für sich allein, als auch in den Zusammensetzungen häufig verwechselt, obgleich beyde im Hochdeutschen deutlich unterschieden sind.


Stegebereiter (W3) [Adelung]


Der Stegebereiter, S. Steigebereiter.


Stegekehrer (W3) [Adelung]


Der Stegekehrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Arbeiter in dem Salzwerken zu Halle, welcher die Stege oder Bohlen, worauf die Sohle in die Kothe getragen wird, reiniget, der Stegeschäufler.


Stegereif (W3) [Adelung]


Der Stegereif, des -es, plur. die -e, ein mit einem Riemen an dem Sattel befestigter Reif, vermittelst desselben auf das Pferd zu steigen und die Füße im Reiten darein zu setzen. Es ist jetzt unter dem Nahmen des Steigbügels am bekanntesten. Bey dem Stryker und im Schwabenspiegel Stegraif, Stegeraif. Mit einem seim Fus er begrayff Die erd, der annder in stegkrayff Noch belibe hangen, Theuerd. Kap. 35. Im Hochdeutschen ist es in einigen figürlichen R. A. am bekanntesten. Etwas aus dem Stegereife thun, auf der Stelle, ohne lange Vorbereitung, ex tempore. Ehedem sagte man auch, sich von dem Stegereife nähren, von dem Straßenraube. Die erste Sylbe stammet unmittelbar von dem Zeitworte steigen her, daher man es billig Steigreif schreiben und sprechen sollte; indessen ist die obige Art nicht nur die älteste, sondern auch noch jetzt die allgemeinste.


Stegering (W3) [Adelung]


Der Stegering, des -es, plur. die -e, ein Ring an dem Sattelstege, andere Theile daran zu befestigen.


Stegeschäufler (W3) [Adelung]


Der Stegeschäufler, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Stegekehrer.


Stehen (W3) [Adelung]


Stehen, verb. irreg. ich stehe, du stehest oder stehst, er stehet oder steht; Imperf. ich stand, (im gemeinen Leben stund) Con- junct. ich stände, (im gemeinen Leben stünde) Mittelw. gestanden; Imperf. stehe oder steh. Es ist ein Neutrum, welches im Hochdeutschen das Hülfswort haben bekommt, und bedeutet, auf seiner kleinsten Seite ruhen, in welcher Stellung ein Körper zugleich die größte mögliche Höhe hat. 1. Eigentlich. Ich habe den ganzen Tag gestanden. Auf seinen Füßen stehen, auf dem Kopfe stehen; welches Vorwort auf gemeiniglich auch der Ort oder Raum bekommt, welchen man in dieser Stellung einnimmt. Auf der Erde, auf dem Stuhle, auf dem Tische stehen. Das Glas stehet auf dem Schranke, im Fenster, im Ofen u. s. f. Immer auf Einer Stelle stehen. Am Ufer, am Markte stehen. Eine Leiter stund (stand) auf Erden, 1 Mos. 28, 12. Das Stehen fällt mir beschwerlich. Gerade, aufrecht, schief stehen. Sie standen alle um uns herum. Hinter der Thür stehen. Stehen bleiben. Jemanden im Wege stehen; auch figürlich für hindern. Er war schon lange der geschworne Feind des Umgekommenen, der allen seinen Absichten im Wege gestanden hatte, Sulz. Etwas stehend thun. Stehendes Fußes hingehen, den Augenblick, auf der Stelle. Die Haare stehen mir zu Berge, ein gewöhnlicher Ausdruck, den höchsten Grad des Schauderns, des mit Abscheu verbundenen Schreckens zu bezeichnen. Das Messer steht uns an der Kehle, wir befinden uns in dem Augenblicke der größten Gefahr. Ein stehender Gang, im Bergbaue, der dem Compasse nach die Stunde von 12 bis 3 führet. Dem Fallen nach ist eben daselbst ein stehender Gang, welcher gerade nieder, oder doch 80 Grad nach dem Zirkelbogen fällt, im Gegensatze eines donlegen, flachen und schwebenden Ganges. Stehendes Holz, im Forstwesen, welches noch auf dem Stamme stehet, und nicht gefället ist. In allen diesen Fällen wird stehen entweder ohne Rücksicht auf eine andere Art der Stellung, oder auch im Gegensatze des Liegens und Sitzens gebraucht. In sehr vielen Fällen aber wird es auch, dem Gehen und im weitern Verstande der Bewegung überhaupt entgegen gesetzt. Stehen oder stille stehen. Und die Träger stunden, nähmlich still, Luc. 7, 14. Sonne steht still zu Gibeon! Die Uhr bleibt stehen. Stehendes Wasser, im Gegensatze des fließenden. Einen flüssigen Körper umrühren und stehen lassen. Etwas stehen lassen, es im Stande der Ruhe lassen. Die Pferde wollen nicht stehen. Wie ich gehe und stehe, wie ich gewöhnlich gekleidet bin. Stehendes Tauwerk, auf den Schiffen, welches fest angeschlagen ist, im Gegensatze des laufenden. Stehende Hebungen eines Gutes, gewisse Einkünfte, im Gegensatze der ungewissen. Worauf sich denn auch verschiedene figürliche Arten des Ausdruckes beziehen. Die Soldaten stehen im Felde, wenn sie Stand halten, ihren Feind erwarten, um ihm zu widerstehen. Der Feind wollte nicht stehen, war nicht zum Stehen zu bringen. Einem stehen, ihn erwarten, um ihm Widerstand zu leisten, ihm Rede und Antwort zu geben u. s. f. Um diese Zeit (im 28sten Jahre) sind die Frauenzimmer in ihren stehenden Jahren, Rabener, wo ihr Alter gleichsam einen Stillstand macht. Ein Fluß steht, wenn er mit Eis bedeckt ist, und also nicht sichtbar fließet. Bey etwas stehen bleiben, nicht weiter fortfahren, sich dabey aufhalten, ingleichen dabey und damit abbrechen. Wir blieben bey den drey Morgensegen stehen, Gell. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. (1) In einigen doch nur einzelnen und bestimmten Fällen wird es von solchen Handlungen gebraucht, welche mit einem Stehen verbunden sind, da es denn auch die vierte Endung der Sache bekommt, als wenn es ein Activum wäre. Schildwache stehen, Gevatter stehen, bey jemanden Gevatter stehen, im gemeinen Leben zu Gevatter stehen. Ich habe Gevatter gestanden, Gell. Bey jemanden die Jahre stehen, die Lehrjahre bey ihm aushalten und vollbringen. Sein Vater und ich haben die Jahre mit einander gestanden, Weiße; sind zu Einer Zeit bey einem Lehrherren in der Lehre gewesen. Seinen Mann stehen, eigentlich in der Vertheidigung es mit seinem Gegner aufnehmen, demselben gewachsen seyn, und in weiterer Bedeutung, sich männlich wehren, widerstehen. Opitz sagt dafür: seinen Mann nach Vermögen wehren. Der Hund steht einen Hasen, bey den Jägern, wenn der Hühnerhund ein Wildbret angetroffen und vor demselben stille stehet. (2) Sehr häufig verlieret sich der Begriff der kleinsten Fläche, und da bedeutet stehen bloß sich an einem Orte befinden, oft ohne allen Nebenbegriff, oft mit dem Nebenbegriffe der Ruhe, oft aber auch der Dauer, des Daseyns u. s. f. Die Pferde stehen im Stalle, befinden sich in demselben. Sechs Pferde auf dem Stalle stehen haben. Es steht ein Gewitter am Himmel. Die Waaren stehen im Hause. Von Truppen gebraucht, bedeutet es, sich eine Zeitlang an einem Orte im Stande der Ruhe befinden. Im Lager, in Garnison, in den Winter-Quartieren, im Felde stehen. Der Stab steht in der Stadt. Die Franzosen stehen am Rhein. Mein Herz erweitert sich von einem frohen Stolze, indem eine Thräne in meinem Auge stehet. Dusch. Und mit der auch nicht ungewöhnlichen Verwechselung des Subjects. Die Augen stehen voll Thränen; der Stall steht voller Pferde. Das Wildbret stehet in einem Holze, bey den Jägern, wenn es sich gewöhnlich und gern in demselben aufhält. Es stehen artige Sachen in dem Buche. Das steht in der Bibel. Geld bey jemanden stehen haben, Geld auf Interessen stehen haben. Ein Capital auf Grundstücken stehen haben. Der Altar steht in der Kirche, der Baum am Wasser, das Haus auf einem Berge. Es stehet mir ein Unglück, bevor. Es stehet noch dahin, ist noch ungewiß. Zurück stehen müssen, zurück gesetzt werden. Das Haus, die Stadt steht noch, ist noch wirklich vorhanden. So lange die Welt stehet, wirklich ist. Besonders mit allerley Vorwörtern, welche theils figürliche Redensarten bilden helfen, theils auch dem Stehen allerley Nebenbegriffe ertheilen, doch so, daß der Begriff des örtlichen Befindens immer der herrschende bleibt. (1) Mit an. Hoch am Brete bey jemanden stehen, bey ihm in Ansehen stehen. Die Ochsen stehen am Berge, im gemeinen Leben, wir können wegen eines Hindernisses nicht weiter. (2) Mit auf. Auf dem Sprunge, auf dem Puncte stehen, im Begriffe seyn. Auf jemandes Seite stehen, es mit ihm halten, seine Partey nehmen. Stehe nicht auf deinem eigenen Kopfe, Sir 10, 29, wofür man jetzt bestehen sagt. Auf seiner Huth stehen. Das Haus stehet auf den Fall, im Oberdeutschen, neiget sich zum Falle, ist im Begriffe zu fallen. Auf deinen Kopf stehet eine Belohnung. Es stehet der Galgen, eine große Strafe darauf. (3) Mit bey. Das stehet bey ihnen, ist in ihrer Gewalt, Willkühr. Das stehet bey Gott, kommt auf Gottes willen an. Die Zahl der Monden steht bey Gott, Hiob 14, 5. Mein Glück stehet bey ihnen, in ihrem Vermögen. Hätte es bey mir (in meinem Willen) gestanden, so würde es nicht geschehen seyn. Gut bey jemanden stehen, bey ihm in Gunst, in Gnaden stehen. Er steht ziemlich schlecht bey ihr, so sehr sie sich auch nach seiner Weise zu richten scheint, Less. Stehe ich bey ihnen noch so wie ehemahls? Bey jemanden stehen Ps. 94, 9, ihm Beystand leisten, ist veraltet, weil beystehen dafür üblicher ist. (4) Mit für. Wir stehen für Einen Mann, vertreten die Stelle eines einzigen, handeln mit vereinigten Kräften. Ich stehe dafür, bin gut dafür: im gemeinen Leben, ich stehe dir gut dafür. Für eine Schuld stehen. Ich wollte nicht da- für stehen, daß er das nicht thun sollte. Wer stünde mir denn für mein Leben? Gell. Dein Herz wird für dich stehn, dein Wandel für dich sprechen? Schleg. Wer soll die Kosten stehen? d. i. tragen, mit Auslassung des für. (5) Mit in. In Gnaden bey jemanden stehen, in dessen Gunst stehen. ( S. mit dem Vorworte bey.) Das stehet noch in weitem Felde, ist noch sehr ungewiß. Das stehet nicht in meiner Macht, in meinem Vermögen, in meinen Kräften, in meiner Gewalt. Unser Schicksal stehet in den Händen der Vorsicht, Gell. Unsre Zeit steht in Gottes Hand, Ps. 31, 16. Im Begriffe stehen. In den Gedanken, in der Meinung stehen. In Zweifel, in Furcht stehen. Ich stehe in dem Verdachte, so wohl ich hege den Verdacht, als auch andere hegen von mir den Verdacht. In gutem Vernehmen, in Verbindung mit jemanden stehen. Im Rufe der Wahrheitsliebe und Tugend stehen. Wenn es in seinem Gehirne so richtig stünde, als in seinem Gewissen, so wollte ich gut für ihn seyn, Schleg. Er steht in der Blüthe seiner Jahre. Du liebst ihn, doch dein Herz steht mit sich selbst in Streit, Gell. Wer nicht unerlaubtes denkt, der steht nie in der Gefahr zu frey zu reden, eben ders. In der Vereinigung mit Gott stehen. Sein Herz steht jetzt nicht in der Verfassung, sich deßwegen zu beruhigen. Bey jemanden in der Lehre, in Arbeit, in Condition stehen. In einem öffentlichen Amte stehen. Das Reich Gottes stehet nicht in Worten, 1 Cor. 4, 20. für bestehet, eine veraltete Bedeutung. (6) Mit nach. Jemanden nach dem Leben stehen, trachten. Mit andern Hauptwörtern ist es im Hochdeutschen veraltet. In Luthers Bibel kommt noch vor, einem nach der Seele stehen, Ps. 17, 19. Nach einem höhern Stande stehen, Sir. 3, 22. Nach der Gerechtigkeit stehen, Röm. 9, 30. Und Opitz sagt noch: Die, so nach gutem Wandel stehen. (7) Mit unter. Unter jemanden stehen, von ihm in seinem Verhalten eingeschränkt werden. Unter jemandes Gerichtbarkeit, Herrschaft, Gewalt stehen. Er steht, so wie die meisten Männer, unter dem Pantoffel. (8) Mit vor. Vor den Riß stehen. Und so in hundert andern Fällen mehr. Of wird es auch in noch weiterm Verstande für seyn schlechthin gebraucht. Sie stehen in einer Gleichheit, sie sind einander gleich. Es stehet dir frey, du hast die Erlaubniß, die Freyheit dazu. Das Haus, die Thür steht offen. Mein Haus steht ihnen offen. Zu Kaufe stehen, im gemeinen Leben für feil seyn. Jemanden zu Gebothe stehen, bereit, verbunden seyn, dessen Befehle anzunehmen. Das stehet zu ihren Diensten. Was stehet zu ihrem Befehle? Alle Leidenschaften müssen der herrschenden zu Gebothe stehen. Ingleichen mit dem Infinitiv, welche Wortfügung besonders den Oberdeutschen sehr geläufig ist. Es stehet nicht zu läugnen, nicht abzusehen. Das stehet leicht zu ermessen, zu gewarten, zu wünschen, zu hoffen, zu überlegen u. s. f. Ohne sein Vorwissen stehet mir nichts zuzusetzen, darf ich nichts hinzusetzen. Für den Leib stehet nichts bessers zu gewarten, als Tod und Verwesung. Wem nicht zu rathen steht, dem steht auch nicht zu helfen. (9) In vielen Fällen bedeutet stehen auch befinden, dem äußern Zustande, den äußern Umständen nach. Wie stehen die Sachen? in was für Umständen befinden sie sich? Die Sache steht gut, schlecht. Wie stehet es zu Hause? Ich weiß schon wie ich stehe, in was für Umständen ich mich befinde. Ingleichen mit einigen Vorwörtern. Wie stehet es mit deinem Bruder? mit deiner Gesundheit? u. s. f. Wie steht es mit deinem Herzen? Gell. Es steht schlecht mit ihm, so wohl der Gesundheit, als auch dem Vermögen, den häuslichen Umständen nach. Wie steht es um unsre Sachen? Sehen sie doch, wie es um mein künftig Glück steht, Gell. Wie schlimm wirds um die Sphären stehn? eben ders. Hingegen, mit jemanden stehen, bezeichnet das Verhältniß verschiedener Art, in welchem man sich mit jemanden befindet. Ich weiß am besten, wie ich mit ihm stehe. Mit jemanden auf einem guten Fuße stehen, in einem guten Vernehmen mit ihm leben. Der Umgang mit einem Menschen, mit welchem man so stehet, ist sehr peinlich. Sich gut stehen, in guten Umständen des zeitlichen Vermögens seyn. Sich gut bey etwas stehen, Gewinn, Vortheil bey einer Sache haben. (4) Zu stehen kommen, deutet in der vertraulichen Sprechart auf den Preis, um welchen man eine Sache hat. Das Gut kommt mir (nicht mich) hoch, theuer, nicht hoch, nicht theuer zu stehen. Der Spaß könnte mir sonst theuer zu stehen kommen, Weiße, er könnte nachtheilige Folgen für mich haben. Die Rache kam ihm hoch zu stehn, Lichtw. (5) Gut stehen, gut lassen, zieren. Das Kleid stehet mir nicht, kleidet, zieret mich nicht. Die Ohrgehenke stehen ihnen ganz vortrefflich, Gell. Ja, lockigt Haar steht fein, eben ders. Umkränzt mit Rosen eure Scheitel, Noch stehen euch die Rosen gut, Haged. Ihr empfindliches Gewissen Hasset, was so weltlich steht, eben ders. Vnd stat din rosenkranz dir eben, die Winsbeckinn. So auch das Stehen, doch nur in der eigentlichen und der ersten figürlichen Bedeutung. Anm. 1. Im Oberdeutschen ist dieses Zeitwort, so wie sitzen und liegen, mit dem Hülfsworte seyn üblich. Ich stelle es dahin, ob Budorgis jemahls hier gestanden sey, Opitz. Das Schloß ist ehemahls auf dem Eggberge gestanden, Bluntschli. Welches auch wohl einige Hochdeutsche nachahmen. Das ist mir im Wege gestanden, Gottsch. Allein die Hochdeutsche Mundart kennt eigentlich nur das Hülfswort haben. Diese und andere Beyspiele haben denn auch wohl einige Sprachlehrer bewogen, daß sie diesem Zeitworte beyde Hülfswörter beylegen, welches doch nicht anders als mit Vermischung der Mundarten geschehen kann. Anm. 2. Bey dem Kero, Ottfried und andern Alten, ingleichen noch bey den heutigen Schweizern staan, standan, im Nieders. gleichfalls staan, bey dem Ulphilas standan, im Angelsächs. standan, stondon, im Schwed. sta, standa, im Isländ. standa, im Engl. to stand, im Böhm. stati, im Pohln. stoie, ich stehe, im Lat. stare, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; woraus das hohe Alter und der weite Umfang dieses Zeitwortes zur Genüge erhellet. Im Oberdeutschen wurde es ehedem auch für steigen gebraucht. Tewrdank stund von seim pferdt. Theuerd. Kap. 25. Darumb so steet ab pald zu fuß, Kap. 30. Diese mehr thätige Bedeutung scheinet eine der ersten und ursprünglichsten gewesen zu seyn, so daß stehen oder stahn, eigentlich den Laut nachahmet, welcher mit dem Auftreten verbunden ist, welches mit andern Endlauten und härterm Laute auch von stapfen, Stufe u. s. f. gilt. ( S. Staat, Stadt, Statt, Stand, Stätig, stets u. s. f.) welche insgesammt von diesem Zeitworte abstammen.) Das Factitivum von stehen ist stellen, stehen machen.


Stehlen (W3) [Adelung]


Stehlen, verb. irreg. act. ich stehle, du stiehlst, er stiehlt; Imperf. ich stahl, (im gemeinen Leben ich stohl;) Conjunct. ich stähle, (im gemeinen Leben stöhle;) Mittelw. gestohlen; Imperat. stiehl. 1. Im weitesten und allem Ansehen nach ursprüng- lichen Verstande, etwas in der Stille und mit Heimlichkeit thun, ohne daß es von andern bemerkt werde; in welcher Bedeutung es nur noch in einigen Fällen und Zusammensetzungen üblich ist. Sich heimlich aus einer Gesellschaft wegstehlen, sich aus dem Hause stehlen, sich hinaus stehlen, unbemerkt hinaus schleichen. Unfalo der vngetrew man Aus dem schiff sich heimlich stal, Theuerd. Kap. 43. Dieß ist ein Sonnenblick, Der mühsam sich durch eine Wolke stiehlt, Weiße. Daher heißt verstohlen noch sehr häufig so viel als heimlich, unbemerkt. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist stehlen, einem andern sein Eigenthum heimlich und wider dessen Willen entwenden; durch welche Heimlichkeit es sich von rauben unterscheidet, welches eine offenbare Gewalt voraussetzet. Einem andern etwas stehlen, Geld, Vieh, Menschen stehlen. Es ist mir gestohlen worden. Er stiehlt, wie ein Rabe. Rauben und stehlen. Wer meinen Ruhm berupft, stiehlt zwar sich selbst nicht reich, Mich aber stiehlt er arm, Haged. Ein Buch aus andern zusammen stehlen, zusammen schreiben, eine die Verfasser zu nennen. In einigen Fällen verlieret sich das Gehässige, welches die Entwendung des Eigenthumes auf dieses Wort wirft. Jemanden seine Zeit stehlen, ihn unvermerkt um dasselbe bringen. Jacob stahl Laban das Herz, 1 Mos. 31, 20, setzte sich unvermerkt in Labans Gunst. So auch das Stehlen. S. auch Diebstahl.

Anm. Bey dem Ulphilas stilan, bey dem Notker, Ottfried u. s. f. stelan, im Angels. stelan, im Nieders. stelen, im Engl. to steal, im Ital. stela, im Schwed. stjäla. Ihre glaubt, daß es mit vorgesetztem st von hehlen, verbergen, gebildet worden, in dem stjäla im Schwed. ehedem für verbergen, gebraucht wurde auch in mehrern Sprachen stehlen, unläugbar von hehlen abstammet, wie in Schwed. fula, von fela, bedecken, im Gothischen Hlittus, ein Dieb, von hlifan, bedecken. Allein, da der Begriff der Heimlichkeit diesem Wort so sichtlich anklebet, so ist es glaublicher, daß es ursprünglich den schleichenden Laut einer heimlichen Bewegung nachgeahmet hat, und zugleich das Stammwort von dem Intensivo still ist. S. dasselbe


Stehler (W3) [Adelung]


Der Stehler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person, welche stiehlt; ein nur in dem sprichwörtlichen Satze: der Hehler ist so gut, als der Stehler, übliches Wort. In andern Fällen ist dafür Dieb eingeführet.


Steif (W3) [Adelung]


Steif, -er, -este, adj. et adv. unbiegsam, was sich nicht biegen lässet. 1. Eigentlich, wo es so wohl überhaupt von dieser Eigenschaft gebraucht wird, als auch in engerm Verstande von solchen Körpern, welche gewöhnlich biegsam sind. Es bezeichnet alsdann einen geringern Grad der Unbiegsamkeit als das intensive starr. Steife Leinwand, welche mit Gummi steif gemacht worden; im Oberd. starr. Mosis Hände blieben steif, 17, 12. Steife Stiefeln. Die Kleider, die Finger sind ganz steif gefroren. Einen steifen Hals, steifen Arm haben. Das Pferd ist steif, wenn es die Gelenke in den Füßen nicht biegen kann, wenn sie stehen. In einigen Fällen auch von weichen Körpern, wenn sie einen hohen Grad der Dicke haben. Steifer Matz, steifer Käse, in einigen Gegenden ein Nahme des Streichkäses oder Quarkes. Ehedem bedeutete es auch fest, unbeweglich, im eigentlichen Verstande; in welchem es aber im Hochdeutschen veraltet ist. Diß Ganze hier, der Erden schönes Haus, Hat er so steif gesetzet aus und aus, Opitz. Dein Same ist von mir unendlich steif gesetzet, eben ders. Die Erde hat er auch auf ihren Fuß So steif gesetzt, daß ihr Grund bleiben muß, eben ders. Auf welche Bedeutung sich noch einige der folgenden figürlichen beziehen. 2. Figürlich. (1) Steif auf etwas sehen, mit unverwandten Augen, wofür auch starr üblich ist. Jemanden steif in die Augen sehen. Steif auf die Erde sehen. Es ist hier nur als ein Nebenwort gangbar. (2) Standhaft, fest im figürlichen Verstande, mit anhaltender Anstrengung des Gemüthes. Sich etwas steif vorsetzen. Steif über etwas halten. Er hält steif über den alten Adel. Ich bilde steif mir Gottes Beystand ein, Opitz. Weil alle steif auf ihren Sinn beharrten, Gell. Besonders in Verbindung mit dem Worte fest. Steif und fest auf etwas beharren. Es ist steif und fest beschlossen, unveränderlich. Ich werde steif und feste daran hangen, Opitz. Im Hochdeutschen ist es auch hier als ein Nebenwort am üblichsten; in einigen Provinzen hingegen sagt man auch, ein steifer Vorsatz, ein fester; eine steife Liebe, eine standhafte; ein steifes Vertrauen, ein festes. (4) Auf eine fehlerhafte Art unbiegsam und gerade, von Dingen, welche eine angenehme Biegsamkeit haben sollten, und in weiterm Verstande, gezwungen, von Stellungen, Gewerben u. s. f. Er stehet so steif da wie ein Klotz. Ein steifes Compliment. Die steife Förmlichkeit im Umgange. Die stolze Hofdame, welche ihrer Frau eine steife Verbeugung und ein durchlauchtiges Lächeln abgeborgt hat. In seinem Betragen steif seyn. Ein Sprößling eigennützger Ehe, Der stolz und steif und bürgerlich Im Schmausen keinem Fürsten wich, Haged.

Anm. Im Nieders. stief, im Angels. stif, im Engl. stiff, im Schwed. styf, im Isländ. stifur, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches so wohl steif als fest bedeutet. Es ist allem Ansehen nach mit Stab Eines Geschlechtes, und stammet mit demselben vermittelst des veränderten Endlautes von stehen ab. Im Niedersächsischen ist auch stävig für steif üblich, welches seine Abstammung von Stab, Niedersächs. Stav, noch weniger verläugnen kann.


Steife (W3) [Adelung]


Die Steife, plur. die -n, von dem vorigen Beywort. 1. Die Eigenschaft eines Dinges, da es steif ist in allen vorigen Bedeutungen; ohne Plural. Die Steife der Glieder. Einem Zeuge die Steife benehmen. Die Steife der Stellung, in welcher letzten figürlichen Bedeutung noch das Beywort im ungewissen Geschlechte am üblichsten ist; das Steife einer Figur, eines Compliments. In einigen Gegenden wird auch die Lähmung oder der Schlag, so fern er nur ein oder das andere Glied steif macht, die Steife genannt. Im gemeinen Leben ist für dieses ganze Abstractum auch die Steifigkeit, in der bessern Schreibart aber Steifheit üblich. 2. Was andere Körper steif macht; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht werden kann. So wird die Stärke, womit man die Wäsche zu steifen oder zu stärken pflegt, häufig die Steife, das Steifsel, Nieders. Stievels genannt. Bey den Hutmachern ist die Steife der Leim, womit man die Hüte steifet. 3. In der Zimmermannskunst wird eine Stütze, besonders eine schiefstehende Stütze, worauf sich eine Last steifet, so wohl eine Stütze, als eine Steife genannt.


Steifen (W3) [Adelung]


Steifen, verb. reg. act. 1. Steif machen, doch nur in einigen Fällen. Die Wäsche steifen oder stärken, sie mit Stärke oder Steife steifer machen. Die Hutmacher steifen die Hüte, wenn sie selbige nach dem Färben mit Leim steif machen. ( S. auch Aufsteifen.) Derjenige, welcher dieses thut, wird der Steifer genannt. Figürlich ist, jemanden in etwas steifen, ihm Bewegungsgründe, Reitzungen geben, auf seinem Vorhaben zu beharren; ihn in einer Bosheit, in seinem Vorsatze steifen. 2. Stützen. Die Feuerhaken steifen, sie mit Gabeln stützen. Am häufigsten als ein Reciprocum. Sich auf etwas steifen. Besonders im figürlichen Verstande. Sich auf einen Einwurf, auf einen Grund steifen. Ich konnte mich weder auf meine Kräfte, noch auf anderer Hülfe steifen, verlassen. So auch das Steifen.

Anm. Im Nieders. stiven, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, verdicken. Im Angels. ist stifian, steif seyn oder werden, als ein Neutrum.


Steifheit (W3) [Adelung]


Die Steifheit, plur. inus. Die Eigenschaft, da ein Ding steif ist, so wohl im eigentlichen als figürlichen Verstande. Man stehet der Überlegung eine gewisse Steifheit an.


Steig (W3) [Adelung]


Der Steig, des -es, plur. die -e, ein Weg, wo es ehedem im weitesten Verstande üblich gewesen zu seyn scheinet, in welchem es in der Deutschen Bibel noch häufig vorkommt. Zeige mir und lehre mich deine Steige, Ps. 25, 4. Ich will sie führen auf Steigen, die sie nicht kennen, Es. 42, 16. Daher ist der Fußsteig, ein schmaler Weg für Fußgänger allein. Im Hochdeutschen ist es in dieser weitesten Bedeutung veraltet, wo man es zuweilen nur in engerer für Fußsteig gebraucht.

Anm. Im Nieders. Stieg, im Schwed. Stig, bey dem Ulphilas Staiga. Es stammet von steigen her, so fern dasselbe ehedem auch gehen überhaupt bedeutete, wodurch es sich von Steg und Stiege hinlänglich unterscheidet. Ohne Zischlaut gehöret auch das Schwedische Tae, ein enger Weg zwischen zwey Zäunen, und das Finnländische Tie und Esthländische Te, ein jeder Weg hierher, welche zunächst von ziehen, Nieders. tehen, abzustammen scheinen. So fern steigen aufwärts gehen bedeutet, war Steig ehedem im Oberdeutschen auch ein Hügel. Daher denn die eigenthümlichen Nahmen Wiesensteig, Altensteig, Niedersteig u. s. f. S. Steige 3.


Steigbereiter (W3) [Adelung]


Der Steigbereiter, des -s, plur. ut nom. sing. von Steig, ein Weg, in einigen Gegenden, ein verpflichteter Aufseher über die öffentlichen Wege und Straßen; der Weg- oder Straßenbereiter, im gemeinen Leben Stegbereiter.


Steigbohne (W3) [Adelung]


Die Steigbohne, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Schminkbohnen oder Faseolen, Phaseolus vulgaris Linn. weil sie an Stäben in die Höhe steigen oder sich ranken. S. Stängelbohne.


Steigbügel (W3) [Adelung]


Der Steigbügel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Bügel an einem Riemen, welcher an dem Sattel eines Reitpferdes befestiget ist, so wohl desto leichter auf den Sattel zu kommen, als sich auch desto fester in demselben zu erhalten. Ehedem der Stegereif, ( S. dieses Wort.) Schwed. Stegbögel. Es ist von steigen, weil man vermittelst desselben auf das Pferd steiget.


Steige (W3) [Adelung]


Die Steige, plur. die -n, ein in einer dreyfachen Bedeutung übliches Wort. 1. Von dem Zeitworte steigen, so fern es aufwärts gehen bedeutet, ist die Steige in vielen Hoch- und Oberdeutschen Gegenden, eine Leiter oder Treppe. Die Hühnersteige oder Hühnerleiter, worauf die Hühner in den Hühnerstall steigen. Die Kellersteige, Wendelsteige u. s. f. für Treppe. Auch ein erhöhtes Bret, vermittelst desselben über einen Zaun zu steigen, im Oberd. eine Stiegel, Nieders. Stiege, ( S. dasselbe.) 2. Ein aus Stäben, Sprießeln oder Sprossen bestehendes viereckiges Behältniß, in Gestalt eines Käfiges, das Federvieh, und besonders die Hühner darin zu mästen, heißt in Obersachsen eine Steige, eine Hühnersteige, im Oberdeutschen aber eine Steye, Ital. Stia. Etwa wegen der Ähnlichkeit mit einer Steige oder Leiter? Oder auch von stehen? zumahl da man eine solche Steige auch wohl einen Hühnerstand zu nennen pflegt. Im Niederdeutschen heißt ein solches Behältniß ein Kott. 3. In den gemeinen Sprecharten Oberdeutschlandes, z. B. in Wien, Nürnberg, Ulm, auch in Obersachsen ist die Steige eine Zahl von 20; in Niederdeutschland Stiege. Eine Steige Eyer, Steine, Thaler u. s. f. Im mittlern Lat. Steca, Stica. Es scheinet hier wie Mandel und andere ähnliche Wörter ursprünglich einen Haufen bedeutet zu haben, und daher zu steigen zu gehören, so fern es aufwärts in die Höhe gehen, bedeutet. S. Steig,

Anm. wo die Oberdeutsche Bedeutung eines Hügels hiermit verwandt ist.


Steigen (W3) [Adelung]


Steigen, verb. irreg. ich steige, du steigst, er steigt; Imperf. ich stieg; Mittelw. gestiegen; Imperat. steig, oder steige. Es ist eigentlich ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, aber in einigen Fällen mit der vierten Endung auch als ein Activum gebraucht wird. Es bedeutet, 1. Mit dem Stamm- und Grundbegriffe der Höhe. (1) Im weitesten Verstande, auf Stufen gehen, es sey nun hinaufwärts oder hinabwärts, und in noch weiterer Bedeutung, hinauf oder hinab schreiten oder gehen, so daß die Richtung allemahl durch ein Vor- oder Nebenwort bezeichnet wird. Von dem Berge herab steigen. Hinauf, herunter steigen. Aus dem Bette, in das Bett steigen. Auf den Tisch, von dem Stuhle, in das Fenster steigen. Von dem Pferde steigen. ( S. auch Absteigen.) Wo der Begriff der Höhe oft in der bloßen Erhebung der Beine liegt, daher man auch im Scherze sagt, es komme jemand angestiegen, wenn er mit aufgehobenen Beinen und weiten Schritten feyerlich einher gehet, welches man im Nieders. stapeln nennet, von Stapel Staffel. Hier wird es mit der vierten Endung der Fläche oft als ein Activum gebraucht. Ich muß die Treppe des Tages zehnmahl steigen, so wohl hinauf, als hinab. Ich kann keine Treppe mehr steigen. Mit den Hauptwörtern Treppe, Leiter, Stiege ist es in dieser Form am üblichsten; seltener mit andern. Doch sagt man auch, den Berg hinauf steigen. (2) In engerer Bedeutung, vermittelst der Stufen, oder auch mit aufgehobenen Beinen aufwärts oder in die Höhe gehen, auf einer senkrechten oder schiefen Fläche aufwärts gehen. (a) Eigentlich. Auf einen Baum, auf einen Berg, auf das Dach, auf die Kanzel steigen. Wo es oft auch gebraucht wird, wenn diese Erhebung durch einen bloßen Schritt, durch Erhebung der Beine geschiehet. Auf den Stuhl, auf das Pferd, auf den Tritt, in das Bett u. s. f. steigen. (b) Figürlich. aa) Sich in gerader oder schiefer Richtung aufwärts bewegen, es geschehe, auf welche Art es wolle; oft im Gegensatze des fallen. Die Fische steigen im Wasser, wenn sie sich nach der Oberfläche zu bewegen. Der Falke steigt in der Luft, wenn er sich in die Höhe schwingt. Die Rackete steigt. Das Wasser steigt, wenn es an Masse, und folglich auch an Höhe zunimmt. Das Barometer ist um zwey Grade gestiegen. Der Wein stieg mir in den Kopf, das Blut in das Gesicht. In das Steigen kommen, anfangen zu steigen. Die Lerche steigt, und schwirrt von Lust erregt. Haged. Ha, welch ein lauter Päan steigt von seinen Siegen In mein entzücktes Ohr! Raml. Das Steigen und Fallen der Töne, der Stimme, der Noten, in der Musik. bb) Sich in die Höhe erstrecken. Das Steigende, im Bergbaue, die Erhöhung der Gebirge, Stollen und Strecken; im Gegensatze des Fallenden. Besonders in der höhern Schreibart. Palläste von "Marmor" steigen dort hoch an die Wolken, Geßn. cc) In Rang und Würde in der bürgerlichen Gesellschaft zunehmen. Er ist in kurzer Zeit sehr hoch gestiegen. Über andere hinweg steigen. Seyd tapfer, mancher ist gestiegen, Weil er entschlossen in Gefahr und durstig nach der Ehre war, Gell. dd) Zunehmen, so wohl an Zahl und Menge, obgleich seltener. Eine steigende Progression, in der Geometrie, wo die folgenden Glieder immer größer werden; im Gegensatze einer fallenden. Wo es besonders von dem Preise üblich ist; Der Preis steigt, ist gestiegen. Die Waare ist im Preise gestiegen, oder auch nur absolute ist gestiegen. Das Korn steigt täglich. Als auch, und zwar am häufigsten, an innerer Stärke. Die Leidenschaft steigt. Die steigende Wuth, Bewunderung, Liebe u. s. f. Sein Glück steigt. 2. Ehedem war steigen auch für gehen überhaupt sehr gangbar, wo der Begriff der Bewegung in die Länge der herrschende ist, so daß Steg, Stecken, Staken u. a. m. mit zu der Verwandtschaft gehören; bey dem Ulphilas steigan, stiguan, im Angels stigan, im Schwed. stiga, im Lettischen staigath, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, alle für gehen. Siehe auch Stechen, in der Bedeutung der schnellen Veränderung des Ortes. Im Deutschen ist es, außer im Scherze, wo es sich allemahl auf die feyerliche Erhebung der Füße zu beziehen scheinet, in dieser Bedeutung unbekannt. Nur die Jäger gebrauchen es noch von dem Bären, Bieber, und der Otter für gehen. So auch das Steigen.

Anm. In der ersten Hauptbedeutung mit dem Begriff der Höhe bey dem Kero und Ottfried stigan, im Nieders. stiegen, im Engl. ehedem stey, stig, stie. Der Steig, so fern es ehedem einen Hügel bedeutete, die Steige oder Stiege, eine Zahl von zwanzig, das Oberdeutsche stickel, steil, u. a. m. sind genau damit verwandt. Der Begriff der Ausdehnung in die Höhe und der Erstreckung in die Länge sind in den meisten ähnlichen Wörtern beysammen, weil sie sich auf eine und eben dieselbe Onomatopöie gründen.


Steiger (W3) [Adelung]


Der Steiger, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person, welche steigt, ein in dem gewöhnlichen Sprachgebrauche wenig gebräuchliches Wort, außer etwa in dem sprichwörtlichen Lehrsatze: hohe Steiger fallen tief. Am üblichsten ist es im Bergbaue, wo der Steiger ein bey einer Zeche befindlicher verpflichteter Bediente ist, welcher die nächste Aufsicht über die Arbeiter und die Berggebäude hat, und nach dem Unterschiede beyder der Kunststeiger, Pochsteiger, Zimmersteiger, Grubensteiger u. s. f. heißt. Er hat den Nahmen von steigen, weil er nicht nur zur bestimmten Arbeitszeit in die Gruben steigen, sondern auch die seiner Aufsicht anvertrauten Dinge besteigen, d. i. begehen muß. Im Böhmischen vermuthlich aus dem Deutschen Ssteygiri.


Steigerad (W3) [Adelung]


Das Steigerad, des -es, plur. die -räder, in dem Gehwerke der Uhren, ein Sperrrad von 30 Zähnen, welches von dem Bodenrade umgetrieben wird, und in dessen Zähne die Lappen des Englischen Hakens eingreifen.


Steigereif (W3) [Adelung]


Der Steigereif, S. Stegereif.


Steigern (W3) [Adelung]


Steigern, verb. reg. act. welches das Factitivum von steigen ist, steigen machen. Im Osnabrückischen sagt man noch, sich steggern, d. i. steigern, von den Pferden, für sich bäumen, welches in Niedersachsen auch sich steilen heißt. Im Hochdeutschen ist es nur in einigen figürlichen Bedeutungen üblich. Besonders von dem Preise; Nieders. steggern, Schwed. stegra. Den Preis einer Waare steigern, sie theuer machen. Ingleichen, jemanden steigern, ihn höher treiben, ihn nöthigen mehr zu biethen, in dem Preise höher zu gehen. Daher versteigern, im Oberdeutschen, öffentlich den Meistbiethenden verkaufen. Ingleichen zuweilen auch intensive von den innern Graden der Stärke. Ein Gleichniß bis zu einem artigen Bilde steigern, erhöhen. So auch die Steigerung in allen vorigen Fällen, wo es unter andern im Oberdeutschen auch eine Auction, d. i. einen Verkauf an die Meistbiethenden bedeutet. Ingleichen für Gradation, die stufenweise Erhöhung oder Zunahme selbst, so fern selbige eine Figur ist, nach welcher die Worte oder Gedanken immer an Stärke zunehmen.

Anm. Die Endsylbe -ern ist hier das Zeichen eines Factitivi. Ehedem aber war es auch das Merkmahl eines bloßen Iterativi oder Intensivi des Neutrius steigen; denn Willeram gebraucht stegeren noch für gehen.


Steigerohr (W3) [Adelung]


Das Steigerohr, des -es, plur. die -e, oder die Steigeröhre, plur. die -n, an einem hydraulischen Druckwerke, diejenige Röhre, in welcher das Wasser zum Steigen genöthiget wird; zum Unterschiede von dem Stiefel oder der Stiefelröhre.


Steiglitz (W3) [Adelung]


Der Steiglitz, des -es, plur. die -e, in Meißen und in einigen andern Obersächsischen Gegenden, ein Gerüst, von zwey Säulen und einem Querbalken, welches über einem Fußsteige aufgerichtet wird, damit niemand auf demselben fahren oder reiten kann. Die erste Hälfte ist das Wort Steig oder Fußsteig; wenn die letzte nicht Wendischen Ursprunges ist, so gehört sie zu unserm Litze, Franz. Lisse, so fern dasselbe mit Leiste, Latte u. s. f. verwandt ist, einen Baum, oder starkes langes Holz, vielleicht auch eine Gränze zu bezeichnen. S. Stieglitz, welches doch in der Bedeutung verschieden ist.


Steigreif (W3) [Adelung]


Der Steigreif, S. Stegereif.


Steigriemen (W3) [Adelung]


Der Steigriemen, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige Riemen am Sattel, welcher den Steigbügel trägt.


Steil (W3) [Adelung]


Steil, -er, -este, adj. et adv. im gemeinen Leben, sich gerade in die Höhe erstreckend, sich in der Richtung der senkrechten Linie nähernd, wofür in der anständigern Schreibart jähe üblicher ist; im Gegensatze des flach, sanft, im Bergbaue donlege, im gemeinen Leben lehne. Ein steiler Berg, ein jäher, im Bergbaue ein pralliger. Der Weg gehet sehr steil den Berg hinan. Die Stutze stehet zu steil, sie muß mehr gelehnet werden.

Anm. Im Nieders. gleichfalls steil, in der Schweiß stihl, im Schwed. stel, welches daselbst auch starr bedeutet. Es ist mit Stelze, Stolz, Stollen u. s. f. Eines Stammes, indem auch hier der Begriff der Höhe der herrschende ist. Zunächst von steigen und mit einem andern Endlaute lautet steil im Oberdeutschen stick, sticker, stickel, steiger, im Osnabrück. steggel, stegger, im Angels. sticol, stechal, und mit andern Endlauten im Englischen steeply, und im Oberd. stotzachtig, stotzig. Im Nieders. ist sich steilen, von Pferden, sich bäumen.


Steinadler (W3) [Adelung]


Der Steinadler, des -s, plur. ut nom. sing. die größte Art Adler, welche sich gemeiniglich mitten in dem Lande aufhält, wo er gern in den Felsen und Steinhöhlen nistet; Falco Chrysaetos Linn. Landadler, Goldadler, zum Unterschiede von dem Fischadler und Meeradler.


Steinahre (W3) [Adelung]


Die Steinahre, plur. die -n, S. Ahorn

Anm. 2.


Steinalt (W3) [Adelung]


Steinalt, adj. et adv. im gemeinen Leben sehr alt. Ein steinalter Mann. S. Stein Anm.


Steinamsel (W3) [Adelung]


Die Steinamsel, plur. die -n, ein Nahme der Goldamsel, vermuthlich wegen ihres Aufenthaltes in felsigen und gebirgigen Gegenden.


Steinäppich (W3) [Adelung]


Der Steinäppich, des -es, plur. inus. eine dem Äppich ähnliche Pflanze mit einer eyförmigen, gestreiften und rauchen Frucht, wovon die eine Art in Macedonien und Mauritanien, die andere aber, von welcher das Galbanum oder Mutterharz kommt, in Äthiopien, einheimisch ist; Bubon Linn.


Steinäsche (W3) [Adelung]


Die Steinäsche, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der gewöhnlichen Äsche, Fraxinus excelsior Linn. vielleicht, weil sie gern in einem steinigen oder felsigen Boden wächst. In einigen Gegenden führet auch die gemeine Hage- oder Steinbuche wegen ihres harten Holzes diesen Nahmen.


Steinauster (W3) [Adelung]


Die Steinauster, plur. die -n, eine Art Austern, welche nur zwischen Felsen gefunden werden.


Steinbank (W3) [Adelung]


Die Steinbank, plur. die -bänke, im Bergbaue und bey den Steinbrechern eine Steinmasse in Gestalt einer Bank, d. i. eine horizontal oder doch fast horizontal in der Erde liegende Lage Stein.


Steinbau (W3) [Adelung]


Der Steinbau, des -es, plur. car. der Bau, oder das Bauen mit Steinen; im Gegensatze des Holzbaues.


Steinbeere (W3) [Adelung]


Die Steinbeere, plur. die -n. 1. In einigen Gegenden ein Nahme der Preiselbeeren, entweder weil sie gern in steinigen und felsigen Gegenden wachsen, oder auch, weil sie wegen ihrer Säure eine gute Arzeney wider den Blasen- und Nierenstein sind. 2. Eine Art Brombeeren, welche in einigen Gegenden auch Brunitschen heißen, und gleichfalls in felsigen Gegenden wachsen, Rubus saxatilis Linn. 3. Auch ein Nahme der Sandbeere, Arbutus uva ursi Linn. welche gleichfalls eine gute Arzeney wider den Stein ist.


Steinbein (W3) [Adelung]


Das Steinbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie ein Nahme des Schlaf- oder Felsenbeines am Kopfe. S. diese Wörter.


Steinbeißer (W3) [Adelung]


Der Steinbeißer, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine Art kleiner Fische, welche zu den Schmerlen gehören, und sich mit dem Munde an die Steine und Felsen anhangen; Cobitis Taenia Linn. Steinbicker. Der Schlammbeißer ist eine Art davon. 2. Auch der Seewolf oder Klippfisch, Latargus Klein. heißt in den nördlichen Gegenden Steinbeißer. 3. Unter den Vögeln ist eine Art Dickschnäbler, welcher mit seinem dicken Schnabel die Kirschsteine mit besonderer Geschicklichkeit aufzubeißen weiß, und daher auch Kirschbeißer, Kirschfink, Kernbeißer, Steinbicker heißt, gleichfalls unter diesem Nahmen bekannt; Loxia Coccothraustes Linn. Coccothraustes Klein.


Steinbeschwerung (W3) [Adelung]


Die Steinbeschwerung, plur. die -en, der Stein im menschlichen Körper, besonders der Blasen- und Nierenstein, als eine Beschwerde betrachtet.


Steinbett (W3) [Adelung]


Das Steinbett, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, der ebene Platz, auf welchem bey den Eisensteinzechen der gewonnene Eisenstein zusammen gefahren wird.


Steinbicker (W3) [Adelung]


Der Steinbicker, des -s, plur. ut nom. sing. S. Steinbeißer 1 und 3.


Steinbier (W3) [Adelung]


Das Steinbier, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, Bier, welches vermittelst glühend gemachter Steine gebrauet wird; dergleichen man besonders in Cur- und Liefland brauet.


Steinblatter (W3) [Adelung]


Die Steinblatter, plur. die -n, eine Art falscher Blattern, welche mit den wahren nichts gemein haben, sondern in kleinen Erhabenheiten der Haut bestehen, welche mit einer harten Materie angefüllet sind, daher sie auch den Nahmen haben; zum Unterschiede von den Wind- und Wasserblattern. In Niedersachsen Steinbocken.


Steinblume (W3) [Adelung]


Die Steinblume, plur. die -n, ein ausländisches Gewächs, welches in Äthiopien, am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Persien einheimisch ist; Antholyza Linn.


Steinbock (W3) [Adelung]


Der Steinbock, des -es, plur. die -böcke, ein einem Bocke ähnliches zweyhufiges vierfüßiges Thier, mit großen schweren Hörnern, welche ganz über dem Rücken liegen; Ibex Linn. der Bergbock, Franz. umgekehrt, Bouc estain. Er ist olivenfarbig, hat einen langen Bart und besitzt große Geschicklichkeit im Springen. Er wohnt in den südlichen Gegenden Deutschlandes und Europens auf hohen und jähen Felsen, daher er auch den Nahmen hat; von Stein, Felsen. Steinbock ist in der Büchersprache ein Wort, welches bald überhaupt beyde Geschlechter dieses Thieres, bald aber auch nur das männliche bezeichnet. Das weibliche, die Ziege oder Gais, wird in den Oberdeutschen Provinzen Jesche, Gesche oder Gubst, in Tirol die Ybschgais, ein Junges aber Kietze oder Schuckle genannt.


Steinbohrer (W3) [Adelung]


Der Steinbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein stählernes Werkzeug mit verschiedenen Spitzen, welches mit dem Hammer getrieben wird, vermittelst desselben Löcher in einen Stein zu bohren.


Steinbrachse (W3) [Adelung]


Die Steinbrachse, plur. die -n, oder der Steinbrassen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Brachsen oder Brassen, vermuthlich, weil sie sich an und zwischen den Klippen aufhält; Sparus Salpa Linn.


Steinbrand (W3) [Adelung]


Der Steinbrand, des -es, plur. car. eine Art des Brandes in dem Getreide, welcher fest und hart ist, so daß auch die Körner unter dem Dreschen ganz bleiben; zum Unterschiede von dem Flug- oder Staubbrande.


Steinbrecher (W3) [Adelung]


Der Steinbrecher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Arbeiter, welcher die Steine in ihren Lagerstätten losbricht. Siehe das folgende.


Steinbruch (W3) [Adelung]


Der Steinbruch, des -es, plur. die -brüche, derjenige Ort, wo das in Bänken oder Schichten liegende Gestein von den Steinbrechern losgebrochen wird.


Steinbüche (W3) [Adelung]


Die Steinbüche, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Hagebüche, wegen ihres harten Holzes, S. dieses Wort.


Steinbüchse (W3) [Adelung]


Die Steinbüchse, plur. die -n, S. Steinstück.


Steinbütte,Steinbutte (W3) [Adelung]


Die Steinbütte, oder Steinbutte, plur. die -n, eine Art Bütten oder Butten, deren linke Seitenlinie stachlig ist; Pleuronectes maximus Linn.


Steinbutter (W3) [Adelung]


Die Steinbutter, plur. car. in der Mineralogie, ein gelblicher Alaun, welcher ganz fett und weich wie Butter anzufühlen ist, und in Sibirien aus einem schwärzlichen Alaunschiefer dringt; Axungia solis. Der Nahme ist nach dem Russischen Kamennoje Maslo.


Steindamm (W3) [Adelung]


Der Steindamm, des -es, plur. die -dämme, ein mit Steinen gepflas=terter Damm, oder erhöheter Weg; der Steinweg.


Steindeich (W3) [Adelung]


Der Steindeich, des -es, plur. die -e, in den Niederdeutschen Marschländern, ein Deich oder Wasserdamm, welcher am Fuße mit Steinen bekleidet ist.


Steindruse (W3) [Adelung]


Die Steindruse, plur. car. ein Nahme des Rotzes bey den Pferden, vermuthlich, weil der Auswurf aus der Nase dabey zäher und härter ist, als bey der wahren Druse, aus welcher er zuweilen entstehet. S. Steinrotz.


Steineiche (W3) [Adelung]


Die Steineiche, plur. die -n, ein Nahme unserer gemeinen Sommer- oder Früheiche, vermuthlich wegen ihres harten Holzes; zum Unterschiede von der Loh-Roth- oder Wintereiche.


Steinern (W3) [Adelung]


Steinern, adj. et adv. 1. Aus Stein oder Steinen verfertiget. Ein steinernes Bild, eine steinerne Brücke, ein steinernes Messer, ein steinernes Haus, ein steinerner Mörser. 2. Figürlich, doch nur in einigen wenigen Fällen, so hart wie Stein. Ein steinernes Herz haben.

Anm. Bey dem Ottfried und Notker steinin, und im Oberdeutschen noch jetzt steinen, Nieders. stenen. S. -Ern.


Steineule (W3) [Adelung]


Die Steineule, plur. die -n, ein Nahme derjenigen großen Nachteulen, welche sich in alten Mauern und wüsten steinernen Gebäuden aufzuhalten pflegen; zum Unterschiede von den Horneulen, welche in hohlen Bäumen wohnen.


Steiney (W3) [Adelung]


Das Steiney, des -es, plur. die er, bey den Gränzbeziehungen, Eyer, d. i. kleine Steine, welche man neben den Gränzsteinen mit einzugraben pflegt.


Steinfalk (W3) [Adelung]


Der Steinfalk, des -en, plur. die -en, die kleinste Art Sperber, welche in alten Gemäuer nistet; der Schmerl.


Steinfall (W3) [Adelung]


Der Steinfall, des -es, plur. die -fälle, im Bergbaue, der Einfall oder Einsturz des Gesteines in der Grube.


Steinfarn (W3) [Adelung]


Der Steinfarn, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein Nahme aller derjenigen Farnkräuter, welche auf Steinen und Felsen, und in Felsritzen wachsen, von welchen es denn mehrere Arten gibt. Das Steinfarnmoos, ist eine Art des Astmooses, welches gleichfalls auf Steinen wohnet; Hypnum proliferum Linn.


Steinfink (W3) [Adelung]


Der Steinfink, des -en, plur. die -en, in einigen Gegenden ein Nahme des Steinbeißers, oder Kirschfinken, S. Steinbeißer.


Steinflachs (W3) [Adelung]


Der Steinflachs, des -es, plur. inus. ein Nahme des Amianthes, weil er zu den Steinarten gehöret, und sich doch wie Flachs bearbeiten lässet; Bergflachs, Erdflachs. S. Amianth.


Steinflechte (W3) [Adelung]


Die Steinflechte, plur. inus. eine Art der Flechte, welche auf Europäischen Klippen und Steinen wächset, und braun färbet; Lichen saxatilis Linn. Steinleberkraut, Brunnenkraut, Moosflechte, Eichenlunge.


Steinfletsche (W3) [Adelung]


Die Steinfletsche, plur. die -n, im gemeinen Leben einiger Gegenden, ein Nahme der Grasmücke, welche sich an wüsten Orten zwischen Steinen aufhält; Motacilla Salicaria Linn. Außer dem ist es auch ein Nahme des Braunkehlchens, Motacilla rubetra Linn. bey andern Petronella, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; Steinpatsche, Steinschmatz, Steingall, alle wegen des schmatzenden oder fletschenden Lautes, welchen es von sich gibt.


Steinfrucht (W3) [Adelung]


Die Steinfrucht, plur. die -früchte, eine Frucht, deren Same oder Kern mit einer steinharten Rinde umgeben, dieser aber mit einem saftigen Fleische umhüllet ist, dergleichen die Kirschen, Pflaumen, Pfirsichen u. s. f. sind. Collective werden dergleichen Früchte Steinobst genannt.


Steingall (W3) [Adelung]


Der Steingall, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden 1. ein Nahme des Männchens von dem Wannenweher, welches auch Steinschmack genannt wird. Die Endsylbe -gall und -schmack scheinen sich, wie in Nachtigall, auf die Stimme dieses Vogels zu beziehen. 2. S. Steinfletsche.


Steingalle (W3) [Adelung]


Die Steingalle, plur. die -n. 1. Von Galle, eine Art der Pferdekrankheit, diejenige Krankheit dieser Art, welche sich in dem Hufe oder in den Fersen der Pferde zeiget; zum Unterschiede von der Flußgalle, welche ihren Sitz an den Knien hat. Sie bestehet in einer Beule, welche anfänglich weich ist, aber endlich die Härte eines Steines bekommt. Der Plural ist hier ungewöhnlich. 2. Im Bergbaue sind die Steingallen Stellen harten tauben Gesteines in dem Erze. S. Galle.


Steingeyer (W3) [Adelung]


Der Steingeyer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme des Geyers, so fern er seinen Aufenthalt auf und in Felsen hat.


Steingraus (W3) [Adelung]


Der Steingraus, des -es, plur. car. Graus, d. i. grober Sand von bearbeiteten Steinen, welcher, wenn er kleinkörniger ist, auch wohl Steingries genannt wird.


Steingrube (W3) [Adelung]


Die Steingrube, plur. die -n, eine Grube, in welcher Steine gebrochen werden, oder welche entstehet, nachdem Steine daselbst gebrochen werden; der Steinbruch.


Steingrün (W3) [Adelung]


Das Steingrün, indecl. plur. car. bey einigen ein Nahme des Berg- oder Schiefergrün, S. diese Wörter.


Steingrund (W3) [Adelung]


Der Steingrund, des -es, plur. die -gründe, ein aus Steinen bestehender Grund; besonders in der Schifffahrt, ein aus Steinen bestehender Grund des Meeres, zum Unterschiede von dem Sandgrunde, Schlickgrunde u. s. f.


Steingut (W3) [Adelung]


Das Steingut, des -es, plur. car. ein Nahme feiner irdener Gefäße aus weißem Thone, deren Oberfläche verglaset ist; als ein Collectivum. Ein Dutzend Teller Steingut. Eine Schüssel Steingut. Im Nieders. werden alle irdene Geschirre, alle Töpferarbeit Steengood und Steenküg genannt.


Steinhänfling (W3) [Adelung]


Der Steinhänfling, des -es, plur. die -e, der gemeine graue Hänfling, welcher sich gern in felsigen Gegenden aufhält, Linaria fera, saxatilis Klein. Grauhänfling, zum Unterschiede von dem Bluthänflinge oder Rothhänflinge.


Steinhart (W3) [Adelung]


Steinhart, adj. et adv. so hart wie ein Stein, sehr hart; im gemeinen Leben. Daher die Steinhärte, plur. car. einen hohen Grad der Härte zu bezeichnen.


Steinhase (W3) [Adelung]


Der Steinhase, des -n, plur. die -n, Hasen, welche sich in Felsen und felsigen hohen Gebirgen aufhalten, und eben keine eigene Gattung ausmachen, ob sie gleich im Winter gemeiniglich weiß werden; zum Unterschiede von den Feld- oder Landhasen.


Steinhatz (W3) [Adelung]


Der Steinhatz, des -en, plur. die -en, S. Steinrabe.


Steinhaue (W3) [Adelung]


Die Steinhaue, plur. die -n, eine zugespitzte Haue, Steine damit loszubrechen, oder im steinigen Grunde damit zu arbeiten.


Steinhauer (W3) [Adelung]


Der Steinhauer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher die von dem Steinbrecher gewonnenen Steine bearbeitet, um sie zum Bauen und zu andern Bedürfnissen zu gebrauchen; der Steinmetz.


Steinhaufen (W3) [Adelung]


Der Steinhaufen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Haufen unordentlich auf einander geworfener Steine. Eine Stadt, einen Ort, ein Haus in einen Steinhaufen verwandeln, völlig zerstören.


Steinhäufung (W3) [Adelung]


Die Steinhäufung, plur. die -en, in der Naturgeschichte, eine Masse, worin mehrere Steinarten außer und neben einander zusammen gewachsen sind; ingleichen die Art und Weise dieser Zusammensetzung ohne Plural. In der ersten Bedeutung im Bergbaue ein Haufwerk.


Steinhirfe (W3) [Adelung]


Die Steinhirfe, plur. car. in einigen Gegenden eine Art des Steinsamens, welcher in den Apotheken gebraucht, und auch große Perlhirse genannt wird; Lithospermum officinale Linn.


Steinhohlunder (W3) [Adelung]


Der Steinhohlunder, des -s, plur. inus. Siehe Hohlunder 2 (2).


Steinhonig (W3) [Adelung]


Das Steinhonig, des -es, plur. car. altes verhärtetes Honig in den Scheiben; Zuckerhonig, weil es die Consistenz des Zuckers bekommt.


Steinhuhn (W3) [Adelung]


Das Steinhuhn, des -es, plur. die -hühner, eine Art Holzhühner, welche sich in Felsen und felsigen Gebirgen aufhalten, S. Schneehuhn.


Steinhummel (W3) [Adelung]


Die Steinhummel, plur. die -n, eine Art ganz schwarzer Hummeln, welche zwischen Steinhaufen wohnt, und vielen Honig einträgt; Apis lapidaria Linn.


Steinicht (W3) [Adelung]


Steinicht, -er, -ste, adj. et adv. einem Steine ähnlich. Die steinichten Kernhülsen des Obstes. Am häufigsten gebraucht man es im gemeinen Leben für das folgende steinig, indem die an sich sehr verschiedenen Ableitungssylben -icht und -ig daselbst sehr häufig verwechselt werden, ( S. dieselben.) Im Tatian steinacht, im Oberdeutschen noch jetzt steinachtig.


Steinig (W3) [Adelung]


Steinig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Steine enthaltend, und in engerer Bedeutung viele Steine enthaltend, doch nur so fern Steine als ein Hinderniß oder als eine Unbequemlichkeit angesehen werden; im gemeinen Leben steinicht. Ein steiniger Acker, ein steiniger Weg. 2. Von dem Abstracto Stein, aus Steinmasse bestehend. Die steinige Substanz.


Steinigen (W3) [Adelung]


Steinigen, verb. reg. act. 1. Von dem Steine reinigen, eine nur in dem Salzwerke zu Halle übliche Bedeutung, wo man die Salzpfannen steiniget, wenn man sie von dem Schepp oder Salzstein befreyet. 2. Am häufigsten, jemanden steinigen, mit Steinen nach ihm werfen, und in engerer Bedeutung, ihn mit Steinen zu Tode werfen, eine bey den ältern Juden übliche Lebensstrafe, daher es in der Deutschen Bibel in dieser Bedeutung mehrmahls vorkommt. So auch die Steinigung.

Anm. Es ist vermittelst der Ableitungssylben -igen, ein Iterativum oder Intensivum von dem veralteten steinen, welches in der zweyten Bedeutung noch bey dem Ottfried vorkommt. Auch im Schwedischen ist stena, steinigen.


Steinkalk (W3) [Adelung]


Der Steinkalk, des -es, plur. car. der aus Steinen gebrannte Kalk, welcher, weil er sich streichen lässet, auch Streichkalk genannt wird; zum Unterschiede von dem Gypse oder Sparkalke, und den metallischen Kalken.


Steinkamm (W3) [Adelung]


Der Steinkamm, des -es, plur. die -kämme, ein nur im Bergbaue übliches Wort, wo die Steinwände auch Steinkämme genannt werden, S. Kamm.


Steinkarausche (W3) [Adelung]


Die Steinkarausche, plur. die -n, eine Art der Karauschen von einer aschgrauen Goldfarbe, vermuthlich, weil sie sich gern in steinigen Wassern aufhalten.


Steinkarthaune (W3) [Adelung]


Die Steinkarthaune, plur. die -n, S. Steinstück.


Steinkautz (W3) [Adelung]


Der Steinkautz, des -es, plur. die -e, eine Art kleiner Kautze, welche sich in alten Gemäuern und steinigen Gebäuden aufhält.


Steinkenner (W3) [Adelung]


Der Steinkenner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Steinkennerinn, eine Person, welche die Steine nach ihren Arten, Gattungen, Eigenschaften und Bestandtheilen kennet. So auch die Steinkenntniß. Wenn einige beyde Wörter für Mineraloge und Mineralogie gebrauchen, so sind sie zu enge, weil sich die Mineralogie mit mehrern Körpern als mit Steinen beschäftiget.


Steinkitt (W3) [Adelung]


Der Steinkitt, des -es, plur. inus. oder die Steinkitte, ein Kitt, Steine damit an einander zu kitten, oder zu verbinden.


Steinklatsche (W3) [Adelung]


Die Steinklatsche, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme desjenigen kleinen Vogels, welcher auch Steinfletsche, Steinschmack und so ferner genannt wird, Siehe diese Wörter.


Steinklee (W3) [Adelung]


Der Steinklee, des -s, plur. inus. eine dem Klee ähnliche Pflanze, deren Blumen fast kopfförmig zusammen gesetzt sind; Trifolium Melilotus Linn. Besonders dessen T. M. coerulea welches auch Siebengezeit und in der Schweiz Schabziegerkraut genannt wird, und T. M. officinalis, welches im engsten Verstande Steinklee, sonst auch nach dem Latein. Melilote heißt. Daher das Steinkleepflas=ter oder Meliloten-Pflas=ter, wozu nebst andern heilsamen Kräutern und Harzen auch das Kraut des Steinklees genommen wird.


Steinkluft (W3) [Adelung]


Die Steinkluft, plur. die -klüfte, von Stein, Felsen, eine Kluft oder Ritze in einem Felsen; die Felskluft oder Felsenkluft. Es kommt mehrmahls in der Deutschen Bibel vor.


Steinkohle (W3) [Adelung]


Die Steinkohle, plur. die -n, ein den Kohlen ähnlicher steiniger Körper, welcher aus einem mit Erdpech durchdrungenen Gesteine bestehet, welches sich wegen des erstern zur Feuerung gebrauchen läßt. Man theilet sie in Pech- oder Glanz- und Schieferkohlen. Im Nieders. Schmiedekohlen, weil die Schmiede sie statt der Holzkohlen gebrauchen; im mittlern Lat. Hullae, Hyllae, Franz. im Lüttichischen Houilles. Daher das Steinkohlenflötz, die Steinkohlenmasse in Gestalt eines Flötzes, das Steinkohlengebirge, so wohl ein Gebirge, welches Steinkohlen enthält, als auch die über und unter dem Kohlenflötze liegende Erd- und Steinlagen.


Steinkopf (W3) [Adelung]


Der Steinkopf, des -es, plur. die -köpfe, in einigen Gegenden, z. B. um Zelle, eine Art Kopfsalates, vermuthlich wegen der festen harten Köpfe.


Steinkost (W3) [Adelung]


Die Steinkost, plur. die -en, im Hüttenbaue, ein Kasten oder Behältniß, worein der gepochte Stein aus den Pochmühlen ge- schüttet wird. Die letzte Hälfte ist ohne Zweifel aus Kiste oder Kasten verderbt.


Steinkraut (W3) [Adelung]


Das Steinkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Waues; Reseda luteola Linn. vielleicht weil er gern an steinigen Orten wächset.


Steinkrebs (W3) [Adelung]


Der Steinkrebs, des -es, plur. die -e. 1. Eine Art der gewöhnlichen Fluß- oder Bachkrebse, welche nach dem Sieden weiß- oder bleichroth ansehen. 2. Auch versteinerte Krebse führen in der Naturgeschichte diesen Nahmen, worunter die Japanischen die berühmtesten sind.


Steinkröpfe (W3) [Adelung]


Die Steinkröpfe, plur. die -n, eine Maschine, mit welcher man große Steine in dem Mittelpuncte ihrer Schwere anhängt und in die Höhe ziehet. S. Kröpfe.


Steinkümmel (W3) [Adelung]


Der Steinkümmel, S. Seseli.


Steinkupfer (W3) [Adelung]


Das Steinkupfer, des -s, plur. inus. in den Messingwerken, Messingkörner, welche in dem Schaume in der Grube vor dem Ofen befindlich sind, und mit Wasser aus demselben geschieden werden; vermuthlich weil man vermittelst desselben die Gießsteine abzuschleifen pflegt. Kupferstein in den Schmelzhütten ist etwas anders.


Steinkütte (W3) [Adelung]


Die Steinkütte, S. Steinkitt.


Steinleberkraut (W3) [Adelung]


Das Steinleberkraut, des -es, plur. inus. S. Steinflechte.


Steinlerche (W3) [Adelung]


Die Steinlerche, plur. die -n, ein Nahme der gewöhnlichen Heide- oder Brachlerche, so fern sie sich in felsigen und gebirgigen Gegenden aufhält.


Steinlinde (W3) [Adelung]


Die Steinlinde, plur. die -n. 1. Eine Art der gewöhnlichen Linde, welche ein festeres Holz aber schmälere Blätter hat, als die Gras- Wasser- oder Ostlinde; Tilia cordata Mill. Sie wird auch Waldlinde und Sandlinde genannt. 2. Ein der Linde ähnlicher Baum, welcher auf den Hügeln des mittägigen Europa wächset; Phillyrea Linn. 3. Eine Art des Faulbaumes, dessen Blätter den Lindenblättern gleichen; Rhamnus Alaternus Linn. 4. Die kleine oder schmalblätterige Ulme; Vlmus minor Linn. auch wegen Ähnlichkeit der Blätter und Härte des Holzes.


Steinmarder (W3) [Adelung]


Der Steinmarder, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Marder, welche sich in Felsen, Gemäuern und alten Gebäuden aufhält, und ein dunkleres kostbares Fell hat, als der in den Wäldern wohnende Baummarder. Im gemeinen Leben wird er Kuder genannt, welches mit Kater Eines Geschlechtes ist.


Steinmärgel (W3) [Adelung]


Der Steinmärgel, des -s, plur. inus. eine Art Märgel, welche so hart wie Stein ist, und im gemeinen Leben einiger Gegenden Backstein genannt wird.


Steinmark (W3) [Adelung]


Das Steinmark, des -es, plur. car. ein Nahme, welcher verschiedenen Erdarten, als dem Thone, Märgel und der Kalkerde gegeben wird, wenn sie in dem Innern fester Steine gefunden werden und gleichsam das Mark derselben vorstellen: Lithomarga.


Steinmehl (W3) [Adelung]


Das Steinmehl, des -es, plur. car. 1. Fein pulverisirte Steine oder Steinmasse in Gestalt eines Mehles. 2. In den Mühlen ist es dasjenige Mehl, welches zwischen den Mühlsteinen und in den Läufen zurück bleibet; im gemeinen Leben Steinöse, richtiger Steinaß, weil es zum Futter der Schweine dienet.


Steinmeißel (W3) [Adelung]


Der Steinmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Bey den Bildhauern, Steinmetzen u. s. f. ein Meißel, Steine damit zu bearbeiten. 2. Im Hüttenbaue ist es ein langes Eisen mit einem Haken und hinten mit einem Stiele, den Bleystein damit von dem Werke abzuziehen.


Steinmetz (W3) [Adelung]


Der Steinmetz, des -en, plur. die -en, ein für Steinhauer sehr gangbares Wort, einen Handwerker zu bezeichnen, welcher die zu Gebäuden und andern Bedürfnissen nöthigen Fels- und Bruchsteine behauet. Bey dem Ottfried nur Mezo, im mittlern Lat. Macio, daher das Französ. Macon, ein Maurer, eigentlich ein Steinmetz. S. 2 Metzen.


Steinmoos (W3) [Adelung]


Das Steinmoos, des -es, plur. inus. ein Nahme der Steinflechte, S. dieses Wort.


Steinmuschel (W3) [Adelung]


Die Steinmuschel, plur. die -n, eine vielschalige fast cylindrische Muschel, welche sich in die im Meere liegenden Steine und harten Felsen hinein frißt; lange Spitzmuschel, Pholas.


Steinnelke (W3) [Adelung]


Die Steinnelke, plur. die -n, in vielen Gegenden ein Nahme der wilden Nelken oder Donnernelken; Dianthus Armeria Linn. vermuthlich, weil sie an unfruchtbaren steinigen Orten wächset.


Steinnuß (W3) [Adelung]


Die Steinnuß, plur. die -nüsse, eine Art kleiner Wälschen Nüsse, mit steinharten Schalen, welche auch Grübelnüsse heißen, weil man den Kern gemeiniglich heraus grübeln muß.


Steinobst (W3) [Adelung]


Das Steinobst, des -es, plur. car. S. Steinfrucht.


Steinöhl (W3) [Adelung]


Das Steinöhl, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein brennbarer flüssiger mineralischer Körper, welcher in der Consistenz eines Öhles aus den Felsen hervor quillet, und auch Bergöhl genannt wird. In Tirol Dürschenöhl von einem gewissen Dürsch, dessen Entdecker.


Steinpatsche (W3) [Adelung]


Die Steinpatsche, plur. die -n, ein Vogel, S. Steinfletsche.


Steinpech (W3) [Adelung]


Das Steinpech, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein brennbarer mineralischer Körper, welcher in der Consistenz eines Peches aus Felsen und Steinritzen hervor dringet; Bergpech. Findet man ihn in der Erde, so wird er Erdpech genannt.


Steinpeitsche (W3) [Adelung]


Die Steinpeitsche, plur. die -n, in einigen Gegenden ein dünner langer Fisch in Gestalt einer Peitsche in süßen fließenden Wassern, welcher einen Laut von sich gibt, wenn er aus dem Wasser gezogen wird, daher er auch Knurrpeitsche oder Gnurrpeitsche genannt wird; Ophidion barbatum Linn.


Steinpeterlein (W3) [Adelung]


Das Steinpeterlein, S. Stein Pimpinelle.


Steinpfeffer (W3) [Adelung]


Der Steinpfeffer, des -s, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme der Pimpinelle.


Steinpflanze (W3) [Adelung]


Die Steinpflanze, plur. die -n, natürliche Körper, welche Eigenschaften so wohl von Steinen als Pflanzen an sich haben, Thierpflanzen, welche ein steinartiges Gehäuse bewohnen; Lithophyta, dergleichen besonders die Korallen sind.


Steinpilz (W3) [Adelung]


Der Steinpilz, des -es, plur. die -e, ein Nahme der besten eßbaren Schwämme oder Pilze, welche unten von weißer Farbe sind; vielleicht, weil sie etwas derb oder hart sind.


Steinpocke (W3) [Adelung]


Die Steinpocke, plur. die -n, S. Steinblatter.


Steinpresse (W3) [Adelung]


Die Steinpresse, plur. die -n, eine Presse der Steinschneider, den Stein, welcher gesäget werden soll, in dieselbe einzuklemmen.


Steinpulver (W3) [Adelung]


Das Steinpulver, des -s, plur. von mehrern Arten, ut nom. sing. 1. In ein Pulver verwandelte Steinmasse, gepülverte Steinmasse. 2. In den Apotheken, ein Pulver wider den Stein im menschlichen Leibe, welches aus Sandbeerenkraut und Austerschalen bestehet.


Steinrabe (W3) [Adelung]


Der Steinrabe, des -n, plur. die -n, eine dem Widehopf ähnliche Art Brachvögel von dunkelgrüner Farbe, mit einem gelben Kopfe und blutrothen Flecken, welcher sich in felsigen und gebirgigen Gegenden aufhält; Upupa montana Klein. Waldrabe im gem. Leben, Waldrappe, Steinrapp, Waldhof, in der Schweiz der Einsiedler, weil er einsam lebt, Berg-Eremit. Die letzte Hälfte seines Nahmens deutet auf sein Geschrey, daher er in einigen Gegenden auch Schäller genannt wird.


Steinraute (W3) [Adelung]


Die Steinraute, plur. inus. ein Nahme der Mauerraute; Asplenium Ruta muraria Linn.


Steinreich (W3) [Adelung]


Steinreich, -er, -ste, adj. et adv. 1. Obwohl seltener und gemeiniglich nur im Scherze, reich an Steinen, viele Steine habend. 2. Sehr reich, im hohen Grade reich, von Stein, so fern es oft eine Intension bezeichnet, S. Stein

Anm. Ein steinreicher Mann.


Steinreich (W3) [Adelung]


Das Steinreich, des -es, plur. inus. derjenige Theil des Mineral Reiches, welcher die Steine in sich begreift. In weiterer Bedeutung auch wohl das ganze Mineral-Reich, so fern die Steine der vornehmste Theil desselben sind.


Steinring (W3) [Adelung]


Der Steinring, des -es, plur. die -e, in den Mahlmühlen, ein eiserner Ring, welcher um die Mühlsteine geleget wird.


Steinröthel (W3) [Adelung]


Der Steinröthel, des -s, plur. ut nom. sing. oder der Steinröthling, des -es, plur. die -e, ein Vogel von der Größe der Weiß oder Zippdrossel, mit einem zarten länglichen Schnabel, himmelblauen Halse und Brust, und schwärzlichen Rücken und Flügeln. Er nistet in Felsen und alten Gemäuern in Österreich und Tirol, und wird wegen seines angenehmen Gesanges geschätzet.


Steinrotz (W3) [Adelung]


Der Steinrotz, des -es, plur. car. eine Art des Rotzes bey den Pferden, welcher auch der weiße Rotz genannt wird; zum Unterschiede von dem unheilbaren gelben oder Hirnrotze. Er scheint mit der Steindruse einerley zu seyn.


Steinruß (W3) [Adelung]


Der Steinruß, des -es, plur. inus. die aus dem schwarzen Schiefer bey Ottengrün im Bergamte Vogtsberg bereitete schwarze Farbe.


Steinsäge (W3) [Adelung]


Die "Steinsäge", plur. die -n, eine Säge ohne Zähne, "Marmor" und andere Kalk- und Sandsteine damit zu zerschneiden.


Steinsalz (W3) [Adelung]


Das Steinsalz, des -es, plur. car. ein Mittelsalz, welches man in und unter der Erde von der Härte eines Steines findet, wo es theils in Stockwerken, theils in Flötzen gebrochen wird; zum Unterschiede von dem Brunnensalze, Seesalze u. s. w.


Steinsame (W3) [Adelung]


Der Steinsame, des -ns, plur. inus. eine Pflanze, deren eyförmige Samenkörner so hart wie Stein sind, und mit sauren Geistern nicht aufbrausen; Lithospermum Linn. Steinhirse, Perlhirse, rothe Ochsenzunge, Schminkwurzel, weil die frische Wurzel roth färbet, wilde Rothwurzel.


Steinsand (W3) [Adelung]


Der Steinsand, des -es, plur. car. ein grobkörniger aus kleinen Steinchen bestehender Sand, zum Unterschiede von dem Staubsande.


Steinscheide (W3) [Adelung]


Die Steinscheide, plur. die -n. 1. Von dem Hauptworte Scheide, ein Nahme der Steinmuschel, ( S. dieses Wort.) 2. Im Bergbaue ist die Steinscheide von dem Zeitworte scheiden, eine Kluft in dem Gesteine, weil sie dasselbe scheidet oder trennet.


Steinscheidung (W3) [Adelung]


Die Steinscheidung, plur. von mehrern Arten, die -en, im Bergbaue, dasjenige Gestein, welches sich an dem Sahlbande absetzet, oder sich von dem Sahlbande scheidet.


Steinschleife (W3) [Adelung]


Die Steinschleife, plur. die -n, von Schleife, ein kleiner schwerer Schlitten, in dem Hüttenbaue, eine solche Schleife, den gepochten Zinnstein darauf fortzuschaffen. Außerdem auch wohl eine jede Schleife, große Steine darauf fortzubringen.


Steinschleifer (W3) [Adelung]


Der Steinschleifer, des -s, plur. ut nom. sing. ein unzünftiger Handwerker, welcher ein Geschäft daraus macht, unedle und halbedle Steine zu schleifen, und ihnen einen spiegelnden Glanz zu ertheilen; zum Unterschiede von einem Steinschneider, welcher die härtern Edelsteine bearbeitet.


Steinschmack (W3) [Adelung]


Der Steinschmack, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, so wohl eine Art Wannenweher, als auch eine Art Braunkelchen, beyde wegen ihres Aufenthaltes in felsigen und bergigen Gegenden, und wegen ihres Lautes, welchen sie daselbst von sich geben; Steinschmatz, Steinschmatzerle, Steinklatsche. S. Steinfletsche.


Steinschmerzen (W3) [Adelung]


Die Steinschmerzen, sing. inus. Schmerzen, welche von dem Steine im menschlichen Leibe verursacht werden.


Steinschnalle (W3) [Adelung]


Die Steinschnalle, plur. die -n, Schnallen, welche mit geschliffenen Steinen besetzt sind.


Steinschneiden (W3) [Adelung]


Das Steinschneiden, des -s, plur. car. von dem Ausdrucke Steine schneiden, die Geschicklichkeit, Edelsteinen und Krystallen vermittelst eines Rades eine reguläre Gestalt zu geben, sie zu polieren, und oft auch Figuren in dieselben zu schneiden.


Steinschneider (W3) [Adelung]


Der Steinschneider, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Ein Künstler, welcher das Steinschneiden versteht und ausübet, und welcher so weit von dem Steinschleifer verschieden ist, als der Bildhauer von dem Steinmetzen. 2. In einem andern Verstande ist der Steinschneider ein Künstler, welcher Gefäße und Dosen aus allerley harten Steinen verfertiget und selbige mit erhabenen Figuren auszieret. 3. Ein Wundarzt, welcher den Stein in dem menschlichen Leibe durch den Schnitt heilet, ihn vermittelst eines Schnittes heraus nimmt; in welchem Verstande es doch seltener gebraucht wird.


Steinschnitt (W3) [Adelung]


Der Steinschnitt, des -es, plur. inus. die Handlung des Schneidens des Steines, doch nur in der chirurgischen Bedeutung, diejenige Handlung, da der Stein im menschlichen Leibe durch einen von außen gemachten Schnitt heraus genommen wird, S. Steinschneider.


Steinschraube (W3) [Adelung]


Die Steinschraube, plur. die -n, in den Messingwerken, eine Presse mit einer Schraube, die Gießsteine damit zusammen zu pressen.


Steinschreiber (W3) [Adelung]


Der Steinschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. zu Nürnberg, ein Schreiber, welcher ein Verzeichniß über die Gräber und Grabsteine auf dem Kirchhofe hält, damit man wisse, wenn man eine Leiche wieder in ein altes Grab senken könne.


Steinschrift (W3) [Adelung]


Die Steinschrift, plur. die -en. 1. Eine Ausschrift auf einem Grab- oder Denkstein, besonders auf einem solchen aus dem Alterthume übrig gebliebenen Stein. 2. Schriftzüge, welche ehedem auf solchen Steinen üblich waren, wo der Plural nur von mehrern Arten Statt findet.


Steinschrot (W3) [Adelung]


Das Steinschrot, des -es, plur. inus. Schrot, d. i. unförmliche Stücke, welche bey dem Behauen der Steine in der Steingrube oder bey den Steinmetzen abfallen.


Steinschule (W3) [Adelung]


Die Steinschule, plur. die -n, bey den Gärtnern, eine Baumschule, wo junge Stämme Steinobst gezogen werden; zum Unterschiede von einer Kernschule.


Steinschwalbe (W3) [Adelung]


Die Steinschwalbe, plur. die -n, ein Nahme der Mauer- oder Kirchschwalbe, weil sie sich in Felsen und Gemäuern aufhält; S. Kirchschwalbe.


Steinsetzer (W3) [Adelung]


Der Steinsetzer, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine verpflichtete Person, welche die Gränz- und Marksteine nach der Vorschrift und dem Herkommen setzet. 2. An einigen Orten werden auch die Pflas=terer oder Dammsetzer mit diesem Nahmen belegt.


Steinsinter (W3) [Adelung]


Der Steinsinter, des -s, plur. nur von mehrern Arten, ut nom. sing. in der Mineralogie, ein kalkartiger Stein, welcher aus herab tröpfelndem mit Kalkerde geschwängertem Wasser erzeuget wird; Stalactites; Sinter, Tropfstein.


Steinspiel (W3) [Adelung]


Das Steinspiel, des -es, plur. die -e, eben daselbst, Steine, welche eine zufällige außerordentliche Gestalt haben, und auch Naturspiele, Bildsteine, heißen; zum Unterschiede von den Versteinerungen. Solche Steinspiele sind z. B. die Adlersteine, die Rogen- oder Erbsensteine u. s. f.


Steinstück (W3) [Adelung]


Das Steinstück, des -es, plur. die -e, ein Stück, das ist, große Kanone, auf welcher man Steine und steinerne Kugeln, Feuerbalken u. s. f. schießt. Sie haben Kammern wie die Mörser und schießen bis hundert und mehr Pfund; die Steinkarthaune, das Kammerstück, ehedem Steinbüchse, Steinwerfer, Schrotstück, Feuerkatze.


Steintaube (W3) [Adelung]


Die Steintaube, plur. die -n, eine Art wilder Tauben, welche in Felsen alten Gemäuern brütet.


Steintopf (W3) [Adelung]


Der Steintopf, des -es, plur. die -töpfe, Töpfe von Steingut, welche nicht zum Kochen bestimmt sind; zum Unterschiede von den Kochtöpfen.


Steinwälzer (W3) [Adelung]


Der Steinwälzer, des -s, plur. ut nom. sing. der Nahme einer Art Kibitze mit einem grünen spitzigen konischen Schnabel, welcher eine besondere Geschicklichkeit besitzt, Steine zu wälzen; Gavia rostro virescente, conico, acuto, Klein. Da alle am Ufer sich aufhaltende Vögel diese Kunst, Steine zu wälzen, verstehen, so wird dieser Vogel im gemeinen Leben auch sehr häufig mit der Seelerche verwechselt.


Steinwand (W3) [Adelung]


Die Steinwand, plur. die -wände, eine steinerne Wand, eine Mauer als Wand betrachtet. Im Bergbaue führet die jähe senkrechte Seite des Gesteines oder eines Felsens diesen Nahmen; der Steinkamm, schon bey dem Stryker Stainwant. S. Wand.


Steinwarze (W3) [Adelung]


Die Steinwarze, plur. die -n, eine Art Aftermooses, welches in Gestalt der Warzen, oder zäher runzeliger und höckeriger Körperchen auf Steinen unter dem Wasser wohnet; Tremella verrucosa Linn.


Steinweg (W3) [Adelung]


Der Steinweg, des -es, plur. die -e, ein mit Steinen gepflas=terter Weg.


Steinwein (W3) [Adelung]


Der Steinwein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, der Nahme eines hoch geachteten Fränkischen Weines, welcher auf dem so genannten Stein bey Würzburg wächset, wo die meisten Berge dieser Art dem dasigen Julius-Spitale gehören.


Steinwildbret (W3) [Adelung]


Das Steinwildbret, des -es, plur. inus. bey den Jägern, ein Nahme desjenigen Wildbretes, welches sich auf Felsen und Klippen aufhält; dergleichen die Steinbücke und Gemsen mit ihren Thieren und Jungen sind.


Steinwurf (W3) [Adelung]


Der Steinwurf, des -es, plur. die -würfe, der Wurf eines Steines, die Handlung, da man einen Stein wirft. Noch mehr, als ein ungefähres Maß des Raumes, so weit als man einen Stein werfen kann; Nieders. een Schmet Weges, im Tatian Steines Vuorf.


Steinwurzel (W3) [Adelung]


Die Steinwurzel, plur. inus. eine Art des Farnkrautes mit einer schuppigen Wurzel, welches in den Ritzen der Europäischen Klippen wohnet; Polypodium vulgare Linn gemeines Engelsüß.


Steinzange (W3) [Adelung]


Die Steinzange, plur. die -n, ein Werkzeug in Gestalt einer Zange, die großen Steine im Bauen damit in die Höhe zu ziehen. S. Steinkröpfe.


Steinzeiger (W3) [Adelung]


Der Steinzeiger, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Petschaftflichern und Wapenschneidern, kleine eiserne Werkzeuge, welche in die Hülse der Schleifmaschine eingesetzet werden, die Figuren damit in den Stein auszugraben. Sie heißen nach Maßgebung ihrer Verschiedenheit Schneidezeiger, Flachperlen, Flachzeiger, Rundperlen, Bolzenzeiger, Spitzstichel u. s. f.


Steiß (W3) [Adelung]


Der Steiß, des -es, plur. die -e, Diminut. das Steißchen, in der vertraulichen Sprechart der Hochdeutschen der Hintere so wohl an Menschen, als an Thieren, welcher in der niedrigen Sprechart der Arsch genannt wird. Anm. Im Oberdeutschen ist dafür Stoß üblich, welches besonders von den Steißen des Federviehes und Geflügels gebraucht wird, im Niedersächsischen Stiet, Stüt, Holl. Stuyt, Schwed. "Stuss". Der Begriff der Hervorragung, besonders der hervor ragenden Spitze ist ohne Zweifel der Stammbegriff, daher dieses Wort als ein Verwandter von Stoß, ein Haufen anzusehen ist. Wenn in dem Salzwerke zu Halle die untere Spitze der Salzkörbe der Steiß genannt wird, so ist solches wohl keine Figur, sondern vielmehr ein Überbleibsel der ältern allgemeinen Bedeutung.


Steißbein (W3) [Adelung]


Das Steißbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, ein Bein, welches aus vier bis fünf Stücken bestehet, und den Steiß bildet; Os coccygis; das Gesäßbein, welcher Ausdruck doch nur auf das Bein dieser Art bey Menschen paßt.


Steißdrüse (W3) [Adelung]


Die Steißdrüse, plur. die -n, eine Drüse über dem Steiße der Vögel, aus welchem die langen Schwanzfeder entspringen.


Steißfuß (W3) [Adelung]


Der Steißfuß, des -es, plur. die -füße, eine Art wilder Halbänten mit spitzigen Schnabel, deren Füße nahe bey dem Steiße angehänget sind; daher sie nur fliegen und schwimmen kann; Nieders. Arsfort; Österr. das Patscherle, am Genfer-See die Grebe.


Stellasche (W3) [Adelung]


Die Stellasche, plur. die -n, in den niedrigen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, ein Gerüst, etwas darauf zu stellen, oder sich darauf zu stellen. Nieders. Stellasie von dem Holländ. Stellaazi, Stellaadje, und dieß von stellen.


Stellboden,Stellbottich (W3) [Adelung]


Der Stellboden und Stellbottich, S. in Stellen.


Stelle (W3) [Adelung]


Die Stelle, plur. die -n, Diminut., welches doch nur im Scherze üblich ist, das Stellchen, der Ort, welches ein Ding einnimmt. 1. Eigentlich. Einen Stein, ein Buch auf eine andere Stelle legen. Eine Last nicht von der Stelle bringen können. Das Pferd will nicht von der Stelle. Nicht von der Stelle weichen. Nicht von der Stelle kommen können. Wo überall die Stelle verstanden wird, in und auf welcher man sich befindet. Seine Stelle behaupten, verändern. Sich auf eines andern Stelle setzen. Ihm brennt die Stelle unter den Füßen, oder die Stelle brennt unter ihm, sagt man von jemanden, der sich in einem hohen Grade der Ungeduld befindet. Räume, bitt ich, bey den Deinen Mir ein Stellchen wieder ein, Gryphe. Auf der Stelle, ein figürlicher Ausdruck für, den Augenblick, ohne allein Aufschub, gleichsam ohne seine gegenwärtige Stelle zu verlassen, bey dem Ottfried in theru stalla, in diesem Augenblicke. Auf der Stelle hingehen, sogleich. In engerer Bedeutung ist zur Stelle kommen in der vertraulichen Sprechart, an denjenigen Ort kommen oder gelangen, wohin man wollte, wofür man noch häufiger sagt, an Ort und Stelle kommen, an den Ort, wo man wohnhaft ist, wohin man gehöret, oder doch, wohin man wollte. Nach einer ähnlichen Einschränkung ist Stelle zuweilen in engerer Bedeutung, die einem Dinge gebührende Stelle, das Verhältniß des Ortes in der Reibe der neben einander befindlichen Dinge. Ein Ding wieder in seine Stelle setzen. Seine Stelle einnehmen. Das steht nicht an seiner Stelle, oder an seiner rechten Stelle. Jedes Triebrad muß sein Verhältniß und seine Stelle haben, sonst machen sie kein Ganzes einer Maschine. Die oberste, die unterste Stelle. 2. Figürlich. (1) Eine Stelle aus einem Buche, einer Schrift, vermuthlich nach dem Latein. locus, ein oder mehrere zusammen gehörige Sätze. Biblische Stellen, Schriftstellen, Stellen aus der Bibel, im gemeinen Leben Sprüche. Eine Stelle anführen. Ich finde viele Stellen in diesem Briefe, die mir bedenklich sind. (2) Das Verhältniß eines einzelnen Gliedes in der bürgerlichen Gesellschaft, wo es oft für Bedienung, Amt, u. s. w. gebraucht wird. Eine einträgliche Stelle. Jemandes Stelle bekommen. Eine höhere Stelle erhalten. Eine Stelle im Rathe haben. Die Rathsstelle, Hauptmannsstelle, Amtmannsstelle u. s. f. Diese Stelle ist schon vergeben. Stelle ist hier ein sehr allgemeiner Ausdruck, der bloß das Verhältniß in der Reihe der neben einander befindlichen Glieder der Gesellschaft ausdrückt. Im Österreichischen wird es auch für ein Departement gebraucht. So bestehet die oberste Justiz Stelle zu Wien, aus einem Präsidenten, verschiedenen Assessoren, Hofräthen, Secrete- rien u. s. f. (3) In weiterm Verstande bezeichnet es zuweilen den Zusammenhang von Verhältnissen, worin man sich befindet, wo auch Stall üblich ist. Setzen sie sich an meine Stelle, stellen sie sich vor, sie befänden sich in eben den Verhältnissen, in eben den Umständen, worin ich mich befinde. Wenn ich an ihrer Stelle wäre, so würde ich es nicht thun. In (An) die Stelle der Sinnlichkeit tritt die Verläugnung unserer angenehmsten Empfindungen, Gell. (4) Nach einer noch weitern Figur bedeutet es oft den Zusammenhang der Obliegenheiten, zu welchen man vermöge dieses Verhältnisses verbunden ist. Jemandes Stelle vertreten, das thun, was er persönlich thun sollte, es in seinem Nahmen thun, es an seiner Stelle thun. Jemandes Stelle versehen, in eben diesem Verstande. Einen andern an seine Stelle schicken. Ich schämete mich an ihrer Stelle, für sie, in ihrem Nahmen. Vaterstelle bey einem Kinde vertreten. Im Oberdeutschen und in der höhern Sprechart ist außer der Zusammensetzung auch hier Statt üblich. Anm. Bey dem Notker Stal, im Schwed. Ställe, im Angels. Stealle, Steale. Die Niedersachsen gebrauchen dafür Stede. In der Schweiz sagt man noch jetzt die Stahl, und im Plural Stähle, für Stelle. Ort, Platz, Statt, Stätte und Stelle werden sehr oft als gleich bedeutend gebraucht, und in den meisten Fällen kommt es bloß auf den Gebrauch an, ob dieses oder jenes üblicher ist. Indessen findet allerdings ein allgemeiner Unterschied Statt, auch ohne Rücksicht auf die Etymologie. Ort ist allgemeiner, und bezeichnet überhaupt den bestimmten Theil des Raumes, welchen ein Ding einnimmt; Stelle scheinet zunächst, auch wo dieser Begriff nicht deutlich hervor sticht, das bestimmte Verhältniß des Ortes in der Reihe der neben einander befindlichen Dinge zu bezeichnen, welcher Begriff in dem Zeitworte stellen am merklichsten ist. Platz bedeutet die ebene Fläche, auf welcher sich ein Ding mit seiner Grundfläche befindet, und ist, wenn es für Stelle gebraucht wird, mehr dem gemeinen Leben eigen, so wie Statt und Stätte, mehr Oberdeutsch und daher mehr in der edlern Schreibart üblich sind.


Stellen (W3) [Adelung]


Stellen, verb. reg. act. welches das Factitivum von stehen ist. Es bedeutet, 1. im eigentlichsten Verstande, stehen machen, einen in der Bewegung begriffenen Körper zum Stehen bringen. Im Schwedischen sagt man, ein Pferd stellen, (stalla,) es zum Stehen bringen, und das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bedeutet gleichfalls sistere. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung nur noch in einigen Fällen und Gegenden üblich. Bey den Jägern stellet der Hund ein Wild, wenn er es zum Stehen bringet, und das Wild stellet sich, wenn es vor dem Hunde stehen bleibt. In einigen Gegenden stellet man die Milch, wenn man sie zum Gerinnen bringet. Im Oberdeutschen sagt man auch das Blut stellen, wofür wir stillen gebrauchen. Eben daselbst stellet man auch das Wasser, wenn man es stauet oder stauchet, d. i. dessen Ablaß hindert. Er zertheilete das Meer und stellete das Wasser wie eine Mauer, Ps. 78, 13. Im gemeinen Leben sagt man noch, einen Dieb stellen, durch abergläubige Künste machen, daß er auf der Flucht stehen muß. Vermuthlich gehöret dahin auch die in einigen Gegenden übliche R. A. das Bier stellen, der Würze die Häfen geben, und sie zur Gährung in Ruhe bringen, welches in dem Stellbottiche geschiehet, der einen beweglichen Boden (der Stellboden) hat. 2. In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung. (1) Ein Ding in diejenige Lage bringen, in welcher es stehet. (a) Eigentlich; wo es in manchen Fällen mit setzen gleich bedeutend ist, in manchen aber nicht mit demselben verwechselt werden darf, besonders wenn von Körpern die Rede ist, an welchen man die Zustände des Stehens, Sitzens und Liegens genau zu unterscheiden pflegt. Sich in das Fenster, in die Thür, an den Ofen, vor den Tisch, an den Weg, in den Weg stellen. Sich auf den Kopf stellen. Einen Verbrecher an den Pranger stellen. Den Stock in den Winkel, den Stuhl an die Wand, ein Ding an seinen Ort stellen. Etwas gerade stellen. Die Soldaten in Ordnung, eine Armee in Schlachtordnung stellen. Die Bücher in das Bücherbret stellen. Jemanden oben an, in die Mitte stellen. (b) Figürlich, in verschiedenen einzelnen Arten des Ausdruckes. Sich zur Wehre stellen, wofür man auch setzen sagt. Jemanden zur Rede stellen oder setzen. Jemanden etwas vor Augen stellen, ( S. auch Vorstellen.) Einen Gefangenen auf freyen Fuß stellen oder setzen. Eine Sache dahin stellen, sie dahin gestellt seyn lassen, sie unentschieden lassen, sein Urtheil darüber zurück halten. Jemanden auf die Probe stellen oder setzen. Seine Hoffnung, sen Vertrauen auf etwas stellen, besser setzen. Etwas in Vergessenheit stellen, es vergessen, in Zweifel stellen, es bezweifeln, in Zweifel ziehen. Jemanden zufrieden stellen, machen daß er sich zufrieden gebe. Stellen sie sich zufrieden, geben sie sich zufrieden. Und vielleicht noch andere mehr. (2) Oft deutet dieses Zeitwort anstatt des Begriffes des Stehens die gehörige und zu der Absicht dienliche Lage der Theile eines Dinges an. (a) Eigentlich. Die Jäger stellen den Zeug, die Garne, Tücher und Lappen, wenn sie selbige um eine Gegend ziehen und in der gehörigen Lage aufrichten. Eine Falle stellen, ihre Theile in diejenige Lage bringen, in welcher sich ein Thier darin fangen kann. So auch Schlingen stellen. Ein Netz stellen, Ps. 9, 16. Daher die figürliche R. A. jemanden nach dem Leben stellen, ihm nach dem Leben stehen oder trachten. Einem ein Bein stellen, es ihm unterschlagen. ( S. auch Aufstellen und Nachstellen.) Das Geschütz stellen, wofür doch richten üblicher ist. Eine Uhr stellen. (Siehe auch Bestellen und Anstellen.) (b) Figürlich. aa) Ehedem sagte man auch häufig ein Buch, eine Schrift, einen Brief, ein Testament, eine Rede u. s. f. stellen, sie entwerfen, verfertigen; vermuthlich zunächst, die Theile, woraus sie bestehen soll, die Sätze und Worte, gehörig ordnen. Jemanden die Nativität stellen. Einen Kalender stellen. Stelle ihnen Rechte und Gesetze, 2 Mos. 18, 20. Ach, daß meine Reden in ein Buch gestellet würden! Hiob 19, 23. Derselbige Prediger stellete viel Sprüche, Pred. 12, 9. Sintemahlen sichs viele unterwunden haben, zu stellen die Rede von den Geschichten, Luc. 1, 1; zu entwerfen, aufzusetzen. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet; welche doch noch in Briefsteller und Schriftsteller übrig ist. bb) Sich stellen, den Theilen seines Körpers eine gewisse zu Erreichung eine Absicht dienliche Lage geben. Sich ungeberdig stellen. Er stellet sich, als wenn er zugreifen wollte. Besonders durch sein Äußeres einen Zustand annehmen, welchen man nicht wirklich hat. Sich krank stellen. Sich fremd, lustig, traurig stellen. Sich unwissend, unschuldig stellen. Er stellete sich, als wenn es ihm leid wäre, als wenn er nichts davon wüßte, als wenn er mich nicht gesehen hätte. Er stellet sich nur so, es ist nicht sein wahrer Ernst. S. Gestalt, Anstellen, Verstellen und Stellung. (3) Zuweilen bedeutet es nur, ohne Rücksicht auf die vorigen Nebenbegriffe, persönlich gegenwärtig machen. Jemanden stellen, ihn gleichsam zur Stelle bringen. Einen flüchtigen Missethäter aufhalten und stellen. Jedes Dorf muß fünf Mann Recruten stellen. Einen Bürgen stellen. Zeugen stellen. Einen andern Mann an seinen Platz stellen. Sich stellen, sich auf Befehl persönlich einfinden. S. auch Einstellen. Daher das Stellen und die Stellung, S. das letztere an seinem Orte besonders.

Anm. Bey dem Notker stellen, im Nieders. gleichfalls stellen, im Schwed. ställa. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - hat viele Bedeutungen mit unsrem stellen gemein, z. B. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, verstellen. Stellen gründet sich entweder auf eine eigene Onomatopöie des Setzens mit Nachdruck, oder es ist auch vermittelst der Ableitungssylbe -len von stehen gebildet; stehelen, stehen machen, wovon unser stellen wieder das Intensivum ist, aus welcher Form auch der Begriff der Ordnung und gehörigen Lage der Theile, welcher diesem Zeitworte in seinen meisten Bedeutungen anklebt, erkläret werden kann. In vielen Oberdeutschen Mundarten ging dieses Zeitwort ehedem irregulär; Imperf. ich stallte, Mittelw. gestallt. Daher rühren noch die Zusammensetzungen Anstalt, Gestalt, Gestaltet.


Steller (W3) [Adelung]


Der Steller, des -s, plur. ut nom. sing. ein Ding, welches stellet, d. i. die Theile eines andern Dinges in die gehörige Lage setzt; doch nur in einigen Fällen. So wird der Rechen an dem Vorlegewerke der Uhren, welcher zur Abmessung der Uhrschläge dient, auch der Steller genannt.


Stellflügel (W3) [Adelung]


Der Stellflügel, des -s, plur. ut nom. sing. im Jagdwesen, Flügel, d. i. breite durch den Wald gehauene Wege, die Tücher und Garne darin zu stellen oder aufzustellen; der Stellweg, Richtweg.


Stellgarn (W3) [Adelung]


Das Stellgarn, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, ein mit doppelten Spiegeln versehenes Garn oder Netz, welches wegen der Schwere des Gesenkes nicht gezogen werden kann, sondern über den ganzen Fluß gestellet wird, da sich denn die Fische von selbst fangen.


Stellgraben (W3) [Adelung]


Der Stellgraben, des -s, plur. die -gräben, bey den Vogelstellern, kleine Gräben, worein die Stellstäbe eines Vogelherdes gelegt werden.


Stellhefen (W3) [Adelung]


Die Stellhefen, sing. car. diejenigen Hefen, welche sich auf dem Boden des Fasses ansetzen, die Unterhefen; zum Unterschiede von den Oberhefen oder Spundhefen. Ohne Zweifel, weil anderes Bier damit gestellet, d. i. zum Gähren gebracht wird. S. Stellen 1.


Stellig (W3) [Adelung]


Stellig, adj. et adv. welches für gestellt nur in den Zusammensetzungen Hinterstellig, Rückstellig, Vorstellig, Werkstellig u. s. f. üblich ist, S. dieselben.


Stellkeil (W3) [Adelung]


Der Stellkeil, des -es, plur. die -e, in der Geschützkunst, derjenige Keil, womit ein Geschütz gestellet, d. i. gerichtet wird, und welcher noch häufiger der Richtkeil heißt.


Stellkunst (W3) [Adelung]


* Die Stellkunst, plur. inus. ein unschicklicher und daher auch mit Recht veralteter Nahme der Algebra; vielleicht von stellen, entwerfen, erfinden verfertigen.


Stellleute (W3) [Adelung]


Die Stellleute, sing. car. im Jagdwesen, Leute, welche außer den Jägern zur Stellung des Jagdzeuges gebraucht werden.


Stellmacher (W3) [Adelung]


Der Stellmacher, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, ein Nahme des Gestellmachers oder Wagners, weil er die Gestelle zu den Wagen macht.


Stellpflock (W3) [Adelung]


Der Stellpflock, des -es, plur. die -pflöcke, bey den Vogelstellern, ein Pflock oberhalb des Stellstabes, womit derselbe befestiget wird.


Stellrad (W3) [Adelung]


Das Stellrad, des -es, plur. die -räder, ein Rad in den Taschenuhren, diese damit zu stellen, damit sie langsamer oder geschwinder gehen. Es befindet sich auf der Stellscheibe, an welcher sich auch der Stellzapfen befindet. Die Französischen Uhren haben außer dem auch noch einen Stellzeiger.


Stellscheibe (W3) [Adelung]


Die Stellscheibe, plur. die -n, S. das vorige.


Stellschraube (W3) [Adelung]


Die Stellschraube, plur. die -n, eine Schraube an einer Maschine oder einem Instrumente, dasselbe damit zu einer gewissen Absicht zu stellen, oder die Theile in eine gewisse Lage zu bringen.


Stellstab (W3) [Adelung]


Der Stellstab, des -es, plur. die -stäbe, bey den Vogelstellern, ein Stab, welcher das gestellte oder aufgerichtete Garn leitet, wenn die Vögel mit der Wand gefangen werden sollen.


Stellstange (W3) [Adelung]


Die Stellstange, plur. die -n, im Jagdwesen, Stangen, womit der Zeug aufgestellet wird, welche denselben im Stehen unterstützen; die Forkel.


Stellung (W3) [Adelung]


Die Stellung, plur. die -en. 1. Als das Verbale von stellen, die Handlung des Stellens, in den meisten Bedeutungen dieses Zeitwortes. 2. Die Art und Weise, wie mehrere Dinge Einer Art gestellet sind, oder das Verhältniß mehrerer Dinge Einer Art, in Ansehung des Ortes, welchen sie einnehmen. Die Stellung der Planeten, die Constellation. Die Stellung einer Armee, die Art und Weise, wie sie gestellet oder auch gelagert ist. 3. Die durch eine Bewegung hervor gebrachte Lage der Theile oder Glieder eines lebendigen Körpers; die Positur. Eine natürliche, unnatürliche, angenehme, widerwärtige Stellung. Seine Stellung verändern. Eine andere Stellung annehmen.


Stellvertreter (W3) [Adelung]


Der Stellvertreter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Stellvertreterinn eine Person, welche einer andern Stelle vertritt; in einigen Fällen der Statthalter, Platzverweser, Franz. Lieutenant.


Stellweg (W3) [Adelung]


Der Stellweg, des -es, plur. die -e, S. Stellflügel.


Stellzapfen (W3) [Adelung]


Der Stellzapfen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Stellrad.


Stellzeiger (W3) [Adelung]


Der Stellzeiger, des -s, plur. ut nom. sing. S. eben das.


Stellzirkel (W3) [Adelung]


Der Stellzirkel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Zirkel, welcher vermittelst einer an einem Bogen befindlichen Schraube in einer jeden beliebigen Weite gestellet werden kann.


Stelze (W3) [Adelung]


Die Stelze, plur. die -n, ein nur noch in einigen Fällen übliches Wort. 1. Stangen mit Querhölzern, die Füße darauf zu setzen, und auf denselben zu gehen, theils um größer zu scheinen, als man wirklich ist, theils aber auch vermittelst derselben durch einem Bach, durch den Koth u. s. f. zu gehen, ohne sich naß zu machen, oder zu beschmutzen. Auf Stelzen gehen, welches auch wohl figürlich bedeutet, sich hochtrabender, übertriebener Vorstellungen und Ausdrücke bedienen. Im Bergbaue sind die Stelzen kurze Stützen, welche auf die Schuhe unter die Spießbäume gesetzet werden. 2. Ein hölzerner Fuß, auf welchem man in Ermangelung oder bey völliger Unbrauchbarkeit des rechten gehet. Einen solchen Fuß pflegt man auch wohl einen Stelzfuß zu nennen, welchen Nahmen im verächtlichen Verstande auch derjenige bekommt, welcher sich eines solchen Fußes bedienet.

Anm. Im Nieders. Stelte, im Engl. Stilts, im Schwed. Stylta, welches ehedem auch eine Krücke bedeutete. Es hat den ursprünglichen Begriff der Ausdehnung in die Höhe und Länge, und ist ein Verwandter von Stiel, Stolz, Stuhl, und dem Holländ. Stijl, Stütze. In der Schweiz ist der Stelz, ein Stengel. Ein Stelzener oder Stelzner, der auf einer Stelze gehet, ist nur im gemeinen Leben üblich. In Bachstelze, S. dieses Wort.


Stemmen (W3) [Adelung]


Stemmen, Stempe, Stempel, S. in Stä.


Stendel (W3) [Adelung]


Der Stendel, des -s, plur. inus. eine Pflanze; Satyrium Linn. Stendelwurz, Knabenkraut, Hundshödlein, wegen der zwey runden Wurzeln, in Gestalt zweyer Oliven, worauf auch der Nahme Stendel abzuzielen scheinet.


Stenge,Stänge (W3) [Adelung]


Die Stenge oder Stänge, plur. die -n, ein nur in dem Niederdeutschen Schiffbaue übliches Wort, den obern zur Verlängerung des Mastbaumes angesetzten Theil zu bezeichnen. Die große Stenge, der erste Aufsatz des Mittelmastes; die große Bramstenge, der zweyte Aufsatz. Die Vorstenge oder Fockestenge, der erste Aufsatz des vordersten Mastes; die Vorbramstenge, dessen zweyter Aufsatz. Die Kreuzstenge, die Verlängerung des Befaumastes. Die Bogstenge oder blinde Stenge, der Aufsatz auf dem Bogspriet. Es ist mit Stange ein und eben dasselbe Wort, und nur in der Mundart von demselben verschieden.


Stengel (W3) [Adelung]


Der Stengel, S. Stängel.


Stephanus (W3) [Adelung]


Stephanus, Stephan, ein männlicher Taufnahme, welcher aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - entlehnet ist, und in den gemeinen Mundarten Steffen lautet.


Stephans-Körner (W3) [Adelung]


Die "Stephans-Körner", sing. inus. der Same einer Art Ritterspornen, welche in dem südlichen Europa wild wachsen und deren scharfer Same Läuse, Mäuse und Ratzen tödtet; "Delphinium Staphisagria Linn.", "Läusekraut", "Läusesamen", "Mäusepfeffer", "Speichelkraut".


Stephans-Kraut,St. Stephans-Kraut (W3) [Adelung]


Das Stephans-Kraut, oder St. Stephans-Kraut, plur. car. eine Pflanze, welche in dem mitternächtigen Europa wächset; Circaea Linn. Hexenkraut.


Stephans-Stein (W3) [Adelung]


Der Stephans-Stein, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, der Nahme eines weißen Achates mit rothen Tüpfeln oder Adern; Gemma S. Stephani.


Steppdraht (W3) [Adelung]


Der Steppdraht, des -es, plur. inus. bey den Schustern, Draht, damit zu steppen.


Steppe (W3) [Adelung]


Die Steppe, plur. die -n, bey den neuern Erdbeschreibern, ein aus dem Russischen entlehntes Wort, ein hoch liegendes ebenes unbewohntes und unfruchtbares Land von beträchtlichem Umfange zu bezeichnen, welches man im Deutschen eine Heide zu nennen pflegt.


Steppen (W3) [Adelung]


Steppen, verb. reg. act. welches nur in der Nähterey üblich ist, eine Art des Nähens zu bezeichnen, da nach Abzählung zweyer oder dreyer Faden, durch an einander hangende Stiche gerade Linien, Blumen, oder Gänge genähet werden. Auf diese Art pflegen die Schuster auch die Schuhe zu steppen, wenn sie solche zierliche gerade Linien in dieselben nähen. Ein gesteppter Rock, in welchen man, nachdem er mit Haaren oder Wolle unterlegt worden, Blumen oder Figuren gesteppet hat. In der Schifffahrt pflegt man auch wohl ein Stück Segel mit alten Werkenden zu steppen oder durchzusteppen, d. i. durchzuziehen. So auch das Steppen.

Anm. Aus dem letzten Gebrauche sollte fast erhellen, daß dieses Wort zu stopfen, Nieders. stoppen, oder dem alten Oberd. stepfen, sticken, gehörete. Da indessen im Österreichischen steppen auch aufstutzen, staffieren, bedeutet, daher ein Hutstaffierer daselbst Hutstepper heißt, so scheinet auch der Begriff des Staffierens und Streifens mit in Anschlag zu kommen.


Stepport (W3) [Adelung]


Der Stepport, des -es, plur. die -e, ein Ort der Schuster, die Löcher bey dem Steppen damit vorzustechen.


Steppseide (W3) [Adelung]


Die Steppseide, plur. car. gezwirnte Seide, wie man sie zum Steppen gebraucht.


Steppstich (W3) [Adelung]


Der Steppstich, des -es, plur. die -e, bey den Nähterinnen, an einander hangende Stiche, welche das Steppen eigentlich ausmachen.


Sterbe (W3) [Adelung]


* Die Sterbe, plur. inus. im Oberdeutschen eine ansteckende Seuche, und besonders die Pest; ein im Hochdeutschen unbekanntes Wort. Die Viehsterbe, ist daselbst die Viehseuche. S. Sterbedrüse.


Sterbebett (W3) [Adelung]


Das Sterbebett, des -es, plur. inus. dasjenige Bett, auf und in welchem jemand gestorben ist. Noch häufiger figürlich, die letzte Krankheit, in welcher jemand gestorben ist, oder vielmehr der Zustand dieser Krankheit; im gemeinen Leben auch das Todbett.


Sterbedrüse (W3) [Adelung]


* Die Sterbedrüse, plur. die -n, von Sterbe, die Pest, eine Pestbeule; ein im Hochdeutschen unbekanntes Wort, welches noch 5 Mos. 28, 21 vorkommt. S. Sterbe.


Sterbefall (W3) [Adelung]


Der Sterbefall, des -es, plur. die -fälle. 1. Der Fall, da jemand stirbt. 2. In einigen Gegenden auch das Recht, bey dem Absterben eines Leibeigenen, sich eines Theiles der Verlassenschaft desselben anzumaßen; welches an andern Orten der Todfall, die Baulebung u. s. f. und so fern dieser Theil das beste Stück Vieh ist, das Sterbehaupt, genannt wird; S. Baulebung.


Sterbeflecken (W3) [Adelung]


Der Sterbeflecken, des -s, plur. die -n, Flecken, welche eine Leiche bald nach dem Tode zu bekommen pflegt.


Sterbegebeth (W3) [Adelung]


Das Sterbegebeth, des -es, plur. die -e, Gebeth für Sterbende, oder welche Sterbenden vorgelosen zu werden pflegen.


Sterbegeld (W3) [Adelung]


Das Sterbegeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, bey den Witwen-Cassen, dasjenige Geld, welches den Hinterlassenen eines Mitgliedes, sogleich nach dessen Absterben zur Bestreitung der Begräbnißkosten ausgezahlet wird.


Sterbeglocke (W3) [Adelung]


Die Sterbeglocke, plur. die -n, Glocken, welche bey der Beerdigung einer Leiche geläutet werden.


Sterbegras (W3) [Adelung]


Das Sterbegras, des -es, plur. inus. S. Berstgras.


Sterbehandlohn (W3) [Adelung]


Der Sterbehandlohn, des -es, plur. die -löhne, Siehe Sterbelehen und Handlohn.


Sterbehaupt (W3) [Adelung]


Das Sterbehaupt, des -es, plur. die -häupter, Siehe Sterbefall.


Sterbehaus (W3) [Adelung]


Das Sterbehaus, des -es, plur. die -häuser, dasjenige Haus, worin jemand gestorben ist, da es denn diesen Nahmen gemeiniglich nur bis zur Beerdigung des Verstorbenen, oder bis zur Theilung seiner Verlassenschaft führet; das Trauerhaus.


Sterbehemd (W3) [Adelung]


Das Sterbehemd, des -es, plur. die -en, dasjenige Hemd, welches man einem Verstorbenen anzulegen, und ihn darin zu begraben pflegt.


Sterbeherr (W3) [Adelung]


Der Sterbeherr, des -en, plur. die -n. 1. In einigen Gegenden, derjenige Eigenthumsherr, welcher den Sterbefall einzunehmen hat. 2. In manchen Städten, z. B. zu Soest, sind die Sterbeherren, Rathsherren, welche die Aufsicht über die Erbschaften der Abwesenden führen, und den der Obrigkeit davon gebührenden Abzug einfordern.


Sterbehuhn (W3) [Adelung]


Das Sterbehuhn, des -es, plur. die -hühner. S. Huhn 1. und Uhu.


Sterbejahr (W3) [Adelung]


Das Sterbejahr, des -es, plur. die -e. 1. Dasjenige Jahr, in welchem jemand gestorben ist. So auch Sterbetag und Sterbestunde. 2. Von Sterbe, die Pest, ist im Oberdeutschen das Sterbejahr, dasjenige Jahr, in welchem eine Pest gewüthet hat.


Sterbekittel (W3) [Adelung]


Der Sterbekittel, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe das folgende.


Sterbekleid (W3) [Adelung]


Das Sterbekleid, des -es, plur. die -er, diejenige lange Bekleidung, mit welcher eine Leiche in den Sarg gelegt wird; im gemeinen Leben der Sterbekittel, in einigen Gegenden der Mark die Badekappe.


Sterbelehen (W3) [Adelung]


Die Sterbelehen, plur. ut nom. sing. oder vollständiger die Sterbelehenwaare, plur. die -n, in einigen Gegenden, diejenige Lehen oder Lehenwaare, welche der Lehensherr nach des Erblassers Tode aus dem Lehengute bekommt, und welche von der Erbelehen, Annehmelehen oder Lehenwaare im strengern Verstande, welche die Erben bey dem Antritte eines solchen Gutes erlegen, noch verschieden ist. In einigen Gegenden, z. B. im Culmbachischen, heißt sie der Sterbehandlohn, ( S. Handlohn) in andern die gesammte Lehen.


Sterbelied (W3) [Adelung]


Das Sterbelied, des -es, plur. die -er, ein Lied, welches vom Sterben handelt, und gemeiniglich bey Begräbnissen gesungen wird.


Sterbeliste (W3) [Adelung]


Die Sterbeliste, plur. die -n, die Liste, d. i. das Verzeichniß von den Verstorbenen eines Ortes oder eines Bezirkes, wie Geburtsliste, das Verzeichniß der Gebornen u. s. f.


Sterbenskrank (W3) [Adelung]


Sterbenskrank, adv. krank bis zum Sterben, tödtlich krank, todkrank.


Sterbeschilling (W3) [Adelung]


Der Sterbeschilling, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden, z. B. im Herzogthume Bremen, ein gewisses Geld, welches nach dem Tode eines Meiers von dessen Erben dem Gutsherren vor Sonnen-Untergang entrichtet, und damit die Meierey von ihnen besprochen wird.


Sterbesohle (W3) [Adelung]


Die Sterbesohle, plur. inus. in den Salzwerken zu Halle, eine gewisse Quantität Sohle oder deren Werth an Geld, welche der Geistliche für die Berichtung eines Sterbenden unter den Thalleuten erhält.


Sterblich (W3) [Adelung]


Sterblich, adj. et adv. 1. Dem Tode unterworfen, eine solche Einrichtung der organischen Theile habend, daß man einmahl sterben muß; im Gegensatze des unsterblich. Sterbliche Menschen. Der sterbliche Leib. Daher in der höhern Schreibart, ein Sterblicher oft für ein Mensch gebraucht wird, so fern besonders auf diese Eigenschaft angespielet werden soll, obgleich das Wort von vielen zur Unzeit ohne Absicht auf diese Eigenschaft gebraucht worden. Der Erlöser der Sterblichen, sagt schon Opitz. Figürlich, besonders in der höhern Schreibart, auch für vergänglich, doch nur als ein Bey- und Nebenwort allein. Unsere Freuden sind sterblich, sterbliche Freuden. 2. * Den Tod verursachend, tödtlich, eine nur im Oberdeutschen gangbare, im Hochdeutschen aber unbekannte Bedeutung. Eine sterbliche Krankheit. Doch sagt man auch im Hochdeutschen: sterblich in eine Person verliebt seyn, bis zum Sterben, so daß man vor Liebe sterben möchte.

Anm. Bey dem Notker mit einer andern Endsylbe, stirbig. Eben derselbe gebraucht für sterblich in der ersten Bedeutung auch todig, der alte Übersetzer Isidors aber dodhlichho.


Sterblichkeit (W3) [Adelung]


Die Sterblichkeit, plur. car. 1. Die Eigenschaft eines organischen Wesens, da es einmahl aufhören muß es leben, da es dem Tode unterworfen ist; im Gegensatze der Unsterblichkeit. Sich seiner Sterblichkeit erinnern. Ingleichen figürlich, besonders in der höhern Schreibart die Vergänglichkeit. Der Tag, an dem die Sterblichkeit Verkehrt wird in den Fluß der unerschöpften Zeit, Opitz. Ingleichen für den ganzen Zusammenhang sterblicher, dem Tode und der Vergänglichkeit unterworfener Dinge. So lange ich noch in dieser Sterblichkeit wandere. "Aus dieser Sterblichkeit abgefordert werden", in der feyerlichen Kanzel- und Kanzelleysprache, für "sterben". Nach einer sehr ungewöhnlichen Figur gebraucht es Opitz auch für Menschen überhaupt, Sterbliche. 2. Bey einigen Neuern ist die Sterblichkeit, die Anzahl der in einem gewissen Zeitraume in einem Lande oder Orte gestorbenen Personen, eine unschickliche nach dem Franz. Mortalite gebildete Bedeutung, welche weder Analogie noch Gebrauch für sich hat, und daher billig vermieden werden sollte.


Sterbling (W3) [Adelung]


Der Sterbling, des -es, plur. die -e. 1. Ein gestorbenes Thier, besonders in den Schäfereyen, ein umgefallenes oder gestorbenes Schaf. Die Wolle von Sterblingen. 2. Sterblinge zeugen in Obersachsen, Kinder, welche bald und frühzeitig sterben. S. -Ling.


Sterlet (W3) [Adelung]


Der Sterlet, des -s, plur. die -e, eine Art Fische, welche zu den Stören gehören, in Rußland gefangen werden, und auch Kaviar liefern, welcher dem von den Stören noch vorgezogen wird; Acipenser Ruthenus Linn. Der Nahme ist Russisch, und bedeutet vermuthlich einen kleinen Stör.


Sterling (W3) [Adelung]


Sterling, der Nahme einer eingebildeten Münzart, oder einer Rechnungsmünze in England, welche den wahren Münzarten beygefüget wird, ihren Gehalt näher zu bestimmen. Ein Pfund Sterling, ein Schilling Sterling. Das Wort ist alt und vermuthlich Englisch, wo nicht gar alt Sächsisch oder Deutsch, dessen Bedeutung und Abstammung aber noch ungewiß ist. Einige leiten es von dem Gepräge eines Sternes, andere von dem Gepräge eines Stahres, Lat. Sturnus, andere von dem Schlosse Sterling in Schottland, Camden von den Osterlingern, d. i. Engländern her, anderer zu geschweigen.


Stern (W3) [Adelung]


1. Der Stern, des -es, plur. die -e, der hintere Theil eines Schiffes, Angels. Steor, Engl. Stear, Stern; nicht als eine Figur des folgenden, sondern von steuern, Angels. steoran, weil sich daselbst das Steuerruder befindet.


Stern (W3) [Adelung]


2. Der Stern, des -es, plur. die -e, Diminut. das Sternchen, Oberd. Sternlein, ein leuchtender Himmelskörper, welcher sich dem Auge nicht in Gestalt einer glänzenden runden Scheibe, sondern mit strahlenden Spitzen (gemeiniglich mit sechs solcher Spitzen) darstellet, daher alle leuchtende Himmelskörper, die Sonne und den Mond ausgenommen, Sterne genannt werden. 1. Eigentlich. Sonne, Mond und Sterne. Die Sterne am Himmel. Der Himmel ist oder stehet voller Sterne, wenn viele Sterne sichtbar sind. Die Sterne schnäutzen sich, ( S. Sternputze.) Ein Stern der ersten, zweyten, dritten Größe u. s. f. Weder Glück noch Stern haben, kein Glück haben; eine ohne Zweifel noch von der alten Art zu reifen und zu schiffen, da man sich des Nachts durch die Sterne leiten ließ, übrige R. A., welche aber auch von einem glücklichen Sterne oder Glückssterne aus der Astrologie herstammen kann. ( S. auch Unstern.) Potz Stern! eine in den niedrigen Sprecharten übliche Formel, einen hohen Grad der Verwunderung auszudrucken. Der Irrstern; Fixstern, Morgenstern, Abendstern, Hundsstern, u. s. f. Mehrere nahe an einander befindliche und als ein Ganzes betrachtete Sterne heißen ein Gestirn. 2. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt, wo viele runde mit ausgehenden Spitzen versehene Körper oder Figuren Sterne genannt werden. Der Stern auf der Stirn eines Thieres ist ein rundlicher weißer Fleck, mit Spitzen. Der Stern auf dem Nagel eines Fingers, ein ähnlicher weißer Fleck. Der Stern im Auge, der mittelste schwarze Fleck in dem Augapfel, oder vielmehr das Loch in dem traubenförmigen Häutchen, durch welches die Lichtstrahlen in das Auge fallen; im gemeinen Leben die Sehe, Nieders. die Süne. In welchen Fällen aber auch der Begriff des Leuchtens, und im letzten des Sehens der herrschende seyn kann. In den Gärten ist der Stern ein rundlicher Platz, aus welchem sechs Gänge nach verschiedenen Richtungen ausgehen. Die Überbleibsel der verdorrten Blüthe an dem Kernobste heißen gleichfalls der Stern, und so in vielen andern Fällen mehr.

Anm. Bey dem Ottfried Sterro, bey dem Ulphilas Stairno, im Nieders. Steern, im Angels. Steorra, im Isländ. und Schwed. Stjerna, im Pers. Stär, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Latein. Astrum und mit einem andern Endlaute Stella. Es ist ungewiß, ob der Begriff des Leuchtens, Glänzens, oder der Begriff der strahligen Spitzen, unter welchen die Sterne dem Auge sichtbar sind, oder auch der Begriff des Sehens, der Unbeweglichkeit, im Gegensatze der Sonne und des Mondes, indem sie Sterne dem ungeübten Auge ihren Stand wenig oder gar nicht zu verändern scheinen, in diesem so alten Worte der herrschende ist. Das Latein. Sidus, gehöret unstreitig zu sehen, so fern es ehedem auch scheinen bedeutet; daher considerare, betrachten. Stern und Stirn sind allerdings nahe verwandt, und das Nieders. Steern und Schwed. Stjerna bedeuten beydes; aber doch in verschiedenen ursprünglichen Rücksichten. In Stirn ist der Begriff der Erhabenheit der herrschende, welcher mit dem Sehen und Scheinen nahe verwandt ist, indem das Erhabene in vielen Fällen am ersten und deutlichsten sichtbar ist.


Sternader (W3) [Adelung]


Die Sternader, plur. die -n, ein Nahme der Schwanzader an den Pferden.


Sternanieß (W3) [Adelung]


Der Sternanieß, des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche in Japan und China einheimisch ist; Illicium Linn. Der Same, welcher zunächst diesen Nahmen führet, weil er wie Anieß riechet und schmeckt, ist aus verschiedenen Kapseln in Gestalt eines Sternes zusammen gesetzt.


Sternänte (W3) [Adelung]


Die Sternänte, plur. die -n, eine Art wilder Änten mit braunem Kopfe, aschfarbenem Leibe und einem großen weißen Stern auf dem Rücken; Anas stellata Klein.


Sternapfel (W3) [Adelung]


Der Sternapfel, des -s, plur. die -äpfel, die einem Apfel ähnliche Frucht eines Amerikanischen Baumes, und dieser Baum selbst; Chrylophyllum Cainito Linn.


Sternbild (W3) [Adelung]


Das Sternbild, des -es, plur. die -er, in der Astronomie, mehrere in einer Figur zusammen eingeschlossene, unter einem Bilde begriffene Sterne; ein Gestirn, eine Constellation. In der feyerlichen Schreibart Sternenbild.


Sternbühne (W3) [Adelung]


Die Sternbühne, plur. die -n, S. Sternwarte.


Sternbutzen (W3) [Adelung]


Der Sternbutzen, S. die Sternputze.


Sterndeuter (W3) [Adelung]


Der Sterndeuter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sterndeuterinn, eine Person, welche die Fertigkeit besitzt oder zu besitzen glaubt, die zufälligen menschlichen Schicksalle aus den Sternen und deren Stellung vorher zu sagen; ein Astrologe, zuweilen auch der Sternseher. Daher die Sterndeutung, so wohl dieses Vorhersagen selbst, als auch die Fertigkeit desselben, die Astrologie, welche man auch im verächtlichen Verstande die Sterndeuterey zu nennen pflegt.


Sterndunen (W3) [Adelung]


Die Sterndunen, sing. inus. ein Nahme, welchen im Niederdeutschen auch die Elderdunen führen, S. dieses Wort.


Sternenbild (W3) [Adelung]


Das Sternenbild, S. Sternbild.


Sternenpol (W3) [Adelung]


Der Sternenpol, des -es, plur. die -e, bey einigen Dichtern der Himmelspol, und in weiterer Bedeutung, der große Raum des Himmels, in welchem sich die Sterne befinden. Vielleicht irrt noch ihr Blick Neugierig an dem Sternenpole, Gell.


Sternensaal (W3) [Adelung]


* Der Sternensaal, des -es, plur. inus. eine veraltete poetische Benennung des Sternhimmels.


Sternfeuer (W3) [Adelung]


Das Sternfeuer, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. in der Feuerwerskunst, eine Art eines Lustfeuers, welches, wenn es entzündet ist, eine Menge Sterne vorstellet.


Sternfisch (W3) [Adelung]


Der Sternfisch, des -es, plur. die -e, eine Art nackter Würmer mit Gliedern, deren Körper die Gestalt eines fünfeckten Sternes hat; Asterias Linn.


Sterngang (W3) [Adelung]


Der Sterngang, des -es, plur. die -gänge, ein Gang in einem Garten; welcher die Gestalt eines Sternes hat.


Sterngebäude (W3) [Adelung]


Das Sterngebäude, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Die sämmtlichen Sterne am Himmel als ein zusammen hangendes Ganzes betrachtet. 2. Mehrere Sterne, welche sich in verschiedenen Weiten um ihren Hauptstern als ihre Sonne bewegen; das Sonnen-System.


Sterngewächs (W3) [Adelung]


Das Sterngewächs, des -es, plur. die -e, ein Art Seesterne, welche unter dem Nahmen des Medusen-Hauptes am bekanntesten ist; Astrophyton, Caput Medusae.


Sterngucker (W3) [Adelung]


Der Sterngucker, S. Sternseher.


Sternhell (W3) [Adelung]


Sternhell, adj. et adv. von der hellen oder heitern Beschaffenheit der Luft zur Nachtzeit; so daß man die Sterne sehen kann; sternklar. Es ist sternhell oder sternklar. Eine sternhelle Nacht.


Sternhimmel (W3) [Adelung]


Der Sternhimmel, des -s, plur. inus. der unermeßliche Raum außer der Erde, in welchem sich die Sterne befinden; zum Unterschiede von dem Lufthimmel und dem Himmel der Seligen.


Sternhut (W3) [Adelung]


Der Sternhut, des -es, plur. die -hüte, eine Art Fingerhüte, welche oben mit Knöpfchen versehen sind.


Stern-Hyacinthe (W3) [Adelung]


Die Stern-Hyacinthe, plur. die -n, eine Art der Meerzwiebel, deren seitwärts befestigte Blumen den Hyacynthen gleichen; Scilla amoena Linn.


Sternkegel (W3) [Adelung]


Der Sternkegel, des -s, plur. ut nom. sing. die Vorstellung des halben Sternhimmels mit allen daran befindlichen Sternen in der Gestalt eines hohlen niedrigen Kegels; Coniglobium.


Sternklar (W3) [Adelung]


Sternklar, adj. et adv. S. Sternhell.


Sternklee (W3) [Adelung]


Der Sternklee, des -s, plur. car. eine Art Klees, Trifolium stellatum Linn. Franz. Faronche.


Sternkraut (W3) [Adelung]


Das Sternkraut, des -es, plur. inus. 1. Ein Nahme der Sternblume oder des Asters; Aster Linn. wegen der Ähnlichkeit der Blumen. 2. Gelbes Sternkraut, eine Art des Alautes; Inula britannica Linn. Eine andere Art, Inula dysenterica Linn. wird Bergsternkraut genannt. 3. Kleines blaues Sternkraut, eine Art des Waldmeisters, welche auf den Äckern einheimisch ist; Asperula arvensis Linn. 4. Wassersternkraut, eine Art des Zweyzahnes, Bidens cernua Linn. welches auch gelbes Fieberkraut und kleiner gelber Wasserdosten genannt wird. 5. S. Sternpflanze.


Sternkunde (W3) [Adelung]


Die Sternkunde, plur. car. die Kunde, d. i. Kenntniß der Sterne und ihrer Bewegung, welche, wenn sie bis zur Wissenschaft erhoben wird, die Sternwissenschaft heißt; die Astronomie, welches von beyden gebraucht wird. Daher der Sternkundige oder Sternkenner, der die Sterne und ihre Bewegungen kennet; der Astronom. S. Sternseher.


Sternkürbiß (W3) [Adelung]


Der Sternkürbiß, des -es, plur. die -e, eine Art Kürbisse, welche die Gestalt eines Sternes haben.


Sternleberkraut (W3) [Adelung]


Das Sternleberkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des wahren Waldmeisters, Asperula odorata Linn.


Sternmelone (W3) [Adelung]


Die Sternmelone, plur. die -n, eine Art Melonen, welche die Gestalt eines Sternes haben.


Sternmoos (W3) [Adelung]


Das Sternmoos, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, eine Art Mooses, welches die Gestalt eines Sternes hat, Bryum Linn.


Sternpflanze (W3) [Adelung]


Die Sternpflanze, plur. die -n, ein Nahme einer Pflanze, welche in den Europäischen Hainen wächst; Stellaria Linn. Sternkraut; vermuthlich auch wegen der Gestalt ihrer Blumen.


Sternputze (W3) [Adelung]


Die Sternputze, plur. die -n, im gemeinen Leben übliche und harzige Dünste, welche sich in der höchsten Luft in einem schleimigen Klumpen sammeln, sich entzünden und als ein schleimiges Wesen auf die Erde fallen; die Sternschuppe, die Sternschnäutze im Oberdeutschen der Sternbutzen, weil der große Haufe glaubt daß sich alsdann die Sterne putzen oder schnäutzen; in einigen Gegenden der Sternschuß, Sternfall weil dieser entzündete Dunst im Herunterfallen einem schießenden oder fallenden Sterne gleicht; im Nieders. Qualster. Die Feuerkugeln und fliegenden Drachen sind von diesen Sternputzen nur in der Größe verschieden. Wegen der Ähnlichkeit in der Gestalt, wird im gemeinen Leben auch eine gewisse gallertartige Pflanze, Tremella Nostoc Linn. Sternputze oder Sternschnuppe genannt


Sternrad (W3) [Adelung]


Das Sternrad, S. Stirnrad.


Sternsäule,Sternsäulenstein (W3) [Adelung]


Die Sternsäule, oder der Sternsäulenstein, S. Sternstein.


Sternschanze (W3) [Adelung]


Die Sternschanze, plur. die -n, in der Befestigungskunst, eine Schanze, welche aus lauter Scheren zusammen gesetzt ist, daher sie die Gestalt eines vier- fünf- bis sechseckigen Sternes hat.


Sternschnäutze (W3) [Adelung]


Die Sternschnäutze oder die


Sternschnuppe (W3) [Adelung]


Sternschnuppe, plur. die -n, S. Sternputze.


Sternschuß (W3) [Adelung]


Der Sternschuß, des -es, plur. die -schüsse, S. eben daselbst.


Sternseher (W3) [Adelung]


Der Sternseher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sternseherinn, plur. die -en, eine Person, welche eine Fertigkeit besitzt, die Sterne zu betrachten, so wohl ihre Bewegung zu erkennen, in welchem Falle es ehedem für Sternkundiger üblich war, als auch ihre Einflüsse in die Schicksale der Menschen zu bestimmen, da es denn auch für Sterndeuter gangbar war. In beyden Fällen im gemeinen Leben auch Sterngucker, (Nieders. Sternkiker,) welches auch Es. 47, 13 vorkommt. Von einem Sternkundigen. Astronom, wird es wenig mehr gebraucht, theils weil es zu unbestimmt, theils aber auch, weil es zu niedrig ist. Daher die Sternsehekunst, welches noch von einigen gebraucht wird, so wohl die Astronomie oder Sternkunde, Sternwissenschaft, als auch die Astrologie, Sterndeutung zu bezeichnen.


Sternstein (W3) [Adelung]


Der Sternstein, des -es, plur. die -e, in der Mineralogie, platte vier- oder fünfeckige Versteinerungen, welche auf der Ober- und Unterfläche die Figur eines Sternes haben; Asteriae, Astroitae, Astroiten. Sie sind vermuthlich Gelenke aus den Armen des Sternfisches, Asterias Linn. Wenn mehrere derselben in Gestalt einer Säule zusammen hängen, so heißt selbige eine Sternsäule oder ein Sternsäulenstein.


Sternuhr (W3) [Adelung]


Die Sternuhr, plur. die -en, ein Werkzeug in Gestalt einer Sonnenuhr, die Stunden der Nacht vermittelst der Sterne zu erkennen.


Sternwarte (W3) [Adelung]


Die Sternwarte, plur. die -n, eine Warte, oder ein Gebäude in Gestalt eines Thurmes, die Sterne und ihre Bewegung auf derselben zu beobachten; mit einem Lateinischen Kunstworte ein Observatorium, bey einigen, obgleich mit wenigerm Beyfalle, eine Sternbühne.


Sternwissenschaft (W3) [Adelung]


Die Sternwissenschaft, plur. inus. S. Sternkunde.


Sterzänte (W3) [Adelung]


Die Sterzänte, plur. die -n, eine Art wilder Änten, welche Klein für Abartung der gemeinen wilden oder Märzänte hält.


Sterz (W3) [Adelung]


Der Sterz, des -es, plur. die -e, oder die Sterze, plur. die -n, Diminut. das Sterzchen, ein Wort, welches überhaupt den Begriff der Ausdehnung in die Länge hat, und einen langen Stiel, eine Stange bedeutet, aber nur in einigen Fällen üblich ist. Besonders gebraucht man es von einer an dem untern oder hintern Theile eines Dinges befindlichen langen Hervorragung. So wird der starke Baum an den Windmühlen, womit man dieselben umdrehet, und nach dem Winde richtet, das Wendeholz, so wohl der Sterz als die Sterze genannt. Die Pflugsterze ist ein hinten an dem Pfluge hervor ragendes Holz, womit derselbe regieret wird; und in einigen Gegenden heißt die Deichsel an einem Wagen die Wagensterze. Im Bergbaue ist das Sterzel das Holz unter dem Hunde, worauf die Deichsel lieget. Besonders ist Sterz im gem. Leben vieler Gegenden, der Schwanz eines Thieres. Die Kuhsterze, der Kuhschwanz. Den Hund auf die Sterze oder auf den Sterz treten, auf den Schwanz. Die Rothsterze ein Vogel, welcher auch Rothschwanz heißt. Auch der Hintere am Menschen wird in den gemeinen Sprecharten und im Scherze häufig der Sterz genannt. Anm. Im Nieders. Steert, im Angels. Staert, Steort, im Holländ. Steert, Staart, im Schwed. Stiert, im mittlern Lat. ohne Zischlaut Dardus. Die Ausdehnung in die Länge ist ohne Zweifel der Stammbegriff, daher dieses Wort als ein Verwandter von starren, sich unbiegsam in die Länge erstrecken, angesehen werden muß. In Nordengland ist Start, ein langer Stiel. Siehe das folgende.


Sterzen (W3) [Adelung]


Sterzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, aber nur in den gemeinen Sprecharten Ober- und Niederdeutschlandes üblich ist, wo es gehen, wandern bedeutet, besonders mit dem Nebenbegriffe des Müßigganges. Im Lande herum sterzen, herum streichen. Sterzen gehen, in eben dieser Bedeutung. Wo sind die Musen? Sie haben müssen sterzen, Ihr Sitz ist umgekehrt, Opitz. Daher im Oberdeutschen ein Landsterzer oder Landstörzer, ein Landstreicher.

Anm. Im Nieders. steerten, Engl. to start. Nicht mit dem herrschenden Begriffe des vorigen Wortes in seiner engern Bedeutung, als wenn es eigentlich bedeutete, den Hintern im Fliehen kehren, mit der allgemeinen Bedeutung der Bewegung, von welcher die Ausdehnung in die Länge eine gewöhnliche Figur ist. Die Endsylbe -zen, Nieders. -ten, verräth ein Intensivum, welches von einem veralteten steren gebildet worden, womit steuern und stören verwandt zu seyn scheinen.


Sterzseuche (W3) [Adelung]


Die Sterzseuche, plur. inus. in einigen Gegenden, eine Krankheit des Rindviehes, wobey der Sterz oder Schwanz ganz weich oder welk wird, so daß man ihn herum drehen kann, und woran das Vieh in kurzer Zeit stirbt; der Sterzwurm. Pr. Erxleben hielt diese Krankheit für eine Art eines Nervenfiebers.


Stet (W3) [Adelung]


Stet, Stetig, S. Stät, Stätig.


Stets (W3) [Adelung]


Stets, adverb. ununterbrochen fortwährend, im gemeinen Leben immer. Meine Augen sehen stets zum Herren, Ps. 25, 15. Dennoch bleibe ich stets an dir, Ps. 73, 23. Bey Gütern, die wir stets genießen, wird das Vergnügen endlich matt, Gellert. Ingleichen zu allen Zeiten, in allen vorkommenden Fällen; für allezeit. Wer sein Kind lieb hat, der hält es stets unter der Ruthe, Sir. 30, 1. Sie wollen einem stets einen Muth einsprechen, Gell. Ein großer Krieger ist nicht stets ein großer Mann. Cron. Sie widersprechen mir ja stets, Gell. Wir werden stets finden, daß Gott es besser mit den Menschen meint, als es der Mensch mit sich meinen kann, eben ders. Ein Schäfer pflegt sich nicht stets an sein Wort zu binden, eben ders. In einigen Oberdeutschen Gegenden scheint es auch für oft üblich zu seyn, in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen unbekannt ist. Wenigstens sagt Opitz. Sehr stets hat die Natur beherzet seyn und lieben In einen hohen Sinn zusammen eingeschrieben.

Anm. Im Schwed. stadse, stades. Es ist ein aus stät gebildetes Nebenwort, welches ursprünglich fest, unbeweglich, bedeutet hat, welche im Hochdeutschen veraltete Bedeutung noch bey dem Opitz vorkommt: Wer also redet, also lebt, Und emsig nach dem Guten strebt, Der bleibt auch stets und unbewegt. Um dieser Abstammung willen, sollte man es billig stäts schreiben, wie in einigen Oberdeutsch. Gegenden auch wirklich geschiehet. Indessen ist im Hochdeutsch. die Schreibart mit einem e einmahl all- gemein. Im Niedersächs. gebraucht man dafür stede, stadelik, stedelik, stedig und gestadig, welche unser stät und stätig sind. Im Oberdeutschen pflegt man wohl noch ein müßiges all vorzusetzen, allstets für stets. S. Stät.


Steuer (W3) [Adelung]


Das Steuer, des -s, plur. ut nom. sing. ein in der Schifffahrt für Steuerruder übliches Wort, ( S. dasselbe.) Im Nieders. Stür, im Angels. Steore, im Holländ. Stuur, im Schwed. Styre. Es ist von dem Zeitworte steuern, S. dasselbe.


Steuer (W3) [Adelung]


Die Steuer, plur. die -n, gleichfalls von dem Zeitworte steuern. 1. * Der Schutz, ohne Plural, eine veraltete Bedeutung. Thero Engila Stiura, der Schutz der Engel, Ottfried. 2. * In mehr thätigem Verstande, Hülfe, Beystand, gleichfalls ohne Plural. Bey dem Ottfried Stiuro, bey dem Stryker Sture. Darzu dorfft er ewr Hüllff unnd stewr, Theuerd. Kap. 51, Darvmb gehet mir ewr Stewr mit ein Schaft und guten eysen, eben das. Komm, uns Armen, doch zu Steuer Wider dieses Ungeheuer, Opitz. - Das sternenlichte Feuer Kommt, wie der schöne Mord den Schiffern, mir zu Steuer; eben ders. Kommt doch mein Jesus mir zu Steur, Gryph. Auch in dieser Bedeutung ist es veraltet; doch sagt man noch, besonders in den Kanzelleyen und Gerichten, etwas zu Steuer der Wahrheit bekennen, bescheinigen, zur Unterstützung, Beförderung der Wahrheit. 3. Im engern Verstande ist die Steuer, eine Beyhülfe an Gelde oder andern Bedürfnissen, dem Mangel eines andern abzuhelfen. (1) * Im weitesten Verstande. Eine Beysteuer zu etwas geben oder thun. Darnach hieß er sie eine Steuer zusammen legen, 2 Maccab. 12, 43. Ingleichen ein freywilliger Beytrag, welchen man einem Armen gibt. Von der Steuer, die den Heiligen geschiehet, 1 Cor. 16, 1. Die Handreichung dieser Steuer erfüllet nicht allein den Mangel der Heiligen, u. s. f. 2 Cor. 9, 12. Da es denn nicht bloß von gemeinschaftlichen Beyträgen mehrerer gebraucht wurde, sondern auch in manchen Gegenden noch von einem jeden Almosen üblich ist. Jemanden um eine Steuer ansprechen, um ein Almosen. Im Hochdeutschen ist es auch in dieser Bedeutung veraltet, in welcher doch das zusammengesetzte Beysteuer noch gangbar ist. ( S. auch Aussteuer und Heimsteuer.) (2) Im engern Verstande ist die Steuer ein Beytrag der Unterthanen an Geld oder Geldeswerth zu den Bedürfnissen des gemeinen Wesens, eine Abgabe, welche der Obrigkeit zur Bestreitung der Bedürfnisse des Staates gegeben wird; im mittlern Lat. Steura, und nach einer wörtlichen Übersetzung Auxilium, Franz. Aide. Steuern und Gaben anlegen. Eine Steuer ausschreiben. Die Steuer entrichten. Da es denn fast von allen solchen Abgaben üblich ist, welche alsdann durch allerley Zusammensetzungen näher bestimmt werden. Die Hundesteuer, zur Erhaltung der Jagdhunde, die Kriegssteuer, zur Führung eines Krieges, Fräuleinsteuer, zur Ausstattung einer Prinzessinn. Die Nachsteuer, das Abzugsgeld von Erbschaften u. s. f. Die Fleischsteuer, Brotsteuer, Tranksteuer, welche von dem Fleische, Brote oder Getränke entrichtet wird, die Kopfsteuer oder Personensteuer, welche nach den Personen und deren Stande gegeben wird, die Vermögensteuer, welche von dem Vermögen entrichtet wird u. s. f. Im engsten Verstande ist die Steuer schlechthin eine solche Angabe von liegenden Gründen, eine Grundsteuer, um sie von dem Kopf- oder Personengelde, der Accise u. s. f. zu unterscheiden. Figürlich wird auch ein zu Einhebung und Berechnung der unter dem Nahmen der Steuern gangbaren Abgaben niedergesetztes Collegium, das Steuer-Collegium, Steueramt, schlechthin die Steuer genannt, welchen Nahmen denn auch wohl das Gebäude oder das Zimmer führet, in welchem sich dasselbe versammelt. In die Steuer gehen. S. Steuern.


Steueramt (W3) [Adelung]


Das Steueramt, des -es, plur. die -ämter, von Steuer 3 (2). 1. Ein Amt, d. i. Collegium mehrerer zu Einhebung und Berechnung der Steuer niedergesetzter Personen; das Steuer-Collegium, oft auch nur die Steuer schlechthin. 2. Ein Amt in oder bey einem solchen Collegio.


Steueranschlag (W3) [Adelung]


Der Steueranschlag, des -es, plur. die -schläge, der Anschlag, nach welchem eine Steuer ausgeschrieben und entrichtet wird, das Verhältniß, nach welchem das Vermögen, das Gewerbe, der Stand u. s. f. der Unterthanen mit einer Steuer belegt wird. S. Steuer 3 (2).


Steuerbar (W3) [Adelung]


Steuerbar, adj. et adv. der Steuer 3 (2) unterworfen; im Gegensatze des steuerfrey. Steuerbare Güter, Personen.


Steuerbeamte (W3) [Adelung]


Der Steuerbeamte, des -n, plur. die -n, von Steuer 3 (2), ein Mitglied eines Steuer-Collegii, ingleichen ein jeder, welcher von der Obrigkeit zu Einnehmung und Berechnung der Steuern verordnet ist.


Steuerbort (W3) [Adelung]


Das Steuerbort, des -es, plur. die -e, in der Schifffahrt, das rechte Bort, oder die rechte Seite des Schiffes, wenn man aus dem Hintertheile nach vorn zu stehet; im Gegensatze des Bakbortes oder der linken Seite. Nieders. Stürboord, Holländ. Stuurbord, Engl. Starboart, Schwed. Styrbord, Isländ. Stiornbord. Vermuthlich von Steuer, Steuerruder, weil dieses ehedem nicht in der Mitte des Hintertheiles, sondern an der rechten Seite angebracht war, wie noch aus den Abbildungen der ehemahligen Schiffe auf alten Münzen erhellet.


Steuerbörs (W3) [Adelung]


Der Steuerbörs, des -es, plur. die -börse, eine Art Börse mit ausgehöhltem Kopfe; Perca cernua Linn. In einigen Niedersächs. Gegenden wird der Kaulbars Steuerbars oder Stuurbars, im Lüneburgischen Sture genannt. Vermuthlich von dem noch Nieders. stuur, groß, schwer, dick, mürrisch, grob.


Steuerbrücke (W3) [Adelung]


Die Steuerbrücke, plur. die -n, auf den Bothen oder Kähnen, eine Bohle, worauf der Steuermann stehet, wenn er das Fahrzeug steuert.


Steuerbuch (W3) [Adelung]


Das Steuerbuch, des -es, plur. die -bücher, von Steuer 3 (2), ein Buch, in welches die Steuer, und wie sie entrichtet worden, eingetragen wird.


Steuer-Collegium (W3) [Adelung]


Das Steuer-Collegium, des -gii, plur. die -gia, Siehe Steueramt.


Steuereinnehmer (W3) [Adelung]


Der Steuereinnehmer, des -s, plur. ut nom. sing. dessen Gattinn, die Steuereinnehmerinn, derjenige, welcher dazu verordnet ist, die Steuer in einer Gegend oder einem Kreise einzunehmen und dem Landesherren zu berechnen.


Steuerer (W3) [Adelung]


Der Steuerer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Steuermann.


Steuerfrey (W3) [Adelung]


Steuerfrey, adj. et adv. auch von Steuer 3 (2), von der Steuer befreyet, im Gegensatze des steuerbar. Steuerfreye Güter, Personen.


Steuerlästig (W3) [Adelung]


Steuerlästig, adj. et adv. welches nur in der Seefahrt üblich ist. Ein Schiff geht steuerlästig, wenn es hinten nach dem Steuerruder zu tief gehet, weil es daselbst zu sehr beladen worden, daselbst zu viel Last hat; hinterlästig, zum Unterschiede von dem vorlästig.


Steuerlehen (W3) [Adelung]


Das Steuerlehen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein steuerbares Lehen, ein Lehengut, welches zu Steuern verpflichtet ist; eine Art Zinslehen.


Steuermann (W3) [Adelung]


Der Steuermann, des -es, plur. die -männer, oder -leute, auf den Schiffen derjenige, welcher das Schiff steuert, das Steuerruder führet, von welchem folglich der ganze Lauf und die Sicherheit des Schiffes abhänget. Auf großen Schiffen hat man deren zwey bis drey, welche alsdann durch die Wörter Ober- und Unter- unterschieden werden. Auf Handelsschiffen wird er oft der Schiffer genannt, so wie er auf Bothen, Kähnen und andern kleinen Fahrzeugen nur der Steuerer heißt. Bey dem Notker nur Stiuro. Ehedem war in den Oberdeutschen Gegenden für Steuermann auch Marner und Morner sehr üblich, welches unter andern noch bey den Schwäbischen Dichtern häufig vorkommt. Daher die Steuermannskunst, plur. car. die Fertigkeit, das Schiff sicher und geschickt zu steuern, einer der wichtigsten Theile der Seefahrt.


Steuern (W3) [Adelung]


Steuern, verb. reg. act. und in einigen Fällen auch neutr. in welchem letztern Falle es das Hülfswort haben erfordert. Es war ehedem ein Wort von einem sehr großen Umfange der Bedeutung, und ist es zum Theil noch, indem es ursprünglich verschiedene Arten heftiger Bewegungen bezeichnete, in welchen Fällen es größten Theils ein Intensivum oder Iterativum von stauen, steuen, stehen u. s. f. ist, von welchen das mittlere unter die veralteten gehöret. Es bedeutet, 1. * Ungestüm, mit Heftigkeit verlangen; eine nur im Niedersächsischen übliche Bedeutung, wo es stüren lautet. Auf etwas steuern, erpicht seyn. Daher Upstür, eine plötzlich entstehende heftige Begierde, verstüred, auf etwas erpicht, balstürig, frevelhaft, unstür, heftig u. f. lauter nur in Niedersachsen gangbare Wörter. Es scheinet hier eine Onomatopöie der brausenden heftigen Begierde, und mit Sturm, stören u. s. f. verwandt zu seyn. 2. Wehren, abwehren, Einhalt thun, mit der dritten Endung der Person oder Sache. Dem Verderben steuern, Es. 10, 22. Du lässest dir nicht steuern, Jer. 3, 5. Daß Gott den Sündern steuret, daß sie nicht fortfahren, 2 Maccab. 6, 23. Warum steuern sie diesen schreyenden Grobheiten nicht? Gell. Im Nieders. gebraucht man es mit der vierten Endung; Gott steuert die Bäume, daß sie nicht in den Himmel wachsen. Welches auch wohl von einigen im Hochdeutschen nachgeahmet wird. Im Nieders. stüren, Angels. stiernan, Schwed. styra. Die beyden letzten bedeuten auch züchtigen, daher ist im Angels. Stiernesse, die Zucht, und Storre, die Züchtigung. Ohne Zischlaut ist in einigen Niedersächsischen Gegenden törren, dem Laufe Einhalt thun, im Holländ. deren, überwinden, und bedaren, zähmen. 3. Regieren, und zwar, (1) in mehr eigentlichem Verstande, die Richtung einer Bewegung bestimmen; wo es noch von den Schiffen und Fahrzeugen üblich ist, ihren Lauf bestimmen. Kähne und ähnliche kleine Fahrzeuge werden mit einer Stange, größere aber mit dem Steuerruder gesteuert. Der Steuermann steuert das Schiff. Wo es auch absolute und als ein Neutrum gebraucht wird. Nach London, nach Cadix, gegen Osten, gegen Westen steuern, den Lauf des Schiffes dahin richten, dahin segeln. Auch von den Schiffen sagt man, das Schiff steuert gut, schlecht, wenn es sich gut oder schlecht steuern lässet. Bey Windstillen steuern die Schiffe schlechter, als sonst. (2) Figürlich, das freye Verhalten vernünftiger Geschöpfe bestimmen, regieren; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber ehedem sehr gangbar war, und überaus alt ist. Bey dem Ulphilas stiuran, im Angels. steoran, steyran, im Engl. steer, Holländ. stieren. Nieders. stüren, im Slavon. staram, ich steuere, im Schwed. styra, im Isländ. stiorna; welche alle so wohl von den Schiffen, als auch überhaupt für regieren gebraucht werden. Auf ähnliche Art bedeutete auch schalten, ehedem so wohl ein Schiff regieren, als regieren überhaupt. Im Nieders. ist bestüren, einrichten, das Veränderliche an einem Dinge bestimmen. 4. * Schicken, senden; eine nur im Niedersächsischen übliche Bedeutung. Ich habe darnach gesteuert, geschickt. Einen Bothen absteuern, Waaren, Güter absteuern, abschicken absenden. 5. Stützen; eine nur noch in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden übliche Bedeutung, wo auch eine Stütze die Steuer heißt. Ein Haus steuern. Ingleichen als ein Reciprocum. Sich auf seinen Stab steuern. Sich auf jemanden steuern, stützen, verlassen. Sich mit dem Arm aufsteuern, sich an etwas ansteuern. Steuern ist hier unstreitig ein Intensivum von stauen, stehen machen, wohin mit andern Endlauten auch stauchen, stämmen, stützen u. s. f. gehören. 6. Helfen, unterstützen, Beystand leisten; eine im weitesten Verstande veraltete Bedeutung. Man gebraucht es nur noch im engern, einen Beytrag an Geld oder andern Bedürfnissen geben oder entrichten. Den Armen steuern, ein Almosen geben, im Oberdeutschen, wo man auch wohl die Bettler sagen höret, steuern sie uns etwas. Einem etwas zu einem Baue steuern, ihm einen Beytrag zu den dazu nöthigen Erfordernissen thun. Zusammen steuern, einen Beytrag zum Behufe eines dritten zusammen schießen. ( S. auch Aussteuern.) 7. Am häufigsten gebraucht man dieses Zeitwort im Hochdeutschen von der Entrichtung der Steuern an die Obrigkeit, ( S. die Steuer 3 (2.) Der Herrschaft, der Obrigkeit steuern, ihr Steuer entrichten. Dieses Gut steuert nach Felfenburg, entrichtet seine Steuer dahin. Ein Gut versteuern, die Steuer davon entrichten. Hingegen hat es in besteuern und übersteuern, eine mehr thätige Bedeutung, mit Steuern belegen. Daß diese Bedeutung eine Figur von der Bedeutung des Stützens ist, erhellet unter andern auch aus dem Schwedischen, wo Stod, welches unstreitig von stützen abstammet, auch Hülfe, und besonders Geldhülfe, Beytrag bedeutet. Vielleicht gehören ohne Zischlaut auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine Gabe, und das Latein. Dos, dotis, hierher. So auch das Steuern.

Anm. Aus diesen und mehrern entweder längst veralteten, oder noch in andern Sprachen üblichen Bedeutungen erhellet, daß dieses Wort anfänglich eine Onomatopöie verschiedener ähnlicher Arten heftiger Bewegungen gewesen, worauf es eine Benennung solcher Handlungen geworden, welche mit diesem oder einem ähnlichen Laute verbunden sind; woraus zugleich die Verwandtschaft mit Sturm, stören, zerstören, Stern, Stirn, Sterz, sterzen, stürzen und andern mehr erhellet. Die Schreibart steuren ist in diesem so wie in andern ähnlichen Fällen nur harten Mundarten eigen; die Hochdeutsche gelindere behält das erste e, verbeißt aber das letzte, steuern, für steueren, wie es eigentlich heißen müßte. S. -Ern.


Steuernagel (W3) [Adelung]


Der Steuernagel, des -s, plur. die -nägel, ein Nagel hinter dem Hintergestelle eines Wagens an dem Langwagen hinter der Achse; der Vorstecknagel. Vielleicht, weil er dem Auseinandergehen des Wagens steuert.


Steuerpflicht (W3) [Adelung]


Die Steuerpflicht, plur. die -en, von Steuer oder Steuerruder, die Erhöhung über dem obersten Verdecke in dem Hintertheile eines Schiffes, welche unter dem Nahmen des Hinter-Castelles am bekanntesten ist. S. Pflicht.


Steuerrath (W3) [Adelung]


Der Steuerrath, des -es, plur. die -räthe, von Steuer 3 (2), ein mit dem Titel eines Rathes bekleidetes Mitglied eines Steuer-Collegii.


Steuerruder (W3) [Adelung]


Das Steuerruder, des -s, plur. ut nom. sing. dasjenige Ruder, womit ein Schiff oder Fahrzeug gesteuert, das ist, in seinem Laufe bestimmt wird, und welches auch nur das Steuer heißt; zum Unterschiede von denjenigen Rudern, welche bloß dessen Fortkommen befördern. Auf den Donauschiffen wird es das Kehrruder, an andern Oberdeutschen Orten aber der Leitnagel genannt.


Steuerschein (W3) [Adelung]


Der Steuerschein, des -es, plur. die -e, 1. Ein Schein, eine Bescheinigung, daß jemand die schuldige Steuer abgetragen habe. 2. In einigen Provinzen sind es Obligationen oder Schuldscheine über dem Landesherren vorgeschossene Summen, welche aus der Steuer wieder bezahlet werden sollen, und wofür diese haftet. S. Steuer 3 (2).


Steuerschote (W3) [Adelung]


Die Steuerschote, plur. die -n, auf den Schiffen, von Schote, ein Seil, eine Art Seile an den Ecken der Segel, zum Unterschiede von den Marsschoten, Bramschoten u. s. f.


Steuerstange (W3) [Adelung]


Die Steuerstange, plur. die -n, auf Kähnen und kleinen Fahrzeugen, eine Stange, womit dieselben in Ermangelung eines Steuerruders gesteuert oder regieret werden.


Steven (W3) [Adelung]


Der Steven, des -s, plur. ut nom. sing. im Schiffbaue, der Nahme zweyer starker aufrecht stehender Bauhölzer an den beyden Enden des Kieles, wovon der Vordersteven, dem Vordertheile, der Hintersteven aber dem Hintertheile seine Gestalt und Festigkeit gibt. Das Wort ist Niederdeutsch, ist aber mit Stab, in dessen weitester Bedeutung genau verwandt.


Stich (W3) [Adelung]


Der Stich, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stichlein, von dem Zeitworte stechen. 1. So fern dasselbe eine schnelle Bewegung bezeichnet hat, wovon man noch sagt, in See stechen, angestochen kommen, ist dieses Hauptwort ohne Plural nur noch in der im gemeinen Leben üblichen Redensart üblich, eine Person oder Sache im Stiche lassen, sie verlassen, vermuthlich eigentlich, sie im Laufe, in der Bewegung, auf dem Wege zurücklassen. Der Hirte ließ die Herd' im Stich, Lichtw. Der Dieb entfloh, und ließ einen Theil der Beute im Stiche. 2. Von stechen, eine Öffnung oder Wunde mit einem spitzigen Werkzeuge machen. (1) Die Handlung des Stechens mit Einschluß der dadurch verursachten Wunde. Auf den Stich fechten. Auf den Hieb und auf den Stich. Jemanden einen Stich, zwey, drey Stiche geben, beybringen, ihn so oft stechen. Die Wunde ist von einem Stiche. Einen Stich in den Leib haben, davon tragen, bekommen. Das ist ein Stich ins Herz, figürlich, das schmerzt plötzlich und empfindlich. Jedes Wort ist ein Stich durch mein Herz, Weiße. Welche Stiche fühlt mein Herz, wenn ich sie sehe! Ein Stich, der nicht blutet, eine beißende Rede. Ein Stich mit der Nähnadel im Nähen, einen, zwey, drey Stiche thun, nicht geben. Das Leder, der Zeug, hält nicht Stich, wenn beydes im Nähen ausreißt. Vermuthlich rühret daher die R. A. Stich halten, standhaft, dauerhaft seyn, bewährt befunden werden, und dessen Gegensatz, nicht Stich halten. Die Soldaten halten nicht Stich, wenn sie nicht Stand halten, sondern ausreißen. Die Lüge hält nicht Stich, hat keinen Bestand, keine Dauer, gewähret keine wahre Hülfe. Alle deine Beweisgründe halten nicht Stich, beweisen bey näherer Untersuchung nicht, was sie beweisen sollen. Hier hält kein Zweifel Stich. Mir soll er gewiß Stich halten, Stand halten, nicht entwischen. Figürlich ist der Stich in einigen Gegenden, besonders Niedersachsens auch so viel als ein Punct. Nicht einen Stich sehen, nichts sehen können. Es ist stichdunkel, in einigen Gegenden, wofür man in andern stockfinster sagt. Im Niedersächsischen hat man auch das Nebenwort stick, für auf den Punct, genau. Überhaupt ist das Wort Stich in allen den Fällen üblich, wo das Zeitwort eine Öffnung oder Verwundung mit einem spitzigen Werkzeuge machen bedeutet. Der Nadelstich, Flohstich, Schlangenstich, Dolchstich u. s. f. Im Hüttenbaue ist der Stich, die Öffnung des Auges in dem Schmelzofen vermittelst eines Stiches, (Siehe Stichherd, Stichofen, u. s. f.) Daher über den Stich schmelzen, oder arbeiten, das Erz in einem Stichofen schmelzen, welches auch das Stichschmelzen genannt wird. Bey den Kupferstechern sind die Stiche die einzelnen Einschnitte in das Kupfer. Der Stich mit einem Grabscheite in die Erde; einen Stich in die Erde thun; ein Stich Erde, so viel Erde als man auf Ein Mahl mit dem Grabscheite aussticht. Figürlich ist der Stich in den Fischteichen die Grube, worein sich die Fische bey Ab- lassung des Teiches zusammen ziehen, und woraus sie nach einander gefangen werden; welche Grube auch die Fischgrube, und der Auszug heißt. Man hat in den Teichen den Hauptstich nebst einigen Beystichen. (2) Die Art und Weise zu stechen, wo der Plural nur von mehrern Arten üblich ist. So wird in der Nähterey die Art und Weise des Nähens mehrmahls der Stich genannt. So sind der Brabantische Stich, und der Böhmische Stich besondere Arten der Rahmnähterey. So auch der Kreuzstich, Kettenstich u. s. f. Auch die Art und Weise, wie ein Kupferstecher sticht, nennt man zuweilen dessen Stich. (3) Was gestochen wird, oder gestochen worden, am häufigsten als ein Kunstwort in einzelnen Fällen. In den Kartenspielen ist der Stich die mit einer höhern Karte auf Ein Mahl gestochenen Karten der Mitspielenden. Einen Stich machen, einnehmen. Keinen Stich bekommen. Alle Stiche machen. Drey Stiche haben. In manchen Spielen ist dafür das Wort Lese üblich. Das durch das Auge des Stichofens abgestochene flüssig gewordene Metall heißt im Hüttenbaue gleichfalls der Stich. Der Abdruck einer gestochenen Kupferplatte wird der Stich, vollständiger und häufiger aber der Kupferstich genannt. Ein schöner Stich. (4) Der Ort, wo gestochen worden, besonders bey den Fleischern, wo der Ort am Halse der Kälber und des Rindviehes, wo selbige gemeiniglich gestochen werden, der Stich heißt. Fleisch von dem Stiche. (5) Die Entfernung zweyer Stiche von einander, besonders bey den Schustern, wo die 26 kleinen Abtheilungen an der Maßlade Stiche heißen. Jeder Stich hält drey Linien. (6) Das Bier, der Wein hat einen Stich, wenn sie säuerlich schmecken, anfangen sauer zu werden. 3. Von stechen, tauschen, ist ohne Plural der Stich die Handlung des Vertauschens der Waaren, der Tauschhandel. Im Stich handeln, auf den Stich handeln, tauschweise. Such um Stich, Waare gegen Waare.

Anm. Im Nieders. Steek und Stik, im Engl. Stitch, im Pohln. Sztych. S. Stechen.


Stichaxt (W3) [Adelung]


Die Stichaxt, plur. die -äxte, eine Axt der Zimmerleute, die Zapfenlöcher damit auszustoßen; die Kreuzaxt, Zwerchaxt.


Stichbalken (W3) [Adelung]


Der Stichbalken, des -s, plur. ut nom. sing. in der Zimmermannskunst, kurze Hölzer, welche auf den Haupthölzern oder Plattstücken der äußern Wände befestiget werden, damit es scheine, als wenn Balken durchgingen. Vermuthlich, so fern Stich ehedem auch etwas Hervorragendes bedeutet. Bey dem Arherdian ist Überstich, der Ärker an einem Hause. Der Stichbalken würde also einen hervor ragenden Balken bezeichnen.


Stichblatt (W3) [Adelung]


Das Stichblatt, des -es, plur. die -blätter. 1. Ein Blatt, oder platter Theil an den Degengefäßen, die Hand vor dem Stiche des feindlichen Degens zu verwahren. Figürlich heißt jemand des andern Stichblatt, wenn er zu dessen Schutz gereicht, oder auch, wenn sich der andere desselben zum Vorwande, zur Ausrede, zur Vertheidigung bedienet. 2. In einigen Gegenden ist das Stichblatt eine Karte in den Kartenspielen, womit man gestochen hat, oder welche andere sticht, ein Trumpf.


Stichel (W3) [Adelung]


Der Stichel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug zum Stechen, doch nur in einigen Fällen. Die stählernen Werkzeuge der Kupferstecher und mancher andern Handwerker und Künstler, damit in Metall zu graben oder zu stechen, heißen Stichel, noch häufiger aber Grabstichel. Bey den Jägern ist der Stichel oder das Sticheleisen, ein spitziges Eisen mit einem hölzernen Stiele, die Löcher zu den Stellstangen und Forfeln damit in die Erde zu stechen. Notker nennet ein Brecheisen Sticchele. Die Endsylbe -el zeigt hier ein Werkzeug an.


Sticheley (W3) [Adelung]


Die Sticheley, plur. die -en, das Sticheln, in der figürlichen Bedeutung, ingleichen eine Stichelrede.


Stichelhärig (W3) [Adelung]


Stichelhärig, S. Stickelhärig.


Sticheln (W3) [Adelung]


Sticheln, verb. reg. act. welches das Intensivum und Diminut. von stechen ist, oft mit kleinen Stichen stechen. 1. Eigentlich wo es doch nur in einigen Gegenden üblich ist, wofür in andern stacheln gebraucht wird. 2. Figürlich, auf jemanden sticheln, auf dessen Unvollkommenheiten anspielen, ihn auf eine verdeckte Art tadeln; im Oberd. stacheln, stochern. Auf Blonde stichelst du? Haged. Auf jemandes Geitz sticheln. So auch das Sticheln. Jemanden anstechen wird auf ähnliche Art gebraucht, Schwed. sticka, Franz. piquer.


Stichelrede (W3) [Adelung]


Die Stichelrede, plur. die -n, eine Rede, das ist, gesprochene Worte, worin man auf jemanden stichelt, demselben seine Unvollkommenheiten auf eine verdeckte Art vorrückt; die Sticheley, in Franken eine Stocherrede. Stachelrede hingegen ist von einigen für Satyre gebraucht worden.


Sticherling (W3) [Adelung]


Der Sticherling, S. Stichling.


Stichheber (W3) [Adelung]


Der Stichheber, S. Stechheber.


Stichherd (W3) [Adelung]


Der Stichherd, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue, derjenige Herd vor dem Stichofen, worein das abgestochene Metall von dem obern Herde fließet.


Stichholz (W3) [Adelung]


Das Stichholz, des -es, plur. die -hölzer, eben daselbst, ein rundes Holz, über welches der Stich in die Oberbrust des Vorherdes geschiehet.


Stichling (W3) [Adelung]


Der Stichling, des -es, plur. die -e, ein Ding, welches sticht. 1. Eine Art gelber Brustwenzel wird Stichling oder Sticherling genannt; Motacilla flava Linn, gelbe Bachstelze, Kuhstelze. 2. Noch häufiger eine Art kleiner Fische mit stacheligen Floßfedern; Stechling, Stecherling, im Niedersächs. Stekerling, Stekelstang, Stengelstang, Holländ. Stekeling, Stekelgrindken; wo mehrere kleine Fische diesen Nahmen zu führen scheinen. Besonders ist der Gasterosteus aculeatus Linn. unter diesem Nahmen bekannt, welcher gemeiniglich noch nicht die Länge eines kleinen Fingers hat, und sich in den meisten Flüssen häufig findet. In einigen Gegenden werden auch die Börse, und besonders die Jungen derselben Stichlinge genannt.


Stichofen (W3) [Adelung]


Der Stichofen, des -s, plur. die -öfen, im Hüttenbaue, eine Art Schmelzöfen, wo das geschmolzene Erz durch Öffnung der Vorbrust des Oberherdes abgestochen wird, damit es in de Stichherd fließe. S. Stich 2.


Stichprobe (W3) [Adelung]


Die Stichprobe, plur. die -n, eben daselbst, die Probe, welche aus den Stichherde von dem durch den Stich abgelassenen Werke genommen wird.


Stichsäge (W3) [Adelung]


Die Stichsäge, plur. die -n, bey den Tischlern, eine Säge mit einem Stiele, wie eine Feile, runde und andere Löcher damit in die Breter einzuschneiden.


Stichschmelzen (W3) [Adelung]


Das Stichschmelzen, des -s, plur. inus. im Hüttenbaue, das Schmelzen auf oder über den Stich; S. Stich.


Stichwand (W3) [Adelung]


Die Stichwand, plur. die -wände, eben daselbst, eine Wand, d. i. ein platter Stein, welcher oben an der Vorsatzwand über den Herd gelegt, und unter welchem der Stich gemacht wird.


Stickel (W3) [Adelung]


* Stickel, adj. et adv. nur im Oberdeutschen für steil üblich ist, S. dieses Wort.


Stickelhärig (W3) [Adelung]


Stickelhärig, adj. et adv. im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, kurze steife und emporstehende Haare habend; Nieders. stickelharig, bey einigen Hochdeutschen stichelhärig. Es ist von dem Nieders. Sticke, ein Stichel, Stift, oder auch von dem Oberd. stickel, steil.


Sticken (W3) [Adelung]


Sticken, verb. reg. welches in doppelter Hauptbedeutung üblich ist. 1. Eine Art der künstlichen Nähterey, eine gemachte Zeichnung mit Stichen ausfüllen, erhabene Figuren auf etwas nähen; wodurch sich das Sticken von dem Ausnähen unterscheidet. Mit Seide, mit Kamehlgarn, mit Gold sticken, mit solchen Fäden. Eine Blume, eine Figur sticken. Einen Rock sticken, eine gestickte Weste, welche mit gestickten Figuren gezieret ist. Nieders. sticken, Schwed. sticka. 2. * Der nöthigen Luft zum Athemhohlen berauben und beraubet werden, so wohl neutraliter, als auch active; in welcher Bedeutung es in Hochdeutschen veraltet ist, seitdem ersticken in beyden Fällen üblicher geworden, ( S. dasselbe.) Im Oberdeutschen ist für das Activum sticken, in dieser Bedeutung auch stecken üblich, ersticken machen, daher man für Stickfluß auch noch Steckfluß sagt.

Anm. Sticken ist das Intensivum von stechen. Das Nieders. sticken bedeutet über dieses auch noch anzünden, anstecken.


Sticker (W3) [Adelung]


Der Sticker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Stickerinn, eine Person, welche stickt, die Kunst zu sticken verstehet, in der ersten Bedeutung des vorigen Zeitwortes.


Stickerey (W3) [Adelung]


Die Stickerey, plur. die -en. 1. Die Kunst zu sticken, ohne Plural. Die Stickerey verstehen. 2. Gestickte Arbeit; das Stickwerk.


Stickfieber (W3) [Adelung]


Das Stickfieber, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art des Fiebers, in welchem der Patient mit dem Ersticken bedrohet wird, Febris suffocans.


Stickfluß (W3) [Adelung]


Der Stickfluß, des -es, plur. die -flüsse, S. Steckfluß.


Stickhusten (W3) [Adelung]


Der Stickhusten, des -s, plur. ut nom. sing. S. Steckhusten.


Stickrahmen (W3) [Adelung]


Der Stickrahmen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Rahmen, in welchem Zeuge, welche gestickt werden sollen, ausgespannet werden.


Stickwerk (W3) [Adelung]


Das Stickwerk, des -es, plur. car. ein Collectivum, gestickte Arbeiten zu bezeichnen.


Stickwurz,Stickwurzel (W3) [Adelung]


Die Stickwurz oder Stickwurzel, plur. inus. ein Nahme so wohl der Zaunrübe als auch der Schwarzwurzel; beyde, weil der große Haufe sie in Koliken und Mutterbeschwerungen, worin man mit dem Ersticken bedrohet wird, zu gebrauchen pflegt.


Stieben (W3) [Adelung]


Stieben, verb. regul. Imperf. ich stob, Mittelw. gestoben, Imperf. stiebe. Es weicht von stauben und stäuben nur in der Mundart ab, doch mit dem Unterschiede, daß stauben und stäuben im Hochdeutschen nur von dem Staube, stieben aber nur von andern Körpern gebraucht wird. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, sich in Gestalt des Staubens, d. i. in dicker zahlreicher Menge, schnell fortbewegen. Ein Haufe Menschen stiebet auseinander, wenn er plötzlich aus einander getrieben wird. Die Repphühner stieben auf, wenn sie plötzlich ausfliegen. Ich weiß nicht, wo er gestoben und geflogen ist, in den gemeinen Sprecharten, wo er so plötzlich hingekommen ist. Die Funken stieben selbst schon auf Carthagens Zinnen, Lohenst. II. Als ein Activum oder Factitivum, stieben machen. Einen Haufen Feinde aus einander stieben. Einen Trupp Vögel aufstieben. Thie molten ufstieben, den Staub aufstäuben, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Bey den Jägern stieben die Feldhühner, wenn sie ihren Koth fallen lassen.

Anm. ( S. Stauben und Stäuben.) Statt des Activi sind im gemeinen Leben auch die Intensiva stäubern, stöbern und stäupern üblich.


Stieber (W3) [Adelung]


Der Stieber, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Bey den Jägern ein Nahme einer Art kleiner Hunde, von den Activo stieben, ( S. Stäuber.) 2. In Baiern und andern Oberdeutschen Gegenden wird der Bosist, eine bekannte Art Schwämme, welche eine Menge Staub stieben lässet, der Stieber oder Stoiber genannt.


Stief (W3) [Adelung]


Stief, ein für sich allein längst veraltetes Wort, welches nur in der Zusammensetzung mit gewissen Verwandtschaftsnahmen üblich ist, Stiefbruder, Stiefschwester, Stiefsohn, Stieftochter, Stiefmutter, Stiefvater, Stiefkind u. s. f. durch die zweyte Heirath zugebrachte Personen dieser Art zu bezeichnen, welche in manchen Fällen auch durch das Wort halb bezeichnet werden, Halbbruder, Halbschwester, Halbgeschwister, an einigen Orten auch Halbmutter; alles im Gegensatze der vollbürtigen, leiblichen Personen dieser Art, welche in einigen Fällen durch voll ausgedruckt werden, der Vollbruder, die Vollschwester, Vollgeschwister. Siehe die mit Stief- zusammen gesetzten Wörter.

Anm. Dieses alte Wort lautet schon bey dem Raban Maurus stupli, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno stif, im Schwabenspiegel sliuf, im Nieders. steef, im Angels. steop, im Engl. step, im Schwed. styf, bey den ältern Schweden stiup und mit einem andern Endlaute stiugh. Da dieses Wort nie allein vorkommt, sondern nicht nur im Deutschen von den ältesten Zeiten an, sondern auch in allen jetzt gedachten verwandten Sprachen, nur in den oben angeführten Zusammensetzungen üblich ist, so bleibt dessen Abstammung noch ungewiß und dunkel, ob sich gleich mehrere Begriffe mit Wahrscheinlichkeit angeben lassen, welche in demselben die herrschenden seyn können. Hier sind die vornehmsten Ableitungen dieses Wortes. 1. Viele, und unter andern auch Gramm, sehen es als eine Figur von steif an, und erklären es durch hart, strenge, weil Stiefältern sehr oft diese Eigenschaft gegen ihre Stiefkinder haben, daher auch Stiefmutter und stiefmütterlich noch in manchen Fällen für hart, lieblos, gebraucht werden, und Opitz sagt zu Gott: Hor auf und zeuch doch wieder ein Dieß strenge Stiefgemüthe. Gramm bemerket, daß man daher in den mittlern Zeiten dieses Wort gern vermieden, und dafür in Schweden Fosterfader, Fostermoder, Fosterson, u. s. f. gesagt, (vom Angels. foster, Nahrung, Schwed. fostra, ernähren, erziehen) so wie die Engländer noch jetzt Father in law, Mother in law u. s. f. gebrauchen. Allein diese Vermeidung ist doch nicht so allgemein, als Gramm glaubt, und wenn stief in einigen obgleich wenigen Fällen den Begriff der Härte hat, so ist es nur ein figürlicher und übergetragener Begriff, der auf die meisten Zusammensetzungen, z. B. Stiefkinder, Stiefsohn u. s. f. nicht passet. Zu geschweigen, daß steif und stief, das Angels. stef und steop u. s. f. auch im Laute sehr verschieden sind. 2. Wachter leitet es von dem Angels. stow, der Ort, her, und erkläret Stiefvater u. s. f. der an Vaters Statt ist, einen Vier-Vater. 3. Dietrich von Stade fällt auf das Zeitwort stiften, ordnen, verordnen, so daß Stiefvater u. s. f. ungefähr mit dem Engl. Father in law u. s. f. gleich bedeutend seyn würde. 4. Fast ähnlich ist Frischens Ableitung, dem dabey das Böhmische Stipeni, Einpfropfung, stipiti, pflanzen, säen, einfällt, und ihm bedeutet stief eine Person, welche der andern Hülfe, Beystand leistet; worin ihn die Zittauische Chronik bestätiget, wo die Kirchenväter oder Kirchenvorsteher Stiefväter, und die Brautjungfern auf Hochzeiten der Braut Stiefschwestern heißen. 5. Nach dem Junius, dessen Meinung auch Ihre beypflichtet, ist das Angels. stepan, berauben, Asteple, Steopchild, eine Waise, das Stammwort. Stiefvater, Stiefmutter, würde also einen Vater, eine Mutter eines oder mehreren Waisen, und Stiefkind, ein verwaisetes Kind bedeuten. Allein, zu geschweigen, daß in jenen Stief ein Substantivum, in diesem aber ein Adjectivum seyn würde, so ist der Begriff zu allgemein und unbestimmt, und passet über dieß auch auf Stiefbruder, Stiefschwester u. s. f. nicht. Wenn man alles zusammen nimmt, so scheinet stief vielmehr etwas unechtes zu bezeichnen, welches dem echt, wahr und völlig entgegen gesetzt ist; ob sich gleich bey dem hohen Alter dieses Wortes, welches vornehmlich auch daraus erhellet, daß es seit vielen Jahrhunderten für sich allein, in fast allen bekannten Sprachen veraltet ist, dessen nächste Verwandten sich noch nicht haben auffinden lassen wollen. Auf ähnliche Art wurde die Lateinische Endung -aster gebraucht, Poetaster u. s. f. Daher das Franz. -atre und Ital. -astro, jaunatre, gelblich, selbst in den Verwandtschaftsnahmen, welche wir mit Stief- zu machen pflegen; die Stiefmutter, Französ. Maratre, Italiän. Madastra, der Stiefvater, Ital. Padrastro, der Stiefbruder, die Stiefkinder, der Stiefschwager, Ital. Fratellastro, Filiastri, Suocerastro u. s. f.


Stiefältern (W3) [Adelung]


Die Stiefältern, sing. car. durch Heirath zugebrachte Ältern in Rücksicht auf die Stiefkinder, und im Gegensatze der rechten und leiblichen Ältern. S. das vorige.


Stiefbruder (W3) [Adelung]


Der Stiefbruder, des -s, plur. die -brüder, ein durch die Heirath der Ältern zugebrachter Bruder; ein Halbbruder, halbbürtiger Bruder, zum Unterschiede von einem leiblichen Bruder oder Vollbruder.


Stiefel (W3) [Adelung]


Der Stiefel, des -s, plur. ut nom. sing. oder die -n, Diminut. das Stiefelchen, ein Wort, welches, 1. überhaupt, einen hohlen, tiefen Raum, ein Gefäß, Behältniß, bedeutet zu haben scheinet, ob es gleich in dieser weitern Bedeutung, einige wenige Fälle ausgenommen, veraltet ist. An den Wasserkünsten, Spruzen, Luftpumpen u. s. f. wird noch diejenige Röhre, worin die Pumpstange mit dem Kolben auf- und niedergehet, so fern sie von der Steigröhre verschieden ist, der Stiefel oder die Stiefelröhre genannt. Die Figur müßte sehr seltsam seyn, wenn man bey Benennung einer solchen Röhre keine nähere Ähnlichkeit als mit einem Stiefel in der folgenden Bedeutung sollte haben finden können, daher dieses Wort ehedem eine jede weite Röhre bedeutet zu haben scheinet. Das mittlere Lat. Estiva, und unser Stauf, Stübchen, und ohne Zischlaut auch tief, gehören unstreitig zur Verwandtschaft. Vermuthlich muß auch die in den niedrigen Sprecharten übliche R. A. seinen guten Stiefel trinken, d. i. wacker trinken können, aus dieser Bedeutung erkläret werden, so daß Stiefel, so wie auch das Oberd. Stauf, ehedem eine Benennung eines weiten oder großen Trinkgeschirres gewesen; ob man gleich diese R. A. auch auf andere vorzügliche Fertigkeiten auszudehnen pflegt. Denn so sagt man wohl, er kann seinen guten Stiefel laufen, er predigt seinen guten Stiefel weg, er arbeitet seinen guten Stiefel u. s. f. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung sind die Stiefel Bekleidung der Füße, wo Schuhe und Strümpfe nur Ein Stück ausmachen. Filzstiefel. Besonders wenn sie von Leder sind. Ein Paar Stiefel. Die Stiefel anziehen. Reitstiefel, Halbstiefel, steife Stiefel u. s. f. Pelzstiefel, wenn sie mit Pelz gefüttert sind. Spanische Stiefel, ein Werkzeug zur Tortur, welches die Waden zusammenpresset.

Anm. In der letzten Bedeutung im Niedersächs. Stevel, im Schwed. Stöfvel, im Ital. Stivale, im Franz. ehedem Stivele, im mittlern Lateine Stivale, Estivale, Aestivale. Die letzten Schreibarten haben viele verleitet, es von aestivum abzuleiten, als wenn die Stiefel eine Tracht gewesen, welche man nur im Sommer angelegt habe. Allein, sie haben nicht bedacht, daß die La- teinische und die mit derselben verwandten Mundarten vielen mit einem Mitlaut anfangenden Wörtern gern ein müßiges a oder e vorzusetzen pflegen, wovon tausend Beyspiele angeführet werden könnten. Frisch leitet es von steif ab, als wenn es ursprünglich eine steife Bekleidung, ein steifes Ding bedeutet hätte, Wachter aber vermittelst des vorgesetzten Zischlautes von dem Lat. Tibiale. Allein es ist wohl gewiß genug, daß es ursprünglich eine allgemeine Benennung eines tiefen weiten hohlen Raumes gewesen, zumahl da in andern Benennungen der Stiefel eben derselbe Begriff herrschet. Dahin das, Schwed. Bota, Franz. Botte, Span. Bota, Engl. Boote, im mittlern Lat. Bota, ein Stiefel, welches unstreitig zu unserm Bottich, Butte gehöret. Eben dieses gilt auch von Hose in seiner alten Bedeutung, ( S. dasselbe). Der Regel nach muß dieses Wort, so wie andere männliche auf -el, im Plural die Stiefel haben. Allein im Hochdeutschen sagt man gemeiniglich die Stiefeln.


Stiefelbret (W3) [Adelung]


Das Stiefelbret, des -es, plur. die -er, bey den Schustern, eine Art von Richtleisten zu den Stiefelschäften in Gestalt eines Bretes.


Stiefelette (W3) [Adelung]


Die Stiefelette, plur. die -n, aus dem alten Französ. Estivelette welches das Diminutivum von dem veralteten Estivele, ein Stiefel ist, eine Bekleidung der Füße, welche den Stiefeln gleichen, nur daß sie keine Schuhe hat, sondern über die Schuhe und Strümpfe gezogen, oder über selbige geknöpfet wird. Leinwandene, wollene, lederne Stiefeletten. Mit einem andern gleichfalls aus dem Französischen entlehnten Worte werden sie auch Camaschen genannt.


Stiefelholz (W3) [Adelung]


Das Stiefelholz, des -es, plur. die -hölzer, bey den Fischern, ein Holz zu beyden Seiten der Mündung des Schleppsackes, die Mündung desselben zu stiefeln, d. i. steif und offen zu erhalten.


Stiefelknecht (W3) [Adelung]


Der Stiefelknecht, des -es, plur. die -e, ein hölzernes Werkzeug, sich vermittelst des darin angebrachten Ausschnittes die Stiefel auszuziehen. S. Knecht.


Stiefeln (W3) [Adelung]


1. Stiefeln, verb. reg. act. welches von steif, Nieders. stief abstammet, und steif machen bedeutet, aber nur in einigen Gegenden üblich ist. Die Bohnen oder Erbsen stiefeln, Stäbe an denselben stecken, damit sie sich daran hinauf ranken können, sie stängeln; wo es aber auch aus stäbeln in eben derselben Bedeutung verderbt seyn kann.


Stiefeln (W3) [Adelung]


2. Stiefeln, verb. reg. act. von Stiefel, 2. Stiefel anlegen. Sich stiefeln und spornen. Am häufigsten im Mittelworte gestiefelt, mit Stiefeln bekleidet. An Beinen gestiefelt, Ephes. 6, 15. Und schon am gestiefelten Fuß, der silberne Sporn klirrt, Zachar.


Stiefelnonne (W3) [Adelung]


Die Stiefelnonne, plur. die -n, ein Spottnahme der Regelschwestern, oder Schwestern vom dritten Orden Francisci, welche nicht beysammen wohnen, aber doch klösterliche Gesetze und Ordenszeichen haben, und an Sonn- und Festtagen zusammen kommen.


Stiefelröhre (W3) [Adelung]


Die Stiefelröhre, plur. die -n, in der Hydraulik, S. Stiefel 1.


Stiefelschaft (W3) [Adelung]


Der Stiefelschaft, des -es, plur. die -schäfte, der Schaft an einem Stiefel, d. i. derjenige Theil, welcher das Bein von dem Knöchel an bekleidet, zum Unterschiede von dem Stiefelschuhe.


Stiefgeschwister (W3) [Adelung]


Die Stiefgeschwister, sing. inus. durch eine zweyte Heirath zusammen gebrachte Geschwister, Personen, welche durch die zweyte Heirath ihrer Ältern oder Eines Theiles derselben in dieses Verhältniß versetzt worden; Halbgeschwister, zum Unterschiede von vollbürtigen oder leiblichen Geschwistern. Es ist ein Collectivum, welches die Stiefbrüder und Stiefschwestern unter sich begreift. S. Stief.


Stiefkind (W3) [Adelung]


Das Stiefkind, des -es, plur. die -er, durch eine zweyte Heirath der Ältern oder Eines Theiles derselben zugebrachte Kinder, zum Unterschiede von den leiblichen Kindern. S. Stief.


Stiefschwager (W3) [Adelung]


Der Stiefschwager, des -s, plur. die -schwäger, Fämin. die Stiefschwägerinn, Personen, welche nur durch die zweyte Heirath in dieses Verhältniß kommen; z. B. wenn meine Schwester nach Absterben ihres Mannes von neuen heirathet, so ist dieser mein Stiefschwager. S. Stief.


Stiefschwester (W3) [Adelung]


Die Stiefschwester, plur. die -n, eine Person weiblichen Geschlechtes, welche durch die zweyte Heirath der Ältern oder Eines Theiles derselben die Schwester einer andern geworden; die Halbschwester, zum Unterschiede von der leiblichen Schwester. Siehe eben daselbst.


Stiefsohn (W3) [Adelung]


Der Stiefsohn, des -es, plur. die -söhne, ein Stiefkind männlichen Geschlechtes, ( S. dieses Wort.) In dem alten Gedichte auf den heil. Anno Stifsun.


Stieftochter (W3) [Adelung]


Die Stieftochter, plur. die -töchter, ein Stiefkind weiblichen Geschlechtes. S. dieses Wort.


Stiefvater (W3) [Adelung]


Der Stiefvater, des -s, plur. die -väter, ein durch die zweyte Heirath der Mutter zugebrachter Vater, zum Unterschiede von dem leiblichen Vater.


Stieg (W3) [Adelung]


Der Stieg, S. Steig, welches letztere der Hochdeutschen Mundart angemessener ist.


Stiege (W3) [Adelung]


Die Stiege, plur. die -n, ein in den Niederdeutschen Mundarten für das mehr Hoch- und Oberdeutsche Steige übliches Wort. 1. Eine Leiter oder Treppe zu bezeichnen, auf welcher man auf- oder niedersteiget, in welchem Verstande es im gemeinen Leben der Hoch- und Oberdeutschen so wohl für eine jede Treppe überhaupt, als auch besonders von einer schmalen Treppe sehr gangbar ist. Zwey Stiegen hoch wohnen, zwey Treppen hoch. Eine Schneckenstiege oder Wendelstiege für Wendeltreppe u. s. f. 2. Eine Zahl von zwanzig, S. Steige.


Stiel (W3) [Adelung]


Der Stiel, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stielchen, ein in einer doppelten Hauptbedeutung übliches Wort. 1. Mit dem herrschenden Begriffe des Stehens, Stellens oder der Festigkeit, ist in manchen Gegenden der Stiel ein unbeweglich und aufrecht stehendes Stück Bauholz, welches unter dem Nahmen einer Säule am bekanntesten ist. Die Stiele an einem Gebäude, die Säulen, welche die Balken tragen. Auch die ähnlichen in die Erde eingegrabenen Säulen an einem Plankwerke heißen in manchen Gegenden Stiele. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine Säule, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ein Stamm, und andere sind nahe damit verwandt. 2. Mit dem herrschenden Begriff der Ausdehnung in die Länge. (1) Derjenige verlängerte Theil eines Werkzeuges, bey welchem man dasselbe angreifet und handhaben, heißt gemeiniglich ein Stiel, besonders wenn er eine beträchtliche Länge hat. Der Besenstiel, Hackenstiel, Hammerstiel, Löffelstiel, Messerstiel, Pfannenstiel u. s. f. Ein Ding bey dem Stiele anfassen. Einen Stiel zu seiner Axt suchen, einen Vorwand suchen. In verschiedenen Fällen sind statt dessen die Wörter Hälm oder Helm, Heft, Griff, u. s. f. üblich. (2) In dem Gewächsreiche ist der Stiel der lange dünne Theil eines Gewächses, wodurch dasselbe mit dem Stamm, den Zweigen oder der Wurzel verbunden wird; Petiolus L. in einigen Gegenden auch wohl Stängel. In diesem Verstande haben so wohl die Blätter, als die Blumen und Früchte Stiele. Der Apfelstiel, Birnstiel, Pflaumenstiel, der Stiel eines Blattes, einer Blume, einer Beere u. s. f.

Anm. In den beyden letzten Bedeutungen im Nieders. Steel, im Angels. Stela, im Engl. Stele und Stale, im Schwed. Stjelke, welches letztere eigentlich ein Diminutivum ist. Das Stammwort ist stehlen, stellen, stehen u. s. f. so fern so wohl der Begriff des Festen, des Aufrechten, als auch der Ausdehnung in die Länge in diesen Wörtern der herrschende ist. Im Theuerdanke kommt stielen noch für stellen vor.


Stieleiche (W3) [Adelung]


Die Stieleiche, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Sommer- oder Masteiche, entweder, weil ihre Eicheln längere Stiele haben, als die übrigen Arten, oder auch weil sie wegen ihres geraden Wuchses zu Stielen, d. i. Säulen, in Gebäuden am bequemsten ist.


Stielen (W3) [Adelung]


Stielen, verb. reg. act. mit einem Stiele in der zweyten Bedeutung versehen. Eine Axt stielen. Macht Blanken in den Zaun, schnitzt Flegel, stielt die Hauen, Opitz.


Stielig (W3) [Adelung]


Stielig, adj. et adv. einen Stiel habend, gleichfalls nur in der zweyten Bedeutung dieses Hauptwortes, doch nur in den Zusammensetzungen langstielig, kurzstielig.


Stier (W3) [Adelung]


* Stier, welches so wie stierig, nur in einigen gemeinen Sprecharten der Hoch- und Oberdeutschen für starr üblich ist. S. dasselbe.


Stier (W3) [Adelung]


Der Stier, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stierchen, Oberd. Stierlein, der Mann oder das männliche Geschlecht der Kühe. So wird der Mann der zahmen Kühe, der Bulle, Brumm- Herd- oder Zuchtochs in manchen Gegenden noch der Stier oder Stierochs genannt ( S. Stieren.) Indessen ist es doch im Hochdeutschen von der wilden Art dieses Geschlechtes am üblichsten, der wilde Stier, oder wilde Ochs, dessen größere Arten Büffel und Auerochsen genannt werden. (Siehe Stiergefecht.) Das Zeichen des Stiers, eines der zwölf Zeichen in dem Thierkreise, wo das Wort Ochs nicht üblich ist. In engerer Bedeutung ist der Stier in manchen Gegenden ein solcher junger zahmer Stier, so lange er noch nicht drey oder vier Jahre alt ist, da er denn auch wohl diesen Nahmen führet, wenn er geschnitten ist. Schon bey dem Ulphilas Stiurk, im Engl. Steer, Stirk, im Angels. Steor. In manchen Gegenden wird ein solcher junger Ochs oder Stier im Diminut. ein Stärken genannt, dagegen die Starke oder Stärke in Meißen und Niedersachsen eine junge Kuh ist.

Anm. Wenn man den Zischlaut als einen bloßen müßigen oder höchstens intensiven Vorschlag ansiehet, so ist es eines der ältesten Wörter in der Sprache, indem es in der ersten weitern Bedeutung im Dän. Tiur, im Schwed. Tarb und Tjur, im Isländ. Tyr, im Griech. und Latein. Taurus, im Phönicischen Tor, und im Hebr. gleichfalls - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - lautet. Mit dem Zischlaute ist des Ulphilas Stiurk, ein junger Stier, welches das Diminut. von Stiur ist, das älteste. Dieses hohe Alter macht den eigentlichen Stammbegriff dunkel und ungewiß, indem das eben so alte stor, in andern alten Sprachen tor, groß, das in einigen Gegenden noch gangbare stären, stieren, sein Geschlecht fortpflanzen, das alte Celtische und noch Wallisische taru, stoßen, und andere mehr mit gleichem Rechte darauf Anspruch machen können. Das Schwedische Tjur, bedeutet auch Vieh überhaupt, und ist also auch mit unserm Thier verwandt. S. auch Stähr, ein Widder, welches in einigen Gegenden auch Stier lautet, und Stähren.


Stieren (W3) [Adelung]


Stieren, verb. reg. welches nur in den gemeinen Sprecharten üblich ist. 1. Als ein Activum, sein Geschlecht fortpflanzen, von dem männlichen Geschlechte einiger Thiere, besonders des Stiers und des Stähres. Der Ochs, der Schafbock stieret die Kuh, das Schaf. In einigen Gegenden stähren. (Siehe dieses Wort. 2. Als ein Neutrum, wo es besonders von den Kühen üblich ist, wenn sie nach dem Stiere oder Ochsen verlangen, welches auch rindern genannt wird. Die Kuh stieret.


Stiergefecht (W3) [Adelung]


Das Stiergefecht, des -es, plur. die -e, ein Gefecht, welches mit wilden Stieren oder Ochsen gehalten wird, besonders in Spanien und Portugall, wo es eine Art feyerlicher Lustspiele ist, da Menschen mit wilden Stieren kämpfen müssen.


Stierhammel (W3) [Adelung]


Der Stierhammel, des -s, plur. die -hämmel, in einigen Gegenden, ein Nahme des Schafbockes oder Widders, welcher in andern der Stähr heißt.


Stierochs (W3) [Adelung]


Der Stierochs, des -en, plur. die -en, S. Stier.


Stift (W3) [Adelung]


Der Stift, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stiftchen, Oberd. Stiftlein, ein kleiner, kurzer, vorn zugespitzter Körper, ein kleiner Nagel ohne Kopf. Der Dorn in einer Schnalle hieß ehedem der Stift. Der Stift, an einem Schnürbande, im Oberdeutschen der Senkelstift. Bey den Schlössern führen alle kleine eiserne Dorne, andere Theile damit zu befestigen, den Nahmen der Stifte oder Stefte. Auch der Stumpf eines abgebrochenen Zahnes heißt dessen Stift, vermuthlich weil er gemeiniglich oben eine Spitze hat. Die Stifte (in einigen Gegenden Stiftel) an einer Gans, die zarten noch in der Haut befindlichen Kiele der Federn, in Ober- und Niedersachsen die Spielen. Ingleichen solche kleine zugespitzte Körper zum Zeichnen, Schreiben und Reißen. Der Schieferstift oder Rechenstift, ein Stift von Schieferstein, auf einer Schiefertafel damit zu schreiben. Der Bleystift, ein Stift von Wasserbley. Der Rothstift, oder besser Röthelstift, von Röthel. Die Mahler haben zum Reißen Farbenstifte, Kohlenstifte, Kreidenstifte u. s. f.

Anm. In manchen gezierten Mundarten Steft, im Nieders. Stift, Sticke, im Pohln. Sztyft. Es hat den Begriff der Spitze, und gehöret zu dem Nieders. Stip, ein Punct, stippen, mit etwas Spitzigen berühren, ingleichen zu den Hochdeutschen tupfen, Tüpfel u. s. f. Siehe Stiften. 1.


Stift (W3) [Adelung]


Das Stift, des -es, plur. die -e, in den gemeinen Sprecharten -er, von dem Zeitworte stiften, in dessen zweyten Hauptbedeutung, eine gestiftete Sache, ein gestiftetes Ding, wo es be- sonders von einigen einzelnen Arten vorkommt. Ein Bund, ein Bündniß, eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche nur noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Daher die Hütte des Stifts, oder die Stiftshütte, und die Lade des Stifts, welche letztere auch die Bundeslade genannt wird. Ich will euch setzen auf den Berg des Stifts, Es. 14, 14. Schaue Zion die Stadt unsers Stiftes! Kap. 33, 20; wo auf den Bund Gottes mit den ältern Juden angespielet wird. 2. * In einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in Baiern, ist Stift nicht allein Zins, Erbzins, sondern auch Miethe, vermuthlich auch in der Bedeutung eines festen Vertrages, oder auch in der folgenden, eines bestimmten Geldes. Güter, welche mit Stift und Gülte unterworfen sind. Eben daselbst der Stiftmann oder Innmann, ein Miethmann oder Häusler, welcher auf Stift oder Miethe wohnet, die Stiftzeit, die Miethzeit u. s. f. 3. Ein zu einem gewissen, besonders öffentlichen Gebrauche gestiftetes, d. i. auf eine bestimmte, dauerhafte Art ausgesetztes Capital, in welcher Bedeutung doch die Stiftung und in einigen Gegenden das Gestift üblicher sind. Ein Stift machen, ein solches Capital zu einem gewissen Gebrauche auf alle künftige Zeiten bestimmen und verordnen. 4. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist das Stift, ein vermittelst eines solchen Capitals auf ewige Zeiten zum gottesdienstlichen Gebrauche bestimmtes Gebäude, mit allen dazu gehörigen Personen, Anstalten und Gütern. Man wird eure Stifte vertilgen, Ezech. 6, 6; wo von den Götzentempeln die Rede ist. Bethel ist des Königs Stift, Amos 7, 13; das von dem Könige gestiftete Heiligthum. Kirchen, Klöster, Armenhäuser, Lazarethe, Canonicat- Kathedral- und Domkirchen, heißen mit allen dazu gehörigen Anstalten, Personen und Grundstücken in der katholischen Kirche noch beständig Stifte oder Stifter, welchen Nahmen sie auch unter den Protestanten beybehalten haben, da denn, wenn das Wort Stift allein stehet, der Zusammenhang entscheiden muß, was für eine Art gemeinet sey: ein Stift oder Armenstift, ein Hospital; ein Stift oder Krankenstift, ein Lazareth; ein Canonicat-Stift, ein Domstift, Kathedral-Stift, eine Domkirche, mit allen dazu gehörigen Personen und Gütern, ein Bisthum; ein Hochstift oder Erzstift, ein Erzbisthum. Da auch das ganze zu einer solchen Stiftung gehörige Gebieth nur schlechthin das Stift genannt wird.

Anm. Im Niederdeutschen und auch einigen gemeinen Oberdeutschen Mundarten Sticht, Gesticht, im Schwed. Stift und Stikt. ( S. Stiften 3.) Der besonders in der vierten Bedeutung sehr gangbare Plural Stifter für Stifte, ist besonders den gemeinen Mundarten eigen, S. -er.


Stiften (W3) [Adelung]


Stiften, verb. reg. act. welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Mit dem herrschenden Begriffe der Spitze. (1) * Stechen, oder mit einem spitzigen Werkzeuge stoßen, berühren, in welchem Verstande es doch im Hochdeutschen veraltet ist. Verwandt sind damit das Oberdeutschen stupfen, das Nieders. stippen und Stip, ein Punct, und unser tupfen, tüpfeln und Tüpfel. Im Oberdeutschen ist stiften und stifteln, mit Puncten versehen. Gestifteltes Leder, Chagrin. Ein silbernes Gefäß stifteln oder stiften, welches unsere Goldarbeiter punzellieren nennen. (2) Figürlich, zu etwas reitzen, eine nur noch in dem zusammengesetzten anstiften übliche Bedeutung, ( S. dasselbe.) (3) Von dem Hauptworte der Stift, ist stiften mit einem oder mehrern Stiften versehen. Eine Nestel oder ein Schnürband stiften, einen Stift daran machen. 2. Mit dem Begriff der Ausdehnung in die Höhe, ingleichen der Festigkeit, der Dauer. (1) * Bauen, eine längst veraltete Bedeutung, in welcher dieses Wort ehedem nicht nur stiften, sondern mit der nicht ungewöhnlichen Verwechselung der Hauch- und Blaselaute, in manchen Mundarten auch stichten lautete. (2) Figürlich der Grund von dem Daseyn eines Dinges auf alle künftige Zeiten seyn. (a) Im weitesten Verstande, wo es nur noch in einigen Fällen üblich ist. An welchem Orte ich meines Nahmens Gedächtniß stiften werde, 2 Mos. 20, 24. Sich ein ewiges Andenken, ein gutes, ein schlechtes Andenken stiften. Das erste Testament ward nicht ohne Blut gestiftet, Ebr. 9, 18. Einen Feyertag, ein Fest stiften, es auf alle künftige Zeiten anordnen und einrichten. Ein Reich stiften, es gründen, sich die Unterthanen dazu erwerben und sammeln. Ein Volk, ein Geschlecht stiften. Einen Gottesdienst, einen Orden, eine Stadt stiften. Aber ein Gesetz stiften u. s. f. sind nicht mehr üblich. (b) In engerer Bedeutung ist stiften eine Anstalt nicht nur anordnen und einrichten, sondern auch zu derselben Fortdauer die nöthigen Kosten auf eine dauerhafte und bleibende Art bestimmen und anweisen. Ein Kloster, einen Altar, eine Canonicat-Kirche, ein Bisthum, ein Armenhaus, ein Lazareth, eine Universität, eine Akademie, eine Schule, eine öffentliche Feyerlichkeit stiften. Wo es denn auch wohl von dem dazu bestimmten und ausgesetzten Vermögen gebraucht wird. Sein Vermögen zu einem Kloster stiften, ein Capital zu einer Spende, zu einem Almosen stiften, bestimmen, aussetzen und auf alle folgende Zeiten niederlegen. Aber von Personen, wie in der Deutschen Bibel, Priester, Wahrsager, Sänger stiften, ist veraltet. 3. Im weitesten Verstande ist es oft bloß den Grund eines Dinges enthalten, demselben den Ursprung, des Daseyn geben, so daß der Begriff der Dauer und Festigkeit großen Theils verschwindet, oft aber der Begriff der angewandten Bemühung dafür eintritt. Frieden zwischen zwey streitenden Parteyen stiften. Freundschaft mit einander stiften. Ein Bündniß stiften. Eine Heirath zwischen zwey Personen stiften. Aufruhr, Hader, Zank, Unheil, viel Böses, nichts Gutes, viel Gutes stiften. Die irrigen Geister stiften viel Böses, Sir. 34, 11. Ein großes Unglück stiften. Keinen Nutzen mit etwas, vielen Nutzen stiften. Aber Lügen stiften, Sir. 7, 13. Irrthümer stiften, Kap. 23, 3 ist ungewöhnlich. Daher die Stiftung, nicht allein von der Handlung des Stiftens in der zweyten und dritten Hauptbedeutung, sondern auch als ein Concretum von einer jeden gestifteten Sache, Anstalt oder Gebäude. So sind gestiftete Feyertage, Armenhäuser, Klöster u. s. f. Stiftungen. Es wird hier auch in weiterer Bedeutung von einer jeden auf alle folgende Zeiten verordneten Anstalt und den dazu ausgesetzten Einkünften gebraucht, wo das Wort Stift nicht gewöhnlich ist.

Anm. In dem alten Gedichte auf den heil Anno ist stiphten, bauen, verfertigen, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Isidor stiftan, gründen, im Schwed. stifta, stiften, im Angels. stigtan. So wie in der ersten Hauptbedeutung die Spitze der herrschende Begriff ist, so ist es in den zwey folgenden der verwandte Begriff der Ausdehnung in die Höhe und der Festigkeit, so daß dieses Wort als ein Verwandter von Stab, steif, stopfen u. s. f. angesehen werden muß. Die Endsylbe -ten deutet auf ein Intensivum, daher das eigentliche aber längst veraltete Stammwort stifen, steifen geheißen haben muß. Unter den veralteten Bedeutungen verdienet besonders Eine angemerket zu werden, da es in den Monseeischen Glossen auch für ernähren, und in dem alten Augsburgischen Stadtrechte für lohnen, den Lohn geben, ingleichen auch für vermiethen, verpachten, gegen Zins, Miethe oder Pacht austhun bedeutet, welches mit in die zweyte Hauptbedeutung einschlägt. S. auch das Stift 1.


Stifter (W3) [Adelung]


Der Stifter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Stifterinn, eine Person, welche etwas stiftet, in der zweyten und dritten Bedeutung des Zeitwortes. Der Friedensstifter, Ehestifter, Unglücksstifter. Der Stifter eines Klosters, einer Akademie, eines Bisthumes u. s. f. Dir steht der sorgenvolle Greis, O Stifter der Geschlechter, Raml.


Stiftisch (W3) [Adelung]


Stiftisch, adj. et adv. ein besonders in den Kanzelleyen übliches Wort, einem Stifte gehörig. Die stiftischen Unterthanen, die Unterthanen eines Stiftes, d. i. eines Bisthumes. Die stiftischen Lande. Stiftlich würde anständiger und edler seyn, ob es gleich nicht gangbar ist. S. "-Isch".


Stiftsamt (W3) [Adelung]


Das Stiftsamt, des -es, plur. die -ämter, ein einem Stifte gehöriges Kammeramt. Ingleichen ein solches Kammeramt, welches aus den Gütern eines ehemahligen Stiftes, d. i. Klosters oder Bisthumes errichtet worden, in welcher letztern Bedeutung es besonders in einigen protestantischen Gegenden üblich ist. Daher der Stiftsamtmann.


Stiftsbrief (W3) [Adelung]


Der Stiftsbrief, des -es, plur. die -e, von Brief, eine Urkunde, Urkunden, welche einem Stifte gehören, dessen Gerechtsame, Güter und Angelegenheiten betreffend. Aber Stiftungsbrief ist eine Urkunde, worin etwas gestiftet wird.


Stiftsfrau (W3) [Adelung]


Die Stiftsfrau, plur. die -en, die Frauen oder ordentlichen Glieder eines weiblichen Canonicat-Stiftes, welche bey vornehmen Stiftern dieser Art auch wohl Stiftsdamen genannt werden; die Canonissinn. Stiftsfräulein hingegen sind junge adelige Frauenzimmer, welche in einem evangelischen Stifte bis zu ihrer Versorgung erzogen werden. Auch in den katholischen adeligen Nonnenklöstern werden die Nonnen mit einem anständigern Ausdrucke Stiftsfrauen, so wie in den bürgerlichen Stiftsjungfern genannt.


Stiftsherr (W3) [Adelung]


Der Stiftsherr, des -en, plur. die -en, das Mitglied eines adeligen Canonicat-Stiftes; der Canonicus, bey Domstiftern, der Domherr. Bey einigen auch, obgleich nicht so häufig, der vornehme Stifter einer Stiftung oder eines Stiftes.


Stiftshütte (W3) [Adelung]


Die Stiftshütte, plur. die -n, bey den ältern Juden, ein bewegliches Gebäude oder Gezelt, welches vor Erbauung des Tempels die Stelle eines gottesdienstlichen Gebäudes vertrat, die Hütte des Stifts. S. das Stift.


Stiftsjungfer (W3) [Adelung]


Die Stiftsjungfer, plur. die -n, ein anständiger Ausdruck für Nonne, ein Mitglied eines Nonnenklosters.


Stiftskanzler (W3) [Adelung]


Der Stiftskanzler, des -s, plur. ut nom. sing. S. Stiftsregierung.


Stiftskirche (W3) [Adelung]


Die Stiftskirche, plur. die -n, die Kirche eines Stiftes, d. i. eine Collegiat-Kirche; zum Unterschiede von einer bischöflichen oder Cathedral-Kirche, welche die Domkirche genannt wird.


Stiftsmäßig (W3) [Adelung]


Stiftsmäßig, adj. et adv. fähig in ein adeliges Stift aufgenommen zu werden, d. i. 16 oder 32 Ahnen habend. Daher die Stiftsmäßigkeit.


Stiftsprediger (W3) [Adelung]


Der Stiftsprediger, des -s, plur. ut nom. sing. der Prediger an oder in einem Stifte, besonders an einem ehemahligen Collegiat-Stifte.


Stiftsregierung (W3) [Adelung]


Die Stiftsregierung, plur. die -en, in verschiedenen protestantischen Ländern, eine Regierung, d. i. ein Collegium von Regierungsräthen, in dem einem ehemahligen Collegiat- oder Domstifte gehörigen Landesbezirke, deren Präsident alsdann der Stiftskanzler genannt wird.


Stiftsstand (W3) [Adelung]


Der Stiftsstand, des -es, plur. die -stände, Landesstände, in dem einem Stifte oder Bisthume gehörigen Landesbezirke, welche sich auf den Stiftstagen versammeln, und in einigen Provinzen z. B. in dem Stifte Merseburg, ihren eigenen Stifts-Director haben.


Stiftsstadt (W3) [Adelung]


Die Stiftsstadt, plur. die -städte, eine Stadt, welche zu einem Stifte oder Bisthume gehöret.


Stiftstag (W3) [Adelung]


Der Stiftstag, des -es, plur. die -e, S. Stiftsstand.


Stiftung (W3) [Adelung]


Die Stiftung, plur. die -en, S. Stiften, am Ende.


Stiftungsbrief (W3) [Adelung]


Der Stiftungsbrief, S. Stiftsbrief.


Stil (W3) [Adelung]


Der Stil, S. Styl.


Stilett (W3) [Adelung]


Das Stilett, des -es, plur. die -e, aus dem Ital. Stiletto, und dieß von Stylus, einen Dolch zu bezeichnen, ein kleines Gewehr zum Stechen.


Still (W3) [Adelung]


Still, -er, -este, oder auch Stille, mit dem e euphonico, -r, -ste, adj. et adv. ein Wort, welches eine Abwesenheit so wohl der Bewegung, als des Lautes, des Geräusches bezeichnet. 1. Eigentlich. (1) In Absicht auf die Bewegung, keine Bewegung habend, wo es im schärfsten Verstande nur als ein Nebenwort üblich ist, und zwar nur mit solchen Zeitwörtern, welche ohnehin einen Stand der Ruhe bezeichnen. Stille stehen. Sie Sonne stand stille, Jos. 10, 12. Stille sitzen, liegen halten. Mit einem Wagen, mit dem Pferde stille halten. Einem stille halten, sich unter dessen Händen nicht bewegen. Im Felde stille liegen, von Armeen, im Gegensatze des Marschierens. Stille stehen, auch figürlich. Meine Betrachtung stand bey dem Wesen still, welches wir die Seele nennen, verweilete bey demselben, um ihr nachzudenken. Aber, hier stehet mein Verstand stille, ist so viel, das ist mir unbegreiflich, unergründlich. Ingleichen einer großen, heftigen Bewegung beraubt, wo es auch als ein Beywort gebraucht wird, aber doch nur in einigen Fällen üblich ist. Das stille Meer, die Südsee, weil auf derselben unter gewissen Breiten die Stürme nicht so häufig sind, als auf andern Meeren. Das Meer ward still (stille), Jon. 1, 12. Stille Wasser sind tief, gründen tief, oder haben tiefe Gründe, von der äußern Stille und Gelassenheit ist nicht alle Mahl auf eben dieselbe innere Beschaffenheit zu schließen. Wie rein nahm da mein Gemüth jeden frommen Eindruck auf, wie ein stiller See das Bild des reinen Mondes! Hermes. Die stille Luft, welche von keinem Winde bewegt wird; bey stillem Wetter. Es ist Windstille, es gehet kein Wind. (2) In Absicht des Lautes, alles Lautes oder Tones beraubt. Stille schweigen, nicht reden, wo das Mittelwort still schweigend auch als Ein Wort geschrieben wird, ( S. auch das Stillschweigen.) Stille seyn, keinen Laut von sich hören lassen. Warum bist du nun so stille? Alles um mich her ist stille. Wir wollen nicht reden, ich will so stille seyn als das Grab. Von etwas stille schweigen, nichts davon sagen. Allein ich schwieg doch bald von ihren Fehlern still, Gell. Zu etwas stille schweigen, nichts dazu sagen, ingleichen es nicht tadeln, nicht ahnden. Stille! eine gewöhnliche Interjection, Stille oder Stillschweigen zu gebiethen. Stille! er möchte es sonst hören. Ingleichen als ein Beywort, alles Lautes, Geräusches von außen beraubt. Ein stilles Gebeth, welches nicht durch hörbare Worte geschiehet. Gewiß ging dein zitternder Fuß aus der Hütte hervor, im stillen Gebethe den Abend zu feyern, Geßn. So auch eine stille Liebe, eine stille Freude, ein stiller Gram u. s. f. Leidenschaften, welche sich nicht durch Worte und Geräusch äußern. Und der Sohn sahe lange mit stiller Freude auf den frommen Vater herunter, Geßn. Wir fühlen uns beruhigt, und mit einem stillen Beyfalle des Herzens belohnt, wenn wir andrer Glück befördert haben, Gell. Such deine Lust in stillern Freuden, eben ders. Ein stiller Gram war auf ihrem Gesichte verbreitet, Sonnenf. Ein stiller Abend, eine stille Nacht, ein stiller Wald u. s. f. wo kein Laut kein Geräusch gehöret wird. Ihr stillen Wälder! Bey stiller Nacht. Oft besucht die Muse bemooste Hütten, um die der Landmann stille Schatten pflanzet, Geßn. Bey stillem Abend hatte Myrtill noch den mondbeglänzten Sumpf besucht, eben ders. Und warum floh der Held jetzt stillen Schatten zu Und wählte für den Streit des Öhlbaums träge Ruh? Weiße. Ferner, ohne starken Laut, ohne vieles Geräusch. Stille gehen, sprechen, reden, singen, besser leise. Ein stilles Sausen, 1 Kön. 19, 12, ein sanftes. Die stille Messe, in der Römischen Kirche, oder die Stillmesse, welche ohne Musik gelesen wird. Der stille Freytag, der Charfreytag, die stille Woche, die Charwoche, weil man sich zu dieser Zeit aller rauschenden Lustbarkeiten enthält, diese Zeit in abgeschiedener Stille feyert. Zuweilen wird auch das Neutrum, doch nur mit dem Vorworte in, als ein Hauptwort gebraucht; im Stillen, für in der Stille, ohne äußeres Geräusch. Er härmte sich darüber im Stillen. 2. Figürlich, so wohl in Rücksicht der Bewegung als des Lautes. (1) Ein stiller Mensch, ein eingezogener, sittsamer, gelassener Mensch, der wenig Geräusch macht, auch von heftigen Leidenschaften frey zu seyn scheinet. Ein stilles Gemüth. Ein stiller Ort, wo wenig Geräusch ist. Es ist hier sehr stille, man höret hier wenig Geräusch. Ein stilles Leben führen, ein eingezogenes; in der Stille leben. Ein Schäfer in seinem stillen Hirtenstande, Gell. (2) Ruhig. Stille leben. Das stille Alter. Den stillen Sabbath der Ewigkeit feyern. Ein stilles Volk, Richt. 18, 27. Die Stillen im Lande, Ps. 35, 20. (3) Es ist ganz stille davon, man höret nichts davon, es wird nichts davon gesprochen. Vorher sprach man viel davon, aber jetzt wird es wieder stille.

Anm. Schon bey dem Kero und Ottfried still, im Nieder-Angels. und Engl. gleichfalls still; im Schwed. stilla, im Nieders. als ein Nebenwort auch stillken, im Angels. stillice. Es ahmet durch seinen Laut eigentlich eine leise sanfte Bewegung nach, und ist der Form nach ein Intensivum, von einem veralteten Stammworte, zu welchem auch unser stehlen zu gehören scheinet. In einem hohe Grade stille druckt man im gemeinen Leben durch mausestill und stockstill aus. Die härtern Mundarten schreiben und sprechen dieses Wort gemeiniglich still; allein die sanftere Hochdeutsche kann hier das e euphonicum nicht füglich entbehren. Für stille ist es im Oberdeutschen auch hosch, und im Österreichischen tasig üblich, welches letztere augenscheinlich mit dem Lat tacere verwandt ist.


Stille (W3) [Adelung]


Die Stille, plur. car. das Abstractum des vorigen Wortes, den Zustand, da es stille ist, in allen vorigen Bedeutungen, besonders so fern still eine Abwesenheit des Lautes und Geräusches bezeichnet, da es denn auch sehr häufig figürlich die Abwesenheit lärmender und unruhiger Geschäfte, heftiger Begierden u. s. f. bezeichnet. Die Stille des Meeres. Die Windstille. Die Stille der Nacht, der Wälder, der Luft. Es herrschet hier eine große Stille. Ein schwarzes Gewitter stieg fernher auf, ängstliche Stille war in den Wipfeln der Bäume, Geßn. Die Stille der Nacht und der Einsamkeit sind Freundinnen der Schmerzen, Weiße. Wir leben jetzt in einer ruhigen Stille. In verborgener Stille, bereitet die Natur die Reime ihrer Geschöpfe, Sonnenf. Sie wissen, daß mir eine glückliche Stille weit vorzüglicher ist, als alles Geräusch, Weiße. O, die Stille der Seele, wie allgewaltig rettet sie in allen Gefahren! Die Stille der Leidenschaften. Dieß ist die Stille des Grabes! Oft denkt, wenn mir der Stille pflegen, Das Herz im Stillen tugendhaft, Gell. Du bist der Demuth Ebenbild, Die in der Stille wohnt, Weiße. In der Stille, ohne vieles Geräusch. In der Stille, in aller Stille davon gehen. Lassen sie es in der Stille abholen. Sich in der Stille trauen lassen. Eine Leiche in der Stille begraben lassen.

Anm. Schon bey dem Kero, der es auch für Stillschweigen gebraucht, Stille, und mit andern Endsylben im Nieders. Stillte, im Angels. Stillida, bey dem Ottfried Stillniss, im Tatian Stiltenesse. Im mittlern Lat. ist Estillus, der Schlaf.


Stillen (W3) [Adelung]


Stillen, verb. reg. act. stille machen, wo es doch nur in einigen eingeschränkten Bedeutungen des Wortes stille gebraucht wird. 1. Eigentlich. (1) In Absicht der Bewegung, die Bewegung hemmen, wo man es nur in der R. A. gebraucht; das Blut stillen, den Fluß des Blutes hemmen, wofür man in einigen Gegenden auch stellen sagt, welches letztere auch im Oberdeutschen von andern Arten der Hemmung der Bewegung üblich ist, ( S. dasselbe); woraus zugleich die Verwandtschaft nicht nur mit stellen, sondern auch mit stehen erhellet. Die Stillung des Blutes. Thaz bluat firstualti, das Blut wurde gestillt, sagt schon Ottfried, und gleich darauf, tar abstult brunno thes bluates, da hörete der Fluß des Blutes auf; wo es als ein Neutrum, für stille stehen, inne halten, gebraucht wird. To - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sagten schon die Griechen. (2) In Absicht des Lautes, des Tones, wo es im eigentlichsten Verstande im Hochdeutschen wenig gewöhnlich ist; aber in einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man noch, einen Plauderer, einen Schwätzer stillen, ihn zum Stillschweigen bringen, ihn schweigen heißen. Auch Matth. 28, 14 heißt es noch: wo es würde auskommen bey dem Landpfleger, wollen wir ihn stillen. 2. Figürlich, eine in figürlichem Verstande in Bewegung begriffene Sache hemmen, ihrer Bewegung ein Ende machen, wo doch in manchen Fällen auch der Begriff des Lautes, des Geräusches mit eintritt. (1) Überhaupt, wo es gleichfalls nur in einigen Fällen gangbar ist. Da machte sich der König eilends auf, daß er den Aufruhr stillete, 2 Macc. 4, 31. Daß ich das Murren der Kinder Israel stille, 4 Mos. 17, 5. Sie stilleten kaum das Volk, daß sie ihnen nicht opferten, Apostelg. 14, 18. Er stillete das Ungewitter, daß sich die Wellen legten, Ps. 107, 29. Die Gläubiger stillen, sie zum Stillschweigen oder zum Stillsitzen bringen. Die Schmerzen stillen, aufhören machen. Die biblischen Ausdrücke hingegen, den Zorn stillen, den Zank, den Hader stillen. Nachlassen stillet groß Unglück, Pred. 10, 4, sind wenig mehr gebräuchlich, aber noch weniger, die Seele stillen, Ps. 131, 2, sie ruhig machen. Das Herz stillen, 1 Joh. 3, 19. (2) In einiger engern Bedeutungen. (a) Von Begierden, sie durch Befriedigung aufhören machen. Seinen Durst, seinen Hunger stillen, ihnen durch Speise und Trank ein Ende machen. So auch, die Begierde, die Brunst, seine Neugier, jemandes Verlangen stillen. (b) Ein Kind stillen, von saugenden Kindern, ihm die Brust reichen, eigentlich dessen Durst stillen, daher eine Säugamme, zuweilen eine Stillamme genannt wird. Aber ein stillendes Kind, für ein noch saugendes, noch nicht von der Brust entwöhntes Kind, ist wider die Natur der meisten Mittelwörter auf -end, ob es gleich im gemeinen Leben selbst Obersachsens sehr häufig ist. S. auch die Stillung und das Stillen.

Anm. Bey dem Ottfried gestillan, im Schwed. stilla, im Angels. styllan. S. Still, Stell und Stehen, mit welchem letztern es gleichfalls verwandt ist.


Stillgedackt (W3) [Adelung]


Stillgedackt, im Orgelbaue, S. Gedackt.


Stilllager (W3) [Adelung]


Das Stilllager, des -s, plur. die -läger, der Ort, wo ein Kriegesheer eine Zeit lang stille lieget.


Stillschweigen (W3) [Adelung]


Das Stillschweigen, des -s, plur. car. von der R. A. stille schweigen, die Handlung, da man stille schweiget, nicht spricht. Ein tiefes Stillschweigen beobachten. Ich will es mit Stillschweigen übergehen. Das Stillschweigen brechen, anfangen zu reden. Auch das Mittelwort still schweigend wird gern als Ein Wort gebraucht, auf welche Art viele auch stillhaltend, stillsitzend, stillliegend u. s. f. schreiben, obgleich bloße Nebenwörter nicht gern mit Zeitwörtern Zusammensetzungen machen, einige wenige ausgenommen, welche dieses Vorrecht schon seit langer Zeit hergebracht haben. Etwas stillschweigend gut heißen, durch unterlassene Bezeigung seines Mißfallens. Ein stillschweigender Contract, figürlich, wo die Einwilligung nicht ausdrücklich durch Worte angedeutet worden, sondern aus andern Zeichen zu schließen ist. Übrigens ist still in diesem Worte, so wie in der Redensart stille schweigen, nur um des mehrern Nachdruckes willen da, indem schweigen den Begriff des stille schon in sich schließet. Von stille liegen, stille sitzen u. s. f. gilt dieses nicht, weil stille hier seine eigene Bedeutung hat.


Stillstand (W3) [Adelung]


Der Stillstand, des -es, plur. inus. die Handlung, der Zustand, da man stille stehet. 1. Im eigentlichsten Verstande. Der Stillstand der Sonne, des Mondes. Der Stillstand eines Planeten, in der Astronomie, wenn er einige Tage einerley Länge und Breite behält und also stille zu stehen scheinet. 2. Figürlich. (1) Der Zustand, da man in einer Bewegung, in einer Wirkung inne hält, ihren Fortgang auf eine Zeitlang unterbricht. Einen Stillstand machen. Die Krankheit machte einen Stillstand. (2) In engerer Bedeutung ist der Stillstand oder Waffenstillstand, die Handlung, da zwischen zwey kriegführenden Heeren mit den Feindseligkeiten auf eine Zeit lang inne gehalten wird. Einen Stillstand machen, schließen. Ehedem der Friedsatz.


Stimme (W3) [Adelung]


Die Stimme, plur. die -n, Diminutivum, welches nur in der vertraulichen Sprechart von einer schwachen, feinen und angenehmen Stimme üblich ist, das Stimmchen, Oberd. Stimmlein, der Laut, welchen organische Geschöpfe durch die Luftröhre von sich geben, lautbar oder hörbar gemachter Athem. 1. Im weitesten Verstande. Die meisten Fische haben keine Stimme, weil die wenigsten eine Lunge haben, welche zu Stimme unentbehrlich ist. Die Stimme des Löwen, der Vögel des Himmels, in der Deutschen Bibel. Der Löwe eine furchtbare Stimme. Ein Esel wollt' - auf öffentlichen Gassen, Sein lieblich Stimmchen hören lassen, Lichtw. Eben derselbe sagt von einem Gimpel: Sein Stimmchen machte schlechten Staat. Figürlich leget man auch wohl leblosen Dingen, die durch das Gehör empfunden werden, in der dichterischen Schreibart eine Stimme bey. Die Stimme des Donners, in der Deutschen Bibel. Die schreckende Stimme des Donners schweigt, Geßn. Die Stimme des Getümmels, einer Posaune, der Trompete, der Pfeifen und Harfen u. s. f. für Laut, Schall, Klang, lassen sich nur in der dichterischen Schreibart nachahmen. - So ruft die Glocke bereits mit silberner Stimme Zu dem ländlichen Tisch, Zachar. 2. In engerer Bedeutung, die menschliche Stimme, wo dieses Wort eigentlich den durch die organischen Sprachwerkzeuge hörbar gemachten Athem bezeichnet, der zur Sprache wird, wenn die Stimme und die einzelnen Laute, die sie umfasset, Zeichen der Empfindungen und Gedanken. (1) Eigentlich. Eine grobe, eine feine, eine klare Stimme haben. Er sagte mit lauter Stimme. Seine Stimme erheben, sinken lassen. Seine Stimme hören lassen. Die Stimme verändern. Für Rede, wie es in der Deutschen Bibel mehrmahls gebraucht wird, z. B. Gott erhöre meine Stimme, würde es sich allenfalls noch in der dichterischen Schreibart gebrauchen lassen. (2) In engerer Bedeutung, bedeutet es in der Musik (a) Die Beschaffenheit der Stimme, so fern sie sich zum Gesang schickt. Eine gute Stimme haben. Keine Stimme haben keine zum Gesange taugliche Stimme. Stimme zum Singen haben. Die Stimme verlieren. Hier wird der Plural nur von mehrern Arten gebraucht. (b) Die Arten der Stimme in Ansehung der Tiefe und Höhe heißen in der Musik gleichfalls Stimmen. Die Discant-Stimme, Alt-Stimme, Tenor-Stimme, Baß-Stimme. Eine Stimme singen. Da denn auch die für jede Stimme geschriebene Noten die Stimme genannt werden. In weiterm Verstande heißen auch die für jedes musikalische Instrument geschriebenen Noten Stimmen. Die Violin-Stimme, die Noten für die Violine. (3) Figürlich. (a) In der höhern und dichterischen Schreibart ist die Stimme die Wirkung eines leblosen Dinges auf das Erkenntniß- und Begehrungsvermögen. Die Stimme der Natur die Überzeugung, welche durch den Zusammenhang der natürlichen Dinge in uns gewirket wird. In einem andern Verstande ist die Stimme der Natur, der natürliche Trieb. Das große Interesse des Menschen liegt also darin, daß er dieser Stimme der Natur, die ihn zum Schönen, zum Guten hinruft, gehorsam werde, Sulz. In so weit wir bloß dieser Stimme der Natur, die unsre Herzen einander zuführen will, folgen, in so weit ist es noch keine Tugend, Gell. Die Stimme des Blutes, die Empfindung, welche aus der nahen Verwandtschaft entspringet. Man höre bey seiner achtsamen Wahl zuerst auf die Stimme des Herzens, Gell. (b) Die durch Worte oder Zeichen ausgedruckte Meinung in der Berathschlagung mehrerer. Sechs Stimmen waren für, und sechs wider die Sache. Die Stimmen sammeln. Die meisten Stimmen gelten. Wo es in engerer Bedeutung auch die beyfallende, bejahende Stimme dieser Art bedeutet. Er hatte alle Stimmen. Seine Stimme zu etwas geben. (c) Das Recht, in der Berathschlagung mehrerer, seine Stimme zu geben, d. i. seine Meinung, sein Urtheil zu sagen, das Stimmrecht, ohne Plural. Sitz und Stimme im Rathe, in einem Collegio, im Kapitel u. s. f. haben. Jemanden seine Stimme nehmen. (d) An verschiedenen musikalischen Instrumenten ist die Stimme ein Theil, welcher den Klang oder Ton des Werkzeuges bestimmet. So ist es ein ausgerichtetes Hölzchen in den Geigen, welches den Resonanz-Boden in die Höhe hält. An den Pauken wird der Trichter über dem runden Loche an dem Paukenkessel, so wohl das Schallstück, als die Stimme genannt.

Anm. Schon im Isidor und bey dem Kero Stimma, im Tatian Stemmi, bey dem Notker ohne Zischlaut Timmo, im Nieders. Stemme, im Schwed. Stämma, im Angels. Stemn, und mit andern obgleich verwandten Endlauten im Angels. Stefen, bey Ulphilas Stibna, und im Lappländ. Stiubne, ( S. Staben). Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches unter andern auch die Stimme bedeutet, ist nahe damit verwandt. S. das folgende.


Stimmen (W3) [Adelung]


Stimmen, verb. reg. welches eine doppelte Hauptbedeutung hat, und zugleich in doppelter Gattung üblich ist. I. Als ein unmittelbarer Verwandter von dem vorigen Stimme. 1. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. (1) Seine Stimme und in weiterer Bedeutung einen Ton von sich geben, wo es im eigentlichen Verstande von musikalischen Stimmen am üblichsten ist, doch so, daß es so wohl von der Singestimme, als auch von dem Klange musikalischer Instrumente gebraucht wird. (a) Eigentlich. Zwey Instrumente stimmen zusammen wenn sie beyde das gehörige Verhältniß des Tones oder Klanges haben, wofür man auch nur schlechthin sagt, sie stimmen. Die Violine stimmt nicht zur Trompete. Das Clavier stimmt rein, wenn alle Saiten die verhältnißmäßige Tonhöhe haben. In den Ton stimmen ihre Klagen, Seufzer und Wünsche, Herd. (Siehe auch Anstimmen, Einstimmen und Beystimmen, welches letztere doch nur von der Stimme des Redenden üblich ist.) (b) Figürlich ist zusammen stimmen und überein stimmen einerley Inhalt, einerley Meinung, und in weiterm Verstande auch das gehörige Verhältniß gegen einander haben, überein kommen. Ihr Zeugniß stimmete nicht überein, Marc. 14, 56. Menschen, die in ihren Meinungen, Neigungen und guten Absichten mit einander übereinstimmen und überein zu stimmen suchen, Gell. Im Ganzen stimmen die Theile nicht gehörig überein, haben nicht das gehörige Verhältniß. Der Ausgang stimmet nicht mit meiner Erwartung überein, ist ihm nicht gemäß. In der menschlichen Seele stimmet alles zu weisen Absichten zusammen, Gell. Wo das Nebenwort auch wohl ausgelassen wird. Wie stimmet Christus mit Belial? 2 Cor. 6, 14. Mutter und Tochter stimmen nicht so recht, sind nicht so recht einig. Diese Vergehungen stimmen nicht zu der heiligen Miene, die er sich gibt, schicken sich nicht dazu. Nach einer noch weitern Figur scheint Opitz es auch für gefallen zu gebrauchen, in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen fremd ist: Wahr ists, daß alles Ding nicht allen Menschen stimmt, Daß Hochmuth dieß für das, und das für jenes nimmt. 2) Von Stimme, Meinung, Urtheil unter mehrern, ist stimmen, diese Meinung von sich geben. Für eine Sache, wider dieselbe stimmen. Über etwas stimmen, die Stimmen darüber geben. Wir haben noch nicht gestimmt. Sie auch Beystimmen. 2. Als ein Activum, wird ein musikalisches Instrument gestimmt, wenn man demselben oder den einzelnen Theilen desselben die verhältnißmäßige Höhe oder Tiefe des Tones gibt. Ein Clavier, eine Violine, eine Orgel stimmen. Ein Instrument um einen Ton höher stimmen. Ingleichen figürlich Harmonische Empfindungen gleich gestimmter Seelen, Dusch. Seinen Verstand stets nach der Anleitung anderer stimmen, heißt sein Eigenthum verlassen, um betteln zu können, Gell. Wie bewundern die treffliche Anlage dieses Mädchens; sie stimmte sich mit ungemeiner Richtigkeit auf jeden Ton, Herm. Er ist immer auf den prahlhaften Ton gestimmt. Jemanden stimmen, ihm unter der Hand eingeben, angeben, wie er urtheilen und handeln soll. Er ist schon gestimmt, er hat schon geheime Anweisung erhalten. Wo es aber auch eine Figur der folgenden Bedeutung seyn kann. II. Mit dem herrschenden Nebenbegriffe so wohl der Spitze als auch der Festigkeit und Dauer, ist es als ein Activum nur noch in verschiedenen figürlichen Bedeutungen in dem zusammen gesetzten bestimmen üblich, welches so wohl bedeutet, die Merkmahle einer Sache genau angeben, als auch, fest setzen, entschließen u. s. f. Ehedem war das einfache stimmen in eben diesem Verstande gangbar. Stimme mir, wenn ich für dich bitten soll, 2 Mos. 8, 9. Und stimmeten einen Tag, da die beyde zu Hause kommen sollten, 2 Macc. 14, 21. Alles für bestimmen. So auch die Stimmung. Anm. In der ersten Hauptbedeutung ist es ohne Zweifel eine Onomatopöie der Stimme selbst, der Form nach aber ein Intensivum von einem veralteten stimen, wohin auch das Lat. aestimare, und ohne Zischlaut das alte Gothische domjan, urtheilen, richten, u. s. f. zu gehören scheinen. Die zweyte Hauptbedeutung ist wohl keine Figur der ersten, sondern eine eigene, obgleich am Ende gleichfalls verwandte Bedeutung. Die meisten Wörter, welche ursprünglich einen Laut bezeichnen, bedeuten nach sehr gewöhnlichen Figuren auch verschiedene Arten der Bewegungen, Richtungen und Körpermassen, die mit solchem Laute verbunden sind. Stim be- deutet daher in Stimulus, und ohne Zischlaut im Temo, ein in die Länge ausgedehntes Ding, in Stamm, deßgleichen mit dem Begriffe der Festigkeit, der Masse u. s. f. Stimmen in Bestimmen die Merkmahle eines Dinges anzeigen, scheinet eigentlich eine Figur des Stechens, in der Bedeutung des Festsetzens aber ein Bild von Stamm zu seyn. Auf eben dieselbe Art heißt die Stimme im Gothischen Stibna, im Angels. Stefen, im Lappländischen Stiubne, welches zu unserm Stab, Stift, Stupfen u. s. f. gehöret.


Stimmer (W3) [Adelung]


Der Stimmer, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine männliche Person, welche stimmt, doch nur diejenige, welche die musikalischen Werkzeuge stimmt. 2. An verschiedenen musikalischen Instrumenten, ein Theil oder Werkzeug, dieselben damit zu stimmen.


Stimmhammer (W3) [Adelung]


Der Stimmhammer, des -s, plur. die -hämmer, ein Werkzeug in Gestalt eines Hammers, ein Clavier und ähnliche Saiten-Instrumente damit zu stimmen.


Stimmig (W3) [Adelung]


Stimmig, adj. et adv. Stimme habend, ein nur in den Zusammensetzungen einstimmig, einhällig, vollstimmig, dreystimmig, vierstimmig u. s. f. übliches Beywort.


Stimmpfeife (W3) [Adelung]


Die Stimmpfeife, plur. die -en, eine hölzerne Pfeife, vermittelst deren die Pfeifen in einer Orgel gestimmt werden.


Stimmrecht (W3) [Adelung]


Das Stimmrecht, des -es, plur. inus. das Recht, seine Stimme oder Meinung in einer Versammlung mehrerer zu geben, S. Stimme.


Stingel (W3) [Adelung]


Der Stingel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern einiger Gegenden, der Schwanz an den wilden Schweinen; ein ohne Zweifel von Stängel nur in der Aussprache unterschiedenes Wort.


Stinkbaum (W3) [Adelung]


Der Stinkbaum, des -es, plur. die -bäume. 1. In einigen Gegenden ein Nahme des schwarzen Vogelkirschbaumes, Prunus Padus Linn. ( S. Elsebeere 2.) 2. Ein Baum, welcher in den südlichen Gegenden Europens einheimisch ist, und dessen dreyfache Blätter, wenn man sie zerdrückt, so stinken, daß sie auch Kopfschmerzen verursachen; Anagyris foetida Linn.


Stinken (W3) [Adelung]


Stinken, verb. irreg. Imperf. ich stank, im gemeinen Leben stunk, Conj. stänke, im gemeinen Leben stünke; Mittelw. gestunken; Imperat. stink oder stinke. Es kommt in doppelter Gattung vor. I. * Als ein Activum, den Geruch empfinden, riechen; eine längst veraltete Bedeutung. Habent nasa unde ne stinkent, Notker. II. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, einen Geruch von sich geben, riechen, so wohl 1. * Überhaupt, eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Suazu sie thir stinkent, sie riechen dir füß, gut, Ottfr. Als auch 2. in engerm Verstande, (a) * Wohl, gut riechen, in welcher Bedeutung es gleichfalls veraltet ist. Thiu diuri thera Salba stank in ala halba, die kostbare Salbe roch überall, Ottfr. Stankuuurzo, ist bey dem Willeram wohlriechendes Gewürz. (b) Häßlich, ekelhaft riechen; in welcher Bedeutung es noch allein üblich ist. Das stinkt, ein stinkender Geruch. Nach etwas stinken, nach Käse, nach Knoblauch stinken. Stinkendes Fleisch. Stinkend seyn oder werden. Eine stinkende Lüge, im gemeinen Leben, eine grobe, wofür man in den niedrigen Sprecharten wohl sagt, eine erstunkene. Die biblische Figur, Israel stank vor den Philistern, David stank vor seinem Volke, in Schande, Unehre bey jemanden seyn, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Doch sagt man noch, seinen Nahmen, sein Andenken stinkend machen. So auch das Stinken.

Anm. In der letzten Bedeutung im Niedersächsischen gleichfalls stinken, im Angels. stincan, stencan, im Engl. to stink, im Schwed. stinka. Das Activum davon ist stänkern. Stinken war, wie aus obigen erhellet, so wie riechen, ehedem ein ganz allgemeiner Ausdruck, ( S. auch Stank.) Da die Empfindung des Geruches nicht in das Gehör fällt, und daher nicht anders als durch eine Figur ausgedruckt werden kann, so scheinet das noch im Schwedischen übliche stinga, bey dem Ulphilas stiggan, (sprich stingan, das Stammwort zu seyn, welches sich von unserm stechen nur durch den eingeschobenen Nasenlaut unterscheidet.


Stinkfliege (W3) [Adelung]


Die Stinkfliege, plur. die -n, ein Insect mit vier nackten netzförmigen Flügeln, welches einer Fliege gleicht, und einen üblen Geruch hat; Hemerobius Linn.


Stinkicht,Stinkig (W3) [Adelung]


Stinkicht und Stinkig, adj. et adv. welche nur im gem. Leben für stinken üblich sind; Nieders. stinkerig. Beyde sind wider die Analogie der meisten Beywörter dieser Art, stinkicht aber würde noch dazu nur bedeuten, einem Gestanke ähnlich. Stinkig werden besser stinkend.


Stinkkäfer (W3) [Adelung]


Der Stinkkäfer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art glänzender Käfer, der sich auf dem Lande, in dem Wasser und in sumpfigen Gegenden aufhält, und einen übeln Geruch hat; Buprestis Linn.


Stinkratz (W3) [Adelung]


Der Stinkratz, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden ein Nahme des Iltisses, Mustela putorius Linn. wegen seines heftig stinkenden Athems. In andern Gegenden wird er das Stinkthier genannt.


Stinkschabe (W3) [Adelung]


Die Stinkschabe, S. Erdschabe.


Stinkschiefer (W3) [Adelung]


Der Stinkschiefer, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein kalkartiger Schiefer, welcher wegen der darin befindlichen fetten und flüchtigen alkalischen Theile einen ekelhaften Geruch gibt, wenn man ihn reibt. S. das folgende.


Stinkstein (W3) [Adelung]


Der Stinkstein, des -es, plur. die -e, ein ähnlicher kalkartiger Stein, welcher aus eben derselben Ursache wie Katzenurin riecht; Lapis suillus, Schweinstein, Saustein.


Stinkthier (W3) [Adelung]


Das Stinkthier, des -es, plur. die -e, S. Stinkratz.


Stinktopf (W3) [Adelung]


Der Stinktopf, des -es, plur. die -töpfe, in der Geschützkunst, mit stinkenden Sachen angefüllte Gefäße, welche man ehedem aus Bomben unter die Feinde zu werfen pflegte.


Stint (W3) [Adelung]


Der Stint, des -es, plur. die -e, ein Nahme verschiedener sehr kleiner eßbarer Flußfische. 1. Des Salmo Eperlanus Linn. Franz. Eperlan. In einigen Gegenden Spiving. Er hat einen durchsichtigen Kopf, und violenartigen aber übel riechenden Geruch. 2. Des nahe verwandten Salmo Albula Linn. welcher gleichfalls stinket, noch kleiner ist, und eine weiße Farbe hat. 3. Des Cyprinus Aphya Linn. der, weil er sich gern im Schlamme aufhält, im Nieders. auch Moderliesken genannt wird. Und 4. des Gobius paganellus Linn.

Anm. In einigen Gegenden lautet dieses Wort Stinz, indessen ist Stint in Ober- und Niedersachsen am gewöhnlichsten. Vermuthlich stammet der Nahme von stinken ab, weil, wo nicht alle, doch die meisten der obigen Arten stinken. Ob der Tinca des Ausonius auch hierher gehöre, und sich im Nahmen nur durch den Mangel des Zischlautes unterscheide, mögen andere untersuchen.


Stinthamen (W3) [Adelung]


Der Stinthamen, des -s, plur. ut nom. sing. ein enger Hamen, die Stinte darin zu fangen.


Stipendium (W3) [Adelung]


Das Stipendium, des -dii, plur. die -dia, das Latein. Stipendium, welches doch im Deutschen nur in engerer Bedeutung üblich ist, ein vermachtes Geld oder Vermächtniß zum Behuf junger Studierender zu bezeichnen. Im gemeinen Leben das Stipendien, des -s, plur. ut nom. sing. Daher der Stipendiat, des -en, plur. die -en, der ein solches Stipendium genießet.


Stirn (W3) [Adelung]


Die Stirn, plur. die -en, Diminut. das Stirnchen, Oberd. Stirnlein, der vordere erhabene Theil des Kopfes über den Augen und zwischen den Schläfen. Eine hohe, flache Stirn haben. Die Stirn runzeln, zum Zeichen des Unmuthes, des Verdrusses. Hitzig vor der Stirn seyn, leicht zornig werden. Es stehet keinem an der Stirn geschrieben, was er im Herzen hat. Eine harte Stirn haben, unverschämt seyn, indem die Stirn schon vor Alters für den Sitz der Scham gehalten wurde. Israel hat eine harte Stirn, Ezech. 3, 7. Deine Stirn ist ehern, Es. 48, 4. Figürlich, zuweilen auch der vordere erhabene Theil eines Dinges, S. Stirnmauer, Stirnrad, Stirnband, Stirnblech.

Anm. Die ältern Oberdeutschen Schriftsteller, wie der alte Übersetzer Isidors, Ottfr. u. s. f. gebrauchen dafür Andinu und Eindo, welche unser Ende zu seyn scheinen. Im Niedersächsischen lautet es Steern, im Schwed. Stjerna, welche beyde aber auch einen Stern bedeuten. Es scheinet, daß der Begriff der Höhe oder der Hervorragung der Stammbegriff ist, S. Stern.


Stirnband (W3) [Adelung]


Das Stirnband, des -es, plur. die -bänder, ein zierliches Band, dasselbe vor die Stirn zu binden, ein Ausdruck, welcher mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt. Bey den Klempenern ist es eine Zarge, welche vor der Thür des Feuerstübchens befestiget wird, woran sich die Thür lehnet, wenn sie verschlossen wird; von Stirn, der vordere hervorragende Theil.


Stirnbein (W3) [Adelung]


Das Stirnbein, des -es, plur. die -e, dasjenige Bein der Hirnschale, welches die Stirn bildet; Os frontis.


Stirnbinde (W3) [Adelung]


Die Stirnbinde, plur. die -n, eine Binde, welche gemeine weibliche Personen in manchen Gegenden zu den weißen Schleppen um die Stirn zu binden pflegen.


Stirnblatt (W3) [Adelung]


Das Stirnblatt, des -s, plur. die -blätter, ein zierliches metallenes Blatt, dasselbe zur Zierde vor die Stirn zu binden. Bey den ältern Juden war es ein Stück des hohen priesterlichen Schmuckes. Bey uns wird noch der breite Riemen an den Pferdegeschirren, welcher um die Stirn des Pferdes gehet, so wohl Stirnblatt als Stirnriemen genannt.


Stirnblech (W3) [Adelung]


Das Stirnblech, des -es, plur. die -e, bey den Kupferschmieden, die Bleche an der schmälern Seite einer Braupfanne, zum Unterschiede von den Seitenblechen. Von Stirn der vordere Theil.


Stirngegend (W3) [Adelung]


Die Stirngegend, plur. die -en, die Gegend des Kopfes, wo sich die Stirn befindet, der mittlere und vordere Theil der Hirnschale.


Stirnhaar (W3) [Adelung]


Das Stirnhaar, des -es, plur. die -e, oder collective, das Stirnhaar, plur. car. das vor der Stirn befindliche Haar, z. B. an den Pferden.


Stirnkrankheit (W3) [Adelung]


Die Stirnkrankheit, plur. inus. eine Krankheit der Pferde, da sie rothe geschwollene triefende Augen bekommen, den Kopf hängen lassen, nicht essen und viel Hitze haben. Sie soll von einer Erhitzung des Geblüts durch übermäßige Arbeit herrühren.


Stirnkrause (W3) [Adelung]


Die Stirnkrause, plur. die -n, ein gutes von einigen versuchtes; aber noch nicht allgemein gewordenes Wort, das Franz. Touppee zu verdrängen, weil sich diese Krause gerade über der Stirn befindet.


Stirnlocke (W3) [Adelung]


Die Stirnlocke, plur. die -n, Haarlocken an der Stirn, dergleichen z. B. die Pferde haben.


Stirnmauer (W3) [Adelung]


Die Stirnmauer, plur. die -n, in einigen Fällen, hervor ragende Mauern. So werden diejenigen Mauern, worauf die Tonnengewölbe an beyden Enden ruhen, Stirnmauern genannt; bey andern Gewölben heißen sie Widerlagen.


Stirnmäuschen (W3) [Adelung]


Das Stirnmäuschen, Stirnmäuslein, des -s, plur. ut nom. sing. oder der Stirnmuskel, des -s, plur. die -n, in der Anatomie, ein Mäuschen oder Muskel, vermittelst dessen die Haut auf der Stirn beweget oder gerunzelt wird.


Stirnrad (W3) [Adelung]


Das Stirnrad, des -es, plur. die -räder, in der Mechanik, ein Kammrad, bey welchem die Zähne an der Stirn, d. i. an dem äußern Umfange angebracht worden, so daß sie mit dem Durchmesser des Rades eine gerade Linie ausmachen; das Sternrad, zum Unterschiede von einem Kronrade.


Stirnschnalle (W3) [Adelung]


Die Stirnschnalle, plur. die -n, eine Schnalle, d. i. ein Schneller mit dem gebogenen Mittelfinger vor die Stirn; in andern Sprecharten Hirnschnalle, Sternickel.


Stirnspange (W3) [Adelung]


Die Stirnspange, plur. die -n, in der Deutschen Bibel, eine Art der Spangen, welche bey den ältern Juden zur Zierde an der Stirn getragen wurden. Hos. 2, 13.


Stöberig (W3) [Adelung]


Stöberig, adj. et adv. im gemeinen Leben. Es ist stöberiges Wetter, wenn der Schnee in Gestalt des Staubes von dem Winde herum getrieben wird, welches Wetter man auch ein Stöberwetter nennt.


Stochelstange (W3) [Adelung]


Die Stochelstange, plur. die -n, im Hüttenbaue, eine lange Stange mit einem breiten Eisen, das vom Feuer abgehobene Erz damit abzustochern oder abzustoßen.


Stocher (W3) [Adelung]


Der Stocher, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug zum Stochern, besonders in dem zusammen gesetzten Zahnstocher.


Stochern (W3) [Adelung]


Stochern, verb. reg. act. welches ein Intensivum von stechen ist, mehrmahls in etwas oder an etwas stechen, eine im Hochdeutschen unbekannte Bedeutung, welche aber im Oberdeutschen gangbar ist. Die Ochsen stochern, sie stacheln, mit dem Stachel forttreiben. In ein Wespennest stochern, stören. Das Feuer stochern, mit einem langen oder spitzigen Werkzeuge darin stören; Nieders. staken. In der Nase stochern, grübeln. Auf jemanden stochern, sticheln. Lauter im Oberdeutschen gangbare Ausdrücke. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur von den Zähnen. Die Zähne stochern, sie mit einem spitzigen Werkzeuge von den dazwischen befindlichen Überbleibsel der Speisen reinigen. So auch das Stochern.

Anm. Im Nieders. stakern, bey einigen Hochdeutschen auch stöchern. Es ist das Intensivum oder Iterativum von dem Oberdeutschen stochen, welches zu stechen gehöret, und daselbst mit stochern, stacheln, sticheln gleich bedeutend ist.


Stockaar (W3) [Adelung]


Der Stockaar, des -en, plur. die -en, oder der Stockadler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Falken mit schwarzen wellenförmigen Flecken auf der Brust, lehmgelben Füßen und einem schwarzblauen Schnabel; Falco palumbarius Klein. Taubenfalk, weil er besonders den Tauben nachstellet. Den Nahmen hat er vielleicht von seinen kurzen Flügeln, welche ihm eine kurze und dicke Gestalt geben. S. Stock 3.


Stockamboß (W3) [Adelung]


Der Stockamboß, des -es, plur. die -e, bey den Kupferschmieden, ein Amboß, welcher oben in Gestalt einer Kugel abgerundet ist, die runden Böden der Geschirre darauf zu schmieden; vielleicht von dem eisernen Stocke oder Stabe, auf welchem er in dem Klotze stecket.


Stockänte (W3) [Adelung]


Die Stockänte, plur. die -n, bey einigen ein Nahme der gemeinen großen wilden Änte, welche auch Zorn, Merzänte, Blauänte, Spiegelänte, genannt wird; Anas syluestris vera Klein. Vielleicht ist es die Anas clypeata Linn. welche gleichfalls diesen Nahmen führet. Vielleicht auch wegen ihrer kurzen dicken Gestalt, S. Stock 3.


Stockarbeiter (W3) [Adelung]


Der Stockarbeiter, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Seiler, welche ohne Läufer arbeiten, und verschiedene Arbeiten der andern Seiler nicht verstehen. Sie scheinen eine Art Spitzarbeiter zu seyn, beyde aber sind von den Reifschlägern unterschieden. Frisch versichert, daß sie den Nahmen daher haben, weil sie ihre Arbeit auf einen Knauel, wie einen Wachsstock wickeln, und Ellenweise verkaufen. Man findet sie häufig am Rheine.


Stockband (W3) [Adelung]


Das Stockband, des -es, plur. die -bänder, ein zierliches Band an einem Spazierstocke.


Stockbörs (W3) [Adelung]


Der Stockbörs, des -es, plur. die -börse, eine Art großer Börse, zum Unterschiede von den gewöhnlichen Börsen und Kaulbörsen. Vermuthlich auch von Stock 3, so fern es ein großes Ding, körperliche Masse, bedeutet.


Stockblind (W3) [Adelung]


Stockblind, adj. et adv. völlig blind, im höchsten Grade blind. Stockblind seyn. Ein stockblinder Mensch. Von Stock, so fern es ein Zeichen der Intension ist, S. Stock 3. (4).


Stock-Böhme (W3) [Adelung]


Der Stock-Böhme, des -n, plur. die -n, im gemeinen Leben, ein dummer, stöckischer und hartnäckiger Böhme, und in weiterm Verstande, ein jeder Mensch dieser Art. Da die in der Leibeigenschaft lebenden Böhmen ihrer stöckischen Gemüthsart wegen berufen sind, so scheinet Stock hier entweder zu stöckisch zu gehören, oder auch das bloße Zeichen der Intension zu seyn, gleichsam einen Erz-Böhmen zu bezeichnen, oder auch von dem intensiven stock, sehr zusammen gesetzt zu seyn, weil die Stock-Böhmen den Deutschen Bauern in Böhmen entgegen gesetzt werden. S. auch Stocknarr.


Stockdickfinster (W3) [Adelung]


Stockdickfinster, S. Stockfinster.


Stockdumm (W3) [Adelung]


Stockdumm, adj. et adv. im hohen Grade dumm, im gemeinen Leben, S. Stock 3 (4).


Stockdürre (W3) [Adelung]


Stockdürre, adj. et adv. sehr dürre, vollkommen dürre, so dürre, wie ein Stock, auch nur im gemeinen Leben, S. Stock 3 (4).


Stockdunkel (W3) [Adelung]


Stockdunkel, S. Stockfinster.


Stöckel (W3) [Adelung]


Der Stöckel, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Nadlern, der eiserne Lauf, worin sich der Unterstämpel oder Amboß an der Wippe befindet; ein ohne Zweifel mit Stock, Klotz, gleich bedeutendes Wort, nur daß es vermittelst der Endsylbe -el, ein Werkzeug, Ding von dem Zeitworte stocken gebildet ist.


Stöckel (W3) [Adelung]


Das Stöckel, des -s, plur. ut nom. sing. ein im gemeinen Leben übliches Diminutivum von Stock, für Stöcklein. Besonders ist es im Bergbaue das runde Holz über und an dem Ventile in den Pumpen.


Stocken (W3) [Adelung]


Stocken, verb. reg. welches mit Stock nahe verwandt und in den meisten Bedeutungen das Stammwort desselben ist, aber nur noch in einigen Fällen seines ehemahligen vermuthlich viel weitern Gebrauches üblich ist. I. Als ein Activum, wo es zunächst von Stock gebildet zu seyn scheinet. 1. Die Tuchmacher stocken die Tücher, wenn sie selbige auf- oder zusammen rollen. Vielleicht, weil es auf einen Stock oder Stab geschiehet; wo nicht, so scheinet der Begriff der Masse, der Dicke, der herrschende zu seyn. 2. Im Oberdeutschen stockt man den Wein und andere Gewächse, wenn man Stöcke, d. i. Pfähle, Stangen oder Stäbe zu denselben steckt, welches man in andern Gegenden pfählen, stängeln, stäbeln, nennet. 3. In Ausstocken bedeutet es die Stocke oder Wurzelenden gefälleter Bäume ausrotten; in verstocken aber, hart, unempfindlich dem Gemüthe nach, machen, ( S. dasselbe.) Im Schwed. ist stocka gleichfalls verhärten. 4. Das Reciprocum sich stocken oder sich bestocken wird von den Gewächsen gesagt, wenn die Pflanze mehrere Stängel oder Halme treibt, welches man auch sich bestauden nennet. II. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. 1. Mit dem herrschenden Begriffe des Stehens, von welchem Zeitworte es hier ein Intensivum ist, und den figürlichen Nebenbegriffen so wohl der Dicke, als auch der Unbequemlichkeit. (1) Aufhören sich zu bewegen. Das Wasser stockt, wenn es nicht abfließt. Ihm stockt sein Blut, ihm starrt das Haar, Wiel. Besonders figürlich. Das Geld stockt, wenn es nicht circuliret, wenn dessen Um- oder Kreislauf gehemmet ist. Stockungen in dem Umlaufe des Geldes verursachen. Die Sache stockt, will nicht fort, und gehindert. Die Handlung stockt jetzt überall. Ingleichen unpersönlich. Es stockt mit der Sache. In welchem Verstande man auch sagt, in das Stocken oder Stecken gerathen. 2. Im Reden inne halten, weil man nicht weiß, was man sagen soll, im Reden stecken bleiben. Nach einer kleinen Vergleichung fährt er mit einem Aber fort und stockt; nun Herr Orgon, was haben sie? was stocken sie? Gell. Er stockt, wenn man ihn fragt, zeigt ein zerstreut Gesicht, Und widerspricht sich schon, eh' er zehn Worte spricht, eben ders. Aufhören sich zu bewegen und dicke werden, wo es besonders von flüssigen Körpern für gerinnen, gestehen, üblich ist. Das Blut stockt, die Milch stockt. Auch als ein Reciprocum. Die Milch stockt sich Im Schwedischen gleichfalls stocka, im Latein. mit dem n, dem Begleiter der Gaumenlaute, stagnare. 2. Trockne Körper stocken, wenn sie von schädlicher Feuchtigkeit ohne Bewegung verdorben werden. Die Leinwand stockt, wenn sie an einem feuchten Orte liegt. Stockfleckig seyn, durch das Stocken Flecke bekommen haben. Ingleichen unpersönlich. Man muß die hölzernen Geschirre an einem bedeckten Ort stellen, wo es nicht stockt, d. i. nicht stocken macht. So auch das Stocken, und in einigen Fällen die Stockung.

Anm. Schwed. stocka, Engl. to stik. Siehe Stock, Stehen, Stauen, Stauchen u. s. f.


Stöcken (W3) [Adelung]


Stöcken, verb. reg. act. in den Stock legen, d. i. in Verhaft nehmen und mit den Füßen in einen hohlen Klotz befestigen, und in weiterer Bedeutung, in ein hartes Gefängniß legen; ein nur im gemeinen Leben übliches Wort, besonders in der R. A. jemanden stöcken und blöcken, in den Stock und Block legen. Wenn es Weish. 2, 19 heißt, mit Schmach und Qual wollen wir ihn stöcken, d. i. peinigen, so scheinet es daselbst in einer ungewöhnlichen weitern Bedeutung zu stehen. Im Schwed. Stocka. S. Stock 3.


Stockerbse (W3) [Adelung]


Die Stockerbse, plur. die -n, eine Art wilder Erbsen, welche unter dem Getreide in Europa wächset; Pisum arvense Linn.


Stockerz (W3) [Adelung]


Das Stockerz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, Erz, welches in Stöcken oder Stockwerken bricht, S. Stockwerk.


Stockeule (W3) [Adelung]


Die Stockeule, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der kleinen Art Eulen, welche unter dem Nahmen der Kautze am bekanntesten sind, Noctua parua Klein. Vielleicht wegen ihrer kurzen dicken Gestalt, von Stock 3.


Stockfäulung (W3) [Adelung]


Die Stockfäulung, plur. inus. in dem Weinbaue, das Faulen der Weintrauben an dem Stocke, welches weniger aber bessern Wein gibt.


Stockfeder (W3) [Adelung]


Die Stockfeder, plur. die -n, oder der Stockkiel, des -es, plur. die -e, der äußerste Federkiel an einem Gänseflügel, welcher kürzer und härter ist, als die übrigen; vielleicht wegen dieser Härte.


Stockfidel (W3) [Adelung]


Die Stockfidel, plur. die -n, S. Stockgeige.


Stockfinster (W3) [Adelung]


Stockfinster, adj. et adv. im höchsten Grade finster, im gemeinen Leben. In stockfinsterer Nacht. Stockdunkel, in der Deutschen Bibel, Hiob 10, 22, mit einer ungewöhnlichen Tavtologie Stockdickefinster, in einigen Gegenden, stichdunkel, stichfinster, bey dem Hans Sachs stickfinster, im Nieders. stickendüster, von Stock, dem Zeichen der Intension, S. Stock 3 (4).


Stockfisch (W3) [Adelung]


Der Stockfisch, des -es, plur. die -e, ein Nahme gewisser ohne Salz an der Luft sehr hart gedörrter Fische aus dem Geschlechte der Dorsche, besonders aber des Kabeljaues, Gadus Morhua Linn. welcher an den Nordamerikanisch. Küsten gefangen und zugerichtet wird, ohne Plural; im Franz. Stocfiche oder Tocfiche, im Böhm. Sstokwjs, beyde nach dem Deutschen. In engerer Bedeutung bekommt dieser Fisch den Nahmen des Stockfisches, wenn er an dem Rückgrathe vorher aufgerissen worden, in welchem Falle er in einigen Gegenden auch Flachfisch heißt; ist er ganz und ungespalten gedörret worden, so wird er Rundfisch genannt. Der Klippfisch ist gleichfalls eine Art Kabeljau, der auf den Klippen gedörret worden und nicht so hart ist, als der Stockfisch. In weiterer Bedeutung wird auch der grüne und lebendige Kabeljau von einigen obgleich sehr unbillig Stockfisch genannt. Der Nahme rühret gewiß nicht, wie Frisch will, von der Ähnlichkeit der zusammen gebundenen Bündel dieses Fisches mit einem Amboßstocke oder Klotze her; sondern entweder, weil er auf einem Gerüste von Stöcken oder Stäben gedörret wird, oder auch wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Stocke, oder auch wegen seiner Härte. Figürlich ist Stockfisch ein dummer einfältiger Mensch, vermuthlich als eine Anspielung auf die Steife und Gefühllosigkeit beyder. Wenn ich den Hofmeister nicht fortgejagt hätte, so wäre ich ein Stockfisch geworden, wie er war, Gellert.


Stockfleckig (W3) [Adelung]


Stockfleckig, adj. et adv. von dem Stocken verursachte Flecken haben. S. Stocken II. 2.


Stockfremd (W3) [Adelung]


Stockfremd, adj. et adv. völlig fremd, im gemeinen Leben. Ein stockfremder Mensch. S. Stock 3 (4).


Stockgarbe (W3) [Adelung]


Die Stockgarbe, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Zehent an Garben, welchen der Eigenthümer eines Holzes dem Wald- und Forstherren für die Ausstockung oder Ausrottung desselben entrichtet; die Forstgarbe.


Stockgeige (W3) [Adelung]


Die Stockgeige, plur. die -n, eine kleine schmale Geige in Gestalt eines Stockes oder Stabes; die Stockfidel.


Stockgut (W3) [Adelung]


Das Stockgut, des -es, plur. die -güter. 1. Ein nur in einigen Gegenden für Stammgut übliches Wort, ( S. dasselbe.) von Stock, gemeinschaftliche Masse, Stamm, Geschlecht. 2. Güter, d. i. Grundstücke, welche durch Ausstockung oder Ausrottung eines Waldes zu Äcker gemacht worden.


Stockhamen (W3) [Adelung]


Der Stockhamen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Fischhamen mit einem Stocke oder Stiele.


Stockhaue (W3) [Adelung]


Die Stockhaue, plur. die -n, eine starke Haue, die Stöcke oder Wurzelenden der Bäume damit auszurotten.


Stockhaus (W3) [Adelung]


Das Stockhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus oder Gebäude, in welchem sich Ein oder mehrere Gefängnisse zur Verwahrung der Gefangenen befinden. Von Stock, ein Klotz, ingleichen Gefängniß. S. auch Stockmeister.


Stockholz (W3) [Adelung]


Das Stockholz, des -es, plur. car. Holz, welches aus den Stöcken, d. i. Wurzelenden gefälleter Bäume geschlagen worden.


Stockig (W3) [Adelung]


Stockig, -er, -ste, adj. et adv. von stocken, durch Feuchtigkeit verdorben werden, durch Feuchtigkeit verdorben. Die Wäsche ist stockig.


Stöckisch (W3) [Adelung]


Stöckisch, -er, -te, adj. et adv. von stocken, unbeweglich seyn, ingleichen mit der Sprache nicht fortkommen, aus Bosheit, Eigensinn oder Hartnäckigkeit nicht sprechend oder antwortend. Stöckisch seyn. Ein stöckischer Mensch.


Stockkiel (W3) [Adelung]


Der Stockkiel, des -es, plur. die -e, S. Stockfeder.


Stockkien (W3) [Adelung]


Der Stockkien, des -es, plur. car. Kien, welcher aus Kienstöcken d. i. den Wurzelenden gefälleter Kienbäume geschlagen worden; zum Unterschiede von dem Baum- und Vogelkiene.


Stockkohle (W3) [Adelung]


Die Stockkohle, plur. die -n, Kohlen, welche aus den Stöcken und Ästen in Gruben gebrannt werden; Grubenkohlen.


Stocklaterne (W3) [Adelung]


Die Stocklaterne, plur. die -n, eine Laterne mit einem unten an derselben befindlichen Stocke oder Stiele, an welcher sie in der Höhe getragen wird; die Stockleuchter, Stangenlaterne.


Stockmeister (W3) [Adelung]


Der Stockmeister, des -s, plur. ut nom. sing. von Stock, Klotz im Gefängnisse, und das Gefängniß selbst, derjenige, welcher die Gefangenen in seiner Aufsicht hat; in der höhern Schreibart der Kerkermeister, in Aachen der Grasverwahrer, im mittlern Lat. Cipparius.


Stockmesser (W3) [Adelung]


Das Stockmesser, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden das krumme Messer oder die Heppe der Winzer, womit sie die Weinstöcke beschneiden.


Stockmorchel (W3) [Adelung]


Die Stockmorchel, plur. die -n, eine Art runder Morcheln, voller löcheriger Knorren; Ohrenmorcheln, zum Unterschiede von den Spitzmorcheln. Vermuthlich von Stock, ein Klotz, Masse.


Stockpanster (W3) [Adelung]


Das Stockpanster, des -s, plur. ut nom. sing. in der Hydraulik, ein Pansterzeug, wo das Pansterrad auf einem festen Lager unbeweglich liegen bleibt; zum Unterschiede von einem Ziehpanster. Entweder von Stock, ein Klotz, Balken, das feste Lager eines solchen Rades zu bezeichnen, oder auch von stocken, unbeweglich seyn.


Stockpfeife (W3) [Adelung]


Die Stockpfeife, plur. die -n, eine wenig mehr gebräuchliche Benennung einer Flute douce oder Flute a bec, welche wegen des spitzigen Mundstückes auch die Schnabelpfeife genannt wird. Wegen der Ähnlichkeit mit einem Stocke.


Stockpilz (W3) [Adelung]


Der Stockpilz, des -es, plur. die -e, S. Stockschwamm.


Stockpresse (W3) [Adelung]


Die Stockpresse, plur. die -n, bey den Buchbindern, eine große, gemeiniglich eiserne Presse, die gefalzten Bücher darin zu pressen. Von Stock, ein Block, Klotz.


Stockraum (W3) [Adelung]


Der Stockraum, des -es, plur. die -räume, ein ausgerottetes und zu Acker oder Wiesen gemachtes Stück Waldes, wo die Stöcke, d. i. Wurzelenden der gefälleten Bäume weggeräumet werden; Rodeland, Neubruch, Neuland, das Geräumte.


Stockrinne (W3) [Adelung]


Die Stockrinne, plur. die -n, eine hölzerne, aus einem Stocke oder Stamme gehauene Dachrinne.


Stockrose (W3) [Adelung]


Die Stockrose, plur. die -n, eine Art Pappel mit einem einfachen hohen, starken und rauchen Stocke oder Stängel, und großen, einer Rose ähnlichen, aber geruchlosen Blumen; Alcea rosea Linn. Rosenpappel, gefüllte Pappel.


Stockschere (W3) [Adelung]


Die Stockschere, plur. die -n, bey verschiedenen Handwerkern und Künstlern, eine Schere, welche mit dem einen Arme in einem Stocke oder Klotze oder einem starken Stocke oder Stabe unbeweglich steckt, Bleche u. s. f. damit zu zerschneiden. Solche Stockscheren haben die Schlösser, Gürtler, Kartenmacher u. s. f.


Stockscheit (W3) [Adelung]


Das Stockscheit, des -es, plur. die -e, Scheite, welche aus den Stocken oder Wurzelenden gefälleter Bäume geschlagen worden.


Stockschilling (W3) [Adelung]


Der Stockschilling, des -es, plur. die -e, von Schilling, so fern es eine Anzahl Schläge bedeutet, ( S. dasselbe.) 1. Schläge mit dem Stocke, als eine Strafe, hin und wieder im gemeinen Leben; Stockschläge. Einen Stockschilling bekommen. 2. In einem andern Verstande ist der Stockschilling eine Züchtigung mit Ruthen oder einer Peitsche in dem Stocke oder Gefängnisse.


Stockschlag (W3) [Adelung]


Der Stockschlag, des -es, plur. die -schläge, Schläge mit einem Stocke zur Strafe oder zur Züchtigung. Stockschläge bekommen.


Stockschnupfen (W3) [Adelung]


Der Stockschnupfen, des -s, plur. inus. ein Schnupfen, welcher stocket, nicht zum Flusse kommen will, zum Unterschiede von einem fließenden Schnupfen.


Stockschraube (W3) [Adelung]


Die Stockschraube, plur. die -n, die Schraube an einem Schraubestocke, womit er geöffnet und zugeschraubet wird.


Stockschwamm (W3) [Adelung]


Der Stockschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine Art kleiner eßbarer Erdschwämme, welche auf und an den Stöcken gefälleter Bäume, besonders der Buchen und Eichen wachsen; Stockpilz. Ob der Amanita fasciculosa Dillen. welcher in Baiern auch Stockschwamm heißt, eben derselbe ist, weiß ich nicht.


Stocksteif (W3) [Adelung]


Stocksteif, adj. et adv. im gemeinen Leben, sehr steif, so steif wie ein Stock. Wie du so stocksteif da stehest! S. Stock 3 (4).


Stockstille (W3) [Adelung]


Stockstille, adj. et adv. auch nur im gemeinen Leben, im höchsten Grade stille. Er schwieg stockstill. In stockstiller Nacht. Im Nieders. boomstill, baumstill. In beyden ist die erste Hälfte ein Zeichen der Intension. S. Stock 3 (4).


Stockuhr (W3) [Adelung]


Die Stockuhr, plur. die -en, bey einigen, ein Nahme einer Stutzuhr, S. dieses Wort.


Stockwache (W3) [Adelung]


Die Stockwache, plur. die -n, bey den Kriegesherren und Soldaten, die Wache bey den Gefangenen, von Stock, Gefängniß.


Stockwerk (W3) [Adelung]


Das Stockwerk, des -es, plur. die -e. 1. Im Bergbaue eine große Masse in einem Gebirge eingeschlossenen Erzes, in Gestalt eines großen Klumpens, oder in der Bergsprache, eine große Menge bey einander befindlichen Erzes, welche weder Hangendes noch Liegendes hat; der Stock, das Gestöcke, zum Unterschiede von einem Gange, Flötze, Geschütte, Geschiebe, und Neste oder Niere. Das Nest oder die Niere ist von einem Stockwerke nur in der Größe verschieden. Ein Stockwerk muß, wenn es diesen Nahmen haben soll, wenigstens sieben Lachter mächtig seyn, und keine Streichen in die Länge haben, welches letztere dasselbe zu einem Gange machen würde. Stock bedeutet hier eine Masse, einen Haufen, Klumpen. 2. An den Gebäuden ist der Stock oder das Stockwerk, der Inbegriff der über einander auf Einem Boden befindlichen Zimmer oder Räume. Ein Haus von einem Stockwerke, von zwey, drey Stockwerken. Im ersten Stockwerke wohnen. Franz. Etage, das Schoß, oder Geschoß, im Oberd. der Gadem, in einigen Gegenden auch das Gemach. Stockwerk kann hier, so wie das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Balken, eine Verbindung mehrerer Stöcke, d. i. Säulen und Balken, bezeichnen. ( S. Stock 4.) Figürlich ist bey den Perrückenmachern, das Stockwerk, das bestimmte Maß der Länge zu den Haaren, welches auf dem Maßstabe von 1 bis 20 geht.


Stockzahn (W3) [Adelung]


Der Stockzahn, des -es, plur. die -zähne. 1. Bey einigen ein Nahme aller Backzähne, welche die von den Hundszähnen zerschnittenen Speisen, zermalmen; vielleicht wegen ihrer mehrern Größe, Dicke und Breite; von Stock, Klotz, Masse. 2. Im engern und eigentlichern Verstande wird nur der letzte Backenzahn auf jeder Seite der Stockzahn genannt, vielleicht weil er unter allen Zähnen am langsamsten und spätesten und bey manchen wohl gar nicht zum Vorscheine kommt, von stocken, inne halten, nicht beweget werden. Weil diese Zähne gemeiniglich erst in den Jahren des Verstandes aus ihrer Höhle heraus treten, so werden sie auch Weisheitszähne genannt.


Stockzange (W3) [Adelung]


Die Stockzange, plur. die -n, eine kleine Zange der Schlösser, saubere Stücke damit anzugreifen. Einige haben auch runde Mäuler, saubere Stücke damit rund zu biegen.


Stockziemer (W3) [Adelung]


Der Stockziemer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme der Meeramsel, S. dieses Wort.


Stof (W3) [Adelung]


Der Stof, in einigen Niederdeutschen Gegenden, ein Becher und ein bestimmtes Maß flüssiger Dinge, S. Stübchen.


Stoff (W3) [Adelung]


Der Stoff, des -es, plur. die -e. 1. Ein gewirkter Zeug, welcher vielfärbige Blumen durch das Broschieren erhalten hat; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. Wollener Stoff. Seidener Stoff, welcher nur Stoff schlechthin genannt wird. Reicher Stoff, Goldstoff, Silberstoff, in welchen Gold oder Silberfäden broschieret worden. Englisch Stuff. In dieser Bedeutung ist es aus dem Franz. Etoffe entlehnet, welches aber einen jeden Zeug bedeutet. 2. Eine jede Materie, aus welcher etwas wird, oder werden soll, und in weiterer Bedeutung Ursach, Anlaß, Gelegenheit; alles in der edlern und höhern Schreibart. Stoff zum Lachen haben. Jemanden Stoff zum Weinen geben. Der Stoff zu einer Geschichte, zu einer Komödie. Da dieses Wort hier eigentlich eine unbestimmte Menge oder Masse bedeutet, so ist der Plural auch nicht gebräuchlich obgleich derselbe von einigen verursacht worden. Gedichte, die in Ansehung ihrer Stoffe (besser ihres Stoffes), die nächste Ähnlichkeit haben. Schau, sagte die Natur, die Stoffe geb' ich dir, Wie du sie brauchen kannst, das lerne selbst von mir, Dusch.

Anm. In der zweyten Bedeutung im Franz. gleichfalls Etoffe, ehedem Estoffe, im Engl. Stuff, im Span. Estofa, im Holländ. Stoff. Im Hochdeutschen ist dieses Wort erst in den neuern Zeiten recht eingeführet, und von manchen, als aus dem Französischen entlehnet, verworfen worden. Indessen scheinet es doch ein gutes altes Deutsches Wort zu seyn, indem das Niederdeutsche Stoff, so wohl von einem Zeuge, als von einer jeden Materie allgemein gangbar, und also wohl schwerlich aus dem Französischen entlehnet worden ist. Man muß es daher als einen gleichzeitigen Verwandten von dem mittlern Lat. Estoffa, und dem Franz. Etoffe ansehen, welcher allem Ansehen nach ursprünglich mit Stück gleich bedeutend gewesen, und zu Staub, Stufe im bergmännischen Verstande, Staffieren u. s. f. gehöret. Auch unser Zeug, bedeutet nicht allein einen gewebten Zeug, sondern in manchen Fällen auch eine Materie.


Stoffen (W3) [Adelung]


Stoffen, adj. et adv. aus Stoff in der ersten Bedeutung, verfertiget. Ein stoffenes Kleid.


Stöhnen (W3) [Adelung]


Stöhnen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, anhaltend seufzen, mit Seufzen Athem hohlen, so wohl zum Zeichen großer Mattigkeit, als auch eines heftigen Schmerzens, welches von dem Ächzen wenig verschieden ist. Seufzen und Stöhnen. Bey der Arbeit stöhnen, vor Mattigkeit oder großen Anstrengung. Der Kranke liegt im Bette und stöhnt. Vor großen Schmerzen ächzen und stöhnen. So auch das Stöhnen. Anm. Im Niederdeutschen und andern gemeinen Mundarten stehnen, im Schwedischen mit einem davon gebildeten Intensivo stanka, Isländ. stianka, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Daher ist im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - krank seyn, Böhm. stonati, wo auch Stonani die Krankheit ist. Es ist eine unmittelbare Onomatopöie des stöhnenden Lautes, und mit tönen verwandt. Statt dieses Wortes gebrauchen die Niedersachsen auch kümen, Ottfried kumen, S. Kaum und Kummer, ingleichen klohnen, Schwed. klanka, ( S. Klingen, Klang,) und anken. Wenn stehnen oder stöhnen im Niedersächsischen auch sich stützen, lehnen bedeutet, Holl. steunen, so ist es alsdann ein vermittelst der Endsylbe nen gebildetes Intensivum von stehen oder vielmehr stauen.


Stöhren (W3) [Adelung]


Stöhren, S. Stören.


Stolle (W3) [Adelung]


Die Stolle, plur. die -n, Diminut. das Stöllchen, das folgende Wort im weiblichen Geschlechte, in welchem es in verschiedenen Fällen von einer kurzen dicken Masse, und in weiterer Bedeutung für Masse überhaupt, ein Theil, Stück, gebraucht wird. Daß es in einigen Gegenden eine Wachskerze, vermuthlich eine von dickerer Art bedeutet, erhellet aus dem Frisch, eine Wachsstolle. In Butterstolle ist es in einigen Gegenden für Butterbäume oder Butterbrot üblich, d. i. ein mit Butter bestrichenes Stück Brot. In einem andern Verstande ist es in Obersachsen die Butterstolle eine Art Gebackenes aus Butterteige, welches die Gestalt eines langen und schmalen Brotes hat, und so fern dasselbe gemeiniglich um Weihnachten gebacken wird, die Christstolle heißt. Wird der Teig zu einer solchen Stolle aus drey Theilen wie ein Zopf geflochten, so bekommt sie den Nahmen eines Butterzopfes. Die Nierenstolle, ist bey den Köchen der ausgelassene Nierentalg der Rinder vermuthlich auch wegen der Gestalt, in welche es geschmolzen wird. In manchen Gegenden wird auch das folgende Stollen, als ein weibliches Wort, die Stolle, gebraucht.


Stollen (W3) [Adelung]


Der Stollen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Stöllchen, ein Wort, welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Mit dem Begriffe des Stehens, der Festigkeit, Kürze und Dicke, der Hervorragung u. s. f. (1) Eine Stütze besonders eine kurze dicke aufrecht stehende Stütze, heißt in manchen Fällen ein Stollen, und in einigen Gegenden eine Stolle; in andern Fällen eine Stütze, ein Stuhl, ein Fuß, eine Pfoste, eine Docke u. s. f. Die Bettstollen, die kurzen aufrecht stehenden Säulen an einem Bettgestelle, die Bettpfosten. In einigen Gegenden werden auch die Füße an den Bänken und Stühlen Stollen genannt, Bankstollen, Stuhlstollen. Die Stollen, d. i. kurzen dicken Säulen, an den Geländern, welche sonst auch Docken heißen. Die Stollen, kurzen starken Füße an einem Hafen, ( S. Stollhafen.) Auf Stollen stehen, Stollen an etwas machen. Die Stollen an den Hufeisen der Pferde, die kurzen starken senkrechten Theile hinten an den Eisen, welche die Stelle der Absätze vertreten; und so in andern Fällen mehr. (2) Ein Absatz einer Hervorragung, gemeiniglich auch nur in einigen Fällen, wo es in manchen Gegenden gleichfalls die Stolle lautet. So wird der Absatz an einem Messer bey der Angel die Stolle oder der Stollen genannt. Figürlich ist bey den Meistersängern der Stollen ein Absatz in einem Gesetze, welcher aus einigen Versen bestehet. Ein Bar oder Lied bestehet bey ihnen aus verschiedenen Gesetzen, und ein jedes Gesetz aus zwey Stollen. 2. Mit dem verwandten Begriffe der Tiefe, der Aushöhlung, des hohlen Raumes, ist der Stollen im Bergbaue, ein horizontaler Canal, welcher in das Gebirge getrieben wird, so wohl die Wasser abzuleiten, als Wetter, d. i. frische Luft einzubringen als endlich auch das Innere des Gebirges zu erforschen. Daher der Wasserstollen, Tagestollen, Wetterstollen, Suchstollen, ingleichen Erbstollen, Hauptstollen u. s. f. Den Stollen treiben, ihn graben und verfertigen; ihn aufnehmen, zu treiben übernehmen; ihn fassen, auszimmern; ihn lösen, Schächte oder Lichtlöcher auf denselben niedersenken; ihn zuführen, weiter und höher machen u. s. f. In den gemeinen Sprecharten der Bergleute lautet der Plural auch wohl Stöllen. Das Schwed. Stola, Engl. Stulm und Böhm. Sstula, bedeutet gleichfalls einen solchen Stollen.

Anm. In der ersten Hauptbedeutung einer Stütze u. s. f. lautet es im Schwed. Stol, im Böhm. Sstula. Im Niederdeutschen ist Stal, der Grund eines Deiches oder Dammes, ingleichen der Fuß eines Tisches. Stellen, Gestell, Stuhl, Stelz, Stolz, u. s. f. sind genau damit verwandt. Ohne Zischlaut sind in Hamburg Dullen die Pflöcke in dem Borte des Fahrzeuges, zwischen welchen die Ruder liegen. In der zweyten Hauptbedeutung gehören zu dessen Geschlechte, doch ohne Zischlaut, unser Dille oder Tülle, das Oberd. Dohle, ein Abzug, Canal, und das Meißnische Dölle oder Tölle, eine tiefe Stelle im Acker, worin sich das Wasser sammelt. So sehr die Begriffe der Tiefe und Hervorragung einander entgegen gesetzt zu seyn scheinen, so nahe sind sie doch in dem Ursprunge der Wörter verwandt, und man wird nicht leicht ein Wort in der Sprache finden, in welchem sich nicht beyde vereinigten.


Stollen (W3) [Adelung]


Stollen, verb. reg. act. ein nur noch in einigen Fällen übliches Wort. 1. Die Weißgärber stollen die gar gemachten Felle, wenn sie selbige auf dem Stollpfahle oder Stolleisen ausstrecken, in die Breite dehnen und dadurch ihre Geschmeidigkeit vermehren; welche Arbeit auch ausbrechen und bey den Franzosen ouvrir heißt. Vermuthlich von dem Stollpfahle, welcher wegen seiner kurzen dicken Gestalt anfänglich der Stollen geheißen haben mag; ( S. dieses Wort.) Im Niedersächs. ist stollen, stützen, und Notker gebraucht es für gründen: Du stollotost die erda, du gründetest die Erde. 2. Mit Stollen, kurzen dicken Stücken oder Absätzen versehen. Ein Hufeisen stollen, die Stollen daran schmieden. So auch das Stollen.


Stollenarbeit (W3) [Adelung]


Die Stollenarbeit, plur. die -en, von der Stollen, 2, im Bergbaue diejenige Arbeit, welche in und an einem Stollen geschiehet.


Stollenbefahrung (W3) [Adelung]


Die Stollenbefahrung, plur. die -en, eben daselbst, die feyerliche Befahrung eines Stollen von dem Bergamte, um zu sehen, ob er sich noch in dem gehörigen Stande befinde.


Stollenbeule (W3) [Adelung]


Die Stollenbeule, plur. die -n, eine Beule an dem Gelenke des Vorderfußes, welche sich die Pferde im Liegen mit den Stollen des Hufeisens verursachen; der Stollenschwamm.


Stollenfirste (W3) [Adelung]


Die Stollenfirste, plur. die -n, von der Stollen 2, im Bergbaue die Firste eines Stollens, d. i. dessen obere Fläche, und alles, was über derselben ist; im Gegensatze der Stohlensohle.


Stollengerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Stollengerechtigkeit, plur. die -en, eben daselbst, die Gerechtigkeit, d. i. das Recht, welches ein Stollen und dessen Eigenthümer auf gewisse Befugnisse hat, wohin z. B. der Stollenhieb und die Stollensteuer gehöret. Auch das Stollenrecht.


Stollengerinne (W3) [Adelung]


Das Stollengerinne, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Gerinne an einem Stollen, das Wasser aus demselben abzuführen.


Stollengeschworne (W3) [Adelung]


Der Stollengeschworne, des -n, plur. die -n, eben daselbst, ein geschworner Bergbeamter, welcher einen Stollen in seiner Aufsicht hat;


Stollenhaken (W3) [Adelung]


Der Stollenhaken, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein eiserner Haken an einem langen Stiele, dessen man sich bey dem Abstechen des Stiches, wenn die Gänse gemacht werden, bedienet. Vielleicht von Stollen, dicke kurze Masse.


Stollenhieb (W3) [Adelung]


Der Stollenhieb, des -es, plur. car. von der Stollen 2, im Bergbaue, das Recht, welches ein Stöllner hat, wenn er mit seinem Stollen auf Erz trifft, dasselbe in einer gewissen Weite wegzuhauen und in seinen Nutzen zu verwenden. Den Stollenhieb haben. Da es denn auch wohl das dadurch gewonnene Erz bezeichnet.


Stollenkarren (W3) [Adelung]


Der Stollenkarren, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein schmaler Schubkarren, dessen man sich in den Stollen bedienet, Berge und Erz durch dieselben zu führen.


Stollenkaue (W3) [Adelung]


Die Stollenkaue, plur. die -n, eben daselbst, eine Kaue, d. i. leichte Hütte, über einem Stollenschachte.


Stollenmundloch (W3) [Adelung]


Das Stollenmundloch, des -es, plur. die -löcher, eben daselbst, das Mundloch, das ist, die Öffnung, der Eingang eines Stollens.


Stollenneuntel (W3) [Adelung]


Das Stollenneuntel, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, das Neuntel, oder der neunte Theil, welcher dem Eigenthümer eines Stollens von den benachbarten Zechen für den Nutzen gegeben wird, welchen sie von dem Stollen haben.


Stollenrecht (W3) [Adelung]


Das Stollenrecht, des -es, plur. die -e, S. Stollengerechtigkeit.


Stollenschacht (W3) [Adelung]


Der Stollenschacht, des -es, plur. die -schächte, ein Schacht, welcher auf einen Stollen gehet, Licht oder frische Luft in denselben zu bringen.


Stollenschwamm (W3) [Adelung]


Der Stollenschwamm, des -es, plur. die -schwämme, S. Stollenbeule.


Stollensohle (W3) [Adelung]


Die Stollensohle, plur. die -n, von der Stollen 2, im Bergbaue, die Sohle, d. i. untere Fläche eines Stollens, zum Unterschiede von der Stollenfirste.


Stollensteuer (W3) [Adelung]


Die Stollensteuer, plur. die -n, eben daselbst, eine Steuer, welche dem Eigenthümer eines Stollens von den angränzenden Gewerken für die Vortheile gegeben wird, welche ihnen durch den Stollen zufließen; wohin z. B. das Stollenneuntel gehöret.


Stollenstrecke (W3) [Adelung]


Die Stollenstrecke, plur. die -n, eben daselbst, der Raum, welchen ein Stollen in der Länge einnimmt; ingleichen ein sich in die Länge erstreckender Stollen.


Stollenträger (W3) [Adelung]


Der Stollenträger, des -s, plur. ut nom. sing. von Stolle, eine Art Gebackenes, ein langer enger Korb, worin die aus Teig geformte Stolle zum Aufgehen gelegt wird.


Stollentrieb (W3) [Adelung]


Der Stollentrieb, des -es, plur. car. im Bergbaue, die Handlung, da ein Stollen in die Länge fortgetrieben oder fortgesetzet wird.


Stollenwagen (W3) [Adelung]


Der Stollenwagen, des -s, plur. die -wägen, eben daselbst, ein Karren auf zwey Rädern, worauf das zu einem Stollen nöthige Zimmerholz angefahren wird.


Stollenwasser (W3) [Adelung]


Das Stollenwasser, des -s, plur. doch nur von mehrern Quantitäten, ut nom. sing. eben daselbst das aus einem Stollen abfließende, durch denselben abgeführte Wasser.


Stollhafen (W3) [Adelung]


Der Stollhafen, des -s, plur. die -häfen, ein Hafen, d. i. eine Art Töpfe, welcher mit Stollen oder kurzen Füßen versehen ist.


Stollnagel (W3) [Adelung]


Der Stollnagel, des -s, plur. die -nägel, eine Art Nägel, womit die Sättel beschlagen werden. Etwa, weil ihr Kopf einem Stollen, d. i. einer kurzen dicken Stütze gleicht?


Stöllner (W3) [Adelung]


Der Stöllner, des -s, plur. ut nom. sing. von der Stollen 2, im Bergbaue, derjenige, welcher einen Stollen auf seine Kosten führet und unterhält, der Eigenthümer eines Stollens. Zuweilen werden auch wohl die Arbeiter in einem solchen Stollen Stöllner genannt.


Stollort (W3) [Adelung]


Das Stollort, des -es, plur. die -örter, eben daselbst. 1. Das Ort oder Ende eines Stollens, im Gegensatze des Stollenmundloches. 2. Ein Ort, d. i. Querschlag, oder unterirdischer Gang, welcher durch die Wand einer Grube nach dem Stollen gemacht wird, um mit demselben Gemeinschaft zu bekommen.


Stollpfahl (W3) [Adelung]


Der Stollpfahl, des -es, plur. die -pfähle, bey den Weißgärbern, ein kurzer Pfahl mit einer oben darauf befestigten runden eisernen Platte, die gar gemachten Felle darauf zu stollen. Die Platte wird das Stolleisen genannt.


Stolpern (W3) [Adelung]


Stolpern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, im Gehen anstoßen und dadurch aus dem Gleichgewichte gebracht werden, in der edlern Schreibart straucheln. Im Gehen stolpern. Es stolpert auch wohl ein gutes Pferd. Über einen Stein stolpern. Mit Keichen stolperte der Pferde müder Trab, Zachar. Zugleichen figürlich, einen Fehler begehen. So auch das Stolpern.

Anm. In den niedrigen Sprecharten sagt man für stolpern auch einen Stolprian machen, wo dieses Hauptwort auch figürlich einen Fehler bedeutet. Bey dem Pictorius kommt stulen für stolpern vor, die Niedersachsen gebrauchen dafür strübbeln, strumpeln, Holländ. strompelen, stulkeln, die Engländer stumble, die Schweden stupa, stapla, die Isländer stumra, welche wohl insgesammt, so wie stolpern, Onomatopöien des Anstoßens selbst sind.


Stolz (W3) [Adelung]


Stolz, -er, -este, adj. et adv. ein Wort, welches ursprünglich den Begriff der Höhe, der Größe, oder Hervorragung über andere hat, aber nur in einigen figürlichen Bedeutungen üblich ist. 1. Andere Dinge seiner Art in äußerem Ansehen übertreffend, und in weiterm Verstande in seiner Art vortrefflich, prächtig, schön; eine noch im gemeinen Leben vieler Gegenden übliche Bedeutung. Er war der stolzeste schönste Mann, den man von Leib und Gesund finden konnte, Königshov. bey dem Frisch; wo es von dem persönlichen guten Ansehen mit Inbegriff vorzüglicher Leibesgröße gebraucht wird. Bey den Jägern ist der Hirsch stolz, wenn er völlig verendet hat, weil er alsdann das höchste und beste Ansehen hat. Ein stolzes Haus, ein stolzes Mädchen, stolze Kleider, noch in vielen Gegenden für prächtig. Im Niedersächsischen sagt man, einen stolzen Thaler Geld bey etwas verdienen, für einen schönen. Nieders. stolt, Schwed. stolt. Ihre leitet es in dieser Bedeutung von dem alten Gothischen Stilt, ein Fest her, daß es eigentlich festlich oder feyerlich bedeuten müßte. Allein es scheinet dem Begriffe der Hervorragung, des Übertreffens an verhältnißmäßiger Größe, der Vorzug zu gebühren. Im Wallachischen ist Stolida, Zierde, Putz. 2. * Kühn, dreist, entweder so fern die Kühnheit in Erhebung über andere bestehet, oder auch so fern sie aus dem Bewußtseyn eigener Größe und Vorzüge entspringet; Holländ. stout. Im Hochdeutschen ist auch diese Bedeutung ungangbar; in einigen Gegenden aber sagt man sich verstolzen, für sich erkühnen. 3. In weiterer Bedeutung ist stolz seiner Vorzüge bewußt, und dieses Bewußtseyn durch sein Äußeres verrathend, wo es so wohl in gutem als nachtheiligem Verstande gebraucht wird. (1) Im guten oder wenigstens gleichgültigen Verstande, sich wahrer Vorzüge bewußt, und diesem Bewußtseyn gemäß handelnd. Stolz auf etwas seyn, sich desselben als eines Vorzuges bewußt seyn. Ich bin stolz auf ihn. Glückliche Zeiten, da Tugend und Unschuld meine Gespielinnen waren, da ich noch auf mein Herz stolz seyn konnte! Schön edel, mild, zu stolz, durch Künste zu gefallen, Und doch von Hochmuth fern, gefällt der Jüngling allen, Weiße. (2) Im nachtheiligen Verstande ist man stolz, entweder, wenn die Vorzüge, deren man sich bewußt zu seyn scheinet nicht wirklich vor- handen sind, oder wenn man durch seine Handlungen ein höheres Gefühl seiner Vorzüge verräth, als sie verdienen, ingleichen in dieser Denkungsart gegründet; im Gegensatze des bescheiden. Stolz seyn, werden machen. Ein stolzer Mann. Eine stolze Antwort. Stolze Geberden, stolze Mienen, stolze Augen. Stolz von Geberden, Gell. Reichthum und Schönheit machen stolz. Auf diese Versicherung kann ich eben nicht stolz werden, Gell. Lucie, mein männliches Herz zerbricht deine stolzen Fesseln. Noch werde der Krieger stolzeste sagen, Klopst. Zuweilen in engerer Bedeutung auch für übermüthig. Die stolze Fluth (hat uns) verschwemmet ganz und gar, Opitz; in welcher Bedeutung es in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt.

Anm. Im Nieders. stalt, im Schwed. gleichfalls stolt, im Engl. und Holländ. stout. Es ist wohl mehr als wahrscheinlich, daß der Begriff der entweder wahren oder angenommenen vorzüglichen Größe der Stammbegriff ist, daher dieses Wort als ein Verwandter von Stelze und steil angesehen werden muß. Ein Stolzer sucht oft auch seine körperliche Höhe größer zu machen, als sie ist. Ein stolzer Mensch heißt im Nieders. auch ein Steilohr. Ohne Zischlaut gehöret auch das Latein. tollere hierher. Dieses Wort verändert in der Composition seinen Selbstlaut nicht, daher es irrig ist, wenn es beym Hagedorn heißt: tausend mögen stölzer wählen. Wenn in Preußen die Butter, wenn sie im Winter steif und ungeschmeidig ist, stolz heißt, so scheinet es keine Figur der vorigen Bedeutungen, sondern alsdann ein Verwandter von Stollen zu seyn, so fern es auch den Begriff der Festigkeit hat.


Stolz (W3) [Adelung]


Der Stolz, des -es, plur. car. das Hauptwort des vorigen Beywortes. 1. Das Gefühl seiner Vorzüge und die thätige Erweisung dieses Gefühles durch äußere Handlungen. (1) Im guten oder doch gleichgültigen Verstande, das Gefühl wahrer Vorzüge und dessen Erweisung. Erhöhen eine Nation wahre Vorzüge, welche sie besitzt, durch das Bewußtseyn ihres wahren Werthes, so ist das edler Stolz, Sonnenf. Deine Seele ist werth, einen edlern und gerechtern Stolz zu haben. Es hören meinen Stolz, Belt, Donau, Wolga, Rhone, Und weichen hinter mich, Raml. (2) Im nachtheiligen Verstande, das Gefühl eingebildeter, ingleichen das übertriebene Gefühl wahrer Vorzüge und dessen thätige Erweisung. Vielen Stolz haben. Er kennet sich vor Stolz nicht. Der Stolz ist nicht etwa nur ein Antheil unverständiger Seelen und kleiner Geister; er schleicht sich in die besten und edelsten Gemüther ein, Gell. Der Stolz auf seine Ahnen, der Ahnenstolz; der Stolz auf sein Vermögen, im gemeinen Leben, der Beutelstolz; der Stolz auf schöne Kleider, der Kleiderstolz u. s. f. Der Bauernstolz, wenn sich der Stolz auf eine ungesittete bäuerische Art äußert. 2. Ein Vorzug, in dessen Besitz man sich über andere erhaben fühlt; in der edlern und höhern Schreibart. Ein Mann muß der Stolz seiner Frau, und ihre Ehre die seinige seyn, Weiße. Ich deines Herzens Stolz, eben ders. Die Menschen lieb ich stets, der Menschheit Stolz und Ehre, eben ders. Bey dem Stryker Stolzheit und in einigen Oberdeutsch. Gegenden noch jetzt Stolzheit. Von der letzten Sylbe in Hagestolz, siehe dieses Wort.


Stolzieren (W3) [Adelung]


Stolzieren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur im gemeinen Leben am häufigsten ist seinen Stolz durch ein Gepränge im Äußern verrathen. Mit etwas stol- zieren, damit prangen. Auf etwas stolzieren, darauf stolz seyn, ist nicht so gewöhnlich. Wer gewohnt ist, so wie du, zu denken, Und zur Weisheit seinen Trieb zu lenken, Der stolziert nicht auf zerrißnen (zerrißne) Fahnen Ruhmwerther Ahnen. Zach. So auch das Stolzieren. Es ist vermittelst der ausländischen Endung -iren von stolz gebildet, und gehört um dieser Zusammensetzung willen in die Sprache des gemeinen Lebens. (Siehe -Iren.) Bey dem Dasypodius kommt dafür das reinere aber im Hochdeutschen ganz fremde stölzen vor.


Stöpfel (W3) [Adelung]


Der Stöpfel, S. Stöpsel.


Stopfen (W3) [Adelung]


Stopfen, verb. reg. act. einen weichen Körper fest in eine Öffnung drücken, um diese damit anzufüllen. 1. Eigentlich mit der vierten Endung des weichen Körpers. Werk in ein Loch, in einen Ritz stopfen. Federn in das Kissen stopfen. Den Tobak in die Pfeife stopfen. Den Stöpsel fest in die Bouteille stopfen. Gestopft voll. Ingleichen mit der vierten Endung der Öffnung oder des Körpers, worin sich dieselbe befindet, auf solche Art an- oder ausfüllen. Eine Pfeife Tobak stopfen. In andern Fällen ist dafür zustopfen und verstopfen üblicher. 2. Figürlich. (1) Jemanden den Mund, das Maul stopfen, ihn zum Schweigen bringen, es geschehe auf welche Art es wolle, durch Gründe, durch ein Verboth, durch Drohungen, durch Geschenke, oder auf andere Art. Ich will mir meinen Mund nicht stopfen lassen, Ps. 40, 10. Aller Bosheit wird das Maul gestopfet werden, Ps. 107, 42. Sie plauderte beständig, nichts konnte ihren Mund stopfen. (2) Gänse, Kapaunen stopfen, sie mit Nudeln, welche ihnen in den Mund gestopft werden, fett machen; im Oberdeutschen schopfen, in andern gemeinen Sprecharten freren. (3) Ein Loch in einem Zeuge, Gewirke oder Gestricke stopfen oder zustopfen; das Loch mit kreuzweise über und durch einander geschlungenen Fäden ausfüllen. Einen Strumpf stopfen, die Löcher in demselben auf solche Art ausfüllen. Im Oberdeutschen wibeln, zuwibeln. (4) Etwas, das im Laufe begriffen ist, aufhalten, hemmen; eine im weitesten Verstande im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Dieser Ruhm soll mir nicht gestopfet werden, 2 Cor. 11, 10. In der Parforce-Jagd werden die Hunde gestopft, wenn man sie in ihrem Laufe mit Gewalt auf- und zurück hält. Im Niedersächsischen ist es in dieser Bedeutung noch am gangbarsten, wo man eine Winde, ein Tau stopft, wenn man sie im Ablaufen aufhält. Engl. to stop. Im Hochdeutsch. gebraucht man es nur in einigen Fällen. Eine Speise stopft, wenn sie die Öffnung des Leibes hindert. Einen Durchfall stopfen, hemmen. Der Tobak stopft mich, hemmet den Fluß der Feuchtigkeiten durch die Nase. ( S. Verstopft in Verstopfen.) So auch das Stopfen.

Anm. Im Nieders. stoppen, im Angels. stoppan, im Schwed. stoppa, im mittlern Lat. stupare, stopare, im Ital. stoppare, im Franz. estouper, im Engl. stuff, stop, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, so wie auch das Lat. stipare und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, verdicken, damit verwandt sind. Es vereinigen sich in diesem Worte die Begriffe der Spitze, des Drückens, der Dichte und der Unbeweglichkeit, so daß es als ein Verwandter von Zapfen, Stab, stapfen, Döbel, tupfen, dem Ital. Toppa, ein Schloß, ingleichen ein Lappen, zum Stopfen, und andern mehr angesehen werden muß. Der Form nach ist es ein Intensivum von einem veralteten stoben, stopen, welches zu unserm stauen und dem schon gedachten Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gehöret hat. Übrigens ist für stopfen im Oberdeutschen schopfen, und im Hochdeutschen auch pfropfen üblich. Im weitesten Verstande wurde es ehedem auch für packen gebraucht, wie noch aus dem folgenden Stopfer erhellet.


Stopfer (W3) [Adelung]


Der Stopfer, des -s, plur. ut nom. sing. von dem vorigen Zeitworte. 1. Eine männliche Person, welche stopft. So werden im Salzwerke zu Halle diejenigen Arbeiter, welche das Salz auf die Wagen laden, Stopfer genannt, ohne Zweifel von stopfen, so fern es ehedem auch für packen üblich war. 2. Ein Werkzeug zum Stopfen. Ein Pfeifenstopfer, den ausgebrannten Tobak in der Pfeife damit nachzustopfen. In der Seefahrt sind die Stopfer, Nieders. Stopers, kurze Enden Taue, andere zerissene Taue damit zu ergänzen. In andern Fällen, wenn es ein Werkzeug zum Zustopfen bedeutet, ist dafür Stöpsel üblicher.


Stopffarbe (W3) [Adelung]


Die Stopffarbe, plur. die -n, bey den Mahlern, eine Farbe aus Terpentin, Umbra und Firniß, die schadhaften Stellen in einem Gemählde damit auszubessern.


Stopfgarn (W3) [Adelung]


Das Stopfgarn, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, Garn, die Löcher in den Kleidungsstücken und Zeugen damit zu stopfen.


Stopfhader (W3) [Adelung]


Der Stopfhader, plur. die -n, im Bergbaue, Hadern oder Lappen, die Wechsel an den Sätzen der Künste damit zu verstopfen.


Stopfholz (W3) [Adelung]


Das Stopfholz, des -es, plur. die -hölzer, im Hüttenbaue, ein rundes mit einem Lehm bestrichenes Holz, die Öffnung des Stiches damit zuzustopfen.


Stopfmeißel (W3) [Adelung]


Der Stopfmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Meißel, einen weichen Körper damit in eine Öffnung zu stopfen, dergleichen man z. B. im Bergbaue hat.


Stopfnadel (W3) [Adelung]


Die Stopfnadel, plur. die -n, eine starke große Nähnadel, zerrissene Kleidungsstücke damit zu stopfen.


Stopfstück (W3) [Adelung]


Das Stopfstück, des -es, plur. die -e, auf den Schiffen, Stücke Holz, welche mit Pech beschmieret und mit Werrig umwunden werden, die in den Schiffen gemachten Löcher damit zuzustopfen.


Stopfwachs (W3) [Adelung]


Das Stopfwachs, des -es, plur. car. in der Bienenzucht, ein grober Leim, womit die Bienen die Ritzen eines Stockes, und gegen den Winter die Fluglöcher zustopfen und verwahren; der Vorstoß, Pichwachs, Beutenleim, Vorwachs.


Stopine (W3) [Adelung]


Die Stopine, S. Stoppine.


Stoppelbutter (W3) [Adelung]


Die Stoppelbutter, plur. car. in der Hauswirthschaft, Butter, welche von solchen Kühen kommt, welche nach der Ernte in die Stoppeln zur Weide getrieben werden.


Stoppeler (W3) [Adelung]


Der Stoppeler, S. Stoppler.


Stoppelfieber (W3) [Adelung]


Das Stoppelfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. S. Marschkrankheit.


Stoppelgans (W3) [Adelung]


Die Stoppelgans, plur. die -gänse, in der Hauswirthschaft, Gänse, welche nach der Ernte in den Stoppeln geweidet werden.


Stoppelgras (W3) [Adelung]


Das Stoppelgras, des -es, plur. inus. eben daselbst, dasjenige Gras, welches nach abgehauenem Getreide in den Stoppeln wächset.


Stoppelkorn (W3) [Adelung]


Das Stoppelkorn, des -es, plur. car. Korn oder Rocken, welcher in solche Sommerfelder gesäet wird, welche das vorige Jahr nicht Weitzen, sondern nur Korn getragen haben; der Stoppelrocken.


Stoppeln (W3) [Adelung]


Stoppeln, verb. reg. act. 1. Die in den Stoppeln liegen gebliebenen Ähren zusammen lesen. Ähren stoppeln. Jemanden nachstoppeln. Auch in weiterm Verstande von der einzelnen Aufsammelung anderer zurück gebliebener Früchte. So gebraucht man es auch von dem Nachsammeln der sitzen gebliebenen Weintrauben in den Weinbergen. Ingleichen figürlich und im verächtlichen Verstande, mühsam aber ohne Wahl zusammen lesen oder suchen; compiliren. ( S. Stoppler.) Ein Buch aus hundert andern Büchern zusammen stoppeln. 2. In einem andern Verstande ist in der Landwirthschaft stoppeln, das noch mit Stoppeln bedeckte Feld zum ersten Mahle pflügen, welches Pflügen auch stürzen genannt wird, weil dadurch die Stoppeln umgestürzet werden. So auch das Stoppeln.


Stoppelrocken (W3) [Adelung]


Der Stoppelrocken, des -s, plur. car. S. Stoppelkorn.


Stoppelrübe (W3) [Adelung]


Die Stoppelrübe, plur. die -n, in der Landwirthschaft, Rüben, welche nach der Ernte in das mit Stoppeln bedeckte Feld, nach geschehener Zubereitung gesäet werden. Da man nur die langen Rüben auf diese Art zu bauen pflegt, so führen in einigen Gegenden auch nur diese den Nahmen der Feld- oder Stoppelrüben, um sie von den Steckrüben zu unterscheiden. In einigen Gegenden heißen sie Halmrüben.


Stoppelvogt (W3) [Adelung]


Der Stoppelvogt, des -es, plur. die -vögte, auf großen Gütern in einigen Gegenden, ein Vogt oder Aufseher über die Erntearbeiter im Felde.


Stoppine (W3) [Adelung]


Die Stoppine, plur. die -n, Diminut. das Stoppinchen, in der Feuerwerkerey und Geschützkunst, eigentlich eine zubereitete Lunte, allerley Feuerwerke damit anzuzünden; Zündstrick. In weiterer Bedeutung werden auch die anstatt solcher Lunten eingeführten kleinen blechernen und mit einem schnell brennenden Satze angefüllten Röhren, Kanonen und andere Feuerwerke statt des Zündpulvers damit abzufeuern, Stoppinnen genannt. Der Nahme ist aus dem Ital. Stoppina, Stopina, und dieß von Stoppa, Stopa, Lat. Stupa, Werrig, der eigentlichen Materie, woraus solche Lunten bereitet werden.


Stoppler (W3) [Adelung]


Der Stoppler, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher stoppelt; besonders im verächtlichen Verstande, ein Schriftsteller, welcher seine Gedanken aus andern ohne Wahl und Beurtheilungskraft zusammen trägt.


Stöpsel (W3) [Adelung]


Der Stöpsel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Stöpselchen, ein Körper, eine Öffnung damit zuzustopfen, da es denn besonders von solchen Körpern gebraucht wird, womit man die Öffnung der Flaschen und ähnlicher Gefäße zu verstopfen pflegt; der Pfropfen. Ein Korkstöpsel. Ein Stöpsel von Papier, von Holz, von Glas, ein Glasstöpsel. Wegen der kurzen dicken Gestalt solcher Stöpsel, pflegt man einen kurzen dicken Menschen im gemeinen Scherze auch wohl einen Stöpsel zu nennen. In einigen Gegenden führet diesen Nahmen auch der Pfropfen in einem Feuergewehre, so wie in andern auch der Stämpel oder Stößel in den Handspritzen.

Anm. Im Oberd. Stopf, Stöpfel, Stüpfel, welche auch von einem jeden Pfropfen und Spunde gebraucht werden, im Engl. Stopple, im Pohln. Stypsel, im Ital. Stoppone, Stoppag- lio, Stöpsel ist aus dem Niederd. Stoppen für stopfen und der Ableitungssylbe -sel zusammen gesetzt. Unmittelbar von stopfen und zugleich edler ist das Oberd. Stöpfel, ob es gleich im Hochdeutschen nicht so gangbar ist.


Stör (W3) [Adelung]


Der Stör, des -es, plur. die -e, eine Art großer Fische, welche an jeder Seite ein Luftloch hat, im Meere und in großen Strömen lebt, und oft 20 und mehr Fuß lang wird; Acipenser Sturio Linn.

Anm. Im Nieders. gleichfalls Stör, im Angels. Styria, Styriga, im Holländ. Steur, im Schwed. Stör, ehedem Styria, im Engl. Stourgeon, im Franz. Estourgeon, im Span. Esturion, im Ital. Storione, Sturione, im Böhm. Sstjir, im Pohln. Styr. Klein leitet den Nahmen von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - her, weil sein spitziges Maul einem Schiffsschnabel gleicht. Frisch von stören, weil er im Schlamme wühlet u. s. f. Allein am wahrscheinlichsten hat er seinen Nahmen von seiner Größe und Stärke, weil er einer der größten Fische ist, welche in die Ströme zu kommen pflegen, von dem alten stor, Nieders. stur, groß, stark. ( S. Stier und Stark.) Die Russen nennen diesen Fisch Oseter, und die Böhmen Geseter. Der Hausen und der kleinere Sterlet sind Arten des Störes.


Storax (W3) [Adelung]


Der Storax, des -es, plur. car. der fette zähe braunröthliche Balsam des Storaxbaumes, welcher in den Morgenländern einheimisch ist, und auch in dem südlichen Europa wächset; Styrax officinalis Linn. Der Balsam, welcher zu uns nur verhärtet in Gestalt eines festen Harzes gebracht wird, hat einen starken und schweren Geruch. Der flüssige Storax, welchen man gleichfalls in unsern Apotheken hat, ist der Balsam eines ganz andern Baumes. Der Nahme, welcher eigentlich Styrax lauten sollte, ist so fremd als das Product selbst.


Storch (W3) [Adelung]


Der Storch, des -es, plur. die Störche, ein hochbeiniger Sumpfvogel mit einem langen, geraden, etwas zugespitzten Schnabel, welcher Schlangen, Frösche u. s. f. frißt, sich im August aus unsern Gegenden verliert, und im Frühlinge wieder kommt; Ardea Ciconia Linn. Der weiße mit schwarzen Schwungfedern nistet auf Häusern, Thürmen und abgekappten Bäumen, und wird, weil er in seinem Neste oft mit dem Schnabel klappert, im gemeinen Leben auch der Klapperstorch, in der March der Kleppner, Knappner genannt. Mit frohem Geklapper Hebt sich der Storch von dornichten Nest, Zach. Mit den Störchen im Prozesse liegen, im gemeinen Leben, dünne Beine ohne Waden haben, wie die Störche. Der Storch, Kranich und Reiher sind sehr nahe verwandt und Vögel eines Geschlechtes.

Anm. Im Nieders. Dän. Schwed. und Engl. Stork, im Angels. Storc. Viele leiten den Nahmen von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, kindliche Liebe her, weil man schon vor alten Zeiten viele Mährchen von der Liebe der jungen Störche gegen die alten erzählet hat; eine Ableitung, deren bloße Anführung zu ihrer Widerlegung genug ist. Wahrscheinlicher hat er den Nahmen von seiner Größe oder vielmehr Höhe, von dem alten stor, groß, noch jetzt im Nieders. stur, oder auch von stören, ehedem storen, im Oberdeutschen noch storgen, so fern es ursprünglich eine Onomatopöie des Geräusches war, wegen des klappernden Geräusches, welches er mit seinem Schnabel macht. In Niederdeutschland ist dieser Vogel unter dem Nahmen Adebar, im Bremischen Eber, im Braunschweig. Heilebart, in der Prignitz Alebar, in andern Gegenden Aatjebar, im Holländ. Oyevaer, bekannt, welche Nahmen dem Wachter zufolge einen Zugvogel bedeuten sollen, von einem celtischen Ad, Ed, Vogel, ( S. Eidervogel) und fahren, reisen. In einigen Gegenden wird er auch Reinike genannt, vielleicht mit Reiher aus einer Quelle, wegen seines langen Schnabels und seiner hohen Beine, und in andern Hainotter. Im Arabischen heißt er Al-Koko, und in Ägypten wird eine daselbst einheimische Art Störche - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - genannt, welcher Nahme, der mit dem Latein. Ciconia verwandt ist, entweder auch eine Onomatopöie seines Geklappers ist, oder von köken, speyen, im Malabar. kakkum, herkommt, weil dieser gefräßige Vogel das zum Überflusse gefressene wieder von sich gibt, daher auch der Reiher im Malabarischen kokku heißt.


Storchblume (W3) [Adelung]


Die Storchblume, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Korn- oder Klapperrosen, weil sie blühen, wenn die Störche sich einzustellen pflegen. S. Anemone.


Storchstein (W3) [Adelung]


Der Storchstein, des -es, plur. die -e, ein Nahme, welchen im gemeinen Leben einiger Gegenden die Belemniten oder Luchssteine führen, weil die Störche sie zuweilen in ihre Nester tragen sollen.


Stören (W3) [Adelung]


Stören, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, wo es 1. Eigentlich eine Onomatopöie ist, eine gewisse dem Laute dieses Zeitwortes angemessene Art des Geräusches zu bezeichnen. In dieser Bedeutung ist es zwar längst veraltet, allein es finden sich doch noch häufige Spuren davon. Bey dem Ulphilas ist staurran, murren, brummen, welches ein Intensivum davon ist. Frisch führet verschiedene Stellen aus ältern Schriften an, woraus erhellet, daß Storing, Storling, Storin, Lärmen, heftiges Geräusch bedeutet habe. Dahin gehöret auch unser Sturm, und ohne Zischlaut turnieren, Lärmen machen, das alte Thor, der Donner und andere mehr. 2. In weiterer Bedeutung wurde es nachmahls gebraucht, verschiedene Handlungen zu bezeichnen welche mit diesem oder doch einem ähnlichen Laute verbunden sind. Daher das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, zu Boden werfen, welches noch in unserm zerstören, und in den Intensivis sternere und stürzen zum Grunde liegt. Ehedem wurde storen auch für treiben gebraucht; die Winde storen die Wolken zusammen, bey dem Frisch. Daß es vor Zeiten auch für gehen, wandern gebraucht worden, erhellet auch aus dem noch Oberdeutschen Intensivo sterzen, störzen, im Lande herum wandern, daher ein Landstreicher da selbst ein Landstörzer heißt, ( S. Sterze und Sterzen.) 3. Jetzt gebrauchen wir es in dieser Form nur noch in der Bedeutung, auf ungebührliche oder unordentliche Art in etwas herum fahren. Alles herum stören, unordentlich herum werfen, um etwas darin zu suchen. Unter den Büchern herum stören. In alten Schriften stören, verächtlich für suchen. In ein Wespennest stören. Genug, wer Wespen stört, kriegt Beulen ins Gesicht, Can. wo es auf eine ungewöhnliche Art active gebraucht wird. In der Nase, in den Zähnen stören. Intensiva und Frequentativa davon sind in dieser Bedeutung die in den gemeinen Sprecharten üblichen stielen, störlen, sturlen, storgen, u. s. f. So auch Aufstören, Ausstören u. s. f. 4. Hierher gehöret auch die bey den Handwerkern übliche Bedeutung, wo stören so viel ist, als in dasselbe pfuschen, ein Pfuscher seyn, nicht in der folgenden Bedeutung, als wenn es eigentlich hieße, die guten Ordnungen des Handwerkes, dessen Vorrechte stören, sondern ohne Zweifel von stören, so fern es ehedem auch herum gehen, wandern bedeutete, und das Stammwort von dem schon gedachten sterzen ist. Daß diese Ableitung die wahrscheinlichste ist, erhellet aus dem bey dem Pictorius befindlichen Hauptworte Stör, welches er durch die Arbeit eines Handwerkers außer dem Hause erkläret; auf die Stör gehen, außer dem Hause arbeiten, eigentlich, auf die Wanderschaft gehen. Weil die Pfuscher gemeiniglich im Lande herum wandern, oder doch außer ihrem Hause arbeiten, so hat daher das Zeitwort stören die Bedeutung des Pfuschens bekommen. Daher der Störer, im Oberd. Störger, ein Pfuscher, in der Schweiz Schübler; die Störerey, in den gemeinen Sprecharten die Pfuscherey. II. Als ein Activum. 1. Die Fortdauer einer Sache auf eine unerlaubte, oder doch unangenehme Art unterbrechen; eine Figur der vorigen Bedeutung. Den Frieden, die öffentliche Ruhe stören. Das gute Vernehmen einer Familie stören. Stören sie meine Freude nicht. Kein Hauch störte die Heiterkeit der Luft. Ich sann dem Zweifel nach, der meine Ruhe stört, Gell. Jemanden stören, ihn auf eine unangenehme Art in einer Handlung unterbrechen. Lassen sie sich nicht stören. Hier stört mich alles. Das Geräusch störte mich im Nachdenken. Jemanden in der Arbeit, in der Ruhe, in dem Schlafe, im Studieren, in der Andacht stören. 2. * Vernichten, den Zusammenhang aller Theile eines Dinges gewaltsam unterbrechen, in welcher Bedeutung es veraltet ist, seitdem das zusammen gesetzte zerstören dafür üblicher geworden. Indessen gebraucht Notker noch storen für zerstören. Daher das Stören, und in der thätigen Bedeutung auch wohl die Störung.

Anm. Bey dem Notker sturan und storen, im Angels. styran, für rühren, bewegen, im Engl. stirr, im Isländ. sturia, im Schw. förstöra, im Lat. ohne Zischlaut, turbare, alle in der ersten thätigen Bedeutung. Im Engl. ist stir anreitzen, anstören.


Störer (W3) [Adelung]


Der Störer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Störerinn. 1. Ein Pfuscher, ( S. das vorige.) 2. Eine Person, welche die Fortdauer einer Sache auf eine unerlaubte oder doch unangenehme Art unterbricht. Der Friedensstörer, im gemeinen Leben Störefried: Das Laster ist - - der Störer der Absichten Gottes, Gell.


Storger (W3) [Adelung]


Der Storger, des -s, plur. ut nom. sing. nur in den gemeinen Sprecharten Oberdeutschlandes, ein Pfuscher, und in engerm Verstande, ein Marktschreyer, Quacksalber. Man waget den Versuch und baut im nächsten Ort Zwo große Storgerbühnen auf. Apollo hat als Arzt viel herrliches zu Kauf, Haged. Von stören, im Lande herum wandern, von welchem es das Intensivum ist, storgen, für storchen. S. Stören. I.


Störrig (W3) [Adelung]


Störrig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Unbiegsam, doch nur im figürlichen und moralischen Verstande, für hartnäckig, halsstarrig, in einigen Gegenden starrnackig. Ein störriger Mensch. Störrig seyn. 2. Widerspenstig, Fertigkeit besitzend, der rechtmäßigen Gewalt anhaltend zu widerstehen und darin gegründet. Von einem demüthigen Retter läßt sich auch das störrige Laster am liebsten retten, Gell. Aber mit dem Supino, sie waren störrig hinauf zu ziehen, 4 Mos. 4, 44, ist wider den Deutschen Sprachgebrauch. 3. Fertigkeit besitzend, andern durch lieblose Worte und Geberden ohne Noth Beschwerde zu verursachen, und darin gegründet. Ein störriger Mann. Eine störrige Antwort. Störrig seyn. Störrige Menschen, Röm. 1, 31; 2 Timoth. 3, 3. wo im Griech. das Wort - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, lieblos, stehet. Anm. Im Nieders. sturrig, sturrsk, im Schwed. stuursk, im Engl. sturdy, im Holländ. stuursch. Es ist von dem im Hochdeutschen veralteten oder noch in einigen Gegenden üblichen Sturr, das Stammende eines gefälleten Baumes, der Stock, von welchem Worte stockig stöckisch, verstockt, in ähnlichen Bedeutungen üblich sind. Für störrig in der letzten Bedeutung gebrauchen die Niedersachsen auch nur stur, welches mit dem Latein. austerus überein kommt, wo die erste Sylbe ein bloßer müßiger Vocallaut zu seyn scheinet, der im Lateinischen und Griechischen auch in vielen andern Wörtern nicht selten ist. S. auch Starr, welches gleichfalls sehr nahe damit verwandt ist.


Störrigkeit (W3) [Adelung]


Die Störrigkeit, plur. car. das Abstractum des vorigen Wortes in dessen sämmtlichen Bedeutungen, Bittere, friedenlose, unmuthige Störrigkeit, die überall lästig ist, Hermes; in der letzten Bedeutung des vorigen Wortes.


Störrogen (W3) [Adelung]


Der Störrogen, des -s, plur. car. der eingesalzene Rogen des Störes; im Ital. Caviaro, Caviar, Russisch Ikari.


Störstange (W3) [Adelung]


Die Störstange, plur. die -n, bey den Fischern, eine vorn mit Filz oder Stücken Leder versehene Stange, die Fische damit aus ihren Löchern zu stören, und in das Netz zu jagen; die Fischtrampe.


Storz (W3) [Adelung]


Der Storz, S. Sturz.


Störzen (W3) [Adelung]


Störzen, S. Sterzen.


Stoß (W3) [Adelung]


Der Stoß, des -es, plur. die Stöße, Diminut. welches doch nur in einigen Bedeutungen üblich ist, das Stößchen, Oberd. Stößlein, von dem Zeitworte stoßen. 1. Eigentlich die Handlung des Stoßens, eine schnelle und heftige Bewegung eines Körpers auf einen andern. Jemanden einen Stoß mit dem Fuße, mit dem Ellbogen geben. Der geringste Stoß wird es fallen machen. Der Stoß des Windes, der Windstoß. Stöße bekommen, im gemeinen Leben auch für Schläge. Ehedem wurde Stöße, auch für Krieg, Streit, gebraucht. Oft ist Stoß so viel als ein Stich mit einem Seitengewehre. Sich auf den Stoß schlagen. Auf den Hieb und auf den Stoß. Jemanden einen Stoß beibringen. Einen Stoß ausparieren. Der Stoß ging durch das Herz. An einigen Orten wird auch der Eisgang, d. i. wenn das Eis auf den Flüssen aufgehet, und mit Heftigkeit an die Gegenstände stößt, der Stoß genannt. Der Stoß geht, der Stoß geht auf, der Eisstoß. Bey den Jägern ist der Stoß, ein kurzer Absatz mit dem Hifthorne. Figürliche Arten des Ausdruckes sind. Seinem Herzen einen Stoß geben, etwas wider seine Neigung thun, sich Zwang, Gewalt anthun. Das wird seiner Gesundheit, seiner Ehre, seinem guten Nahmen, seinem Wohlstande einen Stoße geben, einen merklichen Nachtheil bringen. 2. Figürlich, dasjenige, woran stößt, oder woran etwas stößt, wo es doch nur in einigen Fällen als ein Kunstwort üblich ist. (1) In mehr eigentlichem Verstande. Der hintere Theil der Nabe, wo sie an die Achse stößet, heißt der Stoß. In einem andern Verstande sind die Stöße eiserne Nägel am Wagen mit breiten langen Haken, welche auf jeder Seite des Ringstockes eingeschlagen werden, da wo der Stoßring des Rades an den Tragering stößt. Bey den Zimmerleuten ist es der Ort, wo eine Schwelle an die andere gesetzt wird. In der Jägerey ist der Stoß oder das Stoßnetz, ein Netz, in dessen Mitte eine lebendige Taube angepflöcket ist, Stoßvögel, wenn sie auf die Taube stoßen, damit zu fangen; bey den Falkenierern wird es die Rinne oder das Rinngarn genannt. In einigen Oberdeutschen Gegenden wird Stoß auch von der Gränze gebraucht. Der Boden eines Mörsers heißt gleichfalls der Stoß, entweder so fern er dem Stoße des Pulvers am meisten ausgesetzt ist, oder auch in der folgenden vierten Bedeutung des Endes eines Raumes. ( S. auch Anstoß.) Nach noch weitern Figuren, ist der Stoß zuweilen, (2) ein hervor ragendes Ding. So wird der Hintere an dem Federviehe und Geflügel im Oberdeutschen der Stoß genannt, wofür im Hochdeutschen der Steiß und im Niederdeutschen Stüt üblich ist. Der Kälberstoß, ist in Oberdeutschland eine Kalbskeule, der Stoß von einem Schöps, der Schöpsenstoß, eine Schöpskeule. (3) Ein senkrechter Haufe mehrerer Dinge. Ze Stozz und ze Hauff, bey dem Hornegk. Ein Stoß Holz, ein Haufe senkrecht auf einander geschlichteten Holzes. So auch ein Stoß Papier, ein Stoß Bücher. Ein Stößlein Thaler, ein Haufe auf einander gesetzter Thaler. Daher denn im Oberdeutschen auch stotzig, stotzachtig für jähe, steil, gebraucht wird. Ohne Zischlaut ist im Schwed. Dös, gleichfalls ein Haufe, im Wallisischen Das, im Isländ. Dys, im Franz. Tas, wohin auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, setzen, ordnen, gehöret. (4) In ähnlichem Verstande wird es in der Schweiz auch von einer Menge, von einer bestimmten Zahl gebraucht. Ein Stoß Vieh, ist im Canton Glarus, so viel Vieh, als der Werth von 30 Gulden beträgt; daher werden daselbst 2 Rinder (nicht 200, wie es im Frisch heißt,) auf Einen Stoß gerechnet, dagegen 7 Schafe gleichfalls für Einen, eine Kuh auch für Einen Stoß, ein gestanden Pferd aber für vier Stöße gerechnet wird. Ein Alp kann oft 800 Stöße Vieh sommern, den Sommer über ernähren, Tschudi. Vielleicht bedeutet Stoß hier eigentlich den Stoß oder Haufen Gulden von 30 Stück, nach welchem hier der Werth des Viehes bestimmt wird. (5) Das Ende eines Raumes, gleichfalls nur in einigen Fällen. So wird im Bergbaue das Ende eines Stollens oder einer Grube der Stoß genannt, welchen Nahmen daselbst auch der Ort bekommt, wo sich die Straßen enden oder wenden. Eben daselbst heißen auch die beyden kürzern Seiten eines Schachtes, die Stöße. Ein Streifen Zeuges, womit der Saum der Weiberröcke auf der unrechten Seite besetzet und verstärket wird, heißt gleichfalls der Stoß, entweder auch in dieser Bedeutung des Endes, oder auch, weil er hindert, daß sich der Saum nicht so bald abstoße. In den Monseeischen Glossen ist Stozza, der Grund.

Anm. Im Nieders. Stoot, im Engl. ohne Zischlaut zu Anfange Toss. S. Stoßen.


Stoßaar (W3) [Adelung]


Der Stoßaar, des -en, plur. die -en, Siehe Stößer und Stoßvogel.


Stoßaxt (W3) [Adelung]


Die Stoßaxt, plur. die -äxte, bey den Zimmerleuten, eine Axt ohne Helm zu Stoßen, d. i. ein langes paralleles Eisen mit einer Schneide, die Winkel der Zapfen mit einem Stoße gleich zu machen.


Stoßbank (W3) [Adelung]


Die Stoßbank, plur. die -bänke, bey den Böttchern, ein stehender Hebel in Gestalt einer Bank, die Dauben darauf zu bestoßen, damit sie gehörig an einander gefüget werden können; die Fügebank.


Stoßbühne (W3) [Adelung]


Die Stoßbühne, plur. die -n, im Bergbaue, eine kleine Bühne in dem Stoße, d. i. der schmalen Seite des Schachtes, darauf auszuruhen; bey den Bergleuten im Diminut. das Stoßbuhnel.


Stoßdegen (W3) [Adelung]


Der Stoßdegen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Degen mit schmaler spitziger Klinge, damit auf den Stoß zu fechten, zum Unterschiede von einem Haudegen; Nieders. Spettdegen.


Stoßeisen (W3) [Adelung]


Das Stoßeisen, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Ein Eisen damit zu stoßen, oder etwas damit zu zerstoßen. So wird im Bergbaue dasjenige Eisen an einem langen hölzernen Stiele, womit die Ofenbrüche ausgestoßen werden, das Stoßeisen genannt. auch ein scharfes Eisen an einem Stiele, Gewächse, Früchte u. s. f. in einem Troge damit stoßend zu zerschneiden. 2. Ein Eisen, woran etwas stößet. So führet ein gewisses Eisen an der Achse eines Wagens, woran die Nabe des Rades stößt, den Nahmen des Stoßeisens. An den Gewehrläufen ist es ein starkes Blech auf dem Grunde des Ladstockloches, damit dieser das Loch tiefer ausstoße.


Stößel (W3) [Adelung]


Der Stößel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug zum Stoßen, wo es in vielen Fällen für Stößer üblich ist. Der Stößel in einem Mörser, die Keule. Auch ein Stämpel der Feuerwerker, das Pulver in den Racketen damit fest zu stoßen. Zuweilen scheinet es auch ein Ding zu bedeuten, welches gestoßen wird. So wird der Vorstecker, oder Nagel an dem Pflugbalken, vermittelst dessen der Pflug seicht oder tief gestellet wird, auch der Stößel genannt. An den Kutschgeschirren befinden sich Stößel mit Schnallen. Die Endsylbe ist die Ableitungssylbe, ein Werkzeug zu bezeichnen.


Stoßen (W3) [Adelung]


Stoßen, verb. reg. ich stoße, du stößest, er stößet oder stößt; Conj. ich stoße; Imperf. ich stieß; Mittelw. gestoßen; Imperat. stoße oder stoß. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Activum, aus einer geringen Entfernung schnell und heftig nach einem Körper zu bewegen, um denselben aus seinem Orte zu bringen. 1. Eigentlich. Jemanden mit dem Fuße, mit dem Ellbogen in die Seite stoßen. Der Ochse stößet mit den Hörnern. Zu Boden stoßen. Über den Haufen stoßen. Sich an etwas stoßen. Mit dem Fuße an einen Stein stoßen. Sich eine Beule, ein Loch stoßen. Jemanden von etwas weg stoßen. ihn in den Koth, aus dem Hause stoßen. Einem das Messer in den Leib, den Degen in die Brust stoßen. Da es denn auch von verschiedenen Handlungen gebraucht wird, welche mit einem Stoße verbunden sind. Mit dem Degen nach jemanden stoßen. Jemanden über den Haufen stoßen, mit einem spitzigen Werkzeuge so stechen, daß er zu Boden fällt. Einen Pfahl in die Erde stoßen, mit einem Stoße in die Erde stecken. Die Tischler stoßen einen Leisten, wenn sie ihn mit dem Hobel verfertigen. ( S. Abstoßen, Bestoßen u. s. f.) Besonders mit Stößen zermalmen. Gewürz in einem Mörser stoßen. Etwas zu Pulver stoßen, klein stoßen. Pfeffer stoßen. Daher die figürlichen Redensarten. Jemandes Anerbiethungen von sich stoßen, sie aus der Verachtung nicht annehmen wollen. Sie stoßen alle Philosophie über den Haufen, Gell. vernichten sie, heben sie, ihre Erweislichkeit und ihren Nutzen auf. Einen König von dem Throne stoßen, ihn der Herrschaft gewaltthätig berauben. So auch, jemanden von seinem Amte, aus dem Rathe, aus einer Gesellschaft stoßen. In das Gefängniß stoßen, werfen. Jemanden vor den Kopf stoßen, dessen Mißvergnügen durch eine unerwartete Beleidigung erwecken. 2. Figürlich. 1. Sich an etwas stoßen, ein Bedenken dabey haben, ( S. Anstoß.) Woran stößt sich denn dein Herz noch? Gell. In einem andern Verstande ist, sich an etwas stoßen, sich ein wenig daran ärgern. So wird er seyn ein Stein des Anstoßens und ein Fels der Ärgerniß - - daß ihrer viel sich daran stoßen werden, Es. 8, 15. Aber die Sache stößt sich noch daran, ist so viel, sie wird noch dadurch gehindert, aufgehalten. Es stößt sich noch an eine Kleinigkeit. (2) Zuweilen verlieret sich der Begriff der Heftigkeit, und da ist zusammen stoßen in manchen Fällen so viel, als zwey Stücke mit den Enden einander nähern, ingleichen auf solche Art verbinden, in welcher Bedeutung es bey den Schneidern, Tischlern, u. s. f. vorkommt. Im Oberdeutschen ist Geld zusammen stoßen, so viel, wie es zusammen schießen oder legen. II. Als ein Neutrum. 1. In mehr thätigem Verstande, mit dem Hülfsworte haben. An etwas stoßen, es mit einem Stoße berühren. Die Winde stießen an das Haus. Der Habicht stößt auf Änten, Tauben., wenn er mit einem Stoße auf sie niederfähret. ( S. Stößer und Stoßvogel.) In das Horn, in die Trompete stoßen, einen kurzen Satz blasen. Bey den Jägern sagt man, der Jäger stößt ein gutes Horn, für bläset. (2) In mehr leidendem Verstande und mit dem Hülfsworte seyn, gestoßen werden, heftig an einen andern Körper getrieben werden, so daß der diesem Zeitworte eigene Laut entstehe. (1) Eigentlich, wo es doch nur selten vorkommt. Das Schiff stieß auf den Grund, ist auf den Grund gestoßen. (2) Figürlich. (a) Zu jemanden stoßen, sich ihm nähern und sich mit ihm vereinigen, von Truppen und Mannschaften. Es sind noch hundert Mann zu dem Regimente, zehn Regimenter zur Armee gestoßen. (b) Auf jemanden stoßen, ihm unvermuthet begegnen. Ingleichen, auf etwas stoßen, es von ungefähr finden, antreffen. (c) Berühren, an etwas gränzen. Das Haus stößt an den Weg, der Garten an den Wald, das Feld an den Fluß. Deutschland stößt gegen Abend an Frankreich, gegen Mittag an die Schweitz und Italien. Beyde Felder stoßen an einander. So auch das Stoßen, S. auch der Stoß.

Anm. Bey dem Kero stozzon, bey dem Ottfried stozen, im Imperf. stiaz, bey dem Ulphilas stautan, im Nieders. stöten, im Schwed. stöta, im Isländ. steytan, im Engl. ohne Zischlaut toss, wohin auch das Lat. tudere gehöret, welches anfänglich für tundere üblich war. Es ahmet den dumpfigen mit einem Stoße verbundenen Laut genau nach, welcher dumpfige Laut, theils von der Beschaffenheit der einander im Stoße berührenden Körper und ihrer Oberfläche, theils aber auch von der geringen Entfernung, aus welcher der Stoß geschiehet, herrühret; durch welche Umstände stoßen, von schlagen, und andern ähnlichen Handlungen unterschieden ist. Da es viele Abänderungen des Stoßes in Ansehung des damit verbundenen Lautes gibt, so gibt es in den gemeinen Sprecharten auch eine Menge eigener Wörter, diese Abänderungen auszudrucken, wohin z. B. hutzen, butzen, hurten, hirzen, gnucken, puffen, nubben, nieten, pütschen u. s. f. gehören. Da das o in diesem Worte und allen seinen Ableitungen lang ist, so ist der folgende Zischlaut kein doppeltes s, sondern ein eigentliches ß, welches das Mittellaut zwischen dem s und ss ist. Stossen würde ein vorher gehendes kurzes o voraus setzen.


Stößer (W3) [Adelung]


Der Stößer, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine Person, welche stößt, Fämin. die Stößerinn. So ist in den Apotheken, bey den Material-Händlern u. s. f. der Stößer, ein Arbeiter, welcher die nöthigen Dinge in dem Mörser klein stößet. 2. Ein Thier, welches stößt. So werden verschiedene große Raubvögel, welcher mit einem Stoße auf ihren Raub fallen, Stößer genannt, wohin besonders die Weihe gehöret. So auch der Äntenstößer, Hasenstößer. ( S. Stoßvogel.) In verschiedenen Gegenden heißt auch der Springhengst oder Beschäler, der Stößer, Nieders. Stöter. 3. Ein Werkzeug, damit zu stoßen, in manchen Fällen Stößel. In dem Bergbaue ist es ein rund gedrechseltes Holz, die Asche in dem Teste damit fest zu stoßen.


Stoßfeile (W3) [Adelung]


Die Stoßfeile, plur. die -n, bey den Schlössern, eine Art kleiner Feilen, besonders zu den Schlüsselbärten.


Stoßgarn (W3) [Adelung]


Das Stoßgarn, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein Garn, mit einer in demselben angepflöckten lebendigen Taube, Stoßvögel, wenn sie auf dieselbe stoßen wollen, darin zu fangen; das Stoßnetz, auch nur der Stoß schlechthin, S. dieses Wort.


Stoßgebeth (W3) [Adelung]


Das Stoßgebeth, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stoßgebethchen, Oberd. Stoßgebethlein, ein kurzes, gleichsam mit einem Stoße hervor gebrachtes Gebeth, d. i. eine kurze unterbrochene Erhebung des Herzens zu Gott; im mittlern Lat. Oratio iaculata, Preces iaculatoriae. S. Stoßseufzer.


Stoßgewehr (W3) [Adelung]


Das Stoßgewehr, des -es, plur. die -e, ein Gewehr, damit zu stoßen, dergleichen z. B. Degen, Spieße und Bajonette sind.


Stoßhächtel (W3) [Adelung]


Der Stoßhächtel, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Nahme des Sperbergeyers, weil er mit einem Stoße auf seinen Raub fällt.


Stoßholz (W3) [Adelung]


Das Stoßholz, des -es, plur. die -hölzer, ein Holz damit zu stoßen, ein hölzerner Stößer oder Stößel, dergleichen im Bergbaue dasjenige Holz ist, womit das Gestübe gemacht wird. aber, ein Stoß Holz, ist ein auf einander geschlichteter Haufen Holzes.


Stoßig (W3) [Adelung]


Stoßig, -er, -ste, adj. et adv. geneigt, Fertigkeit besitzend zu stoßen, besonders von Thieren, welche mit Hörnern versehen sind. Ein stößiger Ochse. Der Ochse ist stößig. Nieders. nietsk, netelsk, von niken, stoßen. In andern Bedeutungen kommt es in anstößig und aufstößig vor.


Stoßkante (W3) [Adelung]


Die Stoßkante, plur. die -n, ein Nahme, welchen im Schiffbaue auch die Barkhölzer führen, oder die langen hölzernen Ränder, welche in der äußeren Verkleidung des Schiffes um dasselbe herum laufen, vermuthlich um das Schiff vor einem Stoße zu sichern.


Stoßkeil (W3) [Adelung]


Der Stoßkeil, des -es, plur. die -e, eben daselbst, Keile, welche zwischen die Streckblöcke und den Kiel gestoßen werden, wenn ein Schiff von Stapel gelassen wird.


Stoßklinge (W3) [Adelung]


Die Stoßklinge, plur. die -n, eine schmale spitzige Klinge, zum Stoßen oder Stechen, zum Unterschiede von der breiten Hauklinge.


Stoßkolben (W3) [Adelung]


Der Stoßkolben, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kolben, damit zu stoßen, dergleichen der ist, womit in dem Hüttenbaue der Herd gestoßen wird; in der gemeinen Sprache der Hüttenleute, der Stoßkolm.


Stoßkräuel (W3) [Adelung]


Der Stoßkräuel, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Kräuel, d. i. zackiger eiserner Haken, das Gestübe damit auf- und abzustoßen.


Stoßnaht (W3) [Adelung]


Die Stoßnaht, plur. die -nähte, bey den Schneidern und Nähterinnen, eine Art der Naht, zwey an einander gestoßene Enden ohne Umschlingung, oder ohne Hinterstiche zusammen zu nähen; der Anstoß, die Anstoßnaht.


Stoßriemen (W3) [Adelung]


Der Stoßriemen, des -s, plur. ut nom. sing. Riemen, wodurch der Kutschkasten mit den Bäumen verbunden ist, damit derselbe bey einem Stoße nicht so sehr schwanke.


Stoßring (W3) [Adelung]


Der Stoßring, des -es, plur. die -e, derjenige Ring an der Nabe, welcher im Laufe des Rades an die Achse anstößet; wegen seiner Größe auch der Stoßrinken.


Stoßsäge (W3) [Adelung]


Die Stoßsäge, plur. die -n, eine Säge ohne Gestell und nur mit einem Heft, etwas gleichsam mit einem oder wenig Stoßen abzusägen, dergleichen die Beinsäge der Wundärzte ist.


Stoßscheibe (W3) [Adelung]


Die Stoßscheibe, plur. die -n, lange halb geründete Scheiben oder starke Bleche, womit die Deichsel eines Wagens vorn beschlagen wird.


Stoßseufzer (W3) [Adelung]


Der Stoßseufzer, des -s, plur. ut nom. sing. ein unterbrochen zu Gott geschickter Seufzer, S. Stoßgebeth.


Stoßspritze (W3) [Adelung]


Die Stoßspritze, plur. die -n, eine große Feuerspritze mit einem doppelten Druckwerke, wo der eine Kolben spritzt, wenn der andere aufgezogen wird.


Stoßstange (W3) [Adelung]


Die Stoßstange, plur. die -n, im Hüttenbaue, eine lange, vorn mit einem breiten Eisen versehen Stange, das von dem Feuer losgebrannte Erz damit loszustoßen.


Stoßtreil (W3) [Adelung]


Der Stoßtreil, des -es, plur. die -e, bey verschiedenen Handwerkern und Künstlern, der Nahme eines mit einem Gewichte versehenen Treils oder Drillbohrers, weil er gleichsam durch einen Stoß in Bewegung gesetzt wird.


Stoßtrog (W3) [Adelung]


Der Stoßtrog, des -es, plur. die -tröge, ein Trog, Kräuter, Früchte u. s. f. darin mit dem Stoßeisen zu zerschneiden.


Stoßvogel (W3) [Adelung]


Der Stoßvogel, des -s, plur. die -vögel, ein jeder großer Raubvogel, welcher mit einem Stoße auf seine Beute fällt, desgleichen die Adler, Habichte, Falken u. s. f. sind; Stößer, Nieders. Klemmvögel, weil sie ihren Raub mit ihren starken Klauen klemmen. Der Stooßaar und Stoßhächtel sind Arten davon.


Stoßwerk (W3) [Adelung]


Das Stoßwerk, des -es, plur. die -e, in den Münzen, eine Maschine oder Münzpresse, die groben Münzsorten vermittelst des stoßenden Schwunges der Preßstange zu prägen; der Anwurf.


Stottern (W3) [Adelung]


Stottern, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, im Reden oft anstoßen, d. i. nicht in der Ordnung fortreden, sondern ununterbrochen reden, mit mehrmahliger Wiederhohlung einiger, und Auslassung anderer Sylben, es geschehe nun aus einem natürlichen Unvermögen, oder aus Verwirrung des Gemüthes; zum Unterschiede von stammeln. Im Reden stottern. Zuweilen auch wohl active. Etwas daher stottern. Daher ein Stotterer, welcher aus einem Fehler der Sprachwerkzeuge stottert; das Gestotter, das Stottern.

Anm. In den gemeinen Sprecharten stattern, statzen, stotzen, stotzchen, storzen, statzeln, in Baiern stickerzen, in Schwaben kacken, in Steyermark kikezen, in Schlesien mäckern, im Nieders. stötern, im Engl. to stutter. Es ist eine Onomatopöie des Stotterns, welche zunächst die mehrmahlige Wiederhohlung des Buchstabens t, so wie Stammeln die des m ausdruckt. Der Form nach, ist es ein Iterativum und Intensivum von stoßen, Nieders. stöten, im Sprechen mehrmahls anstoßen.


Stotz (W3) [Adelung]


Der Stotz, des -en, plur. die -en, oder der Stotzen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Oberdeutschen Gegenden eine Art Gefäße, und ein Maß flüssiger Dinge. In Zürch hält 1 Kopf 2 Maß, ein Maß 2 Quärtle, und 1 Quärtle 2 Stozzen. S. Stutz, in der Bedeutung eines Gefäßes.


Stotzig (W3) [Adelung]


* Stotzig, adj. et adv. welches gleichfalls nur im Oberdeutschen für jähe, steil, üblich ist, wo auch stotzachtig, jähstotzig und jachstotzig, in eben dieser Bedeutung vorkommen. Stotzige Felsen. Es gehöret zu Stoß in der Bedeutung eines senkrechten Haufens, und stammet mit demselben von stoßen ab, so fern es ehedem auch schnelle Bewegung in senkrechter Tiefe bedeutet hat, von welchem es das Intensivum ist.


Strack (W3) [Adelung]


* Strack, -er, -este, adj. et adv. ein im Hochdeutschen veraltetes und nur noch in den gemeinen Sprecharten übliches Wort, welches gerade bedeutet. Ein stracker Weg. Ein stracker Baum. Der Baum ist sehr strack gewachsen. Strack machen, ziehen. Ingleichen figürlich. Strackes Fußes hingehen, gerades Weges, sogleich, den Augenblick. Ich ging stracks Weges zu ihr, Sir. 51, 21, gerades Weges. Also lief Ahimaaz stracks Weges, 2 Sam. 18, 23. Die Weisheit leitet den Gerechten stracks Weges, Weish. 10, 10. Stracks laufs kamen wir gen Samothraciam, Apost. 16, 11. Auf die stracke Stunde, dieselbe Stunde. Lauter nur in einigen gemeinen Sprecharten übliche Ausdrücke. Es stammet von strecken ab; was gestreckt ist, ist auch gerade. Der in dem folgenden stracks herrschende Begriff der Geschwindigkeit ist eine natürliche Figur der geraden, als der kürzesten Linie.


Stracklich (W3) [Adelung]


* Stracklich, adj. et adv. welches vermittelst der Ableitungssylbe lich von dem vorigen gebildet worden, im Hochdeutschen gleichfalls fremd ist, aber noch in einigen gemeinen Mundarten im figürlichen Verstande üblich ist. 1. Für plötzlich, schnell. Ein stracklicher Tod, ein schneller, plötzlicher. Die strackliche Ankunft, schleunige, schnelle. 2. Pünctlich, genau, in welcher Bedeutung es noch zuweilen in den Hochdeutschen Kanzelleyen gebraucht wird. Damit diesen Mandaten stracklich nachgegangen werde. Stracklich über einen Befehl halten.


Stracks (W3) [Adelung]


* Stracks, adv. welches vermittelst des Endlautes s von strack gebildet ist, und in allen seinen Bedeutungen in der anständigen Schreibart der Hochdeutschen gleichfalls veraltet ist. 1. Gerade. Da fing an sich zu erheben von der Stadt ein Rauch stracks über sich, Richt. 20, 40. Sie gehet nicht stracks auf dem Wege des Lebens, Sprüchw. 5, 6. Ein jeglicher wird stracks vor sich daher ziehen, Joel 2, 8. Aber gehe ich nun stracks für mich, Hiob. 33, 8. Es kommt im Hochdeutschen nur noch zuweilen in dem zusammen gesetzten schnurstracks, schnurgerade vor. Das läuft deinem Glücke schnurstracks zuwider. 2. Pünctlich, genau, stracklich. Darum halte ich stracks alle deine Befehle, Ps. 119, 128. 3. Sogleich, den Augenblick, in den gemeinen Sprecharten, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes. Komm stracks wieder. Er ist darum nicht stracks ein reicher Mann, noch nicht gleich. Stracks rennet er in vollem Lauf Bis an des Hauses Dach hinauf, Haged. Die drohende Colonne lag Stracks hingestreckt in Sand, Gleim.

Anm. Im Nieders. strack, stracks, im Angels. strace, im Engl. straight, im Schwed. strax. S. Strack.


Strafamt (W3) [Adelung]


Das Strafamt, des -es, plur. car. das Amt, die übertragene Obliegenheit zu strafen. Das Strafamt der Obrigkeit. Das Strafamt des heiligen Geistes, in der Theologie, die Entdeckung der Strafbarkeit des Zustandes des Menschen.


Strafbar (W3) [Adelung]


Strafbar, -er, -ste, adj. et adv. der Strafe unterworfen, werth bestrafet zu werden. Eine strafbare Handlung. Strafbar handeln. Wer sündiget, ist strafbar. Sich für strafbar erkennen. Daher die Strafbarkeit, die Eigenschaft, der Zustand, da eine Person oder Sache der Strafe unterworfen ist.


Strafbuch (W3) [Adelung]


Das Strafbuch, des -es, plur. die -bücher, in den Gerichten einiger Provinzen, ein Buch, in welches die auferlegten und eingezogenen Geldstrafen eingetragen werden.


Strafbüchse (W3) [Adelung]


Die Strafbüchse, plur. die -n, eine Büchse, in welche die Strafgelder gethan, worin sie gesammelt werden.


Strafe (W3) [Adelung]


Die Strafe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, im weitesten Verstande, ein Übel, welches auf eine unrechtmäßige oder unweise Handlung erfolgt. Wenn jemand eine Biene angreift, und von derselben gestochen wird, so sagt man, das ist die Strafe deines Vorwitzes. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, ist es das Übel, welches der Gesetzgeber mit der Übertretung eines Gesetzes verbindet, das auf die Übertretung eines Gesetzes folgende Übel. Eine Strafe auf etwas setzen. Etwas bey Strafe, bey hoher, schwerer Strafe, bey Leib- und Lebensstrafe, bey Gefängnißstrafe, bey zehn Thaler Strafe verbiethen. Jemanden eine Strafe auflegen, zuerkennen. Die verdiente Strafe leiden. Jemanden zur Strafe, zur verdienten Strafe ziehen, ihn strafen, ihn mit der verdienten Strafe belegen. Seine Strafen leiden, ausstehen. Das ist die Strafe dafür, das soll deine Strafe seyn. Zur Strafe fröhnen müssen. Eine Strafe mildern, aufheben; jemanden der Strafe erlassen, oder ihm die Strafe erlassen; im gemeinen Leben ihm die Strafe schenken. Die biblischen R. A. Strafe üben, beweisen, u. s. f. sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. In engerer Bedeutung wird es zuweilen von einer Geldstrafe gebraucht. Strafe geben, die Geldstrafe erlegen. Jemanden in Strafe nehmen, ihn an Geld strafen. Von einem Verweise, Entdeckung der Unvollkommenheiten durch Worte, wie 2 Timoth. 3, 16: alle Schrift von Gott eingeben ist nütze zur Strafe u. s. f. ist es im Hochdeutschen veraltet.


Strafen (W3) [Adelung]


Strafen, verb. reg. act. welches 1. * Ursprünglich, körperliche Beschädigung, oder körperliche Schmerzen zufügen, bedeutet zu haben scheinet, in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen veraltet ist. Im Schleßwigischen sagt man noch, einen Baum strafen, ihn ausschneiteln, welches noch ein Überbleibsel der ersten ursprünglichen Bedeutung zu seyn scheinet. Von der Zufügung körperlicher Schmerzen überhaupt, scheinet es auch noch Luther Es. 53, 7. gebraucht zu haben, da er gestrafet und gemartert ward, thät er seinen Mund nicht auf. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist strafen, ein Übel um einer vorher gegangenen unrechtmäßigen oder doch unweisen Handlung willen zufügen, da es denn von allen Arten solcher zugefügten Übel üblich ist. Jemanden strafen, ihn wegen eines Verbrechens, um eines Versehens willen strafen. Jemanden am Leben, am Leibe, an der Ehre, an Gelde strafen; zuweilen sagt man auch, ihn um Geld strafen, welches Vorwort um doch denn am häufigsten ist, wenn die Geldsumme bestimmt wird: jemanden um zehn Thaler, um vier Groschen strafen, wo an nicht gebraucht werden kann. Ein Kind mit der Ruthe strafen. Mit Gefängniß, mit Hunger strafen. Gott strafet die Menschen oft mit Blindheit, mit Feuer, mit Krieg u. s. f. Ingleichen mit der vierten Endung des Verbrechens. Den Ehebruch, den Diebstahl, ein Versehen strafen. Strafe mich Gott! oder Gott soll mich strafen! nähmlich, wenn ich nicht die Wahrheit rede; eine in den niedrigen Sprecharten übliche leichtsinnige Betheurung. 3. Zuweilen bedeutet es auch, jemanden seine Mängel und Gebrechen mit Worten entdecken, ihm einen Verweis geben. Die Menschen wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen, 1 Mos. 6, 3. Stumme Hunde sind sie, die nicht strafen können, Es. 56, 10. So dein Bruder an die sündiget, so strafe ihn, Luc. 17, 3. Herodes wurde vom Johannes gestraft, Kap. 3, 19. Wohin auch die Redensart gehöret, jemanden Lügen strafen, eigentlich der Lügen, ihn beschuldigen, daß er lüge. Bin ich gut genug, daß sie mich ins Gesichte Lügen strafen? Gell. Da es denn in den gemeinen Sprecharten oft für tadeln überhaupt gebraucht wird. Ich finde an der Sache nichts zu strafen. Ich kann ihn deßwegen nicht strafen, tadeln. Ich will meine Wege vor ihm strafen, Hiob. 13, 15; wo es bey Michaelis heißt: ich will dreist meinen Wandel vor seinem Angesicht bekennen. So auch das Strafen.

Anm. Im Schwed. straffa, Dän. straffe, Holländ. straffen. Es kommt weder bey den ältesten Oberdeutsch. Schriftstellern, noch in andern verwandten Sprachen, außer den schon angeführten vor, scheint aber ursprünglich eine gewaltsame körperliche Behandlung bezeichnet zu haben, und mit streiffen, so fern dieses ehedem auch streichen, peitschen, bedeutete, straff, dem Schwed. sträf, rauh, strenge, den Ital. Intensivis strappare, wippen, und strappazzare, und dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, verwandt zu seyn. Ohne Zischlaut gehören auch Notkers diepa, tödten, unser treffen, und das Niedersächs. dreffen, schlagen, und drapen, züchtigen dahin. Die dritte Bedeutung des wörtlichen Verweises scheinet keine bloße Figur der vorigen, sondern eine eigene Bedeutung zu seyn, in welcher es mit dem vorgesetzten st aus dem alten bey dem Notker, Ottfried und andern häufigen refsam, mit Worten tadeln, verweisen, schmälen, im Nieders. noch rispen, gebildet worden. Dieses refsan und rispen ist ein Intensivum von einem veralteten refen, welches zu rufen gehörete, und eine Onomatopöie nicht nur der menschlichen Stimme, sondern auch anderer ähnlich lautender Bewegungen war, wie aus reiben, greifen, raffen u. s. f. erhellet. Auf ähnliche Art ist im Lateinischen corripere, verweisen, von rapere und reprehendere, in eben demselben Verstande, von prehendere.


Straff (W3) [Adelung]


Straff, S. nach den Zusammensetzungen mit Straf-


Straffall (W3) [Adelung]


Der Straffall, des -es, plur. die -fälle, in den Gerichten, Fälle, wo Strafen Statt finden, welche bestrafet zu werden verdienen.


Straffällig (W3) [Adelung]


Straffällig, -er, -ste, adj. et adv. in Strafe verfallen, verpflichtet, Strafe zu leiden, wo es von Personen für strafbar gebraucht wird. Straffällig seyn, werden. Wer Böses thut, ist straffällig, der Strafe unterworfen. Ingleichen, obgleich seltener, von Verbrechen und Handlungen. Eine straffällige That, eine strafbare. So auch die Straffälligkeit, die Verbindlichkeit zur Strafe.


Strafgeboth (W3) [Adelung]


Das Strafgeboth, des -es, plur. die -e, in den Rechten, ein Geboth oder Befehl, wo etwas bey angedrohter Strafe gebothen wird.


Strafgedicht (W3) [Adelung]


Das Strafgedicht, des -es, plur. die -e, S. Straflied.


Strafgeld (W3) [Adelung]


Das Strafgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, zur Strafe, oder als eine Strafe erlegtes Geld.


Strafgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Strafgerechtigkeit, plur. car. die Gerechtigkeit, so fern sie sich durch Bestrafung des Bösen äußert, zum Unterschiede von der belohnenden Gerechtigkeit. Die Strafgerechtigkeit Gottes.


Strafgericht (W3) [Adelung]


Das Strafgericht, des -es, plur. die -e, in der Theologie, ein Gericht, d. i. verhängtes Übel, so fern es als eine Strafe anzusehen ist. Die Strafgerichte Gottes.


Sträflich (W3) [Adelung]


Sträflich, -er, -ste, adj. et adv. von dem Zeitworte strafen. 1. In dessen zweyter Bedeutung, der Strafe unterworfen, so wie strafbar und straffällig, doch in gelinderer Bedeutung, weil die Ableitungssylbe "-lich" eigentlich nur eine Ähnlichkeit bedeutet. Ein sträflicher Mensch, sträfliche Handlungen. Du leidest, und ich war der sträfliche, Dusch. Es wird in dieser Bedeutung nur von einigen Neuern, vermuthlich aus Unkunde der folgenden gebraucht, daher man es, Mißdeutung zu vermeiden, in derselben lieber vermeiden sollte. Denn eigentlich stammt dieses Wort, 2. von strafen in der dritten Bedeutung her, und bedeutet so viel wie tadelhaft, werth mit Worten bestrafet, oder getadelt zu werden; im Gegensatze des unsträflich. Ein sträflicher Stolz. Das Tanzen ist unter gewissen Umständen nicht sträflich. Er ist so sträflich wie du. Dann kann auch kein Engel unsere Verbindung sträflich finden, Dusch. So auch die Sträflichkeit.


Straflied (W3) [Adelung]


Das Straflied, des -es, plur. die -er, ein von einigen von einer poetischen Satyre gebrauchtes Wort, welches andere ein Strafgedicht nennen, weil Laster und Thorheiten darin gestrafet werden.


Strafpredigt (W3) [Adelung]


Die Strafpredigt, plur. die -en, eine Predigt, worin die Laster gestraft werden, d. i. ihre Strafbarkeit gezeiget wird. Ingleichen figürlich, ein weitläufiger ernsthafter Verweis. Wie komme ich zu dieser Strafpredigt?


Straftag (W3) [Adelung]


Der Straftag, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden. 1. Ein Gerichtstag in Wald- und Forstsachen, auf welchem die Wald- und Forstverbrechen gestrafet werden; der Waldbußtag. 2. Ein Tag, welchen frohnbare Unterthanen zur Strafe fröhnen müssen; in einigen Gegenden der Bußtag.


Strafübel (W3) [Adelung]


Das Strafübel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Strafe, als ein Übel betrachtet. Die Bewegungsgründe eines Gesetzes müssen Drohungen eines Strafübels seyn.


Strafurtheil (W3) [Adelung]


Das Strafurtheil, des -es, plur. die -e, ein Urtheil, in welchem eine Strafe zuerkannt wird; in den Rechten auch das Pönal-Urtheil.


Strafwürdig (W3) [Adelung]


Strafwürdig, -er, -ste, adj. et adv. würdig, oder werth, bestraft zu werden, strafbar. Ein strafwürdiges Verbrechen. So auch die Strafwürdigkeit.


Straff (W3) [Adelung]


Straff, -er, -este, adj. et adv. scharf ausgespannt oder ausgedehnt, in der anständigen Sprechart, und im Gegensatze des schlaff. Ein straffes Seil. Eine Sehne straff ausspannen. Und die sinkenden Knie machtest du straff, Hiob 4, 4, nach Michaelis Übersetzung.

Anm. In den gemeinen Sprecharten ist dafür das verwandte stramm üblich. Im Osnabrück. ist stref, strev, heftig, in einigen Oberdeutschen Gegenden aber wird straff figürlich für strenge, rauh, störrig gebraucht. Straffe Gerechtigkeit, strenge. Ein straffes Gemüth, ein rauhes, störriges. Im Schwedischen ist sträf, rauh.


Straffheit (W3) [Adelung]


Die Straffheit, plur. car. die Eigenschaft, der Zustand eines Dinges, da es straff ist.


Strahl (W3) [Adelung]


Der Strahl, des -es, plur. die -en, ein sich in unmerklich schneller Geschwindigkeit in gerader Linie fortbewegendes, geradliniges Ding, wo es von verschiedenen einzelnen Dingen dieser Art vorkommt. 1. * Ein Pfeil heißt in allen alten Mundarten und vielen auch nicht nahe verwandten Sprachen, ein Strahl, bey dem Notker Strala, im Angels. Strael, im Schwed. Strale, im Ital. Strala, im Wend. Strela, im Dalmat. Strilla, im Russ. Striela, daher daselbst streliti, schießen, und Streliz, ein Schütze ist. Ein scharpf stral auf demselben lag, auf der Armbrust, Theuerd. Kap. 44. Und her sein tödtlichen Handtbogn Mit eim scharpfen stral aufgezogen, Hans Sachs. Bald er zeucht seinen scharpfen stral, eben ders. In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen längst veraltet. Daher wird noch figürlich der mittlere Theil in dem Hufe eines Pferdes, wegen seiner Ähnlichkeit mit der Spitze eines Pfeiles der Strahl genannt. Bey andern heißt er die Gabel. 2. Der Blitz, entweder so fern er zuweilen in gerader Richtung fortzuschießen scheinet, oder auch, weil sein äußerstes Ende zuweilen in der Gestalt einer Pfeilspitze erscheinet. Der Blitzstrahl, Donnerstrahl, Wetterstrahl, oder nur Strahl schlechthin, welches letztere doch im Oberdeutschen gangbarer ist, als im Hochdeutschen. In der erstern Mundart sagt man auch Strahlstreich für Blitzstrahl und dessen Einschlagen, Strahlwetter für Donnerwetter u. s. f. Eben daselbst ist es in dieser Bedeutung auch weiblichen Geschlechtes, die Strahl. 3. Ein sich in gerader Linie unglaublich schnell fortbewegender Lichttheil, wo besonders die Theile eines sehr hellen Lichtes unter gewissen Umständen in Gestalt solcher gerader heller Linien gesehen werden, daher dieses Wort auch nur von solchen hellen Lichttheilen üblich ist. Strahlen schießen, werfen, von sich geben. Mit Strahlen umgeben. Der Lichtstrahl, Sonnenstrahl. Die Strahlen der Augen, eines geschliffenen Edelsteines, die von denselben zurück geworfenen Lichtstrahlen. Daher figürlich manche Arten gerader Linien auch unter dem Nahmen der Strahlen bekannt sind. In dem Mineralreiche sind die Strahlen lange schmale gerade Theile, in welchen die kleinsten zusammen gehäuften Theile des Fossils abgesondert sind, und welche ein Mittelding zwischen den Fasern und Blättern ausmachen. ( S. Strahlig, Strahlglimmer, Strahlgyps u. s. f.) Die Zähne eines Kammes heißen in einigen Gegenden gleichfalls Strahlen, daher ein Kamm selbst im Oberdeutschen ein Strähl, und kämmen strählen genannt wird. Im Hannöv. ist Strahle die Staffel in einer Leiter. Besonders werden Strahlen in vielen Fällen die aus einem gemeinschaftlichen Mittelpuncte nach allen Seiten ausgehende gerade Linien genannt, unter welchem Bilde man auch die Sonne vorzustellen pflegt. 4. Ein aus einer engen Öffnung in gerader Linie fortge- triebener flüssiger Körper; der Wasserstrahl. Der Strahl des Wassers in einem Springbrunnen, aus einer Spritze, u. s. f. Nieders. intensive der Strull.

Anm. Im Schwed, Strale. Das Wort ist eine Onomatopöie eines sich in der größten Geschwindigkeit in gerader Linie fortbewegenden geradlinigen Körpers. In einigen gemeinen Sprecharten ist es in einigen Wörtern ein Zeichen eines Intensivi, für erz; ein Strahlschelm, eine Strahlhexe, eine Strahlhure u. s. f. Der Plural lautet Strahlen; allein in Dreystrahl, Fünfstrahl u. s. f. ein mit so vielen Strahlen versehenes Ding, heißt er -strahle, eben so wie man im Plural sagt die Sechsecke, von das Sechseck, und dieß von die Ecke, plur. die -n.


Strahlader (W3) [Adelung]


Die Strahlader, plur. die -n, an den Pferden, eine Ader an der Spitze des Hufes, welche durch den Strahl gehet.


Strahlasbest (W3) [Adelung]


Der Strahlasbest, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein strahliger oder aus einem strahligen Gewebe bestehender Asbest, welcher bey den Bergleuten unter dem Nahmen des Strahlschörls bekannt ist.


Strahlblende (W3) [Adelung]


Die Strahlblende, plur. auch nur von mehrern Arten, die -n, eine strahlige, aus einem strahligen Gewebe bestehende Blende.


Strahlen (W3) [Adelung]


Strahlen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, Strahlen von sich werfen, Strahlen schießen, so wohl aus einem Übermaße eigenen Lichtes, als auch von Körpern, welche das Licht in Gestalt merklicher Strahlen zurück werfen. Die Sonne strahlt kraft ihres eigenen Lichtes. In Wohnungen der Schmerzen, Wo keine Sonne strahlt und keine Freude lacht, Weiße. Wie strahlt das Feuer schöner Augen! Haged. Von Gold und Silber strahlen. Der Diamant strahlt. Ingleichen figürlich. Die Tugend strahlet auch im Finstern. Die Fehler werden schön und Tugend strahlt aus Schwächen, Haller. Aus ihrem Blick strahlt stille Freude, Weiße. Wo man auch active sagen könnte, ihr Auge strahlt stille Freude. So auch das Strahlen. S. Strahl.


Strahlenbrechung (W3) [Adelung]


Die Strahlenbrechung, plur. inus. in der Optik, die Brechung eines oder mehrerer Strahlen, d. i. die bewirkte Abweichung derselben von ihrem Wege, welche geschiehet, wenn sie aus einem dichtern Körper in einem dünnern, oder aus einem dünnern in einem dichtern übergehen; die Refraction, Refractio; zum Unterschiede von der Zurückprallung, Reflexio.


Strahlenkrone (W3) [Adelung]


Die Strahlenkrone, plur. die -n, eine Krone oder Kranz von Strahlen, womit die Mahler die Häupter der Heiligen zu zieren pflegen; der Schein, der Heiligenschein, bey dem Zachariä der Strahlenschein: So wie ein Strahlenschein den Heiligen umflicht.


Strahlgeschwür (W3) [Adelung]


Das Strahlgeschwür, des -es, plur. die -e, ein Geschwür in dem Strahle eines Pferdes.


Strahlglimmer (W3) [Adelung]


Der Strahlglimmer, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. in der Mineralogie, ein Glimmer, welcher aus einem strahligen Gewebe bestehet.


Strahlgyps (W3) [Adelung]


Der Strahlgyps, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein aus einem strahligen Gewebe bestehender Gyps, welcher auch Federspath und Federweiß genannt wird; Gypsum striatum.


Strahlig (W3) [Adelung]


Strahlig, adj. et adv. aus Strahlen bestehend, Strahlen habend, am häufigsten im figürlichen Verstande. Ein Fossil heißt strahlig, wenn es aus Strahlen, d. i. langen und schmalen einer Fläche ähnlichen Theilen bestehet. ( S. Strahl.) Im eigentlichen Verstande ist strahlend üblicher. Strahlicht würde nur Strahlen ähnlich bedeuten.


Strahlmuschel (W3) [Adelung]


Die Strahlmuschel, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Kammmuschel, Pecten, von dem Oberdeutschen Strahl, ein Kamm, S. dieses Wort.


Strahlrohr (W3) [Adelung]


Das Strahlrohr, des -es, plur. die -e, an den Feuerspritzen, dasjenige Rohr, durch welches der Wasserstrahl ausgestoßen wird; das Ausgußrohr.


Strahlschörl (W3) [Adelung]


Der Strahlschörl, des -es, plur. inus. S. Strahlasbest.


Strahlstreich (W3) [Adelung]


Der Strahlstreich, des -es, plur. die -e, am häufigsten im Oberdeutschen, der Blitzstrahl und der damit verbundene Streich oder Schlag.


Strähne (W3) [Adelung]


Die Strähne, plur. die -n, Diminut. das Strähnchen, Oberdeutsch das Strähnlein. 1. Bey den Nadlern, ein Packet gerichteten Drahtes; eine Strähne Draht. 2. Bey den Spinnerinnen, ein Strang gesponnenen Garnes von einer bestimmten Anzahl Fäden. In Sachsen bestehet ein Stück Garn aus sechs Strähnen, eine Strähne aber aus zwey Zaspeln oder Zahlen, 40 Gebinden, oder 800 Fäden.

Anm. Im Böhmischen ist Struna, eine Schnur. Es ist mit Strang genau verwandt, daher für Strähne auch in einigen Gegenden Strang und Streng üblich. In manchen Provinzen ist es männlichen Geschlechtes, der Strähn.


Stramm (W3) [Adelung]


* Stramm, -er, -este, adj. et adv. welches nur in den gemeinen Sprecharten für straff üblich ist, S. dasselbe.


Strampeln (W3) [Adelung]


Strampeln, verb. reg. neutr. et act. welches im ersten Falle das Hülfswort haben erfordert, aber nur in den gemeinen Sprecharten üblich ist. Es ist das Intensivum und zugleich das Diminutivum des folgenden strampfen, und bedeutet die Füße oft zum Treten bewegen, viele und schnelle kurze Tritte machen. Mit den Füßen strampeln. Schlage deine Hände zusammen und strampele mit deinen Füßen, Ezech. 6, 11. Das Kind strampelt im Bette, wenn es die Füße heftig zum Treten beweget; es strampelt das Bett zu Schanden. So auch das Strampeln.

Anm. Im Oberd. strampfeln, im Nieders. gleichfalls strampeln, und ohne Zischlaut auch trampeln. S. das folgende.


Strampfen (W3) [Adelung]


Strampfen, verb. reg. neutr. et act. welches im ersten Falle gleichfalls das Hülfswort haben erfordert, heftig mit dem Fuße auf die Erde stoßen. Die Pferde strampfen, strampfen auf die Erde, ingleichen active, doch nur in der dichterischen Schreibart, sie strampfen die Erde. Das Roß strampfet auf dem (den) Boden, Hiob. 39, 21. Vor Wuth auf die Erde strampfen.

Anm. Im Nieders. strampen, im Schwed. ohne Zischlaut trampa, und auch im Deutschen trampen und iterative trampeln, rammeln. Es ist eine unmittelbare Nachahmung des Lautes, so wie die verwandten trappen und traben, welche ähnliche Laute ausdrucken.


Strand (W3) [Adelung]


Der Strand, des -es, plur. inus. die Seite des festen Landes, wo es an das Meer oder an die See anstößet, das Meer- oder Seeufer, welches in der höhern Schreibart das Gestade genannt wird, und die äußerste Seite der Küste, d. i. des an der See liegenden Landstriches ist. Es bedeutet nicht bloß, wie Gottsched und mit ihm Stosch behaupten, ein flaches und untiefes, sondern ein jedes Seeufer, ohne Rücksicht seiner Höhe. Ein hoher, steiler Strand. Ein flacher Strand. Das Schiff wird auf den Strand geworfen, läuft auf den Strand, wenn es strandet. Es bleibt auf dem Strande sitzen. Vom Strande abfahren. An dem Strande hinfahren. Es kommen Güter an den Strand getrieben.

Anm. Im Nieders. Angels. Engl. Schwed. Dän. gleichfalls Strand, im Isländ. Strond. Wachter sahe es als eine Zusammensetzung von Salt rand, Meerrand, an, und Frisch nimmt aus der groben Niederdeutschen Aussprache Strang für Strand, Gelegenheit, es von Strang, ein Stück, abzuleiten. Indessen ist der Begriff der Ausdehnung in die Länge, ingleichen der Seite, unstreitig der herrschende, und in so fern kann es als ein Seitenverwandter von Strang angesehen werden, welches vermittelst eines andern Endlautes von dem Stammworte stran abstammet. In einigen gemeinen Sprecharten ist herum streinen so viel als herum streichen, und Landstreiner und Strünzer, ein Landstreicher, wo gleichfalls der Begriff der Bewegung in die Ferne der herrschende ist, von welchem der Begriff der Seite (im Slavonischen ist Stran, Strana, Strona, die Seite,) eine Figur ist. Da von mehrern Mitlautern zu Anfange eines Wortes nur der letzte zum Stamme gehöret, so muß Rand als das eigentliche Stammwort angesehen werden, von welchem Strand mit vorgesetztem doppelten Intensions-Zeichen gebildet worden. Im Finnländischen heißt der Strand nur Randa. Das Lat. Ripa gehöret auf ähnliche Art zu unserm Reif, Nieders. Reep, so wie Littus, zu Latte, Lohden, oder auch zu Leithe in der Bedeutung einer Anhöhe. Der Plural die Strände, welcher von einigen gewagt worden, ist ungewöhnlich, indem Strand eigentlich eine unbestimmte Strecke des Seeufers bezeichnet. In vielen Gegenden wird es auch von dem Ufer stillstehender Landseen gebraucht, da man denn das Meerufer den Meer- oder Seestrand nennet; so wie es ehedem auch von dem Ufer der Flüsse üblich war.


Strandbauer (W3) [Adelung]


Der Strandbauer, des -n, plur. die -n, Bauern, welche am Strande wohnen.


Strandbediente (W3) [Adelung]


Der Strandbediente, des -n, plur. die -n, in Preußen, obrigkeitliche Bediente, welche die Aufsicht über die Einsammlung des von der See an den Strand geworfenen Bernsteines haben; wohin z. B. die Strandreiter gehören.


Strandbörs (W3) [Adelung]


Der Strandbörs, des -es, plur. die -börse, in einigen Gegenden ein Nahme des Seebörses, Perca marina Linn. weil er am Strande gefangen wird.


Stranden (W3) [Adelung]


Stranden, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, an den Strand getrieben werden. Gestrandetes Holz, welches von den Wellen an den Strand getrieben wird. In engerer Bedeutung, wider seinen Willen aus der See an den Strand getrieben werden, und daselbst sitzen bleiben, in welchem Verstande oft Wallfische und andere große Seethiere stranden. Im engsten Verstande wird es von den Schiffen gesagt, wenn sie an dem Strande Schiffbruch leiden; auf den Strand laufen, im Scherze, auf den Kiel ankern. Das Schiff ist gestrandet. Ein gestrandetes Schiff. Gestrandete Güter, Waaren, von gestrandeten Schiffen, Strandgüter. So auch das Stranden und die Strandung. S. Strand.


Strandfisch (W3) [Adelung]


Der Strandfisch, des -es, plur. die -e, Fische, welche sich häufig am Strande aufhalten, und daselbst gefangen werden.


Strandgerechtigkeit (W3) [Adelung]


Die Strandgerechtigkeit, plur. car. die Gerichtbarkeit über den Strand und die daselbst gestrandeten Schiffe.


Strandgras (W3) [Adelung]


Das Strandgras, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -gräser, Gras, welches häufig am Strande wächset. Besonders ist der Sandhafer, Elymus arenarius Linn. unter diesem Nahmen bekannt.


Strandgut (W3) [Adelung]


Das Strandgut, des -es, plur. die -güter, gestrandete Güter, Güter oder Waaren, welche von gestrandeten Schiffen an den Grund getrieben werden; Nieders. Sandwurp, Sandwurf.


Strandherr (W3) [Adelung]


Der Strandherr, des -en, plur. die -en, der Oberherr eines Strandes, welcher in manchen Gegenden auch der Herr der daselbst an den Strand geworfenen Güter ist.


Strandkamille (W3) [Adelung]


Die "Strandkamille", plur. inus. oder die Strandkamillen, sing. inus. eine Art Kamillen, welche am Strande wächset; "Seekamille", "Matricaria maritima Lin."


Strandkarausche (W3) [Adelung]


Die Strandkarausche, plur. die -n, ein den Karauschen ähnlicher Fisch, welcher in der Westsee an dem Dänischen Strande gefangen wird. Vielleicht der Labrus rupestris Linn.


Strandklee (W3) [Adelung]


Der Strandklee, des -s, plur. car. ein dem Klee ähnliches Moos, welches am Strande wächset; Fucus serratus Linn. Seeeiche, Meereiche.


Strandknöterich (W3) [Adelung]


Der Strandknöterich, des -s, plur. car. eine Art des Knöterichs, welche am Strande wächset; Arenaria rubra Linn.


Strandkrabbe (W3) [Adelung]


Die Strandkrabbe, plur. die -n, eine Art Krabben, welche sich häufig an dem Strande aufhält; Cancer Moenas Linn.


Strandkresse (W3) [Adelung]


Die Strandkresse, plur. car. ein der Kresse ähnliches Gewächs, welches gern an dem Strande wächset; Bunias Cakile Linn. Meersenf.


Strand-Lacktuk (W3) [Adelung]


Der Strand-Lacktuk, des -es, plur. car. ein dem Lattiche ähnliches grünes Seemoos; Ulva Lactuca Linn.


Strandläufer (W3) [Adelung]


Der Strandläufer, des -s, plur. ut nom. sing. S. Sandläufer.


Strandmelde (W3) [Adelung]


Die Strandmelde, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, diejenigen Arten der Melde, welche sich häufig am Strande finden lassen, dergleichen die Atriplex portulacoides, (Meerbürzel,) laciniata und litoralis ist.


Strandordnung (W3) [Adelung]


Die Strandordnung, plur. die -en, in Preußen, eine obrigkeitliche Verordnung, wie es mit Einsammlung des Bernsteines am Strande gehalten werden soll.


Strandrecht (W3) [Adelung]


Das Strandrecht, des -es, plur. die -e. 1. Rechtsregeln, in Ansehung des Strandes und der an denselben angetriebenen Güter, da denn auch der ganze Inbegriff dieser Rechte collective das Strandrecht genannt werden könnte. 2. Das Recht, welches der Grund- oder Eigenthumsherr eines Strandes oder eines Theiles desselben hat, die an demselben gestrandeten Güter und Personen als sein Eigenthum anzusehen und zu behalten, das Uferrecht; welches alte Recht noch in manchen Gegenden Niederdeutschlandes, Dänemarkes u. s. f. üblich ist, dagegen an andern Orten dafür ein bestimmtes Bergegeld eingeführet ist; das Fahrrecht, die Grundruhr, das Grundruhrrecht, das Ruhrrecht, weil es Statt findet, wenn ein Schiff, oder dessen Gut, eines andern Grund berühret, im mittlern Lat. Varech, Veriscus, Ius Vareci, von Fahrrecht.


Strandreiter (W3) [Adelung]


Der Strandreiter, des -s, plur. ut nom. sing. ein verpflichteter obrigkeitlicher Bedienter zu Pferde, welcher die Aufsicht über den Strand hat. Dergleichen Strandreiter gibt es in Preußen, welche Acht haben, daß niemand den am Strande ausgeworfenen Bernstein aufsammele.


Strandriedgras (W3) [Adelung]


Das Strandriedgras, des -es, plur. inus. eine Art des Riedgrases, welches am Strande des Meeres wächset; Triglochin maritimum Linn.


Strandschnepfe (W3) [Adelung]


Die Strandschnepfe, plur. die -n, eine Art Sand- oder Strandläufer, welche viele Ähnlichkeit mit einer Schnepfe hat; Tringa Hypoleucos Linn. Ingleichen dessen Tringa Torquatus.


Strandsemse (W3) [Adelung]


Die Strandsemse, plur. die -n, eine Art Semsen, welche am Strande wohnet; Scirpus maritimus L.


Strandspargel (W3) [Adelung]


Der Strandspargel, des -s, plur. inus. eine Art wilden Spargels, welcher am Strande einheimisch ist; Asparagus officinalis maritimus Linn. Meerspargel.


Strandverwalter (W3) [Adelung]


Der Strandverwalter, des -s, plur. ut nom. sing. in Preußen, ein obrigkeitlicher Beamter, welcher die Einkünfte von dem am Strande gesammelten Bernsteine berechnet und verwaltet.


Strandvogel (W3) [Adelung]


Der Strandvogel, des -s, plur. die -vögel, welche sich am Strande aufhalten, und sich daselbst von Fischen, Muscheln und andern Seegeschöpfen nähren.


Strandvogt (W3) [Adelung]


Der Strandvogt, des -es, plur. die -vögte, in einigen Niederdeutschen Gegenden, ein Vogt oder beeidigter Aufseher über die an dem niedrigen Strande aufgeführten Deiche.


Strandysopp (W3) [Adelung]


Der Strandysopp, richtiger


Strandisopp (W3) [Adelung]


Strandisopp, des -es, plur. inus. eine dem Isoppe ähnliche Pflanze, welche in Europa am Strande und an Salzquellen wächset; Glaux maritima Linn. Milchkraut.


Strang (W3) [Adelung]


Der Strang, des -es, plur. die Stränge. 1. Im engsten Verstande, ein Strick, so fern derselbe zum Ziehen dienet. Die Glockenstränge, womit die Glocken gezogen werden. Die Stränge am Wagen, an einem Pfluge, woran die Pferde ziehen. Seinen Strang ziehen, im gemeinen Leben, das Seinige thun. Wenn alle Stränge zerreißen, im höchsten Nothfalle. Sie ziehen alle Einen Strang, sie arbeiten gemeinschaftlich, sind in einer Sache einig. 2. Zuweilen auch ein jeder Strick, doch im Hochdeutschen nur noch dem Stricke, womit Übelthäter gehenket werden, da es denn auch von der Strafe des Henkers oder des Galgens gebraucht wird. Einen Dieb mit dem Strange vom Leben zum Tode bringen. Mit dem Strange hingerichtet werden. Jemanden zum Strange verurtheilen, ihm den Strang zuerkennen. Er hat den Strang verdienet. Im Niedersächsischen wird auch die Nabelschnur, ingleichen eine Schnur Perlen, Granaten u. s. f. um den Hals ein Strang genannt, so wie im Oberdeutschen auch eine Strähne Garn ein Strang heißt.

Anm. Im Nieders. Angels. Schwed. und Isländ. Sträng, im Engl. String, im Ital. Stringa, im Slavon. Strona, Struna, ( S. Strähne.) In der ersten Bedeutung ist der Begriff des Anstrengens oder Ziehens, in der zweyten weitern aber der verwandte Begriff der Ausdehnung in die Länge der herrschende. Zur ersten gehöret auch das Lat. stringere, zur zweyten aber Strang, wenn es in einigen Oberdeutschen Gegenden eine Furche bedeutet. Bey dem Tschudi und andern Schweizerischen Schriftstellern wird es auch von dem Arme eines Flusses oder des Meeres gebraucht. S. Strick.


Stränge (W3) [Adelung]


Stränge, S. Strenge.


Strangulieren (W3) [Adelung]


Strangulieren, verb. reg. act. an oder mit einem Strange oder Stricke erwürgen, erdrosseln, so fern es, wie bey den Türken üblich ist, auf der Erde, und nicht durch Aufhängung oder Henken geschiehet. Jemanden strangulieren lassen. Sich selbst strangulieren, durch Zuziehung der Luftröhre vermittelst einer Schnur oder ähnlichen Bandes. Daher das Strangulieren. Es ist aus dem Lat. strangulare, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welche zu unserm Strang gehören. Ehedem gebrauchte man dafür das mehr Deutsche strängeln, Engl. to strangle. Im Nieders. ist strengen in einen Strang oder Strick verwickeln.


Strapaze (W3) [Adelung]


Die Strapaze, plur. die -n, hoher Grad abmattender Arbeiten oder Beschwerden; daher strapazieren, auf solche Art abmatten. Beyde sind nur im gemeinen Leben üblich und aus dem Italien. strapazzare entlehnet. Für Strapaze sagt man in der anständigern Sprechart lieber Beschwerde, Beschwerlichkeit u. s. f. In dem Nieders. Bremischen Wörterbuche wird es von dem Engl. Strapp, ein Strick, Holländ. Strop, Schwed. Stroppa abgeleitet, als wenn es eigentlich bedeute, jemanden durch Peitschen übel zurichten. Allein es scheinet vielmehr ein Intensivum von streben, sträuben zu seyn, so fern beyde in der Bedeutung einer heftigen Leibesbewegung überein kommen, wohin ohne Zischlaut auch treiben gehöret. Im Böhmischen ist strapeny, geplagt, und ohne Zischlaut trapiti, plagen.


Straßenbereiter (W3) [Adelung]


Der Straßenbereiter, des -s, plur. ut nom. sing. ein obrigkeitlicher Bedienter zu Pferde, welcher die öffentlichen Straßen bereitet, und auf die Sicherheit und gute Ordnung auf denselben stehet.


Straßenfahrer (W3) [Adelung]


Der Straßenfahrer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Seestädten, ein Schiffer, welcher durch die Straße bey Gibraltar in das mittelländische Meer schiffet; von Straße, Meerenge.


Straßengeleit (W3) [Adelung]


Das Straßengeleit, des -es, plur. die -e, das Geleit, so fern es Sicherheit auf den öffentlichen Straßen gewähret, und auch nur das Geleit schlechthin genannt wird, S. dieses Wort.


Straßengericht (W3) [Adelung]


Das Straßengericht, des -es, plur. die -e. 1. Ein Gericht, welches auf öffentlicher Straße gehalten wird, in welcher Bedeutung es doch nicht mehr gebräuchlich ist. 2. Die Gerichtbarkeit über die öffentlichen Landstraßen, wo es noch an manchen Orten in weiterm Verstande üblich ist, die allgemeine Gerichtbarkeit zu bezeichnen, zum Unterschiede von den Zaun- oder Pfahlgerichten, welche sich nur über den Bezirk eines Dorfes erstrecken, wo es im Plural allein am üblichsten ist.


Straßenraub (W3) [Adelung]


Der Straßenraub, des -es, plur. car. ein Raub, d. i. gewaltsame Entwendung fremden Eigenthumes, welche auf der öffentlichen Straße begangen wird. Einen Straßenraub begehen. In den Schwabensp. Strauzraub.


Straßenräuber (W3) [Adelung]


Der Straßenräuber, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Straßenräuberinn, eine Person, welche eines Straßenraubes schuldig ist. Strassrouber, in einer Verordnung Kaiser Friedrichs von 1236. Schwed. Statrösvare. Daher die Straßenräuberey, das Rauben auf der öffentlichen Straße, straßenräuberisch, nach der Art der Straßenräuber.


Straßenrecht (W3) [Adelung]


Das Straßenrecht, des -es, plur. die -e, ein Recht, welches die Obrigkeit den Straßen zur Sicherheit und Bequemlichkeit der Reisenden verliehen hat.


Straßensünde (W3) [Adelung]


Die Straßensünde, plur. die -n, in den Rechten, Sünden, d. i. Verbrechen, welche auf der Landstraße begangen werden; z. B. Verfahrung der Zölle, Beschädigung des Gutes eines andern auf der Straße u. s. f.


Straßenzoll (W3) [Adelung]


Der Straßenzoll, des -es, plur. die -zölle, ein Zoll, welcher für die Erhaltung der Straßen von den Reisenden entrichtet wird; das Wegegeld.


Straube (W3) [Adelung]


Die Straube, plur. die -n, Diminut. das Sträubchen, Oberd. Sträublein, ein straubiges, d. i. unebenes mit einer höckerigen oder rauhen Oberfläche versehenes Ding, ingleichen eine solche Fläche an einem Dinge; ein nur noch in einigen Fällen übliches Wort. 1. Der Bart, d. i. rauche Theil an einem Holze, Stecken u. s. f. welcher von Schlägen oder Stoßen herrühret, heißt die Straube. Im Bergbaue werden auch die kleinen abgeschlagenen Stückchen von den eisernen Werkzeugen Strauben genannt, weil sie anfänglich ähnliche Bärte sind. 2. Die Spritzkuchen, heißen in vielen Gegenden so wohl Ober- als Niederdeutschlandes Strauben, Nieders. Struve, Schwed. Strufva, vermuthlich auch wegen ihrer rauhen gewundenen oder gerippten Oberfläche; Lat. Strebulum, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gewunden. Bey den alten Römern war auch Strues eine Art Gebackenes.

Anm. Im Nieders. ist struuf, rauh, farbig, und figürlich herbe. S. das folgende.


Sträuben (W3) [Adelung]


Sträuben, verb. reg. act. 1. Straubig machen, besonders von der Emporrichtung der Haare und Federn. Der Hahn sträubt seine Federn, wenn er sie senkrecht in die Höhe richtet. Noch mehr als ein Reciprocum, sich sträuben. Hier sträubet sich der Petz, der Bär, Haged. ( S. Straubhuhn.) 2. Sich mit Händen und Füßen widersetzen, und in weiterer Bedeutung sich heftig widersetzen; nur als ein Reciprocum. Sich wider jemanden sträuben, sich wider alle Zucht und Ordnung sträuben. Sich wie ein eigensinniges Kind sträuben. Der Trieb der Selbsterhaltung sträubt sich gegen die Lebensgefahren, Sonnenf. Dawider sträubt sich die Vernunft. So auch das Sträuben.

Anm. Bey dem Stryker straupen, im Nieders. strüven, im Engl. to strive. Es ist mit streben verwandt, und bedeutet zunächst eine heftige widerstehende Bewegung, wovon der Begriff des Rauhen eine Figur ist. Im Nieders. ist sich sträuben auch sich brüsten, groß, stolz thun.


Straubhuhn (W3) [Adelung]


Das Straubhuhn, des -es, plur. die -hühner. 1. Eine Art Fasanen mit straubigen Köpfen; Phasianus crispus Linn. Das männliche Geschlecht heißt der Straubhahn. 2. Siehe Straußhahn.


Straubig (W3) [Adelung]


Straubig, -er, -ste, adj. et adv. von langen emporstehenden Theilen rauh oder rauch. So könnte man einen Distelkopf straubig nennen. Am üblichsten ist es indessen von den auf solche Art unordentlich emporstehenden Haaren und Federn. Das ungebundne Haar stoß straubig um das Haupt, Less. Es ist von Straube, eine Sammlung solcher emporstehender Theile. Von sträuben hat man im Niedersächsischen das Beywort strüfsk, für straubig, was sich sträubt, welches aber im Hochdeutschen unbekannt ist. Im Oberdeutschen ist für straubig auch straubachtig üblich. Im gemeinen Leben hat man davon auch das Intensivum struppig, sehr straubig. S. Strobel.


Straubrad (W3) [Adelung]


Das Straubrad, des -es, plur. die -räder, in der Hydraulik, ein unterschlächtiges Wasserrad, an welchem die Schaufeln auf der Stirn eingesetzt und an den Enden mit Stecken oder Stäben verwahret worden, zum Unterschiede von dem Staberrade. Ein solches Rad mit seinem Zugehör wird in dem Mühlenbaue ein Straubzeug genannt. Vermuthlich auch wegen des straubigen Ansehens eines solchen Rades.


Straubschnecke (W3) [Adelung]


Die Straubschnecke, plur. die -n, eine Art gewundener einfächeriger Schnecken, deren Schale sich auf der Seite erweitert; Strombus Linn. Gleichfalls wegen der Strauben, oder durch die Windung entstandener Ungleichheiten. Die Schraubenschnecke, Turbo, ist davon noch unterschieden, wird aber auch von einigen Straubschnecke genannt.


Straubzeug (W3) [Adelung]


Das Straubzeug, des -es, plur. die -e, S. Straubrad.


Strauch (W3) [Adelung]


1. * Der Strauch, des -es, plur. car. das Herumstreichen, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, S. Strauchdieb.


Strauch (W3) [Adelung]


2. * Der Strauch, des -es, plur. die -e, die Handlung des Strauchelns oder Stolperns, ein im Hochdeutschen gleichfalls veraltetes Wort. Das Schwein hieb das Pferd in den Bauch, Davon es nahm ein wilden Strauch Und todt nieder viel zu der erd, Theuerd. Kap. 61. S. Straucheln.


Strauch (W3) [Adelung]


3. Der Strauch, des -es, plur. die Sträuche, in den gemeinen Mundarten Sträucher, Dimin. das Sträuchlein, eine verworren gewachsene Stande mit holzigen Stängeln, ( S. Staude,) wo der Unterschied zwischen beyden gezeigt worden. Mit Sträuchen bewachsen. Kaum hatte er diese Worte gesagt, als er von mir und in die Sträucher (Sträuche) eilte, Raben. Da sah ich durch die Sträuche Mein Mädchen bey (an) dem Teiche, Uz. Du rufest zwischen Rohr und Sträuchen, Haged. von dem Guckuck. Der Haselstrauch, besser die Haselstaude, weil sie nicht verworren gewachsen ist, der Dornstrauch, Brombeerstrauch, Wachholderstrauch, Rosenstrauch, wenn er verworren gewachsen ist, u. s. f. Das Collectivum davon ist Gesträuch und Strauchwerk.

Anm. Im Nieders. Struuk. Wachter leitet es von dem Gothischen Triu, ein Baum, Engl. Tree, her. Allein die verworrene straubige Gestalt ist ohne Zweifel der Stammbegriff, daher dieses Wort von Straube, und Strauß nur im Endlaute verschieden ist. Im Ital. ist Rovo, ein Strauch, Lat. Rubus, welches zu Straube gehöret, so wie Strauch nach Abziehung des nicht zum Stamme gehörigen st zu rauh und rauch gerechnet werden muß. Im Nieders. ist Struddik, und ohne st Ruddick, ein nie- driges verworrenes Gesträuch, welches zu Strauß, Niedersächs. Struut gehöret.


Strauchbirke (W3) [Adelung]


Die Strauchbirke, plur. die -n, eine in Sibirien einheimische Art Birken, welche in Gestalt eines Strauches wächst; Betula fruticosa Linn.


Strauchdieb (W3) [Adelung]


Der Strauchdieb, des -es, plur. die -e, ein herum streichender Dieb, besonders, so fern er seine Dieberey auf öffentlichen Straßen ausübt, ein Straßenräuber. Im Nieders. Struukröver. Alle Wortforscher leiten es von dem vorigen Strauch ab, und erklären es, so wie Buschklepper, von einem Räuber, welcher in den Sträuchen und Gebüschen auf die Reisenden lauert. Allein selbst dem Frisch zu Folge war Strauch ehedem die Handlung des Herumstreichens, besonders in Absicht zu rauben, daher auf den Strauch gehen, darauf ausgehen, und das Strauchreiten, das Rauben auf den Straßen zu Pferde; so daß die erste Hälfte dieses Wortes vielmehr zu streichen, herum streichen, herum streifen, zu gehören scheinet.


Straucheln (W3) [Adelung]


Straucheln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, im Gehen anstoßen und aus dem Gleichgewichte kommen, in der anständigern Sprechart für das niedrigere stolpern. Ich hätte schier gestrauchelt, Ps. 73, 2. Mein Fuß hat gestrauchelt, Ps. 94, 18. Rosse die nicht straucheln, Es. 63, 13. Über einen Stein straucheln. Ingleichen figürlich, einen Fehltritt, das ist, einen Fehler begehen. Der Mensch strauchelt oft. Er siehet, daß er auf der Bahn der Tugend bald mit langsamen, bald mit strauchelnden Tritten einher gehet, Gell. So auch das Straucheln.

Anm. Im Nieders. strükeln, im Holländ. strukelen, im Engl. to struggle, im Ital. sdrucciolare, im Wallisischen trwccio. Es ist das Intensivum oder Iterativum von dem noch im Oberdeutschen in eben dieser Bedeutung gangbaren strauchen. Da straucht sein Roß, Hagen, in der Österreich. Chronik. Sie haben gestraucht uff ebener Erd. Kaisersb. Daß er zu der erd strauchen tet, Theuerd. Kap. 37. Wo man auch das Hauptwort der Strauch, die Handlung des Strauchelns hat, ( S. dasselbe.) Es ist mit streichen verwandt, so fern dasselbe auch eine gelinde Art des Anstoßens bedeutet, und eine Onomatopöie desselben ist. Einige Sprachlehrer legen diesem Zeitworte das Hülfswort seyn bey, welches aber wider den ganzen Hoch- und Oberdeutschen Sprachgebrauches streitet, zumahl da auch die Bedeutung des Anstoßens mehr Thätigkeit als Leiden voraus setzet. In den gemeinen Sprecharten hat man für straucheln auch die Wörter strunkeln, sturcheln, stürcheln, strumpeln, schnubbeln u. s. f. Siehe auch Stolpern.


Strauchen (W3) [Adelung]


Der Strauchen, des -s, plur. inus. ein nur in einigen Oberdeutschen Mundarten für Schnupfen übliches Wort. Den Strauchen haben, den Schnupfen. Vermuthlich als eine Onomatopöie der damit verbundenen rauhen Stimme.


Strauchhaupt (W3) [Adelung]


Das Strauchhaupt, des -es, plur. die -häupter, in dem Wasserbau, ein Haupt, das ist, in das Wasser hinein gehendes Bollwerk, welches aus Strauchwerk oder Faschinen verfertiget wird; zum Unterschiede von einem Steinhaupte, oder hölzernen Haupte.


Strauchherd (W3) [Adelung]


Der Strauchherd, des -es, plur. die -e, eine Art Vogelherde auf freyem Felde, welche mit grünen Sträuchen und Büschen umsetzt werden; der Buschherd.


Strauchicht (W3) [Adelung]


Strauchicht, adj. et adv. einem Strauche ähnlich.


Strauchklee (W3) [Adelung]


Der Strauchklee, des -s, plur. car. eine Art des Klees, welche wie ein Strauch wächst; Cytisus hirsutus Linn.


Strauchmelde (W3) [Adelung]


Die Strauchmelde, plur. inus. eine Art Melde, welche strauchartig wächset; Atraphaxis Linn.


Strauchwerk (W3) [Adelung]


Das Strauchwerk, des -es, plur. inus. ein Collectivum, mehrere Sträuche und Arten derselben zu bezeichnen; das Gesträuch.


Strauß (W3) [Adelung]


1. Der Strauß, des -es, plur. die Sträuße, ein Wort, welches einem mit einem Getöse verbundenen Streit, einen Kampf, "Handgemenge", ingleichen Gefecht, Treffen bedeutet, in welchen Fällen es ehedem sehr häufig war. Es kamen aus dem Straus die viert Tail chaum heraus, ein alter Dichter in Eccards Script. bey dem Frisch. Ich habe nur die führnehmsten Sträuße und Kriegsthaten angezogen, Wurstisen. Mit einem einen Strauß halten, einen Kampf, eine Schlägerey mit ihm haben, einen heftigen Streit. Mit großem Straus Ist die gemein alle empor Und helt dort auf dem Platz darvor, Theuerd. Kap. 95. Die Nachbarn hegen Zank und Strauß, Opitz. Es ist im Hochdeutschen nur noch hin und wieder im gemeinen Leben üblich, wo man noch zuweilen höret, das war ein harter Strauß, ein harter Kampf oder Streit. Es wird einen harten Strauß setzen, Streit. Anm. Es ist von Streit nur im Endlaute unterschieden, und scheinet ein Überbleibsel der ältesten Oberdeutschen Mundart zu seyn, welche statt des t so gern den Zischlaut anbringet. Es ahmet ursprünglich das mit einem Streite verbundene Getöse nach, und gehöret nach Abzug der intensiven Vorlaute zu dreschen, dröschen, rasen, rauschen, rasch, rusch u. s. f. In der ersten aus dem Theuerdanke angeführten Stelle scheinet es noch für Geräusch, Getöse zu stehen.


Strauß (W3) [Adelung]


2. Der Strauß, des -es, plur. die -e, Oberd. des -en, plur. die -en, der Nahme des größten unter allen Vögeln, welcher zu den Sumpfvögeln mit kurzem Schnabel gehöret, nur zwey Zehen hat, überaus schnell läuft, hingegen wegen seiner kleinen Flügel zum Fliegen ungeschickt ist. Er ist in Arabien und Afrika einheimisch, und lebt von Kräutern und Feldfrüchten. Struthio Linn. Besonders dessen Struthio Camelus, zum Unterschiede von dem Casuar, Struthio Casuarius. Deutsch auch der Straußvögel; Ital. Struzzo, Angels. Strutha, Schwed. Struss, Engl. Ostrich. Estrich, Pohln. Strus. Die Lateinischen Nahmen Struthio, Struthius, Struthiocamelus kommen schon bey dem Plinius vor; indessen scheinet die strauß- oder büschelförmige Gestalt des Schwanzes, dessen Federn wie ein Strauß empor stehen, der Grund der Benennung zu seyn, ( S. das folgende;) wenn selbige nicht vielmehr in seinem schnellen Gange zu suchen ist, da denn das Nieders. stryden, mit weiten Schritten gehen, in Betrachtung kommt, so wie der Englische Nahme Ostrich, zunächst zu streichen, sich schnell fortbewegen, gehören würde. Wenn das Goldhähnchen, in einigen Gegenden im Diminut. Sträußlein genannt wird, so geschiehet es wegen des Straußes oder Federbusches auf dem Kopfe. S. Goldhähnlein.


Strauß (W3) [Adelung]


3. Der Strauß, des -es, plur. die Sträuße, (im gemeinen Leben die Sträußer,) Diminut. das Sträußchen, Oberd. Sträußlein, eigentlich eine straubige Sammlung mehrerer Dinge, ein Büschel, wo es doch nur in einigen Fällen üblich ist. Ein Büschel empor stehender Federn, dergleichen manche Vögel besonders auf dem Kopfe haben, wird noch zuweilen ein Strauß und Federstrauß genannt, ( S. das vorige, und einige der folgenden Zusammensetzungen). Am üblichsten ist es von einem Büschel mehrerer zierlich zusammen gebundener Blumen, ein Blumenstrauß, oder nur Strauß schlechthin, im Oberd. die Schmecke, das Schmeckerle, von schmecken, riechen, im Nieders. Kasse, Franz. Bouquet. Sträuße winden. In der Kräuterkunde ist der Strauß ein aus mehrern Blüthen bestehende Blume, wo die erstern auf verschiedenen Stängeln und Nebenstängeln vertheilet sind; Panicula Linn. welche andere nicht so schicklich eine Rispe nennen.

Anm. Ohne Zischlaut ist im Engl. Truss, ein Büschel. Die Sammlung mehrerer Dinge ist der Stammbegriff, und dieser ist eine Figur von Strauß, Geräusch, Getöse, ( S. 1 Strauß.) Ehedem war auch strußen für sträuben üblich, wovon Frisch einige Beyspiele anführet. Der Plural Sträußer ist nur im gemeinen Leben, vielleicht auch nur in Meißen üblich, indessen ließ sich Gottsched dadurch verleiten, ihn für den einzigen richtigen auszugeben und ihn wider allen auch noch so gegründeten Widerspruch zu vertheidigen. Das von ihm zum Beweise angeführte Sträußermädchen selbst ist nur in der Sprache des gemeinen Lebens einheimisch. S. auch -er.


Strauß-Bastard (W3) [Adelung]


Der Strauß-Bastard, des -es, plur. die -e, ein dem Strauße sehr ähnlicher Vogel, nur daß er drey Zehen hat, übrigens aber dem Strauße an Größe und Gestalt nahe kommt, so wie er zum Fliegen gleichfalls ungeschickt ist; Struthio-nothus Klein. Ohnschwanz. Er ist in Süd-Amerika einheimisch.


Straußfink (W3) [Adelung]


Der Straußfink, des -en, plur. die -en, eine Art Finken, mit einem rothen Strauße oder Federbusche auf dem Kopfe; Fringilla cristata Klein.


Straußgras (W3) [Adelung]


Das Straußgras, des -es, plur. inus. eine Grasart, dessen kleine Blüthen einen großen, weit ausgebreiteten flatterigen Strauß ausmachen; Agrostis Linn.


Straußhahn (W3) [Adelung]


Der Straußhahn, des -es, plur. die -hähne, in einigen Gegenden ein Nahme derjenigen Sand- oder Strandläufer, deren Männchen mit einem brausenden Geräusche beständig mit einander kämpfen, und welche auch Braushähne genannt werden; Tringa pugnax Linn. Von Strauß, Kampf, Streit, sonst auch Kampfhahn, Straubhahn, weil sie sich dabey straubig machen. Straußhuhn bezeichnet theils das weibliche Geschlecht, theils auch das Thier ohne Rücksicht seines Geschlechtes.


Straußmeise (W3) [Adelung]


Die Straußmeise, plur. die -n, eine Art Meisen mit einem bunten Strauße oder Federbusche auf dem Kopfe; Parus cristatus Klein. Haubenmeise, Häubelmeise, Schopfmeise, Kobelmeise.


Strauß-Pomeranze (W3) [Adelung]


Die Strauß-Pomeranze, plur. die -n, eine Art Pomeranzen, deren Blätter und Früchte wie in Sträußen oder Büscheln zusammen wachsen.


Straußrabe (W3) [Adelung]


Der Straußrabe, des -n, plur. die -n, ein dem Raben ähnlicher aber sehr bunter Mexicanischer Vogel, welcher einen langen Strauß oder Federbusch auf dem Kopfe hat; Corvus cristatus Klein.


Straußsperling (W3) [Adelung]


Der Straußsperling, des -es, plur. die -e, gleichfalls ein Mexicanischer einem Sperling ähnlicher Vogel, mit einem herab hangenden Strauße oder Federbusche; Passer in occipite cristatus Linn.


Straußtaucher (W3) [Adelung]


Der Straußtaucher, des -s, plur. ut nom. sing. eine große Art Taucher mit einem Strauße oder Federbusche auf dem Kopfe; Colymbus major cristatus Klein. Straußzaucher, Kobelzeucher, S. auch Grebe.


Straußvogel (W3) [Adelung]


Der Straußvogel, des -s, plur. die -vögel, Siehe 2. Strauß.


Straußzaucher (W3) [Adelung]


Der Straußzaucher, S. Straußtaucher.


Strebe (W3) [Adelung]


Die Strebe, plur. die -n. 1. In der Zimmermannskunst, eine schräge stehende Stütze, weil sie durch ihr Streben einen andern Körper in seiner Lage erhält. 2. Die Handlung des Strebens, ohne Plural, nur in einigen Gegenden. Sich zur Strebe setzen, sich widersetzen, sträuben. Daher es denn figürlich zuweilen auch die schiefe von der senkrechten Linie abweichende Richtung bedeutet. Eine Stütze zur Strebe setzen, nach schiefer Richtung gegen einen andern Körper. Nieders. Streve. 3. In dem Bergbaue einiger Gegenden, z. B. zu Eisleben, wird das Untere der Schiefer die Strebe genannt, vielleicht auch weil die obern Schiefer darauf streben oder drucken.


Strebeband (W3) [Adelung]


Das Strebeband, des -es, plur. die -bänder, in der Zimmermannskunst, Bänder, d. i. lange schräg liegende Bauhölzer welche in einem Hängewerke gegen den Ständer streben, um zugleich das Biegen des Balkens, worauf sich beyde befinden, zu verhindern; die Streben.


Strebekatze (W3) [Adelung]


Die Strebekatze, plur. die -n, im gemeinen Leben. 1. Eine Katze, welche sich sträubet, widerstrebet, und figürlich eine Person, welche sich ungebührlich widersetzet. 2. Auch ein Spiel gemeiner Kinder und junger Leute, da ein Theil an einem Seile ziehet, und der andere mit den Füßen widerstrebet; ohne Plural. Strebekatze spielen. Nach dem Bremischen Wörterbuche ist es auch eine Art Meklenburgischer und Pommerschen Münze, welche auf der einen Seite den Wendischen Greif in einer sträubenden Stellung zeiget.


Streben (W3) [Adelung]


Streben, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, alle Kräfte zu etwas anwenden, mit Anwendung aller Kräfte wirken, zunächst von den Kräften des Leibes, in weiterm Verstande aber auch, von andern. Überall wo Kraft strebt, wo Wirkung erscheinet, Herd. Der über die Alltäglichkeit hinweg strebende Schwung der Seele, Zimmerm. Besonders einen Widerstand zu überwinden, wo es eigentlich so, wie das verwandte sträuben, von lebendigen Geschöpfen gebraucht, sich mit Händen und Füßen widersetzen bedeutet. Strebet nicht wider den Strom, Sir. 4, 31. Als auch durch Anwendung der größten möglichen Kraft sich widersetzen, welches bey leblosen Körpern, zum Theil auch bey lebendigen, durch die schiefe Richtung geschiehet, von welcher Bedeutung noch das Wort Strebe üblich ist. Ingleichen einen Endzweck zu erreichen. Jeder strebte, zuerst ans Land zu kommen. Du strebest glücklicher zu werden, Und siehst, daß du vergebens strebst, Gell. Lied. Besonders mit dem Vorworte nach; nach etwas streben. Strebet nicht so nach dem Tode, Weish. 4, 12. Strebet nach den besten Gaben, 1 Cor. 12, 31. Strebet fleißig nach der Liebe, Kap. 14, 1. Nach Lob, nach Ehre, nach höhern Dingen, nach einem Amte streben. So auch das Streben. S. auch Bestreben, Nachstreben und Widerstreben.

Anm. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen streven, im Nieders. streven, im Angels. straefan, im Schwed. strafva, im Engl. to strive. Es ist ohne Zweifel eine Onomatopöie des Strebens selbst, und in so fern mit dem Lat. Intensivo strepere verwandt. Eine Art des Strebens ist im Nieders. striven, weite Schritte machen, mit weiten Schritten fortgehen, Angels. straefen, im Deutschen noch in einigen Fällen streifen. Auf ähnliche Art bedeutet das Niedersächsische striden, so wohl streiten, als schreiten, und unser traben wurde ehedem auch für streben gebraucht. Do in mit Ritterschaft nyemand wider drabt, widerstrebt, Hornegk. Straff, Sträuben u. a. m. sind gleichfalls damit verwandt.


Strebepfahl (W3) [Adelung]


Der Strebepfahl, des -es, plur. die -pfähle, ein schräge stehender Pfahl, welcher zur Stütze dienet, ein Pfahl, so fern er eine Strebe ist.


Strebepfeiler (W3) [Adelung]


Der Strebepfeiler, des -s, plur. ut nom. sing. ein gemauerter Pfeiler an einer Futtermauer, welcher nach oben schräge an die Mauer anläuft, selbige zu verstärken, ein Pfeiler, welcher zur Strebe dienet.


Strebestange (W3) [Adelung]


Die Strebestange, plur. die -n, eine schräge stehende Stange, so fern sie einem Dinge zur Stütze dienet, dergleichen die Strebestangen an den Netzen und Tüchern im Jagdwesen sind.


Streckbar (W3) [Adelung]


Streckbar, -er, -ste, adj. et adv. fähig gestreckt oder ausgedehnt zu werden, dehnbar. So auch die Streckbarkeit.


Streckblock (W3) [Adelung]


Der Streckblock, des -es, plur. die -blöcke, im Baue der Kähne und Flußschiffe, die Blöcke, welche zu Unterlagen für den Boden des Kahnes dienen, auf welchen derselbe gestreckt, d. i. der Länge nach zusammen gesetzt wird.


Strecke (W3) [Adelung]


Die Strecke, plur. die -n, von dem Zeitworte strecken. 1. Ein Werkzeug zum Strecken, in einigen Fällen. So ist die Strecke oder Recke bey den Riemern ein langer Baum zwischen zwey Docken, womit das große Leder gestrecket oder ausgedehnet wird. Bey den Lohgärbern ist die Strecke oder das Streckeisen ein rundliches Eisen in einem Ständer, die Schaffelle damit zu strecken. 2. Ein sich erstreckender oder ein ausgedehnter Raum von unbestimmter Größe, besonders ein in die Länge ausgedehnter Raum. Eine lange Strecke, Dimin. das Streckchen; wofür zuweilen auch Strich üblich ist. Eine Strecke Landes, ein Strich Landes. Die Pferde liefen eine gute Strecke wieder zurück. Es ist noch eine gute Strecke bis dahin. Gehen sie noch ein Streckchen mit. Seestrecken, Strecken oder Räume auf der See. Im Bergbaue sind die Strecken Örter oder horizontale Kanäle, welche wie ein Stollen getrieben werden, nur daß sie nicht die Länge derselben haben. Daher die Wasserstrecke, wenn sie dienet Wasser abzulassen; die Förderstrecke, Berge oder Erz den nächsten Weg an das Füllort zu bringen u. s. f. Nieders. Strecke, Engl. Stretch, Schwed. Sträcka.


Streckeisen (W3) [Adelung]


Das Streckeisen, des -s, plur. ut nom. sing. S. das vorige. 1.


Strecken (W3) [Adelung]


Strecken, verb. reg. act. heftig oder sehr in die Länge ausdehnen, wie das niedrigere recken. 1. Eigentlich. Das Leder strecken, bey den Gärbern und andern Lederarbeitern, es durch Ziehen in die Länge ausdehnen. Bey den Jägern wird der Zeug gestreckt, wenn die Leinen scharf angezogen und die Tücher und Netze dadurch ausgedehnet werden. Die Schmiede strecken ein Stück Eisen, wenn sie es länger und dünner schmieden, im Gegensatze des Stauchens. Sich strecken, sich dehnen, in der niedrigen Sprechart sich recken, in Baiern sich stranzen. Figürlich, alle Kräfte an etwas strecken, wofür man doch lieber sagt, alle Kräfte anstrengen. Ich strecke mich zu dem was da vornen ist, Phil. 3, 23; eine gleichfalls veraltete Figur. Sehr oft verlieret sich der Begriff der Heftigkeit oder der scharfen Anstrengung, und lässet nur den Begriff der Ausdehnung in die Länge übrig. Ein fleißiges Weib strecket ihre Hand nach dem Rocken, Sprichw. 31, 19. ( S. Ausstrecken.) Sich in das Gras strecken, legen. Indeß, daß er einsam ins Gras gestreckt mit irrenden Blicken den Himmel durchlief, Geßn. Sich nach der Decke strecken, sich nach seinen Kräften, nach seinem Vermögen richten. Alle viere von sich strecken, ausgestreckt da liegen im gem. Leben. Der Weg streckt sich sehr in die Länge. Daher wird gestreckt zuweilen für lang gebraucht. Ein Pferd ist gestreckt wenn es eine schöne Länge hat. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung, so daß auch der Begriff der Ausdehnung verschwindet. Die Jäger strecken das geschossene Wildbret, wenn sie es auf den Boden der Länge nach hinlegen. Das Gewehr strecken, es der Länge nach auf den Boden legen. Im Bergbaue wird das Feld gestreckt, wenn es der Länge nach vermessen wird. Wenn Frisch behauptet, daß strecken in einigen Gegenden auch pflügen bedeute, so ist er ohne Zweifel durch das Nieders. strecken dazu verleitet worden, welches den Acker stürzen, ihn zum ersten Mahle pflügen bedeutet, und im Hochdeutschen nicht strecken sondern streichen heißt. So auch das Strecken.

Anm. Bey dem Kero, Notker u. s. f. strecchan, im Nieders. gleichfalls strecken, im Schwed. sträcka, im Angels. strecan, im Engl. to stretch. Es ist vermöge des verdoppelten Gaumen- lautes ein Intensivum von streichen, und gehöret zu dem Geschlechte der Wörter Strich, strack (Lat. stricte,) und ohne Zischlaut zu dem Nieders. trecken, ziehen, und ohne t zu recken, reichen, richten u. s. f. Das vorgesetzte st scheinet hier ein Intensivum zu bezeichnen. Ehedem ging es irregulär, in welcher Form es noch in einigen Gegenden üblich ist, ich strackte, gestrackt, bey dem Stryker ich strachte.


Streckengestänge (W3) [Adelung]


Das Streckengestänge, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein Gestänge, welches wegen Entfernung des Kunstschachtes von dem wassernöthigen Gebäude durch Kreuzwellen und Arme in einer horizontalen Strecke fortgeführet wird.


Streckhammer (W3) [Adelung]


Der Streckhammer, des -s, plur. die -hämmer, der Hammer in einem Hammerwerke, vermittelst dessen das Eisen gestrecket, d. i. in die Länge ausgedehnet wird.


Streckteich (W3) [Adelung]


Der Streckteich, des -es, plur. die -e, eine Art Karpfenteiche, worein der zweyjährige Same gesetzt wird, damit er sich darin strecke, d. i. zur gehörigen Größe wachse, in einigen Gegenden der Erstreckteich; zum Unterschiede von dem Streichteiche und Setzteiche.


Streckwalze (W3) [Adelung]


Die Streckwalze, plur. die -n, die Walzen in einem Streckwerke, zwischen welchen die Silberzaine gestrecket oder gewalzet werden.


Streckwerk (W3) [Adelung]


Das Streckwerk, des -es, plur. die -e, in den Münzen, bey den Goldschlägern u. s. f. eine Maschine, wo die Gold- und Silberzaine zwischen zwey stählerne Walzen gestrecket, d. i. länger und dünner gepresset werden.


Strehne (W3) [Adelung]


Die Strehne, S. Strähne.


Streich (W3) [Adelung]


Der Streich, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte streichen, wo es doch nur in einigen Bedeutungen desselben üblich ist, indem in andern Strich Statt hat. 1. Von streichen, mit einem Zuge, oder einer ziehenden Bewegung hauen oder schlagen, ist der Streich zuweilen eine solche ziehende Bewegung. So wird z. B. die Bewegung eines Penduls, indem es sich von einem Puncte zu dem andern schwinget, ein Streich genannt. Zwey solcher Streiche machen eine Schwingung aus. Noch häufiger ein mit einem solchen Zuge gegebener Schlag oder Hieb. Einen Kopf mit einem Streiche abhauen, mit einem Hiebe. Der Baum fällt nicht auf den ersten Streich. Der Hammerstreich, ein solcher Schlag mit einem Hammer. Da es denn auch wohl für Schläge, so fern sie eine Züchtigung sind, gebraucht wird, sie werden nun mit der Ruthe, mit der Geißel, mit dem Stocke, mit der Peitsche u. s. f. gegeben, wenn sie nur mit einer ziehenden Bewegung verbunden sind. Viele Streiche leiden, Luc. 12, 47. Ich habe fünf Mahl empfangen vierzig Streiche weniger eins, 2 Cor. 11, 24. Du wirst Streiche bekommen, mit der Ruthe oder dem Stocke. Jemanden einen Streich geben. Nur der ist unglücklich, der sich unter den Streichen der Zufälle beugt. Der Backenstreich, Stockstreich. Auch in der Fechtkunst so wohl auf den Hieb als mit der bloßen Hand, ein solcher Hieb oder Schlag. Jemanden einen Streich beybringen. Einem Streiche ausweichen, ihn auspariren. Den Streich wohl anbringen. So auch Luftstreich, Fehlstreich, Meisterstreich. 2. Eine schnelle oder unerwartete listige oder auch nur muthwillige Handlung wird häufig ein Streich genannt. Ein artiger Streich, ein artige lustige Handlung. Jemanden einen Streich spielen, ihn durch eine List hintergehen, durch eine boshafte oder muthwillige Handlung beleidigen. Das ist ein boshafter Streich. Verliebte Streiche. Er kann seine Streiche nicht lasse. Diebsstreich, Possenstreich, Schelmenstreich, Staatsstreich, Hauptstreich alle in der Bedeutung listiger, oft auch betrüglicher Handlungen; Bubenstreich, Jungenstreich, niedrige muthwillige Handlungen. Da es denn in den niedrigen Sprecharten oft von einer jeden Begebenheit gebraucht wird. Denke den verwünschten Streich, der mir begegnet, Weiße.

Anm. Im Nieders. Strek, im Engl. Stroke. Das Schwed. Strek bedeutet so wohl einen Strick, als einen Streich oder Betrug, daher Ihre die letzte Bedeutung als eine Figur von einem Fallstricke ansiehet. Allein es scheinet, daß unser Streich in seiner zweyten Bedeutung von dem Streichen der Fechtkunst, besonders der ältern Art derselben, sich ohne Gewehr mit der bloßen Hand zu schlagen, entlehnet ist, indem ein solcher Streich mit List und Geschicklichkeit angebracht werden muß. Wenn dieß nicht wäre, so könnte man es von triegen und betriegen, Franz. tricher, Engl. trick, Nieders. betrecken, ableiten, von welchem es mit vorgesetztem Zischlaute gebildet worden.


Streichbank (W3) [Adelung]


Die Streichbank, plur. die -bänke, in dem Zeug Manufacturen, eine Bank, oder ein Tisch, worauf die Baumwolle gestrichen, d. i. gekämmet wird.


Streichbaum (W3) [Adelung]


Der Streichbaum, des -es, plur. die -bäume. 1. Bey den Lohgärbern, ein der Länge nach ausgehöhlter Baum, das Leder darauf zu streichen oder zu beschaben. 2. An den Weberstühlen, ein Baum unter der Lade, über welchen der fertige Zeug von dem Brustbaume streicht, ehe er auf den Zeugbaum aufgewickelt wird.


Streichblech (W3) [Adelung]


Das Streichblech, des -es, plur. die -e, an den Thürschlössern, das Blech an den Thürpfosten, in dessen Löcher die Riegel des Schlosses fallen; vermuthlich, weil die Thür im Zumachen daran streicht; sonst auch das Schloßblech.


Streichblume (W3) [Adelung]


Die "Streichblume", plur. die -n.

1. Ein Nahme der "Rainblume", "Gnaphalium Stoechas Linn." (S. "Rainblume")

2. Eine Art Kamillen, deren gelbe Blumen schön citronengelb färben, und welche auf unbeschatteten dürren Wiesen so wohl als auf den Mauern einheimisch ist; "Anthemis tinctoria Linn." "Färbe-Kamille", "Gilbblume", "Rindsauge".


Streichbret (W3) [Adelung]


Das Streichbret, des -es, plur. die -er, ein an der rechten Seite des Pfluges schief gestelltes Bret, welches die von dem Boden abgelösete Erdfurche auf die Seite streichet; in einigen Gegenden das Ohr, das Pflugbret, die Pflugstürze, welche mit der Pflugsterze nicht zu verwechseln ist.


Streichbürste (W3) [Adelung]


Die Streichbürste, plur. die -n, bey den Kattundruckern, eine Bürste, die Farbe auf den Farberahmen damit aus einander zu streichen.


Streiche (W3) [Adelung]


Die Streiche, plur. die -n. Ein Werkzeug zum Streichen, doch nur in verschiedenen einzelnen Fällen. Bey den Tuchmachern ist es eine Art "Kardätschen", welche kleiner als die Krämpeln sind, und mit welchen die Wolle gestrichen oder gekämmet, und dadurch zum Kniestreichen vorbereitet wird. Sie werden auch Scrubeln genannt. Die Kniestreiche ist die feinste und schmäleste Art "Kardätschen". Bey den Bäckern ist die Streiche ein Pinsel von Kornähren, das Brot mit Wasser oder Eygelb zu bestreichen. Die Streichen der Tuchbereiter sind eine Art "Kardätschen", womit das gewalkte Tuch gestrichen oder gerauhet wird. 2. Im Festungsbaue ist die Streiche diejenige Seite eines Bollwerkes, welche die Faße mit der Cortine verbindet; die Streichlinie, die Flanque, vielleicht, weil sie die Cortine bestreichet.


Streicheisen (W3) [Adelung]


Das Streicheisen, des -s, plur. ut nom. sing. ein eisernes Werkzeug zum Streichen, eine Streiche von Eisen. Das Streicheisen der Lohgärber ist eine krumme Klinge mit zwey Handgriffen, die Häute damit zu streichen, d. i. die Haare abzuschaben; das Haareisen Schabeisen. Mit einem ähnlichen Streicheisen streichen die Weißgärber nach dem Walken den Kalk aus den Fellen. Das Streicheisen der Buchbinder hat die Gestalt eines Herzens mit einem langen Stiele, gerade Linien durch Streichen in die Bücherbände einzubrennen.


Streicheln (W3) [Adelung]


Streicheln, verb. reg. act. welches das Diminutivum und Iterativum des folgenden ist, oft und sanft mit der Hand streichen, aber nur gebraucht wird, so fern dieses sanfte Streichen eine Art der Liebkosung ist. Jemanden streicheln, ihm das Kinn, die Backen, die Hand streicheln. Eine Katze, einen Hund streicheln. So auch das Streicheln. Im Nieders. strakeln, straken, fleistraken, im Oberdeutschen auch tatscheln.


Streichen (W3) [Adelung]


Streichen, verb. iireg. Imperf. ich strich, Mittelw. gestrichen, Imperat. streiche oder streich. Es ist ursprünglich, so wie alle Zeitwörter, eine Onomatopöie, welche einen gewissen bestimmten diesem Worte eigenthümlichen Laut nachahmte, und hernach von allen den verschiedenen Veränderungen oder Handlungen gebraucht wurde, welche mit diesem Laute verbunden sind, oder unter demselben gedacht werden. Daher kommt es denn, daß dieses Wort, wie so viele andere, in so verschiedenen einander dem Scheine nach sehr unähnlichen Bedeutungen gebraucht wird. Es ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, und wenn die Bewegung mit mehreigener Thätigkeit verbunden ist, auch mit haben. 1. Als eine Onomatopöie einer schnellen von oben herab gerichteten Bewegung, für niederfahren, ablaufen; eine noch im Niederdeutschen übliche Bedeutung, Nieders. striken. Daher rufen daselbst die Arbeitsleute bey dem Auf- und Abwinden; laß streichen! laß los! laß ablaufen! Von dieser Bedeutung rühret noch der auch im Hochdeutschen übliche active Gebrauch her, die Segel streichen, S. sogleich im Activo. 2. Als eine Onomatopöie einer schnellen in horizontaler Linie ohne merkliche Zwischenräume fortgehenden Bewegung, wo es doch nur in verschiedenen einzelnen Fällen üblich ist. (a) Eigentlich. Man gebraucht es hier, 1. von der schnellen einem Zeuge ähnlichen Bewegung der Luft und des Windes. Die Luft streicht durch die Zimmer. Der Wind streicht durch die Fenster herein. Die Lüfte, so hier streichen, Sind immer ungesund, Opitz. 2. Von dem schnellen in gerader Linie gehenden Fluge mancher Vögel. Bey den Jägern streicht das Auergeflügel nach dem Geäße, wenn es darnach fliegt. Tief um das Schilfgras streicht, Die Erdschwalb und der Spatz, Hag. Besonders gebraucht man streichen von denjenigen Vögeln, welche gegen den Herbst in wärmere Länder ziehen und im Frühlinge wieder kommen. Die Vögel streichen oder streichen weg, wenn sie wegziehen; sie streichen zurück, sie streichen wieder, wenn sie zurück kommen. Daher der Strich, der Zug solcher Vögel, der Wegstrich, Wiederstrich. ( S. auch Abstreichen.) 3. Von andern Thieren und Menschen für schnell gehen, wandern, laufen; Nieders. striken, Angels. strican, Engl. to strike, Schwed. stryka, Isländ. striuka. Daher ist im Schwed. Strok, ein gebahnter Weg, eine Straße, wovon vielleicht auch unser Strauchdieb abstammet. Bey den Schwäb. Dichtern wird strichen mehrmahls für reisen, und bestrichen für bereisen gebraucht ich bin verre her gestrichen, gekommen in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Ain Arezt chom gestrichen, gegangen, Hornegk. Sie strichen hinter ihnen her im Streit, 1 Sam. 14, 22. Streichen gehn, im Nieders. davon gehen. Jetzt gebraucht man es im Hochdeutschen nur im verächtlichen Verstande. Im Lande herum streichen, wo es das Hülfswort seyn erfordert. Er ist zehn Jahre herum gestrichen; aber er hat das ganze Land durchstrichen. Den ganzen Tag auf den Gassen herum streichen. ( S. Landstreicher.) Im Oberdeutschen in dieser verächtlichen Bedeutung auch streinen, stranzen, sterzen, störzen. Figürlich kommt es auch in verstreichen, schnell vergehen, vor. (b) Figürlich, mit dem Hülfsworte haben. 1. Sich nach der Begattung sehnen, und sich wirklich begatten, wo es bey den Jägern von Hunden, Wölfen, Luchsen und Füchsen üblich ist, ohne Zweifel als eine Figur der vorigen Bedeutung, so wie laufen und läufisch seyn, in eben diesem Verstande üblich sind. Die Hündinn streicht, will laufen; sie hat gestrichen, hat sich belaufen. Mit einander streichen, sich belaufen. Ferner gebraucht man es von Füchsen, wenn sie sich begatten und in nach der Begattung den Samen und die junge Brut fahren lassen, für leichen. Die Fische streichen, wenn sie leichen. S. Streichkarpfen und Streichteich, ingleichen Strich. 2. Sich in die Länge ausdehnen, sich erstrecken, welches strecken und erstrecken ein Intensivum von streichen in dieser Bedeutung ist. Ir pris kan so hohe strichen, Burckart von Hohenfels, kann so hoch reichen, sich so hoch erstrecken. Der Garten streicht bis an den Fluß, in einigen Provinzen. Im Hochdeutschen ist es hier im bergmännischen Verstande am üblichsten, wo ein Gang streicht, wenn er sich in die Länge, d. i. nach einer der Weltgegenden ausdehnet. Das Streichen des Ganges, oder sein Streichendes, seine Ausdehnung nach einer der Weltgegenden, zum Unterschiede von seinem Fallen, d. i. seiner Richtung gegen die Horizontal-Linie. Der Gang gewinnet ein anderes Streichen, wenn er diese Richtung ändert. Er streicht von Morgen in (gegen) Abend; von Mitternacht in Mittag u. s. f. S. Strich. (1) In der schnellen Bewegung die Oberfläche eines andern Körpers berühren, wo es eine gelindere Berührung ausdruckt als streifen, und eine eigene Onomatopöie dieser Berührung zu seyn scheint. Mit dem Kleide, mit der Hand an die Mauer streichen. Es leidet hier beyde Hülfswörter seyn und haben, je nachdem die Berührung mit mehr oder weniger vorsetzlichen Thätigkeit verbunden ist. (2) Scheinet es ehedem auch eine Onomatopöie einer gedehnten oder mit vollem Munde ausgesprochenen Rede gewesen zu seyn; wenigstens setzet die folgende thätige Bedeutung, etwas heraus streichen, mit aufgeblasenen Backen loben, eine solche neutrale Bedeutung voraus, sie müßte denn eine Figur einer andern thätigen Bedeutung seyn. II. Als ein Activum, wo es besonders in einer doppelten Bedeutung üblich ist, welche sich auf zwey besondere Onomatopöien zu gründen scheinet. 1. Von oben an einem Seile niederfallen lassen; eine/nur noch in der Seefahrt übliche Bedeutung, wo es das Activum von dem vorigen Neutro streichen, niederfahren, ist, eigentlich, niederfahren machen. Die Flagge streichen, sie zum Zeichen der Ehrerbiethung an dem Flaggenstocke herunter fallen lassen. So auch die Segel streichen, so bald man sie als ein Zeichen der Ehrerbiethung fallen lässet. Da denn auch das Zeitwort streichen in beyden Fällen absolute und allein gebraucht wird: vor einem streichen, die Segel oder die Flagge. Ein Schiff zum Streichen zwingen. 2. Mit der Oberfläche eines Dinges auf der Oberfläche eines andern in die Länge hinfahren. Das Gesicht mit der Hand streichen. Das Papier glatt streichen. Etwas gerade streichen. Einem den Bart streichen. Eine Katze streichen. Den Fuchsschwanz streichen, einem andern nach dem Munde reden, im Theuerdanke den Falben streichen. Im Nieders. wird striken, streichen, auch absolute in diesem Verstande gebraucht. Er kann gut streichen, andern gut nach dem Munde reden. So fern streichen eine Art der Liebkosung ist, ist streicheln das verkleinernde Iterativum davon. Besonders werden eine Menge mit einem solchen Streichen verbundenen Handlungen oder Bearbeitungen nur streichen genannt. Den Schweiß von dem Gesichte, den Staub von dem Tisch streichen, streichend von dem Körper wegschieben, Das Geld zusammen streichen, einstreichen. Einem Kinde den Brey in den Mund streichen. Die Violine streichen, mit dem Bogen auf den Saiten streichen. Eine gute Violine streichen, für spielen. Butter auf das Brot streichen; so auch von allen weichen und flüssigen Körpern, wenn sie durch ein Streichen auf der Oberfläche des andern Körpers ausgedehnet werden, für das niedrigere schmieren. Ein Pflas=ter streichen. Eydotter auf das Brot streichen, bey den Bäckern. Ziegel streichen, sie machen, weil der weiche Thon in der Form eben gestrichen wird. Das Messer auf dem Stahle, auf dem Wetzsteine, auf der Thürschwelle streichen, es zu schärfen. Die Sense streichen, mit dem Streichholze. In Niedersachsen wird das Plätten oder Bügeln Streichen genannt. Gold und Silber auf dem Probierstein streichen, an den zurückgebliebenen Theilen dessen Güte zu erkennen. Das Getreide im Scheffel streichen, oder den Scheffel streichen, mit dem Streichholze das Getreide abstreichen, so daß es nicht über den Rand des Scheffels hervor rage. Ein gestrichener Scheffel. Bey den Zeug- und Tuchmachern wird die Wolle gestrichen, wenn sie gekämmet wird. Die Weißgärber streichen die gewalkten Felle, wenn sie den Kalk mit dem Streicheisen heraus streichen, dagegen das Streichen der Lohgärber die Haare wegnimmt. Die Hutmacher streichen die Hüte, wenn sie selbige in heißes Wasser tauchen und hernach mit demselben die überflüssige Farbe heraus streichen. Die Böttcher streichen die Dauben, wenn sie selbige mit dem Schnittmesser aushöhlen. Lerchen streichen, sie mit Netzen oder Garnen, welche auf der Erde über sie hin gezogen werden, fangen; daher das Lerchenstreichen. ( S. Streichgarn.) Mit dem Netze gestrichen, kommt schon im Schwabenspiegel vor. Ingleichen einen Strich ziehen, wo es doch nur in den Zusammensetzungen ausstreichen, unterstreichen, durchstreichen üblich ist, ( S. auch Strich.) In der Landwirthschaft einiger Gegenden ist streichen, Nieders. streken, zum ersten Mahle pflügen. Mit Ruthen streichen, hauen. Ein Kind streichen, mir der Ruthe. ( S. auch Anstreichen.) Ehedem gebrauchte man es von allen mit einer schwingenden Bewegung oder einem Hiebe verbundenen Schlägen oder Hieben, so fern das Werkzeug nach dem Schlage zugleich auf der Oberfläche an sich gezogen wird. So euch jemand in das Angesicht streichet, 2 Cor. 11, 20; für schlägt. Ich fechte also, nicht als der in die Luft streichet, 1 Cor. 9, 26; in welchen Fällen, die Züchtigung mit der Ruthe ausgenommen, es wenig mehr gebraucht wird, obgleich das Hauptwort Streich in dieser Bedeutung noch völlig gangbar ist. 3. Heraus streichen, zur Ungebühr loben. Etwas heraus streichen. ( S. das vorige Neutrum in der letzten Bedeutung.) Jetzt gebraucht man es nur im verächtlichen Verstande, von einem ungebührlichen Lobe; allein bey dem Opitz kommt es noch im edlern für preisen vor. Du, des Levi werthes Haus, Streich des Herren Lob heraus, Ps. 135. Streicht löblich aus dem Herren seine Werke, eben ders. So auch das Streichen, von der Handlung. S. auch Streich und Strich.

Anm. Im Nieders. striken, im Engl. to strike, im Schwed. stryka, im Ital. striccare, strisciare, im Latein. mit dem ein- geschobenen Nasenlaute stringere. Strecken ist in einigen Bedeutungen das Intensivum davon.


Streicher (W3) [Adelung]


Der Streicher, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine Person, welche streicht, Fämin. die Streicherinn; doch nur in einigen Fällen. So werden in den Zeug-Manufacturen diejenigen, welche die Baumwolle zwischen den "Kardätschen" streichen oder kämmen, Streicher genannt. ( S. auch Landstreicher.) 2. Ein Werkzeug zum Streichen, auch nur in einigen Fällen. So nennen die Fleischer den am Gürtel hangenden Stahl, das Messer daran zu streichen oder zu schärfen, den Streicher.


Streichfeuer (W3) [Adelung]


Das Streichfeuer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Chymie, ein Feuer, dessen Flamme über einen Körper hinstreicht; das Reverberier-Feuer. Daher die Streichofen, ein dazu eingerichteter Ofen; der Reverberier-Ofen.


Streichfisch (W3) [Adelung]


Der Streichfisch, des -es, plur. die -e, ein Fisch, welcher streicht, d. i. leicht, oder im Streichen begriffen ist. Der Streichkarpfen, wenn es ein Karpfen ist.


Streichgarn (W3) [Adelung]


Das Streichgarn, des -es, plur. die -e. 1. Ein an lange Stangen gebundenes Garn, welches man des Nachts über das Feld streicht, Hühner, Wachteln und Lerchen damit zu fangen; das Streichnetz, Netzgarn, Decknetz. 2. Ein großes Fischernetz, welches auch das Zuggarn, Schleppnetz, die Streichwathe heißt.


Streichhamen (W3) [Adelung]


Der Streichhamen, des -s, plur. ut nom. sing. im Fischfange, ein Hamen mit einer weiten Öffnung, welcher auf ähnliche Art auf dem Grunde des Wassers gestrichen oder gezogen wird, Fische darin zu fangen; der Kratzhamen.


Streichkalk (W3) [Adelung]


Der Streichkalk, des -es, plur. car. der aus Kalksteinen gebrannte Kalk, Steinkalk, weil er sich wie ein Muß streichen lässet, zum Unterschiede von dem Gypse oder Gypskalke, welcher in der Nässe bald erhärtet.


Streichkarpfen (W3) [Adelung]


Der Streichkarpfen, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Streichfisch.


Streichkäse (W3) [Adelung]


Der Streichkäse, des -s, plur. car. mit Bier oder Milch erweichter Käse, welcher sich wie Butter streichen läßt. Auch der Quark oder noch unverhärtete Käse wird, so fern er auch in dieser Gestalt auf dem Brote gegessen wird, in einigen Gegenden Streichkäse genannt.


Streichkraut (W3) [Adelung]


Das Streichkraut, des -es, plur. car. in einigen Gegenden ein Nahme des Waues, Haarkrautes oder Färbergrases, Reseda luteola L.


Streichlämmel (W3) [Adelung]


Das Streichlämmel, des -s, plur. ut nom. sing. in den Glashütten, ein Lämmel, d. i. eine Messerklinge, den obern und untern Theil der Gläser damit zu schlichten. Lämmel bedeutet in ganz Niederdeutschland eine Messerklinge und gehöret zu dem Geschlechte des Lat. Lamen, ein Blech.


Streichlinie (W3) [Adelung]


Die Streichlinie, plur. die -n, im Festungsbaue, S. Streiche.


Streichmaß (W3) [Adelung]


Das Streichmaß, des -es, plur. die -e, bey den Tischlern, ein kleines vierecktes Klötzchen, mit zwey kleinen parallelen am Ende mit einem Stachel versehenen Stangen, parallele Linien damit zu streichen.


Streichmeißel (W3) [Adelung]


Der Streichmeißel, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Meißel, d. i. langes spitziges Eisen, die Schlacken von dem flüßigen Erze damit abzustreichen.


Streichmesser (W3) [Adelung]


Das Streichmesser, des -s, plur. ut nom. sing. ein Messer, einen weichen Körper damit zu streichen. Bey den Mahlern wird auch das dünne in Gestalt eines Messers geschnittene Bret, womit die Farbe auf dem Reibesteine zusammen gestrichen wird, das Streichmesser genannt. S. Streichspatel.


Streichmonden (W3) [Adelung]


Der Streichmonden, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Weißgärbern, ein stumpfer Monden, die Felle damit zu streichen; das Streicheisen. S. Monden.


Streichnadel (W3) [Adelung]


Die Streichnadel, plur. die -n, bey den Gold- und Silberarbeitern, kleine Stangen Gold und Silber von verschiedener bekannter Feinheit, in Gestalt der Nadeln, sie auf den Probierstein zu streichen, und die unbekannte Feinheit des darneben gestrichenen andern Goldes und Silbers darnach zu erforschen; die Probiernadel.


Streichnetz (W3) [Adelung]


Das Streichnetz, des -es, plur. die -e, S. Streichgarn.


Streichofen (W3) [Adelung]


Der Streichofen, des -s, plur. die -öfen, S. Streichfeuer.


Streichspatel (W3) [Adelung]


Der Streichspatel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug in Gestalt eines Spatels, einen weichen Körper damit aus einander zu streichen, dergleichen z. B. die Wundärzte zu den Pflas=ter haben.


Streichstange (W3) [Adelung]


Die Streichstange, plur. die -n, bey den Maurern, Stangen an den Gerüsten, welche man quer über die Schere bindet, und welche sich auf den Netzbäumen stützen. An einem Kutschengestelle werden diejenigen Stangen, welche die Wage mit der Achse verbinden, gleichfalls Streichstangen genannt.


Streichstein (W3) [Adelung]


Der Streichstein, des -es, plur. die -e, bey einigen ein Nahme des Probiersteines, worauf die Feinheit des Goldes und Silbers durch den Strich probieret wird.


Streichteich (W3) [Adelung]


Der Streichteich, des -es, plur. die -e, eine Art Karpfenteiche, in welche die Streichkarpfen gesetzt werden, damit sie ungehindert darin streichen oder leichen können, der Leichteich; zum Unterschiede von dem Streckteiche und Setzteiche.


Streichvogel (W3) [Adelung]


Der Streichvogel, des -s, plur. die -vögel, welche gegen den Herbst aus den kältern Ländern Europens in großen Haufen in wärmere Welttheile streichen oder ziehen, und im Frühlinge auf eben die Art wiederkommen; Zugvögel, bey einigen auch Strichvögel, von welcher Art die Finken, Zeischen, Lerchen und so ferner sind.


Streichwathe (W3) [Adelung]


Die Streichwathe, plur. die -n, S. Streichgarn.


Streichwehre (W3) [Adelung]


Die Streichwehre, plur. die -n, eine Wehre oder Festungswerk, von welcher man die benachbarte Gegend mit Geschütz bestreichen und dadurch vertheidigen kann. So könnte man ein Bastion oder eine Bastey, ingleichen eine Batterie, eine Streichwehre nennen. In Hamelmanns Oldenburgischen Chronik wird es von einem jeden Walle gebraucht: eine Streichwehre um ein Haus ziehen.


Streichwinkel (W3) [Adelung]


Der Streichwinkel, des -s, plur. ut nom. sing. im Festungsbaue, derjenige Winkel, welchen die Streiche mit der Cortine macht; Franz. Angle flanquant.


Streichzeit (W3) [Adelung]


Die Streichzeit, plur. die -en. 1. Von streichen, sich begatten, diejenige Zeit, da sich gewisse Thiere zu begatten pflegen, von denjenigen Thieren, von welchen streichen in dieser Bedeutung gesagt wird; von andern die Ranzzeit, Brunftzeit u. s. f. 2. Von streichen, ziehen, die Zeit, da gewisse Vögel im Herbste von uns weg und im Frühlinge wieder zurück streichen.


Streif (W3) [Adelung]


Der Streif, des -es, plur. die -e, von streifen, so fern es den Ort schnell verändern bedeutet, ist der Streif, ein schneller Zug mehrerer Personen in eine Gegend, selbige zu durchsuchen. Einen Streif thun, vornehmen. In diesem Verstande wird es so wohl von Soldaten gebraucht, wenn sie um Beute zu machen in eine Gegend ziehen, als auch, wenn die Diener der Polizey einem Streif oder Zug in die Wälder u. s. f. thun, verdächtige Personen, Wilddiebe u. s. f. aufzusuchen. Von Soldaten ist im Hochdeutschen auch Streifzug üblich. im Theuerdanke lautet es in dieser Bedeutung der Strayffen, bey dem Hornegk Strawff.


Streifen (W3) [Adelung]


Der Streifen, des -s, plur. ut nom. sing. bey vielen auch der Streif, des -es, plur. die -e, Diminut. das Streifchen, Oberd. Streiflein, gleichfalls von dem folgenden Zeitworte, vermuthlich so fern es ehedem auch figürlich sich in die Länge erstrecken bedeutete, ein langer und sehr schmaler Körper, wenn derselbe keinen andern eigenthümlichen Nahmen hat. Ein Streifen Papier, Zeug. Ein schmaler Streifen Landes. Ingleichen dergleichen schmale sich in die Länge erstreckende Theile oder Abänderungen an einem Körper, wenn sie sich durch eine andere Farbe, oder auch durch eine Erhöhung oder Vertiefung von dem Ganzen unterscheiden. Die Streifen an einer Säule, an gewissen mineralischen Körpern u. s. f. Ein weißer Zeug mit gelben Streifen. Jacob nahm Stäbe und schälete weiße Streifen daran, 1 Mos. 30, 27.

Anm. Im Nieders. Stripe, im Engl. Stripe, wo auch Strap ein Riemen ist. Streif ist mit Reif, Ribbe, Ripa u. s. f. verwandt, so wie die ähnlichen Strieme (im Nieders. ist Strämel ein Streifen) Strich u. s. f. sich bloß im Endlaute unterscheiden. Der Streif ist im Hochdeutschen nicht so gangbar, wie der Streifen, wo die Endsylbe -en die Ableitungssylbe ist, ein Ding, Subject zu bezeichnen. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es in dieser Bedeutung auch weiblichen Geschlechtes, die Streife. S. Striefe.


Streifen (W3) [Adelung]


Streifen, verb. reg. welches so wie streichen eine Onomatopöie ist, nur daß das f eine schärfere Bewegung und Berührung in jenem ausdruckt, als das ch in diesem. Es ist so wie dieses in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, welches das Hülfswort haben erfordert. 1. In der schnellen Bewegung an der Oberfläche hin berühren, so daß streifen eine schärfere Berührung voraus setzt, als streichen, eine Berührung, welche oft eine Verletzung der Oberfläche zurück lässet. Die Kugel streifte an der Wand hin. Die Kugel hat mich nur gestreift, wo es auch active gebraucht werden kann. Sich ein wenig streifen, sich an den Kopf, an die Hand streifen, in der Bewegung an einen andern Körper hin fahren, und sich dadurch die Haut verletzen. ( S. Streifwunde.) 2. Den Ort schnell verändern, von mehrern Personen, wenn es in der Absicht geschiehet, eine Gegend zu durchsuchen, wo es besonders von Soldaten, Krieg führenden Parteyen, Polizey-Bedienten u. s. f. gebraucht wird. Der Feind streifet über die Gränzen. Die leichten Truppen haben bis an die Stadt gestreift, streifen schon bis vor das Thor. Streifende Parteyen. Die streifende Rotten, d. i. Parteyen oder Haufen, 1 Sam. 14, 15. Streifen, stehlen und rauben, 3 Esr. 4, 24. Im Lande herum streifen. Durch das Gebüsch streifen, Räuber, Wilddiebe, u. s. f. aufzusuchen oder zu verjagen. Im Schwed. ist ströfva, welches Ihre von röfva, rauben, ableitet, ungeachtet es so wie streichen in ähnlichem Verstande eine eigene Stammbedeutung des Zeitwortes streifen zu seyn scheinet, in welcher es zu dem Nieders. streven, weite Schritte machen, ( S. Streben) gehöret. Der Begriff des Raubens liegt nicht in dem Worte. S. Streif. II. Als ein Activum. 1. Mit Streifen versehen besonders im Mittelworte, gestreift. Gestreifte Leinwand. Gestreifter Taffet. Eine gestreifte Säule. Nieders. stripen, Engl. to stripe. 2. Man streift ein Thier, wenn man demselben die Haut, oder den Balg ohne sie am Bauche aufzuschneiden, über den Kopf ziehet. Einen Hasen, einen Fuchs, einen Marder streifen. Einen Aal streifen. Nieders. strepen und ströpen, Engl. to stripp. ( S. auch Abstreifen) 3. Durch eine enge Öffnung ziehen, um der Oberfläche oder auf und unter der Oberfläche befindlichen Theile zu berauben. Die Blätter von einem Zweige abstreifen, wenn man die Blätter durch die fest geschlossene Hand ziehet. Dasselbige verwüstet meinen Weinberg und streifet meinen Feigenbaum, Joel 1, 7. Gekochte Schoten durch den Mund streifen. So auch das Streifen.

Anm. Im Nieders. bald stripen, bald strepen, wo man davon in der ersten und dritten thätigen Bedeutung auch das Intensivum strippen hat so wie im Hochdeutschen auch wohl das verkleinernde Iterativum streifeln üblich ist, kleine Streifen machen; gestreifelte Leinwand. Der Begriff der scharfen Bewegung in die Länge, besonders in derselben geschehenen Berührung, ist der Stammbegriff.


Streifer (W3) [Adelung]


Der Streifer, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten ein Nahme bewaffneter Schergen, welche die Gassen in der Nacht durchstreifen, um die Sicherheit und Ruhe zu erhalten.


Streiferey (W3) [Adelung]


Die Streiferey, plur. die -en, das Streifen der Soldaten oder ähnlicher bewaffneter Haufen, besonders so fern es in der Absicht geschiehet, Beute zu machen.


Streifig (W3) [Adelung]


Streifig, -er, -ste, adj. et adv. Streifen habend, aus Streifen bestehend. Streifiger Taffet. Indessen ist dafür das Mittelwort gestreift üblicher. Von dem verkleinernden Iterative streifeln, oder von dem Hauptworte Streifel für Streifen, sagt man im gemeinen Leben auch wohl streiflig oder streiflicht für streifig und gestreift.


Streifjagen (W3) [Adelung]


Das Streifjagen, des -s, plur. ut nom. sing. diejenige Art des Jagens oder der Jagd, da man nur auf das Wild streifet, d. i. mit Leuten oder Hunden ohne ordentliche Umstellung mit Netzen, auf eine Gerathewohl in das Feld ziehet, und was man antrifft, auf eine oder die andere Art fället; das Klopfjagen.


Streiflicht (W3) [Adelung]


Streiflicht, adj. et adv. S. Streifig.


Streiflicht (W3) [Adelung]


Das Streiflicht, des -es, plur. die -er, in der Mahlerey, ein kleines Licht, welches zwischen zwey nahen Gegenständen gleichsam herein streifet, und einen Theil dieser Gegenstände oder einen benachbarten Körper erleuchtet. Französ. Lumiere oder Jour echape. Ein mit solchen Streifenlichtern versehenes Gemählde heißt streifweise erleuchtet.


Streifrecht (W3) [Adelung]


Das Streifrecht, des -es, plur. inus. das Recht auf Übelthäter, besonders auf Straßenräuber zu streifen, sie mit gewaffneter Mannschaft auf den Straßen u. s. f. aufzusuchen.


Streifschuß (W3) [Adelung]


Der Streifschuß, des -es, plur. die -schüsse, ein Schuß, welcher nur streift, wo die Kugel nur streift. Einen Streifschuß bekommen. Nieders. Schrammschöte, von schrammen, im Streifen verwunden.


Streifwunde (W3) [Adelung]


Die Streifwunde, plur. die -n, eine Wunde von einer streifenden Kugel, oder einem Seitengewehre, wenn selbiges nur gestreifet hat.


Streifzug (W3) [Adelung]


Der Streifzug, des -es, plur. die -züge, ein Zug mehrerer um zu streifen, d. i. Beute zu machen, Übelthäter aufzusuchen u. s. f. Der Streif, und wenn es in der ersten Absicht geschiehet, die Streiferey. Einen Streifzug thun, vornehmen.


Streinen (W3) [Adelung]


Streinen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in einigen gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, für herum streichen, ohne Ordnung und regelmäßige Absicht herum wandern, gebraucht wird. Die Jäger gebrauchen es auch von Jagdhunden, wenn sie nicht regelmäßig spüren, sondern ohne Absicht herum laufen und suchen, da denn ein solcher Hund ein Streiner genannt wird. S. Streichen und Strähne.


Streit (W3) [Adelung]


Der Streit, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte streiten, der Ausbruch der Uneinigkeiten unter zwey Parteyen. 1. Eigentlich, und zwar, (1) So fern die Uneinigkeit oder widersprechende Gesinnung durch Thätlichkeiten ausbricht, wo es ehedem für Schlägerey, Gefecht, Treffen, ja auch für Krieg sehr gangbar war; In dem alten Gedichte auf dem heil. Anno Strit, für Krieg. In der Deutschen Bibel kommt es in dieser Bedeutung noch sehr häufig vor. In den Streit ziehen, 4 Mos. 10, 9, in das Treffen, und in andern Stellen für in den Krieg ziehen. Zum Streit ausziehen, Richt. 3, 10. Das Buch von den Streiten des Herrn, 4 Mos. 21, 14. Die Helden sind gefallen im Streit, 2 Sam. 1, 25. Und so in hundert andern Stellen mehr. Mit vielen in den Streit, mit wenigen zu Rathe gehen. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung in dem gemeinen Sprachgebrauche veraltet, ob es gleich noch in der höhern Schreibart in derselben gebraucht wird. Glorreich im Streite für sein Vaterland sterben, Sonnenf. Der Held, um den du bebtest, wann im Streite, Wohin ihn dein Verhängniß trug, Der ehrne Donner von den Bergen ihm zur Seite Die Feldherrn niederschlug, Raml. (2) So fern sie durch Worte ausbricht, wo es ein ganz allgemeiner Ausdruck ist, welcher die Heftigkeit unbestimmt und die Sittlichkeit unentschieden läßt, wodurch es sich von Zank, Hader u. s. f. unterscheidet, die Behauptung widersprechender Sätze. Einen Streit mit jemanden zu haben. Ein gelehrter Streit, ein Wortstreit. Ein unnützer Streit. Ein Rechtsstreit, ein Streit vor Gericht, über eine Rechtssache. In Streit mit jemanden gerathen. Einen Streit erregen. Einen Streit mit jemanden anfangen. Urheber des Streites seyn. Es ist ein Streit unter ihnen über die Frage, ob u. s. f. Mit jemanden im Streite liegen, vor Gerichte. Immer im Streite leben. Streit suchen. Einen Streit schlichten, beylegen, ausmachen, endigen. Ich möchte die Sache gerne außer Streit gesetzt sehen. Der Plural wird in dieser und der folgenden figürlichen Bedeutung selten gebraucht. 2. Figürlich. Der Streit wider die Leidenschaften, die Bemühung ihnen durch klare Begriffe zu widerstehen. Der Streit der Pflichten gegen einander, der Widerspruch. Das Leben der Christen ist ein ewiger Streit, Bemühung, die Sünde und sündliche Begierde zu überwinden. Der Streit der Begierden, der Einfluß widersprechender Vorstellungen auf den Willen. Der Streit der Elemente, ihre Bemühung einander aufzulösen oder von sich zu stoßen.

Anm. Bey dem Ottfried Strit, im Angels. Strith, im Schwed. Strid, und ohne st auch nur Rid, S. Streiten.


Streitaxt (W3) [Adelung]


Die Streitaxt, plur. die -äxte, eine ehedem übliches Gewehr, welches einer kleinen Axt an einem langen Stiele glich, dergleichen sich die Alten ehedem in den Kriegen und Gefechten bedieneten.


Streitbar (W3) [Adelung]


Streitbar, -er, -ste, adj. et adv. 1. Von Streit, Kampf, Gefecht, Krieg, Treffen, zum Streite geschickt und geneigt. Ein streitbarer Held. Tausend Mann streitbare Leute, Soldaten. Streitbare Thiere, welche Fertigkeit besitzen mit einander zu kämpfen. Ein streitbares Volk, welches zum Kriege geneigt, und in demselben geschickt ist. Es ist in dieser Bedeutung noch völlig gangbar, obgleich Streit in derselben veraltet ist, dagegen wird es von der Fertigkeit zum Streite mit Worten wenig oder gar nicht gebraucht. 2. * Für streitig, dem Streite unterworfen. Die Sache ist noch streitbar. Eine streitbare Sache. Eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche nur in einigen gemeinen Mundarten gangbar ist.


Streitbarkeit (W3) [Adelung]


Die Streitbarkeit, plur. car. die Fertigkeit in und zum Streite, d. i. zum Kampfe, Gefechte oder Kriege, in der ersten Bedeutung des vorigen Wortes.


Streiten (W3) [Adelung]


Streiten, verb. irreg. neutr. Imperf. ich stritt; Mittelw. gestritten; Imperat. streite oder streit. Es erfordert das Hülfswort haben. 1. * Eigentlich, körperliche Kräfte anwenden, sich mit Anstrengung körperlichen Kräfte bemühen, in welcher Bedeutung noch strita im Schwed. üblich ist. Im Hochdeutschen ist es in diesem Verstande veraltet, und nur das zusammengesetzte bestreiten hat denselben noch zum Theil erhalten. Ohne Zweifel war es anfänglich eine Onomatopöie eines lebhaften mit Anstrengung körperlicher Kräfte verbundenen Geräusches, und das Nieders. striden, schreiten, Engl. stride, Schwed. stride, ist eine Art der körperlichen Anstrengung, so wie das Schwed. strid, stark, heftig, eine Figur davon ist. Ohne st gehören auch unser reisen, reiten, reiten in bereiten u. a. m. dahin. 2. In engerer Bedeutung, einen Feind oder Gegner zu überwinden sich bemühen. (1) Eigentlich, durch körperliche Bemühung, wo es ein sehr allgemeiner Ausdruck ist, welcher die Art und Weise, den Grad der Heftigkeit, die Art der Waffen u. s. f. unentschieden lässet. So streiten zwey Thiere, wenn sie sich schlagen, stoßen oder beißen, zwey Personen, wenn sie sich raufen, schlagen oder fechten, zwey Kriegsheere, wenn sie sich ein Treffen liefern u. s. f. Gott lehret meine Hand streiten, 2 Sam. 22, 35. Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen, Offenb. 12, 7. Die Soldaten stritten wie die Löwen. Für das Vaterland, für die Freyheit streiten. Es ist in dieser Bedeutung üblicher als das Hauptwort Streit, besonders in der höhern Schreibart, doch gebraucht man es, um der Allgemeinheit des Begriffes willen, nur alsdann, wenn die Art des Streites nicht näher bestimmt werden darf. (2) Durch Worte, einen widersprechenden Satz behaupten, wo es, so wie das Hauptwort-Streit, auch ein allgemeiner Ausdruck ist, der den Grad der Heftigkeit, die Sittlichkeit u. s. f. unentschieden lässet. Mit jemanden streiten. Sie streiten, oder sie streiten mit einander, sie behaupten und vertheidigen einander widerstreitende Sätze. Wider die Wahrheit streiten. Vor Gericht streiten, es geschehe nun schriftlich oder mündlich. Die streitenden Parteyen. Nach langem Streiten ward endlich nichts ausgemacht. Über den Vorzug streiten, über einen Satz streiten. Er streitet gern, sucht gern einen Widerspruch zu vertheidigen. Zuweilen gebraucht man es auch im thätigen Verstande für bestreiten. Das will ich nicht streiten. Welche Form doch nicht so üblich ist, als das Reciprocum sich streiten, für das Neutrum streiten. Sie stritten sich lange, ohne etwas auszumachen. 3. Figürlich, ein Hinderniß, einen Widerstand zu überwinden suchen. Mit vielen Krankheiten zu streiten haben. Mit Hunger, mit Kälte streiten. Streitende Pflichten, wo die Ausübung der einen die Ausübung der andern hindert. Die streitende Kirche, in der Theologie, die Gesellschaft der noch auf Erden befindlichen Gläubigen, im Gegensatze der triumphirenden. Ingleichen entgegen seyn, widersprechen. Das streitet wider alle gesunde Vernunft. So auch das Streiten.

Anm. In der engern Bedeutung im Schwabenspiegel striten, im Nieders. striden, im Schwed. strida, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Ohne Zischlaut ist im Schwed. träta, mit Worten streiten, Trata, ein solcher Streit, und ohne st eben daselbst Rid, ein Streit. Im Nieders. hat man von striden, streiten, das Intensivum stridden, heftig streiten, zanken, wovon man in den gemeinen Sprecharten auch das Beywort strittig für streitig hat.


Streiter (W3) [Adelung]


Der Streiter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Streiterinn, eine Person, welche streitet, doch nur in der ersten engern Bedeutung des Zeitwortes. Ein guter Streiter Jesu Christi, 2 Tim. 2, 3.


Streitfrage (W3) [Adelung]


Die Streitfrage, plur. die -n, der Satz, worüber mit Worten gestritten wird.


Streitgenoß (W3) [Adelung]


Der Streitgenoß, des -en, plur. die -n, von Streit, Krieg, Gefecht, der welcher neben einem andern, für eine und eben dieselbe Sache streitet, der Mitstreiter; Philem. v. 2.


Streithammer (W3) [Adelung]


Der Streithammer, des -s, plur. die -hämmer, ein ehemahliges Gewehr, welches in einem Hammer an einem langen Stiele bestand, dessen man sich in den Gefechten bediente; der Fausthammer.


Streithandel (W3) [Adelung]


Der Streithandel, des -s, plur. die -händel, eine streitige Sache, besonders ein Rechtsstreit, oder Streit vor Gericht.


Streithahn (W3) [Adelung]


Der Streithahn, des -es, plur. die -hähne, eine Art Strandläufer, deren Hähne mit großem Getöse beständig mit einander streiten; Tringal pugnax, L. Kampfhahn, Brausehahn, Hausteufel, Streitschnepfe, Streithuhn.


Streitig (W3) [Adelung]


Streitig, -er, -ste, adj. et adv. im Streite befangen, so wohl von Personen für streitend, als auch von der Sache, worüber gestritten wird. Die streitigen Parteyen, Theile. Wie sind noch streitig darüber. Über etwas streitig werden. Die streitige Sache, worüber gestritten wird. Bis auf die streitigen Puncte. Einem etwas streitig machen, den Besitz desselben bestreiten. Die Sache wird streitig, man fängt an darüber zu streiten. In einigen gemeinen Mundarten, besonders Oberdeutschlandes strittig, von dem veralteten Intensivo strimen, heftig streiten, Nieders. stridden.


Streitigkeit (W3) [Adelung]


Die Streitigkeit, plur. die -en. 1. Die Eigenschaft einer Sache, da sie streitig ist, da darüber gestritten wird; als das Abstractum, und ohne Plural. 2. Ein Streit mit Worten und Sätzen, und der ganze Umfang einander entgegen stehender, und widersprechender Sätze. Eine Streitigkeit mit jemanden haben. Eine Streitigkeit beylegen. Am üblichsten ist es im Plural, statt des ungewöhnlichen Plurals von Streit. Theologische, philosophische Streitigkeiten.


Streitkundig (W3) [Adelung]


Streitkundig, -er, -ste, adj. et adv. im Streite, d. i. Kriege und Gefechte erfahren; ein ungewöhnliches nur 1 Chron. 6, 18. befindliches Wort.


Streitkolben (W3) [Adelung]


Der Streitkolben, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kolben oder eine Käule, so fern man sich derselben ehedem als eines Gewehres im Kriege bediente.


Streitmüthig (W3) [Adelung]


Streitmüthig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur von einigen Neuern gebraucht worden, Neigung mit Worten zu streiten habend, und darin gegründet. So auch die Streitmüthigkeit.


Streitsache (W3) [Adelung]


Die Streitsache, plur. die -n, eine Sache, worüber gestritten wird, eine streitige Sache.


Streitschnepfe (W3) [Adelung]


Die Streitschnepfe, plur. die -n, S. Streithahn.


Streitschrift (W3) [Adelung]


Die Streitschrift, plur. die -en, eine Schrift, in welcher man mit jemanden streitet, einen oder mehrere den seinigen widersprechende Sätze behauptet. In weiterm Verstande pflegt man auch wohl eine Disputation, d. i. Schrift, worüber disputieret wird, eine akademische Streitschrift zu nennen, als eine Schrift, über welche zu Übung gestritten wird.


Streitsucht (W3) [Adelung]


Die Streitsucht, plur. car. die Sucht, anhaltende heftige Begierde zu streiten, widersprechende Sätze zu behaupten. So auch Streitsüchtig, damit behaftet, und darin gegründet.


Streittag (W3) [Adelung]


* Der Streittag, des -es, plur. die -e, von Streit, Treffen, Gefecht, ein ungewöhnliches Wort, den Tag eines Treffens zu bezeichnen, welches nur 1 Sam. 13, 22, und Sprichw. 21, 31, vorkommt.


Strenge (W3) [Adelung]


Strenge, -r, -ste, adj. et adv. welches im eigentlichsten Verstande scharf angezogen, angestrenget bedeutet. 1. * Eigentlich, Schwed. streng, im Lat. strictus von stringere, eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher es doch in einigen Provinzen üblich ist. Das Kleid liegt mir strenge an, das ist gedrange. 2. In weiterer Bedeutung, hart, eine nur noch in dem Hüttenbaue übliche Bedeutung, wo strenge Bergarten, strenge Erze diejenige sind, welche für sich allein gar nicht oder doch schwer in den Fluß zu bringen sind, und welche man noch häufiger strengflüssig zu nennen pflegt. 3. Figürlich. (1) * Fest, haltbar; eine noch im Oberdeutschen übliche Bedeutung. Ein strenger Paß, ein fester, ( S. auch Gestreng.) (2) * Stark, und nach einer noch weitern Figur, tapfer; eine ehedem sehr gangbare Bedeutung, in welcher es gleichfalls veraltet ist, außer daß es noch in einigen Gegenden, besonders Oberdeutschlandes, als ein Titel adeliger, und der ihnen an Würde gleichen Personen ist. ( S. Gestrenge.) Nieders. streng, Angels. strang, Engl. strong, Schwed. streng, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Lat. strenuus, welche alle theils stark, theils tapfer bedeuten. Er hat nicht Lust an Rossen Stärke, Nicht an des strengen Mannes Beinen, Opitz Ps. 147. (3) Die Haut zusammen ziehend, herbe, so wohl dem Geschmacke, als dem Gefühle nach, rauh. Unreife Weintrauben schmecken strenge, in einigen Gegenden. Im Hochdeutschen ist es besonders von der Kälte üblich, einen hohen Grad derselben zu bezeichnen. Eine strenge Kälte, ein strenger Winter. Dasselb Wetter was gestreng und hart, Theuerd. Kap. 72. In Bretagne ist ohne Zischlaut trencq, herbe, rauh. In einigen Gegenden ist ein strenger Urin, welcher mit Zwange fließt, daher die Harnstrenge, diese Krankheit, Stranguria. In noch weiterer Figur, mit äußerster Entsagung aller Bequemlichkeit verbunden. Ein strenger Orden, ein sehr harter. Sehr strenge fasten, eine strenge Fasten. Strenge leben, ein strenges Leben. (4) Mit Anstrengung, d. i. möglichster Anwendung aller Kräfte, und darin gegründet; nur zuweilen als ein Nebenwort. Wem sein Gemüt strengelich vff zytlich Gut geneigt ist, Buch der Weisen 1501. Stenge arbeiten. (5) Pünctlich, genau, mit der möglichsten Befolgung der Vorschrift oder des Vorsatzes. Ein strenger Gehorsam. Ich werde sehr strenge beobachtet. Strenge Diät halten. Die strengste weibliche Tugend. Ach, strenge Schäferinn, wird auch dein Herz nicht mein? Gell. (6) In engerer Bedeutung, pünctlich auf die möglichste Erfüllung der Pflichten dringend, und ihre Übertretung mit der pünctlichsten Beobachtung der Gesetze bestrafend; im gemeinen Leben auch scharf, im Gegensatze des gelinde. Ein strenger Herr. Strenge regieren. Strenge Herren regieren nicht lange. Ein strenger König, Weish. 1, 11. Ein strenges Geboth, Kap. 6, 7. Ein strenges Urtheil. Jemanden sehr strenge strafen. Eine strenge Gerechtigkeit handhaben, die Gerechtigkeit auf das strengste handhaben.

Anm. Schon bey dem Ottfried und Willeram streng, im Engl. strong, im Schwed. streng. Es stammet von dem veralteten Zeitwort strengen in anstrengen her, und ist mit strack, drangen u. a. m. nahe verwandt. Um der gelinden Aussprache des g willen kann das e euphonicum am Ende nicht wegbleiben; streng müßte strenk gesprochen werden, wie in Klang, Gesang.


Strenge (W3) [Adelung]


Die Strenge, plur. car. das Abstractum des vorigen Wortes, welches im Hochdeutschen in allen den Bedeutungen üblich ist, in welchen das Beywort noch gebraucht wird. Die Strenge der Kälte, des Winters, des Gehorsams. Mit Strenge regieren. Die äußerste Strenge beobachten. Nach der Strenge verfahren. In einigen gemeinen Mundarten hat man dafür das ohne Noth verlängerte Strengigkeit. Besonders wird in einigen Gegenden der Schnupfen, so wohl bey Menschen als Thieren, die Strenge, oder der Strengel genannt, wo aber der Grund der Benennung noch dunkel ist. Bey den Pferden ist die Strenge oder der Strengel, ein mit einem starken Fieber begleiteter Schnupfen, Franz. Morsondure, da er denn sehr häufig mit der Druse verwechselt wird, obgleich bey der letztern die ganze Masse des Geblüts, bey dem ersten aber nur die Schleimhaut der Nase und die Werkzeuge des Athemhohlens leiden.


Strengen (W3) [Adelung]


Strengen, verb. reg. act. scharf anziehen, ein veraltetes und nur noch in anstrengen, in figürlichem Verstande übliches Wort, S. dasselbe, ingleichen Strenge und Strang.


Strengflüssig (W3) [Adelung]


Strengflüssig, -er, -ste, adj. et adv. schwer in den Fluß zu bringen schwer schmelzend, strenge; besonders im Hüttenbaue. Strengflüssige Erze. Eine strengflüssige Bergart. So auch die Strengflüssigkeit.


Strensel (W3) [Adelung]


Der Strensel, des -s, plur. inus. eine Pflanze, S. Gersch.


Streu (W3) [Adelung]


Die Streu, plur. die -en, von dem Zeitworte streuen. 1. Dasjenige, was dem Viehe zum Lager untergestreuet wird, und dazu bestimmt ist, so daß es Stroh, Moos, Laub und Tangeln unter sich begreift, so fern sie diesem Gebrauche gewidmet sind, in einigen Gegenden Streuling; ohne Plural. Die Waldstreu, wohin nicht nur das Moos, sondern auch die Laubstreu und Nadelstreu gehören. Wenn die Jäger die von selbst abgefallenen Blätter und Tangeln Streu und Ströhe nennen, so geschiehet es vermuthlich auch in Rücksicht dieses Gebrauches. 2. Ein von solcher Streu gemachtes Lager. Den Pferden, den Kühen eine Streu machen. Auf der Streu liegen. Sechs Pferde auf der Streu haben, d. i. in seinem Stalle, sie eigenthümlich haben. Eine Streu von Stroh, von Moos, von Laub u. s. f. Auch Menschen liegen zuweilen nur auf einer Streu, welche denn auch diesen Nahmen behält, wenn gleich einige Betten auf untergestreutes Stroh gelegt werden. 3. Der Boden im Stalle, worauf sich das Pferd legt. Die Streu wird gepflas=tert.

Anm. Bey dem Kero Kastreuuitiu, gestreuet, und Kastreuui, Gestreu, im Schwed. Strö, im Angels. Streaw, Lat. Stratum, Stramen. In einigen Gegenden scheint es männlichen Geschlechtes zu seyn, wenigstens gebraucht Dusch es so: Die Sorge findt den Streu und findt das Schwanenbette.


Streubüchse (W3) [Adelung]


Die Streubüchse, plur. die -n, eine oben mit Löchern versehene Büchse, einen gepülverten Körper daraus zu streuen, dergleichen z. B. die Sandbüchse., die Zuckerbüchse u. s. f. sind.


Streuen (W3) [Adelung]


Streuen, verb. reg. act. mehrere bey einander befindliche trockne Körper mit einem gelinden Geräusche reichlich auf eine Oberfläche aus einander fallen lassen, wo es eine unmittelbare Nachahmung des mit dieser Handlung verbundenen gelinden Geräusches ist, wodurch es sich von den ähnlichen sprengen, sprühen, stäuben, spritzen, schütten u. s. f. unterscheidet. 1. Eigentlich. Stroh auf den Mist streuen. Blumen auf den Weg streuen. Asche auf sein Haupt. Sand in das Zimmer, Zucker, Salz, Pfeffer auf die Speisen streuen. Geld unter das Volk streuen. Jupiter, der Hirtenstäb' und Kronen aus Einer Urne streut, Raml. Elliptisch bedeutet dieses Zeitwort zuweilen theils säen, eigentlich den Samen streuen: sammeln, da man nicht gestreuet hat, Matth. 25, 24 theils dem Viehe streuen, ihm eine Streu machen. In noch einem andern Verstande sagt man im gemeinen Leben, das Getreide streuet gut, wenn es vieles Stroh gibt. 2. Figürlich, verbreiten, reichlich vertheilen, in der dichterischen Schreibart. Der Greis von Tejos, auf dessen heitre Stirn das Alter sparsame Runzeln gestreuet, Clod. Lodernde Flammen angebrannter dürrer Reiser streuten angenehme Wärme in der Hütte umher, Geßn. Aber du blaue Viole, du Bild des Weisen, du stehst bescheiden niedrig im Grase und streuest Gerüche umher, eben ders. O, so gehe keiner zur Ruhe des Grabes, er habe denn süße Früchte getragen, und erquickende Schatten über den Nothleidenden gestreut! eben ders. So auch das Streuen.

Anm. Schon bey dem Ulphilas strauan, bey dem Ottfried, im Tatian u. s. f. streuuan, streuan, im Angels. intensive streawi- gan, im Engl. to strew, (sprich stroh,) im Schwed. strö, bey den ältern Lat. strao, wie aus straui, stratum erhellet, bey den ältern Griechen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, wovon das Intensivum - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es ist eine unmittelbare Onomatopöie, welche das mit der Handlung verbundene Geräusch ausdruckt, welche auch in Stroh zum Grunde liegt, nicht so fern es oft zum Streuen gebraucht wird, sondern so fern es in seiner Handlung eben das Geräusch macht, welches streuen nachahmet.


Streugabel (W3) [Adelung]


Die Streugabel, plur. die -n, in der Hauswirthschaft, eine hölzerne selbst gewachsene Gabel, womit den Pferden die Streu aufgerüttelt wird; Nieders. Grepe.


Streugut (W3) [Adelung]


Das Streugut, des -es, plur. die -güter, in einigen Gegenden, z. B. im Schleswigischen, ein Gut, welches verschiedene Herren hat, unter mehrere Herren verstreuet oder vertheilet ist; das Mankgut, von dem Nieders. Mank, Mischung, vermischt.


Streuling (W3) [Adelung]


Der Streuling, des -es, plur. car. in einigen Gegenden für die Streu, d. i. dasjenige, was dem Viehe zum Nachtlager untergestreuet wird.


Streupulver (W3) [Adelung]


Das Streupulver, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder bestimmten Quantitäten, ut nom. sing. bey den Mundärzten, ein Pulver, welches auf oder in die Wunden gestreuet wird.


Streurechen (W3) [Adelung]


Das Streurechen, des -s, plur. car. das Rechen der Streu im Walde, d. i. die Aufsammlung des Mooses, des abgefallenen Laubes und der Tangeln mit dem Rechen, um diese Dinge als Streu zu gebrauchen.


Streusand (W3) [Adelung]


Der Streusand, des -es, plur. car. eine Art grobkörnigen Sandes, welchen man auf frisch geschriebenes Papier streuet, die Dinte damit zu trocknen.


Streustroh (W3) [Adelung]


Das Streustroh, des -es, plur. car. dasjenige Stroh, welches man dem Viehe zum Nachtlager unterstreuet.


Strich (W3) [Adelung]


Der Strich, des -es, plur. die -e, Diminut. das Strichlein, zusammen gezogen Strichel, im gemeinen Leben der Hochdeutschen auch Strichelchen. Von dem Zeitworte streichen. I. Von dem Neutro, sich schnell fortbewegen. 1. Die Handlung dieses Streichens, doch nur in einigen Fällen. Einen Strich durch ein Land thun, wofür doch im Hochdeutschen Streif üblicher ist. Der Strich der Vögel, ihr Abzug im Herbste, und Rückzug im Frühlinge. In einem Striche, ohne Unterbrechung. In einem Striche weg arbeiten, schreiben u. s. f. 2. Der Weg, die Richtung, welche man im Streichen nimmt; gemeiniglich ohne Plural aber auch nur in einigen Fällen. Das Kriegesheer nahm seinen Strich dahin, Stettler; wofür man im Hochdeutschen lieber Weg oder Zug gebraucht. Ich bin dem geilen Sündenstrich Wie eine Hündinn nachgerennet, sagt Gryphius eben so ungewöhnlich für Sündenweg. Doch sagt man im Hochdeutschen der Strich des Gewitters, der Wolken, der Weg, nach welchem sie ziehen. Der Strich des Windes oder der Windstrich, die Richtung, nach welcher er gehet, welcher auf den Seekarten durch gerade Linien angedeutet wird, welche alsdann gleichfalls Striche heißen. Der Strich des Holzes, die Richtung, nach welcher die Holzfasern gehen; nach dem Striche, ihnen nach, wider den Strich, ihnen entgegen. So auch der Strich eines Zeuges u. s. f. Ein Kleid nach dem Striche, wieder den Strich bürsten. Die Fische gehen, wenn sie ihre Nahrung suchen, alle Mahl dem Strome entgegen, daher man, um sie zu fangen, zu Striche stellen muß. 3. So viel Dinge Einer Art, als mit einander in Gesellschaft streichen, wo es doch nur von den Vögeln üblich ist. Ein Strich Lerchen, Repphühner u. s. f. ein Flug, so viel als ihrer mit einander fliegen. 4. Von streichen, leichen, ist der Strich ohne Plural, so wohl die Handlung des Leichens, als auch die junge Brut, der Leich, oder Samen, welcher im ersten Jahre der Strich heißt. II. Von dem Activo, an der Oberfläche eines Körpers hin bewegen. 1. Die Handlung des Streichens, d. i. der Bewegung der Länge nach auf der Oberfläche eines andern Körpers doch nur in einigen Fällen. Einen Strich mit dem Pinsel thun. Ein Mahl mit dem Pinsel auf einen andern Körper streichen. Einen Strich auf der Geige thun, mit dem Bogen Ein Mahl auf den Saiten streichen; wo Strich zuweilen auch die Art und Weise bedeutet, wie man eine Geige streicht; einen freyen, leichten, schweren Strich haben. Der Strich der Lerchen oder noch häufiger der Lerchenstrich, der Fang der Lerchen mit dem Streichgarne. Der Strich war gut, sagt man, wenn man auf diese Art viele Lerchen gefangen. Der Strich halten, die Handlung des Streichens auf dem Probiersteine aushalten, d. i. von gutem Gehalte seyn, von Gold und Silber, welche durch den Strich probieret werden. Figürlich auch wohl von andern Dingen, bewährt befunden werden, obgleich hier die R. A. Stich halten üblicher ist. Und so vielleicht noch in einigen andern Fällen. 2. Das Product des Streichens, besonders die Linie, welche entstehet, wenn man mit einem färbenden Körper auf der Oberfläche eines andern hinfähret. Einen Strich machen. Einen Strich mit der Feder mit der Kreide, mit dem Pinsel. Hier macht er einen Strich mit Biere, Günth. Einen Strich durch die Rechnung machen, sie durchstreichen, ingleichen figürlich, jemandes Hoffnung, Erwartung, Vorhaben vereiteln. Nieders. Streek, Schreve, von schreiben, bey dem Ulphilas Striks, im Schwed. Strek, Angels. Strice, Engl. Streak. Das Komma wird daher im Deutschen auch der Strich genannt: einen Strich machen, ( S. auch Strichpunct) In weiterm Verstande heißen auch mehrere Arten von Linien, wenn sie gleich nicht auf die obige Art entstehen, Striche, dergleichen die Striche in den Händen und dem Gesichte sind, die Linien in der Haut. Bey den Probierern ist der Strich die breite gefärbte Linie auf den Probiersteine, welche entstehet, wenn man ein Metall auf demselben streichet oder reibet. Am häufigsten werden Gold und Silber auf diese Art probieret, da man denn von der Farbe des Striches auf die Reinigkeit des Metalles schließet. Zuweilen ist der Strich auch eine Linie von bestimmter Breite. So wird der zehnte Theil eines Zolles, welcher doch unter dem Nahmen der Linie am bekanntesten ist, im gemeinen Leben oft der Strich genannt. 3. In weiterer Bedeutung ist der Strich oft so viel als ein Streifen, Ital. Stricca. Ein schwarzes Pferd mit weißen Strichen. Das Pferd hat einen schwarzen Strich über den Rücken. Auch ein Streifen Zeuges wird in vielen Fällen ein Strich genannt, dahin z. B. die Haubenstriche des andern Geschlechtes gehören. In Thüringen ist das Strichel (nach einer verderbten Aussprache Striegel,) im Diminut. ein Stück Feldes, welches ungefähr Eine Ruthe breit, und von unbestimmter Länge ist. Ist es zwey Ruthen breit, so heißt es ein Sottel, wenn es drey Ruthen hat, eine Dreygerte, und wenn es deren vier hält, ein Gelänge. In noch weiterm Verstande heißt ein sich in unbestimmte Länge erstreckender Theil der Erdfläche häufig ein Strich; Angels. Strice, Engl. Stroak, Streak, Latein ohne Zischlaut Tractus, im Deutschen auch Strecke. Ein fruchtbarer Strich Landes. Es ist noch ein guter Strich dahin, eine gute Strecke. Besonders werden in der Geographie gewisse Streifen der Erd- und Himmelskugel, welche mit dem Äquator parallel gehen, Erdstriche oder Himmelsstriche genannt; Zonae, bey einigen auch Erdgürtel, Himmelsgürtel. Die kalten Erd- oder Himmelsstriche Zonae frigidae; die gemäßigte, temperatae; der heiße Erdstrich, Zona torrida. Wo Strecke nicht üblich ist. 4. Was gestrichen wird, dasjenige, woran man streicht, doch nur in einigen Fällen. So werden die langen Zitzen an den Thiereutern in der anständigen Sprechart Striche oder Strichel genannt, vermuthlich, weil sie im Melken gestrichen werden. 5. Was gestrichen worden, gleichfalls nur in einigen Fällen. So ist ein Strich Ziegel, eine Quantität Ziegel, welche auf Ein Mahl gestrichen worden. Besonders ist es in einigen Gegenden ein Maß trockner Dinge, vornehmlich des Getreides, vermuthlich eigentlich so viel als in ein gestrichenes oder abgestrichenes Maß gehet. So ist der Strich ein bekanntes Getreidemaß in Böhmen, welches 4 Viertel, 16 Mäßel, oder 192 Seidel hält. Ein Strich ist so viel als 1 1/2 Dresdner Scheffel. Im Schwedischen ist strika, messen, dessen Abstammung und Bedeutung Herrn Ihre unbekannt war, der es gern von strika, polieren, ableiten wollte. Allein es scheinet eine Figur des Abstreichens des Gemäßes zu seyn. S. Streichen.


Strichbret (W3) [Adelung]


Das Strichbret, am Pfluge, S. Streichbret.


Strich-Compaß (W3) [Adelung]


Der Strich-Compaß, des -es, plur. die -e, eine Art See-Compaß, welche jederzeit die Richtung des Kieles anzeigt; zum Unterschiede von dem Variations-Compasse, welcher den wirklichen Lauf des Schiffes zeigt.


Strichnaht (W3) [Adelung]


Die Strichnaht, plur. car. eine Art der Naht oder des Nähens, welche einem Gestricke ähnlich siehet, daher sie auch die Stricknaht heißt. Man gebraucht sie vornehmlich, die Überzüge der Betten und die Betttücher zu verbrämen.


Strichpunct (W3) [Adelung]


Der Strichpunct, des -es, plur. die -e, ein von einigen für das fremde Semi-Kolon versuchtes Wort, weil es auch einem Striche oder Komma, mit einem darüber gemachten Puncte bestehet.


Strichregen (W3) [Adelung]


Der Strichregen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Regen, welcher aus einer einzelnen vorüber gehenden Wolke fällt, weil er nur einen kleinen Strich eines Landes zu treffen pflegt. Bey andern ist er ein Regen, dessen kleine Tropfen unmittelbar mit einander verbunden zu seyn scheinen und in der Luft gleichsam zarte Striche vorstellen.


Strichschindel (W3) [Adelung]


Die Strichschindel, plur. die -n, Schindeln, welche zur Vermeidung der Feuersgefahr mit Lehm überzogen und statt der Ziegel zum Decken gebraucht werden; Streichschindeln.


Strichvogel (W3) [Adelung]


Der Strichvogel, S. Streichvogel; so wie für Streichzeit auch wohl Strichzeit üblich ist.


Strichzaun (W3) [Adelung]


Der Strichzaun, des -es, plur. die -zäune, ein Zaun, welcher zu Befestigung des Ufers in das Wasser gemacht wird; vielleicht von den Gerten, welche von dem letzten Pfahle an etwas in das Wasser hinein reichen und gleichsam Striche vorstellen.


Strick (W3) [Adelung]


Der Strick, des -es, plur. die -e, Diminut. das Strickchen, Oberd. Stricklein, ein kurzes starkes einfach zusammen gedrehetes oder gesponnenes Seil. Mit Stricken binden. Die Windhunde an einem Stricke führen, bey den Jägern, daher drey mit einem Stricke, an welchem sie geführet werden, verbundene Windhunde, auch ein Strick Hunde genannt werden, dagegen zwey andere verbundene Jagdhunde eine Kuppel heißen. Die Kühe im Stalle mit einem Stricke anbinden. Die Glockenstricke, welche doch lieber Stränge heißen. Die Stricke, woran die Pferde den Wagen ziehen, werden jetzt gleichfalls Stränge genannt. Doch scheinet noch die figürliche R. A. davon abzustammen, wenn alle Stricke reißen, d. i. im höchsten Nothfalle, wofür man auch sagt, wenn alle Stricke reißen. Sich mit einem Strick erhängen. Einem Diebe den Strick um den Hals legen, ihn damit zu hängen; daher im gemeinen Leben auch die Strafe des Galgens der Strick genannt wird, in der anständigern Sprechart der Strang. Den Strick verdienet haben, zum Lohne bekommen, den Strang. Ingleichen ein Strick, so fern es als eine Schlinge aufgestellet wird, große Thiere daran bey den Füßen zu fangen; ein Fallstrick. Stricke legen. Daher das Wort Strick in der Deutschen Bibel häufig figürlich für Nachstellung, Verführung u. s. f. gebraucht wird. Eben daselbst wird es auch zuweilen für Seil gebraucht. Stricke an die Stadt werfen und in den Bach reißen, 2 Sam. 17, 13. Die Stricke vom Kahn abhauen, Apost. 27, 32. In welcher Bedeutung es aber im Hochdeutschen veraltet ist, außer etwa in den niedrigen Sprecharten oder im verächtlichen Verstande.

Anm. Im Nieders. gleichfalls Strick, im Tatian Stricu, bey dem Notker Strigh, bey dem Winsbeck Strik, im Schw. Strek. Es scheinet nicht von Strang, strenge, stringere, binden u. s. f. abzustammen, sondern mit stricken zu drehen zu gehören, von welchem es ein doppeltes Intensivum ist. Denn in der Verfertigungsart scheinet das eigenthümliche Unterscheidungsmerkmahl eines Strickes zu liegen, Ein Strick ist eine Seilerarbeit, welche nur einfach zusammen gedrehet, oder aus vier oder acht einfachen Faden gesponnen wird, dagegen Stränge und andere dauerhaftere Seilerwaaren aus gezwirnten Faden bestehen. Und aus dieser einfachen und schlechten Verfertigungsart rühret auch der verächtliche Nebenbegriff dieses Wortes her. Übrigens unterscheidet sich ein Strick durch die größere Dicke oder Stärke von einer Schnur, und durch die geringere Länge von einem Seile oder einer Leine, obgleich diese zuweilen auch nur aus einfachen Faden, wie ein Strick gesponnen werden. Wenn in den niedrigen Sprecharten ein liederlicher nichtswürdiger Mensch ein Strick genannt wird, so kann solches theils eine Figur von einem Stricke zum Hängen seyn, einen des Stranges würdigen Menschen zu bezeichnen, in welchem Verstande auch wohl Galgenstrick gebraucht wird, oder von streichen, Nieders. striken, einen Landstreicher zu bezeichnen, welcher um das Jahr 1482 im Oberdeutschen noch Strickling heißt. Im Nieders. ist Strick auch eine liederliche Weibesperson, und Huren pflegt man doch eben nicht zu hängen.


Strickbeutel (W3) [Adelung]


Der Strickbeutel, des -s, plur. ut nom. sing. ein zierlicher Beutel des andern Geschlechtes, das Strickzeug darin bey sich zu führen.


Strickbret (W3) [Adelung]


Das Strickbret, des -es, plur. die -er, bey den Jägern und Fischern, ein schmales Bret, worüber die Netze gestrickt werden, damit alle Maschen einerley Weite bekommen; das Strickholz, Strickmaß, die Lehre, der Strickstock. Die Rückbank ist ein solches Holz zu großen starken Netzen.


Stricken (W3) [Adelung]


Stricken, verb. reg. act. welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Zunächst von Strick, und zwar in dessen Bedeutung eines Fall- oder Fangestrickes, in einen solchen Strick verwickeln, damit fangen; in welchem Verstande es doch nur in den Zusammensetzungen verstricken, bestricken und abstricken üblich ist. 2. In mehr eigentlichem Verstande ist stricken, Faden vermittelst besonderer Stricknadeln so in einander schlingen, daß daraus ein zusammen hangendes Gewirke entstehe. Jede einzelne Umschlingung heißt eine Masche. Netze, Garne stricken, Strümpfe, Westen, Mützen, Handschuhe stricken. Gestrickte Hosen. Ein gestrickter Beutel. Das Stricken der Netze ist von dem Stricken der Kleidungsstücke noch unterschieden, scheinet aber die älteste Art zu seyn, weil sie die einfachste ist. Für stricken gebrauchen die Niederdeutschen knütten, eigentlich knüpfen, Dän. knytte, Engl. to knit, Angels. cnittan, die Schweizer aber ließmen, daher die Ließnadel, die Stricknadel, welches für Litze oder vielleicht auch zu ligare zu gehören scheinet. Übrigens gebraucht man das Zeitwort stricken nur, so fern diese Arbeit aus freyer Hand geschiehet; geschiehet sie aber auf einem besonders dazu erfundenen Stuhle so heißt sie wirken. So auch das Stricken.

Anm. Dieses Zeitwort hat sich in unsern ältesten Schriften noch nicht gefunden ob es gleich um deßwillen nicht weniger alt zu seyn scheinet. Das ck in der Mitte deutet auf ein Intensivum, und es scheinet, daß drehen das Stammwort sen, woraus mit dem vorgesetzten Zischlaute und der mittlern Verstärkung stricken gebildet worden. Dem Franz. tricoter, und Ital. tricare, triccare stricken, fehlt dieser Zischlaut, so wie dem Lat. Trica, verschlungene oder verworrene Faden. Das Stricken ist doch wirklich eine Art der Verschlingung oder des Drehens im weitesten Verstande. In Liefland wird stricken für weben gebraucht, welches gleichfalls in einer künstlichen Verschlingung der Faden bestehet. So auch Strick, welches mit diesem Zeitworte aus einer Quelle herstammet.


Strickgarn (W3) [Adelung]


Das Strickgarn, des -es, plur. car. Garn, womit man strickt, woraus man Netze, Strümpfe u. s. f. strickt.


Strickgras (W3) [Adelung]


Das Strickgras, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -gräser, eine Art Gras, welches theils einen rundlichen, theils einen dreyeckigen Stamm hat; Schoenus Linn. Vielleicht weil sich Stricke daraus drehen lassen.


Strickholz (W3) [Adelung]


Das Strickholz, des -es, plur. die -hölzer, S. Strickbret.


Strickleiter (W3) [Adelung]


Die Strickleiter, plur. die -n, eine aus Stricken bestehende Leiter mit Haken, an Wände, Mauern u. s. f. daran hinauf zu steigen.


Strickmaß (W3) [Adelung]


Das Strickmaß, des -es, plur. die -e, S. Strickbret.


Stricknadel (W3) [Adelung]


Die Stricknadel, plur. die -n, Nadeln, d. i. an den Enden rundlich zugespitzte Stücken Draht, deren man sich bey dem Stricken bedienet, den Faden über selbige zu umschlingen; im Nieders. Knüttnadel, in der Schweiz Ließnadel. Bey dem Stricken der Netze ist die Stricknadel ein Holz, welches oben eine Zunge und unten eine ausgehöhlte Öffnung hat, den Zwirn darauf zu winden. Dasjenige Holz hingegen, über welches die Maschen geknüpft werden, und welches die Stelle der eigentlichen Stricknadeln vertritt, wird das Strickbret oder Strickholz genannt.


Stricknaht (W3) [Adelung]


Die Stricknaht, S. Strichnaht.


Strickscheide (W3) [Adelung]


Die Strickscheide, plur. die -n, eine halb hohle kleine hölzerne Scheide, welche an dem Leibe befestiget wird, im Stricken die Stricknadel darein zu stecken.


Strickstock (W3) [Adelung]


Der Strickstock, des -es, plur. die -stöcke, S. Strickbret.


Strickverdeck (W3) [Adelung]


Das Strickverdeck, des -es, plur. die -e, auf den Schiffen, ein aus Stricken geflochtenes Netz, welches zuweilen über das Schiff gezogen wird, um das Entern zu verwehren.


Strickzeug (W3) [Adelung]


Das Strickzeug, des -es, plur. die -e, das zum Stricken gehörige Geräth, z. B. Zwirn, Stricknadeln, die Strickscheide u. s. f. welches das andere Geschlecht in dem Strickbeutel bey sich zu führen pflegt.


Striefe (W3) [Adelung]


Die Striefe, plur. die -n, in einigen Mundarten für den Streifen, wo man auch wohl gestrieft, für gestreift sagt.


Strieme (W3) [Adelung]


Die Strieme, plur. die -n, Diminut. das Striemchen, Oberd. Striemlein, ein Wort, welches so wie Streifen und Striefe eine lange schmale Fläche von andrer Farbe bedeutet. Man sahe einen langen Streimen am Himmel, Bluntschli. Im Hochdeutschen ist es vornehmlich in zwey Fällen üblich. Die gefärbten und zugleich erhöhten Streifen, welche von den Schlägen mit einer Ruthe, Geißel oder Peitsche auf dem Körper entstehen, heißen Striemen. Die Geißel machet Striemen, Sir. 28, 21. Wer einem Kinde zu weich ist, der klaget seine Striemen, Kap. 30, 7. Ein Knecht, der oft gestäupet wird, ist nicht ohne Striemen, Kap. 23, 10. In einigen Gegenden werden auch die Narben Striemen genannt, in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen unbekannt ist, wo man aber die von der Feuchtigkeit in dem nicht ausgebackenen Brote entstandenen Streifen Striemen oder Wasserstriemen zu nennen pflegt.

Anm. Im Schwed. Strima. Strom, und ohne Zischlaut Rahm, Riemen, Rima u. s. f. sind gleichfalls damit verwandt und kommen in der Bewegung in die Länge, wovon die Bedeutung einer langen schmalen Fläche eine Figur ist, mit einander überein. Bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern kommt Strahm und Streim häufig für Strahl, Sonnenstrahl vor, wo auch stromen, stramen und streimen, strahlen, Strahlen werfen bedeuten. Mit andern Endlauten gehören auch Strich, Streifen, Streich, Strahl. Striezel, Strähne, Stria u. s. f. zu diesem Geschlechte. In einigen Gegenden ist es männlichen Geschlechtes, der Striem.


Striemen (W3) [Adelung]


Striemen, verb. reg. act. mit Striemen versehen, wovon aber das Mittelwort gestriemet, für striemig noch am gangbarsten ist. Der Rücken ist gestriemet von Geißeln, Opitz.


Striemig (W3) [Adelung]


Striemig, -er, -ste, adj. et adv. Striemen habend. Der Rücken ist striemig. Wasserstriemiges Brot.


Striepe (W3) [Adelung]


Die Striepe, S. Strippe.


Striez (W3) [Adelung]


Der Striez, des -es, plur. die -e, oder der Striezel, des -s, plur. ut nom. sing. oder die Striezel, plur. die -n, ein im gemeinen Leben vieler Gegenden übliches Wort, einen länglichen schmalen und dicken Körper zu bezeichnen. Ein in länglicher Form gebackenes Brot, heißt in einigen Gegenden Striezel, in andern Weck, und noch andern Stolle. Butterstriezel, ein Buttergebackenes in dieser Gestalt. In einem andern Verstande ist die Butterstriezel ein Stück Butter in ähnlicher länglicher Gestalt, ein Butterweck; Ital. Striscia. In Baiern und Österreich sind die Striezeln eine Art Kuchen, vielleicht von ähnlicher Gestalt, welche im Wendischen Struza heißen, wo es von einigen von strotzen abgeleitet wird. In allen Fällen sticht der Begriff der Länge hervor, daher dieses Wort von Striem, Streifen u. s. f. nur im Endlaute verschieden ist.


Strippe (W3) [Adelung]


Die Strippe, plur. die -n, eine Schleife oder zusammen gelegtes Band, welches an einem andern Körper befestiget wird, denselben daran zu ziehen, oder fest zu machen. Die Strippen oder Stiefelstrippen, sind kurze lederne zusammen gelegte Riemen, so daß sie ein Öhr bilden, die Stiefeln daran anzuziehen. Ähnliche Schleifen von Bindfaden oder Band werden an die Leinwand ge- nähet, sie auf der Bleiche daran mit Pflöcken zu befestigen. Und so vielleicht noch in einigen andern Fällen. Daher, ein Stück Leinwand strippen, die Strippen annähen.

Anm. Bey einigen Striepe, Strüppe, im Holländ. Strop, im Engl. Strapp, im Schwed. Ströppar, im Plural, im mittlern Lat. Strepus, Struppus, Strupus, welche bald ein Seil, bald auch einen Riemen bedeuten. Das Wort ist alt; schon bey dem Livius bedeutet Strupus den Riemen, woran die Ruder befestiget wurden, und der auch eine Strippe war, bey dem Isidor Stroppus, Struppus. In einigen Gegenden ist Strupf, Stropf, Strop, ein mit einer Schlinge versehenes Band oder Riemen, ingleichen eine Wiede, das ist, ein solches gedrehtes hölzernes Band, Ital. Stroppa, und strupfen, stropfen, mit einem solchen Bande befestigen, Ital. stroppare. Es ist in allen diesen Fällen ohne Zweifel ein Intensivum von Streifen, Nieders. Strepe. Im Engl. ist Strapp, ein Strick.


Stripperz (W3) [Adelung]


Das Stripperz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, der Nahme einer Art Bleyglanzes mit einem strahligen Gewebe, welches aus Bley, Schwefel, Silber und Spießglas bestehet. Gleichfalls von Strippe, Streifen, wegen seines gestreiften oder strahligen Gewebes.


Strittig (W3) [Adelung]


Strittig, S. Streitig.


Strobel (W3) [Adelung]


Der Strobel, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, wo es die Zirbelnuß, Lat. Strobilus, bedeutet, da denn auch wohl ein jeder Tann- oder Fichtenzapfen diesen Nahmen führet. Von der straubigen oder strauppigen Gestalt. Daß die erste Hälfte dieses Wortes nicht unmittelbar aus dem Lat. Strobilus entlehnet ist, erhellet aus verschiedenen gemeinen Mundarten, wo der Strobeldorn, ein Nahme der Artischocke ist, ein Strobelkopf aber, einer zottigen straubigen Kopf, Strobelstern, einen Kometen, und strobelig, strubelig, straubig, bedeuten, so daß sträuben, als das Stammwort angesehen werden muß.


Stroh (W3) [Adelung]


Das Stroh, des -es, plur. car. ein Collectivum, die Halme des reifen Getreides, besonders die Halme, welche von dem ausgedroschenen Getreide übrig bleiben, und im weiterm Verstande auch die übrig bleibenden Halme anderer Feldfrüchte; Rockenstroh, Gerstenstroh, Haferstroh, Dinkelstroh, Weitzenstroh, Erbsenstroh, Wickenstroh, Bohnenstroh u. s. f. Wenn Stroh allein stehet, so verstehet man darunter gemeiniglich Roggenstroh. Schüttenstroh, welches aus langen geraden Halmen bestehet, und in Schütten gebunden wird; zum Unterschiede von dem Wirrstroh, Krummstroh oder Rittstroh, welches aus zerknickten und verworrenen Halmen bestehet. Ein Haus mit Stroh decken. Auf dem Strohe schlafen, auf bloßem Strohe. Ein Bund Stroh. Leeres Stroh dreschen, eine unnütze Arbeit verrichten. Figürlich bezeichnet Stroh in einigen Fällen auch eine gewisse bestimmte Menge. So ist in der Landwirthschaft, Ein Stroh Garben, fünf bis sechs Garben, vermuthlich so fern ihrer so viel mit einem Strohseile zusammen gebunden und zum Vorschlagen auf die Tenne getragen werden. In Bremen, Hildesheim und den Seestädten ist Ein Stroh Bücklinge, eine gewisse Zahl zusammen in Stroh gepackter oder mit Stroh zusammen gebundener Bücklinge. Zwanzig Stroh machen eine Laß Bücklinge.

Anm. Schon bey dem Notker Stroh, in den gemeinen Mundarten Strau, im Schwed. Stra, im Angels. Streow, Streu, im Engl. Straw, im Latein. mit einem andern Endlaute Stramen. Entweder von streuen, weil es von den ältesten Zeiten an zum Unterstreuen gebraucht worden, oder auch unmittelbar von dem Geräusche, welches das Stroh in der Behandlung macht, und welches dem Laute ähnlich ist, welcher mit dem Streuen verbunden ist, in welchem Falle beyde Wörter nur Seitenverwandte seyn würden. Im gemeinen Leben mancher Provinzen macht man von Stroh ein neues Collectivum das Geströhde für Stroh, oder Stroh aller Art.


Stroharbeit (W3) [Adelung]


Die Stroharbeit, plur. die -en, künstliche aus Stroh verfertigte Arbeit, z. B. Schachteln mit Stroh ausgelegt u. s. f.


Strohbalken (W3) [Adelung]


Der Strohbalken, des -s, plur. ut nom. sing. schwache Balken oder Baustämme, so wie man sie zu den Stroh- und Schindeldächern zu gebrauchen pflegt.


Strohband (W3) [Adelung]


Das Strohband, des -es, plur. die -bänder. 1. Ein aus Stroh bestehendes Band oder Seil, dergleichen die sind, womit man die Garben, Strohbunde u. s. f. zusammen zu binden pflegt; das Strohseil. 2. In einem andern Verstande ist das Strohband oder Strohbändchen eine Art zarten schmalen seidenen Bandes von offener Seide, welches stark mit Gummi gesteifet ist, und von dem andern Geschlechte zu verschiedenen Arten des Putzes gebraucht wird. Vermuthlich, weil es in der Breite einem Strohhalme gleicht.


Strohbückling (W3) [Adelung]


Der Strohbückling, des -es, plur. die -e, Bücklinge, welche in Stroh gepackt und so verschickt werden, zum Unterschiede von den schlechtern Tonnenbücklingen. Aber Ein Stroh Bücklinge, ist eine gewisse Anzahl auf solche Art eingepackter Bücklinge.


Strohbutter (W3) [Adelung]


Die Strohbutter, plur. car. in der Hauswirthschaft, Butter, welche im Winter gemacht wird, da man das Rindvieh mit Stroh zu füttern pflegt; Winterbutter, zum Unterschiede von der Gras- oder Sommerbutter.


Strohdach (W3) [Adelung]


Das Strohdach, des -es, plur. die -dächer, ein mit Stroh gedecktes Dach, zum Unterschiede von einem Schindeldache, Ziegeldache u. s. f. Figürlich in der höhern Schreibart, ein geringes mit Stroh gedecktes Haus. Die Ruhe folget mir zum niedern Strohdach hin, Uz.


Strohdecke (W3) [Adelung]


Die Strohdecke, plur. die -n, eine Decke von Stroh, dergleichen z. B. diejenige ist, mit welcher die Gärtner im Winter die Mistbeete zu bedecken pflegen.


Strohdecker (W3) [Adelung]


Der Strohdecker, des -s, plur. ut nom. sing. ein Arbeiter oder unzünftiger Handwerker, welcher Strohdächer verfertiget, mit Stroh decket; zum Unterschiede von einem Schieferdecker, Ziegeldecker u. s. f.


Ströhern (W3) [Adelung]


Ströhern, adj. et adv. aus Stroh verfertiget, von Stroh. Ein ströherner Hut. Ein ströhernes Dach. Wofür man doch lieber die Zusammensetzungen mit Stroh - gebraucht. Ingleichen figürlich, unkräftig, unschmackhaft, wie das Stroh. Es schmeckt so ströhern. Ein ströherner Witz, Einfall, kraftloser, matter.


Strohfarbe (W3) [Adelung]


Die Strohfarbe, plur. car. die blaßgelbe Farbe des Strohes, S. Strohgelb.


Strohfarben,Strohfarbig (W3) [Adelung]


Strohfarben, oder Strohfarbig, S. eben daselbst.


Strohfeuer (W3) [Adelung]


Das Strohfeuer, des -s, plur. inus. ein Feuer von brennendem Stroh; zum Unterschiede von einem Holzfeuer und Kohlenfeuer.


Strohfiedel (W3) [Adelung]


Die Strohfiedel, plur. die -n, ein unbedeutendes musikalisches Werkzeug, welches aus dünnen Hölzern bestehet, die, wenn sie auf gebundenes Stroh gelegt werden, einigen Klang von sich geben, wenn man mit kleinen Hämmern darauf schlägt; im Scherze das hölzerne Gelächter, Ital. Ribecca.


Strohgelb (W3) [Adelung]


Strohgelb, adj. et adv. der gelben Farbe des Strohes gleich, welches eine blaßgelbe mit ein wenig röthlich grau vermischte Farbe ist; strohfarben oder strohfarbig, Franz. paille.


Strohhalm (W3) [Adelung]


Der Strohhalm, des -es, plur. die -e, Dimin. das Strohhälmchen, Oberd. Strohhälmlein, ein einzelner Halm Stroh von reifem oder ausgedroschenem Getreide. Aus ihrer seligen Ruhe sieht die Weisheit auf Ameisen herunter, die um Strohhalme kämpfen, Dusch.


Strohhochzeit (W3) [Adelung]


Die Strohhochzeit, plur. die -en, S. Strohkranz.


Strohhut (W3) [Adelung]


Der Strohhut, des -es, plur. die -hüte, Diminut. das Strohhütchen, Oberd. Strohhütlein, ein aus Stroh geflochtener Hut; wohin die Tiroler-Hüte, Pferdeköpfe, Schaubhüte und andere Arten mehr gehören.


Strohhütte (W3) [Adelung]


Die Strohhütte, plur. die -n, eine von Stroh ausgeführte Hütte in Gestalt eines Dreyeckes.


Strohjunker (W3) [Adelung]


Der Strohjunker, des -s, plur. ut nom. sing. eine verächtliche Benennung eines Landedelmanns, dessen vornehmste Beschäftigung in dem Feldbaue bestehet.


Strohkarte (W3) [Adelung]


Die Strohkarte, plur. die -n, bey den Tuchbereitern, Karten, oder Distelkolben, womit das gewalkte Tuch gerauhet wird.


Strohkranz (W3) [Adelung]


Der Strohkranz, des -es, plur. die -kränze, ein Kranz von Stroh; dergleichen z. B. derjenige ist, worauf man in den Küchen die Kessel, Schüsseln u. s. f. zu setzen pflegt, und welcher im gemeinen Leben die Strohkringe genannt wird. Ehedem mußten geschwächte Weibespersonen am Tage ihrer Hochzeit anstatt des Brautkranzes zum Zeichen ihrer verlornen Ehre mit einem Strohkranze erscheinen, welcher Gebrauch in einigen Gegenden noch üblich ist, da denn eine solche Hochzeit eine Strohhochzeit genannt wird. Dieser Gebrauch ist alt, und kommt auch in Frankreich schon im 13ten Jahrhunderte vor, wo man sich statt eines Strohkranzes auch wohl eines Kranzes von Binsen zu bedienen pflegte. Auf etwas ähnliches zielet auch Richard Bischof von Salisbury, wenn er in einer Verordnung von 1217 bey dem Du Fresne v. Annulus, sagt: Nec quisquam annulum de lunco, vel quacumque vili materia, vel pretiosa, iocando manibus innectat muliercularum, vt liberius cum eis fornicetur; ne dum iocari le putat, honoribus matrimonialibus se astringat. Auch bey einer jeden feyerlichen Hochzeit pfleget der neu vermählten jungen Frau den andern Hochzeitstag ein Strohkranz überreicht zu werden, welches von dem Strohkranzredner mit einer scherzhaften Strohkranzrede geschiehet. S. Strohwitwe.


Strohlatte (W3) [Adelung]


Die Strohlatte, plur. die -n, schwache Latten, womit die Strohdächer benagelt werden.


Strohleckwerk (W3) [Adelung]


Das Strohleckwerk, des -es, plur. die -e, in den Salzsiedereyen, ein Leckwerk, wo die Sohle über angebrachtes Stroh tröpfelt, und dadurch gradieret, oder durch die Ausdünstung im Gehalte erhöhet wird.


Strohmann (W3) [Adelung]


Der Strohmann, des -es, plur. die -männer, das Bild eines Mannes aus Stroh, so wie man es zu Verscheuchung der Vögel in die Felder und Gärten aufzustellen pflegt.


Strohmatte (W3) [Adelung]


Die Strohmatte, plur. die -n, eine aus Stroh geflochtene Matte.


Strohmist (W3) [Adelung]


Der Strohmist, des -es, plur. car. Mist oder Dünger von verfaulten Stroh, zum Unterschiede von andern Arten des Mistes.


Strohsack (W3) [Adelung]


Der Strohsack, des -es, plur. die -säcke, ein mit Stroh gefüllter Sack, dergleichen z. B. der ist, welchen man in das Bettgestell unter die Betten zu legen pflegt; der worauf die Soldaten in den Wachstuben schlafen u. s. f.


Strohschaube (W3) [Adelung]


Die Strohschaube, plur. die -n, eine Schaube, d. i. Bündel langen geraden Strohes von mittelmäßiger Stärke, dergleichen die sind, womit die Strohdächer gedeckt werden, und alsdann Dachschauben heißen.


Strohschneider (W3) [Adelung]


Der Strohschneider, des -s, plur. ut nom. sing. ein Arbeiter, welcher das Stroh zu Häcksel schneidet; der Futterschneider, Häckselschneider.


Strohseil (W3) [Adelung]


Das Strohseil, des -es, plur. die -e, ein aus Stroh zusammen geknüpftes Seil, S. Strohband.


Strohsparen (W3) [Adelung]


Der Strohsparen, des -s, plur. ut nom. sing. leichte schwache Sparen, so wie sie zu den leichten Strohdächern gebraucht werden.


Strohteller (W3) [Adelung]


Der Strohteller, des -s, plur. ut nom. sing. ein von Stroh geflochtener Teller, die Teller, Schüsseln und Gläser zur Schonung des Tischtuches bey der Mahlzeit darauf zu setzen.


Strohwein (W3) [Adelung]


Der Strohwein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, eine Art süßen Weines, der den Nahmen von seiner Bereitung hat, weil die Trauben, ehe man sie presset, einige Wochen auf Stroh ausgebreitet werden.


Strohwisch (W3) [Adelung]


Der Strohwisch, des -es, plur. die -e, ein Wisch von Stroh, Nieders. Strohwiep.


Strohwitwe (W3) [Adelung]


Die Strohwitwe, plur. die -n, im Scherze, eine Frau, welche ihren Mann auf kurze Zeit verloren hat, so wie ein Ehemann, in der Abwesenheit seiner Gattinn ein Strohwitwer heißt. Im Schwed. Gräsenka, von Gräs, Gras, und Enka, Witwe, welches Ihre irrig von gradig, begierig, ableitet, weil dergleichen Personen sich gemeiniglich nach ihren Gatten zu sehnen pflegen. Die Benennung ist ohne Zweifel eine Anspielung auf den Strohkranz. In Niedersachsen wurde ehedem eine geschwächte Weibesperson eine Graswitwe genannt, d. i. eine Person, welche nach einem unrechtmäßigen Beyschlafe ihres Gatten beraubt worden, und daher bey einer künftigen rechtmäßigen Verheirathung mit einem Kranze von Stroh oder Gras zur Kirche gehen muß. Strohwitwe bezeichnet daher eine Person, welche keinen Gatten hat, und doch keine Jungfer ist. So auch Strohwitwer.


Strollchen (W3) [Adelung]


* Strollchen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches im Hochdeutschen fremd, aber in einigen Oberdeutschen Gegenden gangbar ist, wo es mit herum streichen gleich bedeutend ist. Im Lande herum strollchen, Engl. to Strole. Daher Strollchengesinde, Landstreicher. Es gehöret zu unserem Trollen.


Strom (W3) [Adelung]


Der Strom, des -es, plur. die Ströme, von dem Zeitworte strömen. 1. Der Zustand, da ein flüssiger Körper strömet; ohne Plural. Das Meer kam wieder in seinen Strom, 2 Mos. 14, 25. Dem Strom des Wassers durch Dämme wehren. 2. Ein strömender flüssiger Körper, d. i. eine große Masse eines sich schnell fortbewegenden flüssigen Körpers, besonders wenn es in gerader Richtung geschiehet. (1) Eigentlich. So nennet man denjenigen Theil eines Flusses, Baches u. s. f. wo das Wasser einen sehr starken Zug hat, den Strom. In den Strom kommen. Strom auf fahren, gegen den Strom. Wider den Strom schwimmen, auch figürlich, überlegenen Hindernissen Widerstand leisten wollen. Ströme im Meere, Massen Wasser, welche einen sichtbaren Zug nach gewissen Gegenden haben. Der Hauptstrom des Weltmeeres gehet von Morgen gegen Abend. Die berühmte Scylla ist weiter nichts als ein Strom zwischen den Vorgebirgen Faro und Sciglio. Auch in der Tiefe gibt es Ströme, welche auf der Oberfläche der See nicht merklich sind. Auch geringere aber sich heftig aus einer Öffnung hervor drängende Massen eines flüssigen Körpers heißen nach einer nicht seltenen Vergrößerung zuweilen Ströme. so sagt man, der Wallfisch blase einen Strom aus seinen Luftlöchern. In engerer Bedeutung nennet man große Flüsse, zumahl wenn ihre Bewegung nach ihrem Ausflusse zu stark und heftig ist, Ströme. Solche Ströme sind die Donau, der Rhein, die Elbe u. s. f. Eigentlich verdienen nur diejenigen großen Flüsse diesen Nahmen, deren Lauf vorzüglich schnell und reißend ist; allein in weiterm Verstande gibt man ihn oft allen großen Flüssen, so wie man hingegen auch reißenden Bäche im gemeinen Leben häufig Ströme zu nennen pflegt. (2) Figürlich. (a) In Rücksicht auf die schnelle Bewegung. Du wirst deßwegen den schnellen Strom der Zeit nicht um eine Minute aufhalten, Dusch. Sich von dem Strome seiner Zeit hinreissen lassen, von den herrschenden Meinungen und Sitten seiner Zeit. Die ehrwürdigen Worte, Religion und Ehre, können wider den Strom des Beyspiels und der Leidenschaft nicht immer bestehen, Sonnenf. (b) In Ansehung der Masse, eine große Menge. Ein Strom von Worten, wo zugleich mit auf die Bewegung angespielet wird. Ströme Bluts vergießen. Ströme von Thränen sind zu wenig für diesen Verlust. Ein Strom schamhafter Zähren Floß von des Alten Angesicht, Gell. Ströme des Segens, der Wohlthaten u. s. f.

Anm. im Angels. und Engl. Stream, im Schwed. Ström, S. Strömen.


Strombahn (W3) [Adelung]


Die Strombahn, plur. die -en, der eigentliche Strom eines jeden fließenden Wassers, die größte Tiefe desselben, wo die fließende Bewegung allemahl am stärksten ist; der Strom. Die Strombahn eines Flusses, eines Baches schmälern.


Strömen (W3) [Adelung]


Strömen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und eigentlich von flüssigen Körpern gebraucht wird, sich in einer beträchtlichen Menge und mit Heftigkeit nach einer gewissen Richtung bewegen, wo es so wohl mehr Masse, als auch mehr Heftigkeit voraus setzet, als fließen. Das Weltmeer strömet von Morgen gegen Abend. Bey Guinea strömet das Meer von Westen nach Osten, bey Sumatra von Süden gegen Norden. Die Donau strömet bey vielen Ländern vorbey. Der Bach strömet von dem Berge herunter. Ingleichen figürlich, sich theils mit Heftigkeit, theils in großer Masse und Menge fortbewegen. Die Zeit strömet unaufhaltbar dahin. Bäche von Thränen strömeten aus ihren Augen. Das Blut strömet aus den Adern. Seine Wohlthaten strömten auf mich zu. So auch das Strömen.

Anm. Es ist eine unmittelbare Onomatopöie des strömenden Wassers. Figürlich bedeutete es ehedem auch sich in die Länge erstrecken, daher gebraucht Pictorius Strom noch von einem Landesstriche, und Strieme von einem Strahl. Auch unser Strieme in der heutigen Bedeutung ist eine Figur davon.


Stromkarpfen (W3) [Adelung]


Der Stromkarpfen, des -s, plur. ut nom. sing. Karpfen, welche sich in Strömen oder Flüssen aufhalten; Flußkarpfen, zum Unterschiede von den See- und Teichkarpfen.


Stromkorb (W3) [Adelung]


Der Stromkorb, des -es, plur. die -körbe. 1. Spitzig zulaufende Körbe, welche mit Dornen gefüllet, und an dem Ufer eines strömenden Wassers auf den Grund geleget werden, die Beschädigung des Ufers zu verhindern. 2. Eine Art Fischreusen ohne Kehle, welche vor den Strom eines Gerinnes oder anderer fließenden Wasser geleget werden, die mit dem Strome kommenden Fische darin zufangen; Franz. Panier de Bonde.


Stromweise (W3) [Adelung]


Stromweise, adv. nach Art eines Stromes, wie ein Strom. Opitz gebraucht dafür das ungewöhnliche strömig. Die Bach der Thränen rinnt Mir strömig Tag und Nacht.


Strophe (W3) [Adelung]


Die Strophe, plur. die -n, ein Abschnitt in einem Gedichte, nach dessen Ende die Melodie und die Versart wieder von vorn angefangen wird; ehedem ein Gesetz. Es ist aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Wiederkehr, so wie Vers, welches noch bey geistlichen Liedern am üblichsten ist, vom Lat. Versus, von vertere.


Stroßbaum (W3) [Adelung]


Der Stroßbaum, des -es, plur. die -bäume, im Berg- und Hüttenbaue, diejenigen ausgezimmerten Bäume an einem Feldgestänge, zwischen welchen die Schwingen gehen. Auch in einem Gö- pel befinden sich Stroßbäume, über welche das Seil aus dem Schacht im Auftreiben nach dem Korbe zu gerichtet wird. Vermuthlich von dem folgenden Strosse, ein Absatz.


Strossenhäuer (W3) [Adelung]


Der Strossenhäuer, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Häuer, welcher das Erz strossenweise aushauet, zum Unterschiede von andern Arten der Häuer.


Ströter (W3) [Adelung]


* Der Ströter, des -s, plur. ut nom. sing. ein veraltetes, nur Hof. 6, 9 befindliches Wort: und die Priester sind wie die Ströter, so da lauern auf die Leute, und würgen auf dem Wege. Das Wort bedeutet einen Straßenräuber, Strauchdieb, und lautet bey dem Jeroschin Struter, der auch Struterey für Straßenräuberey gebraucht. Es stammet entweder von dem veralteten Strut, Strauch her, oder von streiten, so fern es ehedem auch herum streichen, bedeutete, Nieders. striden.


Strotzen (W3) [Adelung]


Strotzen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, von innerer Fülle im höchsten Grade aufgetrieben, aufgeschwollen seyn. Der Beutel strotzet von Gelde, der Bauch von vielen Speisen. Ein strotzender Beutel. Bittet man den Bauern, so strotzet ihm der Bauch, Matthes. Euter, welche von Milch strotzen. Ingleichen figürlich, mit etwas überfüllet seyn. Predigten, welche von Griechischen Wörtern strotzen. Verse, die von Gedanken strotzen. Strotzende Wörter, sesquipedalia verba. Sie würden über die wüthende und von Schimpfwörtern recht strotzende Beredsamkeit erschrecken, Gell. Ingleichen prahlen, sich mit etwas brüsten, in einigen Gegenden; Nieders. strunzen. Mit seinem Gelde, mit seiner Gelehrsamkeit strotzen. So auch das Strotzen.

Anm. Das tz in der Mitte deutet auf ein Intensivum, welches von einem veralteten stroten, strosen oder strossen abstammet, welches in dem Engl. strut, strotzen noch vorhanden ist. Der Begriff der Erhöhung, Ausdehnung ist auch hier der herrschende, daher dieses Wort gleichfalls zu Strauß, Strosse u. s. f. gehöret. Im Hannöver. ist strutt, starr, steif. Auf ähnliche Art ist von starr, in einigen Provinzen starrzen so viel als strotzen, welches aber nicht das Stammwort des unsrigen, ist, wie Frisch glaubt.


Strudel (W3) [Adelung]


Der Strudel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Wort, dessen Stammbegriff die schnelle kreisförmige Bewegung ist, und welches noch in einem doppelten Falle vorkommt. 1. Der Ort in einem Wasser, wo sich das Wasser mit einem Geräusche in einem Kreise drehet, um sich in einen auf dem Grunde befindlichen Abgrund zu stürzen; wodurch sich ein Strudel von einem Wirbel unterscheidet. Dieser bestehet bloß in einer kreisförmigen Bewegung, welche auch von Klippen unter der Wasserfläche, widrigen Strömen u. s. f. herrühren kann; jener setzt einen Abgrund voraus, in welchen sich das Wasser mit einer kreisförmigen Bewegung stürzet. Indessen werden beyde häufig verwechselt, da man denn auch wohl die kreisförmige Bewegung des Wassers, unter und nach einem Wasserfalle einen Strudel zu nennen pflegt. 2. Eine Art Oberdeutsch. Mehlspeise welche aus einem gefüllten Teige bestehet, der in Gestalt einer Wurst gewickelt, wie eine Schnecke zusammen gelegt, und hernach gekocht wird. Böhm. Sstrudle. Ohne Zweifel auch wegen dieser kreisförmigen Gestalt.

Anm. Die Endsylbe -el bedeutet hier ein Subject, Ding, es kommt also nur auf die Sylbe Strud an. Siehe das folgende.


Strudeln (W3) [Adelung]


Strudeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. Es ist eine Onomatopöie des Lautes, welchen ein flüssiger Körper macht, wenn er heftig aufwallt, mit Heftigkeit aus einer Öffnung fließt, oder sich in eine Öffnung stürzet. Das Wasser strudelt, wenn es heftig siedet. Die Quelle strudelt, wenn sie das Wasser mit Heftigkeit herausstößt. Weil im Meere und in den Flüssen, wenn sich das Wasser nach vorher gegangener kreisförmigen Bewegung in eine Tiefe stürzet, eben derselbe Laut Statt findet, so werden solche Orte, wo dieses geschiehet, gleichfalls Strudel genannt. So auch das Strudeln.

Anm. Dem Wesen nach ist es eine Onomatopöie des Lautes, der mit prudeln, nahe verwandt ist. Der Form nach ist es ein Iterativum von struden, striden, streiten, welches mehrere Arten heftiger Bewegungen bedeutet. ( S. Streiten.) Pictorius gebraucht strudeln für eilen, strütten und strutteln, für unbedachtsam handeln, und in dem Narrenschiffe ist unter einander strudeln, unordentlich unter einander werfen. Unter andern bedeutet es auch die kreisförmige Bewegung, da es denn von Kreis nur im Präfixo verschieden ist. Im Wend. ist Zrodlo, Zrudlo, nach eben derselben Onomatopöie, ein starker Quell.


Strumeln (W3) [Adelung]


Strumeln, verb. reg. act. et neutr. im letzten Falle mit dem Hülfsworte seyn, welches nur bey den Kohlenbrennern üblich ist, wo die Fußscheite strumeln, wenn sie an den Enden abbrennen. Es gehöret zum folgenden strümpfen, weil die Scheite dadurch gleichsam gestrümpfet werden.


Strumpf (W3) [Adelung]


Der Strumpf, des -es, plur. die Strümpfe, Diminut. das Strümpfchen, Oberd. Strümpflein. 1. Im weitesten Verstande, der Stamm oder Haupttheil eines Dinges nach abgenommenen Nebentheilen und Enden, der Stamm und in einigen Fällen der Rumpf, Strunk. Der Strumpf von dem in Stücken zerhauenen Widder, 3 Mos. 8, 30. Der Strumpf des zerhauenen Dagons, 1 Sam. 5, 4. der Rumpf. Beyde Ast und Strumpf von Israel abhauen, Es. 9, 14; den Stamm. Weder Ast noch Strumpf soll in Egypten seyn, Kap. 19, 15. Bleibt also nur allein Der bloße Strumpf allda zerschmettert und zerschlagen, Opitz. der Rumpf. In dieser Bedeutung kommt es im Hochdeutschen wenig mehr vor, obgleich noch in einigen Gegenden die Stammenden eines Baumes, und die kurzen Enden eines jeden abgeschnittenen Dinges Strümpfe heißen, wofür sonst auch Strumpf, Stürzel, üblich ist, Tannenstrümpfe, Stammenden von Tannen, im Nieders. Stubben. Mit Strumpf und Stiel ausrotten, sagt man im Hochdeutschen, d. i. mit dem Wurzelende und dem Stamm, ganz und gar, völlig. Der den Bart schirt mag die Strümpf nicht heraus scheren, die Strümpflin bleiben darin, Kaisersb. bey dem Frisch. 2. In engerer Bedeutung sind die Strümpfe eine Bekleidung der Füße, welche über das Bein gezogen werden und dasselbe ganz bis an und über die Knie bedecken. Unterstrümpfe, Oberstrümpfe; zwirnene, wollene, seidene, lederne Strümpfe. Gestrickte Strümpfe, zum Unterschiede von den gewirkten. Ein Paar Strümpfe.

Anm. In der ersten Bedeutung ist es mit Strunk, Trumm, ein Stück, Rumpf u. s. f. nahe verwandt. ( S. Strümpfen.) Die zweyte Bedeutung ist bloß eine Figur der ersten, welche aus der Geschichte dieses Kleidungsstückes erkläret werden muß. Anfänglich bestand die Bekleidung des Unterleibes, wie noch bey vielen östlichen Völkern, aus Einem Stücke, und dieß ganze Stück hieß die Hose. Nachmahls schnitt man den untern Theil oder die Bekleidung der Füße davon ab, und zog jedes besonders an, da denn die Bekleidung der Dickbeine den Nahmen der Hose behielt, die Bekleidung der Beine aber, weil solche anfänglich abgestrümpfte Stücke waren, den Nahmen der Strümpfe bekam. Schwed. Strumpa. Andere Provinzen hingegen, bey welchen Brüche oder weite Unterkleider üblich waren, ließen den Strümpfen, als sie selbige annahmen, den Nahmen, welche das ganze Kleidungsstück ehedem führte, daher heißen die Strümpfe noch jetzt in Westphalen Hasen, d. i. Hosen, im Osnabrückischen Strumphasen, abgestrümpfte Hosen, in andern Gegenden Kniehosen, im Fries. Husse, und im Engl. Hose. S. Hose.


Strumpfband (W3) [Adelung]


Das Strumpfband, des -es, plur. die -bänder, ein Band, womit man die Strümpfe über oder unter dem Knie fest zu binden pflegt. Nieders. Hasenband.


Strümpfen (W3) [Adelung]


Strümpfen, verb. reg. act. in einen Strumpf, in der ersten weitesten Bedeutung verwandeln, d. i. durch die Quere theilen. Es ist nur noch in einigen Gegenden üblich. So wird in Thüringen ein Acker gestrümpft, wenn man ihn in die Quere theilet, da denn die dadurch entstehende Theile Strümpfe oder Strümpfungen, der Ort der Ableitung aber das Strumpfgewende genannt werden.

Anm. Es ist ein Intensivum von einem veralteten strumen, welches ein Verwandter von Strom, Striemen u. s. f. war, und von Bewegungen nach mehrern Richtungen gebraucht wurde. Strunk, Trumm, Rumpf und andere mehr gehören gleichfalls zur Verwandtschaft. S. Strumeln.


Strumpfstricker (W3) [Adelung]


Der Strumpfstricker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Strumpfstrickerinn, eine Person welche ein eigenes Geschäft daraus macht, Strümpfe für andere zu stricken oder stricken zu lassen; besonders so fern es ehedem eine Beschäftigung eigener Handwerker war, aus welchen nachmahls die Baretkrämer geworden sind.


Strumpfstuhl (W3) [Adelung]


Der Strumpfstuhl, des -es, plur. die -stühle, ein Weberstuhl, auf welchem Strümpfe und andere Kleidungsstücke gewirkt, d. i. mit Maschen gewebet werden; der Strumpfwirkerstuhl.


Strumpfwirker (W3) [Adelung]


Der Strumpfwirker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Strumpfwirkerinn, ein Handwerker, welcher Strümpfe und andere Kleidungsstücke auf dem Strumpfstuhle wirket, d. i. nach Art des Gestrickes mit Maschen webet.


Strunk (W3) [Adelung]


Der Strunk, des -es, plur. die Strünke, an den Pflanzen, ein kurzer und dicker Stamm, besonders wenn sich andere Theile der Pflanzen unmittelbar daran befinden; zum Unterschiede von einem Stamme in engerer Bedeutung, einem Stängel, einem Schafte u. s. f. Ein Kohlstrunk, der dicke kurze Stamm des Kohles. Auch die Schwämme haben Strünke. In der Botanik ist in engerer Bedeutung der Strunk ein solcher Stamm, der mit den Blättern und Blüthen nur Ein Stück ausmacht; Stipes Linn. und in diesem Verstande haben nur die Schwämme und Farnkräuter Strünke. Anm. Im Holländ. so wohl Stronk als Tronk, im Nieders. gleichfalls Strunk. Der Begriff der geschehenen Verstümmelung oder Strümpfung ist in dieser Bedeutung nicht der herrschende, obgleich das Wort dieselbe gar wohl verträgt, sondern der Kürze und Dicke, so daß es mit dem Lat. Truncus, ein Stamm, Engl. Trunk, und dem Deutschen niedrigen Runks, ein grober, ungeschliffener Mensch, eines Geschlechtes ist.


Strunt (W3) [Adelung]


* Der Strunt, des -es, plur. car. ein im Hochdeutschen unbekanntes, nur im Niederdeutschen gangbares Wort, wo es den Koth oder Dreck in allerley Verstande bedeutet; Holländ. Stront, Ital. Stronzo, Französ. Etron, Schwed. Strunt. Daher ist Struntjäger, bey den Seefahrern der Nahme eines Seevogels, der die Kutgegef um ihres Kothes willen verfolgt, S. Scheißfalk.


Strunze (W3) [Adelung]


+ Die Strunze, plur. die -n, in den niedrigen Sprecharten, ein großes starkes Weibsbild, im verächtlichen Verstande. Eine faule Strunze. Gewiß nicht von dem vorigen Strunt, als wenn es, wie Frisch es possierlich genug erkläret, eine Person bedeute, welche sich hinten unrein hält, sondern von dem Nieders. Strüne, eine starke große Dirne, von welchem es das Intensivum ist. Siehe Strunk

Anm. und Sträne.


Strupfe,Struppe (W3) [Adelung]


Die Strupfe oder Struppe, plur. die -n, lange rauhe Rinden, welche die Pferde an den Füßen bekommen, und welche von einem vorher gegangenen Reiben oder einer ähnlichen Beschädigung herrühren. Bey einigen wird auch die Mauke, eine Art Geschwüre an dem untern Fuße der Pferde, die Strupfe genannt, weil sie zuletzt zu einer ähnlichen Rinde erhartet. Das Wort gehöret zu struppig und druckt das Rauhe der Rinde aus. Strupfe ist der Hoch- und Oberdeutschen, Struppe der Niederdeutschen Mundart angemessener.


Strupfen (W3) [Adelung]


* Strupfen, verb. reg. welches nur im gemeinen Leben üblich ist. 1. Mit Heftigkeit streifen, als ein Activum und das Intensivum von diesem streifen. Das Laub von den Bäumen strupfen. Im Bergbaue sagt man von einem sehr harten Gesteine, man könne nichts herunter strupfen. 2. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn, und als ein Intensivum von sträuben bedeutet es in einigen Oberdeutschen Mundarten sehr starke Runzeln bekommen, besonders durch die Eintrocknung; schrumpeln. Wenn ein Ding gefriert, so siehst du wohl, daß es zusammen strupft, Kaisersb. Sein Fleisch ist ganz eingestrupft, Hedion. Verstrupfte Weinbeeren, Pictor. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung ganz unbekannt. So auch das Strupfen.


Struppe (W3) [Adelung]


1. Die Struppe, plur. die -n, S. Strupfe.


Struppe (W3) [Adelung]


2. Die Struppe, plur. die -n, in der Seefahrt Stücke gesplitterter Taue, an deren Ende man einen eisernen Ring vermittelst des Ringknotens befestiget, allerley Tauwerk damit zu verlängern oder zu befestigen. Es ist von Strippe nur in der Mundart verschieden, als welches in vielen Gegenden auch Struppe und Strüppe lautet.


Struppig (W3) [Adelung]


Struppig, -er, -ste, adj. et adv. sehr straubig, als das Intensivum von diesem straubig. Ein struppiges Haar, ein struppiger Kopf, struppiger Bart, sehr straubig, empor stehend und verwirrt, besonders von harten Haaren. Ein närrisch haarichtes (haariges) Gesicht in einer struppichten (struppigen) Perrücke, Gell. Im Oberdeutschen ist daher auch das Gestrippe so viel als verworrenes Gesträuch, im Nieders. Struddik.


Struse (W3) [Adelung]


* Die Struse, plur. die -n, in Preußen und Rußland, ein Nahme gewisser platter Flußschiffe, mit welchen man in Preußen Holz, Steinkohlen und Stroh auf den Flüssen hinab führet. Die Strusen, derer sich die Russen auf der Wolga bedienen, haben die Gestalt großer Schüten, sind mit Hütten und Buden versehen, haben Ruder und Segel und werden auch zum Kriege gebraucht. Der Nahme ist vermuthlich Slavonischen Ursprunges.


Strutz (W3) [Adelung]


+ Der Strutz, des -es, plur. die -e, in den niedrigen Sprecharten, ein Neuling in seinem Berufe, das, was man auf Universi- täten einen Fuchs nennet. Besonders pflegen die Soldaten die neu angeworbenen eine Zeit lang so wohl Strutze als auch Hopfe zu nennen. Bey dem Pictorius ist strütten, aus Unbesonnenheit eilen, und Strutter, ein unbesonnener Mensch. S. Strudeln. Strützel. S. Strietzel.


Strützer (W3) [Adelung]


Die Strützer, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der Zaun- oder Heckenkirsche; Lonicera Xylosteum Linn. Etwa von Strauß, wegen der straubigen Gestalt? Im Niedersächs. ist Struddik, Gesträuch.


Stübchen (W3) [Adelung]


Das Stübchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Diminutivum von Stube, so wohl in der Bedeutung eines Zimmers, als auch in der veralteten Bedeutung eines Gefäßes. 1. Von Stube, ein Zimmer, welches geheitzet werden kann, ist Stübchen, ein kleines Zimmer dieser Art, Oberd. Stüblein. 2. In der Bedeutung eines Behältnisses, Gefäßes, kommt es in verschiedenem Verstande vor. (1) Eine Feuergieke wird in vielen Gegenden ein Feuerstübchen, in einigen auch eine Feuerstube genannt, bey dem Apherdian Fußstüblein. Im Nieders. Stave und Stove. Eben daselbst ist im Diminut. Stäfken, Stäveken, Stöveken. Eine kleine Kohlpfanne, z. B. zum Räuchern. Es gehöret in dieser Bedeutung gleichfalls zu Stube. (2) Von Stauf, Stoff, Stube, ein größeres Gefäß von einem gewissen Gehalte, ist das Stübchen ein sehr altes und weit ausgebreitetes Maß flüssiger so wohl als trockener Dinge, welches gemeiniglich vier Maß, Quart oder Kannen hält, und so wohl im Ober- als Niederdeutschen gangbar ist; im mittlern Lat. Stopa, Stupa, Stupulus, Estiva, im Nieders. Stöveken, Stöfken, von Stoof, Stoop. Ein Stübchen Wein oder Bier, d. i. vier Maß. 40 bis 45 Stübchen machen eine Ohm. In Schlesien gebraucht man dafür das verwandte Topf, welches von Stoff, Stauf, nur durch den Mangel des Zischlautes verschieden ist. Im Hannöverischen werden auch die Häringe nach Stübchen gerechnet, und dann gehen 25 1/2 Stübchen auf eine Tonne. Das Stammwort Stauf, bey dem Notker Stuof, Stouph, ist in der Bedeutung eines großen Bechers noch im Oberdeutschen gangbar, so wie Stof, Stoff und Stoop noch im Niederdeutschen, Schwedischen u. s. f. von einem bestimmten Maße üblich sind, wo es aber kleiner ist, als ein Stübchen. In Danzig gehen 25 1/2 Stof auf einen Anker Wein, dagegen 10 Stübchen schon einen Anker machen. Zehn Danziger Stof machen 19 Hamburger Quartier oder Maß, so wie 12 Hamburger Stübchen 17 Holländische Stoopen machen. In Schweden hält eine Kanne zwey Stop. S. Stauff und Stübich.


Stube (W3) [Adelung]


Die Stube, plur. die -n, Diminut. das Stübchen, Oberdeutsch Stüblein. 1. Im weitesten Verstande, ein eingeschlossener Raum, ein Ort, Wohnort, ein bedeckter Ort, sich darin aufzuhalten, und ein Theil desselben, ein Gemach. Im Angels. ist Stov, Stowa, eine Wohnung, und ein jeder Ort; im Fries. Sto, Stev, Stef, eine Hütte, eine Wohnung, ein Haus, daher im Nieders. Warensteve und Warendstew, einen Vormund, eigentlich einen Haushofmeister bedeutet, Engl. umgekehrt Steward. In dieser weitern Bedeutung ist es im gemeinen Sprachgebrauche veraltet, und nur noch in einigen einzelnen Fällen üblich. So ist z. B. die Radstube, der eingeschlossene Raum, das Behältniß, worin sich das Rad einer Wasserkunst befindet, die Glockenstube, der Ort wo die Glocken hängen, die Brunnenstube, ein Gebäude über einen Brunnen. In noch weiterm Verstande eines Behältnisses, eines Gefäßes, kommt es in Feuerstube und dessen Diminut. Feuerstübchen, eine Feuergieke, vor, und in dem veralteten Stube, ein Gefäß, wovon noch das vorige Stübchen übrig ist. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Stube ein Gemach in einem Hause von mittlerer Größe, welches vermittelst eines Kamins oder Ofens geheizet werden kann; bey den Schwäbischen Dichtern die Stuven, im Nieders. Stave, Stauve, Stuve, im Angels. Stova, im Engl. Stew und Stove, im Schwed. Stufva, im Isländ. Stufa, im Ital. Stuffa, im Franz. Etuves, im Span. Estufa, Wend. Stiva. Die Wohnstube, Gaststube, Putzstube, Kinderstube, Krankenstube, Rathsstube, Schreibestube, Studierstube, Trinkstube, Wachstube u. s. f. Besonders eine Wohnstube. Auf der Stube, oder in der Stube seyn. Immer auf der Stube sitzen, die Stube hüten. Eine warme Stube haben. Stube und Kammer. Stube bedeutet eigentlich dasjenige Gemach in einem Hause, welches man gewöhnlich bewohnet, und weil dieses in den nördlichen Ländern im Winter geheizet wird, so ist es nachmahls von allen solchen Gemächern, besonders gemeiner Art gebraucht worden, daher man in der edlern Sprechart dafür lieber das allgemeinere Zimmer oder Wohnzimmer gebraucht. Über dieß wird ein großes Gemach dieser Art, wenn es gleich geheizet werden kann, nicht Stube, sondern Saal genannt. 3. In noch engerm Verstande wurde ehedem eine Badstube nur eine Stube schlechthin genannt, in welchem Verstande schon Stuffa bey dem Paladius vorkommt, obgleich die Leseart hier noch verdächtig ist. Daher wurden die Bader in den vorigen Jahrhunderten nur die Stübler, Stüberer, Stübner genannt. Jetzt werden die Ausdrücke Badstube und Barbierstube noch oft von der Gerechtigkeit gebraucht, das Baden und Barbieren als Meister ausüben zu dürfen.

Anm. Die zweyte engere Bedeutung hat die meisten Wortforscher verleitet, den Begriff der Wärme für den Stammbegriff anzusehen, und es von dem Nieders. stöven, in einem verschlossenen Topfe kochen, dämpfen, und von dem Isländ. Stoo, ein Feuerherd anzusehen. Allein, stöven ist selbst nur eine Figur von stauen, und hat nichts von dem Begriff des Feuers in sich, so wie das Isländ. Stoo, nur eine Ellipsis für Eldsto, Feuerstätte ist. Kurz, Stube bedeutet eigentlich einen jeden Wohnort, eine jede Wohnung, ist von Statt, Stätte, Stand u. s. f. nur im Endlaute verschieden, und stammet mit diesen von stehen, ab. Im Schwed. ist Stö und im Isländ. Sto, ein jeder Ort, S. auch Stauf, Stübchen und Stübich, welche nahe damit verwandt sind.


Stuben-Arrest (W3) [Adelung]


Der Stuben-Arrest, des -es, plur. die -e, diejenige Art des Arrestes, da man von dem Richter Befehl erhält, nicht von seiner Stube zu gehen; ein etwas strengerer Arrest als Haus-Arrest.


Stubenbursch (W3) [Adelung]


Der Stubenbursch, des -en, plur. die -en, ein junger Mensch, welcher mit einem andern auf Einer Stube wohnet; der Stubengesell, in der anständigern Sprechart, Stubengenoß, bey den Soldaten, Handwerkern u. s. f. der Kamerad.


Stubenfliege (W3) [Adelung]


Die Stubenfliege, plur. die -n, die gewöhnlichste Art Fliegen, welche sich in den Stuben oder Wohnzimmern aufhält; Musca domestica Linn.


Stubengelehrte (W3) [Adelung]


Der Stubengelehrte, des -n, plur. die -n, ein Gelehrter, welcher seine Wissenschaft bloß auf der Stube, d. i. aus Büchern, erlanget und ausübet; zum Unterschiede von demjenigen, welcher sie im Umgange mit der Welt ausbildet und anwendet.


Stubengenoß (W3) [Adelung]


Der Stubengenoß, der Stubengesell, des -en, plur. die -en, S. Stubenbursch.


Stubenheitzer (W3) [Adelung]


Der Stubenheitzer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, dessen vornehmste Pflicht es ist, die Stube, oder Stuben für andere zu heitzen; der Einheitzer, mit einem Lateinischen Ausdrucke oft der Calefactor.


Stubenkammer (W3) [Adelung]


Die Stubenkammer, plur. die -n, eine Kammer an oder neben einer Stube, zum Unterschiede von einer Bodenkammer.


Stubenmädchen (W3) [Adelung]


Das Stubenmädchen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Dienstmädchen, welches, zu häuslichen Arbeiten auf der Stube gebraucht wird, und von der jungen Magd zuweilen noch verschieden ist; in der härtern Sprechart die Stubenmagd, und in der niedern das Stubenmensch.


Stubenofen (W3) [Adelung]


Der Stubenofen, des -s, plur. die -öfen, ein Ofen in einer Stube, die Stube zu heitzen; zum Unterschiede von einem Bratofen, Brennofen, Backofen, Schmelzofen u. s. f.


Stubenschabe (W3) [Adelung]


Die Stubenschabe, plur. die -n, eine Art schwarzer Schaben, welche sich gern in den Stuben aufhält, und erst in den neuern Zeiten aus dem Oriente zu uns gebracht worden; Blatta orientalis Linn. die Mehlschabe.


Stubensiech (W3) [Adelung]


Stubensiech, adj. et adv. siech oder kränklich von dem Mangel der Bewegung in freyer Luft. Stubensiech aussehen.


Stubenthür (W3) [Adelung]


Die Stubenthür, plur. die -en, die Thür zu einer Stube, zum Unterschiede von der Kammerthür, Hausthür u. s. f.


Stubenuhr (W3) [Adelung]


Die Stubenuhr, plur. die -en, eine große Uhr, welche man in den Stuben an die Wand zu hängen pflegt; die Wanduhr, zum Unterschiede von einer Taschenuhr.


Stüber (W3) [Adelung]


1. Der Stüber, des -s, plur. ut nom. sing. ein elastischer Stoß mit dem an den Daumen gedrückten und losgeschnellten Mittelfinger; besonders in dem zusammen gesetzten Nasenstüber. ( S. dasselbe.) Jemanden einen Stüber geben. Es bedeutet einen stumpfen Schlag oder Stoß und ist mit stauen, stauchen, stäupen u. s. f. verwandt.


Stüber (W3) [Adelung]


2. Der Stüber, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Stüberchen, eine Niederdeutsche Scheidemünze, welche gemeiniglich 1 1/2 Kreuzer, oder 1 1/2 Pfennig hält. In Holland machen 50 Stüber einen Thaler Cassen-Geld, 20 aber einen Gulden; in Cleve machen 60 und in Ostfriesland 54 Stüber einen Reichsthaler. Holländ. und Nieders. Stüver, Schwed. Styfver. Viele sehen es als eine Übersetzung des Latein. Solidus an, und leiten es von steif her; allein es kann auch von Stufe, ein Stück, abstammen, und eigentlich ein Stück einer größeren Münze bedeuten, weil man den Dickmünzen ehedem ein tiefes Kreuz einzuprägen pflegte, so daß man sie im Nothfalle in vier Theile brechen konnte, ( S. Schilling in den Anm.) da denn Stüber ursprünglich ein Stück einer solchen größern Münze war.


Stubich,Stübich (W3) [Adelung]


* Der Stubich, oder Stübich, des -es, plur. die -e, nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, ein Pack- oder Schlagfaß. Die Waaren in einen Stübich packen. Die Endsylbe ist das Suffixum, so daß es ohne Zweifel zu Stube, Stübchen, Stauff u. s. f. gehöret, und ein Behältniß bezeichnet.


Stück (W3) [Adelung]


Das Stück, des -es, plur. die -e, Diminut. das Stückchen, Oberd. Stücklein, ein in doppelter Hauptbedeutung übliches Wort. 1. Ein Theil eines Ganzen, wo es eigentlich von einem engern Umfange der Bedeutung ist, als Theil, und ein abgesondertes aus Einer Masse bestehendes Theil eines Ganzen bedeutet, die Absonderung sey nun geschehen, auf welche Art sie wolle. Einen Körper in Stücke schneiden, hauen, brechen, sägen, reißen u. s. f. In zwey, sechs Stücke schneiden. Ein abgebrochenes, abgerissenes Stück. Ein Stück Brot, Fleisch, Kuchen, Holz, Stein, Bindfaden, Gold u. s. f. Wo das Ganze oder die Art zuweilen in der zweyten Endung stehet. Ein Stück Landes, ein Stück Feldes, für ein Stück Land, oder ein Stück Feld. Welcher Genitiv aber das Ohr beleidigt, wenn Stück schon im Genitiv stehet: der Anbau eines ungebauten Stückes Landes, welchen Übellaut andere irrig dadurch zu vermeiden suchen, daß sie Stück unverändert lassen, eines ungebauten Stück Landes; besser eines ungebauten Stückes Land. So auch ein Stück Weges, wofür man auch nur ein Stück schlechthin sagt. Er ging ein gut Stück Weges oder ein gut Stück mit. Gehen sie noch ein Stückchen mit. Sie gingen noch ein gutes Stücke, (Stück,) Gell. Er schalt, und lief ein gutes Stücke Dem bösem Schwarme zu entfliehn, eben ders. Wo es aber auch die folgende Bedeutung eines ausgedehnten Dinges leidet, und mit Strecke und Strich gleichbedeutend ist. Im Tatian kommt Stuk von einem Raume vor. Ingleichen ein Theil, woraus ein körperliches Ganzes zusammen gesetzt ist. Eine Flöte von sechs Stücken. Ein Strumpfstuhl besteht aus fast unzählig vielen Stücken. Das Kopfstück, Mundstück, Mittelstück u. s. f. Das Gartenstück, Baumstück, Luststück, Rasenstück u. s. f. In weiterer Bedeutung wird es auch, obgleich nur in einigen Fällen, von den Theilen eines unkörperlichen Ganzen gebraucht. Ein Stück aus einer Rede, aus einer Schrift. Die Stücke Esther, in der Deutschen Bibel, die Fragmente von ihrer Geschichte. Etwas von Stück zu Stück erzählen, im gemeinen Leben. Die Fragestücke, Fragen über einzelne Sätze, auch nur noch im gemeinen Leben und in den Rechten. Ehedem sagte man auch die Glaubens-Stücke, für Glaubens-Artikel. Aus allen erhellet, daß Stück in dieser Bedeutung eigentlich nur von körperlichen Theilen gebraucht wird, es mag ein Ganzes darein zerleget werden, oder daraus zusammen gesetzet seyn; wodurch es sich von Theil welches von einem größern Umfange ist, hinlänglich unterscheidet. 2. Ein zusammen hangendes Ganzes; so wohl, (1) Eigentlich, da es denn zunächst von einem körperlichen Ganzen, als eine und eben dieselbe zusammenhange Masse betrachtet, gebraucht wird. Es ist aus Einem Stücke. Eine Flöte, eine Säule aus Einem Stücke. In weiterer Bedeutung sagt man auch wohl: in Einem Stücke fortarbeiten, ununterbrochen. Der Weg gehet in Einem Stücke fort. Wofür man auch wohl Strecke und Strich gebraucht. (2) In engerer Bedeutung, ein Individuum, entweder so fern es als ein Theil der ganzen Art oder Gattung betrachtet wird, oder, welches noch wahrscheinlicher ist, so fern es ein ausgedehntes Ding ausmacht. Die göttliche Vorsehung gehet nicht bloß auf ganze Arten der Dinge, sondern auch auf einzelne Stücke einer jeden Art. Besonders: (a) Von lebendigen Geschöpfen, wo es von Thieren aller Art am üblichsten ist, am häufigsten von dem Viehe und Wildbret. Ein Stück Wild. Zehn Stück Vieh. Hundert Stück Ochsen. Zwanzig Stück Schafe. Von andern Thieren gebraucht man es nur, wenn die Art oder Gattung nicht bestimmt wird, sondern bloß die Zahl der Individuen angegeben werden soll. Vier Stück, nähmlich Raupen u. s. f. Es bleibt hier, wenn es mit einem Zahlworte verbunden wird, im Plural gemeiniglich unverändert, wie so viele andere Wörter, welche eine Zahl, ein Maß, ein Gewicht u. s. f. bedeuten. Sechs Stück, nicht Stücke. Von Menschen ist es für Person in einigen gemeinen Mundarten so wohl Ober- als Niederdeutschlandes gleichfalls gangbar. Es waren sechs Stück in der Gesellschaft. Allein in der anständigen Hochdeutsch. Mundart ist es in dieser Bedeutung unbekannt. Doch sagt man noch zuweilen ein Weibesstück, im verächtlichen Verstande, für Weibesperson. Ingleichen, es ist ein häßliches Stück von einem Weibe. Im Niedersächs. sagt man im engern Verstande, ein Stück Diebes, ein Stück Schelmes, d. i. ein arger Dieb, ein arger Schelm. (b) Von leblosen Dingen, wo es, 1. Im weitesten Verstande von allen leblosen Körpern gebraucht werden kann, welche von mittelmäßiger körperlicher Größe sind, wenn sie als bloße Individua bezeichnet werden sollen; wo der Plural, wenn ein Zahlwort dabey ist, gleichfalls Stück lautet. Sechs Stück Bücher. Zehn Stück, es sey nun Bücher, Ducaten, Bäume, Steine, Pflanzen u. s. f. Aber von sehr großen Massen, z. B. Gebäuden, Städten, Bergen, Himmelskörpern u. s. f. ist dieses Wort nicht üblich. 2. In engerer Bedeutung, von einzelnen Arten lebloser Individuen. aa) Ein Grundstück, ist ein unbeweglicher Theil des Vermögens. Die Ackerbeete werden in manchen Gegenden Stücke genannt, in andern heißen sie Rücken; wo aber auch die Bedeutung eines Theiles Statt findet. Ein Stück Wein, ist so viel als ein Stückfaß, ( S. dieses Wort.) Sieben Stück (nicht Stücke) Wein. bb) Ein an einander hangendes Gespinnst oder Gewebe heißt ein Stück. Ein Stück Zeug, oder ein Stück Zeuges. Besonders, wenn es von einer bestimmten Größe ist, da es denn mit einem Zahlworte im Plural gleichfalls Stück für Stücke hat. Ein Stück baumwollen oder wollen Garn hält in Sachsen 4 Strähn; oder 12 Zahlen oder Zaspeln; ein Stück leinen Garn aber 6 Strähn, jede zu 2 Zaspeln. Ein Stück Tuch hält gemeiniglich 22 bis 32 Ellen und wird an manchen Orten auch ein Tuch genannt. In der Leinwand, dem Kattune, den seidnen Zeugen u. s. f. sind die Stücke von verschiedener Länge. cc) Ein Werk der Kunst, heißt als ein Werk der Kunst, oder als ein künstliches Individuum betrachtet, häufig ein Stück; Franz. Piece. Ein schönes, ein vortreffliches Stück. Ein Kunststück, ein Meisterstück, ein Stück Arbeit fertig machen. Besonders ein Werk der bildenden Künste. So werden Gemählde, musikalische Compositionen, Gedichte, Schauspiele u. s. f. sehr häufig Stücke genannt. Ein Bruststück, Kniestück, Nachtstück von Gemählden. Ein musikalisches Stück, ein Discant-Stück, ein Singestück, von musikalischen Compositionen. Voltärs Zaire ist ein vortreffliches Stück. dd) Eine mit List verbundene Handlung, wofür auch Streich üblich ist; im Diminut. das Stückchen. Das war ein vortreffliches Stück. Er hat mir ein böses Stückchen gespielt. Böse Stücke vornehmen, 5 Mos. 19, 20. Sie gehen mit bösen Stücken um, Jer. 5, 28. Gewinnst suchen durch böse Stücke, Weish. 15, 12. Ein Bubenstück, Schelmstück, Fechterstück. Von einer jeden Handlung auch im guten Verstande ist es im Hochdeutschen veraltet. ee) Ein Individuum von Geld- und Münzsorten; Franz. Piece. Zehn Stück, entweder Pfennige oder Groschen, Gulden, Thaler. Ein acht Groschen Stück, ein zwey Groschen Stück u. s. f. eine Münze, welche acht oder zwey Groschen gilt. Ein Goldstück, eine goldene Münze; dagegen man nicht sagt, Silberstück und Kupferstück. Ein Stück von Achten, eine Spanische Münzsorte, ( S. Acht.) Ein Stück Geld oder Stück Geldes bedeutet auch häufig eine unbestimmte Summe Geldes. Ein gut Stück Geld bey etwas verdienen. ff) Ein Individuum des groben Geschützes, eine Kanone, wurde ehedem häufig ein Stück genannt, in welcher Bedeutung es zwar noch nicht ganz veraltet ist, aber doch für sich allein im gemeinen Leben häufiger gebraucht wird, als in der edlern Schreibart, wo das ausländische Kanone üblicher geworden; die Zusammensetzungen Feldstück, Kammerstück, Steinstück ausgenommen. Franz. Piece, im Böhm. Delo, welches zu unserm Theil gehöret. Die Stücke laden, losbrennen. Unter die Stücke kommen. Ehedem gebrauchte man dafür auch das Gestück. gg) Endlich wird dieses Wort auch häufig für Sache, Umstand gebraucht. Sechs Stücke hasset der Herr, Sprichw. 6, 16; für Dinge. Noch häufiger für Umstand, Sache. Ich habe auch in diesem Stücke Dich angesehen, 1 Mos. 19, 29. Halte dich in allen Stücken vernünftig, Sir. 31, 18. In diesem Stücke muß ich ihn leben. In diesem Stücke bin ich mit dir nicht Einer Meinung. Von freyen Stücken, aus eigener Bewegung, aus eigenem Antriebe, wofür man ehedem auch sagte von freyen Dingen. Sie singen von freyen Stücken davon an zu reden. Mit der Tugend werde ichs von freyen Stücken niemahls verderben, Orgon beym Gell. Auch die im gemeinen Leben übliche R. A. große Stücke auf etwas halten, viel auf etwas halten, scheinet zu dieser Bedeutung zu gehören, für große Dinge.

Anm. Bey dem Notker Stucchiu, bey dem Stryker Stuck, in den gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes Stuck, im Angels. Sticce, im Schwed. Stycke, im Pohln. Sztuka. Es ist wohl gewiß, ob es gleich noch von niemanden bemerket worden, daß in den zwey Hauptbedeutungen dieses Wortes zwey verschiedene Begriffe zum Grunde liegen. In der ersten herrscht der Begriff der gewaltsamen körperlichen Theilung, und da kommt es von stucken oder stücken her, so fern es ein Intensivum von stechen ist, welches im weitesten Verstande mehrere Arten der körperlichen Theilung bezeichnet. In der zweyten Bedeutung, ist der Begriff der Ausdehnung der herrschende, wovon der Begriff eines einzelnen ausgedehnten Dinges, eines Individui eine Figur ist, und da gehöret es zu Stock, in der Bedeutung einer Masse, dick, deihen, in gedeihen u. s. f. Im Nieders. ist Stuke, so wohl ein Haufe, als auch das Stammende eines Baumes, ein Stock. Wenn dieses Wort ein Individuum im weitesten Verstande bedeutet, und ein Zahlwort bey sich hat, so lautet es im Plural nicht Stücke, sondern Stück, wie so viele andere Wörter, welche eine Zahl, Maß, Gewicht u. s. f. bedeuten. Der Plural die Stücken ist eben so provinziell als der Oberdeutsche die Stücker.


Stückarbeiter (W3) [Adelung]


Der Stückarbeiter, des -s, plur. ut nom. sing. S. Spitzarbeiter und Stückwerk.


Stückbettung (W3) [Adelung]


Die Stückbettung, plur. die -en, S. Stückwall.


Stückeln (W3) [Adelung]


Stückeln, verb. reg. act. welches das Diminut. des folgenden ist, und in beyden Bedeutungen gebraucht wird, so wohl in viel kleine Stücke zertheilen, besonders in den zusammen gesetzten zerstückeln; als auch aus kleinen Stücken zusammen setzen, besonders durch Nähen. So auch das Stückeln.


Stückelschere (W3) [Adelung]


Die Stückelschere, plur. die -n, in den Münzen, eine Schere, womit die Gold- oder Silberzaine zerstückelt, d. i. zu Schrötlein zerschnitten werden.


Stücken (W3) [Adelung]


Stücken, verb. reg. act. 1. In Stücke theilen, es geschehe auf welche Art es wolle. Er fassete sein Kebsweib, und stückte sie mit Bein und mit allem in zwölf Stücke, Richt. 19, 29. Am üblichsten ist es in dem zusammen gesetzten zerstücken. 2. Ein Ganzes, welches eigentlich ein zusammen hangendes Ganzes seyn sollte, aus Stücken zusammen setzen; besonders bey den Nähterinnen und Schneidern Ein Kleid stücken. Das Tuch langt nicht, man muß stücken. Noch etwas daran stücken. Zusammen stücken. S. auch Anstücken. So auch das Stücken.

Anm. Bey dem Notker in der ersten Bedeutung stucchen. Es ist hier eigentlich ein Intensivum von stuchen, stechen, so fern es ehedem auch schneiden, hauen u. s. f. bedeutete, daher sagt man noch in der Schweiz, die Bäume stücken, d. i. köpfen, die Gipfelzweige abhauen. In der zweyten Bedeutung scheinet es von Stück gebildet zu seyn.


Stückfaß (W3) [Adelung]


Das Stückfaß, des -es, plur. die -fässer, ein Nahme eines großen Fasses, von bestimmter Größe, besonders an dem Rheinstrome, wo ein Stückfaß Rheinwein, 1 1/2 Fuder, oder 7 1/2 Ohm, oder 15 Eimer hält. Ein solches Faß wird auch nur ein Stück schlechthin genannt. Auch in Frankreich hat man eine Art eines kleinern Weingebindes, welches Piece heißt. Indessen scheinet, daß in dem Deutschen Worte der Begriff der Ausdehnung, der Größe, der herrschende sey.


Stückgestell (W3) [Adelung]


Das Stückgestell, des -es, plur. die -e, ein Gestell, worauf ein Stück, d. i. eine Kanone lieget, wofür aber das ausländische Lafette üblicher ist.


Stückgießer (W3) [Adelung]


Der Stückgießer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher Stücke, d. i. Kanonen gießet, und welcher, so fern er auch Glocken gießet, der Glockengießer genannt wird.


Stückgut (W3) [Adelung]


Das Stückgut, des -es, plur. die -güter. 1. In der Handlung, Güter oder Waaren, welche aus mehrern einzelnen Stücken bestehen. Ein Fuhrmann, ein Schiffer, führet Stückgüter, wenn seine Fracht aus verschiedenen Waaren bestehet, welche einzeln an ihn zur Ladung abgegeben worden. 2. Eine Mischung von Kupfer und Zinn, woraus die Stücke, d. i. Kanonen und Glocken gegossen werden, ohne Plural. Glockengut.


Stückhufe (W3) [Adelung]


Die Stückhufe, plur. die -n, in der Landwirthschaft einiger Gegenden, ein Theil einer vollständigen Hufe oder Haupthufe, es sey nun die Hälfte oder ein Viertheil derselben. Der Besitzer einer solchen Stückhufe wird alsdann ein Halbhüfner, oder Viertelhüfner genannt.


Stückjunker (W3) [Adelung]


Der Stückjunker, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Armeen, ein junger Edelmann, welcher sich bey den Stücken oder dem Artillerie-Corps zu der Stelle eines Officiers tüchtig macht; wie Fahnjunker.


Stückkohle (W3) [Adelung]


Die Stückkohle, plur. die -n, diejenigen Steinkohlen, welche in großen harten Stücken brechen; zum Unterschiede von den Gruskohlen.


Stückkugel (W3) [Adelung]


Die Stückkugel, plur. die -n, von Stück, eine Kanone, eine Kanonenkugel, zum Unterschiede von einer Flintenkugel.


Stückküssen (W3) [Adelung]


Das Stückküssen, des -s, plur. ut nom. sing. auf den Schiffen, die große Unterlage auf der Lafette, welche das Bodenstück eines Stückes, oder einer Kanone trägt.


Stückladung (W3) [Adelung]


Die Stückladung, plur. die -en, die Ladung eines Stückes, d. i. einer Kanone.


Stück-Lafette (W3) [Adelung]


Die Stück-Lafette, plur. die -n, in engerer Bedeutung, eine Art Lafetten für die Stücke oder Kanonen auf den Schiffen und in den Festungen; zum Unterschiede von den Feld-Lafetten.


Stücklich (W3) [Adelung]


Stücklich, steil, S. Sticklich.


Stückmessing (W3) [Adelung]


Das Stückmessing, des -es, plur. inus. auf den Messinghütten, besonders zu Goßlar, eine Art Messings, welches aus Grätzkupfer und frischem Galmey verfertiget, und zu groben Arbeiten an die Gürtler verkauft wird; zum Unterschiede von dem Tafelmessinge und der Mengepresse.


Stücknessel (W3) [Adelung]


Die Stücknessel, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme einer Art Roßpoley, welche auch unter dem Nahmen Bienensaug, Krötenkraut und große stinkende taube Nessel bekannt ist; Stachyssyluatica Linn.


Stückofen (W3) [Adelung]


Der Stückofen, des -s, plur. die -öfen, eine Art Schmelzöfen für den Eisenstein, welche nur selten gebraucht wird, weil sie nur wenig Eisen auf Ein Mahl verschmelzen kann; Plaaofen, richtiger Blauofen.


Stückpforte (W3) [Adelung]


Die Stückpforte, plur. die -n, auf den Schiffen, die Pforten oder Öffnungen an den Seiten des Schiffs, aus welchen man die Stücke oder Kanonen abfeuert. Sie sind auf dem Schiffe das, was die Schießscharten auf dem Lande sind.


Stückpulver (W3) [Adelung]


Das Stückpulver, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. ein grobkörniges Pulver, womit die Stücke oder Kanonen geladen werden; Karthaunen-Pulver.


Stückring (W3) [Adelung]


Der Stückring, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, eiserne Ringe, welche um die hölzernen Röhren der Kunstgezeuge gelegt werden.


Stücksäge (W3) [Adelung]


Die Stücksäge, plur. die -n, eine einfache aus Einem Stücke bestehende Säge; vielleicht die, welche unter dem Nahmen der Stichsäge am bekanntesten ist.


Stücksäger (W3) [Adelung]


Der Stücksäger, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Vögel mit einem kegelförmigen Schnabel, dessen beyde Hälften lang und ausgezackt sind, und einer Stücksäge gleichen; Säger, Sägeschnäbler, Plotus Serrator Klein.


Stückseil (W3) [Adelung]


Das Stückseil, des -es, plur. die -e, auf den Schiffen, eine Art Seile, welche zu den Stücken oder Kanonen des Schiffes gebraucht werden.


Stück-Visierer (W3) [Adelung]


Der Stück-Visierer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Geschützkunst, ein Werkzeug, die Seele eines Stückes damit zu visieren, d. i. zu untersuchen, ob es vollkommen rein gebohret worden, so daß keine Gruben darin befindlich sind.


Stückwall (W3) [Adelung]


Der Stückwall, des -es, plur. die -wälle, ein von einigen für Batterie versuchtes Wort, wofür doch Stückbettung bestimmter und schicklicher ist.


Stückweise (W3) [Adelung]


Stückweise, adv. in einzelnen Stücken, von Stück. 1. Eine Waare stückweise verkaufen. Eine Sache stückweise erzählen. Jetzt erkenne ichs stückweise, 1 Cor. 13, 12. Etwas stückweise beweisen, einen Satz nach dem andern.


Stückwerk (W3) [Adelung]


Das Stückwerk, des -es, plur. inus. 1. Von Stück 1, Arbeit, welche ein Handwerker dem Kaufmanne, welcher damit handelt, stückweise bringt; daher solche Handwerker oder Fabrikanten auch Stückarbeiter und Stückwerker genannt werden. 2. Von stücken, aus einzelnen Stücken zusammen setzen, ist Stückwerk eine solche unvollkommene Arbeit, welche, anstatt daß sie aus einem Ganzen bestehen sollte, aus einzelnen Stücken zusammen gesetzt ist. Ingleichen figürlich, eine unvollkommene Erkenntniß, wo man nur einzelne Umstände oder Behältnisse von einer Sache erkennet. Unser Wissen ist Stückwerk, 1 Cor. 13, 9.10.


Stückwischer (W3) [Adelung]


Der Stückwischer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Geschützkunst, ein Wischer, die Stücke oder Kanonen nach dem Abfeuern damit auszuwischen.


Studel (W3) [Adelung]


Die Studel, plur. die -n, ein Wort, welches eigentlich eine Säule bedeutet, aber im Hochdeutschen nur noch bey einigen Handwerkern von kleinen Säulen, oder erhabenen empor stehenden dicken Theilen üblich ist. So wird in den Schlössern die Krampe, worin der Riegel gehet, die Studel genannt. Auch in den Gewehrschlössern gibt es eine Studel, deren Lappen die Nuß bedeckt.

Anm. Die zweyte Sylbe ist die Ableitungssylbe, und ohne dieselbe ist bey dem Dasypodius auch Stud, eine Säule. Es stammet mit Stütze, Stadel, Statt, Statua, u. s. f. von stehen ab, und bedeutet ein stehendes Ding. In einigen Gegenden ist es männlichen Geschlechtes, der Studel. Die Thürpfosten werden in manchen Oberdeutschen Gegenden noch jetzt Thürstudel genannt.


Student (W3) [Adelung]


Der Student, des -es, plur. die -en, aus dem mittlern Lateinischen studens, derjenige, welcher sich auf einer Universität oder hohen Schule den Wissenschaften widmet; zum Unterschiede von einem Schüler und Gymnasiasten. Ein Student seyn oder werden. Es hat das Wort durch den häufigen Gebrauch etwas Alltägliches bekommen, daher man in der edlern Sprechart einen solchen den Wissenschaften sich widmenden Jünglinge lieber einen Studierenden oder Studiosum nennt, dagegen in der vertraulichen Sprechart auf Universitäten das Wort Bursch am üblichsten ist. Auf den Niedersächsischen Universitäten hießen die Studenten ehedem Papen, Pfaffen, die Peunäle oder Füchse aber, Halbpapen. In Geßlers 1506 gedruckten Formular, werden die Studenten Hochschüler genannt. In den katholischen Schulen, besonders in den Schulen der ehemahligen Jesuiten, bekommen auch die Schüler der niedern Schulen den Nahmen der Studenten.


Studenten-Blume (W3) [Adelung]


Die Studenten-Blume, plur. die -n, eine hochgelbe Blume von widrigem Geruche, welche in dem nördlichen Afrika einheimisch ist; Othonna palustris Linn.


Studieren (W3) [Adelung]


Studieren, verb. reg. act. et neutr. welches im letzten Falle das Hülfswort haben bekommt. Es ist aus dem Latein. studere entlehnt, und bedeutet: 1. Nachsinnen, die Art und Weise eines Dinges zu erforschen oder zu erkennen suchen. Auf etwas studieren, es zu erforschen suchen. Auf eine Antwort, auf eine Entschuldigung, auf eine Erfindung, auf Mittel und Wege studieren. Auf eine Predigt, auf eine Rede studieren. In den Propheten studieren, Sir. 39, 1. Ingleichen als ein Activum, eine Sache studieren, sie deutlich zu erkennen suchen. Ich studiere jetzt mein Herz mehr als jemahls. Die Gemüthsarten anderer studieren. Jemandes Mienen, Gebehrden studieren, ihre Bedeutung zu erforschen suchen. Das Mittelwort studiert, eine studierte Antwort, studierte Predigt, worauf man studiert hat ist zwar sehr gewöhnlich, aber nicht sprachrichtig, weil man nicht sagt, eine Antwort, eine Predigt studieren, sondern auf eine Antwort oder Predigt studieren. 2. In engerer Bedeutung ist studieren, gelehrte Wahrheiten zu erkennen, Gelehrsamkeit zu erlangen suchen; als ein Neutrum. Den ganzen Tag studieren, auch der größte Gelehrte darf nicht aufhören, zu studieren, sich nach Wachsthum in der Erkenntniß gelehrter Wahrheiten zu bestreben. Für sich studieren. 3. In noch engerer Bedeutung ist studieren, sich den gelehrten Wissenschaften widmen, besonders so fern es auf Universitäten geschiehet. Seinen Sohn studieren lassen. Lust zum Studieren haben. Zu Leipzig, zu Göttingen studiert haben. Ingleichen, als ein Activum mit der vierten Endung der Wissenschaft. Die Theologie, die Rechte, die Arzneywissenschaft, die Weltweisheit, die Mathematik studieren; wofür man in einigen Oberdeutschen Gegenden sagt, in der Theologie u. s. f. studieren. Ein Studierender, welcher auf Universitäten Wissenschaften zu erlernen sucht, im gemeinen Leben ein Student. Der große Haufe pflegt auch wohl einen Gelehrten einen Studierten zu nennen. Auf einen Advokaten, auf einen Doctor u. s. f. studieren, sich die dazu nöthigen Wissenschaften auf Universitäten erwerben, ist nur im gemeinen Leben üblich.


Studier-Stube (W3) [Adelung]


Die Studier-Stube, plur. die -n, diejenige Stube eines Gelehrten, auf welcher er gewöhnlich in der Erkenntniß gelehrter Wahrheiten zu wachsen sucht.


Stufe (W3) [Adelung]


1. Die Stufe, plur. die -n, Diminut. das Stüfchen, Oberd. Stüflein, ein nur noch im Bergbaue übliches Wort, wo es in einer doppelten Bedeutung vorkommt. 1. Ein in das Gestein eingehauenes oder eingeschlagenes Zeichen heißt daselbst eine Stufe. Stufen schlagen, solche Zeichen. Daher die Gedingstufe, die Markscheidestufe, die Erbstufe, das Stufengeld u. s. f. 2. Ein abgehauenes oder abgeschlagenes Stück Erz oder Stein; ein Handstein. Die Erzstufe, Goldstufe, Silberstufe u. s. f.

Anm. Im Böhmisch. Sstuffa, im Wend. Stowp. Es stammt von dem Zeitworte stufen her, S. dasselbe.


Stufe (W3) [Adelung]


2. Die Stufe, plur. die -n, Diminut. das Stüfchen, Oberd. Stüflein, die Absätze an einer Fläche vermittelst derselben hinauf oder hinab zu steigen, für das mehr Oberdeutsche Staffel. 1. Eigentlich, wo es nur von Flächen dieser Art gebraucht wird, daher die Sprossen einer Leiter nicht Stufen heißen, ob sie gleich im Oberdeutschen Staffeln genannt werden. Die Stufen einer Trep- pe. Zehn Stufen hinunter fallen. Stufen in einen Berg hauen. Die Stufen zum Altar. Es gehen zehn Stufen zum Altar hinauf. 2. Figürlich, das steigende oder abnehmende Verhältniß, wo es doch nur einem solchen Verhältnisse in einigen äußern Umständen üblich ist, dagegen das aus dem Lateinischen entlehnte Grad, und das Oberdeutsche Staffel, in einem weitern Umfange der Bedeutung üblich sind. Die Stufen des menschlichen Alters, ( S. Stufenjahr.) Besonders von dem äußern Verhältnisse in der bürgerlichen Gesellschaft. Nach der höchsten Stufe der Ehre, des Ansehens streben. Welche wohl dienen, die erwerben ihnen (sich) selbst eine gute Stufe, 1 Timoth. 3, 13. zu einem höhern Amte. Sich der Armuth rechtschaffener Verwandten und der niedern Stufe schämen, auf der sie stehen, ist nicht bloß Stolz; es ist zugleich Grausamkeit, Gell. Die Stufen der Erniedrigung und der Erhöhung Christi, in der Theologie, Begebenheiten derselben in Ansehung des steigenden Verhältnisses, in welchem sie auf einander gefolgt sind. Dagegen sagt man nicht, Stufen des Reichthumes, der Gesundheit, der Wärme, des Zornes u. s. f. sondern Grade. Doch haben einige Sprachlehrer die Grade der Beywörter Stufen zu nennen versucht, und in Stufengang wird es ohne Anstoß in weiterm Verstande gebraucht. In einigen Oberdeutschen Gegenden werden auch die Grade eines Zirkels Stufen genannt, wodurch vermuthlich Luther bewogen worden, die Abtheilungen an dem Sonnenzeiger Hiskiä, 2 Kön. 20, 9, gleichfalls Stufen zu nennen, ob es gleich im Hochdeutschen in dieser Bedeutung nicht gangbar ist.

Anm. Es stammet mit Staffel von dem veralteten Zeitworte stufon her, welches noch bey dem Ottfried für steigen, aufwärts gehen, vorkommt, und von welchem unser stapfen ein Intensivum ist.


Stufen (W3) [Adelung]


Stufen, verb. reg. act. welches nur noch im Bergbaue für schlagen, oder vermittelst des Meißels hauen, üblich ist. Ein Zeichen oder Gewerk in einen Stein stufen, schlagen oder hauen. Siehe auch Verstufen. Daher Abstufen, mit dem Schlägel und Eisen abhauen, zerstufen, in Stücke schlagen oder hauen. So auch das Stufen.

Anm. Es ist allen Ansehen nach ein sehr altes Wort, welches den mit einer gewissen Art des Schlagens oder Hauens verbundenen dumpfigen Laut nachahmet.


Stufengang (W3) [Adelung]


Der Stufengang, des -es, plur. die -gänge, die fortdauernde Bewegung oder Veränderung nach einem steigenden Verhältnisse; die Gradation. Der Stufengang des menschlichen Lebens, der Sinnlichkeit, der Leidenschaft.


Stufengeld (W3) [Adelung]


Das Stufengeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, im Bergbaue, dasjenige Geld, welches die Geschwornen für das Einhauen der Stufen oder Zeichen in das Gestein bekommen.


Stufenjahr (W3) [Adelung]


Das Stufenjahr, des -es, plur. die -e, jedes siebentes Jahr des menschlichen Lebens, weil in demselben allemahl eine merkliche Veränderung in dem Körper vorgehen soll, daher eine solche Zeit von sieben Jahren auch eine Stufe genannt wird.


Stufenpsalm (W3) [Adelung]


Der Stufenpsalm, des -es, plur. die -e, in der Deutschen Bibel, gewisse Psalme, welche bey den ehemahligen Juden an den hohen Festen auf erhabenen Stufen abgesungen wurden, oder nach andern, weil man die Stimme dabey nach und nach oder stufenweise erhoben; Psalmi graduales. Luther nennt sie Lieder im höhern Chor.


Stufenschacht (W3) [Adelung]


Der Stufenschacht, des -es, plur. die -schächte, im Bergbaue, ein in einem Felsen gehauener Schacht, welcher statt der Fahrten mit Stufen versehen ist.


Stufenweise (W3) [Adelung]


Stufenweise, adverb. nach Art der Stufen, oder Absätze, einer Treppe, d. i. nach einem steigenden oder abnehmenden Verhältnisse. Wenn die Kräfte des Verstandes stufenweise durch Mühe und Anwendung steigen, Gell.


Stuferz (W3) [Adelung]


Das Stuferz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, im Bergbaue, Erz, welches so rein ist, daß es nicht gepocht, sondern nur gestufet werden darf. In einem andern Verstande nennt man in einigen Gegenden ein aus ganzen Stufen oder Stücken bestehendes Eisenerz Stuferz, zum Unterschiede von dem kleinern Bohnerze.


Stufwerk (W3) [Adelung]


Das Stufwerk, des -es, plur. inus. eben daselbst, Stücke reines Erzes, welche in den Gängen mit unter brechen, und nur gestuft, oder ausgeschlagen, nicht aber gepocht werden dürfen.


Stuff (W3) [Adelung]


Der Stuff, des -es, plur. car. ein veraltetes Wort welches so viel als Staub bedeutet, und noch 4 Esdr. 8, 2 vorkommt: ein wenig Stuff, daraus Gold gemacht wird; Goldstaub. Es ist von Staub nur in der Mundart verschieden. Im dem Latein. Texte steht parvum pulverem.


Stuhl (W3) [Adelung]


Der Stuhl, des -es, plur. die Stühle, Diminut. das Stühlchen, ein noch in verschiedenen Bedeutungen übliches Wort. 1. Ein stehendes Ding, wo es mit Stiel von stehen abstammet, aber nur noch in verschiedenen einzelnen Fällen gangbar ist. (1) Eigentlich. Eine Säule hieß ehedem ein Stuhl, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Epirot. Stula, im Alban. Sstjula, wohin auch unser Stolle, in der Bedeutung einer kurzen dicken Säule gehöret. Es ist in diesem Verstande im Hochdeutschen veraltet, außer daß noch eine Säule, d. i. ein senkrecht stehendes Stück Zimmerholz in einem Gebäude, in einigen Gegenden so wohl ein Stiel, als ein Stuhl genannt wird. (2) Figürlich. (a) Ein stehendes Geld, wird noch zuweilen ein Stuhl genannt, daher ein ausstehendes Capital in einigen Gegenden noch der Hauptstuhl heißt, zum Unterschiede von den Zinsen, Schwed. Hufvudstol. Es scheinet, daß hier der Begriff des Stehens der herrschende ist, ob gleich auch der folgende der Masse Statt findet. Denn, (b) in einigen Fällen sticht der Begriff der Menge und der Masse sehr merklich hervor. In den Schmelzhütten macht das Erz einen Stuhl, wenn sich im Schmelzen ein Erz auf das andere setzt, wo es aber auch zur folgenden Bedeutung gehören kann. Eine Menge mehrerer Dinge Einer Art, heißt im Isländ. in einigen Fällen Stol; so ist Herastol oder Stolaher das Kriegsheer, Skipastol, die Flotte. Unser Stock wird auf ähnliche Art gebraucht. In Boxhorns Glossen ist Stual, die Last. Vermuthlich gehöret hierher auch der in dem Salzwerke zu Halle übliche Gebrauch, wo die Salzbrunnen in Stühle getheilet werden. Der Deutsche Brunnen hält daselbst 32 Stühle, ein Stuhl 4 Viertel oder Quart, und ein Quart 12 Pfannen; wo es vielleicht eigentlich auch eine Menge oder Masse bedeutet. 2. Ein Gestell, etwas darauf zu stellen, etwas darauf zu setzen, etwas zu tragen. (1) Im weitesten Verstande, wo es gleichfalls nur noch in einigen Fällen üblich ist. Der Dachstuhl ist in der Zimmermannskunst ein Gestell von Zimmerholz, das Dach zu tragen, oder zu unterstützen; der Glockenstuhl, das Zimmerwerk, welches die Glocken träget; der Stuhl oder Weberstuhl, das Gestell des Webers, oder Wirkers. Der Zinkstuhl, in den Goslarschen Schmelzhütten, das Gestell von Stein, worauf der Zinkstein in dem Schmelzofen gesetzt wird. ( S. auch das Gestühl.) In dem Salzwerke zu Halle wird auch der Haspel der Stuhl genannt, daher der Oberstuhl und der Unterstuhl, der obere und der untere Haspel. In einigen Niedersächs. Gegenden heißt das Holzwerk eines Hauses bis unter das Dach, der Stuhl. Ein Haus brennt alsdann bis auf den Stuhl ab, wenn nur das Dach abbrennt. ( S. Stuhlgeld.) Im Schwed. gleichfalls Stol, im Epirotischen Stula. Im Schwed. ist Stol auch die Bank, worauf die Krämer ihre Waaren auslegen, im mittlern Lat. Staulus, Stallus, daher das Franz. etaler, und in den Slavon. Mundarten heißt ein jeder Tisch Stol, Stul, so wie im Böhm. Stül auch das Bettgestell ist. (2) In engerer Bedeutung, ein Gestell in und auf demselben zu sitzen. Einen Stuhl in der Kirche haben, einen bestimmten eingeschlossenen Ort, wo man in derselben sitzen kann. Die Kirchenstühle, wenn es gleich nur Bänke sind. Besonders in den Zusammensetzungen Beichtstuhl, Bethstuhl, Lehrstuhl, Katheder, Predigtstuhl, Kanzel u. s. f. wo es aber oft eine Figur der folgenden Bedeutung seyn kann, indem dergleichen Arten von Sitzen ehedem bloß aus beweglichen Stühlen bestanden haben können. (3) In der engsten Bedeutung, ein solches bewegliches Gestell, darauf zu sitzen. (a) Ein zierliches bewegliches und erhabenes Gestell für Eine Person darauf zu sitzen, wodurch es sich von Bank, Kanapeh, Schämel u. s. f. unterscheidet; schon bey dem Ottfried Stual, im Nieders. Stool, im Angels. Stol, im Engl. Stool, bey dem Ulphilas Stols, im Schwed. Stol, im Wallis. Ystol, im Slavon. Stolek, im mittlern Lateine Stolium, daher Faldistolium, ein Stuhl der zusammen gelegt werden kann, wovon das Franz. Fauteuil gebildet ist. Entweder auch von Stuhl, Gestell, oder auch von Stuhl, Säule, so fern ein solcher Sitz in den ersten Zeiten der Einfalt, eine bloße kurze Säule, eine Stolle oder ein Stock war. 1. Eigentlich. Ein Feldstuhl, ohne Lehne, welcher zusammen gelegt werden kann, ihn auf dem Felde, und im Felde mit sich zu führen; Armstuhl, Lehnstuhl, Sorgestuhl, Backenstuhl. Ein gepolsterter oder gefütterter Stuhl, im Oberd. ein Sessel. Sich auf einen Stuhl setzen. Jemanden einen Stuhl reichen. Vom Stuhle aufstehen. Von dem Stuhle fallen. Figürlich. Sich zwischen zwey Stühle setzen, von beyden nichts bekommen, von zwey Dingen, welche man haben könnte, keines bekommen. Jemanden den Stuhl vor die Thür setzen, plötzlich alle Verbindung mit ihm aufheben, eigentlich, ihn aus dem Hause stoßen. Seht doch, gleich den Stuhl vor die Thür gesetzt! Gell. 2. Figürlich, der Sitz eines geistlichen oder weltlichen Regenten, ingleichen eines Richters oder eines Gerichtes, kommt noch häufiger unter dem Nahmen eines Stuhles vor. Schon Ottfr. und Notker gebrauchen Stual und Stuol für Thron, und in der Deutschen Bibel kommt es in dieser Bedeutung mehrmahls vor, da es denn zugleich die königliche Würde bezeichnet. Der Stuhl des Königes, 1 Mos. 41, 40. 1 Kön. 1, 46. Der Stuhl des Herren, des großen Gottes, 2 Mos. 17, 16; Ps. 9, 5, 8. Gott wird Christo den Stuhl seines Vaters David geben, Luc. 1, 32. Die Stühle der Gewaltigen stürzen, Weish. 6, 1. Im Hochdeutschen ist es in dieser Bedeutung veraltet, wo man es nur noch von den Thronen der geistlichen Fürsten gebraucht. Der päpstliche Stuhl, oder der Stuhl zu Rom, d. i. so wohl der päpstliche Thron, als auch der Papst mit seinem Hofe, der päpstliche Hof. Zuweilen auch noch von Erzbischöfen und Bischöfen. Der erzbischöfliche oder bischöfliche Stuhl. Der Stuhl zu Mainz, der Erzbischof zu Mainz mit seinem Kapitel. Auch ein Gericht oder Gerichtshof wird noch zuweilen ein Stuhl genannt. Der Freystuhl, Landstuhl, ein Freygericht, Landgericht. Der Gerichtsstuhl, Rechtsstuhl, Schöppenstuhl, Dingestuhl. S. auch einige der folgenden Zusammensetzungen. (b) In der anständigern Sprechart ist der Stuhl, und vollständiger Nachtstuhl, Leibstuhl, Kammerstuhl, ein ähnlicher durchbrochener Sitz, den Leib darauf zu entladen. Zu Stuhle gehen, Richt. 3, 20, auf den Stuhl gehen, im mittlern Latein. adsellare; welche R. A. auch oft überhaupt so viel bedeuten, als auf den Abtritt gehen. Figürlich ist der Stuhl in der anständigen Sprechart theils der Stuhlgang, die Entladung des Leibes durch den After: keinen Stuhl haben, keinen offenen Leib, drey Stühle gehabt haben, es gehet Blut durch den Stuhl mit ab; theils auch die Excremente selbst. Ein blutiger Stuhl, flüssiger Stuhl, harter Stuhl.


Stuhlerbe (W3) [Adelung]


Der Stuhlerbe, des -n, plur. die -n, von Stuhl, Thron, ein wenig mehr gebräuchliches Wort; einen Thronerben zu bezeichnen.


Stuhlfrey (W3) [Adelung]


Stuhlfrey, adj. et adv. ein nur in einigen Gegenden übliches Wort. Im Amte Wetter in der Grafschaft Mark gibt es gewisse Freygüter, welche stuhlfreye Güter, und ihre Besitzer Stuhlfreye genannt werden. Vielleicht von Stuhl, Gerichtsstuhl, weil sie von einem gewissen Gerichte befreyet sind, oder auch von Stuhl, Sitz, Wohnung, wie Freysaß. S. Stuhlgeld.


Stuhlgeld (W3) [Adelung]


Das Stuhlgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, in einigen Gegenden, z. B. im Osnabrückischen, dasjenige Geld, welches der Käufer eines Gutes dem Verkäufer bey dem Abzuge entrichtet, und eine Art eines Schlüsselgeldes zu seyn scheinet. Vielleicht von Stuhl, das Zimmerwerk des Hauses, und figürlich das Haus selbst, S. Stuhl 2.


Stuhlgenoß (W3) [Adelung]


Der Stuhlgenoß, des -es, plur. die -en, von Stuhl, Gerichtshof, in einigen Gegenden, diejenigen, welche einen und eben denselben Gerichts- oder Dingestuhl haben.


Stuhlherr (W3) [Adelung]


Der Stuhlherr, des -en, plur. die -en, von eben dieser Bedeutung, und auch nur in einigen Gegenden, der Gerichtsherr, der Eigenthumsherr eines Gerichtsstuhles.


Stuhlkappe (W3) [Adelung]


Die Stuhlkappe, plur. die -n, Kappen oder Überzüge, welche man über die gepolsterten Sitze der Stühle zu streifen pflegt.


Stuhlknie (W3) [Adelung]


Das Stuhlknie, des -es, plur. die -e, an den Flußschiffen, ein Theil des Steuerruders, welches inwendig im Schiffe stehet.


Stuhlrichter (W3) [Adelung]


Der Stuhlrichter, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, der Präsident eines Gerichtsstuhles, der Richter.


Stuhlsäule (W3) [Adelung]


Die Stuhlsäule, plur. die -n, von Stuhl, Gestell, eine Säule in einem solchen Stuhle, z. B. in einem Dachstuhle, Glockenstuhle u. s. f.


Stuhlschreiber (W3) [Adelung]


Der Stuhlschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Von Stuhl, Gerichtsstuhl, in einigen Gegenden der Gerichtsschreiber. 2. An einigen Orten werden auch die Schreib- und Rechenmeister Stuhlschreiber genannt; etwa, so fern sie ursprünglich wirkliche Gerichtsschreiber waren? 3. An andern Orten ist es derjenige, welcher die Aufsicht über die Kirchenstühle hat, ein Verzeichniß darüber hält, und sie vermiethet.


Stuhlzapfen (W3) [Adelung]


Der Stuhlzapfen, des -s, plur. ut nom. sing. noch häufiger im Diminut. das Stuhlzäpfchen oder Stuhlzäpflein, Zäpfchen von Seife, Talg oder andern Dingen, welche man in den After steckt, den Stuhl oder Stuhlgang zu befördern; Stechpille, Nachtpille.


Stuhlzwang (W3) [Adelung]


Der Stuhlzwang, plur. car. ein Zwang oder heftiger Trieb zum Stuhlgange, wobey doch wenig oder nichts abgehet; der Afterzwang, Leibzwang, Tenesmus.


Stuhrbars (W3) [Adelung]


Der Stuhrbars, S. Steuerbars.


Stucke (W3) [Adelung]


* Die Stucke, plur. die -n, ein nur im Niedersächs. bekanntes Wort, wo es theils das Stammende eines gefälleten Baumes mit der Wurzel, den Wurzelklotz, oder Stock bedeutet, theils auch einen Haufen, ein Bündel gewisser Dinge. So wird ein kleiner Haufe Torf von 6 Stücken, eine Stuke genannt. Die zugespitzten Haufen, in welche der Buchweitzen, wenn er gemähet worden, auf dem Felde ausgesetzet wird, heißen im Calenbergischen, Holsteinischen u. s. f. Stuken. Es ist mit dem Hochdeutschen Stauche, Stock und Stück in ähnlichen Bedeutungen nahe verwandt.


Stülpe (W3) [Adelung]


Die Stülpe, in einigen Gegenden Stulpe, plur. die -n, von dem Zeitworte stülpen. 1. Ein Deckel, doch am häufigsten nur ein beweglicher, erhabener hohler Deckel, welcher auf einen Topf, Gefäß u. s. f. gestülpet wird, in welchem Verstande es im Niederdeutschen am üblichsten ist, dagegen man im Hochdeutschen einen solchen Deckel eine Stürze nennet. 2. Ein umgestülpter, das ist, umgeschlagener Theil eines Dinges, im Hochdeutschen nur in einigen Fällen. So wird der aufgeschlagene Rand eines Hutes, die Krämpe, in einigen Gegenden auch die Stülpe oder Hutstülpe genannt. Das steife Kniestück an einem Stiefel, welches gleichsam umgeschlagen ist führet gleichfalls den Nahmen der Stülpe. An den Thürschlössern ist die Stülpe, oder wie es auch bey einigen lautet, der Stulp, die umgebogene Seite des Schloßbleches, durch welche der Riegel hinein und hinaus gehet. An den Gewehrschlössern hingegen ist es ein viereckiges vorspringendes Stück auf der innern Fläche des Schloßbleches, welches das Schloß in der gehörigen Entfernung von dem Holze hält; entweder auch, so fern es anfänglich ein bloßer umgeschlagener Theil war, oder auch von Stulp, so fern es von Stolle, Studel u. s. f. nur im Endlaute verschieden ist, und auch eine kleine Säule bedeuten kann. Im Wendis. ist Stolpa, ein Pfeiler, und Stolpien, eine Stufe, Fußstapfen.


Stülpen (W3) [Adelung]


Stülpen, verb. reg. act. welches nur in den gemeinen Sprecharten, besonders Niederdeutschlandes, üblich ist. 1. Einen hohen hohlen Deckel auf etwas legen, besonders in den Zusammensetzungen zustülpen, aufstülpen, abstülpen, im Hoch- und Oberd. stürzen. 2. Umkehren, von Gefäßen oder andern Körpern mit breiten hohlen Flächen; im Hoch- und Oberdeutschen stürzen. Einen Topf, einen Scheffel umstülpen. Ein Butterbrot zusammen stülpen, daß die obern bestrichenen Flächen auf einander zu liegen kommen. 3. Umschlagen, aufschlagen, besonders in dem zusammen gesetzten aufstülpen, abstülpen. So auch das Stülpen.

Anm. Im Nieders. stulpen, im Schwed. stjelpa. Es ist allem Ansehen nach eine Onomatopöie so wohl des Bedeckens eines hohlen Raumes mit einem hohlen Deckel, als auch der Umkehrung eines hohlen Gefäßes.


Stumm (W3) [Adelung]


Stumm, -er, -ste, adj. et adv. der Sprache beraubt, sprachlos. Stumm seyn, aus einem natürlichen Fehler nicht sprechen können. Stumm werden, ein Stummer. Stummer, wie ein Fisch. Figürlich, theils aus Vorsatz oder Schüchternheit nicht reden wellend. Star ist in allen Gesellschaften stumm. Theils keinen Laut sich gebend, sich durch keinen Laut offenbarend. Eine stumme Bewegung. Stumme Buchstaben, diejenigen Mitlauter, welche ohne Hülfe eines Selbstlauters nicht ausgesprochen werden können, zum Unterschiede von den flüssigen. Mein Herz war stumm und thränenlos. Stumme Seufzer, stumme Thränen, stumme Blicke. Wird dein Auge beständig gegen mich stumm seyn, und mir niemahls die Worte ins Herz reden, die ich dir mit jedem Blicke begreiflich zu machen suche? Kom. Theat. von S. Stumme Sünden, in der Theologie, welche ohne Zuziehung einer andern Person begangen werden, besonders solche Sünden der Unreinigkeit, Weish. 14, 26. Im Nie- dersächsischen nennet man auch den Wein stumm, wenn er so sehr geschwefelt ist, daß er darüber den Geist verloren hat, Engl. stum, Holländ. stom, in andern Gegenden dumm.

Anm. Bey dem Ottfried stumm, im Nieders. gleichfalls stumm, im Holländ. stom, im Schwed. stum, bey dem Ulphilas ohne Zischlaut dumbs, im Angels. dumb, dumba, im Engl. dum, im Dän. und Schwed. gleichfalls dum, im Wallis. mud, welches mit dem Lat. mutus verwandt ist. Stumm und dumm sind genau verwandt, und ein Stummer ist im eigentlichsten Verstande dumm. Stumm ist allem Ansehen nach eine Onomatopöie des einem m ähnlichen Lautes, welchen stumme Personen gemeiniglich von sich zu geben pflegen, daher es im eigentlichsten Verstande auch nur von natürlich Stummen gebraucht wird. Der Form nach ist es wegen des doppelten m ein Intensivum von einem veralteten stum, oder stüm, von welchen noch ungestüm herstammet, S. dasselbe.


Stümmel (W3) [Adelung]


Der Stümmel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Stümmelchen, ein nur in den gemeinen Sprecharten für der Stumpf, oder der Stumpfen übliches Wort, ein kurzes abgeschnittenes, abgebrochenes oder übrig gebliebenes Ende zu bezeichnen. Ein Stümmel Licht, ein übrig gebliebenes Stück. Der Stümmel von einem Zahne, der Stift oder Stumpf. Ein Stümmel von einem Baume, ein übrig gebliebenes Ende. In Thüringen werden auch kurze Stücke Acker, welche am Ende oder zwischen andern inne liegen, Stümmel genannt. Die Endsylbe bezeichnet ein Ding, ein kurzes dickes abgesondertes Ding. S. das folgende; ingleichen Stumpf, Stümpfen.


Stümmeln (W3) [Adelung]


Stümmeln, verb. reg. act. in einem Stümmel verwandeln, d. i. ein Ding kürzer und kleiner machen und dadurch verunstalten, der zur vollständigen Gestalt gehörigen Theile berauben; stümpfen. Jemanden die Nase, die Ohren stümmeln. Gestümmelte Glieder. Die Worte stümmeln. Im Hochdeutschen ist es indessen in dem zusammen gesetzten verstümmeln, welches die Verunstaltung noch näher bezeichnet, am üblichsten. ( S. dasselbe.) So auch die Stümmelung.

Anm. Die Endsylbe deutet auf ein Intensivum, so daß das eigentliche Stammwort, stummen, gelautet haben muß, welches aber längst veraltet ist. Es hat entweder den dumpfen Laut nachgeahmet, welchen ein kurzer abgestümpfter Körper in manchen Fällen von sich gibt, oder auch schneiden, hauen, stechen u. s. f. überhaupt bedeutet. Das Schwed. Stum, Griech - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Stümmel, sind noch Überbleibsel davon; im letztern Falle aber gehören unser stimmen in bestimmen, Stimulus, u. a. m. zur Verwandtschaft. Stumpf und stümpfen sind ähnliche Intensiva davon, aber nach einer andern Form. Im mittlern Lat. ist Estema, Extema, Stema, die Verstümmelung eines Gliedes


Stummen (W3) [Adelung]


Stummen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, von dem Beyworte stumm, stumm seyn, wovon aber nur das zusammen gesetzte verstummen, stumm werden, üblich ist, S. dasselbe.


Stummheit (W3) [Adelung]


Die Stummheit, plur. car. das Abstractum des jetzt gedachten Beywortes, der Zustand, da man stumm ist.


Stümpeln (W3) [Adelung]


Stümpeln, verb. reg. act. welches nur bey den Kohlenbrennern üblich ist, welche einen Meiler stümpeln oder ausstümpeln, wenn sie die Zwischenräume zwischen dem großen Holze mit Stümmeln oder kleinen Holze ausfüllen. Vermuthlich von dem Niedersächs. Stumpel, ein Stümmel, Stumpf. In einigen gemeinen Mundarten sagt man auch stümpeln für stümpern, S. dasselbe.


Stümper (W3) [Adelung]


Der Stümper, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher das, was er zu können und zu wissen vorgibt, nur sehr unvollkommen kann und weiß, und seine Arbeit daher gleichsam verstümmelt oder verdirbt; zunächst von körperlichen Arbeiten, hernach aber im verächtlichen Verstande von allen Fertigkeiten und Wissen- schaften, deren sich jemand rühmet, oder welche er wissen sollte. Ein Handwerker ist ein Stümper, wenn er die zu seinem Handwerke gehörige Fertigkeit nicht hat, und daher das, was er macht, ungestaltet und gleichsam verstümmelt liefert.

Anm. In einigen Mundarten auch Stümpler, Schwed. und Isländ. Stympare, von dem Nieders. stumpen, stümmeln, verstümmeln, Schwed. stympa. Auf ähnliche Art nennet man einen Stümper in einigen Gegenden auch Hümpler, von hammeln, hummeln, verstutzen, verstümmeln. Übrigens sind dafür auch die Ausdrücke Sudler, Pfuscher u. s. f. und im Nieders. Prülker, Prudler, Maddeler, Knilficker u. s. f. üblich.


Stümperey (W3) [Adelung]


Die Stümperey, plur. die -en, ungeschickte, unvollkommene Arbeit oder Fertigkeit; in einigen Gegenden Stümplerey.


Stümperhaft (W3) [Adelung]


Stümperhaft, -er, -este, adj. et adv. nach Art eines Stümpers, unvollkommen und ungeschickt.


Stümpern (W3) [Adelung]


Stümpern, verb. reg. act. et neutr. im letzten Falle mit dem Hülfsworte haben, aus Mangel der nöthigen Fertigkeit, auf eine unvollkommene oder ungeschickte Art verrichten, zunächst von Dingen, welche eine Fertigkeit voraus setzen; in einigen Gegenden stümpeln, stümpen, von welchem letztern es das Intensivum ist, und daher eigentlich oft und sehr verstümmeln bedeutet. Von einem ungeschickten Handwerker oder Künstler sagt man, er stümpere. Ich stümpere ein wenig auf dem Claviere, Weiße. So auch das Stümpern.


Stumpf (W3) [Adelung]


Stumpf, -er, -este, adj. et adv. von dem Zeitworte stumpfen oder stümpfen. 1. Eigentlich, gestümpft, abgekürzt, und daher seiner gehörigen Länge beraubt; in welcher Bedeutung es doch wenig mehr gebraucht wird, ob man gleich noch sagt, ein stumpfer Schwanz, welcher nicht die gehörige oder gewöhnliche Länge hat; ein stumpfer Besen, welcher gestümpft, oder abgehauen ist. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, der Schärfe und Spitze beraubt, im Gegensatze des scharf und spitzig. (1) Eigentlich von der körperlichen Schärfe oder Spitze, so wohl überhaupt, nicht scharf, nicht spitzig. Ein stumpfer Winkel, welcher über 90 Grade hält, im Gegensatze eines spitzigen. Als auch vornehmlich, von Dingen, welche scharf oder spitzig seyn sollten. Eine stumpfe Nase, welche nicht die gewöhnliche Spitze hat, ( S. Stumpfnase.) Eine stumpfe Schneide, stumpfe Spitze. Das Messer, die Axt, die Säge ist stumpf. Ein stumpfes Messer. Stumpf seyn, machen, werden. (2) Figürlich, im Gegensatze dessen, was man im figürlichen Verstande scharf und spitzig zu nennen pflegt. (a) Die Zähne werden stumpf, wenn sie von einer herben Säure die gehörige Kraft zum Beissen verlieren; Lat. stupidus, blennus. Die Väter haben Herlinge gegessen, und der Kinder Zähne sind stumpf worden, Jer. 31, 29, 30. In einigen Gegenden sagt man dafür, die Zähne sind aufgestanden; in Franken gebraucht man für stumpf, elger, wo der Zähnelger auch die stumpfe Beschaffenheit der Zähne ist Stupor dentium, in Meißen eilend, in Niederdeutschland schlehe, slee, Ital. ohne Zischlaut legato. (b) Der Wein ist stumpf, wenn er nicht die gehörige Schärfe hat, im Nieders. stumm, und im Hochdeutschen von andern Körpern, z. B. dem Salze, auch dumm. Eine stumpfer Geschmack. (c) Von den Sinnen, dem Verstande u. s. f. der gehörigen Schärfe, Durchdringlichkeit, Lebhaftigkeit u. s. f. beraubt. Stumpfe Sinne haben. Ihr Herz und ihre Sinnen sind durch das Laster stumpf geworden, Sonnenf. Bey jedem Gegenstande unserer Leidenschaften wird zuletzt der Kopf stumpf, Zimmerm. Ein stumpfer Beobachtungsgeist, Verstand. Ja, sie singen aber unser Ohr ist zu stumpf das feine Concert zu vernehmen, Geßn. Die Augen werden stumpf, wenn sie nicht mehr mit der gewöhnlichen Schärfe sehen. Man sagt, es werde jemand stumpf, wenn er vor Alter oder Schwach- heit nicht mehr die gehörige Lebhaftigkeit des Körpers oder des Leibes zu seinen Geschäften hat. Ein stumpfer Witz, stumpfer Einfall.

Anm. Im Nieders. und Schwed. stump. ( S. Stümpfen.) Im Nieders. ist dafür auch stuuf üblich, so wie im Schwed. stufva, stümpfen ist. Es fehlet der Deutschen Sprache ein Hauptwort von diesem Beyworte, denn Stumpfheit, welches das schicklichste wäre, ist nicht eingeführet.


Stumpf (W3) [Adelung]


Der Stumpf, des -es, plur. die Stümpfe, oder der Stumpfen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Stümpfchen, Oberd. Stümpflein, ein abgeschnittenes oder übrig gebliebenes kurzes dickes Stück von einem Ganzen, für das gemeinere Stümmel. Ein Stumpfen oder Stümpfchen Licht. Der Stumpfen von einem gefälleten Baume, das Wurzelende, der Wurzelstock, Schwed. Stum, welcher am häufigsten der Stock, Nieders. Stubbe heißt. Zuweilen auch das Ganze, von welchem ein Theil weggenommen worden, wenn es dadurch ein stumpfes Ansehen bekommen, oder verunstaltet worden. Der Stumpf eines abgebrochenen Zahnes. Der Stumpf, der überbliebene Theil des Vorderarmes nach abgehauener Hand. Zunächst von stumpf, nennen die Jäger die abgerundeten, stumpf getretenen Spitzen der Hirschschalen Stümpfe. In einigen Oberdeutschen Gegenden werden auch kurze dicke gefüllete Säcke Stümpfe genannt. Ein Stumpf Wolle, ein solcher mit Wolle gefüllter Sack. Ein Stumpf oder Stümmel Geld, ein solcher Beutel mit Geld. Im Nieders. Engl. und Schwed. Stump. S. das folgende.


Stumpfhafer (W3) [Adelung]


Der Stumpfhafer, des -s, plur. car. eine Art des Hafers, welcher kurze, dicke und stumpfe Körner hat, welche fast der Gerste gleichen, und das beste und meiste Mehl geben.


Stumpfnase (W3) [Adelung]


Die Stumpfnase, plur. die -n, eine stumpfe eingedruckte Nase, welche nicht die gehörige Entfernung vom Gesichte und Spitze hat; ingleichen im verächtlichen Verstande, eine mit einer solchen Nase versehene Person; im Oberd. Rumpfnase, im Nieders. Stuufnäse. Daher stumpfnäsig, mit einer solchen Nase versehen.


Stumpfschwanz (W3) [Adelung]


Der Stumpfschwanz, des -es, plur. die -schwänze, ein stumpfer oder abgestümpfter Schwanz, ein Schwanz, welcher kürzer und am Ende dicker ist, als gewöhnlich. Ingleichen ein Thier mit einem solchen Schwanze; z. B. ein gestutztes Pferd. Nieders. Stuufsteerd. Daher stumpfschwänzig.


Stumpfwinkelig (W3) [Adelung]


Stumpfwinkelig, adj. et adv. einen stumpfen Winkel habend; im Gegensatze des spitzwinkelig. Ein stumpfwinkeliger Triangel.


Stunde (W3) [Adelung]


Die Stunde, plur. die -n, Diminut das Stündchen, Oberd. Stündlein, ein Wort, welches ursprünglich einen kleinen abgesonderten Theil eines Ganzen bedeutet zu haben scheinet, da es denn noch besonders in zwey Fällen üblich ist. 1. Ein kleiner Theil eines größern Raumes. In diesem Verstande wird bey den Markscheidern ein Zirkel statt der in der Geometrie üblichen 360 Grade in 24 Stunden oder gleiche Theile getheilet, welche nach der unveränderlichen Mittagslinie bestimmt werden, welche daher die Stundenlinie heißt; so daß man von Mitternacht durch Morgen, Mittag und Abend bis wieder zu Mitternacht zählet. Daher ist die Stunde des Ganges, dessen Streichen in Ansehung der Weltgegend, so fern selbiges auf diese Art bestimmt wird. Der Gang fällt aus seiner Stunde, wenn er von seiner bestimmten Richtung abweicht. Eine Stunde abstecken, die Richtung des Ganges am Tage mit Pfählen bemerken, welches man auch nennet, die Stunde aus der Grube zu Tage ausbringen. Frisch hat es in dieser Bedeutung ganz unrecht verstanden und erkläret. Bey dem Ottfried ist Stunto, ein jeder Raum oder Ort, allen ther stunton, an allen diesen Orten, welches vermuthlich auch zu dieser Bedeutung gehöret. In gewöhnlicherer Bedeutung, ein kleiner Theil der Zeit. (1) Im weitesten Verstande, ein kleiner Zeittheil von unbestimmter Dauer, eine kleine Weile, ein Augenblick; eine ehedem sehr übliche Bedeutung; welche auch noch jetzt sehr gangbar ist. Bey dem Kero ist Stunthuuilu, ein Augenblick, eigentlich eine Stundweile, sume Stunt, bisweilen, Willeram, noch jetzt im gemeinen Leben unter Stunden. In churzer Stund, bey dem Hornegk, kurz darauf. Im Nieders. ist upstund, jetzt. Von Stund an, im gemeinen Leben von Stunden an, von demselben Augenblicke an, sogleich, Nieders. anstund. Theurdank von stund stündt ab zu fueß, stieg sogleich ab, Theuerd. Zur Stunde, den Augenblick. Ich weiß es noch diese Stunde nicht, diesen Augenblick. Ich weiß die Stunde noch nicht, was das für ein Ding ist, für, diese Stunde. Nicht Eine gute Stunde bey jemanden haben. Keine gesunde Stunde haben, ununterbrochen krank seyn. Eine bessere Stunde, wo meine Standhaftigkeit alle diese Hindernisse überwunden hat. Bange, unglückliche Stunde, o sey noch fern! Wo es überall einen kurzen Zeittheil von unbestimmter Dauer bedeutet. Figürlich sagt man: er ist ihrer alle Stunden werth, ich bin es alle Stunden im Stande, u. s. f. zu allen Zeiten, vollkommen. Ehedem war es auch für Zeit überhaupt sehr üblich, in welcher Bedeutung es bey dem Ottfried und seinen Zeitgenossen mehrmahls vorkommt. Bey dem Kero heißt die Zwischenzeit, Untarstuntu. Hierher gehöret auch die im Hochdeutschen veraltete aber nur noch in einigen Provinzen übliche Bedeutung für Mahl. Andrera Stunt, bey dem Kero, zum andern Mahle. Trizzug Stunton zehinu, dreyßig Mahl zehn, Ottfried. Sibun Stundon sibinu, sieben Mahl sieben, im Isidor. (2) In engerer Bedeutung, ein kurzer Zeittheil von bestimmter Dauer, d. i. der 24ste Theil eines natürlichen Tages. Tag und Nacht bestehet aus 24 Stunden. Die Italiäner zählen vom Untergange der Sonne bis wieder zum Untergange, 24 Stunden, und diese Art die Stunden zu zählen, heißen Italiänische Stunden; dagegen andere Europäische Nationen von Mitternacht bis Mittag zwölf Stunde, und von Mittag bis wieder Mitternacht, wieder zwölf Stunden zählen. Von einer Stunde zur andern, von Stunde zu Stunde. Ich warte schon zwey Stunden. Die Uhr schlägt Stunden. Es ist noch keine Stunde her. Vor einer Stunde. Eine halbe Stunde, Viertelstunde. Es ist eine starke Stunde bis dahin. Keine Stunde Ruhe haben. Ich will ihnen man- ches vergnügtes Stündchen machen. Es ist um ein böses Stündchen zu thun. An keine Stunde gebunden seyn. Wenn die Zahl der Stunden nach der Uhr bestimmt wird, so gebraucht man das Wort Stunde nicht mehr, sondern Uhr; es ist zehn Uhr, oder es ist zehn, nicht es ist die zehnte Stunde, welche veraltete Art des Ausdruckes indessen noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Figürlich, ist Stunde häufig ein Unterricht, welcher Stundenweise gegeben wird. Jemanden auf dem Clavier, im Zeichnen, im Tanzen, im Fechten, in einer Sprache, Stunde geben. Stunde bey jemanden haben, nehmen. In die Stunde gehen, in den Unterricht, welcher nur eine Stunde dauert. Stunde halten. Die Stunde ist aus, ist zu Ende. So auch Die Fechtstunde, Tanzstunde, Schreibestunde, Französiche Stunde u. s. f. Im gemeinen Leben wird nach einer andern Figur auch das Stundenglas nur die Stunde schlechthin genannt.

Anm. In dieser engern Bedeutung schon bey dem Ottfried Stunta, im Nieders. Stunde, im Schwed. Stund. Da im Schw. noch stunt, abgekürzt, gestutzt, und stunta, stutzen, stümpfen, bedeuten, so leitet Ihre es sehr wahrscheinlich von diesem Zeitworte her, so daß Stunde eigentlich einen abgesonderten kleinen Theil bedeuten würde. Das im Deutschen längst veraltete Stammwort stunen oder stunden, abkürzen, ist alsdann von stümmeln, stümpfen, stutzen, dem Nieders. stuven, und andern dieser Art, nur im Endlaute verschieden. Im Niederdeutschen ist Stunzel noch ein kurzer kleiner Mensch. Übrigens gebrauchen Ottfried und seine Zeitgenossen für dieses Stunde im engern Verstande auch Zito, Zeit, und Wilu, Weile. Ia sint binoti zuelif dago ziti? Hat nicht der Tag zwölf Stunden? Ottfr.


Stunden (W3) [Adelung]


Stunden, verb. reg. act. welches nur noch hin und wieder in den Kanzelleyen üblich ist, wo es zuweilen auch gestunden lautet, Zeit und Frist geben. So auch die Stundung.


Stundenbret (W3) [Adelung]


Das Stundenbret, des -es, plur. die -er, in der Schifffahrt, eine hölzerne Scheibe, worauf die 32 Windstriche verzeichnet sind, und welche der Steuermann am Maste hangen hat, die Zahl der Stunden, wie lange der Wind eine und eben dieselbe Richtung behalten hat, daran zu bemerken; bey den Holländern das Uhrbord.


Stundengebeth (W3) [Adelung]


Das Stundengebeth, des -es, plur. die -e, ein Gebeth, welches zu gewissen bestimmten Stunden gebethet wird, besonders in der Römischen Kirche die so genannten Horae canonicae.


Stundenglas (W3) [Adelung]


Das Stundenglas, des -es, plur. die -gläser, ein mit seinem Sande gefülltes Glas, durch dessen Auslaufen die Dauer einer Stunde zu bemerken; die Sanduhr, im gemeinen Leben nur die Stunde.


Stundenkreuz (W3) [Adelung]


Das Stundenkreuz, des -es, plur. die -e, in der Gnomonik, eine Sonnenuhr in Gestalt eines Kreuzes, welche, ohne Hülfe eines Zeigers, durch ihren eigenen Schatten die Stunden zeiget.


Stundenlang (W3) [Adelung]


Stundenlang, adj. et adv. eine oder mehrere Stunden dauernd. Stundenlang auf etwas warten. Ein stundenlanges Gebeth.


Stundenlehrer (W3) [Adelung]


Der Stundenlehrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein Lehrer, welcher seinen Unterricht nach Stunden bezahlt bekommt.


Stundenlinie (W3) [Adelung]


Die Stundenlinie, plur. die -n. 1. In der Gnomonik, diejege Linie, welche der Schatten des Zeigers einer Sonnenuhr zu einer gegebenen Stunde erreichen muß. 2. In der Markscheidekunst wird die Mittagslinie die Stundenlinie genannt, weil die Stunden oder Theile des Zirkels von derselben an gezählet werden.


Stundenring (W3) [Adelung]


Der Stundenring, des -es, plur. die -e, an den Uhren, der Ring oder Kreis auf dem Zifferblatte, in welchen die Stunden verzeichnet werden.


Stundenrufer (W3) [Adelung]


Der Stundenrufer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher die Stunden des Tages, besonders aber des Nachts abru- fet; in welchem letztern Falle es eine anständige Benennung eines Nachtwächters ist.


Stundensand (W3) [Adelung]


Der Stundensand, des -es, plur. car. Sand, so wie er in den Stundengläsern gebraucht wird; Uhrsand.


Stundensäule (W3) [Adelung]


Die Stundensäule, plur. die -n, in der Gnomonik, eine Sonnenuhr in Gestalt eines Cylinders.


Stundenscheibe (W3) [Adelung]


Die Stundenscheibe, plur. die -n, bey den Markscheidern, eine messingene in 24 Stunden oder Theile eingetheilte Scheibe, das Streichen eines Ganzes in Ansehung der Weltgegenden damit zu bestimmen; die Eisenscheibe, vermuthlich, weil sie ehedem von Eisen war.


Stundenschuh (W3) [Adelung]


Der Stundenschuh, des -es, plur. die -e, in der Astronomie ein Schuh, oder der dritte Theil von der Länge eines Penduls, welches seine Schwingung in einer Secunde zu Ende bringt.


Stundenseiger (W3) [Adelung]


Der Stundenseiger, des -s, S. Stundenzeiger.


Stundenstab (W3) [Adelung]


Der Stundenstab, des -es, plur. die -stäbe, in der Gnomonik, ein Stab, auf welchem eine Sonnenuhr verzeichnet ist.


Stundenstaffel (W3) [Adelung]


Die Stundenstaffel, plur. die -n, an den Schlaguhren, eine in zwölf Theile oder Staffeln nach Schneckenzügen ausgeschnittene Scheibe, durch welche die zwölf Uhrschläge abgemessen werden.


Stundentafel (W3) [Adelung]


Die Stundentafel, plur. die -n, in der Astronomie und Schifffahrt, berechnete Tafeln, aus der beobachteten Sonnenhöhe die Stunde jedes Tages zu finden.


Stundenzeiger (W3) [Adelung]


Der Stundenzeiger, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Der Zeiger an einer Uhr, welcher die Stunden zeiget, zum Unterschiede von dem Minuten- und Secundenzeiger. 2. Im gemeinen Leben auch ein einfaches Werkzeug, welches die Stunden zeiget, da denn so wohl die Sanduhren, als auch die Sonnenzeiger Stundenzeiger, und in einigen Gegenden Stundenseiger genannt werden. 3. In der Mathematik ist es eine runde Scheibe, auf deren Einer Seite die Stunden; auf der andern aber die zu ihrer Erkenntniß nöthigen Zirkel der Himmelskugel verzeichnet sind; Horoscopium.


Stundenzirkel (W3) [Adelung]


Der Stundenzirkel, des -s, plur. ut nom. sing. in der mathematischen Geographie und Astronomie, zwölf Zirkel, welche durch die beyden Welt-Pole gehen, und den Äquator in 24 gleiche Theile theilen, und zugleich die astronomischen Stunden bezeichnen; Circuli horarii.


Stündig (W3) [Adelung]


Stündig, adj. et adv. eine Stunde dauernd, welches aber nur in den Zusammensetzungen zweystündig, dreystündig u. s. f. üblich ist.


Stündlich (W3) [Adelung]


Stündlich, adj. et adv. zu allen Stunden, ingleichen von Stunde zu Stunde. Wir erwarten ihn stündlich. Das stündliche Gebeth.


Stunze (W3) [Adelung]


Die Stunze, plur. die -n, ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, eine Art eines Gefäßes zu bezeichnen, welches vermuthlich eben dasselbe ist, welches unter dem Nahmen einer Stande am bekanntesten ist, ( S. dieses Wort.) Im Nieders. ist Stünsken, ein kleiner Zuber.


Stupfen (W3) [Adelung]


* Stupfen, verb. reg. act. welches aber im Hochdeutschen unbekannt, und nur im Oberdeutschen gangbar ist, mit einer stumpfen Spitze stoßen, ingleichen mit einer jeden Spitze stechen. Er stupfte den König, 3 Macc. 5, 12; er stieß ihn mit dem Finger oder der Hand an, ihn aufzuwecken, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Ein Pferd mit der Spießgerte stupfen. Einen Ochsen stupfen, mit dem Stachel anstoßen. Mit Nadeln stupfen, stechen. Lauter im Oberdeutschen übliche Redensarten. Daher der Stupfel, ein Treibestachel, Stimulus. Es ist mit dem Nieders. stippen, und dem Hochdeutschen dupfen und tippen genau verwandt und ahmet zunächst den Laut des Stoßens oder Stechens mit einer stumpfen Spitze nach.


Sturm (W3) [Adelung]


Der Sturm, des -es, plur. die Stürme, ein Wort, welches ein heftiges mit Gewalt verbundenes Getöse durch seinen Laut nachahmet, und daher auch ehedem von einem jeden heftigen Getöse, ja von einer jeden heftigen Bewegung gebraucht wurde, wie es denn noch in den Monseeischen Glossen durch motus und strepitus gegeben wird. Noch jetzt ist es in dieser Bedeutung gangbar, ein mit heftiger Gewalt verbundenes oder von derselben verursachtes Getöse zu bezeichnen. Die Herde Säue stürzte sich mit einem Sturme in das Meer, Matth. 8, 32. Ein Hagelsturm, Wassersturm, Es. 28, 2; brausender Hagel, tobendes Wasser. Mit einem Sturme gelaufen kommen, besonders von mehrern, Ital. Stormo. Aus heiliger Stille auf die Stürme der niedrigen Erde herunter sehen, Dusch; auf das unruhige Getümmel. Besonders, 1. Ein hoher Grad des Windes, dessen nächster und höchster Grad ein Orkan genannt wird; ein Sturmwind, in einigen Gegenden auch Windsturm, obgleich dieses eigentlich nur einen heftigen Anfall, Stoß oder Sturz des Sturmes bedeutet; bey dem Stryker Stuerm, Nieders. Angels. Engl. Schwed. Storm, in Bretagne Storm, im Irländ. Sturrim, im Isländ. Stormur, im Pohln. Szturm, im Wallis. Ystorm, im Lat. ohne Zischlaut und mit einem andern Endlaute Turbo. Ein großer Sturm, ein heftiger Sturm. Es entstand ein Sturm, es erhob sich ein Sturm. Die Stürme toben, wüten. Ingleichen figürlich. Der auffahrende Sturm einer Leidenschaft. Ein Herz, welches von dem Sturme einer getheilten Liebe hin und her getrieben wird. Wodurch wollen sie den Sturm abwenden, der uns bedrohet? Sonnenf. Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme Preis zu geben, so will ich es thun, Gell. Was für ein finstrer Sturm droht meiner Zärtlichkeit? Weiße. 2. Das Getümmel mehrerer in heftiger und gewaltsamer Bewegung befindlicher Personen. Da sich aber ein Sturm erhob der Heiden und der Jüden, Apost. 14, 5. Sturm läuten, mit einer Glocke das Zeichen eines entstandenen Feuers geben, um alles zur eilfertigen Löschung dadurch anzufordern, stürmen. Der Haufe rannte mit einem Sturme daher, stürmte daher. Mit einem Sturm an die Mauer laufen, in der Deutschen Bibel. In einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man auch, ein Sturm Leute, Buben, ein Haufe in heftiger Bewegung befindlicher Personen, wohin ohne Zischlaut auch die Lat. Turba und Turma gehören. Eben daselbst ist ein Sturm Vögel, ein Flug oder Strich, so viel als ihrer zugleich auffliegen. 3. Besonders, der mit einem solchen Getöse verbundene gewaltsame Angriff mehrerer. Daher war Sturm ehedem auch so viel als der Krieg, ingleichen ein Gefecht, Treffen. Zu Sturme reiten, in das Feld, in den Krieg, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno, im alten Franz. Estour, alt Engl. Stour, in Bretag. Stourm, im Isländ. Styr. Jetzt gebraucht man es nur noch von dem gewaltsamen Eindringen in einen festen und vertheidigten Ort. Sturm laufen, stürmen, einen festen Ort oder einen Theil desselben gewaltsam zu ersteigen und zu erobern suchen; Ital. Stormo, im mittlern Lat. Turmatus. Eine Stadt mit Sturm einnehmen oder erobern, mit stürmender Hand. Die Belagerten schlagen den Sturm ab, wenn sie die Stürmenden zwingen, abzulassen. Sturm schlagen, blasen, oder zum Sturme schlagen, blasen, das Zeichen zum Sturme mit der Trommel oder Trompete geben. Die biblische R. A. den Sturm anlaufen ist nicht üblich. Ingleichen figürlich. Was für einen Sturm haben sie auf meine Seele gethan? was für einen heftigen Angriff? S. Stürmen.


Sturmbock (W3) [Adelung]


Der Sturmbock, des -es, plur. die -böcke, ein schwerer großer, vorn mit Eisen beschlagener Balken, dessen man sich vor Erfindung des schweren Geschützes bediente, bey und in dem Sturmlaufen die Mauern damit einzustoßen; Aries, der Mauerbrecher. Die letzte Sylbe gehöret nicht zu Bock, hircus, sondern zu Bock, ein Werkzeug zum stoßen oder pochen.


Sturmbrücke (W3) [Adelung]


Die Sturmbrücke, plur. die -n, eben daselbst, bewegliche hölzerne Thürme, welche man nahe an die Mauern schob, und hernach eine Brücke auf dieselben fallen ließ, die Mauern auf solche Art zu ersteigen.


Sturmdach (W3) [Adelung]


Das Sturmdach, des -es, plur. die -dächer, eben daselbst ein bewegliches Dach, unter dessen Schutze sich die Stürmenden den Mauern naheten.


Sturmdeich (W3) [Adelung]


Der Sturmdeich, des -es, plur. die -e, in den Niederdeutschen Marschländern, ein Deich, das Binnenwasser bey einem entstehenden Sturmwinde abzuhalten, daher er innerhalb des Hauptdeiches angeleget wird; Landdeich, Bienendeich.


Stürmen (W3) [Adelung]


Stürmen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. 1. Ein heftiges von gewaltsamer Bewegung herrührendes Getöse machen, welches dem Laute dieses Zeitwortes gleicht. An die Thür stürmen, mit Gewalt anpochen. In das Zimmer hinein stürmen, mit der größten Heftigkeit und dem stärksten Getöse. Die Treppe hinauf stürmen. Auf jemanden hinein stürmen, ihm mit ungestümer Heftigkeit zusetzen. Alles stürmte auf ihn hinein. Eifersucht und fehlgeschlagene Liebe stürmten so auf sie ein, daß u. s. f. Stürmende Leidenschaften. Belinde ließ nunmehr dem Zorne freyen Lauf. Und Klagen stürmten hin und Thränen hörten auf, Zach. Besonders von dem im höchsten Grade bewegten Winde. Der Wind stürmet; ingleichen unpersönlich, es stürmt. Wenn der Winter um unsere Hütte stürmt, Geßn. In der dichterischen Schreibart, auch wohl in der thätigen Form. Der Ostwind stürmt ihn aus seiner Stelle, Hiob. 27, 21. nach Michael. 2. Sturm läuten, d. i. durch das Schlagen an die Glocke, das Zeichen zum Allarm geben, es sey nun in Feuersgefahr, oder bey einem eindringenden Feinde. S. Sturmglocke. II. Als ein Activum, mit ungestümer Gewalt und einem heftigen Lärm zu vernichten suchen. Die Bilder stürmen, sie auf solche Art aus den Kirchen reißen und vernichten. Ingleichen auf solche Art zu erbrechen oder einzunehmen suchen, besonders, wenn es von mehrern geschiehet. Jemandes Zimmer stürmen. Ein Haus stürmen. Eine Stadt, eine Festung stürmen, Sturm laufen, mit Gewalt in dieselbe einzudringen suchen. Eine Festung mit stürmender Hand einnehmen, in Sturm, mit Sturm. Die Mauern stürmen. Das Thor stürmen. So auch das Stürmen.

Anm. Bey dem Notker ist sturmon, toben, und im Tatian sich empören. Es ist eine Nachahmung des ungestümen Getöses, welches es ausdruckt, und mit stören und sterzen, stürzen u. a. m. nahe verwandt, deren abgeänderter Laut und ursprüngliche Bedeutung durch die Endlaute bestimmt wird. Mit veränderten Vorlauten gehören auch Turbo, Turba, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein heftiger Anfall, und so ferner hierher.


Stürmer (W3) [Adelung]


Der Stürmer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person, welche stürmt, doch nur in einigen Zusammensetzungen; z. B. Bilderstürmer, Felsenstürmer. Von Sturm laufenden oder zum Sturme commandirten Soldaten ist es nicht üblich, wohl aber von einem stürmischen Menschen. Vier Stürmer (stürmische Renommisten) hör ich schon, nach diesem Saale steigen, Zachar.


Sturmfahne (W3) [Adelung]


Die Sturmfahne, plur. die -n, von Sturm, Gefecht, Treffen, ehedem diejenige Fahne, mit welcher die Truppen in das Gefecht geführet wurden. Des Reichs Sturmfahne, welche ehedem die Grafen von Würtemberg führeten.


Sturmfaß (W3) [Adelung]


Das Sturmfaß, des -es, plur. die -fässer, Fässer, worin bey einem Sturme, d. i. Feuerlärme, das zum Löschen nöthige Wasser angefahren wird; die Sturmkufe, S. Feuerfaß.


Sturmfink (W3) [Adelung]


Der Sturmfink, des -en, plur. die -en, S. Sturmmeve.


Sturmflasche (W3) [Adelung]


Die Sturmflasche, plur. die -n, thönerne Flaschen, welche man ehedem mit Pulver zu füllen, und sie von den Mauern und Wällen unter die Sturmlaufenden Truppen zu werfen pflegte; Sturmhäfen, Sturmkrüge, S. auch Feuertopf.


Sturmfluth (W3) [Adelung]


Die Sturmfluth, plur. die -en, eine durch den Sturm höher als gewöhnlich aufgetriebene Fluth des Meeres.


Sturmgatter (W3) [Adelung]


Das Sturmgatter, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme der Fallgatter in den Thoren, weil sie vornehmlich alsdenn niedergelassen wurden, wenn der Feind das Thor stürmen wollte.


Sturmglocke (W3) [Adelung]


Die Sturmglocke, plur. die -n, eine Glocke, mit welcher man das Zeichen zu einem Feuerlärme zu geben pflegt; die Feuerglocke, Lärmglocke. Die Sturmglocke anziehen. An die Sturmglocke schlagen.


Sturmhafen (W3) [Adelung]


Der Sturmhafen, des -s, plur. die -häfen, S. Sturmflasche.


Sturmhaken (W3) [Adelung]


Der Sturmhaken, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme der Feuerhaken, so fern sie bey einem Sturme oder Feuerlärme zu Einreißung der brennenden Gebäude gebraucht werden.


Sturmhaspel (W3) [Adelung]


Der Sturmhaspel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Nahme, welchen auch die Friesischen oder Spanischen Reiter führen, vermuthlich, so fern sie zu Abhaltung eines Sturmes von einer belagerten Stadt dienen.


Sturmhaube (W3) [Adelung]


Die Sturmhaube, plur. die -n, ein Helm, vermuthlich, weil man den Kopf damit in den Stürmen, d. i. Gefechten und Treffen zu sichern pflegte; ehedem auch die Bickelhaube. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt. 1. Eine Art Nachtvögel, Phalaena Bombyx Libatrix Linn. 2. Eine einschälige gewundene Schnecke mit sichtbaren Windungen, niedrigen Spitzen, einem gewölbten Rücken, einer engen Spalte und einem aufrechts stehenden Hintertheile; Cassis Linn. Sie ist eine Art der Kegelschnecken, Conus Linn.


Sturmhut (W3) [Adelung]


Der Sturmhut, des -es, plur. die -hüte, ein Wort, welches ehedem auch eine Sturmhaube, oder doch eine Art derselben bezeichnete. Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt der Blumen, eine giftige Pflanze, welche in den gebirgigen Gegenden des südlichern Europa einheimisch ist; Aconitum Linn. besonders der blaue, Aconitum Napellus, welcher auch Eisenhütlein, Kappenblume, Narrenkappe, blaue Teufelswurz und blaue Wolfswurz genannt wird.


Stürmisch (W3) [Adelung]


Stürmisch, -er, -te, adj. et adv. mit einem Sturm d. i. ungestümen gewaltsamen Getöse oder Lärmen verbunden. Es ist stürmisches Wetter. Die stürmische See. Ein stürmischer Wind, besser ein stürmender. Ein stürmischer Mensch, welcher in seinem Betragen mit einem gewaltsamen Ungestüm handelt. Eine stürmische Gemüthsart. Stürmische Leidenschaften. Und doch kann ich, o junger Thor! Dein stürmisch Herze (Herz) nicht regieren, Gell.


Sturmkolben (W3) [Adelung]


Der Sturmkolben, des -s, plur. ut nom. sing. ein ehemahliges bey dem Sturmlaufen übliches Werkzeug, welches in einem Kolben oder Prügel bestand, der mit brennbaren Sachen umwickelt, angezündet, und auf die Gegenstände geworfen wurde, welche man in Brand stecken wollte; Sturmprügel.


Sturmkrug (W3) [Adelung]


Der Sturmkrug, des -es, plur. die -krüge, S. Sturmflasche.


Sturmkufe (W3) [Adelung]


Die Sturmkufe, plur. die -n, S. Sturmfaß.


Sturmleiter (W3) [Adelung]


Die Sturmleiter, plur. die -n, Leitern, auf welchen die zum Sturme bestimmten Truppen die Wälle und Mauern zu ersteigen pflegen. Zuweilen werden auch die Feuerleitern, deren man sich bey einem Feuerlärme oder bey einer Feuersbrunst bedienet, Sturmleitern genannt.


Sturmmeve (W3) [Adelung]


Die Sturmmeve, plur. die -n, eine Art dreyzehiger Patschfüße, welche einer Meve gleicht, von schwarzer Farbe ist, und ei- nen bevorstehenden Sturm verkündiget; Plautus minimus, Procellarius Klein. Sturmfink, kleiner schwarzer Sturmvogel, Engl. Stormfink. S. Sturmvogel.


Sturmpfahl (W3) [Adelung]


Der Sturmpfahl, des -es, plur. die -pfähle, ein Nahme, welchen ehedem die Pallisaden führten, ehe dieses Französische Wort gangbar wurde, weil sie zur Abhaltung des stürmenden Feindes dienen.


Sturmprügel (W3) [Adelung]


Der Sturmprügel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Sturmkolben.


Sturmreif,Sturmring (W3) [Adelung]


Der Sturmreif oder Sturmring, des -es, plur. die -e, ein ehedem üblicher hölzerner Reif, welcher mit Feuer fangenden Sachen umwunden und brennend unter den stürmenden oder bestürmten Feind geworfen wurde.


Sturmschlag (W3) [Adelung]


Der Sturmschlag, des -es, plur. die -schläge, ein Schlag an die Glocke, so fern derselbe das Zeichen zu einem Feuerlärme ist.


Sturmsegel (W3) [Adelung]


Das Sturmsegel, des -s, plur. ut nom. sing. ein vierecktes Segel der Tartanen und Galeren, welches sie nur im stürmischen Wetter führen.


Sturmspieß (W3) [Adelung]


Der Sturmspieß, des -es, plur. die -e, eine Art Spieße, deren man sich ehedem in dem Sturme auf eine Stadt bedienete, und welche mit einer Feuerkugel, und einem mit Schlägen und bleyernen Kugeln gefüllten Sacke versehen waren, S. Feuerspieß.


Sturmtopf (W3) [Adelung]


Der Sturmtopf, S. Feuertopf.


Sturmvogel (W3) [Adelung]


Der Sturmvogel, des -s, plur. die -vögel, eine Art Wasservögel, welche einen bevorstehenden Sturm verkündigen; Procellaria Linn. bey den Holländischen Schiffern Mallemucke, der bey einem bevorstehenden Sturme auf die Schiffe fliegt. Siehe auch Sturmmeve, welches eben derselbe Vogel zu seyn scheinet.


Sturmwind (W3) [Adelung]


Der Sturmwind, des -es, plur. die -e, ein stürmender Wind, d. i. eine in sehr hohem Grade bewegte Luft, deren höchster Grad ein Orkan genannt wird; auch nur Sturm schlechthin, im Oberd. Windsturm, S. Sturm.


Sturz (W3) [Adelung]


Der Sturz, des -es, plur. die Stürze, von dem Zeitworte stürzen. 1. Der Zustand oder die Handlung, da man stürzet; und zwar so wohl da man plötzlich und mit Heftigkeit in die Tiefe fällt. Jemanden im Sturze auffangen. Einen Sturz thun oder nehmen, besser stürzen. Daher der Umsturz. Als auch eine heftige mit Gewaltsamkeit verbundene Veränderung des Ortes. Nun brechen Einwendungen hervor wie Waldwasser; mit furchtbarem Sturze stürzen sie daher, Lavat. Alles mit einem Sturze thun, mit dem heftigsten Ungestüm. Daher Blutsturz. Ingleichen ein plötzlicher ungestümer Anfall, der auch wohl ein Sturm genannt wird, obgleich dieses Wort einen geringern Grad der Heftigkeit und Geschwindigkeit bezeichnet. Es wird noch einen heftigen Sturz setzen, ungestümen Streit, Sturm, Strauß. Hat sich der Sturm des Meeres gelegt? Antw. Noch nicht; nur noch ein Sturz, alsdann ist es vorbey, Weiße. 2. Ein Ort, wo man stürzen kann. So wird der jähe, senkrechte Abhang eines Berges oder Felsens in vielen Gegenden ein Sturz oder Absturz genannt. 3. Im Bergbaue ist der Sturz oder im weiblichen Geschlechte die Stürze, der Ort, wo die Erde und das taube Gestein gestürzet, oder ausgeschüttet wird; der Stürzplatz. Der Kohlensturz, der Ort, wo die Kohlen abgestürzet werden. 4. Dasjenige, was gestürzet wird, doch nur in einigen einzelnen Fällen. (1) In den Blechhämmern ist ein Sturz, ein Paar unverzinnter mit den flachen Seiten auf einander liegender Bleche. Ein Haufen Blech bestehet aus 66 bis 68 Stürzen, d. i. Paar Bleche. (2) Der obere überhangende Theil eines Dinges heißt in vielen Fällen der Sturz, zum Unterschiede von der Sohle oder Schwelle. So wird die obere Fläche eines Fensters, einer Thür u. s. f. sie sey nun horizontal oder gewölbt, und der Körper, welcher diese Fläche bildet, der Sturz genannt, zum Unterschiede von der Sohle, Schwelle u. s. f. Der Fenstersturz, Thürsturz. Bey den Schlössern heißt auch die Stange Eisen, welche einen gemauerten Sturz hält, der Sturz. Der Mantel über einem Herde wird nicht nur der Schurz, sondern auch der Sturz genannt, und zwar letzteres, weil es überhängt. Vielleicht gründet sich auf den Begriff des Überhängens auch der Nahme des Sturzes bey den Papiermachern, d. i. desjenigen kupfernen Bleches, welches auf allen vier Leisten der Form herum genagelt wird. 5. Ein abgeschnittenes Stück, ein langer Körper von welchen etwas abgeschnitten worden, wodurch derselbe verkürzet ist; in einigen Fällen, dagegen in andern Stumpf üblich ist. Der Sturz, der Vorderarm nach abgehauener Hand, der Stümmel, Stumpf. Die Stürze gefälleter Bäume, die Stöcke, Wurzelenden, im Nieders. Stubben. Bey den Jägern wird der kurze Schwanz des Rothwildes, weil es wie abgestutzt aussiehet, der Sturz genannt. Auf den Blechhämmern sind die Stürze oder Stürzlein kurze zwiefach zusammen geschlagene Stücke Eisen, welche aus dem Deule gehauen, und hernach zu Blech geschmiedet werden; wo aber auch der Begriff des Zusammenschlagens Statt findet. Dasjenige Ende der Faschienen, wo selbige abgehauen worden, heißt der Sturz oder das Stürzende, zum Unterschiede von dem Wipfelende. ( S. auch Stürzel.) 6. Ein Gefäß, entweder so fern es dienet, etwas hinein oder heraus zu stürzen, oder auch in dem weitesten Verstande eines jeden Gefäßes; doch nur in einigen Fällen. So haben die Seifensieder ein gewisses Gefäß, welches sie den Storz oder Sturz nennen, und welches unten enge ist, sich nach oben zu aber immer erweitert.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Notker Sturz. Dieses Hauptwort hat noch verschiedene Bedeutungen, welche sich dem ersten Anscheine nach nicht aus den heutigen Bedeutungen des Zeitwortes stürzen herleiten lassen, daher man zur Einsicht ihrer Begreiflichkeit zu dem alten Worte sturen, zurück gehen muß, von welchem stürzen nur ein Intensivum ist, und von welchem unsere steuern und stören Überbleibsel sind. Dieses bezeichnete, so wie alle ähnliche Zeitwörter der Bewegung, mehrere mit einerley, oder doch ähnlichem Laute verbundene Handlungen, unter andern auch des Verkürzens, Stutzens, wovon in zerstören noch etwas ähnliches ist, der Bewegung in die Tiefe u. s. f.


Stürzacker,Sturzacker (W3) [Adelung]


Der Stürzacker, oder Sturzacker, des -s, plur. die -äcker, in der Landwirthschaft ein Acker, welcher, gestürzet, oder nach der Brache zum ersten Mahle gepflüget worden.


Stürzbaum (W3) [Adelung]


Der "Stürzbaum", des -es, plur. die -bäume, S. "Purzelbaum".


Stürzblech (W3) [Adelung]


Das Stürzblech, des -es, plur. die -e, auf den Blechhämmern, eine Art sehr starker eiserner Bleche, wovon 8 bis 16 Stück einen halben Zentner wiegen. Etwa, weil sie vornehmlich zu eisernen Stürzen verarbeitet werden? Aber ein Sturz Blech, sind daselbst ein Paar zusammen gestürzter oder mit den Oberflächen auf einander gelegter Blechtafeln.


Stürzbühne (W3) [Adelung]


Die Stürzbühne, plur. die -n, im Bergbaue, diejenige Bühne am Schachte, wo die Tonnen ausgestürzet werden.


Stürze (W3) [Adelung]


Die Stürze, plur. die -n, Diminut. das Stürzchen, Oberd. Stürzlein. 1. Von dem Zeitworte stürzen. (1) Der Ort, wo im Bergbaue die Erde hingestürzet wird, und welcher auch der Sturz heißt, ( S. dieses Wort.) 2. Ein hoher erhabener Deckel, ihn auf oder über ein Ding zu stürzen. Die Stürze auf einem Topfe. Man hat auch zierliche blecherne Stürzen, sie auf Teller und Schüsseln zu stürzen. Nieders. Stülpe. 2. Die Sterze an einem Pfluge wird auch in vielen Mundarten die Stürze genannt, in welchem Falle es aber bloß eine verderbte Aussprache des ersten ist, obgleich auch dieses mit von sturen, stören ab stammet.


Stürzebecher (W3) [Adelung]


Der Stürzebecher, des -s, plur. ut nom. sing. eine scherzhafte Benennung eines dem Tranke ergebenen Menschen, welcher gleichsam eine vorzügliche Fertigkeit besitzet, die Becher zu stürzen, d. i. auszuleeren, da es denn auch wohl als ein eigenthümlicher Nahme eines solchen Trinkers gebraucht wird. Wenn aber das Niedersächsische Stortebeker, einen Menschen bedeutet, welcher alles im Sturze, oder mit Ungestüm verrichtet, einen Stürmer, so mag es wohl eine Anspielung auf den berüchtigten Niedersächsischen Seeräuber des 14ten Jahrh. Claus Stortebeker seyn. In eben dieser Mundart ist Stürzbecher auch ein Becher mit einer Stürze.


Stürzel (W3) [Adelung]


Der Stürzel, des -s, plur. ut nom. sing. wie Sturz 5, das zurückgebliebene kurze Ende, nachdem das längere abgeschnitten worden. So werden die Stoppeln in einigen Gegenden Stürzel genannt. Im Weinbaue heißen die in vorigen Jahren verkürzten Reben, so wohl Stürzel, als Knoten, Ranken oder Schenkel. Es stammet vermittelst der Endsylbe -el von stürzen her, so fern es ehedem auch verkürzen, stutzen bedeutet hat. Wenn Stürzel in einigen Oberdeutschen Gegenden einen jeden Stängel bedeutet, so gehöret es zu dem verwandten Sterze.


Stürzen (W3) [Adelung]


Stürzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte seyn. 1. Plötzlich und mir großer Heftigkeit fallen. Das Pferd stürzt. Mit dem Pferde stürzen, von dem Reiter. Zu Boden stürzen. Der Hirsch stürzt, bey den Jägern, wenn er von einem empfangenen Schusse zu Boden fällt, wo das Zeitwort fallen mit dem Weidemesser bestraft wird. Star stolperte im Laufen und stürzte hin. Von dem Pferde, von dem Thurme, aus dem Fenster stürzen. Seit jenem Tage, da dem jungen Alexis zwo Ziegen von der Felsenwand stürzten, Geßn. Schade, sprach er, solltest du Baum in das wilde Wasser stürzen, eben ders. Das Wasser stürzt vom Berge herab. In figürlichem Verstande, von einem hohen Grade des Ansehens, der Ehre, der Macht u. s. f. plötzlich in einen niedrigern, verächtlichern Zustand gerathen, der Stolze soll stürzen, Jer. 50, 32, ist es im Hochdeutschen nicht gangbar, obgleich das Activum in der dazu gehörigen thätigen Bedeutung noch völlig üblich ist. 2. Sich mit großer Heftigkeit und Geschwindigkeit, gleichsam stürzend, fort bewegen. Er stürzte in das Zimmer. Tobend stürzt die Fluth daher. Das Blut stürzte aus der Wunde, aus dem Halse u. s. f. Daher der Blutsturz oder die Blutstürzung. II. Als ein Activum. 1. Schnell und mit großer Heftigkeit von einem höhern Orte fallen machen, als das Factitivum des vorigen Neutrius. (1) Eigentlich. Jemanden von dem Thurme, von einem Felsen, in den Abgrund, aus dem Fenster stürzen. Sich in das Wasser, in den Abgrund, aus dem Fenster, von dem Thurme stürzen. (2) Figürlich. (a) Von einem hohen Grade der bürgerlichen Ehre, des Ansehens, der Macht plötzlich in einen niedrigern Zustand versetzen. Jemandes Macht stürzen. Einen König von dem Throne stürzen. Die Hoffahrt wird ihn stürzen, Sprichw. 29, 23. Einen Minister stürzen. Mit kaltem Herzen wird er den Glücklichen stürzen, welcher seiner Erhebung im Wege steht, Dusch. Auf sich den Haß der Niedern laden, Dieß stürzet oft den größten Mann, Gell. Ingleichen in weiterm Verstande, plötzlich in einen unvollkommenen Zustand versetzen. Jemanden in das Verderben, in Unglück, in Elend, in Armuth stürzen. Sich in Laster, in Unglück, in Schande, in das Verderben stürzen. Die lange Weile stürzt uns in eine gedankenlose Unthätigkeit. (b) Gerade unter sich, senkrecht nieder gehen, am häufigsten im Bergbaue, von der senkrechten Richtung des Ganges. Der Gang stürzt sich ins Liegende, wenn er aus seiner vorigen Richtung senkrecht nieder gehet. Daher wird der jähe Abhang in einigen Gegenden auch der Sturz und der Absturz genannt. 2. Schnell und mit großer Heftigkeit fortbewegen machen. Die Geläufigkeit ihrer Zunge stürzt alles vor sich heraus, was sich in ihrem Wege findet. 3. Plötzlich umkehren, so daß das oberste zu unterst komme. (1) So daß das darin befindliche plötzlich und in Menge heraus falle. Eine Tonne stürzen, d. i. umstürzen, besonders im Bergbaue, um das darin befindliche auszuschütten. Das Erz aus der Tonne in den Karren stürzen. Einen Karren stürzen, ( S. Stürzkarren.) Die Gläser, die Becher stürzen, figürlich wacker zechen, ( S. Stürzebecher.) Daher Ausstürzen und Umstürzen. (2) Ohne den Begriff der Ausschüttung. Einen in das Wasser gefallenen Menschen stürzen, ihn auf den Kopf stellen, damit das eingeschluckte Wasser von ihm abfließe. Wo oft der Stammbegriff der Heftigkeit und Geschwindigkeit verschwindet, so daß stürzen nichts mehr sagt, als das unterste zu oberst kehren. Einen Vorhang stürzen, ihn so aufmachen, daß das unterste oben komme. Gestürzte Eyer, in den Küchen, hart gesottene, gefüllte und umgewandte Eyer. Das Getreide stürzen, es umschaufeln, umstechen. In einem andern Verstande ist stürzen in der Landwirthschaft, den Brachacker zum ersten Mahle pflügen, weil dadurch die Stoppeln umgestürzet werden, welches Pflügen auch stoppeln, brachen und felgen genannt wird. Auch sagt man zwey Körpern zuweilen, daß man sie zusammen stürze, wenn man die Oberfläche beyder auf einander legt. Butterschnitten zusammen stürzen, beyde mit Butter bestrichene Oberflächen. 4. Mit einem hohen hohlen Deckel bedecken; entweder als eine Figur der vorigen Bedeutung, so fern ein solcher Deckel als ein umgestürztes Gefäß betrachtet wird, oder auch als eine eigene Onomatopöie des mit dieser Art der Bedeutung verbundenen Lautes. Nieders. stülpen. Den Deckel, die Stürze, auf den Topf, über den Topf stürzen. Die Haube über den Kopf, auf den Kopf stürzen, sie nachlässig und in der Geschwindigkeit aufsetzen. Die Perrücken aufstürzen, eben so. In einigen gemeinen Mundarten wird es indessen für bedecken überhaupt gebraucht, daher auch in der Schweiz Eine Art Bleches, womit die Dächer beschlagen werden, der Stürzer heißt. So auch das Stürzen.

Anm. Bey dem Notker im Neutro sturzan, so wie noch jetzt in einigen Oberdeutschen Gegenden das Neutrum sturzen lautet; im Nieders. störten, im Schwed. störta, dagegen im Engl. start, so wohl aufspringen, auffahren, als auch thätig, aufjagen ist. Die Endsylbe zen verräth ein Intensivum, so daß dieses Zeitwort von staren, stören, steuern, sturen u. s. f. abgeleitet werden muß, so fern sie ehedem verschiedene Arten heftiger Bewegungen bezeichneten, und deren Laut nachahmeten. Bey dem Ottfried ist nidar staren, sich niederbücken, welches das nächste Stammwort von unserm stürzen ist; im Angels. styrian, so wohl bewegen, als auch umkehren, Franz. ohne Zischlaut tourner. Das Lat. sternere, gehöret auch hierher, und unterscheidet sich bloß durch einen gleich bedeutenden intensiven Endlaut von einem andern Laute. In bestürzen hat stürzen noch eine andere jetzt in dem einfachen Zeitworte veraltete Bedeutung, wo es eigentlich starr, stutzig machen zu bedeuten, und nach dem Lat. consternere gebildet zu seyn scheint, im mittl. Latein. stordire, Französ. etourdir, ehedem estourdir. S. auch Sturz, welches noch einige andere jetzt veraltete Bedeutungen aufbewahret.


Stürzende (W3) [Adelung]


Das Stürzende, plur. die -n, an den Faschienen, daß untere Ende, im Gegensatze des Wipfelendes, S. Sturz.


Stürzer (W3) [Adelung]


Der Stürzer, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Im Bergbaue, diejenigen Arbeiter, welche am Schachte stehen und das herauf gezogene aus den Tonnen in den Karren stürzen. 2. Eine Art Bleches, S. Stürzen II. 4.


Stürzgut (W3) [Adelung]


Das Stürzgut, des -es, plur. die -güter, ein Collectivum, welches entweder im Singular allein, oder auch im Plural allein gebraucht wird, in der Schifffahrt, diejenigen Güter, welche weder Fässer noch Ballen erfordern, sondern selbige in den Raum gestürzet werden, z. B. Salz, Getreide, Kohlen u. s. f.


Stürzhaken (W3) [Adelung]


Der Stürzhaken, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein Haken an einer Kette über dem Schachte, womit die Tonnen gefangen werden, damit sie sich umstürzen können.


Stürzkarren (W3) [Adelung]


Der Stürzkarren, des -s, plur. ut nom. sing. ein Karren, mit zwey Rädern, dessen Kasten man bey dem Abladen hinten niederlässet, damit die Last heraus stürze; der Schuttkarren, Nieders. Störtekare, Wuppe.


Stürzplatz (W3) [Adelung]


Der Stürzplatz, des -es, plur. die -plätze, im Bergbaue, der Ort neben dem Schachte, wo die herauf gezogenen Tonnen ausgestürzet werden; der Stürzraum, die Stürze.


Stürzstatt (W3) [Adelung]


Die Stürzstatt, plur. die -stätte, bey den Jägern, die Statt, oder der Ort, wo ein angeschossenes Wild gestürzet ist.


Stürztrog (W3) [Adelung]


Der Stürztrog, des -es, plur. die -tröge, im Hüttenbaue, eine hölzerne Mulde, womit der Schlich in den Brennofen gestürzet wird.


Stute (W3) [Adelung]


Die Stute, plur. die -n, ein Pferd weiblichen Geschlechtes, im Gegensatze des Hengstes; ein Mutterpferd. Eine Stute reiten. Eine Stute belegen lassen, sie von dem Hengste befruchten lassen.

Anm. Schon bey dem Winsbeck Stuot, im Engl. Steed, im Schwed. Stod, im Isländ. Stedda. Das Schwed. Stod bedeutet indessen auch theils eine Herde Pferde von 12 Stück, theils den Hengst, welcher auch im Angels. Steda, bey dem Du Fresne Stuot heißt; in welchem letztern Falle der Nahme vielleicht von stoßen herstammet, indem man einen Hengst von demselben auch sehr häufig den Stößer, Nieders. Stöter zu nennen pflegt. Bey diesem weiten Gebrauche des Wortes Stut und Stute ist dessen Abstammung und erste Bedeutung ungewiß, und Opitz nennt so gar eine Ziege, eine Stute, und im Schwed. ist Stut, Dän. Sted, ein Stier. In einigen Nieders. Gegenden heißt eine Stute, Täte, vermuthlich von dem alten Tada, Mutter, und da könnte unser Wort leicht durch den vorgesetzten Zischlaut davon gebildet seyn. Übrigens ist die Schreibart Stutte unrichtig, weil das u gedehnt ist, und das t nur einfach lautet.


Stutenmeister (W3) [Adelung]


Der Stutenmeister, des -s, plur. ut nom. sing. der Vorgesetzte oder Aufseher über eine Stuterey; in einigen Gegenden der Gestütmeister, Wildmeister. Bey einigen Stutereyen heißt der Vorgesetzte derselben der Stutereyverwalter, und alsdann ist der Stutenmeister ein ihm untergeordneter Bedienter, welcher die Aufsicht über die Stuten hat.


Stuterey (W3) [Adelung]


Die Stuterey, plur. die -en, eine Anstalt, wo Stuten zur Fortpflanzung ihres Geschlechtes in Menge gehalten werden; das Gestüt.


Stutereyknecht (W3) [Adelung]


Der Stutereyknecht, des -es, plur. die -e, Knechte, welche die Pferde in einer Stuterey zu warten haben.


Stutereyverwalter (W3) [Adelung]


Der Stutereyverwalter, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Stutenmeister.


Stutfüllen,Stutenfüllen (W3) [Adelung]


Das Stutfüllen oder Stutenfüllen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Füllen weiblichen Geschlechtes, ein Mutterfüllen; zum Unterschiede von einem Hengstfüllen.


Stutz (W3) [Adelung]


Der Stutz, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte stutzen. 1. So fern es ein Intensivum von stoßen ist, ist der Stutz, ein heftiger mit einem Widerstoße verbundener Stoß, Schwed. Stuts; in welchem Verstande es doch wenig gebraucht wird. Doch sagt man in einigen Gegenden figürlich, von der mit einem solchen Stoße verbundenen Geschwindigkeit, auf den Stutz, für plötzlich, sogleich, auf der Stelle, in andern gemeinen Mundarten, auf den Plutz. Bey dem Notker ist stuzzelingen, von ungefähr. 2. * Von der veralteten Bedeutung, hartnäckig, widerspänstig seyn, welche vermuthlich eine Figur der vorigen ist, ist der Stutz ohne Plural, in einigen Gegenden Widersinnigkeit, Hartnäckigkeit. Er thut es aus Stutz. Es ist lauter Stutz und Trutz in ihm. Daher der Stutzkopf, ein Starrkopf, und stutzig, halsstarrig. Im Hochdeutschen ist es in dieser ganzen Bedeutung fremd. 3. Von stutzen, kürzer machen, ist der Stutz, Diminut. das Stutzchen, Oberd. Stutzlein, ein abgestutztes, abgekürztes Ding, oder auch ein Ding, welches eine kürzere Gestalt hat, als andere seiner Art. So werden eine Stutzbüchse, eine Stutzuhr, eine Stutzperrücke auch sehr häufig nur Stutze schlechthin genannt, wofür in vielen Gegenden mit der Endsylbe -er auch Stutzer üblich ist, ( S. dasselbe.) Bey dem andern Geschlechte sind die Stutzchen, Handschuhe ohne Finger, welche nur bis an die Knöchel gehen. Dahin gehöret auch das Wort Stutz, wenn es ein kurzes niedriges Gefäß bezeichnet, welches kürzer ist, als andere seiner Art, in welchem Verstande es in einigen Gegenden Stütze lautet. So hat man in der Hauswirthschaft niedrige hölzerne Fässer, z. B. zur Siede für das Vieh, welche Stutze genannt werden. Zu Zürch ist der Stotzen, ein kleines Maß flüssiger Dinge, deren zwey ein Zürcher Quart, vier ein Maß, und acht einen Kopf machen. 4. Von stutzen, gerade und starr in die Höhe stehen, war Stutz ehedem ein zur Zierde empor stehender Federbusch. Daher der Helmstutz oder Ritterstutz, ein solcher Federbusch, welcher von den Rittern zur Helmzierde getragen wurde, Franz. Cimier. Noch jetzt gebrauchen die Federschmücker dieses Wort. Die Federn zu Stutz bereiten, wenn sie in die Höhe stehen sollen, zum Unterschiede von den platt liegenden Federn, z. B. den Hutfedern. S. Stutzen.


Stutzärmel (W3) [Adelung]


Der Stutzärmel, des -s, plur. ut nom. sing. kurze abgestutzte Ärmel an den Kleidungsstücken, besonders des andern Geschlechtes.


Stützband (W3) [Adelung]


Das Stützband, des -es, plur. die -bänder, bey den Zimmerleuten, kurze Bänder, welche in einen Ständer und in ein darüber frey liegendes Holz, oder in die darunter liegende Schwelle eingesetzt werden, um selbige zu stützen, und mit tragen zu helfen; Tragebänder.


Stutzbart (W3) [Adelung]


Der Stutzbart, des -es, plur. die -bärte, der an der Oberlippe abgekürzte oder abgeschnittene Bart.


Stutzbüchse (W3) [Adelung]


Die Stutzbüchse, plur. die -n, eine kurze dicke Kugelbüchse, welche kürzer ist als gewöhnlich, das Stutzrohr, der Stutz (im Oberd. der Stutzen), ingleichen der Stutzer.


Stütze (W3) [Adelung]


1. Die Stütze, plur. die -n, in einigen Gegenden, z. B. in Baiern, ein Nahme eines hölzernen Gefäßes von Böttcherarbeit; eine Bierstütze, Wasserstütze. Es lautet daselbst auch Stitze, und ist entweder mit Stutz, in der Bedeutung eines ähnlichen Gefäßes, ein und eben dasselbe Wort, oder auch mit Stande gleich bedeutend, da es denn so wie dieses gleichfalls von stehen abstammen würde.


Stütze (W3) [Adelung]


2. Die Stütze, plur. die -n, Diminut. das Stützchen, Oberd. Stützlein, von dem Zeitworte stützen, ein Ding, welches stützt, d. i. ein steifer Körper, welcher unter oder an eine Last gesetzt wird; den Fall derselben zu verhindern; in vielen Fällen auch eine Steife. So pflegt man Stützen an die Häuser, unter und an die Bäume u. s. f. zu setzen, den Einfall oder das Umfallen derselben zu verhindern. Figürlich nennt man eine Person oder Sache eine Stütze, wenn sie uns in einen unvollkommnern Zustand zu gerathen hindert. Ein Mann ist eine Stütze des Staates, der Kirche, einer Familie u. s. f. wenn er deren Verfall hindert, sie in ihrem Wohlstande aufrecht erhält. So manches Herz, das (welches) auf der Bahn der Tugend zu wanken anfing, hat an dem Freunde eine Stütze gefunden, Gell. Ingleichen. Das ist seine Stütze, er gründet, beruft, verläßt sich darauf.

Anm. Bey dem Ulphilas Stud, im Nieders. Studde, Stutte, im Angels. Studu, Stuthu, im Engl. Stud, im Dän. Styttels, im Schwed. Stod, welches im weitern Verstande auch eine jede Hülfe, ingleichen einen Beytrag an Gelde bedeutet. S. Stützen.


Stutzen (W3) [Adelung]


Stutzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben. 1. Heftig stoßen, und zwar so, daß von dem gestoßenen Körper ein Wiederstoß erfolge; wo es der Form nach ein Intensivum von stoßen, Nieders. stöten, dem Wesen nach aber eine genaue Nachahmung des mit dieser Art des Stoßens verbundenen Lautes ist. (1) Eigentlich, wo es doch im Hochdeutschen wenig gebraucht wird; Ital. cozzare. In verschiedenen Provinzen aber gebraucht man es von Ochsen, Ziegen, Böcken, wenn sie stoßen, wo es auch die thätige Form leidet. Matthesius erkläret stutzen, durch Stirnstoßen wie ein Bock. Schon bey dem Ulphilas ist stautan, stoßen. Im Hochdeutschen sagt man noch zuweilen, mit den Weingläsern stutzen, sie an einander stoßen. In einigen gemeinen Mundarten sind für dieses stutzen auch hutzen und butzen üblich, welche ähnliche Onomatopöien sind. ( S. auch Aufstützig,) welches auch noch etwas von dieser Bedeutung enthält. (2) Figürlich, wo es in einigen Gegenden, z. B. in Hamburg, für rauschen gebraucht wird. Mit einem gegen Getreide stutzen. Eine Waare verstutzen, vertauschen. Stoßen wird oft in eben derselben Bedeutung gebraucht; Waaren umstoßen, verstoßen, d. i. umsetzen. 2. Bey Empfindung eines unerwarteten unbekannten Dinges plötzlich stille stehen, wo es einen geringern Grad der Empfindung ausdruckt, als bestürzt werden und sich entsetzen. Im Schwed. gleichfalls stutsa, dagegen schon Kero stozzon für fürchten gebraucht. Ein Pferd stutzt, wenn es unvermuthet etwas Fremdes erblickt, und unschlüssig ist, ob es fortgehen soll oder nicht. So auch von Menschen, seine Befremdung über etwas Unerwartetes durch ein plötzliches Stille stehen, oder Innehalten in der Bewegung, in der Rede, im Denken, an den Tag legen: Stutzig werden. Über etwas stutzen, es sey nun ein Übel oder etwas Angenehmes, wenn es nur unerwartet ist. Bey diesen Worten stutzte er. Es ist hier ein Intensivum von stehen, welches in Statt, statten, u. s. f. schon ein t hat, wo das Plötzliche durch das tz ausgedruckt wird; man müßte denn diese Bedeutung lieber als eine Figur der vorigen Bedeutung ansehen wollen, indem das Stutzen auch als eine Art eines plötzlichen Zurückstoßens oder auch Zurückweichens angesehen werden kann. Auf ähnliche Art ist auch im Schwed. hirta, stutzen, welches zu unserm hirten, hürten, stoßen, gehöret. 3. Prangen, Staat machen, im äußern Gepränge andere zu übertreffen suchen, im Schwed. gleichfalls stutsa. Mit prächtigen Kleidern stutzen. Jetzt kann er stutzen. Das stutzt! das pranget, das fällt in die Augen. Das Mensch gefällt auch ungeputzt, Trotz mancher, die in Flittern stutzt, Haged. ( S. Stutzer.) Es gehöret hier zu Staat, ist aber allem Anscheine nach gleichfalls ein Intensivum von stehen, und scheinet eigentlich, sich über andere zu erheben, größer seyn wollen, als andere, zu bedeuten; stolzieren, von stolz, erhaben. In Stutz und Aufstutzen, ist diese Bedeutung der Erhebung, des Emporstehens, noch in mehr eigentlichem Verstande üblich. Auf ähnliche Art sind butzen, stoßen, der Butzen, etwas Hervorragendes, und putzen, zieren, verwandt. Im alt Französ. Estauceure, jeder Putz oder Staat in Kleidern, und estaucier, putzen. Carpentier leitet es von Estauramentum ab; allein es scheinet vielmehr zu diesem stutzen zu gehören. ( S. auch Stütze.) Im Holländ. ist das mehr einfache stuyten, prangen, prahlen. II. Als ein Activum. 1. Empor stehen machen, oder vielleicht auch, als das Activum der vorigen Bedeutung, prangen machen, doch nur in dem zusammen gesetzten Aufstutzen. ( S. dasselbe, ingleichen Stützen.) 2. Im entgegen gesetzten Verstande ist stutzen kürzer machen, und dadurch ein kürzeres Ansehen geben, als eine Sache gewöhnlich hat. Einem Pferde den Schwanz, einem Hunde die Ohren stutzen. Die Haare stutzen, sie der Länge nach beschneiden. Einen Baum stutzen, den Wipfel abschneiden oder abhauen. Den Hühnern die Flügel, den Schwanz stutzen, ( S. Stutz, Stutzer und viele der folgenden Zusammensetzungen.) So auch das Stutzen.

Anm. Das tz in der Mitte des Wortes deutet auf ein Intensivum, dessen Stammwort bald stoßen, Nieders. stöten, bald staden, statten, von stehen, bald auch ein veraltetes stuten, kürzer machen, ist, welche, so verschieden sie auch ihren Bedeutungen nach sind, sich doch auf ähnliche Onomatopöien gründen. Für stutzen, kürzer machen, gebrauchen die Niedersachsen stuven, welches zu stumpf gehöret.


Stützen (W3) [Adelung]


Stützen, verb. reg. act. eine Last, welche sonst fallen würde, durch Unter- oder Ansetzung eines steifen Körpers stehend erhalten. Ein Haus, einen Baum, eine Mauer stützen. Sich auf den Ellbogen stützen. Sich an einen Baum stützen. Ingleichen figürlich. Sich auf etwas stützen, sich darauf verlassen, sich darauf gründen, es als den Grund seiner Erwartung, seiner Versicherung ansehen. So auch das Stützen, selten die Stützung.

Anm. Im Nieders. studden, stutten, im Schwed. stödja. Es ist das Activum oder vielmehr Factitivum von stutzen, empor stehen, und bedeutet eigentlich empor stehen machen. Das einfachere studan, welches unmittelbar von stehen abstammet, gebraucht schon Kero für gründen. Ohne Zischlaut gehöret auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - mit zur Verwandtschaft.


Stutzer (W3) [Adelung]


Der Stutzer, des -s, plur. ut nom. sing. von dem Zeitworte stutzen. 1. Von stutzen, in Kleidern prangen, ist Stutzer, derjenige, welcher andere seines Standes in zierlichen Kleidern zu übertreffen sucht. Fämin. die Stutzerinn. Ein Stutzer seyn. ( S. Stutzen.) 2. Von stutzen, abkürzen, ist Stutzer, ein abgekürztes Ding, doch nur im figürlichen Verstande, ein Ding, welches eine kürzere und gemeiniglich auch dickere Gestalt hat, als andere seiner Art; Diminut. Stutzerchen, Oberd. Stutzerlein. So werden eine Stutzuhr, eine Stutzbüchse, zuweilen auch eine Stutz-Perrücke, häufig nur Stutzer, und ohne Ableitungssylbe in einigen Gegenden nur Stutze genannt. Auch eine Art Weingläser mit einem kurzen starken Fuße, heißen so wohl Stutzgläser als Stutzer, entweder auch wegen dieser kurzen Gestalt, oder auch weil sie wegen ihrer Stärke zum stutzen, oder anstoßen, bequem sind. Wenn Eintracht, Lust und Durst, mit vollen Stutzern winken, Haged. Im Oberdeutschen wird auch ein kleiner enger Muff, so wohl Stutz, als Stutzen und Stutzer genannt, vermuthlich, weil er einem abgestutzten Ärmel ähnlich siehet. In andern Oberdeutschen Gegenden heißt er Stauch, Stauchen, Staucher, Schliefer.


Stutzglas (W3) [Adelung]


Das Stutzglas, des -es, plur. die -gläser, ein Weinglas mit einem kurzen Fuße, S. das vorige.


Stutzgut (W3) [Adelung]


Das Stutzgut, des -es, plur. die -güter, im Chursächsischen eine Art lehnbarer Bauergüter, welche verstutzte das ist, so wohl getheilet, als auch vertauscht werden können. Von stutzen, tauschen.


Stützhaken (W3) [Adelung]


Der Stützhaken, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Schlössern, eine Art Thürhaken, unter welchen eine eiserne Stütze angebracht ist.


Stutzig (W3) [Adelung]


Stutzig, -er, -ste, adj. et adv. von stutzen. 1. * Von stutzen, stoßen, oder auch stehen bleiben, ist stutzig in einigen Gegenden so viel als hartnäckig, widerspänstig. Ein stutziger Kopf, welchen man daselbst auch wohl einen Stutzkopf nennet. 2. * In andern Gegenden bedeutet es uneins, streitig, auch von stutzen, stoßen. Da ward er mit dem Kaiser stutzig, Spangenb. Fürst Wilhelm von Henneberg ist mit Bischof Conrad zu Würzburg stutzig geworden, eben ders. wofür er an einem andern Orte aufstutzig sagt, ( S. dieses Wort.) In beyden Bedeutungen ist es im Hochdeutschen unbekannt. 3. Von stutzen, I. 2, bey Empfindung einer unerwarteten Sache plötzlich stehen bleibend, oder inne haltend. Stutzig werden. Das Pferd wird stutzig, wenn es etwas Ungewöhnliches erblickt. Dieß machte mich stutzig.


Stutzkopf (W3) [Adelung]


Der Stutzkopf, des -es, plur. die -köpfe, Siehe das vorige.


Stützleiter (W3) [Adelung]


Die Stützleiter, plur. die -n, eine Leiter mit Stützen, dergleichen z. B. die Baumleitern der Gärtner sind.


Stützler (W3) [Adelung]


Der Stützler, des -s, plur. ut nom. sing. ein im Hochdeutschen unbekanntes Wort, welches nur in einigen Gegenden üblich ist. Haus- und Stadtstützler sind bey dem Besold nach dem Frisch, Polizey-Aufseher, welche für die Beobachtung guter Sitten und der Polizey sorgen. An andern Orten werden die Feld- und Flurschützen oder Feldwächter Feldstützler genannt. Es scheinet von stutzen abzustammen, so fern es ehedem auch herum gehen, herum wandern, bedeutet haben mag, welche Bedeutung es gar wohl leidet.


Stutzohr (W3) [Adelung]


Der Stutzohr, des -es, plur. die -e, ein Thier, besonders ein Pferd mit gestutzten oder abgestürzten Ohren; Nieders. Stufohr.


Stutz-Perrücke (W3) [Adelung]


Die Stutz-Perrücke, plur. die -n, eine kurze Perrücke, welche nur bis in den Nacken reicht, und einen ganz lockigen Kopf nachahmet; ein Stutz, ein Stutzer.


Stutzrohr (W3) [Adelung]


Das Stutzrohr, des -es, plur. die -e, S. Stutzbüchse.


Stutzschwanz (W3) [Adelung]


Der Stutzschwanz, des -es, plur. die -schwänze, ein Thier, besonders ein Pferd mit einem gestutzten Schwanze; Nieders. Stufschwanz.


Stutzuhr (W3) [Adelung]


Die Stutzuhr, plur. die -en, eine große Taschenuhr, welche man in einem zierlichen Gehäuse auf den Tisch setzet; ein Stutz, oder Stutzer. Entweder auch, wegen der kurzen abgestutzten Gestalt des Gehäuses, oder auch von stutzen, stehen, eine stehende Taschenuhr zu bezeichnen. Eine Stutzuhr und Tafeluhr sind nur darin unterschieden, daß bey dieser die Stirnräder senkrecht, bey jener aber horizontal liegen.


Styl (W3) [Adelung]


Der Styl, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, aus dem Griech. und Lat. Stylus, die Art und Weise, wie man seine Gedanken ordnet und vorträgt; zunächst von dem Vortrage derselben durch Worte, die Schreibart. Daher der männliche, der kräftige, der schleppende, der weitschweifige Styl; der prosaische, der poetische Styl, der Brief-Styl u. s. f. In weiterer Bedeutung, auch von den übrigen bildenden Künsten. So schreibt man einem Componisten, einem Mahler u. s. f. einen Styl zu, so fern sie durch ihre Werke gleichfalls ihre Gedanken ausdrucken. Daher hat man in der Musik den Kirchen-Styl, Theater-Styl u. s. f. Von dem Style eines Mahlers und Bildhauers läßt sich das Deutsche Wort Schreibart nicht für Styl gebrauchen, wohl aber von dem Style des Componisten. Um die Mitte des 14ten Jahrh. ward das Lat. Stylus durch Ticht übersetzt.


Stylist (W3) [Adelung]


Der Stylist, des -en, plur. die -en, von dem vorigen Worte, doch nur in engerer Bedeutung, eine Person in Ansehung des ungebundenen Styles, welchen sie schreibt. Man sagt, es sey jemand ein guter, ein schlechter Stylist, wenn er in ungebundener Rede gut oder schlecht schreibt. Von der gebundenen Schreibart wird dieses Wort nicht gebraucht. Das Zeitwort stylisiren, seine Gedanken ordnen und durch Worte vortragen, ist nur noch in der niedrigen Sprechart üblich.


Suade (W3) [Adelung]


Die Suade, (sprich Schwade,) plur. car. aus dem Lat. Suada, die Fertigkeit andere mit Leichtigkeit zu überreden.


Subject (W3) [Adelung]


Das Subject, des -es, plur. die -e, aus dem Latein. Subjectum. 1. Dasjenige, von welchem etwas gesagt wird, zum Unterschiede dessen, was von demselben gesagt wird, oder des Prädicates; in den meisten Fällen im Deutschen der Gegenstand. 2. Im gemeinen Leben pflegt man einen Menschen, in Ansehung seiner Fähigkeit oder Tüchtigkeit zu etwas, häufig ein Subject zu nennen.


Sublimiren (W3) [Adelung]


Sublimiren, verb. reg. act. aus dem Lat. sublimare, in die Höhe treiben, in der Chymie, die festen Theile eines Körpers durch das Feuer in die Höhe treiben; zum Unterschiede von dem Destillieren, wo nur die flüssigen Theile in die Höhe getrieben werden. Daher das Sublimat, des -es, plur. die -e, dasjenige, was auf solche Art in die Höhe getrieben worden, welches, wenn es aus leichten und zarten Theilen bestehet, Blumen genannt wird.


Subsidien (W3) [Adelung]


Die Subsidien, (viersylbig,) sing. inus. aus dem Lat. Subsidia Hülfsgelder, S. dieses Wort.


Substantiv (W3) [Adelung]


Das Substantiv, des -es, plur. die -e, in der Sprachkunst, S. Hauptwort.


Substanz (W3) [Adelung]


Die Substanz, plur. die -en, aus dem Lat. Substantia, 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, das Wesen eines Dinges, ( S. Wesen) In engerer Bedeutung nennet man die nährenden Kräfte eßbare Dinge, ingleichen den wesentlichen Inhalt einer Rede oder Schrift, die Substanz. Daher substantiös, viele nährende Kräfte habend. 2. Als ein Concretum, ein für sich bestehendes Ding, in der Philosophie. In der ersten Bedeutung in dem Isidor von dem Wesen Gottes, Spuodi, bey dem Kero Eht, und bey dem Notker Vuiht, wofür in den spätern Zeiten Wesen üblich geworden.


Subtil (W3) [Adelung]


Subtil, -er, -ste, adj. et adv. aus dem Latein. subtilis, im gemeinen Leben für fein, zart, behende, listig. Eine subtile Spitze. Eine Sache sehr subtil anfangen. Ein subtiler Gottesläugner, im Gegensatze eines groben.


Succediren (W3) [Adelung]


Succediren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, im gemeinen Leben, für nachfolgen oder folgen, d. i. in einem Amte, einer Würde, oder dem Besitze eines Dinges auf jemanden folgen. Einem succedieren. Daher der Successor, welcher auf einen andern in einem Amte, einer Würde, oder in dem Besitze eines Dinges folget, der Nachfolger; die Succession, diese Folge, oder Nachfolge.


Suche (W3) [Adelung]


Die Suche, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte, besonders bey den Jägern. 1. Das Suchen des Leithundes die Handlung, da er sucht; ohne Plural. Der Hund hat eine richtige Suche, wenn er gehörig sucht. Dem Hunde eine gute Suche machen. Da denn oft die Nase des Leithundes, ingleichen die Zeit, da mit dem Leithunde auf den Hirsch gesucht wird, nähmlich vom Ende des Maimonathes bis zum Ende der Brunst, unter diesem Worte verstanden wird. 2. Eben daselbst führet in einigen Gegenden auch die große Kammer, oder das Hinterjagen, wo das Wild, welches auf den Lauf vorgejaget werden soll, im hohen Zeuge stehet, den Nahmen der Suche.


Suchen (W3) [Adelung]


Suchen, verb. reg. act. etwas, dessen Ort unbekannt ist, zu finden oder zu entdecken sich bemühen, besonders so fern es durch hin und her sehen geschiehet, so, daß es als ein Intensivum von sehen betrachtet werden kann. 1. Eigentlich. Etwas suchen und nicht finden. Das Verlorne suchen. Eine Sache in allen Winkeln, auf dem Wege, in dem Sande, im Wasser u. s. f. suchen. Der Leithund sucht, wenn er ein Wild vermittelst der Spur zu finden bemühet ist. Jemanden suchen. Ich habe ihn gesucht und nicht gefunden. Wo soll ich ihn suchen? Ich suchte dich bey dem Freunde. Das hatte ich in ihm nicht gesucht, von ihm nicht vermuthet. Die groben Seelen suchen sich so wie die feinen, bemühen sich einander kennen zu lernen, mit einander in Verbindung zu kommen. 2. Figürlich. (1) Was hast du hier zu suchen? zu thun, zu verrichten. Ich habe da nichts zu suchen, nichts zu verrichten. Wenn er nicht fliehen will, was sucht er bey den Schafen? Schleg. (2) Was sucht er darunter? was hat er dabey für eine verborgene Absicht? Ich weiß schon, was du darunter suchst. (3) Er sucht etwas darin, setzt eine Art von Ruhm, von Vorzug darin; eigentlich eine elliptische R. A. er sucht einen Ruhm darin. Er sucht etwas darin, seinen Verdruß merken zu lassen. (4) Das Mittelwort gesucht von Werken des Verstandes, bedeutet oft, die Mühe, welche es dem Erfinder gekostet, verrathend, von Dingen, welche dieses sichtbare Mühsame nicht haben sollten. Die Wendung, das Gleichniß, der Ausdruck ist zu gesucht. Der Anlaß zu eingestreuten Betrachtungen muß nicht gesucht seyn, sondern aus der Materie selbst hervor dringen. Ein gesuchter Scherz, der nächste Grad nach einem gezwungenen. 3. In weiterer Bedeutung, sich bemühen etwas zu erlangen, oder eine Absicht zu erreichen, es geschehe auf welche Art es wolle. So wohl mit der vierten Endung. Den Schatten suchen, in den Schatten gehen oder treten. Jemandes Nutzen, andrer Beßtes suchen. Jemandes Glück, Schaden, Verderben suchen. Ursache zu etwas, einen Vorwand suchen. Schutz bey jemanden, Hülfe suchen. Ein Capital suchen. Eine Gelegenheit suchen. Ein Amt, eine Versorgung suchen. Bey andern Mitleid, wo nicht Stärkung, Trost, wo nicht Hülfe suchen. Seine Ehre in etwas suchen. Ich bin den Lügen gram, ich suche keinen "Zwist", Haged. Er sucht seinen Reichthum nicht in dem Überflusse, sondern in dem Gebrauche desselben, Gell. Indessen lässet es sich nicht mit allen Hauptwörtern gebrauchen. Z. B. die biblischen Ausdrücke, die Sünde, das Böse, jemandes Befehle, Demuth und Gerechtigkeit, ein Zeichen, die Flucht suchen, lassen sich im Hochdeutschen nicht nachahmen. Besonders, durch Bitten, Anhalten. Gnade, Vergebung suchen. Die gesuchte Nachsicht erlangen. Da denn in den Kanzelleyen auch das Suchen für Gesuch gebraucht wird. Da diesem Suchen gefüget worden. Jemandes Suchen abschlagen. In den Zusammensetzungen ansuchen, ersuchen und Gesuch ist diese Bedeutung noch merklicher. Ingleichen mit dem Infinitiv und dem Wörtchen zu, für Mühe anwenden, sich bemühen, überhaupt. Jeman- den zu schaden, zu nützen suchen. Jemanden zu gefallen, ihm auszuweichen, ihn umzubringen suchen. Ich suche es dahin zu bringen, daß u. s. f. Etwas zu beschleunigen, zu verzögern, zu hindern suchen. Suche ihr Muth einzusprechen. Jeder sucht meine Entschlüsse auszuforschen. So auch das Suchen.

Anm. In dem Isidor, bey dem Kero u. s. f. suahhan, bey dem Ulphilas sokjan, im Nieders. söken, im Angels. secan, im Engl. to seek, im Schwed. söka, im Pohln. zukam. Wachter leitet es von Auge, Ihre aber von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, her. Allein, in der ersten Bedeutung scheinet der Begriff des Sehens der herrschende zu seyn, daher er daselbst füglich als ein Intensivum von sehen betrachtet werden kann. Die folgende weitere Bedeutung läßt sich als eine Figur der ersten ansehen, indessen scheint doch, daß in derselben mehrere dem Anscheine nach verwandte Begriffe zusammen kommen. Denn da die meisten Zeitwörter ursprünglich Onomatopöien sind, so geschiehet es oft, daß ein Wort mehrere ganz verschiedene Wirkungen oder Handlungen bezeichnet, welche mit eben demselben Laute verbunden sind, oder unter demselben gedacht worden. Die verschiedenen Bedeutungen, welche bey diesem Worte noch in Betrachtung kommen, sind: 1. Des Gehens oder Ziehens. Se sechten den Wolkenstein, sie zogen dahin, in der Stiftischen Fehde bey dem Frisch. Das Lat. sequi ist damit verwandt, und im Lettischen ist sekku, ich folge. Auch unter besuchen leidet diese Bedeutung. Ja es kommen Spuren vor, daß es ehedem noch mehrere Arten körperlicher Bewegungen bedeutet hat. Frisch führet verschiedene Stellen an, wo es für plagen, plündern stehet. 2. Des Redens, Sprechens, besonders mancher Arten der Rede. Noch jetzt wird es für bitten gebraucht. Bey dem Kero ist kesuahhidda, Untersuchung, ingleichen Streit. Bey andern alten Oberdeutschen Schriftstellern ist suachon, fordern. Das Lat. quaerere bedeutet so wohl suchen, als fragen, und queri, klagen, und das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, rufen, schreyen. Unser sagen gehöret gleichfalls dahin. Die Niederdeutschen haben von suchen ein neues Intensivum suksen, welches aber nur von den Hunden gebraucht wird.


Sucher (W3) [Adelung]


Der Sucher, des -s, plur. ut nom. sing. 1. Eine Person, welche sucht, Fämin. die Sucherinn, am häufigsten in einigen Zusammensetzungen. 2. Bey den Wundärzten ist der Sucher, Franz. Sonde, ein Werkzeug, die Wunden und deren Tiefe zu erforschen.


Suchort (W3) [Adelung]


Das Suchort, des -es, plur. die -örter, im Bergbaue, ein Ort, welches von einem Gange abgeführet wird, andere unbekannte Gänge zu suchen.


Suchstollen (W3) [Adelung]


Der Suchstollen, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, ein Stollen, welcher vornehmlich geführet wird, um die Beschaffenheit des Gebirges damit zu untersuchen, einen verlorenen Gang zu suchen u. s. f.


Sucht (W3) [Adelung]


Die Sucht, plur. die -en. 1. Ein Wort, welches ehedem eine jede Krankheit bedeutete, sie sey von welcher Art sie wolle, in welchem Verstande es schon bey dem Ottfried vorkommt. Auch das alte Gothische Sauht, und Schwed. Sjuka bedeuten eine jede Krankheit. Besonders gebrauchte man es, wie Seuche, ehedem von ansteckenden, gefährlichen Krankheiten, daher die Pest noch jetzt in einigen Gegenden die Sucht genannt wird. Im Hochdeutschen ist es in dieser weitern Bedeutung veraltet, indem es sich nur noch in einigen Zusammensetzungen und Nahmen einzelner Krankheiten erhalten hat. Die fallende Sucht, ( S. Fallen,) Epilepsia, sonst auch das böse Wesen, das schwere Gebrechen, der Jammer, in Preußen das Höchste, in andern Gegenden die Fallsucht; die gelbe Sucht oder Gelbsucht, die Schwindsucht, die Lungensucht, Tobsucht, Wassersucht u. s. f. In einigen Gegenden sagt man auch Hauptsucht, für Kopfweh, Blutsucht, für Blutfluß oder Blutsturz u. s. f. Es gehöret zu siech und Seuche, von welchen es ein Intensivum ist. 2. Ohne Plural, eine anhaltende oder herrschende ungeordnete Begierde, eine zur Fertigkeit gewordene ungeordnete Begierde. Die Neigung zum Spielen ist bey ihm zu einer Sucht geworden. Die Liebe zur Sucht werden lassen. So auch in Zusammensetzungen z. B. Ehrsucht, Eifersucht, Ruhmsucht, Herrschsucht, Geldsucht, Rachsucht, Spielsucht, Tadelsucht, Zanksucht u. s. f. In welchen es insgesammt eine heftige ungeordnete Begierde bezeichnet, das einzige Sehnsucht ausgenommen, welches den nachtheiligen Nebenbegriff nicht hat.

Anm. Gemeiniglich siehet man die letzte Bedeutung als eine Figur der ersten an, und sie könnte es sehr füglich seyn, indem anhaltende heftige Begierden wirklich als eine Krankheit der Seele angesehen werden können. Indessen kann es auch bloß ein Seitenverwandter des ersten seyn, und unmittelbar von dem noch Niederdeutschen Sucht, ein Seufzer, und suchten, seufzen, abstammen, Angels. sican und sicettan, Engl. sigh, Holländ. zughten, Schwed. sucku, welche alle seufzen bedeuten. Siechen und dessen Intensivum suchten, bedeuteten eigentlich seufzen, figürlich aber so wohl vor Krankheit, als auch vor Verlangen, heftiger Begierde, seufzen. S. Seufzen.


Süchtig (W3) [Adelung]


Süchtig, -er, -ste, adj. et adv. 1. Von Sucht, Krankheit, ist süchtig überhaupt, so wohl krank, als auch Krankheiten verursachend, ungesund. Allein im Hochdeutschen gebraucht man es nur im engern Verstande, so wohl nach und nach Schwären und Wunden verursachend. Die Nägel an den Fingern sind süchtig, d. i. wenn man sich damit verwundet, so heilet die Wunde nicht leicht sondern schwäret. Eine süchtige Haut haben, welche nicht leicht heilet. Als auch die Krankheit nach und nach vermehrend. Wollen Zeug ist süchtig. Schon bey dem Kero ist suhtig, siech, krank. In den Zusammensetzungen schwindsüchtig, lungensüchtig, gelbsüchtig u. s. f. hat es diese allgemeine Bedeutung noch. 2, Von Sucht, heftige anhaltende Begierde, ist es nur in Zusammensetzungen üblich, und zwar in allen, welche Sucht am Ende haben, da denn auch Hauptwörter auf keit davon gebildet werden können, die Fertigkeit der Sucht zu bezeichnen; Ehrsucht, ehrsüchtig, Ehrsüchtigkeit, Gewinnsucht, gewinnsüchtig, Gewinnsüchtigkeit u. s. f.


Suchtkraut (W3) [Adelung]


Das Suchtkraut, plur. car. ein Nahme des Ackerandorns, Stachys arvensis Linn.


Sud (W3) [Adelung]


Der Sud, des -es, plur. die Süde, von dem Zeitworte sieden. 1. Der Zustand, da ein Körper siedet. Das Wasser siedet in einem Sude fort, ununterbrochen. Etwas sogleich aus dem Sude essen. Einen Topf zum Sude bringen. Eigentlich leidet es hier als ein Abstractum keinen Plural; allein man gebraucht ihn im gemeinen Leben doch, so fern dieser Zustand zuweilen als ein Concretum angesehen werden kann. Das Wasser noch Einen Sud, ein Paar Süde thun lassen, es noch Ein Mahl, ein Paar Mahl aufsieden lassen. 2. So viel als von einer Sache auf Ein Mahl gesotten wird. Ein Sud Bier, ein Gebräude, in einigen Gegenden. Jedem Bürger ist erlaubt, drey Süde zu thun. Ein Sud Seife, Meth u. s. f. Ein Sud Fische, ein Gericht. Im Niedersächsischen in beyden Bedeutungen Söde, Söt, S. Sieden.


Süd (W3) [Adelung]


Der Süd, des -es, plur. car. 1. Diejenige Himmelsgegend, von welcher die warmen heißen Winde herkommen, oder welche uns zur linken liegt, wenn wir Morgen in Rücken, und Abend vor uns haben; Mittag. Es wird hier nur ohne Artikel und gemeiniglich auch ohne Declination in Gestalt eines Nebenwortes gebraucht. Der Wind ist Süd, kommt von Mittag. Noch häufiger wird für dieses Hauptwort das folgende Nebenwort Süden gebraucht. Der Süden, die mittägige Gegend, der Mittag, ist nur von einigen Dichtern gewagt worden. Sah ich nicht jüngst, als er von fernem Süden Den Riesen aus der Mitternacht, Sein Heer entgegen riß, u. s. f. Raml. Indessen ließe sich vielleicht auch behaupten, daß dieses Wort Süd, Südens, Süden declinieret werden müßte, und daß das folgende Nebenwort Süden bloß die dritte Endung sey; welches denn auch von Ost, Osten, Nord, Norden, und West, Westen gelten würde. 2. Ein aus dieser Gegend kommender Wind, für Südwind, doch nur in der dichterischen und höhern Schreibart. In dieser Bedeutung hat es ohne Widerspruch im Genit. Südes oder Süds, im Dat. Süd, obgleich diese Endungen seltner vorkommen, so wie auch der Plural, den diese Bedeutung gar wohl verstattet, nicht gangbar ist. Und den gefährlichen Süd, den Vater würgender Seuchen, Gieseke.

Anm. Im Angels. Suth, im Engl. South, im Franz. Sud, im Wallis. Su. Bey den ältern Oberdeutschen von Carls des Großen und Rabani Mauri Zeiten an Sunt, welches noch in einigen eigenthümlichen Nahmen übrig ist, z. B. Sundgau, Sundheim u. s. f. Dieses Sund ist mit Sonne unstreitig Eines Geschlechtes, so wie unser heutiges Süd allem Ansehen nach zu sieden gehöret, diejenige Gegend zu bezeichnen, in welcher die heißen Länder liegen, und aus welcher die warmen Winde kommen. Indessen gilt dieses nur von unserer Hälfte der Erdkugel, denn in denjenigen Ländern, welche auf der andern Hälfte liegen, ist unser Nord ihr Süd, weil sie ihre warmen Winde von dem Äquator her, die kalten stürmischen aber von dem Südpole haben. Siehe auch Ost, ingleichen Süden, Süder.


Sudel (W3) [Adelung]


Der Sudel, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Gegenden übliches Wort, eine Sammlung unreinen Wassers, eine Pfütze, einen Pfuhl, eine Lache zu bezeichnen. Ein Mistsudel, eine Mistpfütze. S. Sudeln.


Sudelbuch (W3) [Adelung]


Das Sudelbuch, des -es, plur. die -bücher, ein Buch, worein man die täglichen Vorfallenheiten ohne Ordnung und Reinlichkeit verzeichnet, um sie daraus hernach in das Reine zu schreiben; bey den Kaufleuten auch die Kladde, das Klitterbuch, und mit einem Italiänischen Kunstworte, die Stratze, von Straccio, Straccia.


Sudeler (W3) [Adelung]


Der Sudeler, S. Sudler.


Sudeley (W3) [Adelung]


Die Sudeley, plur. die -en, eine unreinliche, schmutzige Art zu arbeiten, und dergleichen Arbeit selbst. Nieders. Sölerije.


Sudelkoch (W3) [Adelung]


Der Sudelkoch, des -es, plur. die -köche, ein ungeschickter Koch, welcher schmutzig und unreinlich mit den Speisen umgehet, welche er bereitet. Fämin. die Sudelköchinn.


Sudeln (W3) [Adelung]


Sudeln, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt, unreinliche nasse Arbeit verrichten. In der Küche sudeln, wohin z. B. das Aufwaschen des Geschirres gehöret. Am häufigsten bedeutet es, unreinlich und ungeschickt mit etwas umgehen. Der Koch sudelt, oder sudelt die Speisen nur so hin, wenn er mit ihrer Zubereitung unreinlich und ungeschickt umgehet. Die Wäscherinn sudelt mit der Wäsche, wenn sie selbige durch ungeschickte Behandlung nicht gehörig rein wäschet, oder sie in der Bearbeitung von neuen beschmutzet. Ingleichen, schlecht und unreinlich schreiben. So auch das Sudeln. Siehe auch Besudeln.

Anm. Im Nieders. suddeln, im Schwed. sudda, suddla. Es ist entweder ein Intensivum, welches vermittelst der Endsylbe "-eln" von einem veralteten suden gebildet worden, oder es stammet auch unmittelbar von Sudel ab, welches vermittelst der Ableitungssylbe -el, welche ein Werkzeug, Ding, Subject bedeutet, von Sud gebildet worden. In einigen Gegenden bedeutet Sutte noch jetzt eine Pfütze, Kothlache, und das noch nicht ganz veraltete Sod, Brühe, gehöret gleichfalls hierher, so daß in diesen Wörtern eigentlich der Begriff der Flüssigkeit herrscht. Im Hüttenbaue sudert man den Eisenstein, wenn man ihn mit lehmigen Wasser begießet, welches sudern von sudeln nur sehr geringe verschieden ist. Mit andern Endsylben heißt sudeln im Nieders. auch subbeln, in einigen Oberdeutschen Gegenden sulwern, sulgen, sulchen, solchen, welche ähnliche Intensiva von dem noch Niederdeutschen sölen, sühlen, bey dem Ottfried salon, bey dem Ulphilas saaljan, im Angels. sylian, im Engl. soil, sully, im Franz. souiller, im Schwed. söla, im Ital. sogliare, sind, deren Stammwort noch in Franz. sale, schmutzig, und im Engl. Soil, Koth, übrig ist. Es läßt sich daher nicht sagen, daß unser Hochdeutsches sudeln durch Einschaltung des d aus dem Nieders. sölen gebildet worden. Siehe auch Sühlen und Sauen.


Süden (W3) [Adelung]


Süden, ein Nebenwort, welches nur mit einigen Vorwörtern üblich ist, die südliche Himmelsgegend zu bezeichnen, ob es gleich auch die dritte Endung von Süd seyn kann. Der Wind kommt von Süden. Gegen Süden segeln, fahren, liegen, wohnen. Auch die Schweden haben das Rechenwort sunnan gleichfalls. Man schreibt es so wie Osten, Norden und Westen gemeiniglich mit einem großen Buchstaben, entweder, so fern sie wahre Hauptwörter der dritten Endung sind, oder auch, weil man sie von Alters her als eigenthümliche Nahmen angesehen. Siehe auch Osten, ingleichen Süder.


Süder (W3) [Adelung]


Süder, ein Beywort, von Süd, die mittägige Gegend, welches für sich allein veraltet, und so wie Oster, Norder und Wester nur noch in einigen Zusammensetzungen für südlich üblich ist; im Schwed. söder, im Isländ. sudur. S. die folgenden.


Süderbreite (W3) [Adelung]


Die Süderbreite, plur. die -n, in der Astronomie und Geographie, die südliche Breite, d. i. die Entfernung eines Ortes von dem Südpole.


Süderkreuz (W3) [Adelung]


Das Süderkreuz, des -es, plur. inus. in der Astronomie, ein Sternbild, nahe am Südpole, welches aus vier kreuzweise stehenden Sternen bestehet, und den Seefahrern in den südlichen Gewässern eben das ist, was der kleine Bär in den nördlichen ist; das südliche Kreuz.


Sudern (W3) [Adelung]


Sudern, verb. reg. act. im Hüttenbaue, S. Sudeln Anm.


Süderpol (W3) [Adelung]


Der Süderpol, des -es, plur. inus. S. Südpol.


Südland (W3) [Adelung]


Das Südland, des -es, plur. die -länder, überhaupt, ein uns gegen Süden gelegenes Land, in welchem Verstande man Italien in Rücksicht Deutschlandes ein Süderland nennen könnte. Indessen gebraucht man es nur in engerer Bedeutung von einem auf der südlichen Hälfte der Erdkugel gelegenen Lande, und in noch engerer Bedeutung und am häufigsten, von den auf dieser Hälfte dem Südpole am nächsten liegenden Ländern, wohin z. B. Neu-Guinea u. a. m. gehören. Daher der Südländer, Fämin. die Südländerinn, ein Einwohner aus einem solchen Südlande.


Sudler (W3) [Adelung]


Der Sudler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sudlerinn, von dem Zeitworte sudeln, für Sudeler, eine Person, welche sudelt, ungeschickt und unreinlich mit einer Sache umgehet, z. B. ein ungeschickter unreinlicher Mahler; ingleichen eine Person, welche zu unreinlichen Arbeiten bestimmt ist, in welchem Verstande ein Küchenjunge zuweilen ein Sudler, und eine Spülmagd in den Küchen eine Sudlerinn genannt werden.


Südlich (W3) [Adelung]


Südlich, -er, -ste, adj. et adv. von Süd, gegen Süden oder Mittag gelegen. Ein südliche Gegend. Die südliche Seite, die Südseite. Italien liegt uns ganz südlich.


Südost (W3) [Adelung]


Südost, adj. indecl. et adv. die Gegend zwischen Süd und Ost zu bezeichnen. Das Land liegt Südost. Der Südostwind, welcher letztere bey dem Raban Maurus Suntostroni heißt.


Südpol (W3) [Adelung]


Der Südpol, des -es, plur. inus. in der Astronomie der südliche Pol auf der Erd- und Himmelskugel, bey einigen, obgleich nicht so häufig der Süderpol; zum Unterschiede von dem Nord- oder Norderpole.


Südwärts (W3) [Adelung]


Südwärts, adv. nach Süden wärts oder hin. Südwärts reisen, liegen. In der Schweiz sonnenhalb.


Südwasser (W3) [Adelung]


Das Südwasser, des -s, plur. car. in der Schifffahrt, ein Nahme, welchen man einem gewissen Strome des Weltmeeres gibt, welcher das Wasser in demselben von dem Südpole gegen Mitternacht ziehet; der Südstrom, zum Unterschiede von dem Nordwasser oder Nordstrome.


Südwest (W3) [Adelung]


Südwest, adj. indeclin. et adv. zwischen Süd und West. Der Wind ist Südwest, Südwest segeln. Der Südwestwind, bey dem Raban Maurus Sundwestroni.


Südwind (W3) [Adelung]


Der Südwind, des -es, plur. die -e, ein Wind, welcher aus Süden kommt, der Mittagswind, in der höhern Schreibart der Süd. Bey dem Notker Suntuuint, bey dem Willeram sundene Wint, in Boxhorns Glossen Sundar Wint. In der Schweiz nennet man ihn den Föhn, Föhnwind, die Pfähn, vermuthlich weil er wegen seiner Wärme Eis und Schnee schmelzen macht, für Thauwind, von Fen, Finne, Fühne, Wasser.


Suhle (W3) [Adelung]


Die Suhle, plur. die -n, S. Suhllache.


Sühlen (W3) [Adelung]


* Sühlen, verb. reg. act. welches nur in einigen Gegenden, besonders bey den Niedersachsen, wenn sie Hochdeutsch reden wollen, für sudeln üblich ist, so wohl, so fern es schmutzige Arbeit verrichten, als auch, wenn es unreinlich mit etwas umgehen bedeutet. Ingleichen sich sühlen, sich im Kothe wälzen. So auch das Sühlen. Es ist von dem Nieders. sülen, S. Sudeln.


Suhllache (W3) [Adelung]


Die Suhllache, plur. die -n, eine Pfütze, ein Sumpf, besonders, so fern sich das Wild in demselben in Sommer zu sühlen oder zu wälzen pflegt; in einigen Gegenden eine Suhle, ein Sudel. S. Sudeln.


Sühne (W3) [Adelung]


* Die Sühne, plur. die -n, die Beylegung streitiger Händel, der Vertrag, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, S. Sühnen.


Sühnen (W3) [Adelung]


* Sühnen, verb. reg. act. welches in dieser Form gleichfalls veraltet ist, S. eben daselbst, ingleichen Versühnen.


Sühnopfer (W3) [Adelung]


Das Sühnopfer, S. Sühnopfer.


Suicent (W3) [Adelung]


Der Suicent, (sprich Schwizent,) des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, eine Art des Virginischen Rauch-Tobackes, aus dem Engl. Sweet-Scent.


Sulze (W3) [Adelung]


Die Sulze, plur. die -n, ein im Hochdeutschen nicht durchgängig bekanntes Wort. 1. Eine Salzlecke wird in vielen Gegenden eine Sulze genannt, es sey nun die mit Salz vermengte Masse, woran das Vieh oder Wild leckt, oder auch der Ort, wo man ihnen dieselbe hinstellet. Daher ist alsdann das Wild sulzen, es durch solche Salzlecken anlocken, um es zu fangen oder zu schießen. 2. Ein Salzwerk, d. i. eine Anstalt, wo Salz aus Sohle gesotten wird, heißt in manchen Gegenden eine Sulze oder Sülze, da denn die Arbeiter in einer solchen Anstalt, welche im Saalkreise Halloren heißen, daselbst Sülzer, und ihr Vorgesetzter der Sulzmeister genannt werden. 3. Eine salzige zusammen geronnene Brühe z. B. die erkaltete Fischbrühe; in weiterer Bedeutung, auch eine jede geronnene durchsichtige zitternde Substanz, welche man aus thierischen und vegetabilischen Körpern mit Wasser ausziehet und von der überflüßigen Feuchtigkeit befreyet, vermuthlich wegen der Ähnlichkeit mit einer solchen geronnenen salzigen Brühe; die Gallerte, welches Wort im Hochdeutschen üblicher ist. 4. In einigen Gegenden heißt alles, was in Salzbrühe oder Essig eingelegt wird Sulze oder Sülze, Nieders. Sulte, Schwed. Sylta; besonders ein gekochter von den Knochen abgelöseter und in einem Tuche gepreßter Schweinskopf, welcher hernach in Salzbrühe oder Essig verwahret, und im Hochdeutschen auch Preßkopf genannt wird. Es stammt von Salz her, S. dasselbe.


Sumach (W3) [Adelung]


Der Sumach, des -es, plur. die -e, ein Baum, dessen zusammen ziehende Rinde nicht nur gelb färbet, sondern auch statt der Lohe zum Gärben gebraucht wird, Rhus L. besonders dessen Rhus coriaria; im gemeinen Leben zusammen gezogen Schmack, Smack, sonst auch Färberbaum, Gärberbaum. Er ist im mittägigen Europa und im Morgenlande einheimisch, wie denn auch sein Nahme morgenländisch zu seyn scheinet.


Summarien (W3) [Adelung]


Die Summarien, (viersylbig) sing. inus. aus dem mittlern Lat. Summaria, ein wenig mehr gebräuchliches Wort, den kurzgefaßten Inhalt eines Abschnittes in einem Buche oder einer Schrift zu bezeichnen; der Inhalt.


Summarisch (W3) [Adelung]


Summarisch, adj. et adv. aus dem spätern Lat. summarius, in das Kurze gefaßt, in den Rechten und im gemeinen Leben. Der summarische Inhalt. Etwas summarisch erzählen, dem kurzen Inhalte nach. Der summarische Prozeß, wenn eine Sache bloß nach Maßgabe der Hauptumstände ohne Schriftwechsel, Aufschub, Appellation u. s. f. untersucht und abgethan wird. Summarisch verfahren, auf solche Art.


Summe (W3) [Adelung]


Die Summe, plur. die -n, aus dem Lat. Summa, eine größere Zahl, welche entstehet, wenn mehrere kleine zusammen gezählet werden. Das ist nun die Summa (Summe) zu der Wohnung des Zeugnisses, 2 Mos. 38, 21. Nehmet die Summa der ganzen Gemeinde der Kinder Israel, 4 Mos. 1, 2. Eine große Summe, eine große Zahl. Sieben ist die Summe von vier und drey. In engerer Bedeutung ist es eine unbestimmte Zahl oder Menge Geld. Eine Summe Geld, oder Geldes, ein Stück Geld. Eine große Summe für etwas biethen, nähmlich Geld. Wo denn auch wohl das Diminut. Sümmchen von einer kleinen Summe gebraucht wird. Mit der Lateinischen Endung a, wie es noch Luther gebraucht, ist es veraltet, außer, wenn es im gemeinen Leben noch adverbisch gebraucht wird, für, mit Einem Worte, kurz, oder alles zusammen genommen, ein Resultat aus dem vorigen zu begleiten. Summa, fürchte den Herren, Sir. 7, 33. Summa, Gottes Werke kann man nicht alle erzählen, Kap. 38, 8. Summa, durch sein Wort bestehet alles, Kap. 43, 28. Wofür man auch wohl die völlig Lateinischen R. A. in Summa, und Summa Summarum gebraucht. Das Lat. Summa, aus welchem dieses entlehnet ist, gehöret zu unserm sammen, sammt, sammeln und so ferner.


Summen (W3) [Adelung]


1. Summen, verb. reg. act. zu einer Summe zusammen zählen, wofür doch summieren üblicher ist. Man gebraucht es noch in dem zusammen gesetzten Neutro aufsummen, zu einer beträchtlichen Summe werden, S. dasselbe.


Summen (W3) [Adelung]


2. Summen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches den eintönigen dumpfigen mit einigem Zischen verbundenen Laut genau nachahmet, welchen es bezeichnet, von welcher Art der ist, welchen die Bienen, Wespen, Hummeln u. s. f. machen. Die Wespen summen. Es summt mir etwas vor den Ohren. Auch der Laut, den ein verworrenes dumpfiges Getöse, besonders in einiger Entfernung macht. Das summende Getöse der Stadt. Sollte er glauben, daß das Verlangen nach äußerlichen Gütern die summenden Wünsche eines Menschen ausmachen könnte? Gell. Das Intensivum davon ist sumsen. Der Laut, welchen dieses Zeitwort nachahmet, gleichet dem, welchen wir sonst auch mit hummen und humsen, die Lateiner mit bombitare, bombilare, die Italiäner mit bombare, bombilare, rom- bare, rombolare, u. s. f. ausdrücken. Bey den Krainerischen Wenden ist Shum, das Geräusch. Wenn in einigen Obersächsischen Gegenden ein Bienenstock ein Summer heißt, so kann es so wohl zu diesem Zeitworte gehören, als auch zu dem Oberdeutschen Simmer, ein Maß, so fern es überhaupt ein Gefäß oder Behältniß bedeutet, indem es in einigen Gegenden auch Summer und Simmer und Sumer lautet.


Sümmer (W3) [Adelung]


Das Sümmer, ein Maß trockner Dinge, S. Simmer.


Summieren (W3) [Adelung]


Summieren, verb. reg. act. aus dem spätern Lat. summare, zu einer Summe zusammen zählen. Zwey Zahlen summieren. So auch das Summieren.


Sumpf (W3) [Adelung]


Der Sumpf, des -es, plur. die Sümpfe, Diminut. das Sümpfchen, Oberd. Sümpflein. 1. Eine flache Sammlung über einem weichen morastigen Boden stehenden Wassers, und der Ort, wo das Wasser flach über einem weichen morastigen Boden stehet. Ein Land, welches voller Sümpfe ist. In einem Sumpf gerathen. In einem Sumpfe stecken bleiben. 2. In weiterer Bedeutung, eine jede Sammlung Wassers von keinem beträchtlichen Umfange, und ein Wasserbehältniß, beydes nur noch als ein Kunstwort in einigen einzelnen Fällen. (1) Eine Sammlung Wassers. So wird im Bergbaue das Wasser, welches sich in der Grube sammelt, wenn es nicht abgeführet werden kann, ein Sumpf genannt. Daher das Wasser zu Sumpfe halten, es vermittelst einer Wasserkunst ausschöpfen. Eine Grube, ein Bergwerk zu Sumpfe gehen lassen, oder sie zu Sumpfe treiben, durch Nachlässigkeit das Wasser überhand nehmen lassen, so daß die Grube dadurch verderbt und unbrauchbar wird. (2) Ein Behältniß mit Wasser. In dem Bergbaue ist der Sumpf so wohl der Trog, in welchen das Wasser von den Wasserkünsten ausgegossen wird, als auch ein gebohlter Graben, durch welchen der Schlamm bis in die Fluth geleitet wird. In der Bergschmiede wird die Tonne mit Wasser, worin das Eisen zu Stahl gehärtet wird, gleichfalls der Sumpf genannt. Bey den Ziegelstreichern ist der Sumpf oder das Sumpfloch, ein viereckig ausgebohltes Loch, in welchem der Thon eingesumpfet, d. i. mit Wasser begossen und durchgearbeitet wird. Das Schwedische Sump bedeutet auch einen Fischhälter.

Anm. Bey dem Ottfried in der ersten Bedeutung Sunft. Frisch muthmaßte schon sehr wahrscheinlich, daß es in der ersten Bedeutung von sincken, senken abstammen möchte, weil man in einem Sumpfe, wegen des unter dem Wasser befindlichen weichen Erdreiches, leicht untersinket. Diese Ableitung wird durch das veraltete versümpfen, versinken, gar sehr bestätiget, als welches noch bey dem Kaisersberg vorkommt: es haben etliche geirrt, und gemeint, es könne ein Mensch Gott so inbrünstig lieben, daß er also versümpft würde in Gott, daß er mit Gott Ein Wesen hett. Um deßwillen heißt ein Sumpf im Angelsächsischen auch Swamp, In der zweyten Bedeutung scheint es Wasser überhaupt zu bedeuten, da es denn von See, Salum, Sund, u. s. f. alle in der Bedeutung des Wassers, nur im Endlaute verschieden seyn würde.


Sumpfandorn (W3) [Adelung]


Der Sumpfandorn, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Wolfsfußes, Lycopus Europaeus L. weil er dem Andorne ähnlich ist, und gern an Teichen und Sümpfen wächset; Wasserandorn, Sparfaden.


Sumpfdistel (W3) [Adelung]


Die Sumpfdistel, plur. die -n, eine Art Disteln mit herunter laufenden gezähnten Blättern, welche auf den sumpfigen Wiesen wächset; Carduus palustris L.


Sumpfeinblatt (W3) [Adelung]


Das Sumpfeinblatt, des -es, plur. inus. eine Art des Einblattes, welches an Sümpfen und feuchten Orten wächset; Parnassia palustris L.


Sumpferz (W3) [Adelung]


Das Sumpferz, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, Eisenerz, welches in sumpfigen Gegen- den unter dem Wasser befindlich ist; Seeerz, Morasterz, Modererz.


Sumpfhabichtkraut (W3) [Adelung]


Das Sumpfhabichtkraut, des -es, plur. inus. eine Art des Habichtkrautes, welches in den sumpfigen Hainen des mitternächtigen Europa einheimisch ist; Hieracium paludosum L.


Sumpfhahnenfuß (W3) [Adelung]


Der Sumpfhahnenfuß, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -füße, eine Art des Hahnenfußes, der in den sumpfigen Gegenden wächset; Ranunculus palustris L. von welchem es wieder mehrere Unterarten gibt.


Sumpfheidelbeere (W3) [Adelung]


Die Sumpfheidelbeere, plur. die -n, eine Art der Heidelbeeren, welche in den feuchten Gegenden des mitternächtigen Europa angetroffen werden; Vaccinium uliginosum L.


Sumpfig (W3) [Adelung]


Sumpfig, -er, -ste, adj. et adv. viele Sümpfe enthaltend. Ein sumpfiges Land. Ingleichen einem Sumpfe gleich oder ähnlich, d. i. aus einem mit Wasser vermischten weichen Erdboden bestehend, in welchen man leicht einsinket, da es denn mit morastig beynahe gleich bedeutend ist, obgleich nicht völlig. Ein sumpfiger Boden, ein sumpfiger Ort, eine sumpfige Gegend. Im Oberd. sumpfechtig.


Sumpfkannenkraut (W3) [Adelung]


Das Sumpfkannenkraut, des -es, plur. inus. eine Art des Kannenkrautes, welches in den wässerigen Gegenden Europens einheimisch ist; Equisetum palustre L.


Sumpfkiel (W3) [Adelung]


Der Sumpfkiel, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, die unterste Röhre an einem Kunstgezeuge oder einer Pumpe, welche sich unmittelbar in dem Sumpfe oder Grubenwasser befindet; die Schlungröhre.


Sumpfklee (W3) [Adelung]


Der Sumpfklee, des -s, plur. inus. S. Fieberklee.


Sumpfkohl (W3) [Adelung]


Der Sumpfkohl, des -es, plur. inus. eine Ostindische Pflanze, welche von den Einwohnern, wie ein Kohl gegessen wird, und an sumpfigen Orten wächset; Pontederia hastata L.


Sumpfkorb (W3) [Adelung]


Der Sumpfkorb, des -es, plur. die -körbe, im Bergbaue, ein Korb von Bast, worin der Sumpfkiel stehet, damit nichts von Erde oder Stein in die Röhre komme.


Sumpfkraut (W3) [Adelung]


Das Sumpfkraut, des -es, plur. die -kräuter. 1. Eine jede Pflanze, welche in Sümpfen und an sumpfigen Orten einheimisch ist. 2. In engerer Bedeutung und ohne Plural ist es eine Pflanze, welche an den überschwemmten Orten des mitternächtigen Europa wächset; Limosella L.


Sumpflabkraut (W3) [Adelung]


Das Sumpflabkraut, des -es, plur. inusit. eine Art des Labkrautes, welches in und an Wassern wächset; Galium palustre L.


Sumpfloch (W3) [Adelung]


Das Sumpfloch, des -es, plur. die -löcher, bey den Ziegelstreichern, S. Sumpf 2.


Sumpfporsch (W3) [Adelung]


Der Sumpfporsch, des -es, plur. inus. der gewöhnliche Porsch, welcher in Deutschland und in dem mitternächtigen Europa in sumpfigen Gegenden einheimisch ist; Ledum palustre L. S. Porsch.


Sumpfranke (W3) [Adelung]


Die Sumpfranke, plur. inus. eine Art der Ranke, welche in Sümpfen wohnet; Sisymbrium palustre L.


Sumpfschlamm (W3) [Adelung]


Der Sumpfschlamm, des -es, plur. inus. der Schlamm aus einem Sumpfe. Im Bergbaue ist es der Schlamm oder Schlich, welcher in dem Sumpfe, d. i. ausgehohlten Graben befindlich ist.


Sumpfsilge (W3) [Adelung]


Die Sumpfsilge, plur. inus. eine Art der Silge, welche in den Sümpfen des mitternächtigen Europa wächset; Selinum palustre L.


Sumpftorf (W3) [Adelung]


Der Sumpftorf, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, Torf, welcher aus Sümpfen oder sumpfigen Orten gestochen wird.


Sumpfviole (W3) [Adelung]


Die Sumpfviole, plur. die -n, eine Art stammloser Violen, welche in den Sümpfen des kältern Europa wächset; Viola palustris Linn.


Sumpfvogel (W3) [Adelung]


Der Sumpfvogel, des -s, plur. die -vögel, eine Art Vögel, welche einen länglich runden stumpfen Schnabel haben, und sich in sumpfigen Gegenden aufhalten; Grallae Linn, bey welchen sie die vierte Ordnung der Vögel ausmachen. Die Löffelgans, der Kranich, die Schnepfe, der Kibitz, der Trappe und der Strauß gehören dahin.


Sumpfwasser (W3) [Adelung]


Das Sumpfwasser, des -s, plur. inus. Wasser aus Sümpfen, d. i. flachen Sammlungen stehenden Wassers, welche keine merkliche Tiefe haben, und wohin das Moorwasser und Moderwasser gehören.


Sumpfweiderich (W3) [Adelung]


Der Sumpfweiderich, des -s, plur. inus. eine Art Weiderichs, welcher in den feuchten Gegenden Europens wächset; Epilobium palustre Linn.


Sumpfwerk (W3) [Adelung]


Das Sumpfwerk, des -es, plur. inus. im Hüttenbaue, der zu einem zarten Schlich oder Schlamm gepochte Zinnzwitter; zum Unterschiede von dem Gerinnsteine und Fasenwerke, oder Pochmehle.


Summsen,Sumsen (W3) [Adelung]


Summsen oder Sumsen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches das Intensivum von 2 Summen ist, und oft statt dieses Zeitwortes gebraucht wird. Was für ein liebliches Summsen schwärmt um mich her, Geßn. Die Bienen summsen fröhlich umher im blumigen Anger, eben ders.


Sund (W3) [Adelung]


Sund, in Gesund, S. dieses Wort.


Sund (W3) [Adelung]


Der Sund, des -es, plur. die -e, ein Wort, welches überhaupt eine Meerenge bedeutet, aber nur als ein eigenthümlicher Nahme einzelner Meerengen üblich ist. Z. B. Der Ore-Sund, oder Sund schlechthin, die Meerenge, welche Schonen in Schweden von der Insel Seeland trennet, und die Ost- und Nordsee zusammen hängt; Smiths-Sund, ist eine Meerenge bey Friedrichshall, der Sund von Java u. s. f.

Anm. Im Engl. Sound, im Holländ. Sond, im Schwed. Sund. Daß dieses Wort sich ehedem weiter erstreckt haben müsse, erhellet aus dem Nahmen der Stadt Trapezunt, welche gleichfalls an einem Sunde lag. Frisch leitet es sehr unwahrscheinlich von sieden her, weil das Meer in solchen Engen gemeiniglich sehr ungestüm zu seyn pflegt, andere von sondern, Ihre aber von dem Angelsächs. sundan, schwimmen, Isländ. synda, so daß es eine Wasserbreite bedeute, über welche man bequem schwimmen könne. Allein, wenn es nicht überhaupt den Begriff des Wassers hat, da es denn von See, Salum, Sumpf u. s. f. nur im Endlaute verschieden seyn würde, ( S. Sündfluth,) so scheinet es vielmehr zu dem veralteten sinan, sindan, ( S. Gesinde und Senden,) reisen, den Ort verändern, zu gehören; da denn eine Meerenge um eben deßwillen ein Sund genannt seyn kann, um weßwillen sie noch jetzt zuweilen eine Straße heißt.


Sünde. (W3) [Adelung]


Die Sünde. plur. die -n, ein Wort, welches ehedem eine jede Übertretung des Gesetzes und die Handlung, durch welche dasselbe übertreten wird, bedeutet hat, in welchem jetzt veralteten weitern Verstande es bey dem Stryker und andern alten Oberdeutschen Schriftstellern noch mehrmahls vorkommt. Auch in den Monseeischen Glossen wird Sunta durch crimen übersetzt. Etwas davon ist noch in Sünder übrig. ( S. dasselbe.) Jetzt ist es nur noch in engerer theologischen Bedeutung üblich, eine Übertretung des göttlichen Gesetzes und die Handlung, wodurch selbiges übertreten wird, zu bezeichnen. Eine Sünde thun oder begehen. Sich einer Sünde schuldig machen. Etwas für eine Sünde halten. Das ist keine Sünde. Jemanden zur Sünde verleiten. Sein Brot mit Sünden verdienen. Sich der Sünde fürchten, in oder bey einer Sache sich eine Sünde zu begehen fürchten. Die wirkliche Sünde, zum Unterschiede von der Erbsünde. Da es denn in der Deutschen Bibel auch häufig als ein Abstractum so wohl das Unrecht der Gott mißfälligen Beschaffenheit und Handlung, als auch die sündliche Gott mißfällige Beschaffenheit selbst ausdruckt. Anm. Schon im Isidor Sundo, bey dem Kero Sunta, bey dem Ottfried, Willeram u. s. f. Sunta, Sunto, im Angels. Synne, im Engl. Sin, im Schwed. Synd, im Lappländ. Suddon. Dietrich von Stade, Frisch und andere leiten es von sühnen, söhnen, her, weil die Sünde versöhnet werden müsse. Allein es scheinet, so wie Laster, Schande, und andere ähnliche Wörter, eigentlich körperliche Verunstaltung bedeutet zu haben, zumahl da in den Monseeischen Glossen Sunta auch durch infirma und macula übersetzt wird, so daß man es als einen Verwandten von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, schaden, und vielleicht auch von Schande selbst ansehen kann. Das Lat. sons gehöret gewiß zu dessen Familie, ohne eben das Stammwort zu seyn.


Sündenfall (W3) [Adelung]


Der Sündenfall, des -es, plur. die -fälle, die vorsetzliche Versündigung gläubiger Personen. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung und ohne Plural, ist der Sündenfall oder der Fall Adams, die vorsetzliche Versündigung Adams.


Sündenübel (W3) [Adelung]


Das Sündenübel, des -s, plur. ut nom. sing. die Sünde als ein Übel betrachtet.


Sünder (W3) [Adelung]


Der Sünder, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Sünderinn, von dem veralteten sünden für sündigen. 1. Ein Verbrecher, eine im Ganzen veraltete Bedeutung, welche nur noch in einigen einzelnen Fällen vorkommt. So pflegt man einen zum Tode verurtheilten Verbrecher noch einen armen Sünder zu nennen. Auch im Scherze ist ein Sünder noch zuweilen eine Person, welche sich eines Vergehens oder eines Fehlers schuldig gemacht hat. Da steht nun der Sünder und sagt kein Wort! Auch im Stryker scheint es noch etwas ähnliches zu bezeichnen: Sein gewinne ein Sunder oberhant; wenn es da nicht vielmehr einen Feigen, Kranken u. s. f. bedeutet, indem in den Monseeischen Glosse Sunta auch infirma heißt. Für einen Verbrecher überhaupt kommt es in der Deutschen Bibel noch mehrmahls vor. 2. In gewöhnlicherer und engerer Bedeutung ist der Sünder, ein jeder Übertreter des göttlichen Gesetzes, da denn in Rücksicht auf die Erbsünde alle Menschen Sünder, arme Sünder heißen. Anm. Bey dem Notker und Stryker Sundar, Sunder. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe -er von dem veralteten Zeitworte sünden, sündigen, gebildet. Kero, Ottfried und andere gebrauchen dafür Suntigo.


Sündfluth (W3) [Adelung]


Die Sündfluth, plur. die -en, eine jede große und heftige Überschwemmung eines ganzen Landes oder eines großen Theiles desselben; in welcher Bedeutung es noch hin und wieder vorkommt. Die Hollsteinische Sündfluth. Die Thüringische Sündfluth, vom Jahre 1723. In engerer Bedeutung verstehet man unter Sündfluth schlechthin, diejenige große Überschwemmung zu Noah Zeit, da die ganze Erdkugel unter Wasser gesetzet gewesen seyn soll.

Anm. In dieser letztern engern Bedeutung schon bey dem Notker Sintfluote, Sinfluote, in einer alten Bibel-Übersetzung von 1462 die Sintweg, von Wag, Woge, Meer, Welle, bey andern Oberdeutschen eben dieses Jahrhundertes Synfluß, Sindfluß. Gemeiniglich leitet man die erste Hälfte von dem vorigen Sünde ab, und erkläret das Wort durch eine um der Sünden der Menschen willen veranstaltete Überschwemmung. Indessen ist wahrscheinlicher, daß das Wort Sünd hier von Sund, Wasser, See, abstammet, so daß Sündfluth eigentlich mit Wasserfluth, gleichbedeutend seyn würde.


Sündhaft (W3) [Adelung]


Sündhaft, -er, -este, adj. et adv. zur Sünde geneigt, ingleichen mit Sünde behaftet, wie sündig. Die sündhafte Unvollkommenheit des Verstandes. Ein sündhafter Mensch, ein sündiger. So auch die Sündhaftigkeit.


Sündig (W3) [Adelung]


Sündig, -er, -ste, adj. mit Sünde behaftet, ein außer der biblischen Schreibart größten Theils veraltetes Wort, Fertigkeit zu sündigen besitzend. O wehe des sündigen Volkes! Es. 1, 4. Die Augen des Herrn sehen auf ein sündiges Königreich, Amos 9, 8. Das raffete er mit seinen sündigen Händen hinweg, 2 Maccab, 5, 16; wo es für verbrecherisch, lasterhaft, zu stehen scheinet. Aber für sündlich, wie Röm. 7, 13, auf das die Sünde wurde überaus sündig durchs Geboth, ist es völlig ungewöhnlich. So auch die Sündigkeit, welches indessen noch seltener vorkommt.

Anm. Dieses Wort ist sehr alt, und älter als sündhaft und sündlich, indem es sich schon bey dem Kero, Ottfried u. s. f. findet, die auch Suntigo, als ein Hauptwort für Sünder gebrauchen, welches auch noch 4 Mos. 32, 14, vorkommt, der Sündiger sind desto mehr, aber jetzt gleichfalls veraltet ist.


Sündigen (W3) [Adelung]


Sündigen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, Sünde begehen, in der engern theologischen Bedeutung dieses Hauptwortes. Kein Mensch ist, der nicht sündiget, 1 Kön. 8, 46. Wider Gott, wider seinen Nächsten sündigen; ingleichen an Gott, am Herrn, an seinem Nächsten, an seinem Leibe, für welche biblisch. R. A. man doch lieber sagt, sich an Gott, an jemanden versündigen. Am Gesetz sündigen, Röm. 2, 12; besser wider das Gesetz, oder noch besser, das Gesetz übertreten. Hierin hast du gesündiget, eine Sünde begangen. Zuweilen, obgleich selten, und nur mit einigen Fürwörtern wird es auch als ein Activum gebraucht. Was habe ich gesündiget? Er hat nichts gesündiget. In weiterer Bedeutung, einen Fehler begehen. Wider das Zeitmaß der Sylben sündigen. So auch das Sündigen.

Anm. Dieses Zeitwort ist ein Intensivum von dem veralteten sünden, welches ehedem in eben dieser Bedeutung üblich war; bey dem Kero und Ottfried sunton, im Schwed. synda, im Englischen nur sinn.


Sündlich (W3) [Adelung]


Sündlich, -er, -ste, adj. et adv. dem göttlichen Gesetze zuwider, gleichsam eine Sünde seyend. Eine sündliche Handlung. Sündliche Gedanken, Begierden, Scherze. In der Deutschen Bibel wird es mehrmahls für sündig, mit Sünde behaftet, Fertigkeit zu sündigen besitzend, gebraucht, z. B. ein sündliches Volk, Tob. 13, 6, das sündliche Fleisch, Röm. 8, 3. In welcher Bedeutung es aber ungewöhnlich ist. Im Schwabensp. suntlich.


Sündlichkeit (W3) [Adelung]


Die Sündlichkeit, plur. car. die Eigenschaft einer Handlung, nach welcher sie sündlich ist, ihre Abweichung von dem göttlichen Gesetze.


Sündopfer (W3) [Adelung]


Das Sündopfer, des -s, plur. ut nom. sing. in der Deutschen Bibel und bey den ältern Juden, ein blutiges Opfer, welches zur Versöhnung Gottes für eine begangene Sünde gebracht wurde, daher es auch das Sühnopfer und Schuldopfer genannt wurde. Der Unterschied, welchen einige Ausleger zwischen Sündopfer und Schuldopfer machen, daß jenes für Vergehungs- dieses aber für Unterlassungssünden gebracht worden, ist noch streitig.


Sündwasser (W3) [Adelung]


Das Sündwasser, des -s, plur. inus. ein nur in der Deutschen Bibel befindliches Wort, ein Wasser zu bezeichnen, welches bey den ältern Juden zur Reinigung von einer begangenen Sünde gebraucht wurde; an dessen Stelle in der katholischen Kirche das Weihwasser getreten ist, 4 Mos. 8, 7.


Superfein (W3) [Adelung]


Superfein, adj. et adv. dessen erste Hälfte das Lat. super ist; außerordentlich fein, von der besten Art, doch nur im gemeinen Leben, besonders von Waaren.


Superintendent (W3) [Adelung]


Der Superintendent, des -en, plur. die -en, aus dem Lat. Superintendens, denjenigen zu bezeichnen, welcher die Aufsicht über andere hat. In der katholischen Kirche waren es schon vor Alters gewisse Aufseher über die Geistlichen einer Diöces, welches unter dem Bischofe standen, und mit den an andern Orten üblichen Decanis oder Dechanten einerley zu seyn scheinen. In der Luthe- rischen Kirche hat man dieses Wort, so wie die Würde beybehalten, und da ist der Superintendent ein vornehmer Geistlicher, welcher die Aufsicht über die Geistlichen und Pfarrherren eines gewissen Kreises oder Bezirkes hat, für diese die erste Instanz ist, selbst aber unter dem General-Superintendenten der Provinz, oder auch unter einen Ober-Consistorio stehet. Er ist in der evangelischen Kirche ungefähr das, was ein Bischof in der Römischen ist, und wird in einigen Gegenden auch Dechant, Decanus, Senior u. s. f. genannt. In manchen Ländern hat er noch Inspectores oder Präpositos unter sich, welche die nächste Aufsicht über einen ihnen angewiesenen kleinern Bezirk haben.


Superklug (W3) [Adelung]


Superklug, adj. et adv. von dem Lat. super, und nur im gemeinen Leben, übermäßig klug, d. i. naseweis.


Suppe (W3) [Adelung]


Die Suppe, plur. die -n. 1. Eine warme Brühe, welche für sich allein mit dem Löffel gegessen wird; Diminut. das Süppchen, Oberd. Süpplein. Die Biersuppe, Weinsuppe, Milchsuppe, Kerbelsuppe u. s. f. Eine Suppe kochen, anrichten, auftragen, essen. Einen Löffel Suppe essen, ein wenig Suppe. Figürlich ist, jemanden auf einen Löffel Suppe, oder auf eine Suppe einladen oder bitten, ihn zum Essen, auf eine Mahlzeit bitten. In Brautsuppe und einigen andern bedeutet es gleichfalls eine Mahlzeit, besonders so fern die Suppe der vornehmste Theil derselben ist. 2. Im gemeinen Leben wird es zuweilen so wie Brühe von einer jeden dicklichen Feuchtigkeit gebraucht. Die rothe Suppe, verächtlich und in der niedrigen Sprechart, das Blut. Die Grundsuppe, der untere dickere Theil eines flüssigen Körpers. Jemanden in der Suppe sitzen lassen, in einem schlimmen Handel.

Anm. In einigen Oberdeutschen Gegenden auch Sauf, Soof, Seuf, im Nieders. Soppe, im Schwed. Soppa, im Engl. Sop, Soop, Sup, im Französ. Soupe, Souppe, woher auch souper, zu Abend speisen, ist, im Ital. Suppa, Zuppa. Es ist von dem noch Oberdeutschen supfen, schlürfen, sorbere, welches eine Onomatopöie des Schlürfens ist, weil die Suppe mit dem Löffel gleichsam eingeschlürfet wird, daher auch ein Trunk oder Tränkchen im Oberdeutschen eine Suppe oder Saufe heißt, in welchem Verstande es im Hochdeutschen nicht gebraucht wird. Übrigens ist es mit Saufen, Saft, Niedersächs. Sapp, Seif, und andern mehr verwandt.


Suppig (W3) [Adelung]


Suppig, -er, -ste, adj. et adv. einer Suppe ähnlich, d. i. aus dünner Brühe bestehend, wenn es dicklicher seyn sollte, im gemeinen Leben; wo es doch eigentlich suppicht heißen sollte.


Supplik (W3) [Adelung]


Die Supplik, plur. die -en, aus dem Franz. Supplique, die demüthige schriftliche Bitte an einen Höhern, besonders an die höchste Obrigkeit. Daher suppliciren verb. neutr. mit haben auf solche Art bitten; der Supplicant, des -en, plur. die -en, derjenige, welcher auf solche Art bittet, Fäm. die Supplicantinn.


Susaninne (W3) [Adelung]


* Das Susaninne, des -s, plur. inus. ein veraltetes Wort, ein Wiegenlied zu bezeichnen, welches nur noch in Luthers altem Kirchenliede, vom Himmel hoch da komm ich her, befindlich ist. Wachters Ableitung dieses Wortes ist viel zu gelehrt; es scheint vielmehr aus den Worten, Suse ninne suse, womit die Ammen und Wärterinnen die Kinder einzuschläfern pflegen, gebildet zu seyn, und welche allem Ansehen nach bloße Töne ohne Sinn sind. ( S. Säuseln.) In einem alten zu Magdeburg befindlichen Wörterbuche, welches Hr. Diac. Kinderling in meinem Magaz. B. 2. St. 1. S. 78. f. bekannt gemacht hat, heißt es: Fastenunine dicuntur carmina, quae nutrix contat circa puerum movendo cunas; welches Fastenunine mir sonst nicht vorgekommen ist.


Süß (W3) [Adelung]


Süß, -er, -este, adj. et adv. den höchsten Grad der angenehmen Empfindung auf die Nerven des Geschmackes machend, da es denn von derjenigen Empfindung durch den Geschmack gebraucht wird, welche eigentlich dem sauer, oft aber auch dem salzig und bitter entgegen gesetzt ist. 1. Eigentlich, da es so wohl von der Empfindung, als auch von den Körpern, welche diese Empfindung verursachen, gebraucht wird. Süß schmecken. Ein süßer Geschmack. So süß wie Honig, Zucker u. s. f. Süßer Wein. Süße Kirschen. Da es denn in weiterm Verstande nur oft nicht sauer, nicht gesäuert, ingleichen nicht salzig oder nicht gesalzen bedeutet. Süßes Brot, ungesäuertes. Süße Milch, im Gegensatze der sauern. Süßes Wasser, im Gegensatze der Salzsohle so wohl als des gleichfalls salzigen Seewassers. Süße Butter, ungesalzene. 2. In weiterer Bedeutung, einen hohen Grad der angenehmen Empfindung durch andere Sinne verursachend. (1) In Ansehung des Gehöres, dem Gehöre im hohen Grade angenehm. Eine süße Stimme, süße Töne, süße Lieder, in der Deutschen Bibel; in welchem Verstande es doch in der dichterischen Schreibart am häufigsten vorkommt. Die Sprache der Liebe ist im Neste der Nachtigallen süßer Gesang, und im Winkel der Katze Zetergeschrey, Herd. Das süße Gezwitscher der Schwalben. Kein Mißton stört die süße Harmonie, Geßn. Die Liebe ist schlauer als die Freundschaft, ihr süßes Pfeifchen schläfert wohl einen Argus ein, Weiße. Die süße Stimme der Freude, eben ders. wo es aber auch oft angenehm überhaupt bedeuten kann. (2) Von dem Geruche, diesem Sinne im hohen Grade angenehm. Suazo sie thir stinkend, Ottfr. sie riechen dir angenehm. Ein süßer Geruch, in der Deutschen Bibel. Indessen kommt es in dieser Bedeutung, die dichterische Schreibart etwa ausgenommen, jetzt am wenigsten vor. 3. Figürlich, der innern Empfindung im hohen Grade angenehm. Ein süßer Schlaf. Süß schlafen. Sanft umfängt die Nacht ihn mit süßem Schlummer, Geßn. Mein Herz schmilzt in süßer Wehmuth, Ich schäme mich der süßen Schwachheit nicht, Gell. Ach, wie süß ists mir, an dieser Quelle zu ruhen! Geßn. Mit dir ist jedes Glück mir süßer, eben ders. Sein süßester Zeitvertreib, eben ders. Die süßeste Liebe der Natur, Gell. Es ist ein süßer Gedanke für Tugendhafte, wenn sie sich schmeicheln können, daß ihr Tod beweint wird, Dusch. Du süßer Wohnplatz stiller Freuden, Weiße. Ich habe dir meine süßesten Wünsche anvertrauet, eben ders. Und denkt mit süßer Lust an seinen ersten Reigen, Zachar. Jemanden etwas süßes, tausend süße Sachen vorsagen, etwas schmeichelhaftes. Ein süßer Herr, welcher ein Geschäft daraus macht, dem andern Geschlechte etwas süßes vorzusagen, demselben schmeicheln, oder zu gefallen; im Franz. Petit maitre. Ein süßer Herr kriegt nie Verstand, Gell.

Anm. Im Isidor suuozss, bey dem Kero, Ottfried u. s. f. suazza, im Nieders. süt, im Schwed. söt, im Isländ. saet, im Angels. swete, swaes, im Engl. sweet, womit auch das Latein. suauis und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - verwandt sind. Die erste eigentliche Bedeutung dieses so alten Wortes ist unbekannt; vielleicht bezeichnete es anfänglich etwas, das dem Gehöre angenehm war, durch Nachahmung eines angenehmen Lautes, wie etwa sausen, säuseln, dergleichen etwas auch im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, sich freuen, hervor zu stechen scheinet. Daß auch süß und sanft nicht so weit entfernt sind, als es anfänglich scheinen möchte, erhellet aus dem Schwed. systa, süß machen. Das n ist oft ein müßiger Begleiter der Hauch- und Blaselaute, st aber und ß sind Endlaute.


Süßapfel (W3) [Adelung]


Der Süßapfel, S. Honigapfel.


Süße (W3) [Adelung]


Die Süße, plur. inus. ein veraltetes Hauptwort für Süßigkeit bey dem Ottfried Suazi.


Süßeley (W3) [Adelung]


Die Süßeley, plur. die -en, von Süß, angenehm, ein ekelhaft oder widerwärtig süßes Betragen, dergleichen Ausdrücke, Schmeicheleyen u. s. f. Ästhetische Süßeleyen.


Süßeln (W3) [Adelung]


Süßeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, ekelhaft süß riechen und schmecken, wie manche Körper bey und in der Fäulniß zu thun pflegen.


Süßen (W3) [Adelung]


Süßen, verb. reg. 1. Neutr. mit haben, seine Süßigkeit einem andern Körper mittheilen. Der feine Zucker süßet besser als der grobe. 2. Act. süß machen, doch nur in einigen Gegenden. Eine Speise, eine Arzeney süßen. So auch das Süßen. Siehe auch Versüßen.


Süßigkeit (W3) [Adelung]


Die Süßigkeit, plur. die -en. Als ein Abstractum und ohne Plural, die Eigenschaft eines Dinges, da es süß ist, in allen Bedeutungen dieses Beywortes. Die Süßigkeit des Zuckers, des Honiges, des Schlafes u. s. f. 2. Ein süßer Körper, süßes Ding, und in figürlichem Verstande, hoher Grad der angenehmen Empfindung; mit dem Plural. Eine kleine Biene - sog Süßigkeit aus allen Blumen, Gleim. Ingleichen, obgleich seltener, eine Schmeicheley. Sie sagen ihr bey aller Gelegenheit Süßigkeiten vor, Weiße.

Anm. Bey dem Kero, Ottfried und andern mit andern Endsylben Suazzi, Suoze, Süße, in Schwaben noch jetzt Süasti, Suaznissi.


Süßklee (W3) [Adelung]


Der Süßklee, des -s, plur. car. eine dem Klee ähnliche Pflanze, welche auch Türkischer Klee und Honigklee genannt wird: Hedysarum L.


Süßlich (W3) [Adelung]


Süßlich, -er, -ste, adj. et adv. ein wenig süß. Ein süßlicher Geschmack.


Süßling (W3) [Adelung]


Der Süßling, des -es, plur. die -e. 1. In einigen Gegenden ein eßbarer braunröthlicher Feldschwamm, welcher eine süße weiße Milch gibt; Brätling. 2. Ein süßer Herr, S. Süß.


Sylbe (W3) [Adelung]


Die Sylbe, plur. die -n, Diminut. das Sylbchen, ein einzelner Laut, welcher mit Einer Öffnung oder Zuschließung des Mundes hervor gebracht wird, und aus einem Selbst- oder Doppellaute und einem oder mehr Mitlauten bestehet. Besonders, ein solcher Laut, so fern er einen Theil einer vernehmlichen Rede ausmacht. Eine Sylbe ist ein einzelner, ein Buchstab aber ein einfacher Laut. Nicht eine Sylbe hervor bringen können. Ich verstehe keine Sylbe davon. Die Sylben stechen, ( S. Stechen.) Schon bey dem Ottfried Syllaba, bey dem Notker Sillabon. Es ist aus dem Griech. und Lat. Syllaba, daher es von einigen irrig Silbe geschrieben wird. Hingegen ist das doppelte ll unnöthig, nach dem im Deutschen der mittelste Selbstlaut weggeworfen worden.


Sylbenmaß (W3) [Adelung]


Das Sylbenmaß, des -es, plur. die -e, das Zeitmaß der Sylben, d. i. die Zeitdauer, mit welcher jede derselben ausgesprochen wird: mit einem Lateinischen Kunstworte die Quantität. Nach dem Sylbenmaße sind die Sylben entweder lang oder kurz, oder unbestimmt. Derjenige Theil der Sprachkunst, welcher das Sylbenmaß lehret, heißt die Prosodie oder Tonmessung.


Sylbenstecherey (W3) [Adelung]


Die Sylbenstecherey, plur. die -en, unnütze und pedantische Untersuchung der Sylben eines Wortes, und in weiterm Verstande unnütze und thörichte Aufsuchung des Wortverstandes; von der R. A. Sylben stechen, ( S. Stechen II.) So auch der Sylbenstecher.


Sylbig (W3) [Adelung]


Sylbig, adj. et adv. Sylben habend, ein nur in den Zusammensetzungen einsylbig, zweysylbig, vielsylbig u. s. f. übliches Wort.


Syllabisch (W3) [Adelung]


Syllabisch, adj. et adv. aus dem Latein. syllabicus, besonders in der Musik, wo der syllabische Gesang diejenige Art des Singens ist, wo zu jeder Note eine Sylbe gesprochen oder gesungen wird, wie z. B. bey den Kirchengesängen und Recitativen üblich ist; zum Unterschiede von dem melismatischen Gesange, wo zwey und mehr Noten auf eine Sylbe gesungen werden, wie in den Arien u. s. f.


Sylphe (W3) [Adelung]


Der Sylphe, des -n, plur. die -n, ein aus dem Griechischen entlehntes Wort, eine Art poetischer Luftgeisterchen zu bezeichnen, welche Abt von Villars in seinem Comte de Gabalis wieder in Bewegung brachte, worauf Pope sie in seinem Lockenraube nutzte. Die Gnomen sind ähnliche Erdgeisterchen, die Nymphen solche Wassergeister und die Salamander solche Feuergeister. Ein schön geputzter Geist, bunt, wie ein Regenbogen, Den Gabalis erschuf und Pope groß gezogen, Ein Sylphe-Zachar.


Symbolisch (W3) [Adelung]


Symbolisch, adj. et adv. aus dem Latein. symbolicus. 1. Von Symbolum, ein sinnliches oder bildliches Erkenntnißzeichen eines andern ähnlichen Dinges, da alles dasjenige symbolisch genannt werden kann, was ein anderes Ding vermittelst einiger Ähnlichkeiten abbildet oder bezeichnet. In engerm Verstande ist symbolisch, was uns eine unkörperliche Sache unter einem sinnlichen Bilde vorstellet. Die symbolische Erkenntniß, von welcher Art eigentlich unsere ganze Erkenntniß ist, besonders, so fern sie auf Wörtern beruhet, indem jedes Wort ein sinnliches Bild enthält. Im engsten Verstande unterscheidet man die symbolische Erkenntniß, oder die Erkenntniß durch Worte, von der anschauenden. 2. Von Symbolum, ein Glaubensbekenntniß, ist symbolisch, was dazu gehöret, in demselben gegründet ist. Die symbolischen Bücher, diejenigen Bücher und Schriften, welche das Glaubensbekenntniß einer Kirche ausmachen. Anm. Das Griech. und Latein. Symbolum, wird von einem Glaubensbekenntnisse nur noch zuweilen von einigen ältern Bekenntnissen der christlichen Kirche gebraucht, z. B. das apostolische, das Athanasische Symbolum, wofür doch auch Glaubensbekenntniß schon üblicher ist. Notker gebraucht dafür Geuuerf, welches eine buchstäbliche Übersetzung des Griechischen Ausdruckes ist. Von einem figürlichen Erkenntnißzeichen wird es noch weniger gebraucht, wohl aber bezeichnet es im gemeinen Leben noch häufig einen Wahl- oder Denkspruch.


Symmetrie (W3) [Adelung]


Die Symmetrie, (dreysylbig) plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, (viersylbig,) aus dem Griech. und Lat. Symmetria, die gehörige Übereinstimmung oder das gehörige Verhältniß der Theile eines Dinges so wohl unter einander selbst, als auch gegen das Ganze. In engerm Verstande ist die Symmetrie das gehörige Verhältniß der Theile zum Ganzen, die Harmonie aber, das gehörige Verhältniß der Theile unter einander. Nach einer noch andern Einschränkung ist, z. B. in der Baukunst, die Symmetrie oder Evrythmie, die Ähnlichkeit der Seiten bey einem unähnlichen mittlern Theile. Daher symmetrisch, diesem Verhältnisse gemäß, darin gegründet.


Sympathie (W3) [Adelung]


Die Sympathie, (dreysylbig,) plur. die -n, (viersylbig,) aus dem Griech. und Lat. Sympathia, welches eigentlich Mitleiden bedeutet, im Deutschen aber in folgenden Fällen üblich ist. 1. Die Eigenschaft eines lebendigen Wesens, vermöge welcher die Vorstellung des Zustandes eines Dinges ähnliche Empfindungen in uns hervor bringet, und diese ähnlichen Empfindungen selbst: besonders in engerm Verstande, so fern sie auf undeutliche Begriffe gegründet ist, oder aus uns unbekannten Gründen herrühret. Ist die Freundschaft zugleich die Sympathie der Natur, der Vernunft und der Tugend, so kann für den empfindlichen Menschen nichts schätzbarers und nützlichers gedacht werden, Gell. Wir sympathisiren mit jemanden, wenn wir ähnliche Empfindungen mit ihm haben. 2. Die Neigung zu einem Dinge, besonders so fern sie auf dunklen Begriffen, oder uns unbekannten Gründen beruhet, im Gegensatze der Antipathie; in welchem Verstande man auch leblosen Dingen eine Sympathie gegen einander zuschreibt. In weiterm Verstande gebrauchen die Mahler dieses von den Farben, wenn sie in der Vermischung eine angenehme dritte Farbe hervor bringen, wie z. B. Blau und Gelb; dagegen zwischen Blau und Zinnober eine Antipathie herrscht, weil beyde eine unangenehme harte Farbe geben. 3. Die Wirkung eines körperlichen Dinges in ein anderes entferntes ohne ein merkliches dazwischen kommendes Mittel; da man denn im gemeinen Leben Sympathien oder sympathische Wirkungen hat, besonders solche Heilarten u. s. f. Wenn eine solche Wirkung ohne alles dazwischen befindliches begreifliches Mittel hervor gebracht werden soll, so ist sie ein Unding, nicht aber, wenn das Mittel nur gröbern Sinnen unmerklich oder unempfindbar ist, wie z. B. bey sympathetischen Dinten, bey dem Magnete u. s. f.


Symphonie (W3) [Adelung]


Symphonie, (dreysylbig) plur. die -n, (viersylbig,) aus dem Griech. und Lat. Symphonia im weitesten Verstande, zusammen klingende Töne, besonders in der höhern Schreibart. Ungewohnte Symphonien Schlagen mein entzücktes Ohr, Raml. In engerer Bedeutung, ist die Symphonie in der Musik ein gewisses musikalisches Stück, welches allein mit Instrumenten aufgeführet wird.


Syndicus (W3) [Adelung]


Der Syndicus, des -ci, plur. die -ci, das Lat. und Griech. Syndicus, derjenige, welcher einer ganzen Gemeine, oder einer ansehnlichen Gesellschaft Rath ertheilet, und sie in gerichtlichen Sachen vertritt; im Oberdeutschen, Schaffner, Fürsprech, Frieddinger. Daher das Syndicat, des -es, plur. die -e, das Amt, die Stelle eines Syndici.


Syntax (W3) [Adelung]


Der Syntax, des -es, plur. die -e, aus dem Griech. und Lat. Syntaxis, S. Wortfügung.


Syrup (W3) [Adelung]


Der Syrup, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein mit Zucker zur Honigdicke eingekochter Saft, dergleichen man aus den Decocten oder Aufgüssen vieler Pflanzen, Blumen und Früchte hat. Ingleichen derjenige Abgang von dem Zucker, welcher durch die Spitzen der Formen abfließt. Im Engl. Sirrop, im Italiänischen Sirupo, im Lateinischen Syrupus. Das Wort ist so wie die Erfindung morgenländisch, und lautet im Arabischen Serup, und im Persischen Scherbet.


System (W3) [Adelung]


Das System, des -es, plur. die -e, aus dem Griech. und Latein. Systema, ein Zusammenhang von Dingen einerley Art und Einrichtung, und die Ordnung, nach welcher sie unter einander verbunden sind. Das Welt-System, Systema mundi, die mit einander zu einem Ganzen verbundenen großen Weltkörper, das Weltgebäude; ingleichen die Ordnung, in welcher sie neben einander befindlich angenommen werden. Daher das Ptolemäische, das Tychonische, das Copernicanische System, die von dem Ptolemäus, Tycho und Copernicus angenommene Ordnung und Verbindung der Himmelskörper. Man nehme den Hang zur Geselligkeit aus dem Systeme unserer Neigung heraus, Gell. Ingleichen ein Zusammenhang von Wahrheiten einerley Art und Einrichtung; das Lehrgebäude. Daher werden die sämmtlichen unter einander verbundenen theologischen Wahrheiten das theologische System genannt. So auch von Wahrheiten aller Art. Ingleichen ein Zusammenhang practischer Wahrheiten oder moralischer Ausübungssätze. Ein System der Tugend, des Lasters, der Heucheley u. s. f. Das sey ihr höchstes System der Ehre und Nacheiferung, Gell Daher systematisch, von Dingen einerley Art und Einrichtung, in eine begreifliche Ordnung gebracht, und dadurch zu einem Ganzen verbunden.


T

U

V

W

X

Y

Z