Etymologie, Etimología, Étymologie, Etimologia, Etymology, (griech.) etymología, (lat.) etymologia, (esper.) etimologio
DE Deutschland, Alemania, Allemagne, Germania, Germany, (esper.) Germanujo
eXterne Wortlisten, (esper.) eksteruloj vortlistoj
XADE_n - Adelung - Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart
N

(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=Adelung#0

Adelung: Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart




Erstellt: 2021-01

A

Adelung, Johann Christoph
Hochdeutsches Wörterbuch
Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart,
mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten,
besonders aber der Oberdeutschen [Adelung]

(E?)(L?) http://www.bastisoft.de/misc/adelung/

Zu den Daten

Hier finden Sie den vollständigen Text des "Grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen" von Johann Christoph Adelung. Er entspricht der Ausgabe von 1811, die vom Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek eingescannt und mit einem Texterkennungsprogramm in Textform überführt wurde. Text und Bilder hat die sogenannte Digitale Bibliothek auf Ihrem Web-Server verfügbar gemacht, jedoch nicht als fortlaufenden Text. Das ist die Lücke, die diese Datei füllen soll.

Wichtige Hinweise zu dieser Version: Der Text unterliegt keinem urheberrechtlichen Schutz, da dieser nach deutschem Recht nur Werken gewährt wird, deren Urheber noch lebt oder höchstens seit 70 Jahren tot ist.

Sebastian Koppehel


Erstellt: 2010-02

B

C

D

E

F

G

H

I

J

K

L

M

N

N (W3) [Adelung]


N, der vierzehnte Buchstab des Deutschen Alphabetes, und der dritte unter den Zungenbuchstaben; indem er mit Anlegung der Zunge an den Gaumen und die Zähne und einem gelinden dabey durch die Nase gelassenen Laute ausgesprochen wird. Wegen dieses letztern Lautes, welcher vor den Hauch und Gaumenbuchstaben sehr merklich ist, wird er auch der Nasenlaut genannt. Als ein für die Aussprache sehr leichter und einfacher Laut, welcher nach allen und vor den meisten andern Mitlauten ohne Mühe ausgesprochen werden kann, ist er auch einer von den flüssigen Mitlauten oder so genannten Halb-Vocalen oder Halblauten, unter welchen er die dritte Stelle einnimmt. Das n wird mit einem durch die Nase gelassenen Hauch ausgesprochen, doch in einer Sprache, in einer Mundart mehr als in der andern, selbst im Deutschen vor einigen Mitlautern mehr als vor andern. In der Hochdeutschen Mundart ist dieser Nasenlaut gewöhnlich nicht stärker, als er zur vernehmlichen Hervorbringung des n unentbehrlich ist. Nur vor den härtern Gaumenlauten g und k, wenn es mit denselben in einer und eben derselben Sylbe stehet, ist dieser Nasenlaut überaus merklich, denn da wird es dunkel, und fast so ausgesprochen, wie das Französische n nach einem Selbstlaute, in en, on, un; langen, krank, jung, Menge, singen, winken. Ich sage, in einer und eben derselben Sylbe, und verstehe das Wort Sylbe etymologisch, nicht aber orthographisch. Denn ob man gleich theilet win-ken, Län-ge, Gedan-ken, so gehören doch nach der Abstammung alle diese Gaumenlaute zur Stammsylbe, und nach der Abstammung müßte man theilen, wink-en, Läng-e, Gedank-en. Wenn hingegen in Zusammensetzungen das n vor einem Gaumenlaute zu stehen kommt, so behält es seine gewöhnliche Aussprache. Angenehm, eingehen, Unkraut, hinkriechen. Vor den weichern Gaumenlauten ch und i ist dieser Nasenlaut unmerklicher, denn da schmilzt er mit denselben am Gaumen gleichsam zusammen; manch, tünchen, so wie in den gemeinen Sprecharten auch vor dem i, Linie, Pinie, gleichsam, Linie, Pinie. Zusammensetzungen machen auch hier eine Ausnahme, Unchrist, Scheinschrift, Sonnenjahr. Das n liebt diese harten Gaumenlaute g und k so sehr, daß es sich ihnen in tausend Wörtern unberufen aufdringt, oder vielmehr manche Mundarten und Sprachen können das g und k nicht aussprechen, ohne ein n vor ihnen her schleichen zu lassen. Vermuthlich war diese nieselnde Aussprache ehedem ganzen Völkerschaften eigen; sie ist es auch jetzt zum Theil noch. Allein bey der unzähligen Vermischung der Völkerschaften von den frühesten Zeiten an, sind auch die Mundarten und Sprachen vermischt worden, und daher kommt es vermuthlich, daß die Abkömmlinge eines und eben desselben Stammwortes einer und derselben Sprache bald ein n vor diesen Gaumenlauten haben, bald aber auch nicht. Für das frago, (brechen) tago, (Nieders. ticken) pago (fügen) u. s. f. sagten die neuern Lateiner frango, tango, pango, behielten aber doch fregi, fractum, tetigi, tactum, pepigi u. s. f. bey. So auch fingere, figura, fictus, figmentum; stringere, strictus u. s. f. Für das Griech. und Lat. Lynx haben wir Luchs, die Dänen Los, die Schweden Lo; für danken, Schwed. danka sagen die Isländer nur tacka; aus - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - haben wir Dünkel gemacht; für - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Altdeutsch michel, sagten die Römer magnus, und eben daher haben wir unser manch, Menge; Bank, Bängel gehören zu Bakel, Baculus. Regere, richten, Reich und Regnum, sind eben so nahe verwandt, wie frech und frank; gehen, gegangen und Gang; fahen, fingen, Fang, Finger; blicken und blinken; dünken und däuchten; hoch, das alte hahen und hängen; Stange, Stecken und das Nieders. Stake; zwingen, zwangen und zwacken; genug und genung; bringen, gebracht, und unzählige andere mehr. Besonders gilt dieses von unsern Ableitungssylben ig und ing oder ung, welche alle drey nur eine und eben dieselbe sind. Für König sagen die gröbern Mundarten Koning und Konung, für Honig, Honing, für Pfennig, Pfenning. In der Schweiz lautet die Endsylbe -ingen vieler eigenthümlicher Nahmen -ikon, Pfeffingen, Pfeffikon. Auf eben diese Art gehet die Latein. Endung -icus, in benignus, malignus, abiegnus u. s. f. über. Für die Etymologie ist diese Anmerkung überaus wichtig, weil man auf sehr falsche Ableitungen gerathen würde, wenn man dieses n vor den Gaumenlauten nicht in den nöthigen Fällen absondern und zusetzen wollte. Hätten Frisch und Haltaus diese Regel vor Augen gehabt, so würden sie Hunger nicht von Hund und Gier abgeleitet, und es nicht durch hündische Begier erkläret haben. Sie würden alsdann gefunden haben, daß das ng nichts weiter ist, als das durch die Nase gesprochene g, und daß Hunger von dem alten Zug, Gemüth, Neigung, hägen u. s. f. abstamme, zumahl da es in andern Sprachen noch für Begierde gebraucht wird. So sehr das n die beyden harten Gaumenlaute liebt, so sehr liebt es auch die Zungenbuchstaben d und t. Wir haben unzählige Wörter, in welchen entweder das n, oder das t nicht zum Stamme gehöret, sondern bloß durch eine weichere Aussprache eingeschoben worden; eine Anmerkung, welche der Etymologe eben so sehr vor Augen haben muß, als die vorige. In nackend für nacket, Barchent für Barchet, Tugend für das alte Taugde, Jugend für das Nieders. Jögd, und andern hat sich das n eingedrungen, so wie sich in lebendig, morgend, wesentlich, ordentlich und andern ein d oder t angehänget hat. Schade und Schande, Schindel und scheiden, Spindel, spinnen, und das alte spahen, wandeln und vadere, Gewand und das alte und noch Nieders. Watt, und tausend andere gehören zu einerley Stamme, so wie im Lat. laetus und blandus, scindo, scidi und scheiden, findere und fidi u. s. f. Für Mantel, Schwed. Mantel, sagen die Isländer nur Mattul, für Hand, Handa, Art, Geschlecht, nur Hatt, für Land und Lad u. s. f. Dieß findet auch von dem mit dem t so nahe verwandtes s Statt. Glas, Glanz, glänzen, ehedem nur glesten, sind Eines Geschlechtes, so wie Insel und das Ital. Isola, Franz. Isle, Kranz und Kreis, Linse und das in den gemeinen Sprecharten übliche Lieschen, Gans, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und das Niedersächsische Goos, anderer zu geschweigen. So leicht nun die Aussprache des n vor den jetzt gedachten Mitlautern ist, so schwer ist sie vor den Lippenbuchstaben, selbst in zwey ganz verschiedenen Stellen. Die Lateiner und Griechen verwandelten es daher in den Lippenlaut m, wenn es vor einem andern Lippenlaute stehen sollte, besonders in den Vorwörtern con, in, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - comburere, committere, impar, imprimis u. s. f. Die Deutschen haben den Übelklang gleichfalls empfunden, und das n in vielen solchen Fällen in ein m verwandelt; empor, empfahen, empfangen, empfehlen, empfinden, Amboß, (Incus,) Imbiß, immaßen, immittelst, impfen, Glimpf, von linde, Strumpf, Rumpf, Wimpel, Naumburg für Neuenburg, Schimpf, rümpfen, Sumpf u. a. m. wo das n die Stelle des n in dem Stammworte vertritt. Indessen sind doch noch Wörter genug übrig, wo das n dem Wohlklange zum Trotze geblieben ist, dergleichen sind zum Beispiele, Vernunft, Kunst, in welchen beyden es sogar aus dem m der Stammwörter vernehmen und kommen entstanden ist, Ranft von Rand oder Rahm, Hanf, wofür die Schweden Hempe, die Engländer und Niedersachsen aber Hemp sagen, Senf, Zunft, sanft, fünfe, u. s. f. Daß das n in diesen Wörtern hart klinget, merken sogar die gemeinen Mundarten, welche daher gemeiniglich fümfe, Semf, samft, Vernunft u. s. f. sprechen, selbst in solchen Fällen, wo zwischen beyden noch ein Gaumenlaut stehet. So spricht der große Haufe für Ingber nur Imber, für Jungfer Jumfer. Aber es gibt auch noch andere Fälle, wo das n mit dem m abwechselt, ob sie gleich zu verschiedenen Sprachwerkzeugen gehören. Für Mispel sagt man in vielen Gegenden nur Nispel, Nespel, im mittlern Lat. Nespila, wo auch Nertus für Myrtus gefunden wird; für das Hochdeutsche Mucke sagen die Niederdeutschen Mücke, u. s. f. Weit mehrere Wörter, selbst im Deutschen, sind vorhanden, wo das Anfangs N nicht zum Stamme gehöret, sondern entweder ein bloßer müßiger Vorschlag ist, der sich wegen der leichten Aussprache dieses Lautes unvermerkt aufgedrungen hat, aber auch, wie andre wollen, ein Überbleibsel des alten Artikels an, ein, ist siehe Ein. So sagt man in verschiedenen Provinzen in einerley Bedeutung Nößel und Ößel, Natter und Atter, Narb, eine Krampe, und Arb, Nura, im Oberdeutschen für Hefen, und Ura, Nast und Ast, Nassel und Assel, Nasch, ein Gefäß, und Asch. Ja es scheinet, daß auch unser nutzen und uti, nehmen und emere, auf diese Art verwandt sind, so wie - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und Nomen unläugbar zu einander gehören. Viele alte Sprachen verstärkten das noch durch einen freundschaftlichen Hauch- und Gaumenlaut. Für Nacken sagten die Angelsachsen Hnecca, für Napf Hnaeppe, für neigen hnigan. Unserer Sprache fehlet es daran gleichfalls nicht. Genick, Knicks, Knie und Knöchel stammen mit Nacken von neigen her; genau von dem alten nau; knapp, knapper, kneipen, von dem noch in den gemeinen Mundarten üblichen noppen, Schwed. nappa; Knoten von Nodus; Knast von Nast und Ast u. s. f. In andern Wörtern nimmt es dafür den Zischlaut an, wie in Schnabel, von Nabel, Engl. Nave, Schnur, von Nurus, Schnee, von dem noch bey den Jägern üblichen Neu, Nix, Schnaue, von Nache, Navis, Schnecke, Franz. Nacre, vermuthlich auch daher u. s. f. In der Beugung und Ableitung der Wörter hat dieser Buchstab einen vielfachen Nutzen, welchen ich hier, um nicht weitläufig zu werden, übergehen muß. Er ist gewiß kein leerer, oder aus bloßer Willkühr gewählter Schall, ob wir gleich in der großen Entfernung, worin wir uns von den ersten Erfindern der Sprache befinden, seine eigentliche Bedeutung nicht mehr genau bestimmen können. Etwas davon ist bey dem Artikel -Ern und -En bemerket worden. Es ist jetzt so wohl im Deutschen als Lateinischen sehr gewöhnlich, daß man an die Stelle eines eigenthümlichen Nahmens, wenn man denselben entweder nicht weiß, oder ihn mit Fleiß nicht nennen will, ein N. N. setzet. Nach dem Du Fresne ist dieses Zeichen ungefähr im eilften Jahrhundert üblich geworden, und zwar aus dem abgekürzten Ille oder Illa, welches man Ill mit einem Querstriche durch die beyden ll zu schreiben pflegte, welche Abkürzung man nachmahls aus Unwissenheit für N. N. gehalten. Jenes, nähmlich aus dem Ill. kommt in Marculphs Formeln und andern Schriften vor dem eilften Jahrhunderte häufig vor.


Nabe (W3) [Adelung]


Die Nabe, plur. die -n, der hohle in der äußern Mitte erhabene Cylinder in einem Rade, welcher um die Achse läuft, und in dessen äußerm Umfange die Speichen befestiget werden; in einigen Gegenden der Nabel. In engerer Bedeutung wird nur der vordere Theil dieses Cylinders die Nabe genannt, da denn der mittlere erhabene Theil der Bock, und der hintere der Stoß heißt. Es scheinet, daß dieses Wort auch in dem Teich- und Wasserbaue einiger Gegenden eine Art Röhren bedeute; denn in einer gewissen Obersächsischen Schrift wurde der anstatt der Naben eingelegten einbohrigen Röhren, das Wasser in den Fischhalter zu leiten, gedacht.

Anm. Im Nieders. Nave und Navel, im Angels. Naf, im Engl. und Holländ. Nave, im Schwed. Naf. Es ist ein altes Wort von einem zahlreichen Geschlechte, welches überhaupt den Begriff des Hohlen hat, und wozu außer dem folgenden Nabel und Näber, unser Napf, das Lat. Navis, und mit veränderten Endlauten, auch Nache, Nuß u. s. f. gehören. Schon im Hebräischen bedeutet - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - etwas Hohles, Durchbohrtes. Da alle Wörter, welche eine Höhlung, Vertiefung bedeuten, auch zugleich eine Erhöhung bezeichnen, so gehören auch das alte Nabe, jetzt Schnabel, mit ihren Verwandten hierher, und es kann seyn, daß in der engern Bedeutung des vordersten Theiles der Nabe der Begriff der Hervorragung der herrschende ist. Im mittlern Lat. heißt die Nabe auch Modiolus, Franz. Mojeu, entweder eben so von Modius, 1 Muth, ein hohler Raum, oder von medius, Mitte.


Nabel (W3) [Adelung]


Der Nabel, des -s, plur. die Näbel, Diminut. das Näbelchen, Oberd. Näbellein, Näbel. 1) Überhaupt eine jede schneckenförmige runde Vertiefung, oder ähnliche Erhöhung; in welcher weitern Bedeutung es doch nur in einigen Fällen üblich ist. So wird der Schluß eines Gewölbes, wegen dieser Gestalt, welche man ihm zuweilen ertheilet, in der Baukunst der Nabel genannt. In der Mathematik ist der Nabel der Punct in der Achse einer krummen Linie, welcher am gewöhnlichsten der Brennpunct, Focus genannt wird. Bey den neuern Schriftstellern des Thierreiches ist der Nabel an einer Schnecke die gewundene Vertiefung unten an der Spindel oder Säule. ( S. auch Nabelstelle.) 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Nabel an den thierischen Körpern die gewundene runde Vertiefung in der Mitte des Schmerbauches, welche im Grunde gemeiniglich eine kleine runde Erhöhung hat, und die zurück gebliebene Narbe von der abgeschnittenen Nabelschnur ist.

Anm. In der letzten Bedeutung schon bey dem Raban Maurus im 8ten Jahrhunderte Nabalo, bey dem Willeram Nabelo, im Nieders. und Engl. Navel, im Angels. Nafel, Navela, im Dän. Navle, im Schwed. Nafle, im Finnländ. Napa, im Lappländ. Naeppe, im Pers. Naf, und selbst im Malabarischen Nabi. Gewiß nicht unmittelbar aus dem Lat. Umbilicus, wie Frisch will, sondern als ein naher Verwandter des vorigen Nabe, mit welchem es in dem Begriffe so wohl der Vertiefung, als auch der Erhöhung überein kommt. Beweise der ehemaligen weitern Bedeutung sind der Herze Naveli, für die Herzgrube, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter, und das ehemahlige Schwedische Inifli, das Eingeweide. Die Endung -el ist auch nicht ein Zeichen der Verkleinerung, sondern vielmehr die Ableitungssylbe -el, ein Subject, Nabel, ein vertieftes oder erhabenes Ding. Die Lat. Umbo und Umbilicus und das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - leiden eine ähnliche Herleitung, als Geschlechtsverwandte von unserm Humpe, Hümpel für Hübel, Hügel, Rumpf u. s. f.


Nabelbinde (W3) [Adelung]


Die Nabelbinde, plur. die -n, eine Binde, oder schmaler Streifen Leinwand, womit bey neu gebornen Kindern der Unterleib umwunden wird, um den Nabel niederzudrücken.


Nabelbruch (W3) [Adelung]


Der Nabelbruch, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, oder in mehrern Individuis, die -brüche, ein Bruch, oder Austritt eines Theiles der Gedärme, durch den Nabel, oder in der Gegend des Nabels, von welcher Art Bruches es denn so wohl Netzbrüche, als Darmbrüche, und Darmbrüche gibt; Omphalocele. Bey noch nicht völlig geheiltem oder befestigtem Nabel können sich kleine Kinder durch vieles Schreyen leicht einen Nabelbruch verursachen.


Nabelkraut (W3) [Adelung]


Das Nabelkraut, des -es, plur. inus. 1) Eine Pflanze, welche in den wärmern Ländern Europas einheimisch ist, und weiße röthlich gemischte kleine Blumen trägt; Cotyledon communis L. die Nabelpflanze, der Venus-Nabel, Engl. Nabelwort. Sie hat den Nahmen von ihren hohlen, runden, eingezogenen Blättern, welche einem Näpfchen oder einem Nabel gleichen. Einige andre Arten sind in Afrika und Ostindien einheimisch. 2) Das Leinkraut oder Flachskraut, Antirrhinum Linaria L. wird von einigen gleichfalls Nabelkraut genannt, vielleicht weil es in Nabelbrüchen oder bey Verbindung des Nabels gebraucht worden. ( S. Flachskraut 2.) 3) Die Androsace maxima L. S. Mannsschild.


Nabeln (W3) [Adelung]


Nabeln, verb. reg. act. ein Kind nabeln, den Überrest der abgeschnittenen Nabelschnur einbinden und eindrücken.


Nabelpflanze (W3) [Adelung]


Die Nabelpflanze, S. Nabelkraut.


Nabelsamen (W3) [Adelung]


Der Nabelsamen, des -s, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Klebkrautes; Galium Aparine L.


Nabelschild (W3) [Adelung]


Das Nabelschild, des -es, plur. die -e, Diminut. das Nabelschildchen, Oberd. Nabelschildlein, in der Wapenkunst, ein Wapenschild, welches auf der Nabelstelle gestellet ist.


Nabelschnur (W3) [Adelung]


Die Nabelschnur, plur. die -schnüre, eine häutige Röhre in Gestalt einer Schnur, welche aus zwey Pulsadern, Einer Blutader und der Harnschnure bestehet, und das Kind in Mutterleibe mit dem Mutterkuchen verbindet. Im Niedersächsischen Streng, der Strang.


Nabelstelle (W3) [Adelung]


Die Nabelstelle, plur. die -n, in der Wapenkunst, diejenige Stelle eines Wapenschildes, welche etwas niedriger als die Herzstelle ist, wo die Figur von der Stellung des Nabels in Beziehung des Herzens entlehnet ist.


Nabeltuch (W3) [Adelung]


Das Nabeltuch, des -es, plur. die -tücher, Diminut. das Nabeltüchlein, ein kleines zusammen geschlagenes Tuch, welches neu gebornen Kindern auf den eingedrückten Nabel gelegt und mit der Nabelbinde fest gebunden wird.


Nabenbohrer (W3) [Adelung]


Der Nabenbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Gestellmachern, ein jeder Bohrer, womit die Nabe eines Nades ausgebohret wird; der Näber. In engerer Bedeutung ist es nur derjenige Bohrer, womit die mit dem Lochbohrer gebohrte Öffnung erweitert wird.


Nabeneiche (W3) [Adelung]


Die Nabeneiche, plur. die -n, im Forstwesen, eine Eiche, so wie sie zu Naben tauglich ist, und 1 11/2 Zoll im Durchmesser und 20 Ellen in die Länge halten muß; die Ascheneiche, weil sie in dieser Stärke auch zu Aschen brauchbar ist.


Nabenloch (W3) [Adelung]


Das Nabenloch, des -es, plur. die -löcher, das Loch oder die Öffnung in der Nabe eines Nades.


Nabenring (W3) [Adelung]


Der Nabenring, des -es, plur. die -e, überhaupt ein jeder auf und in der Nabe befindlicher Ring. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung werden nur die Ringe auf der äußern Fläche der Nabe Nabenringe genannt, wohin denn die Speichenringe und Stoßringe gehören.


Näber (W3) [Adelung]


Der Näber, des -s, plur. ut nom. Diminut. das Näberchen, Oberd. Näberlein, ein jeder Bohrer, dahin denn der Schlauchnäber, Hahnennäber, Zapfennäber, Anstechnäber, Dörrnäber, Pfeifennäber, Bandnäber, Hohlnäber, Drahtnäber u. s. f. gehören. In engerer Bedeutung werden nur die Nabenbohrer Näber genannt.

Anm. Im Österr. Näbinger, im Nieders. Näviger, Neviger, im Dän. Navre, im Angels. Navegar, im Schwed. Nafvare, im Isländ. Nabar, in den gemeinen Mundarten Ober- und Niederdeutschlandes auch ohne N, Eber, besser Äber, so wie im Holländ. Eveger, Aveger, Egger, und im Engl. Auger. ( S. N.) Es ist von Nab, Nabe, so fern es eine jede Öffnung bedeutet, und der Ableitungssylbe -er, ein Werkzeug, gebildet. Im Franz. ist navrer bohren.


Näberschmid (W3) [Adelung]


Der Näberschmid, des -s, plur. die -schmiede, ein Schmid, welcher vornehmlich Näber, d. i. Bohrer, verfertiget, und daher auch Bohrschmid, und weil er zugleich auch Sägen und andere Werkzeuge verfertiget, auch Zeugschmid genannt wird.


Nachachtung (W3) [Adelung]


Die Nachachtung, plur. inus. ein besonderes in den Kanzelleyen übliches und aus der R. A. sich nach etwa achten gebildetes Wort, die Beobachtung, Befolgung. Jemanden etwas zur Nachachtung zu wissen thun, damit er es befolgen, vollziehen, demselben Gehorsam leisten möge.


Nachäffen (W3) [Adelung]


Nachäffen, verb. reg. act. ohne Besonnenheit, d. i. Reflexion, nachmachen, oder in unähnlichen Umständen ähnlich handeln. Der Affe äfft immer nach, aber nachgeahmt hat er nie, Herder. Zugleichen äußerer Handlungen ohne übereinstimmige Gemüthsfassung nachmachen, im verächtlichen Verstande; affectiren. Ich äffe niemanden nach, es war mein eigener Charakter. Daher die Nachäffung. S. das folgende.


Nachahmen (W3) [Adelung]


Nachahmen, verb. reg. act. welches im weitesten Verstande, eine Person oder Sache zum Muster seiner ähnlichen Handlungen nehmen, bedeutet, wo es denn das nachäffen, nachmachen und nachthun mit unter sich begreift, aber der Würde nach edler ist, als alle diese drey Zeitwörter. In engerer Bedeutung schließt es so wohl die Besonnenheit mit ein, als auch, wenn von sittlichen Handlungen die Rede ist, die Übereinstimmung des Gemüthes, und da ist nachahmen in ähnlichen Umständen ähnlich handeln. Der Bildhauer ahmet die Natur nach, wenn er Züge aus derselben entlehnet, und sie auf einen andern Körper überträget, welches besonders nachbilden genannt wird. Die ganze Kunst der Mahlerey besteht in der Nachahmung der Natur. Der Mensch kann nicht erfinden, sondern nur finden, nur nachahmen, Herd. Jemandes Beyspiel nachahmen. Lehren sie mich, ihre Tugend nachahmen. Eines Stimme, Gang, Schreibart, Gebärden nachahmen. Jemanden in einer Sache nachahmen. So auch die Nachahmung, so wohl von der Handlung des Nachahmens, als auch von dem dadurch hervor gebrachten Dinge.

Anm. 1. Die Sache, welche nachgeahmet wird, stehet alle Mahl in der vierten Endung, welche Endung auch die Person bekommt, wenn sie als Sache betrachtet wird, sie mag nun allein stehen, oder die Sache mag vermittelst der zweyten Endung, oder auch durch Hülfe eines Vorwortes ausgedruckt werden. Ahme deinen Vater nach; ahme deines Vater Tugend nach; ahme deinen Vater in der Tugend nach. Nur wenn die Sache in der vierten Endung ausgedruckt werden könnte, welches doch selten geschiehet, kann die dritte Endung Statt finden; ahme deinem Vater die Tugend nach. Die Sache in der dritten Endung zu setzen, wie von einigen geschiehet; einer Gewohnheit nachahmen, Gottsched, ist unstreitig ein eben so großer Fehler, als wenn die Person außer dem schon gedachten Falle in die dritte Endung gesetzet wird. Sieht mich die Mitternacht bey meinem Sehrohr wach, So ahm ich höchst vergnügt berühmten Männern nach, Haged. Sehr übelklingend ist es, wenn einige Dichter das nach in diesem Zeitworte, um des Sylbenmaßes und Reimes willen, als ein unabänderliches Vorwort gebrauchen. Nachahmst du etwa unsern Bundesgenossen? Schleg.

Anm. 2. Dieses Zeitwort kommt so wie das einfache ahmen bey unsern ältesten Schriftstellern nicht vor. Kero gebraucht dafür keleisinen, gleichsenen, in Boxhorns Glossen anakilinan, Ott- fried, Willeram und Notker aber biliden, piliden, bilden, und spätere Oberdeutsche Schriftsteller andteren, andern, welches Frisch von ander, herleiter, aber auch das Infinitivum von ahmen seyn kann, so wie es das verwandte Latein. imitari von dem veralteten imari ist. Aus diesem Lateinischen Worte erhellet zugleich das hohe Alter unsers ahmen, zu dessen Geschlechte auch das alte Schwed. äm und jetzige jämn, gleich, ähnlich, eben, gehöret. S. Eben Anm.


Nachahmer (W3) [Adelung]


Der Nachahmer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nachahmerinn, eine Person, welche eine Person oder Sache nachahmet. Das Verdienst des Bescheidenen erwirbt sich willige Nachahmer, Gell. Die Dichtkunst ist eine Nachahmerinn der Natur.


Nachähren (W3) [Adelung]


Nachähren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, die Ähren von dem Acker lesen, nachdem selbige schon vorher von einem andern abgelesen oder weggeschaffet worden; mit der dritten Endung der Person. Einem nachähren. Dem Geitzigen ist schwer nachähren. So auch die Nachährung. S. Ähren.


Nacharbeit (W3) [Adelung]


Die Nacharbeit, plur. die -en, eine Arbeit, welche in Ansehung der Zeit nach einer andern verrichtet wird. Im Bergbaue ist es die Arbeit, welche der Bergmann noch nach seiner ordentlichen Schicht verrichtet, und welche auch die ledige Schicht genannt wird. Bey den Färbern bestehen die Nacharbeiten in dem Absieden, Ausspülen und Trocknen der gefärbten Zeuge, zum Unterschiede von dem Färben, als der Hauptarbeit, und der Appretur, als der Ausarbeitung.


Nacharbeiten (W3) [Adelung]


Nacharbeiten, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. 1) Nach einem andern, d. i. hinter demselben arbeiten, so wohl in Absicht der Zeit, als auch der Ordnung; mit der dritten Endung der Person. Einem nacharbeiten. Figürlich ist jemanden nacharbeiten, dessen Arbeit verbessern. 2) Bey den Jägern wird nacharbeiten auch von dem Leithunde gebraucht, da es denn so viel als nachsuchen, nachhängen, bedeutet. Nach aht alsdann die Bedeutung der Richtung, gleichsam der Fährte nach.


Nachärnde (W3) [Adelung]


Die Nachärnde, S. Nachernte.


Nacharten (W3) [Adelung]


Nacharten, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, nach jemanden arten, d. i. ihm an Art, an natürlicher Beschaffenheit ähnlich seyn oder werden: mit der dritten Endung der Person. Der Sohn ist seinem Vater nicht nachgeartet. Im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens, nachschlachten. Daher die Nachartung.


Nachbar (W3) [Adelung]


Der Nachbar, des -s, plur. die -n, Fämin. die Nachbarinn, eine Person, welche zunächst an uns wohnet, sich zunächst neben uns aufhält. Personen, welche neben uns sitzen, oder ihre Zimmer neben dem unsrigen haben, heißen in dieser Rücksicht unsere Nachbarn. Personen, deren Häuser an einander stoßen, oder nicht weit von einander entlegen sind, heißen Nachbarn. Mein Kirchennachbar, welcher in der Kirche neben mir sitzt. Auch Personen, deren Grundstücke an einander gränzen, werden in dieser Rücksicht Nachbarn genannt. Feldnachbarn, deren Felder an einander stoßen; in einigen Gegenden Furchgenossen, so fern ihre Grundstücke nur durch eine gemeinschaftliche Furche von einander geschieden werden. In noch weiterer Bedeutung heißen in einigen Gegenden, z. B. im Meißnischen, alle Einwohner und in engerm Verstande, alle mit Grundstücken ansässige Einwohner eines Dorfes, Nachbarn, da denn dieses Wort auch wohl für Einwohner überhaupt gebraucht wird. In jedem Dorfe sind dazu zwey ansässige Nachbarn zu bestellen, d. i. Bauern oder Einwohner.

Anm. Bey dem Stryker, in dem Schwabenspiegel und bey den Schwäbischen Dichtern Nachgebur, Nachgepauer, bey dem Ottfried und Notker nur Gebur, und mine Nahen, für meine Nachbarn. Des muos ich vil dicke truren Bifroelichen nah geburen, der wilde Alexander. Im Nieders. Naber, Nauber, im Fämin. Naberske, im Engl. Neighbour, im Angels. Neahgebure, im Schwed. Nabo, im Isländ. Nacbur. Es stammet von nahe, nach einer harten hauchenden Aussprache, und bauen her, so fern es ehedem auch wohnen bedeutet, und bedeutet eigentlich einen Nahewohner. Notker umschreibet dieses Wort auch durch der uns kelegen ist, daher ist gelegentlich bey ihm so viel wie nachbarlich. Winsbeck nennt seinen Nachbar min Umbesetzen.


Nachbarlich (W3) [Adelung]


Nachbarlich, adj. et adv. 1) Nahe an den andern oder an das andere gränzend; eine ungewöhnliche Bedeutung. Das Gesicht ist der nachbarliche Sinn des Gehöres, Herd. das Gesicht ist dem Gehöre benachbart. 2) In der Nachbarschaft, als einem Abstracto, gegründet. Alle nachbarliche Beschwerden übernehmen, welche Nachbarn gegen einander zu tragen haben, und so fern Nachbar auch einen Dorfseinwohner bedeutet, alle Beschwerden, zu welchen diese verbunden sind. In engerer Bedeutung ist nachbarlich, einem friedlichen, getreuen Nachbar gemäß und darin gegründet. Nachbarliche Freundschaft halten. Das ist nicht nachbarlich.


Nachbarrecht (W3) [Adelung]


Das Nachbarrecht, des -es, plur. die -e. 1) Ein Recht, welches jemanden in Ansehung seines Nachbars und dessen Eigenthumes zuständig ist. Z. B. daß, wenn jemand sein Haus verkaufen will, der Nachbar das Näherrecht oder den Vorkauf hat. 2) Das Recht, in einem Dorfe zu wohnen, und in engerer Bedeutung sich in demselben ansässig zu machen, da es denn das ist, was in Städten das Bürgerrecht ist; ohne Plural. Von Nachbar, ein Dorfseinwohner.


Nachbarschaft (W3) [Adelung]


Die Nachbarschaft, plur. die -en. 1) Als ein Abstractum und ohne Plural, der Zustand, da man ein Nachbar von einem andern ist, mit den darin gegründeten Pflichten und Obliegenheiten. Gute Nachbarschaft halten, nachbarliche Freundschaft. 2) Die nahe um uns wohnenden Personen, und die Gegend, in welcher sie nahe um uns wohnen. Er wohnt in meiner Nachbarschaft. Die ganze Nachbarschaft spricht davon. Nieders. Naberschup, bey dem Ottfried Nahunist.


Nachbarweg (W3) [Adelung]


Der Nachbarweg, des -es, plur. die -e, in Obersachsen, ein nur allein für die Nachbarn, d. i. Einwohner eines Dorfes, bestimmter Weg; ein Feldweg.


Nachbellen (W3) [Adelung]


Nachbellen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, und der dritten Endung der Person. 1) Hinter jemanden her bellen. So bellen die Hunde den Vorübergehenden nach. 2) Eben so bellen, wie ein anderer, ihn im Bellen nachahmen. Einem Hunde nachbellen.


Nachbeschickung (W3) [Adelung]


Die Nachbeschickung, plur. die -en, im Hüttenbaue, die wiederhohlte Beschickung, welche nach der ersten mißrathenen vorgenommen wird.


Nachbethen (W3) [Adelung]


Nachbethen, verb. reg. act. mit der vierten Endung der Sache, und der dritten der Person. Eigentlich dasjenige Gebeth wiederhohlen oder nachsprechen, welches ein anderer vorbethet. Einem nachbethen, oder ihm ein Gebeth nachbethen. Am häufigsten figürlich, ohne Überzeugung, ohne Kenntniß dasjenige nachsagen, was man von einem andern gehöret hat; im verächtlichen Verstande. So auch die Nachbethung.


Nachbier (W3) [Adelung]


Das Nachbier, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein geringes schwaches Getränk, welches nach abgeschöpftem Biere aus neuem auf die Treber aegossenen Wasser bereitet wird; im gemeinen Leben Afterbier, Halbbier, Träberbier, Speisebier, dünnes Bier, Nieders. Naubeer, in Baiern Scheps, Hainzli, im Österreich. Hänsel. S. auch Kofent.


Nachbild (W3) [Adelung]


Das Nachbild, des -es, plur. die -er, ein von einigen für das Latein. Copie vorgeschlagenes Wort, im Gegensatze des Urbildes oder Originales; welches sich doch nicht in allen den Fällen würde gebrauchen lassen, worin das Wort Copie üblich ist. Der Mensch das Ebenbild und Nachbild Gottes, wie Gott sein Vorbild.


Nachbilden (W3) [Adelung]


Nachbilden, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert. Etwas nachbilden, mit der vierten Endung der Sache, die in einem Ur- oder Vorbilde liegenden Züge auf eine andere Sache übertragen; im gemeinen Leben copiiren, welches aber von einem weitern Umfange der Bedeutung ist. Etwas nachbilden. Wem wollt ihr Gott nachbilden? Es. 40, 18, 25; von wem wollt ihr die Züge entlehnen, Gott abzubilden? Daher die Nachbildung.


Nachbinden (W3) [Adelung]


Nachbinden, verb. irreg. act. ( S. Binden) mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache, hinter jemanden der binden, so wohl in Ansehung der Zeit, als auch der Ordnung. Einem nachbinden, was er gebunden hat, und noch einmahl binden. Daher die Nachbindung.


Nachbleiben (W3) [Adelung]


Nachbleiben, verb. irreg. neutr. ( S. Bleiben,) welches das Hülfswort seyn erfordert, zurück bleiben. Sie konnten nicht alle mitkommen, es mußten einige nachbleiben. Ingleichen unterbleiben. Die Sache ist nachgeblieben.


Nachbrausen (W3) [Adelung]


Nachbrausen, verb. reg. act. hinter jemanden her brausen. Jeder Wind würde mir von den väterlichen Küsten Verwünschungen nachbrausen, Less.


Nachbrechen (W3) [Adelung]


Nachbrechen, verb. irreg. neutr. ( S. Brechen.) 1) Mit dem Hülfsworte seyn, hinter einer Person oder Sache her brechen. Als die Wand weggenommen wurde, brach die Decke nach. 2) Mit dem Hülfsworte haben, brechend nacharbeiten; in welchem Verstande dieses Wort im Bergbaue so viel ist, als auf einem Gange fortarbeiten, demselben gleichsam brechend nachfolgen. Die Schweine, brechen den Furchen auf dem Acker nach, wenn sie in Aufbrechung oder Aufwerfung der Erde den Furchen folgen.


Nachbrennen (W3) [Adelung]


Nachbrennen, verb. irreg. neutr. ( S. Brennen,) mit dem Hülfsworte seyn. Bey den Jägern brennet ein Gewehr nach, wenn der Schuß nach schon abgebranntem Zündpulver los gehet.


Nachbringen (W3) [Adelung]


Nachbringen, verb. irreg. act. ( S. Bringen,) mit der vierten Endung der Sache und der dritten der Person. Jemanden etwas nachbringen, hinter ihm her bringen. Ich will es ihnen schon nachbringen. Daher die Nachbringung.


Nachbrunft (W3) [Adelung]


Die Nachbrunft, plur. inus. bey den Jägern, die Zeit der Brunft der geringern Hirsche nach der gewöhnlichen Brunftzeit der stärkern.


Nachbrust (W3) [Adelung]


Die Nachbrust, plur. die -brüste, bey den Fleischern, der hintere Theil der Brust eines geschlachteten Rindes; zum Unterschiede von der Vorbrust und dem Brustkerne.


Nachbürge (W3) [Adelung]


Der Nachbürge, des -n, die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme des Rückbürgen oder Afterbürgen, welcher erst in Ermangelung des Hauptbürgen als Selbstschuldner angesehen wird.


Nachdem (W3) [Adelung]


Nachdem, eine Partikel, welche auf doppelte Art gebraucht wird. 1. Als ein Umstandswort, und zwar 1) als ein Umstandswort der Zeit, für hernach, in der vertraulichen Sprechart. Wir wollen es nachdem schon sehen, Gell. Denn nachdem kamen: wo von ihren Clientinnen in der Andacht zu ihr, ebend. Wenn mir einmahl etwas fehlet, so sind mir nachdem auch die gesündesten Dinge schädlich, ebend. 2) Des Verhältnisses. Nachdem es kommt. Nachdem diese drey Stücke auf verschiedene Art verbunden sind, bekommen sie auch verschiedene Nahmen, so wie, die Leidenschaften sind verzehrend oder wohlthätig, je nachdem man sie regieret. 2. Als ein Bindewort, in Ansehung der Zeit, die Bestimmung auszudrucken, daß eine Sache nach einer andern geschiehet, geschehen ist oder geschehen soll; da es dann so wohl im Vordersatze, als Nachsatze stehen kann, alle Mahl aber den Indicativ bey sich hat. Ich will nun gerne sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, 1 Mos. 46, 30. Erfreue uns wieder, nachdem du uns so lange plagest, (geplaget hast;) Ps. 90, 15. Nachdem er das gesaget hatte, verschied er. Nachdem er gestorben war, fanden sich viele Gläubiger ein. Am häufigsten wird es von einer vergangenen Zeit gebraucht, da es denn, wenn es im Vordersatze stehet, die Stelle des kürzern und der vertraulichern Sprechart geläufigern als vertritt. Von der gegenwärtigen Zeit sind im Hochdeutschen als und da, von der künftigen aber wenn üblicher. Man muß dieses Bindewort übrigens mit dem ganz verschiedenen demnach nicht verwechseln.


Nachdenken (W3) [Adelung]


Nachdenken, verb. irreg. neutr. ( S. Denken,) welches das Hülfswort haben erfordert, sich die einzelnen Theile einer Sache und ihre Folgen in Gedanken vorstellen, den Unterschied des Mannigfaltigen vermittelst des Verstandes zu bemerken suchen. So wohl absolute, als auch mit der dritten Endung der Sache, einer Sache nachdenken. Mardochäus dachte dem Traume nach bis in die Nacht, Esth. 7, 9. Ingleichen mit dem Vorworte über; eine Sache nachdenken. Sehr nachdenkend seyn, Neigung, Fertigkeit zum Nachdenken besitzen. Ein nachdenkender Mann. Statt des ungewöhnlichen Hauptwortes auf -ung ist der Infinitiv das Nachdenken üblich. Ohne Nachdenken handeln, ohne einer Sache und ihren Folgen nachzudenken. Kein Nachdenken haben, unbesonnen handeln. Nach hat in dieser ganzen Zusammensetzung die Bedeutung der Folge, so wohl der Richtung, als auch der Zeit nach. Das Ein Mahl in der Deutschen Bibel befindliche nach gedenken, Ps. 73, 16, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Im Niedersächsischen sind die Hauptwörter Nadanken und Afterdanken, Schwed. Aftertanke; für das Nachdenken üblich.


Nachdenklich (W3) [Adelung]


Nachdenklich, -er, -ste, adj. et adv. 1) Fertigkeit zum Nachdenken besitzend. Ein nachdenklicher Mann, ein nachdenkender. Sehr nachdenklich seyn. 2) Des Nachdenkens werth, in der weitesten Bedeutung, so wie bedenklich nur im engern Verstande gebraucht wird. Eine nachdenkliche Sache. Nachdenkliche Reden führen.


Nachdonnern (W3) [Adelung]


Nachdonnern, verb. reg. act. welches nur figürlich gebraucht wird. Jemanden Flüche nachdonnern, mit donnernder Stimme hinter ihm her rufen.


Nachdreschen (W3) [Adelung]


Nachdreschen, verb. reg. act. mit der vierten Endung der Sache und der dritten der Person. Den Dreschern das Stroh nachdreschen, das von ihnen gedroschene Stroh nochmahls dreschen, um zu sehen, ob sie auch rein gedroschen haben.


Nachdringen (W3) [Adelung]


Nachdringen, verb. irreg. neutr. ( S. Dringen) welches das Hülfswort seyn, und die dritte Endung der Person erfordert. Jemanden nachdringen, hinter ihm her dringen; ihm dringend nachfolgen. Daher die Nachdringung.


Nachdruck (W3) [Adelung]


Der Nachdruck, des -es, plur. die -drücke. 1. Von dem Zeitworte nachdrücken, so fern es im Oberdeutschen gleichfalls nachdrucken lautet. 1) Die Handlung des Nachdrückens; ohne Plural. (a) Eigentlich die Handlung des wiederhohlten Druckes. So ist der Nachdruck bey dem Pressen des Weines die zweyte stärkere Pressung nach der vorher gegangenen geringern. Bey den Jägern wird das Widerkauen des Rothwildbretes der Nachdruck genannt. ( S. Nachdrücken.) (b) Im figürlichen Verstande, eine angewandte große Kraft zu bezeichnen, und zwar so wohl eine physische Kraft. Etwas mit vielem Nachdrucke angreifen. Mit außerordentlichem Nachdrucke reden, so wohl mit vieler Kraft in der Stimme, als auch mit heftiger Bewegung des Gemüthes. Als auch im moralischen Verstande. Einer Sache den Nachdruck geben, ihren Fortgang beschleunigen. Geld gibt allen Sachen den besten Nachdruck. Ohne Nachdruck handeln. Die Ermahnungen haben keinen Nachdruck, wenn sie ihre Kraft nicht auf den Willen des andern äußern. Der Nachdruck eines Wortes, dessen Eigenschaft, da es außer der Hauptidee noch fruchtbare Nebenideen erwecket. Einige wagen es hier auch im Plural, besonders wenn sie von den Nachdrücken eines Wortes reden; allein es bleibt doch allemahl ungewöhnlich und streitet wider die Analogie der Abstracten dieser Art. 2) Was durch den Nachdruck oder zweyten Druck erhalten wird; wo der Plural nur von mehrern Arten üblich ist. So ist im Weinbaue der Nachdruck derjenige Most, welcher durch die zweyte stärkere Pressung erhalten wird, im Gegensatze dessen, welcher entweder von selbst aus den Tauben rinnt, oder nur durch eine schwache Pressung erhalten wird, und welcher der Vorlauf, Vorschuß, Vordruck heißt. Er wird auch der Nachschuß oder Nachlauf genannt. 2. Von dem Zeitworte nachdrucken, ist der Nachdruck so wohl die Handlung, da eine Schrift von neuen gedruckt wird, wo es doch im engern Verstande am üblichsten ist, von einem solchen wider Willen des rechtmäßigen Verlegers unternommenen Drucke, als auch von einer auf solche Art nachgedruckten Schrift selbst.


Nachdrücken (W3) [Adelung]


Nachdrücken, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, zum zweyten Mahle drücken, ingleichen einem schon existierenden Drucke durch einen nochmahligen Druck mehrere Kraft geben; in welchem Verstande es zuweilen im gemeinen Leben vorkommt. Auch figürlich sagt man in den gemeinen Sprecharten, nicht nachdrücken können, eine Sache nicht mit der gehörigen Kraft, besonders aus Mangel am Gelde, betreiben können, wofür in der anständigen Sprechart den Nachdruck geben üblicher ist, so wie man für drückend lieber nachdrücklich sagt. So auch die Nachdrückung.


Nachdrucken (W3) [Adelung]


Nachdrucken, verb. reg. welches das vorige Zeitwort nach der breitern Oberdeutschen Mundartist. Es kommt auf doppelte Art vor. 1. Als ein Neutrum. 1) Mit dem Hülfsworte haben, wo es doch nur bey den Jägern einiger Gegenden für wiederkauen üblich ist. 2) * Mit dem Hülfsworte seyn, gleichfalls in den gemeinen Oberdeutschen Mundarten für nachdrücken. So will ich mit dem andern Zeug Nachdrucken, Theuerd. Kap. 91. Das ersach sein Geselschaft werd Trückten ihm nach mit aller Macht, ebend. Kap. 82. 2. Als ein Activum, nochmahls drucken, nach einem vorher gegangenen Drucke von neuen drucken, von Büchern und Schriften; wo doch in der weitesten Bedeutung abdrucken und auslegen üblicher sind. Am häufigsten bedeutet es, in engerm Verstande, ein Buch zum Nachtheile und wider Willen des rechtmäßigen Verlegers von neuen drucken. Ein Buch nachdrucken. Einem Verleger ein Buch nachdrucken. S. Nachdruck, welches für das ungewöhnliche Nachdruckung üblich ist.


Nachdrucker (W3) [Adelung]


Der Nachdrucker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nachdruckerinn, nur in der letzten engern Bedeutung, eine Person, welche einem rechtmäßigen Verleger zum Nachtheile ein Buch nachdruckt oder nachdrucken läßt.


Nachdrücklich (W3) [Adelung]


Nachdrücklich, -er, -ste, adj. et adv. Nachdruck habend, in dem ganzen ersten Falle der ersten Bedeutung dieses Hauptwortes. Eine Sache auf das nachdrücklichste betreiben, mit vieler angewandten Kraft, sie sey nun von welcher Art sie wolle. Jemanden nachdrücklich bitten, ermahnen, mit den kräftigsten Bewegungsgründen. Er wird nachdrücklich gestraft werden, so daß er es lebhaft empfinden wird. Ich habe ihm die Wahrheit vielleicht zu nachdrücklich gesagt, mit zu vieler Heftigkeit oder Bitterkeit, wo es oft ein glimpflicher Ausdruck für derb und grob ist. Nachdrückliche Worte. Im Oberdeutschen auch nachdrucksam.


Nachdunkeln (W3) [Adelung]


Nachdunkeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur bey den Mahlern üblich ist, wo eine Farbe nachdunkelt, wenn sie mit der Zeit dunkel wird und in das Schwarze Fällt. Die Umbra, die Cölnische Erde und Aurum pigmentum dunkeln nach, und verderben die Farben, mit welchen sie vermischt sind.


Nachdurst (W3) [Adelung]


Der Nachdurst, des -es, plur. inus. im gemeinen Leben, der Durst, welcher sich gemeiniglich des andern Morgens einfindet, wenn man sich den Tag zuvor mit Getränk überladen hat; Nieders. Nadost.


Nacheifer (W3) [Adelung]


Der Nacheifer, des -s, plur. inus. das emsige Bestreben, es einem andern in einer Sache gleich zu thun, ihm in etwas gleich zu werden. Die Hoffnung der Belohnung erweckte unter ihnen einen edlen Nacheifer.


Nacheifern (W3) [Adelung]


Nacheifern, verb. reg. mit dem Hülfsworte haben und der dritten Endung der Person, sich emsig bestreben, einem andern in einem Dinge ähnlich oder gleich zu kommen. Die Meisterhand, welche den classischen Vollkommenheiten der Alten nachzueifern weiß. Daher die Nacheiferung, der Nacheifer, und der Nacheiferer, welcher jemanden nacheifert.


Nacheile (W3) [Adelung]


Die Nacheile, plur. inus. die Handlung, da man jemanden nacheilet. In engerer Bedeutung ist es in einigen Gegenden die Verfolgung eines flüchtigen Missethäters. Die Unterthanen zur Nacheile aufbiethen. Ingleichen das Recht, flüchtige Missethäter zu verfolgen. Die Nacheile haben.


Nacheilen (W3) [Adelung]


Nacheilen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, und der dritten Endung des Hauptwortes, hinter einer Person oder Sache her eilen. Da die Egypter ihnen mit ihrem ganzen Heere nacheileten, Judith 5, 11.


Nachen (W3) [Adelung]


Der Nachen, des -s, plur. ut nom. sing. ein zunächst aus der Oberdeutschen Mundart entlehntes Wort, welches einen Kahn bedeutet. In den Nachen steigen, in den Kahn.

Anm. Im mittlern Lat. Noa, Noha, Noculus, Naca. Es gehöret zu denjenigen Wörtern, welche einen hohlen Raum überhaupt bedeuten, dergleichen Nabe, Napf, Navis, Nuß u. s. f. sind, von welchen es nur im Endlaute verschieden ist. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist daher Noche noch eine hölzerne Rinne, ein Canal.


Nacherbe (W3) [Adelung]


Der Nacherbe, des -n, plur. die -n, Fämin. die Nacherbinn, ein nachgesetzter Erbe, eine Person, welche in Ermangelung, oder nach dem Abgange des Haupterben zum Erben eingesetzt worden; im Oberd. ein Aftererbe.


Nacherfinden (W3) [Adelung]


Nacherfinden, verb. reg. act. mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache. Jemanden nacherfinden, dasjenige erfinden, oder zu erfinden suchen, was ein anderer schon erfunden hat, oder zu erfinden bemühet gewesen ist


Nachernte (W3) [Adelung]


Die Nachernte, plur. die -n, die Ernte nach der Haupternte, im Gegensatze der Vorernte.


Nachernten (W3) [Adelung]


Nachernten, verb. reg. neutr. mit haben und der dritten Endung. Einem nachernten, einernten, was ein vorher gegangener beym Ernten übrig gelassen hat. Daher die Nacherntung.


Nachessen (W3) [Adelung]


Nachessen, verb. irreg. act. ( S. Essen,) hinter her, hinten nach essen. Wer das Brot zu essen vergessen, der muß solches nachessen.


Nachessen (W3) [Adelung]


Das Nachessen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Essen, d. i. Gericht, welches nach einem Hauptgerichte, besonders nach dem Fleische, aber noch vor dem Braten aufgetragen wird. Im Niedersächsischen ist Nakost eine Speise, welche nach der Suppe gegessen wird.


Nachfahren (W3) [Adelung]


Nachfahren, verb. irreg. neutr. ( S. Fahren,) welches das Hülfswort seyn erfordert. 1. * So fern fahren ehedem von einer jeden Bewegung oder Veränderung des Ortes gebraucht wurde, bedeutete nachfahren ehedem so viel als folgen, oder nachfolgen überhaupt. Er wird nichts in seinem Sterben mitnehmen, und seine Herrlichkeit wird ihm nicht nachfahren, Ps. 49, 18. So fahren sie ihren Vätern nach, V. 20. Besonders bedeutete einem nachfahren sehr häufig, jemanden in einem Amte, in einer Würde folgen, in welchem Verstande es noch im Oberdeutschen üblich ist, wo der Nachfahrer der Nachfolger in einem Amt, in einer Würde, ja in einer jeden Eigenschaft ist. Im Bergbaue fähret man den Bergleuten nach, wenn man hinter ihnen her einfähret, um nachzusehen, ob sie ihre Schuldigkeit thun, ( S. Fahren.) Jetzt gebraucht man es im Hochdeutschen, 2. nur noch in engerer Bedeutung, theils 1) von einer schnellen Bewegung, so fern solche auf eine andere folgt. Bey den Jägern fahren die Hunde nach, wenn sie ein Stück Wild schnell verfolgen. Mit der Hand nachfahren, schnell die Hand auf eine vorher gegangene Bewegung folgen lassen. Theils auch, 2) vermittelst eines Fuhrwerkes nachfolgen.


Nachfahrer (W3) [Adelung]


Der Nachfahrer, des -s, plur. ut nom. sing. 1) * Ein Nachfolger; ein nur im Oberdeutschen übliches Wort, wo es auch verkürzt, der Nachfahr lautet, ( S. das vorige.) 2) Im Bergbaue sind die Nachfahrer oder Einfahrer gewisse Bergbeamten, welche die Gruben befahren, und nachsehen, ob die Geschwornen ihrer Pflicht eine Genüge leisten.


Nachfahrt (W3) [Adelung]


* Die Nachfahrt, plur. die -en, ein auch nur im Oberdeutschen in den Bedeutungen des Zeitwortes nachfahren übliches Wort, besonders die Nachfolge in einem Amte oder in einer Eigenschaft zu bezeichnen. In einigen Gegenden ist es auch die Verbindlichkeit, seinen Wein in einer dazu berechtigten Kelter keltern, sein Getreide in einer Zwangmühle mahlen zu lassen, u. s. f. gleichsam die Verbindlichkeit, der Kelter, der Mühle nachzufahren, zu ihr zu fahren.


Nachfährte (W3) [Adelung]


Die Nachfährte, plur. die -n, bey den Jägern, die Fährte des hintern Fußes; die Hinterfährte. Bey andern ist die Nachfährte, Hinterfährte, Rückfährte oder Wiederfährte, diejenige Fährte, welche ein Thier oder Hirsch im Rücken hat, wo es hinaus gegangen ist


Nachfallen (W3) [Adelung]


Nachfallen, verb. irreg. neutr. ( S. Fallen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, hinter einem Dinge herfallen, demselben im Falle folgen.


Nachfärben (W3) [Adelung]


Nachfärben, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, bey den Mahlern, seine Farbe durch andere durchscheinen lassen, sie andern damit gebrochenen Farben mittheilen. Die Umbra und alles Schwarz färbet nach. ( S. Nachdunkeln,) welches seine schwarze Farbe mittheilen bedeutet. 2) Als ein Activum, nochmahls färben, besonders was ein anderer bereits gefärbt hat.


Nachfliegen (W3) [Adelung]


Nachfliegen, verb. irreg. neutr. ( S. Fliegen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, hinter einem Dinge her fliegen, demselben fliegend folgen.


Nachfolge (W3) [Adelung]


Die Nachfolge, plur. car. der Zustand, da man einer Person oder Sache nachfolget; doch nur in einigen figürlichen Bedeutungen. 1) Die Nachfolge Christi, in der Theologie, die Gesinnung die Fertigkeit) Christi Verhalten und Lehre zum Grunde seines eigenen Verhaltens zu nehmen. 2) Die Nachfolge in einem Amte, in einer Würde, in dem Besitze der Güter, die Erlangung derselben von einem Erblasser oder Vorführer Kraft der Geburt, der Gesetze oder gewisser Verträge, wo es zuweilen auch von dem Rechte, einem Erblasser oder Vorgänger zu seinen Gütern und Gerechtsamen zu folgen, gebraucht wird; die Erbfolge, wenn man dem Erblasser in dem Besitze seiner Güter und Gerechtsamen folget.


Nachfolgen (W3) [Adelung]


Nachfolgen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn nebst der dritten Endung des Nennwortes erfordert, nach einem andern gehen, seyn oder geschehen. 1. Eigentlich. 1) Dem Raume nach, sich hinter einem Dinge her bewegen. Jemanden auf dem Fuße nachfolgen, ihm von weiten nachfolgen. Seine Blicke folgten ihm mit Thränen nach, sahen ihm nach. 2) Der Zeit nach. Der nachfolgende Wille Gottes, in der Theologie, der wirkliche Rathschluß von der Menschen Seligkeit, welcher sich auf das vorher gesehene Verhalten derselben gründet; im Gegensatze des verher gehenden Willens. Die Strafe wird nicht ausbleiben, sie wird gewiß nachfolgen. Jemanden in einem Amte nachfolgen, dessen Amt überkommen; ihm in dem Besitze seiner Güter nachfolgen, dessen Güter bekommen. In beyden Bedeutungen ist auch nur das einfache folgen üblich, weil es die Bedeutung des Vorwortes nach schon in sich begreift. Nur um des Nachdruckes, um der Ründe der Rede, und zuweilen auch um der Zweydeutigkeit willen, wenn folgen auch für gehorchen verstanden werden könnte, wird das zusammen gesetzte dem einfachen vorgezogen. 2. Figürlich. 1) Nachahmen, einem andern Dinge ähnlich zu werden suchen. Folget ihrem Glauben nach, Ebr. 13, 7. Folge ihm darin nicht nach. 2) Jemandes Verhalten, Willen oder Lehre zum Grunde seines eigenen Verhaltens nehmen; nur in der biblischen Schreibart. Will mir jemand nachfolgen u. s. f. Matth. 16, 23. Und folgten andern Göttern nach, Richt. 2, 12. 3) Zu überkommen bemühet seyn; gleichfalls nur in der biblischen Schreibart. Folgest du der Gerechtigkeit nach, so wirst du sie kriegen, Sir. 17, 9. Viele werden nachfolgen ihrem Verderben, (werden ihrem Verderben nacheilen,) 2 Pet. 2, 2. So auch die Nachfolgung, wofür doch in zwey Bedeutungen die Nachfolge üblicher ist. In den beyden ersten figürlichen Bedeutungen wird auch das einfache folgen gebraucht. Nachfolgen bekommt, so wie das einfache folgen, in den gemeinen Mundarten, selbst Oberdeutschlandes, häufig das Hülfswort haben, mit welchem es auch so oft in der Deutschen Bibel angetroffen wird. Allein im Hochdeutschen ist seyn üblicher.


Nachfolger (W3) [Adelung]


Der Nachfolger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nachfolgerinn, eine Person, welche einer andern nachfolget; doch vornehmlich nur in zwey Fällen. 1) Eine Person, welche einer andern in einer Würde, in einem Amte, in einer Gerechtsame oder einer andern Eigenschaft folget, im Gegensatze des Vorgängers; im Oberdeutschen der Nachfahrer. Sein Nachfolger in der Regierung, in der königlichen Würde, im Amte, in dem Besitze eines gutes u. s. f. Bey einigen auf eine sehr ungewöhnliche Art der Folger. Sein Folger, Antonin der Weise, wird bald müde, Cron. 2) Eine Person, welche jemandes Lehre zum Grunde ihrer Lehre und ihrer Überzeugung macht; eine noch ziemlich ungebräuchliche Bedeutung; im verächtlichen Verstande der Anhänger, Nachfolger der Scholastiker. Am häufigsten ist es im biblischen Verstande, eine Person, welche jemandes Lehre und Verhalten zum Grunde ihres eigenen Verhaltens gebraucht. Seyd meine Nachfolger, 1 Cor. 4, 16. Ein Nachfolger Christi.


Nachforschen (W3) [Adelung]


Nachforschen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, nach etwas forschen, d. i. sorgfältig fragen. Am häufigsten absolute. Sorgfältig nachforschen. Ingleichen figürlich, den höchsten Grad des Nachdenkens zu bezeichnen, die Art und Weise einer Sache auf das angelegentlichste zu erkennen suchen; mit der dritten Endung der Sache. Forsche ihr nach (der Weisheit) und suche sie, Sir. 6, 28. Die Kinder Hagar forschen der irdischen Weisheit nach, Bar. 3, 6. So auch die Nachforschung. Eine sorgfältige Nachforschung anstellen, in der ersten eigentlichen Bedeutung.


Nachfrage (W3) [Adelung]


Die Nachfrage, plur. die -n, die Handlung, da man nach einem Dinge fragt. Es ist viele Nachfrage nach der Waare, man fragt häufig, ob und wo sie zu bekommen ist. Ich habe es nur zur Nachfrage, wenn etwa jemand darnach fragen, es zu wissen oder zu haben verlangen möchte. Eine Nachfrage halten oder anstellen, eine Sache durch sorgfältiges Fragen zu erfahren suchen.


Nachfragen (W3) [Adelung]


Nachfragen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur absolute gebraucht wird, nach etwas fragen, es durch mehrmaliges Fragen zu erfahren suchen. Da sie suchten und nachfragten, Richt. 6, 29. S. Fragen Anm.


Nachfrist (W3) [Adelung]


* Die Nachfrist, plur. die -en, im Oberdeutschen einiger Gegenden, eine rückständige, ausstehende, verfallene Zahlung; ein Rest. Die Schulden und Nachfristen eintreiben.


Nachfröhner (W3) [Adelung]


* Der Nachfröhner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nachfröhnerinn, auch nur im Oberdeutschen, ein Fröhner, d. i. zur Execution berechtigter Gläubiger, welcher einem andern nachstehet; im Gegensatze des Vorfröhners. S. Fröhnen.


Nachführen (W3) [Adelung]


Nachführen, verb. reg. act. welches die vierte Endung der Sache und die dritte der Person erfordert. Jemanden etwas nachführen, es hinter ihm herführen.


Nachfüllen (W3) [Adelung]


Nachfüllen, verb. reg. act. von nennen, füllen, das Füllen wiederhohlen, mit der vierten Endung der Sache. Den Wein oder ein Weinfaß nachfüllen, wenn es durch die Ausdünstung abgenommen hat, wieder füllen.


Nachgeben (W3) [Adelung]


Nachgeben, verb. irreg. ( S. Geben,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Activum, nachdem man schon gegeben hat, von neuem geben. Ungeachtet der Käufer das Gut schon bezahlet hatte, mußte er noch hundert Thaler nachgeben. Das Buch wird auf Vorschuß gedruckt, so daß nichts nachgegeben wird. S. Nachschießen. 2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Die Spannung vermindern, nachlassen; wo es als ein Activum gebraucht werden könnte, aber doch nur absolute, und als ein Neutrum üblich ist. Man gibt nach, wenn man einen Faden, ein Band, ein Seil, welches man hält, nachlässet, ihm mehr Länge verstattet. Ingleichen, wenn man eine Schraube locker schraubet, und in andern ähnlichen Fällen mehr. Nieders. firen, ( S. Feyern.) 2) Aufhören, Widerstand zu leisten. (a) Eigentlich von körperlichen Dingen. Der Boden gibt nach, wenn er ausweicht. Ein Stein in der Wand, auf welchen man tritt, gibt nach, wenn er weicht. (b) Figürlich. aa) Aufhören zu widersprechen, oder zu widerstehen. So gibt man nach, wenn man den Widerspruch oder den Widerstand unterlässet; wo s auch mit der dritten Endung der Person gebraucht wird, einem nachgeben. Sehr nachgebend seyn, Fertigkeit besitzen, allen Widerspruch oder Widerstand zu mäßigen oder zu unterlassen; nachgiebig, Nieders. nagevern. In welcher Bedeutung es auch die Comparation leidet, nachgebender, nachgebendste. In weiterer Bedeutung ist es oft überhaupt so viel, als aufhören mit der bisherigen Kraft zu wirken; nachlassen. So geben bey den Jägern die Hunde nach, wenn sie aufhören zu suchen. bb) Einem nichts nachgeben, ihm nicht nachstehen, nicht geringer seyn, so wohl in gutem, als nachtheiligem Verstande. In der Dicke, im Reichthum, in der Tugend, in der Betriegerey gibt er dir nichts nach, er ist dir darin völlig gleich. cc) * Zugeben, einräumen; doch nur im Oberdeutschen. Ich hab, ich geb es nach, des Herren Bund verhöhnt, Grypb. So auch die Nachgebung, wofür doch das Nachgeben üblicher ist. Nieders. nageven.


Nachgeboren (W3) [Adelung]


Nachgeboren, S. Nachgebären.


Nachgeburt (W3) [Adelung]


Die Nachgeburt, plur. die -en, ein runder schwammiger breiter und dicker Körper, welcher aus Häuten, Blutgefäßen und einem zelligen Gewebe bestehet, sich mit der Frucht in der Mutter der menschlichen und thierischen Körper bildet, und vermittelst der Nabelschnur mit derselben verbunden ist; Secundinae. Er tritt nach der Geburt des Kindes aus der Mutter, daher er auch den Nahmen hat, wird aber auch die Afterbürde, in Schwaben Burti, wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Kuchen der Mutterkuchen, und wegen seiner schwammigen Consistenz die Mutterleber, im Nieders. Hamel, Holländ. Hamme, genannt.


Nachgehen (W3) [Adelung]


Nachgehen, verb. irreg. neutr. ( S. Gehen,) welches das Hülfswort seyn und die dritte Endung des Nennwortes erfordert, hinter einem Dinge her gehen, demselben folgen. 1. Dem Orte nach. 1) Eigentlich. Die Fürsten der Philister gingen ihnen nach, (den Kühen mit der Lade des Bundes) 1 Sam. 6, 12. Und der König ging dem Sarge nach, 2 Sam. 3, 31. 2) Figürlich, der Würde, dem Range nach, einem andern Dinge den Vorzug, den Rang lassen. Er muß mir nachgehen. Die allgemeinen Pflichten müssen den besondern nachgehen. ( S. auch Nachstehen.) 2. Der Richtung nach, eben den Weg gehen, welchen ein anderer gegangen ist, sich in seinem Gange von der Richtung eines andern Dinges bestimmen lassen. 1) Eigentlich. Der Spur nachgehen. Wer will die Geheimnisse der ewigen Vorsehung erforschen, und den Fußstapfen des Verhängnisses nachgehen? Jemanden auf allen Schritten und Tritten nachgehen. Ich will ihm nachgehen, er möchte sonst gar zu große Händel anrichten, Gell. 2) Figürlich. (a) Einer Person nachgehen, sich um ihre Liebe bewerben. Daß du nicht bist den Jünglingen nachgegangen, Ruth 3, 10. Im härtern Verstande nachlaufen. (b) Sich der Neigung zu einem Dinge überlassen; doch nur in einigen Fällen. Seinen Geschäften, seinen Verrichtungen, seinem Gewerbe nachgehen, ihnen obliegen, sie abwarten. Wenn man fremdem Gute nachgehet, so muß man zuvor das seine sichern. Auch im nachtheiligen Verstande. Wer unnöthigen Sachen nachgehet, der ist ein Narr, Sprichw. 12, 11. Dem Müßiggange, dem Trunke u. s. f. nachgehen. ( S. auch Nachhangen. (c) Einem Befehl nachgehen, ihm gehorchen, sein Verhalten darnach bestimmen; doch nur in den Kanzelleyen. Anm. Nieders. nagaan, wo auch nagaanern eigennützig, und Nagaanernhed Eigennützigkeit ist. In der R. A: wenn es mir nach ginge, d. i. wenn es nach meinem Willen ginge, ist es nicht das zusammen gesetzte Zeitwort, sondern das Vorwort mit seinem Dativ; eigentlich, wenn es nach mir ginge. S. Noch I. 2.


Nachgehends (W3) [Adelung]


Nachgehends, ein Umstandswort, welches nur in der vertraulichen Sprechart für hernach, üblich ist; obgleich nachgehen von der Zeit nicht gebraucht wird. Nieders. nagaans. Ich werde nachgehends selbst kommen, hernach.


Nachgeschmack (W3) [Adelung]


Der Nachgeschmack, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, der Geschmack, welchen eine Sache nach ihrem ordentlichen Geschmacke im Munde zurück lässet, und welcher von dem Nebengeschmacke noch verschieden ist. Nieders. Nasmack. S. Nachschmecken.


Nachgiebig (W3) [Adelung]


Nachgiebig, -er, -ste, adj. et adv. welches auch für nachgebend üblich ist, ( S. Nachgeben.) Daher die Nachgiebigkeit.


Nachgießen (W3) [Adelung]


Nachgießen, verb. irreg. act. ( S. Geißen,) noch etwas hinzu gießen, hinter dreingießen. Noch Wasser nachgießen. So fern gießen auch durch Schmelzen bilden bedeutet, ist nachgießen auf solch Art nachbilden, nachahmen. So auch die Nachgießung. In der letzten Bedeutung wird auch das Hauptwort Nachguß gebraucht, so wohl die Handlung des Nachbildens durch Gießen, als auch einen nachgegossenen Körper zu bezeichnen.


Nachgraben (W3) [Adelung]


Nachgraben, verb. irreg. neutr. ( S. Graben,) welches das Hülfswort haben erfordert, der Richtung eines Dinges in Graben folgen. Der Spur nachgraben. Ingleichen durch Graben suchen, doch nur absolute. Wir wollen nachgraben. Daher die Nachgrabung.


Nachgras (W3) [Adelung]


Das Nachgras, des -es, plur. inus. in der Landwirthschaft, Gras, welches zum andern Mahle gebauen, und aus welchem das Grummet gemacht wird; Nieders. Nagras.


Nachgrübeln (W3) [Adelung]


Nachgrübeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. Einer Sache nachgrübeln, sie zu ergrübeln, durch Grübeln zu erforschen suchen. Daher das Nachgrübeln.


Nachgrummet (W3) [Adelung]


Das Nachgrummet, des -s, plur. inus. in der Landwirthschaft, Gras, welches zum dritten Mahle gehauen und zu Heu gemacht wird; Spatheu, Herbstheu, in Österreich und Schwaben Aberömt.


Nachgucken (W3) [Adelung]


Nachgucken, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in der vertraulichen Sprechart für nachsehen üblich ist. Einer Person nachgucken, ihr nachsehen, hinter ihr her gucken.


Nachguß (W3) [Adelung]


Der Nachguß, des -sses, plur. die -güsse, S. Nachgießen.


Nachhall (W3) [Adelung]


Der Nachhall, des -es, plur. die -e, das Echo, in der höhern und anständigen Schreibart.


Nachhallen (W3) [Adelung]


Nachhallen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, hinter her hallen, d. i. schallen, wie das Echo; in der höhern Schreibart. Im gemeinen Leben nachschallen.


Nachhand (W3) [Adelung]


Die Nachhand, plur. inus. in einigen Gegenden, der Hintertheil eines Pferdes, von der Gruppe an, das Hintergestell; im Gegensatze der Vorhand, oder des Vorgestelles.


Nachhängen (W3) [Adelung]


Nachhängen, verb. irreg. neutr. ( S. Hängen) welches das Hülfswort seyn erfordert. Es ist, 1) im eigentlichen Verstande nur bey den Jägern üblich, wo es einem Hirsche mit dem am Hängeseile geführten Leithunde nachsuchen, denselben auf diese Art aufsuchen, bedeutet. Mit dem Leithund ein Hirschen nachzuhenngen, Theuerd. Kap. 40. Man gebraucht es auch von dem Leithunde selbst, welcher einer Fährte, oder auf einer Fährte nachhänget, wenn er eifrig auf derselben fortsucht. Ohne Zweifel wird in dieser Bedeutung zunächst auf das Hängeseil gesehen, an welchem der Leithund geführet wird. 2) Figürlich. Einer Sache nachhängen, sich ihren Wirkungen, oder auch sich der Neigung zu ihr auf eine anhaltende Art und in einem merklichen Grade überlassen; wo es mehr Anhalten, einen höhern Grad, und zugleich auch mehr leidentliche Beschaffenheit bezeichnet, als nachgehen. Man gebraucht es so wohl von allerley Leidenschaften und Gemüthsbewegungen. Ich will meiner Leidenschaft nicht nachhängen. Dem Grame nachhängen. Als auch von andern Neigungen, Vorstellungen u. s. f. Unter der Maske der Gleichgültigkeit kannst du deinen Begierden sicher nachhängen. Wir hingen unsrer Lieblingsthorheit nach. Einem Gedanken nachhängen. Und hängt voll lüsterner Begier Bloß seinen Freuden nach, Weiße.

Anm. Schon Notker gebraucht das einfache hangen in diesem Verstande; uuanda er hangta siner geluste. Es stammet von hangen ab, so fern es in der weitesten und eigentlichen Bedeutung ehedem eine jede doch stärkere Bewegung als gehen ausdruckte. Daher wurde hangen und nachhangen im Oberdeutschen auch häufig für gehen, nachgehen, folgen gebraucht. Einem Geschrey nachhangen, demselben nachgehen, in den Deutschen Sprichw. bey dem Frisch. Dem abziehenden hernach hängen, den abziehenden Feind verfolgen, ebend. Und bey dem Pictorius ist der Nachhänger ein Nachfolger, Consectator. Da alle Benennungen des Gemüthes und seiner Wirkungen Figuren der Bewegung sind, so erhellet auch daraus die Verwandtschaft mit Hang, Neigung, und dem alten Hug, das Gemüth. Eigentlich sollte dieses Wort als ein Neutrum nachhangen lauten, wie es auch im Oberdeutschen üblich ist; allein im Hochdeutschen werden hangen und hängen fast beständig mit einander verwechselt. S. dieselben.


Nachharke (W3) [Adelung]


Die Nachharke, S. Nachrechen.


Nachhauen (W3) [Adelung]


Nachhauen, verb. irreg. neutr. ( S. Hauen,) welches das Hülfswort haben erfordert, und nur absolute gebraucht wird. Die Reiterey zum Nachhauen commandiren, im Kriege, den flüchtigen Feind mit dem Säbel in der Faust zu verfolgen, ihn auf der Flucht niederzuhauen. Die Truppen haben den ganzen Tag nachgehauen, oder mit Nachhauen zugebracht. In welchem Verstande auch zuweilen das Hauptwort der Nachhieb gefunden wird.


Nachheben (W3) [Adelung]


Nachheben, verb. irreg. act. ( S. Heben,) durch Heben von hinten höher helfen, mit der vierten Endung des Nennwortes. Ingleichen nach sich heben, hebend nach sich ziehen. So bald ich aus dem Brunnen bin, - Sie nachzuheben, Gell.


Nachhelfen (W3) [Adelung]


Nachhelfen, verb. irreg. act. ( S. Helfen,) eigentlich, von hinten helfen, daß etwas weiter vorwärts komme, mit der dritten Endung des Nennwortes. Dann auch in weiterer Bedeutung, durch Helfen, d. i. Vereinigung seiner Kraft mit der Kraft eines andern Dinges, eine Bewegung befördern. Steig nur hinauf, ich will dir nachhelfen. Die Uhr will nicht gehen, man muß ihr nachhelfen.


Nachher (W3) [Adelung]


Nachher, ein Umstandswort der Zeit, welches in der vertraulichen Sprechart für hernach sehr gewöhnlich ist; Nieders. nagaans. Ich will es schon nachher sagen. Einige Zeit nachher. Weder vorher noch nachher. Diese letzte R. A. ausgenommen, wo der Ton so wie in vorher auf der ersten Sylbe liegt, hat es den Ton gemeiniglich auf der letzten Sylbe. Im Oberdeutschen ist nacher (der Ton auf der ersten Sylbe) für das Vorwort nach üblich, wo aber die letzte Sylbe nicht das Umstandswort her, sondern die müßige Endsylbe -er ist.


Nachherbst (W3) [Adelung]


Der Nachherbst, des -es, plur. die -e, die angenehme Witterung in den ersten Tagen der Wintermonathe, nach dem eigentlichen Herbste. Wir werden dieses Jahr einen guten Nachherbst bekommen.


Nachherig (W3) [Adelung]


Nachherig, das Beywort des Umstandswortes nachher, was nachher ist oder geschiehet, nachmahlig; auch in der vertraulichen Sprechart, obgleich von hernach kein Beywort für die anständige Sprechart üblich ist. Eine vornehme Dame und nachherige Herzoginn, nachmahlige. Es ist nach dem Muster der Beywörter hiesig, dortig, dasig, nachmahlig, vorig, vorherig u. s. f. gebildet, und, so wie diese, in der Adverbial-Form nicht üblich.


Nachhieb (W3) [Adelung]


Der Nachhieb, des -es, plur. die -e, ein Hieb, welcher nach einem vorher gegangenen folget; im Gegensatze des Vorhiebes. Zuweilen auch im Kriege, aber ohne Plural, für das Nachhauen, S. dieses Wort.


Nachhinken (W3) [Adelung]


Nachhinken, verb. reg. neutr. 1) Mit dem Hülfsworte seyn. Einem nachhinken, hinter ihm her hinken, ihm hinkend folgen. 2) Mit dem Hülfsworte haben. Einem nachhinken, dessen hinkenden Gang nachmachen.


Nachhochzeit (W3) [Adelung]


Die Nachhochzeit, plur. die -en, im gemeinen Leben einiger Gegenden, ein oder mehrere Tage, welche man noch nach dem eigentlichen Hochzeittage mit Lustbarkeiten zubringt.


Nachhohlen (W3) [Adelung]


Nachhohlen, verb. reg. act. nachdem man das Vornehmste oder Meiste schon gehohlet hatte, noch etwas hinter drein hohlen. Wenn der Schneider nicht Zeug genug zu einem Kleide hat, so hohlet er noch etwas nach. Figürlich, das Versäumte einbringen. Ich will es schon wieder nachhohlen. Nur für einhohlen: kein Mensch denkt daran, die Alten nachzuhohlen, viel weniger sie zu übertreffen, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. So auch die Nachhohlung.


Nachhuren (W3) [Adelung]


* Nachhuren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben bekommt, aber nur in der Deutschen Bibel gefunden wird, wo die Abgötterey mehrmahls unter dem Nahmen der Hurerey vorkommt. Fremden Göttern nachhuren, ihnen abgöttisch anhängen, ergeben seyn, im harten Verstande, 2 Mos. 34, 15, 16, und in andern Stellen mehr.


Nachhuth (W3) [Adelung]


Die Nachhuth, plur. die -en. 1) * Im Oberdeutschen, der Nachtrab, mit einem Französischen Ausdrucke, die Arrier-Garde; im Gegensatze des Vortrabes, oder der Vorhuth. 2) In der Landwirthschaft, und ohne Plural, die Nachhuth haben, d. i. sein Vieh nicht eher auf die Weide treiben dürfen, als bis eines andern Vieh dieselbe genutzet hat, der Nachtrieb, die Nachtrift; im Gegensatze der Vorhuth oder der Vortrift. Das Rindvieh hat die Vorhuth, das Schafvieh die Nachhuth, das Brachfeld wird zuerst mit dem Rindviehe, und darnach erst mit dem Schafviehe betrieben.


Nachhüthen (W3) [Adelung]


Nachhüthen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, die Nachhuth haben, d. i. sein Vieh nicht eher auf eine Weide treiben dürfen, als bis ein andrer sie schon betrieben hat. S. das vorige. Einem nachhüthen.


Nachjagen (W3) [Adelung]


Nachjagen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben und der dritten Endung der Sache. Einer Person nachjagen, ihn in der größten Eile nachfolgen, besonders wenn es zu Pferde, oder vermittelst eines schnellen Fuhrwerkes geschiehet. Abraham jagte ihnen nach bis gen Dan, 1 Mos. 14, 14. Jaget euren Feinden nach, Jos. 10, 19. Figürlich ist in der biblischen Schreibart der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit, dem vorgesteckten Ziele, dem Übel u. s. f. nachjagen, sich derselben unablässig, mit der größten Emsigkeit befleißigen, aus ihrer Erlangung seine vornehmste Bemühung machen. Im Nieders. ist die Nachjagd die Verfolgung, besonders die Verfolgung flüchtiger Missethäter, und die Verbindlichkeit, ingleichen das Recht, ihnen nachzusetzen.


Nachjahr (W3) [Adelung]


Das Nachjahr, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden eine Benennung des Gnadenjahres, d. i. des ersten Jahres nach dem Tode eines Erblassers, in welchem dessen Erben noch die völlige Besoldung genießen.


Nachkehren (W3) [Adelung]


Nachkehren, verb. reg. act. von dem Zeitworte kehren, verrere. Einem nachkehren, wo er gekehret hat, noch ein Mahl kehren.


Nachklage (W3) [Adelung]


Die Nachklage, plur. die -n, in den Rechten, diejenige Klage, welche nach ausgeklagter Sache der Beklagte bey eben demselben Gerichte gegen den Kläger anstellen, S. Gegenklage.


Nachklang (W3) [Adelung]


Der Nachklang, des -es, plur. inus. der Klang, welchen ein klingender Körper nach dem Hauptklange hören lässet, die Fortsetzung seines Klanges. Ehedem gebrauchte man es auch für das Echo; in welcher Bedeutung es aber veraltet ist. Figür- lich kommt es auch bey einigen Schriftstellern von dem Nachruhme vor. Wir denken gar nicht nach, was wir zu hoffen haben Für Nachklang bey der Welt, wenn unsrer Leib vergraben Im Sande liegen wird, Opitz. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch zuweilen von dem nachfolgenden Urtheile der Welt über eine böse Handlung. Das wird einen schönen Nachklang haben.


Nachklatschen (W3) [Adelung]


Nachklatschen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. 1) Einem nachklatschen, hinter ihm her klatschen. 2) Etwas nachklatschen, in der gemeinen Sprechart, es auf eine schwatzhafte Art wider erzählen.


Nachklingen (W3) [Adelung]


Nachklingen, verb. irreg. neutr. ( S. Klingen,) mit dem Hülfsworte haben, seinen Klang fortsetzen, nach dem ersten Hauptklange noch fortfahren zu klingen. Ehedem wurde es auch für nachhallen gebraucht. S. Nachklang.


Nachkomme (W3) [Adelung]


Der Nachkomme, des -ns, plur. die -n, eine Person, welche nach uns kommt, d. i. lebt, welche uns im Leben, in der Würde, in dem Besitze der Güter u. s. f. folgt. Es wird am häufigsten im Plural gebraucht. Unsere Nachkommen, welche nach uns leben. In engerer Bedeutung sind die Nachkommen Verwandte in absteigender Linie, zum Unterschiede von den Vorfahren oder Verwandten in aufsteigender Linie; in welchem Verstande es in der Deutschen Bibel häufig vorkommt. S. Nachkömmling.

Anm. Bey dem Notker Afterchomo, ehedem im Oberdeutschen im Plural auch Nachkommer. Ottfried gebraucht dafür Bibarne. Die meisten Sprachlehrer wollen, daß dieses Wort nur allein im Plural gebräuchlich sey. Gebräuchlicher ist freylich der Plural als der Singular; indessen ist dieser weder ungewöhnlich noch der Sache selbst und Analogie zuwider. Gnug, wenn versetzt in höhre Sphären. Ein Nachkomm uns ins Hellre setzt, Less. Die Form Nachkomm oder Nachkomme für Nachkommer ist freylich ein wenig ungewöhnlich; allein dieser Vorwurf trifft den Plural so gut als den Singular. Übrigens wird dieses Wort auch im Singular von beyden Geschlechtern gebraucht.


Nachkommen (W3) [Adelung]


Nachkommen, verb. irreg. neutr. ( S. Kommen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, nach etwas kommen oder folgen, der Zeit nach. 1) Eigentlich. Gehen sie nur voraus, ich werde schon nachkommen. Kommen sie bald nach. Ingleichen mit der dritten Endung des Nennwortes. Einem nachkommen. 2) Figürlich. Einem Befehle nachkommen, denselben befolgen, ihn vollziehen. Buchstäblich wird er seiner Ordre nachkommen. Seiner Pflicht, seinen Verbindlichkeiten, seinem Versprechen nachkommen, sie erfüllen, ihnen eine Genüge leisten. Aber, dem Guten nachkommen, 1 Pet. 3, 13, und allem guten Werk nachkommen, 1 Tim. 5, 10, sich derselben befleißigen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.


Nachkommenschaft (W3) [Adelung]


Die Nachkommenschaft, plur. die -en, ein Collectivum, Leute, welche nach uns kommen oder leben, zu bezeichnen. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, Verwandte in absteigender Linie. Eine zahlreiche Nachkommenschaft haben. Ich seh' in ihnen schon Nachkommenschaften, die dereinst, wie uns, Die Vorsicht glücklich macht, Gieseke. Schon in dem Isidor mit einer andern Endung und einem andern Vorworte Framchunft, bey dem Notker Afterchunft und Nahchumfte, im Nieders. Nalaat, Nachlaß.


Nachkömmling (W3) [Adelung]


Der Nachkömmling, des -es, plur. die -e, ein auch für Nachkomme, besonders im Singular, übliches Wort. Die Nachkömmlinge der Gottlosen, Hiob 21, 8, die Nachkommen. Es ist vermittelst der Ableitungssylbe -ling gebildet, wie Abkömmling, Einkömmling, Ankömmling, und wird, so wie alle ähnliche Wörter auf -ling, von beyden Geschlechtern gebraucht.


Nachkost (W3) [Adelung]


Die Nachkost, plur. car. in den gemeinen Sprecharten, besonders Niedersachsens, Kost, d. i. Speise, welche nach der Suppe gegessen wird.


Nachkünsteln (W3) [Adelung]


Nachkünsteln, verb. reg. act. künstlich nachmachen nachzumachen suchen. Ein nachgekünstelter Wein.


Nachlallen (W3) [Adelung]


Nachlallen, verb. reg. act. lallend nachsprechen. Vergönne mir, Najade, nachzulallen, Was mein erstauntes Ohre durchdrang, Raml.


Nachlaß (W3) [Adelung]


Der Nachlaß, des -sses, plur. inus. dasjenige, was nachgelassen wird, besonders was ein Verstorbener so wohl an beweglichem als unbeweglichem Vermögen nach- oder zurück lässet; die Verlassenschaft, die Nachlassenschaft, ehedem auch das Gelaß, bey dem Winsbeck Gelesse, bey dem Notker Gelazze, Nieders. Nalaat. Den Nachlaß unter sich theilen.


Nachlassen (W3) [Adelung]


Nachlassen, verb. irreg. ( S. Lassen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist I. Als ein Activum. 1. So fern nach so viel als hinter bedeutet, hinter sich lassen, zurück lassen. 1) Eigentlich, wo es hauptsächlich von Personen und Sachen gebraucht wird, welche man nach dem Tode in der Welt zurück läßt; im Oberdeutschen hinterlassen. Er hat nicht viel Vermögen nachgelassen. Die nachgelassenen Freunde. ( S. Nachlaß.) 2) * Figürlich, für unterlassen, nicht thun, nicht beobachten. Wir haben ihnen auch Geld gethan und Getreide, den Wucher aber haben wir nachgelassen, Nehem. 5, 10. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung fremd, wenigstens ungewöhnlich. Noch ungebräuchlicher aber ist die Bedeutung des Aufhebens, in welcher es Richt. 2, 1 vorkommt: ich wollte meinen Bund mit euch nicht nachlassen ewiglich. 2. So fern nach eine Zeitfolge und Ordnung bedeutet, ist nachlassen in den Salzwerken so viel als nachfüllen. Die Salzpfannen werden nachgelassen, wenn die Sohle eingelocht ist, und frische nachgegossen wird. 3. So fern nach von der Richtung gebraucht wird, seiner natürlichen Richtung folgen lassen, die Spannung, den Widerstand vermindern. 1) Eigentlich. So läßt man ein Seil, einen Strick, einen Faden nach, wenn man ihn nicht mehr so fest hält, sondern ihn einem Theile nach, oder ein wenig gehen lässet; wofür auch nachgeben üblich ist. Die Hunde nachlassen, bey den Jägern, sie auf eine Fährte anlassen, sie der Fährte nachgehen lassen. Eine Schraube nachlassen, sie locker schrauben. Wo es auch absolute als ein Neutrum gebraucht wird. 2) Figürlich. (a) Einem etwas nachlassen, es ihm zulassen, verstatten. Ich habe ihm schon vieles nachgelassen, verstarret. (b) Einem Theile nach fahren lassen, seine Ansprüche, seinen Widerstand vermindern. Er hat von den geforderten 50 Rthl. zehen nachgelassen. An dem Preise, von dem Preise etwas nachlassen. Ich kann nichts nachlassen, an dem Preise. Ich will von 50 Rthl. bis auf 30 nachlassen, Gell. Es ist ihm nichts an der Strafe nachgelassen worden. So auch in Ansehung anderer Ansprüche oder Gerechtsamen. Ingleichen seinen Widerstand vermindern; wo es gemeiniglich absolute gebraucht wird, wie nachgeben. Er läßt schon nach, widersetzt sich nicht mehr so heftig. Nachlassen stillet groß Unglück, Pred. 10, 4. II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, der Heftigkeit, der Intension nach vermindert werden; eine Fortsetzung der vorigen Bedeutung. Die Kälte, die Hitze, die Krankheit läßt nach. Die Schmerzen wollen noch nicht nachlassen. Sein Zorn hat nachgelassen. Seine Hitze hat bald nachgelassen. Ich merke schon, daß ihr Eigensinn nachläßt. In den Salzhütten lässet das Salz nach, wenn es sich setzt. Daher die Nachlassung, welches doch nur in den Bedeutungen des Activi üblich ist.


Nachlassenschaft (W3) [Adelung]


Die Nachlassenschaft, plur. die -en, S. Nachlaß.


Nachlässig (W3) [Adelung]


Nachlässig, -er, -ste, adj. et adv. von dem vorigen Zeitworte nachlassen, so fern es die Spannung vermindern, oder vielmehr im Neutro, der Intension nach vermindert werden, bedeutet, nicht die mögliche Kraft anwendend und in dieser Verabsäumung der Kraft gegründet. Es ist indessen nur in engerer Bedeutung üblich, von der Verabsäumung der pflichtmäßigen oder doch gehörigen möglichen Kraft. Nachlässig seyn. Sehr nachlässig arbeiten. Ein nachlässiger Mensch, ein nachlässiger Arbeiter. Nachlässig in seinem Amte, in seinem Berufe, in seinen Geschäften seyn, nicht die gehörige Kraft, den gehörigen und möglichen Fleiß bey denselben anwenden. Eine Sache sehr nachlässig betreiben. In weiterer Bedeutung, nicht die gehörige und mögliche Sorgfalt oder Achtung anwendend. In seiner Kleidung nachlässig seyn. Eine nachlässige Kleidung. Nachlässig aufgeschürzt. Nachlässig tanzen. Man begegnete uns sehr nachlässig, wir wurden sehr nachlässig empfangen, nicht mit der gehörigen und gewöhnlichen Achtung.

Anm. Im Schwed. efterlaten, im Isländ. epterlatur, im Oberdeutschen hinlässig und fahrlässig, welches letztere, so fern es so viel als fahren bedeutet, mit nachlässig in der Bedeutung wohl so ziemlich überein kommt. ( S. auch Vernachlässigen.) Unser lässig gehöret nur auf eine entferntere Art hierher, indem es eigentlich eine körperliche Trägheit oder Müdigkeit bezeichnet, welche denn freylich oft eine Quelle der Nachlässigkeit ist.


Nachlässigkeit (W3) [Adelung]


Die Nachlässigkeit, plur. die -en, das Abstractum des vorigen Beywortes. 1) Der Zustand, der Fehler, und in engerer Bedeutung die Fertigkeit, da man nachlässig ist; ohne Plural. 2) Eine nachlässige Handlung, ein Nachlässiges Betragen in einzelnen Fällen.


Nachlauf (W3) [Adelung]


Der Nachlauf, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -läufe, S. Liebestrank.


Nachlaufen (W3) [Adelung]


Nachlaufen, verb. irreg. neutr. ( S. Laufen,) welches das Hülfswort seyn und die dritte Endung der Sache erfordert, hinter einer Person her oder drein laufen; im Oberdeutschen hinnach einem laufen. David lief dem Löwen nach, 1 Sam. 17, 35. Figürlich. 1) Einer Person nachlaufen, sich sehr angelegentlich um ihre Gunst bewerben, gemeiniglich im verächtlichen Verstande. Er läuft mir auf allen Schritten nach, Gell. Ihm läuft das Glück auf dem Fuße nach, ebend. 2) * Einer Person oder Sache nachfolgen, sich ihr widmen, ihre Lehren, Willen und Meinungen zum Bestimmungsgrunde der seinigen gebrauchen; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung, in welcher es mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt. Den Götzen, der Abgötterey u. s. f. nachlaufen.


Nachleben (W3) [Adelung]


Nachleben, verb. reg. mit dem Hülfsworte haben, zum Bestimmungsgrunde seines Lebens, d. i. freyen Verhaltens machen, mit der dritten Endung der Sache. Eines Vorschrift, eines Befehl nachleben. So auch die Nachlebung.


Nachlegen (W3) [Adelung]


Nachlegen, verb. reg. act. zu dem was schon hingeleget worden, noch etwas legen. Holz nachlegen, zu dem brennenden Feuer. So auch die Nachlegung.


Nachlese (W3) [Adelung]


Die Nachlese, plur. die -n, von lesen, aufsammeln, die nach der vorher gegangenen eigentlichen Lese oder Einsammlung. Die Nachlese erlauben, das Auflesen der Ähren auf dem Acker nach bereits fortgeschafften Garben. Die Nachlese in dem Weinberge, die Einsammlung der von der Lese zurück gebliebenen Trauben. Eine Nachlese halten, anstellen.


Nachlesen (W3) [Adelung]


1. Nachlesen, verb. irreg. act. ( S. Lesen,) von lesen, einsammeln oder aufsammeln, nach der schon geschehenen eigentlichen Lese nochmals lesen, das übrig gebliebene auf- oder einlesen. Wenn du deinen Weinberg gelesen hast, so sollt du nicht nachlesen, 5 Mos. 24, 21. Als wenn man nachlieset, so die Weinernte aus ist, Es. 24, 13. Und dem ich jetzund nur die Lorbern nachgelesen, Weiße. Daher das vorige Nachlese.


Nachlesen (W3) [Adelung]


2. Nachlesen, verb. irreg. act. ( S. Lesen,) von lesen, legere. 1) Nachschlagen und lesen. Eine angeführte Stelle in der Urschrift nachlesen. 2) Einem andern im Lesen folgen. So lieset man z. B. das Original nach, wenn uns ein anderer die Übersetzung vorlieset. Daher die Nachlesung.


Nachmachen (W3) [Adelung]


Nachmachen, verb. reg. act. eben dasselbe Werk hervor bringen, welches ein anderer hervor gebracht hat, mit der dritten Endung, der Person, und der vierten der Sache. Einem etwas nachmachen. Was seine Augen sehen, das macht er nach. Das Meißnische Porzellan ist von vielen nachgeahmet, aber noch von wenigen nachgemacht worden. In weiterer Bedeutung, eben dieselbe Veränderung, eben dasselbe Verhältniß hervor bringen. Der Affe macht alles nach, was er siehet. Jemandes Mienen, Geberden nachmachen. Nach bedeutet hier der Bestimmung nach dem Muster oder Vorbilde eines andern Dinges, nachmachen kann also nur in den Fällen gebraucht werden, wo eine Bestimmung nach einem Muster vorhanden ist. Wenn also zwey Arzeneyen einerley Veränderung hervor bringen, so kann man nicht sagen, daß eines es der andern nachmache. Da dieses Zeitwort so wie das einfache machen alle Mahl ein Werk, oder doch eine Veränderung voraus setzt, ( S. Machen,) so muß es alle Mahl einen Accusativ bey sich haben, sollte es auch nur das Wörtchen es seyn. So auch die Nachmachung. S. auch Nachthun.


Nachmahd (W3) [Adelung]


Die Nachmahd, plur. doch nur von mehrern Arten, die -en, ein in einigen Gegenden für Grummet übliches Wort, dasjenige getrocknete Gras, welches nach der ersten Mahd, oder dem ersten gemäheten Grase und daraus bereitetem Heue, bereitet wird.


Nachmahlen (W3) [Adelung]


Nachmahlen, verb. reg. act. von mahlen, pingere, ein Bild durch Mahlen auf eine andere Fläche übertragen, copiiren; mit der vierten Endung der Sache. Ein Bild nachmahlen.


Nachmahlig (W3) [Adelung]


Nachmahlig, das Beywort des folgenden Umstandswortes, was nachmahls ist oder geschiehet, am häufigsten in der vertraulichen Sprechart; nachherig. Sein nachmahliges (darauf folgendes) Betragen bestätigte den Verdacht. Es ist nach dem Muster von damahlig, mehrmahlig, zweymahlig u. s. f. gebildet.


Nachmahls (W3) [Adelung]


Nachmahls, ein Umstandswort der Zeit, welches aber nur in der vertraulichen Sprechart üblich ist, für hernach, in der darauf folgenden Zeit. Ich habe ihn nachmahls nie wieder gesehen. Gehe nur, du sollst es nachmahls schon erfahren. Von dem s am Ende S. 6 Mahl 2. Einige Mundarten hängen statt des s ein en an, nachmahlen, so wie es andere vorn noch mit dem her verlängern, hernachmahls, hernachmahlen.


Nachmast (W3) [Adelung]


Die Nachmast, plur. inus. in der Landwirthschaft und dem Forstwesen, die nach der eigentlichen Mast in den Wäldern noch übrige Mast. Schweine in die Nachmast treiben oder schlagen, zur Verzehrung der von den bereits ausgefehmten Schweinen übrig gelassenen Mast.


Nachmessen (W3) [Adelung]


Nachmessen, verb. irreg. act. ( S. Messen;) was ein anderer gemessen hat, nochmahls messen, um zu sehen, ob er recht gemessen habe. Einem nachmessen. Am häufigsten mit der vierten Endung der Sache. Das Getreide nachmessen, mit dem Scheffel. Den Zeug nachmessen, mit der Elle. Einen Acker nachmessen, mit der Meßkette oder Meßruthe. Daher die Nachmessung.


Nachmittag (W3) [Adelung]


Der Nachmittag, des -es, plur. die -e, die Zeit des Tages zwischen dem Mittag und Abend. Den ganzen Nachmittag mit oder über etwas zubringen. Wo es auch adverbialiter gebraucht wird. Ich komme Nachmittag, im gemeinen Leben nachmittage; besser diesen Nachmittag, oder Nachmittags, oder nach Mittag. Daher die Nachmittagsschicht, im Bergbaue, welche nach Mittag verrichtet wird, der Nachmittagsschlaf, auch nur der Mittagsschlaf u. s. f.

Anm. Im funfzehnten Jahrhunderte noch vollständig nach mitten tag, Nieders. Naamdag für Namiddag, die None, daher der Nonenslaap, der Nachmittagsschlaf, und nonen, Nachmittagsschlaf halten, im Dithmars. Unnermeel holen, für Untermahl, d. i. die Zeit zwischen zwey Mahlzeiten. Im Osnabrückischen ist Nadalling diesen Nachmittag.


Nachmittägig (W3) [Adelung]


Nachmittägig, adj. was Nachmittags ist oder geschiehet. Der nachmittägige Gottesdienst. Statt der Adverbial-Form ist das folgende üblich.


Nachmittags (W3) [Adelung]


Nachmittags, ein Umstandswort der Zeit, welches eigentlich der Genitiv von Nachmittag ist, nach Mittag, zwischen Mittag und Abend; wo es doch nur unbestimmt gebraucht wird, einen oder mehrere unbestimmte Nachmittage zu bezeichnen. Ich sehe ihn nur Nachmittags. Für, ich komme Nachmittags, sagt man richtiger, ich komme nach Mittag, oder diesen Nachmittag.


Nachordnen (W3) [Adelung]


Nachordnen, verb. reg. act. Im Ordnen die zweyte Stelle nach einem andern ertheilen, mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache. Es kommt dieses Wort am Häufigsten in dem Deutschen Staatsrechte vor, wo in den Reichskreisen der Nachgeordnete dem Kreisobersten an die Seite gesetzet ist, ihm mit Rath und That beyzustehen, und im Nothfalle dessen Stelle zu vertreten; der Kreis-Nachgeordnete. Er ist der vornehmste unter den Zugeordneten.


Nachpfeifen (W3) [Adelung]


Nachpfeifen, verb. irreg. act. ( S. Pfeifen). 1) Einem nachpfeifen, hinter ihm her pfeifen. 2) Was vorgepfiffen worden, pfeifend wiederhohlen. Eine Melodie nachpfeifen. 3) Eben so pfeifen wie ein anderer. Einem nachpfeifen.


Nachquellen (W3) [Adelung]


Nachquellen, verb. irreg. neutr. ( S. Quellen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, im Quellen auf einen vorher heraus gequollenen Körper folgen. Er wischte die Thränen von den Wangen, aber neue quollen immer nach, Geßn.


Nachraum (W3) [Adelung]


Der Nachraum, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -räume. 1) Im Forstwesen, der Abgang, d. i. die Späne und Äste von dem Zimmer- und Scheitholze; der Abraum, Afterschlag. 2) Auch dasjenige schwache Holz, alte Stöcke u. s. f. welche von einem abgeräumten, d. i. ausgeschlagenen Gehaue stehen geblieben. In beyden Fällen, weil es in Absicht der Zeit hernach weggeräumt oder weggeschaffet wird.


Nauchräumen (W3) [Adelung]


Nauchräumen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. Einem nachräumen, was, oder wo er aufgeräumt hat, oder was er in Unordnung gelassen aht, nochmahls aufräumen. Daher die Nachräumung.


Nachrechen (W3) [Adelung]


Nachrechen, verb. reg. act. in der Landwirthschaft, nach aufgebundenen und aufgestellten Garben, die noch übrigen Ähren mit einem großen Rechen zusammen rechen; nachschleppen, im Nieders. nachharken, hungerharken. Daher dieser große Rechen selbst auch wohl der Nachrechen, in Obersachsen der Heschelrechen (vielleicht Haschelrechen, von haschen,) im Nieders. die Hungerharke genannt wird.


Nachrechnen (W3) [Adelung]


Nachrechnen, verb. reg. act. 1) Was jemand gerechnet hat, nochmahls rechnen, um zu sehen, ob er recht gerechnet habe. Einem nachrechnen, ihm etwas nachrechnen. 2) Jemandes Ausgaben oder Kosten berechnen, gleichsam hinter ihm, ohne sein Wissen berechnen. Ich kann es ihm nachrechnen, was er aufgewandt hat.


Nachrecht (W3) [Adelung]


Das Nachrecht, des -es, plur. die -e. 1) Rechte oder Gerechtsamen, welche sich erst nach einer geschehenen Sache zu Tage legen; wo es doch nur in einigen Gegenden bey Ertheilung eines Abschiedes u. s. f. ist, in welchen man sich die gewöhnlichen Nachrechte vorbehält, d. i. die gegründeten Ansprüche, welche man noch nach der Entlassung machen könnte, wenn sich die Veranlassung und Beweise erst nach derselben ergeben. 2) In andern Gegenden ist das Nachrecht, oder die Nachrechte, ein bestimmter Antheil, welchen die Jäger, Förster und andere Unterbeamte von den eingehenden Strafgeldern genießen; weil sie den Rechten des Grund- oder Gerichtsherren untergeordnet sind.


Nachrede (W3) [Adelung]


Die Nachrede, plur. die -n. 1) Eine Rede, welche auf eine vorher gegangene Rede folget. Sprichw. Vorrede macht keine Nachrede. In diesem Verstande wird den Büchern am Schlusse zuweilen eine Nachrede beygefüget, da sie denn der Vorrede entgegen gesetzet ist. In den Rechten einiger Gegenden ist die Nachrede eine Schrift, welche auf die Widerrede folgt, und in den Obersächsischen Gerichten die Duplik genannt wird. 2) So fern nach so viel als hinter bedeutet, ist die Nachrede das mündliche Urtheil andrer über jemandes sittliche Beschaffenheit, so fern dieses Urtheil in seiner Anwesenheit oder hinter seinem Rücken gefället wird; wo es doch nur in nachtheiligem Verstande und ohne Plural gebraucht wird. In übler Nachrede seyn. Jemanden in üble Nachrede bringen. Alle üble Nachrede zu vermeiden. Er ist in keiner guten Nachrede.


Nachreden (W3) [Adelung]


Nachreden, verb. reg. act. 1) So fern nach so viel als hinter bedeutet, ist einem etwas nachreden, es hinter seinem Rücken, in seiner Abwesenheit, von ihm reden oder sagen, es ihm nachsagen; wo es doch am häufigsten im nachtheiligen Verstande gebraucht wird, etwas nachtheiliges von jemanden reden. Das wollte ich mir nicht nachreden lassen. Das reden ihm wohl nur seine Feinde nach. Das uns nicht jemand übel nachreden möge, 2 Cor. 8, 20. Das redet mir kein ehrlicher Mann nach. ( S. das vorige). 2) So fern nach den Begriff eines Vorbildes, eines Musters hat, ist einem nachreden, dessen Worte, mit eben demselben Tone, mit eben denselben Geberden wiederhohlen, mit welchen sie ausgesprochen worden; ihm nachsprechen. 3) So fern nach von der Zeit gebraucht wird, ohne doch den vorher geltenden Begriff ganz auszuschließen, ist einem etwas nachreden, dessen Rede auf dessen Zeugniß wiederhohlen. Ich habe es nicht selbst gesehen, ich rede es nur andern nach, wie ich es von ihnen gehöret habe. Du kannst es mir sicher nachreden.


Nachreichen (W3) [Adelung]


Nachreichen, verb. reg. act. nachdem man vorher schon etwas gereichet hatte, noch mehr reichen. Einem etwas nachreichen. Daher die Nachreichung.


Nachreisen (W3) [Adelung]


Nachreisen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, hinter jemanden her reisen, eben den Weg reisen, um ihn einzuhohlen, sich ihm zu nahen. Er ist uns nachgereist.


Nachreißen (W3) [Adelung]


Nachreißen, verb. irreg. ( S. Reißen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn; da reißt ein Ding nach, wenn es fortfähret zu reißen, wenn sich der vorher gegangene Riß verlängert oder erweitert. 2. Als ein Activum, und zwar, 1) von reißen, vi separare, ist nachreißen; so wohl hinter einem andern her reißen, einem nachreißen; als auch nach geschehenem Reißen noch mehr reißen, in welchem Verstande im Bergbaue die Sprossen nachgerissen, d. i. stückweise nach einander gebrochen werden. 2) Von reißen, zeichnen, ist nachreißen, einen Riß auf eine andre Fläche übertragen, ihn copiiren. Eine Festung nachreißen.


Nachreiten (W3) [Adelung]


Nachreiten, verb. irreg. neutr. ( S. Reiten), welches das Hülfswort seyn erfordert, hinter jemanden her reiten, ihm reitend fol- gen. Einem nachreiten. Besonders in der Absicht ihn einzuhohlen. Es kam uns jemand nachgeritten.


Nachrennen (W3) [Adelung]


Nachrennen, verb. irreg. neutr. ( S. Rennen,) welches das Hülfswort seyn bekommt, hinter einem Dinge her oder drein rennen, vornehmlich in der Absicht es einzuhohlen, zu bekommen. Einem nachrennen. Figürlich, sich mit einer übertriebenen Begierde einer Sache befleißigen. Rennt man dem scheuen Glücke nach, Less.


Nachreue (W3) [Adelung]


Die Nachreue, plur. car. die Reue, welche auf eine Handlung folget; bey den Schwäbischen Dichtern Naruiwe. Wahrhafte Lust, die Nachreu nie vergällt, Gieseke.


Nachricht (W3) [Adelung]


Die Nachricht, plur. die -en, die glaubwürdige, oder doch für glaubwürdig ausgegebene mündliche oder schriftliche Bekanntmachung einer in der Ferne geschehenen Sache, Jemanden von einer Sache Nachricht geben, bringen, ertheilen. Nachricht bekommen, erhalten. Ich habe gute Nachrichten von unsern Freunden aus Wien. Haben sie keine Nachrichten aus England? Es ist Nachricht eingelaufen, daß die Belagerung aufgehoben sey. Von der rechtmäßigen Bekanntmachung eines Untergebenen an seinen Obern ist Bericht üblicher.

Anm. Bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern kommt dieses Wort nicht vor, so wie es auch die verwandten Sprachen nicht haben. Die letzte Hälfte ist das Zeitwort richten, vermuthlich so fern es ehedem belehren, unterrichten, bedeutete. Nur das Vorwort nach ist hier dunkel. Vielleicht ist das Wort nach dem Lat. Relatio gebildet, weil das re der Lateiner in mehrern Deutschen Wörtern durch nach gegeben worden.


Nachrichten (W3) [Adelung]


Nachrichten, verb. reg. act. von richten, dirigere. 1) Eine Sache, nachdem sie schon gerichtet worden, nochmahls richten. Das Jagdzeug wird nachgerichtet, wenn man das an demselben völlig in Ordnung bringt, was bey dem ersten Richten vergessen worden. 2) So fern nach hinter bedeutet, werden auch die Tücher, Garne u. s. f. bey den Jägern nachgerichtet, wenn sie hinter den Treibern aufgestellet werden. 3) Mit dem Leit- und Schweißhunde auf einer Fährte nachsuchen. So auch die Nachrichtung.


Nachrichter (W3) [Adelung]


Der Nachrichter, des -s, plur. ut nom. sing. in der anständigen Sprechart, derjenige, welcher ein gefälltes peinliches Urtheil vollziehet; im gemeinen Leben der Scharfrichter. Dessen Gattinn die Nachrichterinn. Entweder so fern derselbe nach dem Richter richtet, d. i. dessen Urtheil vollziehet, oder auch so fern ehedem der jüngste und unterste Richter oder Beysitzer eines Gerichtes zugleich die Urtheile vollziehen mußte.


Nachrichterey (W3) [Adelung]


Die Nachrichterey, plur. die -en, an einigen Orten, die Wohnung des Nachrichters, ingleichen dessen Amt mit den anklebenden Gerechtsamen; die Scharfrichterey.


Nachrichtlich (W3) [Adelung]


Nachrichtlich, ein Umstandswort, welches nur in den Kanzelleyen üblich ist, in Gestalt einer Nachricht, zur Nachricht. Jemanden etwas nachrichtlich zu wissen thun, zu seiner Nachricht. Wo es auch in engerer Bedeutung zuweilen für zur Nachachtung, sich darnach zu richten, gebraucht wird. So wird euch solches nachrichtlich bekannt gemacht.


Nachrücken (W3) [Adelung]


Nachrücken, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort seyn bekommt, hinter einem Dinge her oder drein rücken. Mit den Truppen nachrücken, als ein Neutrum. Jemanden den Tisch nachrücken, als ein Activum. Daher die Nachrückung. Im Oberd. nachrucken und nachdrucken.


Nachruf (W3) [Adelung]


Der Nachruf, des -es, plur. inus. von dem folgenden Zeitworte, doch in einigen engern Bedeutungen. 1) Der Nachruf eines Verstorbenen, ein Ruf, welchen er nach seinem Tode an andere gelangen lässet. 2) Zuweilen bedeutet es auch den Nachruhm; in welchem Falle es doch seltener vorkommt.


Nachrufen (W3) [Adelung]


Nachrufen, verb. irreg. act. ( S. Rufen,) hinter jemanden her oder drein rufen. Jemanden nachrufen, ihm etwas nachrufen.


Nachruhm (W3) [Adelung]


Der Nachruhm, des -es, plur. car. von dem folgenden Zeitworte, doch nur in engerer Bedeutung, Der Ruhm nach dem Tode, das laute Urtheil anderer von jemandes Vorzügen nach dessen Tode.


Nachrühmen (W3) [Adelung]


Nachrühmen, verb. reg. act. hinter jemandes Rücken, oder in dessen Abwesenheit von ihm rühmen, mit der dritten Endung der Person und der vierten der Sache. Es wird ihm viel Gutes nachgerühmt.


Nachsagen (W3) [Adelung]


Nachsagen, verb. reg. act. 1) Hinter jemandes Rücken, in dessen Abwesenheit von ihm sagen; wo es so wohl im guten als nachtheiligen Verstande üblich ist, dagegen nachreden in letzterm am gebräuchlichsten ist. Das kann ich ihm zum Ruhme nachsagen. Sie kann uns doch nicht Schande nachsagen, 1 Mos. 38, 23. 2) Eine gehörte oder erfahrene Sache wieder sagen, wieder erzählen. So du etwas von diesem unserm Geschäft wirst nachsagen, Jos. 2, 20. Hörest du was Böses, das sage nicht nach, Sir. 19, 7. 3) Besonders in engerer Bedeutung, auf jemandes Zeugniß wieder erzählen, mit der dritten Endung der Person, wofür doch nachreden üblicher ist. Einem etwas nachsagen.


Nachsammeln (W3) [Adelung]


Nachsammeln, verb. reg. act. nach einem andern sammeln, dasjenige sammeln, was ein vorher gehender übrig gelassen hat. So auch die Nachsammlung.


Nachsatz (W3) [Adelung]


Der Nachsatz, des -es, plur. die -sätze, ein Satz, welcher einem andern vorher gehenden in einer und eben derselben Periode folgt, und gemeiniglich eine Wirkung, Folge, Ursache u. s. f. enthält; zum Unterschiede von dem Vordersatze. In einem Schlusse wird der Nachsatz oder Schlußsatz am häufigsten der Hintersatz genannt.


Nachschallen (W3) [Adelung]


Nachschallen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, hinter einer Person herschallen, oder auch nach einem vorher gegangenen Schalle schallen, in welchem letztern Falle es für nachhallen gebraucht wird, so wie der Nachschall zuweilen für Nachhall, Echo vorkommt. Wohin würde mir nicht die verklagende Stimme des Blutes meines Freundes nachschallen!


Nachschauen (W3) [Adelung]


Nachschauen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. 1) Hinter einer Person oder Sache her schauen, sie mit seinen Blicken verfolgen. Einem nachschauen. 2) Nach etwas schauen oder sehen, zu erfahren, in was für einem Zustandes es sich befinde; am häufigsten im Oberdeutschen, wofür im Hochdeutschen nachsehen üblicher ist. So auch die Nachschauung.


Nachschicken (W3) [Adelung]


Nachschicken, verb. reg. act. hinter jemanden her schicken; so wohl absolute, jemanden nachschicken, eine andere Person hinter ihm darein schicken, als auch mit der vierten Endung der Sache, einem etwas nachschicken. Ich will es auf der Post nachschicken. Daher die Nachschickung.


Nachschieben (W3) [Adelung]


Nachschieben, verb. irreg. act. ( S. Schieben,) von hinten schieben, eine Bewegung von hinten durch Schieben erleichtern. In den Morgenländern schiebt der Elephant das Geschütz mit der Stirne nach, indem die Ochsen vorn ziehen.


Nachschießen (W3) [Adelung]


Nachschießen, verb. irreg. ( S. Schießen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Activum, so fern schießen so viel ist als Geld bezahlen, nach schon bezahltem Gelde zu einer und eben derselben Absicht noch Geld hergeben; nachgeben. Viel Geld nachschießen müssen. ( S. Nachschuß.) 2. Als ein Neutrum. 1) Mit dem Hülfsworte haben, nach einem andern schießen, in Absicht der Ordnung. 2) Mit dem Hülfsworte seyn, so wohl von schießen plötzlich fallen, im Fallen einem andern gefallenen Dinge folgen. Die Wand fiel ein und das Dach schoß nach. Als auch von schießen, aufwachsen, im schnellen Wachsthume folgen.


Nachschiffen (W3) [Adelung]


Nachschiffen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, hinter jemanden her schiffen, um ihn einzuhohlen. Jemanden nachschiffen.


Nachschlachten (W3) [Adelung]


* Nachschlachten, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, von Schlacht, die natürliche Art, welches aber nur in den gemeinen Sprecharten, besonders Niedersachsens, für nacharten üblich ist. Der Sohn schlachtet seinem Vater nach. Die Hochdeutschen kennen dieses Zeitwort nicht, daher es auch nicht mit in die Reihe Hochdeutscher Synonymen gesetzt zu werden verdienet. S. Geschlecht, Nachschlagen, Schlachten und Schlagen.


Nachschlag (W3) [Adelung]


Der Nachschlag, des -es, plur. die -schläge, ein besonders in der Musik übliches Wort, eine kleine Note zu bezeichnen, welche man nach einer größern hören läßt; im Gegensatze des Vorschlages. S. Schlag.


Nachschlagen (W3) [Adelung]


1. Nachschlagen, verb. irreg. act. ( S. Schlagen,) von schlagen, so fern es von verschiedenen Arten schneller Bewegungen gebraucht wird. 1) Durch Schlagen nachbilden. Jemanden eine Münze nachschlagen. Die Holländischen Ducaten sind in Pohlen nachgeschlagen worden. 2) Durch Schlagen, d. i. Graben, verfolgen, aufsuchen, in welchem Verstande es besonders im Bergbaue üblich ist. Einem Erze, einem Gange nachschlagen. So auch, 3) Eine Stelle in einem Buche nachschlagen, sie aufschlagen und nachsuchen. So auch die Nachschlagung.


Nachschlagen (W3) [Adelung]


2. * Nachschlagen, verb. irreg. neutr. ( S. Schlagen,) welches das Hülfswort haben erfordert, und nur in einigen Oberdeutschen Gegenden für das Niedersächs. nachschlachten, d. i. nacharten, üblich ist. Ihr schlagt dem Esau nach, der das, was kostbar ist, Für eine Schüssel voll gekochter Linsen giebet Günth. - Ein edler Samen schlägt Der ersten Ankunft nach, von der er Früchte trägt, Opitz. S. Schlagen, das Neutrum.


Nachschleichen (W3) [Adelung]


Nachschleichen, verb. irreg. neutr. ( S. Schleichen,) welches das Hülfswort seyn bekommt, hinter einem Dinge her schleichen, ihm schleichend folgen. Einem nachschleichen. Ingleichen figürlich, heimlich zu bekommen, zu entdecken suchen. Der der Weisheit nachschleicht, wo sie hingehet, Sir. 14, 23. Wenn der Philosoph der Natur in ihrem verborgenen Gange nachschleicht, Sonnenf.


Nachschleppen (W3) [Adelung]


Nachschleppen, verb. reg. act. 1) Hinter sich her schleppen. 2) * In einigen Obersächsischen Gegenden bedeutet es so viel als nachreden. So auch die Nachschleppung.


Nachschlüssel (W3) [Adelung]


Der Nachschlüssel, des -s, plur. ut nom. sing. ein nach Art der rechten Schlüssels zu einem Schlosse gemachter Schlüssel, ein Schlüssel, welcher nach und außer dem rechten ein Schloß schließet; in einigen Gegenden ein Beyschlüssel. Im verächtlichen Verstande ein Dietrich, Diebsschlüssel.


Nachschmack (W3) [Adelung]


Der Nachschmack, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, in einigen Gegenden, besonders in Niedersachsen, für Nachgeschmack. S. dieses Wort.


Nachschmecken (W3) [Adelung]


Nachschmecken, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, nach seinem eigentlichen Geschmacke noch einen andern obgleich schwächern in dem Munde hinterlassen, einen Nachgeschmack haben.


Nachschneiden (W3) [Adelung]


Nachschneiden, verb. irreg. act. ( S. Schneiden,) durch Schneiden nachbilden. So schneiden die Holz- und Formschneider eine Figur nach.


Nachschnitt (W3) [Adelung]


Der Nachschnitt, des -es, plur. die -e, eine solche nach dem Muster einer andern geschnittene Figur.


Nachschreiben (W3) [Adelung]


Nachschreiben, verb. irreg. act. ( S. Schreiben.) 1) Durch Schreiben nachbilden. Eine fremde Schrift, eine Vorschrift nachschreiben. 2) Jemandes Worte, so wie er sie spricht, aufschreiben, seinen Worten schreibend folgen. Einem nachschreiben. Ingleichen mit der vierten Endung der Sache. Eine Predigt nachschreiben. 3) Was im Schreiben versäumt worden, nachhohlen. Wir wollen es schon nachschreiben. 4) Einem nachschreiben, hinter ihm her schreiben, d. i. ihm einen Brief nachschicken. Daher das Nachschreiben statt der ungewöhnlichen Nachschreibung.


Nachschreyen (W3) [Adelung]


Nachschreyen, verb. irreg. act. ( S. Schreyen.) 1) Hinter jemanden her schreyen. Ein Cananäisch Weib schrie Christo nach, Matth. 15, 22. 2) Jemandes Geschrey nachmachen, nachahmen. Einem nachschreyen.


Nachschrift (W3) [Adelung]


Die Nachschrift, plur. die -en. 1) In der ersten Bedeutung des Zeitwortes nachschreiben, eine nach dem Muster einer andern gebildete, eine nachgemachte Schrift. 2) In dessen zweyten Bedeutung, wo eine nachgeschriebene Predigt, ein nachgeschriebenes Collegium u. s. f. eine Nachschrift genannt wird. 3) So fern nach die Bedeutung der Zeit und Ordnung hat, ist die Nachschrift auch eine einem Briefe oder andern Hauptschrift beygefügte und nachgesetzte Schrift; Lat. ein Postscriptum.


Nachschub (W3) [Adelung]


Der Nachschub, des -es, plur. inus. von dem Zeitworte nachschieben, d. i. nach einem andern schieben, wo es doch nur im Billard- und Kegelspiele üblich ist, wo der Nachschub oder Nachschuß, das Schieben oder Schießen nach einem andern ist. Den Nachschub oder Nachschuß haben, im Gegensatze des Vorschubes oder Vorschusses. In einigen Gegenden wird es auch der Nachsitz genannt, im Gegensatze des Vorsitzes.


Nachschuß (W3) [Adelung]


Der Nachschuß, des -sses, plur. die -schüsse, von dem Zeitworte nachschießen. 1. Die Handlung des Nachschießens, ein Schuß, welcher nach einem andern geschiehet. ( S. auch das vorige Wort.) 2. Was nachschießt oder nachgeschossen wird. 1) So fern nachschießen nachbezahlen bedeutet, ist der Nachschuß nachbezahltes, hinter her bezahltes Geld, im Gegensatze des Vorschusses. Außer dem Vorschusse wird auf das Buch auch noch ein Nachschuß gegeben. Auch ein zweyter Beytrag zu einer Contribution wird oft ein Nachschuß genannt. 2) Im Weinbaue ist der Nachschuß einiger Gegenden derjenige Most, welcher durch Pressen oder Treten heraus gebracht wird, der Nachdruck; im Gegensatze des Vorschusses oder Vorlaufes, welcher von selbst heraus rinnet.


Nachschütteln (W3) [Adelung]


Nachschütteln, verb. reg. act. wenn schon geschüttelt worden, von neuen schütteln. Wenn du deine Öhlbäume hast geschüttelt, so sollst du nicht nachschütteln, 5 Mos. 24, 20.


Nachschwarm (W3) [Adelung]


Der Nachschwarm, des -es, plur. die -schwärme, in der Bienenzucht, der zweyte Schwarm von einem Bienenstocke in einem und eben demselben Sommer; im Gegensatze des Vorschwarmes.


Nachschwärzen (W3) [Adelung]


Nachschwärzen, verb. reg. act. et neutr. welches in letztern Falle das Hülfswort haben bekommt, nach der Hand, oder mit der Zeit schwarz werden oder schwarz machen. Wenn die Kupferstiche der Luft ausgefegt sind, so schwärzen sie nach. Von Farben ist bey den Mahlern nachdunkeln üblich.


Nachschwimmen (W3) [Adelung]


Nachschwimmen, verb. irreg. neutr. ( S. Schwimmen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, hinter einem Dinge her schwimmen, ihm schwimmend folgen.


Nachschwingen (W3) [Adelung]


Nachschwingen, verb. irreg. recipr. ( S. Schwingen,) sich nachschwingen, sich hinter einem Dinge her schwingen, ihm schwingend folgen.


Nachsegeln (W3) [Adelung]


Nachsegeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, vermittelst der Segel folgen. Einem nachsegeln.


Nachsehen (W3) [Adelung]


Nachsehen, verb. irreg. ( S. Sehen,) welches in einer doppelten Gestalt üblich ist. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, hinter einem Dinge her sehen, ihm mit den Augen folgen. 1) Eigentlich, wo auch im Oberdeutschen nachschauen, in der vertraulichen Sprechart der Hochdeutschen nachgucken und im Nieders. nakiken üblich sind. Alles Volk sahe Most nach bis er in die Hütte kam, 2 Mos. 33, 8. Als sie ihm nachsahen gen Himmel fahrend, Apostelg. 1, 10. 2) Figürlich, in der Hoffnung eines zu erlangenden Guten betrogen werden, wo doch die R. A. das Nachsehen haben am üblichsten ist, gleichsam dem vorüber gehenden Guten unbefriedigt nachsehen müssen. So viel du dir auch versprichst, so wirst du doch nur das Nachsehen haben müssen. Man hatte mir viele Hoffnung gemacht, aber am Ende hatte ich das leere Nachsehen. 2. Als ein Activum. 1) Die Forderung einer Schuldigkeit, ingleichen die Ahndung, Bestrafung ganz oder doch auf eine Zeit lang um des andern Besten willen unterlassen, so wohl absolute mit der dritten Endung der Person, als auch mit der vierten Endung der Sache; eine Figur der vorigen Bedeutung. Der Gläubiger siehet dem Schuldner nach, wenn er nicht mit der befugten Schärfe, auf die Bezahlung der Schuld bringet. Denn länger sieht sie ihm nicht nach, Gell. Einem Kinde siehet man aus Zärtlichkeit manches nach. Man muß ihr wegen ihrer jetzigen Verfassung sehr liebreich nachsehen. Eine Härte, welche man der Sprödigkeit der reinsten Tugend kaum nachsehen würde. Da denn auch das Mittelwort nachsehen, als ein Bey- und Nebenwort gebraucht wird. Sehr nachsehend seyn. Ein nachsehender Vater. ( S. auch Nachsicht und Nachsichtig.) Übersehen wird im ähnlichem Verstande gebraucht, nur daß es eine gänzliche Unterlassung der Ahndung bezeichnet, nachsehen aber auch mehr Empfindung des Unrechtes bey der nachsehenden Person voraussetzt als jenes. 2) Nach etwas sehen, in der Absicht, es zu untersuchen. Eine Rechnung nachsehen, sie durchsehen, ob sie richtig sey. Die Wäsche nachsehen, ob sie vollständig sey. Ich weiß nicht, ob ich es noch habe, ich will aber nachsehen. Siehe doch nach, wie viel Uhr es ist.


Nachsenden (W3) [Adelung]


Nachsenden, verb. irreg. act. ( S. Senden,) hinter jemanden her senden; für das niedrigere nachschicken. Einem einen Bothen nachsenden. Daher die Nachsendung.


Nachsetzen (W3) [Adelung]


Nachsetzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Activum. 1) Der Zeit nach, wo man es in verschiedenen Fällen gebraucht, wo eine Sache nach einer andern gesetzt oder gestellet wird. Nachgesetzte (folgende) Worte beweisen, daß u. s. f. Unter nachgesetzten Bedingungen, hier nachfolgenden. Im Hüttenbaue, besonders bey dem Probiren, wird der Zusatz vermittelst des Nachsetzlöffels nachgesetzt, d. i. eingetragen, eingesetzt. 2) Der Ordnung, und figürlich auch der Würde nach. Ein nachgesetzter Erbe, welcher die Ermangelung oder bey Abgange des Haupterbens, zur Erbschaft gelanget; Haeres substitutus, der Nacherbe. Jemanden einer Sache nachsetzen, dieselbe ihm vorziehen, sie höher halten, als ihn. Alles andere Gott nachsetzen, geringe gegen ihn schätzen. 2. Als ein Abstractum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Einem nachsetzen, hinter ihm her setzen, ihm in der größten Eile folgen. 2) * Fortsetzen, verfolgen, im figürlichen Verstande; doch nur im Oberdeutschen. Als er seiner Ansuchung ernstlich und eifrig nachsetzte, Opitz. Er wollte nicht ablassen, seinem herzlichen Begehren nachzusetzen, ebend. Daher die Nachsetzung in den Bedeutungen des Activi so wohl als in der ersten des Neutrius.


Nachsicht (W3) [Adelung]


Die Nachsicht, plur. car. das Abstractum des Activi nachsehen, in dessen ersten Bedeutung, die Unterlassung der Forderung eines Rechtes und der Ahndung einer unerlaubten Handlung, um des andern Besten willen, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit dieses Gemüthsstandes. Nachsicht gegen jemanden haben, beweisen. Ich habe nun schon zu viele Nachsicht bewiesen. Nachsicht ist keine Bezahlung, d. i. sie befreyet den Schuldner nicht von der hernach geforderten Bezahlung, gibt ihm kein Recht. Ein Fehler des Herzens erhalte nie Nachsicht und Vergebung, bis man die Kinder nicht das Häßliche desselben hat fühlen lassen, Gell. Nie sey die Kränklichkeit des Kindes eine Ursache zur Nachsicht gegen seine bösen Neigungen, ebend. In den übrigen Bedeutungen des Zeitwortes ist es zwar hin und wieder im gemeinen Leben üblich. Z. B. die Nachsicht haben, das Nachsehen; die Nachsicht einer Rechnung, die Untersuchung derselben; Vorsicht ist besser als Nachsicht u. s. f. Allein in der guten Schreibart werden sie sich wohl nicht leicht vertheidigen lassen; wenigstens ist in vielen Fällen die Zweydeutigkeit unvermeidlich.


Nachsichtig (W3) [Adelung]


Nachsichtig, -er, -ste, adj. et adv. geneigt zur Nachsicht und darin gegründet. Ein nachsichtiger Vater. Daher die Nachsichtigkeit, die Nachsicht als eine Fertigkeit betrachtet.


Nachsingen (W3) [Adelung]


Nachsingen, verb. reg. act. et neutr. ( S. Singen,) welches im letzten Falle das Hülfswort haben bekommt. 1) Nach einem andern singen, der Zeit und Ordnung nach. Einem nachsingen, 1 Chron. 16, 20. 2) Jemandes Art und Weise zu singen nachmachen. Einem nachsingen. 3) Etwas nachsingen, einem etwas nachsingen, es singend wiederhohlen. Daher das Nachsingen.


Nachsinken (W3) [Adelung]


Nachsinken, verb. irreg. neutr. ( S. Sinken,) mit dem Hülfsworte seyn, hinter drein sinken, sinkend folgen. Daher das Nachsinken.


Nachsinnen (W3) [Adelung]


Nachsinnen, verb. irreg. neutr. ( S. Sinnen,) welches das Zeitwort haben erfordert, und eigentlich einen höhern Grad des Nachdenkens, eine mehr angespannte und länger anhaltende Bemühung sich das Mannigfaltige an einer Sache vorzustellen bedeutet, als nachdenken. Einem Dinge nachsinnen. Über etwas nachsinnen. Seinen Verstand nicht zum eignen Nachsinnen gewöhnen, und ihm stets nach der Anleitung der andern stimmen, heißt sein Eigenthum verlassen, um betteln zu können, Gell. Ich sann dem Zweifel nach, der meine Ruhe stört, ebend. Oft aber wird es auch nur für nachdenken überhaupt gebraucht. Es ist kein Nachsinnen bey ihm, kein Nachdenken über die Folgen. Daher das Nachsinnen.


Nachsitz (W3) [Adelung]


Der Nachsitz, des -es, plur. inus. S. Nachschub.


Nachsommer (W3) [Adelung]


Der Nachsommer, des -s, plur. ut nom. sing. angenehmes Sommerwetter nach dem eigentlichen Sommer, zu Anfange des Herbstes. Nieders. Nasommer.


Nachsorge (W3) [Adelung]


Die Nachsorge, plur. inus. die durch eine böse oder doch unüberlegte Handlung veranlaßte Sorge; ein nur in den sprichwörtlichen R. A. Vorsorge verhüthet Nachsorge, und Vorsorge ist besser als Nachsorge, übliches Wort.


Nachspähen (W3) [Adelung]


Nachspähen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur in der dichterischen Schreibart gebraucht wird. Einer Sache nachspähen, sie auszuspähen suchen. S. Spähen.


Nachspiel (W3) [Adelung]


Das Nachspiel, des -es, plur. die -e, ein Spiel oder Schauspiel, welches nach einem andern, gemeiniglich größern, aufgeführet wird.


Nachspotten (W3) [Adelung]


Nachspotten, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben. Einem nachspotten, hinter ihm her spotten, ingleichen, dessen Gang, Worte, Stimme u. s. f. mit Verspottung nachmachen. Daher die Nachspottung.


Nachsprechen (W3) [Adelung]


Nachsprechen, verb. irreg. act. ( S. Sprechen,) vorgesprochene Worte wiederhohlen. Jonathas sang vor, die andern aber sprachen ihm nach, 2 Mucc. 1, 23. Ingleichen jemanden Worte mit Nachahmung der Geberden, der Stimme und des Tones wiederhohlen; nachreden. Einem nachsprechen.


Nachspringen (W3) [Adelung]


Nachspringen, verb. irreg. neutr. ( S. Springen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, hinter jemanden her springen, ihm springend folgen. Einem nachspringen. Ingleichen mit dem Zeitworte kommen. Er kam mir nachgesprungen.


Nachspüren (W3) [Adelung]


Nachspüren, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, nach einer Sache spüren, sie aufzuspüren suchen. Der Hund, der Jäger spüret dem Wilde nach. Wir wollen der Natur gar zu genau nachspüren, und sie ist für uns doch viel zu schlau, viel zu heimlich. Daher die Nachspürung.


Nächst (W3) [Adelung]


Nächst, die dritte Staffel des Beywortes nahe in der adverbischen Gestalt, welche vornehmlich eine dreyfache Bedeutung hat. 1. Des Ortes, etwas zu bezeichnen, welches sehr nahe bey und neben einem andern Dinge ist oder geschiehet, wo es dann bald als ein eigentliches Nebenwort gebraucht wird, bald auch als ein Vorwort. Als ein eigentliches Nebenwort muß es alle Mahl noch eine oder die andere Partikel zur nähern Bestimmung bey sich haben. Er saß zu nächst oder zu allernächst bey mir, er saß ganz nahe an mir, unmittelbar neben mir. Er wohnt hier nächst oder hiernächst, hier gleich in der Nähe. Welche Arten des Ausdruckes doch insgesammt nur im gemeinen Leben üblich sind, so wie diejenigen, wo es in Gestalt eines Vorwortes mit der dritten Endung verbunden wird. Dein Bruder saß nächst mir, ganz nahe neben mir. 2. Der Ordnung, des Ranges, etwas zu bezeichnen, welches in Ansehung einer Eigenschaft unmittelbar auf ein anderes Ding höherer oder besserer Art folget; in welcher Bedeutung auch das Vorwort nach gebraucht wird. Hier erfordert es alle Mahl die dritte Endung. Nächst dir ist er mir der liebste, nach dir. Du, den ich nächst den Göttern am meisten ehre, Geßn. 3. Der Zeit. 1) In Gestalt eines Vorwortes. Nächst dem oder demnächst, unmittelbar hierauf, der Zeit und Folge nach. Demnächst wird auch für so bald als möglich, mit nächstem gebraucht, ( S. Nächste.) 2) Als ein eigentliches Nebenwort, für neulich, von einer vor kurzen vergangenen Zeit. Nächst, als ich im Garten war, neulich. Du glaubtest nächst, ich würde es nicht thun. Ihr wartetet nächst in der Nacht, Günth. ( S. Nächste, Nächstens und Nächten.) So fern es andern Wörtern der Zeit beygefüget wird, z. B. die nächst vergangene Nacht, S. Nahe.

Anm. Im Nieders. nägst, negst, naast, im Dän. näst, im Schwed. näst, im Angels. und Engl. next. S. Nahe.


Nachstachel (W3) [Adelung]


Der Nachstachel, des -s, plur. die -n, in der Bienenzucht einiger Gegenden, der Legestachel der Bienen und anderer Insecten, vermuthlich weil er sich nach oder hinter dem zum Stechen dienlichen Stachel befindet, S. Legestachel.


Nachstand (W3) [Adelung]


Der Nachstand, des -es, plur. die -stände, nachstehendes, d. i. rückständiges Geld; doch nur in einigen Gegenden, wo man auch das Bey- und Nebenwort nachständig für rückständig hat. Die Nachstände eintreiben, die Rückstände, die Reste, die nachständigen Geldposten. S. Rückstand.


Nächste (W3) [Adelung]


Der, die, das Nächste, der Superlativ des Beywortes nahe, von welchem hier nur ein Paar besondere Arten des Gebrauches zu bemerken sind, in welchen die erste und zweyte Staffel nicht üblich sind. 1) Von der Zeit, als ein Beywort, eine sehr nahe bevor stehende Zeit zu bezeichnen, so wohl mit einigen Hauptwörtern, wohin die im gemeinen Leben üblichen Ausdrücke nächster Tage und nächsten Tages, für nächstens, in den nächst bevor stehenden Tagen, gehören. Als auch mit Auslassung des Hauptwortes. Mit nächstem, nächsten, so bald als möglich. Ich komme mit nächstem. Den nächsten, für sogleich, welches mehrmahls im Theuerdanke angetroffen wird, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich, so wie nächster Zeit, für neulich. Du meintest nächster Zeit, getreu und edler Freund, Ich scherze gar zu viel mit meinen Castalinnen, Günth. S. Nächsten und Nahe. 2) Als ein Hauptwort gebraucht, bedeutet es schon von Alters her eine Person, welche am nächsten und genauesten mit uns verbunden ist. So nennt Ottfried die Blutsfreunde oder Verwandten Nahistano, und im Dithmarsischen heißt ein Blutsfreund noch jetzt Negster. Im Tatian bedeutet Nahasto den Nachbar, weil er uns am nächsten wohnet; im welchem Verstande es auch noch in der Deutschen Bibel vorkommt; z. B. 2 Mos. 11, 2. Jetzt ist es in der Gottesgelehrsamkeit und Sittenlehre in weiterer Bedeutung üblich, wo der Nächste oder unser Nächster ein jeder Mensch außer uns ist, weil doch unter allen zufälligen Dingen andere Menschen der übereinstimmigen Natur wegen uns am nächsten sind. Du sollst kein falsch Zeugniß reden wider deinen Nächsten, 2 Mos. 20, 15. Wer ist denn mein Nächster? Luc. 16, 29. Der Plural wird in dieser Bedeutung nicht leicht gebraucht, ob er gleich der Sache sehr wohl angemessen wäre, er auch bey den ältern Deutschen Schriftstellern nicht selten ist. Vnde andere Nahiston mine, heißt es schon im 8ten Jahrhunderte. Meine Nächsten haben sich entzogen und meine Freunde haben mein vergessen, Hiob. 19, 14; Wo Michaelis es gleichfalls im Plural beybehalten hat. Indessen scheinen hier Nachbarn oder Blutsfreunde gemeinet zu seyn. Im Fäminino müßte es nach der Analogie anderer Beywörter, wenn sie als Hauptwörter stehen, die oder meine Nächste heißen; allein auch diese Form ist ungewöhnlich und man gebraucht der Nächste und mein Nächster lieber von beyden Geschlechtern; sie ist ja auch dein Nächster. Aber die Nächstinn, wie 2 Mos. 11, 2, daß ein jeglicher von seinem Nächsten und eine jegliche von ihrer Nächstinn silberne und güldenen Gefäße fordere, ist eben so ungewöhnlich, als die Verwandtinn, Bedientinn u. s. f. Ulphilas nennet den Nächsten Nehvundja, Kero aber Nahisto, Ottfried Nahista. Im Angels. heißt er Nehsta, im Dän. Näste, Im Schwed. Näste, im Bretagnischen Nessa, im Pers. Nazd, Notker gebraucht dafür Gelegene, der Verfasser des Buches der Weisen Ebenmensch, und im Nieders. ist noch jetzt Evenminsk üblich. S. Nahe.


Nachstechen (W3) [Adelung]


Nachstechen, verb. irreg. ( S. Stechen.) 1) Als ein Activum, stechend nachbilden. So stechen die Kupferstecher ein Gemälde, eine Zeichnung, oder einen Kupferstich nach. Daher ist der Nachstich ein solcher nachgestochener Kupferstich. 2) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, ist im Bergbaue den Häuern oder Bergleuten nachstechen, ihnen nachfahren, um zu sehen, ob sie ihre Arbeit gehörig verrichten. Von stechen, so fern es im gemeinen Leben zuweilen für schnell gehen gebraucht wird. Daher das Nachstechen in beyden Bedeutungen.


Nachstehen (W3) [Adelung]


Nachstehen, verb. irreg. neutr. ( S. Stehen,) welches das Hülfswort seyn bey einigen auch haben erfordert. 1) * Zurück stehen, noch außen stehen; wo es doch nur im Oberdeutschen für rückständig seyn üblich ist. Nachstehende Reste, ( S. Nachstand.) 2) Im folgenden befindlich seyn. Der Brief der nachstehet, hier folget, Raben. Seine Antwort lautete, wie nachstehet. Für welche Ausdrücke man in der anständigern Schreibart lieber folgender Gestalt gebraucht. Das Mittelwort nachstehend macht weniger. Mißklang. Er that mir nachstehende Erklärung. 3) Der Ordnung und zugleich dem Range nach, nach einem andern Dinge stehen, die zweyte Stelle haben, und in weiterer Bedeutung, dem- selben nachgesetzet, für geringer gehalten werden; nachgehen. Ich mute ihm nachstehen, mute ihm den Vorzug lassen. Die Zärtlichkeit soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen, Gell. Allgemeine Pflichten müssen den besondern nachstehen, Der Mensch steht den Thieren an Stärke und Sicherheit des Instincts weit nach. So auch das Nachstehen.


Nachsteigen (W3) [Adelung]


Nachsteigen, verb. irreg. neutr. ( S. Steigen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, steigend folgen, hinter jemanden her steigen. Einem nachsteigen. Daher das Nachsteigen.


Nachstellen (W3) [Adelung]


Nachstellen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Activum. 1) Nach einer andern Sache, hinter dieselbe stellen, mit der vierten Endung der Sache; in welchem Verstande es doch selten gebraucht wird. 2) Bey den Jägern ist, das Jagdzeug nachstellen, was bey dem aufgestellten Jagdzeuge noch vergessen oder versehen worden, in seine völlige Lage oder Ordnung bringen; nachrichten. 2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, nach etwas stellen, d. i. durch aufgestellte Fallen, Schlingen, Netze u. s. f. seine Gewalt zu bringen suchen. So stellen die Jäger im eigentlichsten Verstande den wilden Thieren nach, wenn sie selbige durch aufgestellte Fallen u. s. f. zu fangen suchen. In weiterer Bedeutung ist es so oft überhaupt durch List zu bekommen suchen. Einem Amte nachstellen. Ingleichen auf eine Heimliche Art aus dem Wege zu räumen suchen. Einem nachstellen, ihm nach dem Leben trachten. Jemanden mit Gifte nachstellen. Ehedem sagte man vollständig, einem nach dem Leben stellen. Daher die Nachstellung, plur. die -en, die Handlung des Nachstellens auch in einzelnen Fällen.


Nächstens (W3) [Adelung]


Nächstens, ein Umstandsort der Zeit, welches von einer nächst bevor stehenden unbestimmten Zeit gebraucht wird. Ich will es nächstens mitbringen, mit nächsten. Im Oberdeutschen nähestens, des nähesten, nähestens. S. Nahe, Nächste und Nächst.


Nachsteuer (W3) [Adelung]


Die Nachsteuer, plur. die -n. 1) Eine Steuer, d. i. Geldhülfe, welche nach einer schon gegebenen zu eben derselben Sache nochmahls gegeben wird. 2) Ein Nahme, welchen an einigen Orten das Abzugsgeld führet, welches schon in der ersten Hälfte des 15ten Jahrhunderts unter dieser Benennung vorkommt. Siehe Abzugsgeld.


Nachsteuern (W3) [Adelung]


Nachsteuern, verb. reg. act. 1) Nachhelfen, doch nur im gemeinen Leben; Nieders. nastüren. ( S. Steuern.) 2) Nachdem man bereits gesteuert, d. i. Steuer oder Hülfsgeld gegeben hat, zu eben derselben Sache nachmahls steuern. Zehn Thaler nachsteuern.


Nachstich (W3) [Adelung]


Der Nachstich, des -es, plur. die -e, S. Nachstechen.


Nachstopfen (W3) [Adelung]


Nachstopfen, verb. reg. act. hinter eine gestopfte oder eingestopfte Sache noch etwas stopfen.


Nachstoppeln (W3) [Adelung]


Nachstoppeln, verb. reg. act. eigentlich die Stoppeln nachlesen, und in weiterer Bedeutung, mühsam nachlesen oder nachsammeln; ingleichen nachlesen überhaupt, im verächtlichen Verstande. Daher die Nachstoppelung.


Nachstoßen (W3) [Adelung]


Nachstoßen, verb. irreg. act. ( S. Stoßen.) 1) Was schon gestoßen ist, nochmahls stoßen. Etwas nachstoßen. 2) Eine Bewegung durch stoßen vermehren. 3) Hinter her stoßen. So auch das Nachstoßen.


Nachstreben (W3) [Adelung]


Nachstreben, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben und der dritten Endung des Nennwortes. 1) Nach etwas streben, in der edlen Schreibart. Der Tugend nachstreben. 2) Im Streben nachahmen. Jemanden nachstreben. Daher die Nachstrebung und das Nachstreben.


Nachstreuen (W3) [Adelung]


Nachstreuen, verb. reg. act. hinter jemanden her streuen, mit der vierten Endung der Sache und der dritten der Person. In- gleichen was oder wo jemand gestreuet hat, nochmahls streuen. Daher das Nachstreuen.


Nachstürzen (W3) [Adelung]


Nachstürzen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, hinter her, hinter drein stürzen, stürzend folgen. Daher das Nachstürzen.


Nachsuchen (W3) [Adelung]


Nachsuchen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, nach etwas suchen, es aufsuchen; doch nur absolute. Ich will nachsuchen, ob ich es finde. Zuweilen auch mit der vierten Endung. Etwas nachsuchen, bey einem Höhern darum anhalten. Eine Pension, oder um eine Pension nachsuchen. Daher die Nachsuchung. Im Jagdwesen ist auch die Nachsuche üblich, wo es das Recht bedeutet, ein angeschossenes Wild in einem fremden Reviere aufzusuchen; die Folge.


Nacht (W3) [Adelung]


Die Nacht, plur. die Nächte. 1) Finsterniß, der Stand der Dunkelheit überhaupt. Es wird am Morgen doch Nacht seyn, Es. 21, 12. Wenn es am Tage sehr dunkel wird, sagt man häufig, es werde Nacht. Murner wandelte fort, durch dicke cimmexische Nächte Über Plutons finstre Gebilde, Zachar. Alles schien sich um mich her, in Nacht und Grauen zu verhüllen. 2) In engerer Bedeutung diejenige Zeit, da die Hälfte der Erdkugel verdunkelt wird, da sich die Sonne unter unserm Horizonte verweilet; im Gegensatze des Tages. Es ist Nacht. Es wird Nacht. Die Nacht bricht an, überfällt, übereilet uns. Ich habe diese Nacht, oder die vorige Nacht kein Auge geschlossen. Etwas auf die Nacht aufheben. Ich kam ihn weder Tag noch Nacht von der Seite. Tag und Nacht arbeiten, unaufhörlich. Die Nacht ist niemands Freund. Bey der Nacht sind alle Katzen grau, oder alle Kühe schwarz. Siehe, die einsame Nacht winkt mit dem bleyernen Zepter Ihrem düsteren Zug, Zachar. Die zwölf Nächte, die zwölf Nächte vom ersten Christtage an, aus deren Beschaffenheit der große Haufe die Witterung des ganzen Jahres vorher bestimmet, wobey jede Nacht für einen Monath gelten muß. Besonders in Ansehung der Ruhe, des Schlafes. Der Kranke hat eine gute, eine böse Nacht gehabt. Sie haben ihm mit dieser Nachricht eine unruhige Nacht verursacht. Viele schlaflose Nächte haben. Gute Nacht! der gewöhnliche Wunsch einer guten Nachtruhe vor dem Schlafengehen. Daher, jemanden gute Nacht sagen, wünschen, oder geben, welches auch wohl figürlich gebraucht wird. "Der Welt gute Nacht sagen", oder geben, "sterben". Und nahmen fröhlich gute Nacht, Gell. Die Aus drücke wohlschlafende, wohlruhende, geruhsame Nacht, gehören in die Sprache des großen Haufens, wovon die beyden ersten nicht einmahl grammatisch richtig sind. Mit einigen Vorwörtern wird dieses Wort auf eine ein wenig ungewöhnliche Art gebraucht. Bey der Nacht, zur Nachtzeit, in der Nacht. Bey der Nacht arbeiten. Jemanden bey der Nacht erscheinen, zur nächtlichen Zeit. Ingleichen ohne Artikel, bey Nacht, im gemeinen Leben bey Nachte. Bey Nacht und Nebel davon gehen, mit Hülfe der Dunkelheit der Nacht. Bey Nachte schlief sie stets noch an der Mutter Bette, Rost. Ich werde auf die Nacht nicht schlafen können, Gell. in der künftigen Nacht. Über Nacht, die Nacht über, im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart. Über Nacht ausbleiben. Über Nacht an einem Orte bleiben, daselbst übernachten. Jemanden über Nacht bey sich behalten. Mit dem angehängten adverbischen s wird dieses Wort auch häufig als ein Nebenwort gebraucht; Nachts, d. i. zur Nachtzeit. Nachts muß man nicht arbeiten. Daß dieses Nebenwort alt ist, erhellet schon aus dem Ottfried und Notker. Quam er z'imo nahtes, Ottfried, zur Zeit der Nacht. Da es im gemeinen Leben auch wohl das Vorwort vor vor sich leidet, wie man auch sagt vor Tags. Vor Nachts werde ich nicht wieder kommen. Vor Nachts schlafen gehen. Nur der Ausdruck des Nachts für Nachts hat keine Analogie, man müßte denn die gleichfalls irregulären Formen aller Orten, dieser Tagen, nächster Tagen, für Analogie halten. Es scheinet, daß man das Nebenwort Nachts für irgend einen männlichen Genitiv gehalten, und ihm daher den männlichen Artikel beygefüget, so wie man sagt des Tages, des Morgens, des Abends; ungeachtet Nacht ein weibliches Wort ist, dessen Genitiv der Nacht heißen müßte. Dem sey wie ihm wolle, so ist dieser Ausdruck sehr häufig, selbst in der anständigen Sprechart. Des Nachts fällt der Thau, 4 Mos. 11, 9. Der Herr erschien Salomo des Nachts, 2 Chron. 7, 12. Grauen des Nachts, Ps. 91, 5. Daß der Mond dich des Nachts nicht steche, Ps. 121, 6; und so in andern Stellen mehr. In der im gemeinen Leben üblichen R. A. zu Nacht essen, bedeutet Nacht den Abend, das Abendbrot essen, welches daher auch wohl das Nachtbrot oder Nachtessen genannt wird. In Fastnacht bedeutet es den Abend, oder in weiterm Verstande den Tag vor einer gewissen Zeit, so wie Nox im mittlern Lateine häufig von dem Tage vor einem Feste gebraucht wird. in dem Worte Weihnachten, eigentlich die heiligen Nächte, ist die letzte Hälfte der alte Oberdeutsche Plural Nachten für Nächte, welcher noch jetzt in manchen Gegenden Oberdeutschlandes gangbar ist. 3) Nach einer sehr alten Figur ist die Nacht und Finsterniß überhaupt ein Bild der tiefen Trauer, des Elendes, der Unwissenheit, des Todes und des Grabes. Zwar eine lange Nacht wird uns trennen, die Zeit zwischen dem Tode und der Auferstehung. Das Reich der Nacht oder der Schatten, der Zustand des Todes. Der Ball der mich ins Reich der Nacht zu schleudern brannte, Raml. Denn tiefe Nacht deckt vor uns her die Tage, Die jeder noch durchwandern wird, Uz. d. i. Unwissenheit der Zukunft. Eine undurchdringliche Nacht zieht ihre Decke vor das Zukünftige, Sonnenf. Des Schöpfers weisen Willen Pflegt eine dunkle Nacht noch vor uns zu verhüllen, Weiße.

Anm. Bey dem Ulphilas Nahts, bey dem Kero, Ottfried u. s. f. Naht, im Nieders. Nagt, im Dän. Isländ. und Schwed. Natt, im Angels. Niht, Nihtas, im Engl. Night, im Ital. Notte, im Span. Noche, im Franz. Nuit, in der Provence Nuech, in Gascogne Neyt, in Bretagne Nos, in Graubünden Noig, in Lotharingen Neut, Neuie, in Burgund Neut, im Albanischen Nata, im Wallach. Noapte, im Slavon. und Wendischen Noc, im Wallis. Nos, im Latein. Nox, noctis, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; woraus das hohe Alter und der weite Umfang dieses Wortes hinlänglich erhellet. Es kann zugleich zu einem sehr einleuchtenden Beweise von dem Übergange mancher Mitlaute in einander, oder vielmehr von dem Daseyn mehrerer gleichbedeutender Ableitungslaute mit einem und eben demselben Worte seyn, weil man hier die Endbuchstaben chts, x, cht, ch, g, c, j, t und tt, pt und s hat. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß es mit dem bey dem Hesychius befindlichen Worte - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Finsterniß, und mit dem Latein. niger, schwarz, vielleicht auch mit ater, welchem nur das ohnehin nicht wesentliche N fehlet, ( S. N,) sehr genau verwandt ist.


Nachtangel (W3) [Adelung]


Die Nachtangel, plur. die -n, ein mit vielen, oft zwey hundert Angeln und anderm Zugehöre versehenes Seil, welches zur Nachtzeit quer über die Ströme geleget wird, Fische in Menge damit zu fangen; die Nachtschnur.


Nachtanker (W3) [Adelung]


Der Nachtanker, des -s, plur. ut nom. sing. auf den Schiffen, ein Anker, welcher in der Größe auf den Hauptanker folget, und gebraucht wird, wenn dieser forttreibet; Franz. l'Ancre de veille. Vielleicht weil man ihn zur Vorsicht nebst dem Hauptanker zur Nachtzeit auswirft.


Nachtarbeit (W3) [Adelung]


Die Nachtarbeit, plur. die -en, der Zustand, da man zur Nachtzeit arbeitet; ohne Plural. Ingleichen Arbeit, welche zur Nachtzeit gethan wird.


Nachtarbeiter (W3) [Adelung]


Der Nachtarbeiter, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nachtarbeiterinn, eine Person, welche zur Nachtzeit arbeitet. In engerer Bedeutung werden diejenigen, welche in volkreichen Städten die heimlichen Gemächer zur Nachtzeit ausräumen, in der anständigen Sprechart Nachtarbeiter genannt.


Nachtbecken (W3) [Adelung]


Das Nachtbecken, des -s, plur. ut nom. sing. ein Becken, d. i. Geschirr, zum nächtlichen Gebrauche, d. i. zur Abschlagung des Urins; der Nachttopf, das Nachtgeschirr, der Kammertopf, das Kammerbecken.


Nachtblatter (W3) [Adelung]


Die Nachtblatter, plur. die -n, Diminut. das Nachtblätterchen, Oberd. Nachtblätterlein, schwarze, schwarzgelbe, rothe oder auch weiße Blattern, welche zur Nachtzeit ausbrechen, mit Entzündung und Schmerz verbunden sind, und zuweilen die Größe einer Schminkbohne haben; Epinyctis.


Nachtblume (W3) [Adelung]


Die Nachtblume, plur. die -n, bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches, eine Art Ostindischer Gewächse, welche ihre Blumen des Abends gleich einem strahlenden Sterne ausbreiten, und des Nachts mit einer vortrefflichen Weiße glänzen; Nyctanthes L. Der Trauerbaum, N. Arbor tristis, ist eine Art derselben.


Nachtbrot (W3) [Adelung]


Das Nachtbrot, des -es, plur. car. S. Nacht 2, und Nachtessen.


Nachtdrud (W3) [Adelung]


Der Nachtdrud, des -en, plur. die -en, S. Alp.


Nächten (W3) [Adelung]


* Nächten, ein Nebenwort der Zeit, welches nur in den gemeinen Sprecharten Obersachsens und Oberdeutschlandes üblich ist, wo es so viel als nächst, nächst vergangen, neulich, und in engerer Bedeutung gestern und gestern Abend bedeutet. Nächten tanzen mit, gestern Abend. Nisa starb mir nächten, Logau. Necht spat, Theuerd. Kap. 78. Denn du mir necht sagst, ebend. Der an einem andern Orte nechten auch für neulich gebraucht. Ich stuont mir nehtint spate an einer zinne, der von Kiurenberg. In einigen Gegenden ist es auch als ein Beywort üblich, denn Frisch hat irgend wo die Stelle gefunden: er räuspert den nächten Schlaftrunk heraus, den gestrigen. Eben derselbe leitet es von dem Worte Nacht ab, allein es scheinet vielmehr von Nahe, nächst abzustammen, weil es auch für neulich überhaupt gebraucht wird. Nächst hat hier nur den Zischlaut weggeworfen.


Nachten (W3) [Adelung]


* Nachten, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, aber nur im gemeinen Leben einiger Gegenden üblich ist, für Nacht werden; Ital. nottare, notteggiare. Es nachtet schon. Es fänget an zu nachten. Benachten heißt beym Hans Sachs von der Nacht überfallen werden. S. auch Übernachten, wo aber das Zeitwort eine andere Bedeutung hat.


Nachtessen (W3) [Adelung]


Das Nachtessen, des -s, plur. inus. im gemeinen Leben einiger Gegenden, das Abendessen, die Abendmahlzeit; das Nachtbrot, Nieders. zusammen gezogen Nagtsen. S. Nacht 2, und Nachtmahl.


Nachteule (W3) [Adelung]


Die Nachteule, plur. die -n, eine Art Vögel mit einem sonderbaren Kopfe, welche sich nur des Nachts sehen lassen, und sich alsdann durch ihre traurige heulende Stimme ankündigen, von welcher sie auch den Nahmen haben, Nachteule für Nacht-Heule; Strix L. sonst auch nur Eule schlechthin genannt, so wie die Lateiner sie Ulula nennen, ( S. Eule.) Es gibt ihrer verschiedene Arten, wohin der Uhu oder Schubut, die Schleyereule, oder Kircheule, die Erdeule, die Geyereule, und andere mehr gehören. Die braune aber gemeine Eule, Strix. Ulula L. welche nur schlechthin die Nachteule genannt wird, heißt auch Buscheule. Die kleinsten Arten Eulen sind unter dem Nahmen der Kauze bekannt. Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt führen auch einige Arten der Nachtfalter den Nahmen der Nachteulen oder Nachteulchen, Phalaenae Noctuae L. dergleichen das glatte Nachteulchen, oder die Wollmotte, Phalaena Noctua Leporina L. die gelbe Nachteule, Phalaena Noctua Citrago L. und andere mehr sind. S. Eule.

Anm. Im Nieders. Nagtunl, im Dän. Natugle, bey dem Notker Nahtram, im Boxhorns Glossen Nahram, gleichsam Nachtrabe, nach dem Griech. und Lat. Nycticorax; obgleich der Nachtrabe jetzt ein anderer Vogel ist, ( S. dieses Wort.) Der Nahme Nachteule vereiniget die beyden Lateinischen Benennungen Noctua und Ulula in sich.


Nachtfalter (W3) [Adelung]


Der Nachtfalter, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Falter oder Schmetterlinge, welche sich nur des Nachts sehen lassen, Phalaenae L. Nachtvögel, Nachtschmetterlinge; zum Unterschiede von den Dämmerungsvögeln, Sphinges L. und Tagefaltern, Papiliones L. Es gibt ihrer eine große Menge.


Nachtfrost (W3) [Adelung]


Der Nachtfrost, des -es, plur. die -fröste, ein Frost, welcher zuweilen noch im Frühlinge des Nachts einfällt. Wenn Nachtfröste einfallen.


Nachtgänger (W3) [Adelung]


Der Nachtgänger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nachtgängerinn, S. Nachtwanderer.


Nachtgarn (W3) [Adelung]


Das Nachtgarn, des -es, plur. die -e, ein Lerchengarn, mit welchem die Lerchen, Wachteln und Hühner zur Nachtzeit gestrichen werden; das Nachtnetz, Deckgarn, Streichnetz.


Nachtgeist (W3) [Adelung]


Der Nachtgeist, des -es, plur. die -er, in der Geisterlehre des großen Haufens, ein Geist, welcher sich des Nachts in körperlicher Gestalt sehen lässet, ein Gespenst.


[Adelung]

Nachtgeschwulst (W3) [Adelung]


Die Nachtgeschwulst, plur. die -schwülste, ein Geschwulst, welche besonders im Gesichte, zur Nachtzeit während des Schlafes entstehet, und von einer Anhäufung und Stockung der Feuchtigkeit herrühret.


Nachtgleiche (W3) [Adelung]


Die Nachtgleiche, plur. die -n, in der Chronologie, diejenige Zeit, in welcher Tag und Nacht gleich sind; das Aequinoctium, welches am häufigsten die Tag- und Nachtgleiche genannt wird. Sie fällt des Jahres zwey Mahl ein, nähmlich den 21sten März und 21sten September, da denn jene die Frühlingsnachtgleiche, und diese die Herbstnachtgleiche genannt wird.


Nachthaube (W3) [Adelung]


Die Nachthaube, plur. die -n, Diminut. das Nachthäubchen, Oberd. Nachthäublein, eine Haube zur Bekleidung des Hauptes zur Nachtzeit, besonders bey dem weiblichen Geschlechte. Im Oberdeutschen führet auch die Nachtmütze des männlichen diesen Nahmen.


Nachthaus (W3) [Adelung]


Das Nachthaus, des -es, plur. die -häuser, Diminut. das Nachthäuschen, bey den Schiffern, das Verhältniß, worin der Compaß auf den Schiffern befindlich ist; das Compaßhaus. Es wird zur Nachtzeit von einer Lampe erhellet. In manchen Gegenden ist das Nachthäuschen das heimliche Gemach.


Nachtheil (W3) [Adelung]


Der Nachtheil, des -es, plur. die -e. 1) Der Zustand, da eine Sache auf irgend einige art unvollkommener gemach wird, ohne Plural, da es denn den Schaden, Verlust u. s. f. mit unter sich begreift; im Gegensatze des Vortheiles. Eine Sache bringt uns Nachtheil, oder gereicht uns zum Nachtheile, wenn sie unsern guten Nahmen, unsere Ehre, unser Vermögen oder einen möglichen Gewinst vermindert, unsere Gesundheit schwächt u. s. f. Etwas zu jemandes Nachtheil thun. Es soll dir daraus kein Nachheil zuwachsen. In dieser Bedeutung hat es, so wie alle Abstracta, keinen Plural, wohl aber, wenn es 2) von derjenigen Sache selbst gebraucht wird, welche den Zustand eines Dinges unvollkommner macht; in welcher auch der Gegensatz Vortheil im Plural sehr häufig ist. Indessen ist es in dieser Bedeutung freylich nicht so häufig, als ein jener, und als Vortheil in dieser gebraucht wird. Alle diese Nachtheile wären leicht zu vermeiden gewesen. Nachtheilige Umstände, Zufälle u. s. f. sind dafür üblicher.

Anm. Im Nieders. Nadeel, im Schwed. Nadel. Es ist von nach und Theil zusammen gesetzt, welches letztere hier das Männliche Geschlecht hat, dagegen es im Erbtheil, Vordertheil, Hintertheil u. s. f. im ungewissen Geschlechte üblich ist. Die eigentliche Bedeutung der Wörter Vortheil und Nachtheil ist freylich ein wenig dunkel. Wachter nahm zu ihrer Erklärung ein Wort teil an, welches gut bedeutet haben sollte. Allein es ist wahrscheinlicher, daß diese Wörter, wie Ihre will, von den Erbschaften entlehnet worden, wo der Vortheil der vorzüglichste Theil war, welchen derjenige, der die Wahl hatte, für sich nahm, dagegen der letzte Theil für den schlechtesten gehalten wurde.


Nachtheilig (W3) [Adelung]


Nachtheilig, -er, -ste, adj. et adv. Nachtheil bringend, in den Zustand der Unvollkommenheit versetzend. Das ist meiner Ehre, meinem guten Nahmen, meiner Gesundheit, meinen Ansichten Nachtheilig. Eine sehr nachtheilige Bedingung eingehen.


Nachtheiligkeit (W3) [Adelung]


Die Nachtheiligkeit, plur. car. der Zustand, die Eigenschaft einer Sache, da sie Nachtheil bringet, den Zustand eines Dinges unvollkommener macht. Die Nachtheiligkeit eines Handels, eines Kaufes, eines Contractes.


Nachtherberge (W3) [Adelung]


Die Nachtherberge, plur. die -n, eine Herberge, in welcher man übernachtet.


Nachthirte (W3) [Adelung]


Der Nachthirte, des -n, plur. die -n, auf dem Lande, ein Hirte, welcher die auf der Weide befindlichen Pferde des Nachts hüthet; zum Unterschiede von dem Tagehirten.


Nachthun (W3) [Adelung]


Nachthun, verb. irreg. act. ( S. Thun,) welches die dritte Endung der Person und die vierte der Sache erfordert, eben dieselbe Handlung verrichten, welche ein anderer vorher verrichtet hat, und zwar weil er verrichtet hat, eines andern Handlung zum Muster der seinigen nehmen. Etwas nachthun. Einem etwas nachthun. Ärmere wollen es den Reichen in der Kleiderpracht immer nachthun. Das thue ich dir nicht nach. Es ist im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart am üblichsten, dagegen in der anständigen nachfolgen, nachahmen u. s. f. dafür gebraucht werden. Von nachmachen unterscheidet sich dieses Zeitwort zur Genüge, obgleich oft beyde für einander gesetzt werden können, so fern Handlung und Wirkung für einander stehen. Z. B. das mache ich dir nicht nach, oder das thue ich dir nach. S. Thun.


Nachthütte (W3) [Adelung]


Die Nachthütte, plur. die -n, eine Hütte, welche bloß zum Aufenthalte in derselben zur Nachtzeit bestimmet ist, dergleichen z. B. die Wachhütten im Felde sind.


Nächtig (W3) [Adelung]


Nächtig, adj. et adv. welches eigentlich Nacht oder Nächte habend bedeutet, aber nur in einigen Zusammensetzungen, z. B. dreynächtig, aus drey Nächten bestehend, übernächtig, was über Nacht gestanden hat, und vielleicht noch einigen andern üblich ist. Für mitternächtig, was um Mitternacht ist, oder geschiehet, würde man richtiger mitternächtlich sagen, wenn es nicht die Analogie von mittägig und andern für sich hätte. S. Nächtlich.


Nachtigall (W3) [Adelung]


Die Nachtigall, plur. die -en, ein Sangvogel, welcher zu dem Geschlechte der Grasmücken, oder nach dem Linnee zu den Bachstelzen gehöret, grau, zuweilen aber auch röthlich von Farbe ist, und wegen seines angenehmen Gesanges, welchen er vornehmlich zur Nachtzeit hören lässet, sehr hoch geschätzt wird; Motacilla Luscinia L. Im gemeinen Leben hat man von diesem Vogel zwey Arten, wovon die eine, welche röthlich von Farbe ist, der Rothvogel, und weil er auch bey Tage schlägt, der Tageschläger oder Dörrling, ( S. dieses Wort,) die andere mehr graue Art aber, welche am liebsten bey der Nacht schlägt, der Nachtschläger, Sprosser oder Sproßvogel genannt wird. Auch eine Art eines groben Geschützes, welches 45 Pfund schoß, war ehedem unter dem Nahmen der Nachtigall oder Singerinn bekannt.

Anm. Bey den Schwäbischen Dichtern die Nahtegal, im Dän. Nattergal, im Angelsächs. Naectegale, Nightgale, im Engl. Nightingale, im Schwed. Näctergal; alle von Nacht und dem alten Gäll, gällen, singen, weil sich dieser Vogel durch sein nächtliches Singen von allen andern unterscheidet, ( S. Gall und Gällen.) Eben so wird der Kibitz, oder doch eine Art desselben in einigen Gegenden der Seegall genannt, nach dessen Muster auch Nachtigall in einigen Gegenden männlichen Geschlechtes ist, der Nachtigall. Die Nahmen, welche dieser Vogel in andern Sprachen führet, sind gleichfalls von seinem Gesange hergenommen. Dahin gehören die Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, der Latein. Luscinia, von Lux und canere, weil er bey Licht singt, das Ital. Rossignuolo, und andere mehr.


Nachtisch (W3) [Adelung]


Der Nachtisch, des -es, plur. inus. von nach und Tisch, dasjenige, was noch der eigentlichen Wahlzeit zum Beschlusse derselben noch aufgesetzt wird, als Obst, Confect u. s. f. Mit einem Französischen Worte das Desert, Nieders. Nagift, im mittlern Lat. Epidipnis. Man muß den Nachtisch nicht mit dem ganz verschiedenen Nachttische verwechseln.


Nachtjagd (W3) [Adelung]


Die Nachtjagd, plur. die -en, eine Jagd, welche zur Nachtzeit angestellet wird; die Abendjagd, und weil man sich dabey der Fackeln bedienet, die Fackeljagd, im gemeinen Leben ein Nachtjagen.


Nachtkerze (W3) [Adelung]


Die Nachtkerze, plur. die -n. 1) Ein Nachtlicht; doch nur im Oberdeutschen. 2) Bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches ist es eine Pflanze, welche in Amerika einheimisch ist, und von welcher es wieder verschiedene Arten gibt; Oenothera L.


Nachtkleid (W3) [Adelung]


Das Nachtkleid, des -es, plur. die -er, ein Kleid oder eine Bekleidung des Leibes, welche man des Nachts im bette träget, und wohin die Nachtkamisöler, Nachtjüpchen, Nachtwämmser, Nachtmieder u. s. f. des gemeinen Lebens gehören. Die Nachtkleidung, alle zur nächtlichen Bekleidung gehörige Stücke.


Nachtlager (W3) [Adelung]


Das Nachtlager, des -s, plur. die -läger. 1) Derjenige Ort, wo man auf der Reise übernachtet, besonders von Kriegsheeren und Personen, welche mit einem ansehnlichen Gefolge reisen; im gemeinen Leben das Nacht-Quartier, welches aber auch von einzelnen Personen gebraucht wird, die Nachtherberge. 2) Die Übernachtung, der Aufenthalt auf der Reise zur Nachtzeit, wo es auch von einer jeden einzelnen Person gebraucht wird, ohne Plural; im gemeinen Leben gleichfalls das Nacht-Quartier. Das Nachtlager an einem Orte nehmen, haben. Jemanden das Nachtlager geben. Im mittlern Lat. Nocturnum dare.


Nachtlampe (W3) [Adelung]


Die Nachtlampe, plur. die -n, Diminut. das Nachtlämpchen, Oberd. Nachtlämplein, eine gemeiniglich kleine Lampe, mit einem schwachen Dochte, welche man die Nacht über brennen lässet.


Nachtleuchter (W3) [Adelung]


Der Nachtleuchter, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Leuchter, in deren weiten und tiefen Dille das Nachtlicht schwimmet, damit es bey der Nacht keinen Schaden thue.


Nächtlich (W3) [Adelung]


Nächtlich, adj. et adv. was bey der Nacht ist oder geschiehet. Ein nächtlicher Besuch. Nächtliche Zusammenkünfte. Bey nächtlicher Weile, im gemeinen Leben, für, bey der Nacht, zur Nachtzeit. Seufzend bebet auch jetzt der matte nächtliche Zephyr Durch der Espen erzitterndes Laub, Zach. Der nächtliche Anzug.

Anm. Schon bey dem Kero nahtlihh. Als ein Nebenwort allein, für in die Nacht, ist es schon im Hochdeutschen ungewöhnlich, ob es gleich bey den Schlesischen Dichtern sehr häufig vorkommt. Nächtlich und zu Morgen, die Nacht durch bis in den Morgen, Opitz. Die Sternen um des Himmels Feld, So nächtlich leuchten aller Welt, ebend. Als kurze Zeit, die einer nächtlich wacht, ebend. Nächtlich seh ich tausend Sterne In der Ferne, Günth.


Nachtlicht (W3) [Adelung]


Das Nachtlicht, des -es, plur. die -er, Diminut. das Nachtlichtchen, Oberd. Nachtlichtlein, überhaupt ein Körper, welcher die Nacht über leuchtet, in welchem Verstande Opitz den Mond ein edles Nachtlicht nennet. In engerer Bedeutung, eine Art dünner, langer und mit einem schwachen Dochte versehener Lichter, welche man des Nachts über, während des Schlafes, in einem Zimmer brennen lässet.


Nachtluft (W3) [Adelung]


Die Nachtluft, plur. die -lüfte, der Zustand der Luft zur Nachtzeit; ohne Plural. Auch eine gelinde Bewegung der Luft zur Nachtzeit, da es denn auch Nachtlüfte gibt.


Nachtlust (W3) [Adelung]


Die Nachtlust, plur. inus. eine zur Nachtzeit veranstaltete Lustbarkeit.


Nachtmahl (W3) [Adelung]


* Das Nachtmahl, des -es, plur. die -e, eine im Hochdeutschen veraltete Benennung der Abendmahlzeit. In den gemeinen Sprecharten pflegt man das Sacrament des Altars noch häufig das Nachtmahl zu nennen, wofür doch in der anständigen Sprechart Abendmahl üblicher ist.


Nachtmahr (W3) [Adelung]


Der Nachtmahr, des -es, oder -en, plur. inus. eine in einigen Gegenden übliche Benennung des Alpes, S. Mahr und Alp.


Nachtmännchen (W3) [Adelung]


Das Nachtmännchen, oder Nachtmännlein, des -s, plur. inus. auch ein Nahme des Alpes, S. dieses Wort.


Nachtmantel (W3) [Adelung]


Der Nachtmantel, des -s, plur. die -mäntel, ein leichter Mantel des andern Geschlechtes, welches denselben Abends nach dem Auskleiden und Morgens vor dem Ankleiden zur Bequemlichkeit um sich zu nehmen pflegt.


Nachtmeister (W3) [Adelung]


Der Nachtmeister, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Hüttenmeister, welcher des Nachts die Schmelzhütten besucht, um zu sehen, ob die Arbeiter ihre Schuldigkeit gehörig erfüllen.


Nachtmensch (W3) [Adelung]


Der Nachtmensch, des -en, plur. die -en, eine vorgegebene Art Menschen, welche nur allein bey der Nacht sehen können, und auch weiße Mohren genannt werden, S. dieses Wort in 2 Mohr 3.


Nachtmotte (W3) [Adelung]


Die Nachtmotte, plur. die -n, ein Nahme der fliegenden Motten, welche sich nur zur Nachtzeit sehen lassen, und auch nur Motte schlechthin, ingleichen Nachtschaben genannt werden; Phalaena Tinea L.


Nachtmücke (W3) [Adelung]


Die Nachtmücke, plur. die -n, S. Johannis-Wurm.


Nachtmusik (W3) [Adelung]


Die Nachtmusik, plur. die -en, eine zur Nachtzeit veranstaltete Musik.


Nachtmütze (W3) [Adelung]


Die Nachtmütze, plur. die -n, Diminut. das Nachtmützchen, Oberd. die -lein, eine Mütze zur Bekleidung des Hauptes zur Nachtzeit im Bette, besonders bey dem männlichen Geschlechte. Im gemeinen Leben gebraucht man es auch als einen Schimpfnahmen eines trägen, einfältigen Menschen.


Nachtnebel (W3) [Adelung]


Der Nachtnebel, des -s, plur. inus. ein Fehler des Gesichts, da man zwar bey Tage gut siehet, in der Dämmerung aber blödsichtig ist. Den Nachtnebel haben.


Nachtnetz (W3) [Adelung]


Das Nachtnetz, des -es, plur. die -e, S. Nachtgarn.


Nacht-Nymphe (W3) [Adelung]


Die Nacht-Nymphe, plur. die -n, eine Art Nymphen, d. i. mit vier netzförmigen Flügeln versehener Insecten, welche sich nur des Nachts sehen lassen; Hemorobius L. die Land-Libelle.


Nachtpelz (W3) [Adelung]


Der Nachtpelz, des -es, plur. die -e, in einigen Gegenden ein Nahme des Schlafrockes, Nachtrockes oder Schlafpelzes.


Nachtpocher (W3) [Adelung]


Der Nachtpocher, des -s, plur. ut nom. sing. in den Bergwerken, ein Arbeiter, welcher dem Pochwerke die Nacht über vorstehet; zum Unterschiede von dem Tagepocher.


Nacht-Quartier (W3) [Adelung]


Das Nacht-Quartier, des -es, plur. die -e, S. Nachtlager und Quartier.


Nach-Trab (W3) [Adelung]


Der Nach-Trab, des -es, plur. die -e, ein gutes Oberdeutsches im Hochdeutschen aber ungewöhnliches Wort, den hintersten Theil eines im Zuge begriffenen Kriegsheeres zu bezeichnen, der Nachtzug, der Nachtrupp oder die Nachtruppen, in der Schweiz die Nachhuth, im Gegensatze des Vortrabes, des Vorderzuges, des Vortruppes, oder der Vortruppen, oder der Vorhuth; wofür in dem Hochdeutschen Kriegswesen die Französischen Ausdrücke Arriergarde und Avantgarde üblich geworden sind. S. Trab und Nachtraben.


Nacht-Rabe (W3) [Adelung]


Der Nacht-Rabe, des -ns, plur. die -n, ein Nahme, welcher verschiedenen Vögeln beygelegt wird, welche des Nachts herum fliegen, und dabey eine widrige Stimme haben. 1) Der Nachteule, welche bey dem Notker und in den Monseeischen Glossen Nahtram genannt wird, von dem veralteten ramen, raben, schreyen, ingleichen herum schwärmen. 2) Eine Art Reiher von der kleinen Art, welcher sich durch die drey auf dem Kopfe befindlichen Fockfedern unterscheidet; Ardea Nycticorax L. bunter Reiher, Schildreiher, Fischreiher, Nachtram, Nachtreiher, Focker, ( S. 2 Focke.) 3) Am eigentlichsten führet diesen Nahmen eine Art großer Schwalben, von schwarzer oder dunkelbrauner Farbe, welche die Größe eines Guckgucks hat, und sich nur im Dunkeln sehen lässet, da sie ein beständiges widriges Geschrey macht; Hirundo Caprimulga Klein. Caprimulgus L. Ihm singt die Eule nicht banges Unglück und der traurig krächzende Nachtrabe, Geßn. Er wird auch Nachtschade, Nachtschatten, Nachtschwalbe, Nachtwanderer, Nachtram, Nachtvogel, Pfaffe, weil er bey Tage schläft Tageschläfer, und weil er, einem alten Märchen zu Folge, den Ziegen die Milch aussaugen, und die Rinder in der Nacht beschädigen soll, auch Ziegenmelker, Geißmelker, Ziegensauger, Milchsauger, Rindermelker u. s. f. genannt. Im Dän. heißt er Natravn, Natskade, Aftenbakken, Flaggermuse, im Engl. Night-Jarr, Night-Raven. Die letzte Hälfte des Wortes Nachtrabe zielet entweder auf seine düstere rauhe Stimme, oder stammet auch von raben, Engl. to rove, herum schwärmen, ab. 4) Figürlich pflegt man auch einen Menschen, welcher des Nachts herum schwärmet, oder sich des Nachts allerley lärmende Geschäfte macht, einen Nachtraben zu nennen.


Nach-traben (W3) [Adelung]


Nach-traben, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, hinter her oder darein traben, mit der dritten Endung der Person. Einem nachtraben.


Nach-Trag (W3) [Adelung]


Der Nach-Trag, des -es, plur. die -träger, dasjenige, was nachgetragen wird. So wird der Nachschuß, d. i. Geld, welches man nach schon bezahlter Hauptsumme zu einer und eben derselben Sache nachschießet, oft ein Nachtrag genannt. Bey Schriften ist es zuweilen ein Supplement, etwas, was zur Erläuterung oder nähern Bestimmung des vorher gehenden noch nachgehohlet wird.


Nach-tragen (W3) [Adelung]


Nach-tragen, verb. irreg. act. ( S. Tragen,) von nach und tragen, welches die dritte Endung der Person und die vierte der Sache erfordert. 1. Hinter jemanden her tragen, ihm tragend nachbringen. 1) Eigentlich. Sie legten das Kreuz dem Simone von Cyrene auf, daß ers Jesu nachtrüge, Luc. 23, 26. 2) Figürlich trägt man jemanden etwas nach, wenn man ihm eine geschehene Sache vorwirft, vorrückt, und in engerer Bedeutung, wenn man eine von ihm empfangene Beleidigung in Andenken behält, in der Absicht, sich gelegentlich dafür zu rächen. Tragen sie mirs doch ja nicht nach. Nieders. nädrägen. Trage niemanne nit noch (nach) langen Has. Winsbeck. Im Hochdeutschen gebraucht man es am liebsten mit dem Worte es, welches sich denn auf die vorher erwähnte Beleidigung beziehet. 2. In Absicht der Zeit und Ordnung, nach vorher schon verrichtetem Tragen noch das übrige tragen; wo es nur mit der vierten Endung allein, und in verschiedenen figürlichen Bedeutungen des Wortes tragen gebraucht wird. So trägt man etwas in einer Rechnung, in einem Buche nach, wenn man etwas, welches man einzuschreiben, oder zu schreiben vergessen hatte, nachhohlet, S. Nachtrag. Daher die Nachtragung.


Nacht-Ram (W3) [Adelung]


Der Nacht-Ram, des -es, plur. die -e, siehe Nachtrabe 1. und 2.


Nach-treiben (W3) [Adelung]


Nach-treiben, verb. irreg. act. ( S. Treiben. 1) Hinter her oder hinter drein treiben. Einem das erkaufte Vieh nachtreiben. 2) Eine Bewegung durch Treiben von hinten beschleunigen. So werden bey den Holzstößen die in das Wasser geworfenen Scheite nachgetrieben, wenn sie mit dem Floßhaken von dem Ufer abgestoßen werden. 3) Ingleichen, absolute, nach oder hinter einem andern treiben, d. i. hüthen. 4) Im Nieders. ist einem etwas nachtreiben, es ihm nachtragen. So auch das Nachtreiben.


Nacht-Reiher (W3) [Adelung]


Der Nacht-Reiher, des -s, plur. ut nom. sing. S. Nachtrabe 2.


Nach-treten (W3) [Adelung]


Nach-treten, verb. irreg. neutr. ( S. Treten,) mit dem Hülfsworte seyn, hinter jemanden her treten, d. i. feyerlich gehen, mit der dritten Endung der Person. Mir trat mit sittsamen Geberden Ein Heer vergoldter Diener nach, Lichtw.


Nacht-Riegel (W3) [Adelung]


Der Nacht-Riegel, des -s, plur. ut nom. sing. an den Französischen Schlössern, ein Riegel, vermittelst dessen man ein Zimmer des Nachts von innen verriegeln kann.


Nach-Trieb (W3) [Adelung]


Der Nach-Trieb, des -es, oder die Nach-Trift, plur. inus. S. Nachhuth und Nachtreiben 3.


Nacht-Rock (W3) [Adelung]


Der Nacht-Rock, des -es, plur. die -röcke, der Schlafrock. Wenn mit Bachus oder Cypria Ich den Scherz im Nachtrock schländern sah, Götting. Mus. Alm. 1776.


Nach-trillern (W3) [Adelung]


Nach-trillern, verb. reg. act. was vorgetrillert worden, trillernd wiederhohlen, jemandes Triller nachmachen. Einem nachtrillern. Ingleichen mit einer unangenehmen hellen Stimme nachsingen. Etwas nachtrillern.


Nacht-Runde (W3) [Adelung]


Die Nacht-Runde, plur. die -n, die Runde, d. i. Soldatenwache, welche des Nachts herum gehet.


Nach-Trupp (W3) [Adelung]


Der Nach-Trupp, des -es, plur. die -e, ( S. Nachtrab.) Man findet auch dafür, im Plural ohne Singular die Nachtruppen. S. Trupp und Truppen.


Nachtschabe (W3) [Adelung]


Die Nachtschabe, plur. die -n, S. Nachtmotte.


Nachtschade (W3) [Adelung]


Der Nachtschade, des -ns, plur. die -n, S. Nachtrabe. 3.


Nachtschatten (W3) [Adelung]


1. Der Nachtschatten, des -s, plur. ut nom. sing. S. ebend.


Nachtschatten (W3) [Adelung]


2. Der Nachtschatten, des -s, plur. inus. 1) Ein kletterndes strauchartiges Gewächs, welches überall in den Hecken wächset, dessen Blumen des Nachts einen angenehmen Geruch von sich geben; Solanum Dulcamara L. Bittersüß, vielleicht wegen des widerwärtigen Geschmackes der Beeren, Je länger je lieber, entweder wegen des angenehmen Geruches der Blüthe, oder auch, weil die Wurzel, wenn man sie kauet, je länger je süßer schmeckt, Hinschkraut, weil es wider den Hinsch, d. i. die Engbrüstigkeit, gut ist, Alpranken, ( S. dieses Wort,) Mäuseholz. Engl. Night-Shade; vielleicht weil der angenehme Geruch, welchen die Blüthe des Nachts von sich gibt, Kopfschmerzen verursacht und folglich schadet. 2) Eine andere Art dieses Geschlechtes, welche noch häufiger Nachtschatten, sonst aber auch gemeiner Nachtschatten genannt wird, und überall in den Gartenländern wächset, soll ein narkotisches Gift haben; Solanum nigrum L. Säukraut, weil die Schweine davon sterben, im Oberd. Morche, vielleicht wegen der schwarzen Beeren, Ital. Morella. 3) Der dreyblätterige Nachtschatten ist ein Gewächs, welches nur in Virginien und Carolina einheimisch ist; Trillium L.


Nachtscherben (W3) [Adelung]


Der Nachtscherben, des -s, plur. ut nom. sing. S. Nachtbecken.


Nachtschicht (W3) [Adelung]


Die Nachtschicht, plur. die -en, im Bergbaue, die Schicht, d. i. die Arbeitszeit, in der Nacht, oder von Abends 8 Uhr bis Morgens 3 Uhr; zum Unterschiede von der Frühschicht und Tageschicht.


Nachtschichter (W3) [Adelung]


Der Nachtschichter, des -s, plur. ut nom. sing. eben daselbst, derjenige, welcher in der Grube oder in der Hütte des Nachts arbeitet, zum Unterschiede von dem Tageschichter.


Nachtschießen (W3) [Adelung]


Das Nachtschießen, des -s, plur. ut nom. sing. an den Höfen, eine Feyerlichkeit, da zur Nachtzeit nach einer Scheibe geschossen wird.


Nachtschlafend (W3) [Adelung]


+ Nachtschlafend, adj. welches nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist. Bey nachtschlafender Zeit, zur Nachtzeit.


Nachtschläger (W3) [Adelung]


Der Nachtschläger, des -s, plur. ut nom. sing. S. Nachtigall.


Nachtschmelzer (W3) [Adelung]


Der Nachtschmelzer, des -s, plur. ut nom. sing. in den Schmelzhütten, derjenige, der das Schmelzen des Nachts verrichtet.


Nachtschnur (W3) [Adelung]


Die Nachtschnur, plur. die -schnüre, eine mit vielen Angeln versehene Schnur, welche des Nachts quer über einen Fluß gespannet wird, viele Fische auf Ein Mahl damit zu fangen; die Nachtangel.


Nachtschreiber (W3) [Adelung]


Der Nachtschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. an einigen Orten, ein Thorschreiber, welcher die bey der Nacht zur Stadt einkommenden Personen aufschreibet.


Nachtschwalbe (W3) [Adelung]


Die Nachtschwalbe, plur. die -n, S. Nachtrabe 3.


Nachtschwärmer (W3) [Adelung]


Der Nachtschwärmer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nachtschwärmerinn, eine Person, welche des Nachts herum schwärmet, d. i. sich entweder ausgelassen belustigt, oder allerley lärmende Geschäfte vornimmt. Daher die Nachtschwärmerey.


Nachtschweiß (W3) [Adelung]


Der Nachtschweiß, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, starke Schweiße, welche manche Personen gewöhnlich des Nachts zu haben pflegen, und welchen vornehmlich hektische und mit andern auszehrenden Krankheiten behaftete Personen ausgesetzt sind.


Nacht-Signal (W3) [Adelung]


Das Nacht-Signal, des -es, plur. die -e, auf den Schiffen, Signale, welche des Nachts mit Feuer oder Schießen gegeben werden; zum Unterschiede von den Tage-Signalen, wozu die Flaggen, Segel und Wimpel dienen.


Nachtstellen (W3) [Adelung]


Das Nachtstellen, des -s, plur. inus. im Jagdwesen, die Umstellung eines Gehölzes in der Nacht mit Tüchern oder Lappen, damit das Wild, welches Abends heraus gegangen ist, nicht wieder hinein kann.


Nachtstück (W3) [Adelung]


Das Nachtstück, des -es, plur. die -e, bey den Mahlern und Kupferstechern, die Abbildung einer Handlung oder einer Gegend bey der Nacht.


Nachtstuhl (W3) [Adelung]


Der Nachtstuhl, des -es, plur. die -stühle, ein beweglicher Abtritt in Gestalt eines Stuhles, eine Bequemlichkeit den Leib auf dem Zimmer, besonders zur Nachtzeit zu erleichtern; der Leibstuhl.


Nachtstunde (W3) [Adelung]


Die Nachtstunde, plur. die -n, eine von den Stunden, in welche die Nacht getheilet ist.


Nachttisch (W3) [Adelung]


Der Nachttisch, des -es, plur. die -e, ein Tisch des andern Geschlechtes, das Geschmeide beym Auskleiden und die Nacht über auf selbigen abzulegen, ingleichen sich vor selbigem anzukleiden und zu putzen; der Putztisch, mit einem Französischen Nahmen, die Toilette.


Nachttopf (W3) [Adelung]


Der Nachttopf, des -es, plur. die -töpfe, Diminut. das Nachttöpfchen, ein Topf, d. i. Geschirr, den Urin auf dem Zimmer, besonders zur Nachtzeit darein abzuschlagen; im Oberd. der Scherben, Nachtscherben, S. Nachtbecken.


Nachtuhr (W3) [Adelung]


Die Nachtuhr, plur. die -en, eine Uhr, an welcher die Stunden in der Nacht vermittelst des Mondes und der Sterne gezeiget werden.


Nachtviole (W3) [Adelung]


Die Nachtviole, plur. die -n, eine Pflanze, deren den Violen ähnliche Blumen nur des Nachts einen angenehmen Geruch haben; Hesperis L. Die traurige Nachtviole, Hesperis tristis, wohnt in Ungarn und Österreich. Eine andere Art, welche in den Gärten Viola matronalis und beym Linnee Hesperis matronalis heißt, ist in Italien einheimisch. In Afrika und in der Provence werden noch ein Paar andere Arten gefunden.


Nachtvogel (W3) [Adelung]


Der Nachtvogel, des -s, plur. die -vögel, Diminut. das Nachtvögelchen, ein jeder Vogel, welcher sich nur des Nachts sehen lässet, in so weiter Bedeutung, daß auch die Nachtfalter, Phalaenae L. von einigen Nachtvögel genannt werden. In engerer Bedeutung sind einzelne Vögel dieser Art unter dem Nahmen der Nachtvögel bekannt, dergleichen z. B. der Nachtrabe ist.


Nachtwache (W3) [Adelung]


Die Nachtwache, plur. die -n. 1) Diejenige Wache, welche um der Sicherheit anderer willen zur Nachtzeit verrichtet wird, zum Unterschiede von der Tagewache. Die Nachtwache thun, verrichten, halten. 2) Diejenige Person oder diejenigen Personen, welche diese Wache verrichten. 3) Die Zeit, in welche eine solche Wache des Nachts auf ihrem Posten zubringen muß; eine jetzt ziemlich veraltete Bedeutung, weil man diese Eintheilung der Nacht an den wenigsten Orten mehr kennet. Ehedem aber theilte man die Nacht in Ansehung der Wachen, besonders bey den Kriegsheeren und in Festungen, in drey oder vier Theile, deren jeder denn eine Nachtwache genannt wurde. Tausend Jahr sind vor dir wie eine Nachtwache, Ps. 90, 4. In der vierten Nachtwache kam Jesu zu seinem Jüngern, Matth. 14, 25. Schon bey dem Kero Nahtuuahho, im Tatian Nahtuuahta.


Nachtwächter (W3) [Adelung]


Der Nachtwächter, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher dazu bestellet ist, des Nachts für die Sicherheit anderer zu wachen. Besonders derjenige, welcher des Nachts auf den Gassen für die öffentliche Sicherheit wachet; im mittlern Lateine Noctianus, Nocticustos, Nieders. Röper, weil er zugleich die Stunden in der Nacht abruft, an einigen Orten, besonders Oberdeutschlandes, Stillwächter. Figürlich wird auch zuweilen der Haushahn der Nachtwächter genannt.


Nachtwanderer (W3) [Adelung]


Der Nachtwanderer, des -s, plur. ut nom. sing. eine Person, welche des Nachts im Traume aufstehet, herum wandert, und allerley Geschäfte verrichtet, ohne sich dessen bewußt zu seyn, dergleichen man sonst auch Mondsüchtige zu nennen pflegt, ( S. dieses Wort;) der Nachtwandeler, im Oberd. Nachtgänger, Schlafgänger. Man gebraucht es von beyden Geschlechtern. Sibylla ist auch ein Nachtwanderer. Auch der Nachtrabe führet in einigen Gegenden diesen Nahmen.


Nachtweiser (W3) [Adelung]


Der Nachtweiser, des -s, plur. ut nom. sing. in der Schifffahrt, ein Werkzeug, dessen man sich bedienet, in allen Stunden der Nacht zu finden, um wie viel der Nordstern höher oder niedriger ist, als der Pol selbst.


Nachtzeit (W3) [Adelung]


Die Nachtzeit, plur. inus. die Zeit der Nacht, die nächtliche Zeit. Zur Nachtzeit, des Nachts.


Nachtzeug (W3) [Adelung]


Das Nachtzeug, des -es, plur. die -e. 1) Als ein Collectivum und ohne Plural, alles was zur Bekleidung des Nachts gehöret. 2) In engerer Bedeutung was das Nachtzeug vor einiger Zeit eine Art eines bequemen Kopfputzes des andern Geschlechtes, welches am Tage zur Zierde getragen wurde. Die Dormeusen, Cornetten u. s. f. waren Arten davon.


Nachtzug (W3) [Adelung]


Der Nachtzug, des -es, plur. die -züge, ein Zug, welcher zur Nachtzeit angestellet wird. Besonders bey den Jägern, wenn ein Gehölz des Nachts mit Tüchern oder Lappen umzogen wird.


Nachwachsen (W3) [Adelung]


Nachwachsen, verb. irreg. neutr. ( S. Wachsen,) welches das Hülfswort seyn erfordert. 1) Im Wachsthume folgen. Es wird nur absolute gebraucht. Das Gras wächst nach, wenn es abgehauen worden, und es von neuen wächset. Daher das Nachwachsen. 2) Einem nachwachsen, ihm im Wachsthume nachkommen.


Nachwagen (W3) [Adelung]


Nachwagen, verb. reg. reciproc. sich nachwagen, sich hinter drein wagen.


Nachwägen (W3) [Adelung]


Nachwägen, verb. reg. act. was schon gewogen worden, nochmahls wägen, um zu sehen, ob es recht gewogen worden; nachwiegen. Einem etwas nachwägen. Das Fleisch nachwägen. Daher das Nachwägen. Im gemeinen Leben nachwiegen.


Nachwaise (W3) [Adelung]


* Die Nachwaise, plur. die -n, ein im Hochdeutschen veraltetes gutes Oberdeutsches Wort, ein nach dem Tode seines Vaters gebornes Kind, einen Postumum zu bezeichnen.


Nachwandeln (W3) [Adelung]


Nachwandeln, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, hinter jemanden her wandeln, d. i. ihm folgen. Man gebraucht es nur noch figürlich, und auch hier nur in der biblischen Schreibart für nachfolgen, d. i. jemandes Verhalten und Willen zum Muster seines eigenes Verhaltens und Willens nehmen. Damit du nicht andern Göttern nachwandelst, 5 Mos. 28, 14. Ist der Herr Gott, so wandelt ihm nach, 1 Kön. 18, 21. Durch falschen Schein getäuscht, weil ich ihm nachzuwandeln, Gell. Lied.


Nachweh (W3) [Adelung]


Das Nachweh, des -es, plur. die -en, die schmerzhafte oder unannehmbare Empfindung nach einer bereits vorüber gegangenen Veränderung. Wenn jemand eine Krankheit überstanden hat, so empfindet er oft noch lange darnach die Nachwehen davon. In noch weiterer Bedeutung pflegt man alle unangenehme selbst moralische Folgen und Empfindungen, welche auf eine Handlung oder Veränderung folgen, Nachwehen zu nennen. In der engsten Bedeutung sind die Nachwehen schmerzhafte Empfindungen im Unterleibe und dem Rücken, welche das weibliche Geschlecht nach der Geburt empfindet, wo es nur allein im Plural gebraucht wird.


Nachwein (W3) [Adelung]


Der Nachwein, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, Wein geringerer Art, welcher nach den bereits ausgepreßten Trauben, vermittelst auf die Hülsen gegossenen Wassers und einer wiederhohlten Pressung erhalten wird; Tresterwein, im gemeinen Leben Lauer, Lauerwein, Lurke.


Nachweisen (W3) [Adelung]


Nachweisen, verb. irreg. act. ( S. Weisen,) welches die vierte Endung der Sache und die dritte der Person erfordert, weisen, d. i. zeigen, und in weiterm Verstande, bekannt machen, wo man etwas finden könne. Kann er mir nicht den Mann nachweisen, der u. s. f. Less. Da ich außer diesem Exemplare ein zweytes nicht nachzuweisen weiß, ebend. Daher die Nachweisung.


Nachwelt (W3) [Adelung]


Die Nachwelt, plur. die -en. 1) Die Welt, d. i. ein Zusammenhang zufälliger Dinge, welche nach der gegenwärtigen kommt, in welcher Bedeutung es doch nicht leicht gebraucht wird. 2) In weiterer Bedeutung und ohne Plural versteht man darunter die Menschen, welche nach uns leben, die Nachkommen, die Nachkommenschaft; im Oberd. die Afterwelt. Da wider ihn mehr Feinde sich gestellten, Als dir die Nachwelt glauben darf, Raml.


Nachwerfen (W3) [Adelung]


Nachwerfen, verb. irreg. act. ( S. Werfen.) 1) Hinter her, hinter drein werfen. Einem etwas nachwerfen. 2) Holz nachwerfen, wenn das erste abgebrannt ist.


Nachwiegen (W3) [Adelung]


Nachwiegen, S. Nachwägen.


Nachwille (W3) [Adelung]


Der Nachwille, des -ns, plur. die -n, in der Rechten einiger Gegenden, ein Nachtrag oder Anhang, welchem zu dem bereits errichteten letzten Willen gemacht wird; das Codicill.


Nachwinden (W3) [Adelung]


Nachwinden, verb. irreg. act. ( S. Winden.) 1) Hinter her winden. Einem etwas nachwinden. 2) as schon gewunden worden, nochmahls winden. Etwas nachwinden. Daher das nachwinden.


Nachwinter (W3) [Adelung]


Der Nachwinter, des -s, plur. ut nom. sing. kalte winterhafte Witterung zu Anfange des Frühlinges, nach bereits zurück gelegtem eigentlichen Winter.


Nachwirken (W3) [Adelung]


Nachwirken, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gebraucht werden kann. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, noch nach vollbrachter Wirkung, oder doch nach vorüber gegangener Wirkungszeit, seine Wirkung äußern. In diesem Verstande sagt man von einer Arzeney, z. B. von einem Laxativ, daß sie nachwirke. 2) Als ein Activum, in denjenigen Fällen, wo wirken thätig gebraucht wird. So wirkt man in den Salzkothen nach, wenn man das versäumte oder verhinderte Sieden des Salzes nachhohlt. Daher das Nachwirken.


Nachwuchs (W3) [Adelung]


Der Nachwuchs, des -es, plur. die -wüchse. 1) Das Nachwachsen ohne Plural. 2) Was nachwächset.


Nachwünschen (W3) [Adelung]


Nachwünschen, verb. reg. act. hinter drein wünschen, Wünsche nachfolgen lassen. Jemanden tausendfachen Segen nachwünschen. Daher die Nachwünschung.


Nachzählen (W3) [Adelung]


Nachzählen, verb. reg. act. was schon gezählet worden, nochmahls zählen, um zu sehen, ob recht gezählet worden, oder auch, ob die Zahl noch richtig ist. Der Zehntner ist befugt, alle Haufen und Mandeln nachzuzählen. Sein Geld nachzählen. Daher die Nachzählung.


Nachzähler (W3) [Adelung]


Der Nachzähler, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Aufseher, welcher dafür sorgt, daß die gesetzte Anzahl Kübel aus der grube gezogen, oder das völlige Treiben verrichtet wird.


Nachzeichnen (W3) [Adelung]


Nachzeichnen, verb. reg. act. zeichnend nachbilden. Etwas nachzeichnen. Daher die Nachzeichnung.


Nachziehen (W3) [Adelung]


Nachziehen, verb. irreg. ( S. Ziehen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Activum, hinter her, hinter drein ziehen. Etwas nachziehen, hinter sich her. Zeuch mich dir nach, so laufen wir, Hohel. 1, 4. In der figürlichen Bedeutung, das wird nichts Gutes nachziehen, d. i. zu Folgen haben, ist das Vorwort mit seiner Endung üblicher und richtiger, das wird nichts Gutes nach sich ziehen. In Preußen ist nachziehisch und im Nieders. nataansk, eigennützig, eigentlich, alles nach oder an sich ziehend. 2. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn. 1) Hinter her, hinter drein ziehen, d. i. reisen. Rebecca zog dem Manne nach, 1 Mos. 24, 61. Und es zog ihm viel Volks nach, Joh. 6, 3. man gebraucht es in diesem Verstande nur noch von mehrern mit ihrem Gepäck zugleich reisenden Personen. Doch pflegen die Jäger nach dem Wilde oder der Fährte nachzuziehen, wenn sie ihnen nachgehen, das Wild aufsuchen. 2) In Veränderung seines Wohnortes oder Aufenthaltes einem andern folgen. Einem nachziehen.


Nachzins (W3) [Adelung]


Der Nachzins, S. Gatterzins.


Nachzotteln (W3) [Adelung]


+ Nachzotteln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte seyn, welches nur in den niedrigen Sprecharten üblich ist, hinter her, hinter drein zotteln, d. i. nachlässig folgen. Einem nachzotteln.


Nachzucht (W3) [Adelung]


Die Nachzucht, plur. car. in der Bienenzucht, die letzte Zucht, d. i. die letzten Jungen der Bienen, vor dem Winter.


Nachzug (W3) [Adelung]


Der Nachzug, des -es, plur. die -züge, in dem Kriegswesen, der hinterste Zug, derjenige Theil eines im Zuge begriffenen Kriegsheeres, welcher dasselbe schließt, S. Nachtrab.


Nacken (W3) [Adelung]


Der Nacken, des -s, plur. ut nom. sing. der hintere Theil des Halses, besonders an dem menschlichen Körper, von welchem das Genick ein Theil ist. In engerer Bedeutung werden die langen Haare hinter an den weiblichen Köpfen, welche ungekräuselt in die Höhe geschlagen und oben auf dem Scheitel befestigt werden, der Nacken und Franz. Chignon genannt. Einem Frauenzimmer den Nacken machen, die Haare auf solche Art in die Höhe schlagen. In weiterer Bedeutung steht das Wort Nacken in einigen Redensarten des gemeinen und niedrigen Lebens für den ganzen Rücken. Der Mensch liegt mir den ganzen Tag auf dem Nacken, auf dem Halse, ist mir den ganzen Tag zur Last. Einem immer auf dem Nacken seyn, auf dem Halse, ihn nicht verlassen, immer um ihn seyn. Jemanden den Nacken schmieren, ihn abprügeln. Figürlich ist ein harter, starrer, unbiegsamer Nacken, die Fertigkeit, seine Meinungen und Entschließungen auch bey entdeckter Unrichtigkeit beyzubehalten, die Hartnäckigkeit; jemanden den Nacken beugen, diese Fertigkeit durch gebrauchte Gewalt überwinden. So gehorchen sie nicht, sondern härteten ihren Nacken, wie der Nacke (Nacken) ihrer Väter, 1 Kön. 17, 14. Ich weiß, daß du hart bist, und dein Nacke (Nacken) ist eine eiserne Ader, Es. 48, 4. S. Hartnäckig.

Anm. Nieders. Nacke, Angels. Hnecc, Engl. Neck, Dän. Nakke, Schwed. Nacke, Ital. Nuca, Nocco, Ungar. Nyak, im Lappländ. Nikke. Es gehöret mit Genick zu dem Geschlechte der Wörter neigen, nicken, Knie u. s. f. weil dieser Theil des Körpers sehr beugsam ist. Um eben deßwillen wird er auch in einigen Oberdeutschen Gegenden die Anke genannt, ( S. dieses Wort.) Der Nacke für Nacken ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Im Grönländ. ist Niakok der Kopf.


Nackenschlag (W3) [Adelung]


Der Nackenschlag, des -es, plur. die -schläge, in den gemeinen Sprecharten und im figürlichen Verstande, böse Nachrede. Nackenschläge bekommen, übler Nachrede ausgesetzet seyn.


Nacket (W3) [Adelung]


"Nacket", noch häufiger zusammen gezogen, "nackt", oft auch "nackend", "nackig", "nackicht", "nackter", "nackteste", ohne andere Bekleidung oder Bedeckung, als welche die Haut gewähret.

1. Eigentlich, wo es von thierischen Körpern gebraucht wird, wenn sie ohne andere Bekleidung als der bloßen Haut sind. Ein nackter Hund, welcher keine Haare auf der Haut hat; ein kahler Hund. Ein nackter Vogel, welcher noch keine Federn hat. Das Murmelthier hat einen kurzen fast nackten Schwanz. Und in diesem Verstande kann man auch die nackte Haut des Menschen der haarigen Haut der Thiere entgegen setzen. In Ansehung des menschlichen Körpers wird es am häufigsten von dem ganzen Körper gebraucht, für unbekleidet, ohne alle andere Bekleidung, als die bloße Haut. "Nackt" oder "nacket" gehen. Sich nackt ausziehen. Nackt auf die Welt kommen. Eine nackte Venus. Adam und Eva waren beyde nackt, 1 Mos. 2, 25. Sie wurden gewahr, daß sie nackt waren, Kap. 3, 7. Sie kleidet Nackende von Raub der fetten Trift, Hall. Das Nackende oder Nackte erfordert von Seiten des Mahlers viele Geschicklichkeit. Eine nackte Figur, welche nicht bekleidet ist, zuweilen auch in engerm Verstande, an welcher diejenigen Theile nicht bedeckt sind, welche Gewohnheit und Ehrbarkeit bey allen gesitteten Völkern zu bedecken pflegen. Von einzelnen Theilen des menschlichen Körpers ist freylich bloß üblicher, ob es gleich auch nicht an Fällen fehlet, wo das Wort nackt gewöhnlich ist. So gebrauchen es z. B. die Mahler von unbekleideten Theilen des menschlichen Leibes. Ein nackter Arm. ein nackter Fuß. Nackte Theile des Leibes. Wenn man unbekleideter Theile des Leibes, welche bekleidet seyn sollten, im verächtlichen Verstande erwähnet, pflegt man gleichfalls das Wort nackt zu gebrauchen. Auch von unbehaarten oder unbefiederten Theilen des thierischen Körpers ist dieses Wort üblich, dagegen man von unbehaarten Theilen des menschlichen lieber kahl und in der anständigern Sprechart zuweilen glatt gebraucht. Ein kahles Kinn, ein glattes Kinn, ein unbärtiges. Ein kahler Kopf.

2. In weiterer Bedeutung auch von andern unbedeckten Körpern; doch nur in einigen Fällen. So ist ein nackter Same in der Botanik ein Same, dessen äußere Haut mit keiner Hülse bekleidet ist. Die nackte Gerste, eine Art kleiner Gerste ohne Hülsen; Reißgerste. Nackte Felder, welche mit keinen Gewächsen bekleidet sind, kahle Felder. Nackte Hügel, auf welchen nichts wächset, kahle. In noch weiterer aber jetzt ungewöhnlicher Bedeutung nennt der Verfasser des alten Fragmentes auf Carln den Großen ein bloßes Schwert ein nachetes Swert.

3. Figürlich.

1) Schlecht bekleidet, der Kleider größten Theils beraubt. Du hast den Nackenden die Kleider ausgezogen, Hiob 22, 6. Am häufigsten im verächtlichen Verstande. Nackt und bloß einher gehen, in schlechten, zerrissenen Kleidern.

2) Ein nacktes Gemählde, bey den Mahlern, in welchem es an den nöthigen Gegenständen mangelt.

3) Aller andern Eigenschaften beraubt. Die bloße nackte Fähigkeit, die auch ohne vorliegendes Hinderniß keine Kraft, nichts als Fähigkeit sey, ist ein tauber Schall. Herd.

Anm. Bey dem Ulphilas "naquaths", bey dem Kero "nahhut", bey dem Ottfried "nakot", im Tatian "naccot", "nachet", im Nieders. "naakt", im Dän. "nogen", im Schwed. "nakot", im Isländ. "naken", im Angels. "naced", im Engl. "naked", im Pohln. "nagi", im Böhm. "nahy", bey den Krainerischen Wenden ohne allen Ableitungslaut "nag", im Bretagnisch. "noas", im Wallis. "noeth", woraus zugleich die Verwandtschaft mit dem Latein. "nudus", und dem von Perizonio irgend wo gefundenen Griech. "???" erhellet.

Aus den obigen Formen siehet man schon, wie unwahrscheinlich Wachters Etymologie ist, welcher es von dem Angelsächs. "nacenned", "nacende", d. i. "neu geboren", ableitete. Eben so unwahrscheinlich ließ Dietrich von Stade es von "nagen" abstammet. Das Wort ist alt, sehr einfach, denn es kommt hier nur auf die Sylbe "nag", "nad", "na" an, und daher eben nicht leicht auf seine erste eigentliche Bedeutung zurück zu führen.

Im Finnländ. ist "Nahca" die Haut; fänden sich im Deutschen und den verwandten Sprachen Spuren von dieser Bedeutung, so würde sich unser "nacket" sehr wohl davon ableiten lassen. Es wäre alsdann vermittelst der Ableitungssylben "-icht", "-ig", im Oberdeutschen "-et", von "Nacke", die Haut, gebildet, und bedeutete eigentlich, die bloße Haut habend oder zeigend. In den neuesten Zeiten hat man das Franz. "Sans-culotte" Deutsch zu geben gesucht, und das alberne unanalogische "Ohnehose" gestämpelt. Die gemeinen Mundarten haben schon lange, ehe noch die "Sans-culottes" in Frankreich bekannt wurden, sie zu benennen gewußt. Sie nennen einen solchen Menschen "Nackarsch", Engl. "Baldarse". Fehlt es dem Worte gleich an Würde, so fehlt es doch auch dem Gegenstande selbst daran. Im Deutschen, selbst in der Hochdeutschen Mundart, wird die Endsylbe sehr verschieden geschrieben und gesprochen, indem sie bald "nackend", bald "nackendig", bald "nacket" und "nackt", bald "nackicht", und bald "nackig" lautet. Die letzten Formen scheinen die wahren zu seyn, und da die Ableitungssylbe "-ig" im Oberdeutschen sehr häufig "-et" lautet, "flecket" für "fleckig", ( S. "-Ig") so hat aus "nackig" und "nackicht" gar leicht "nacket" und zusammen gezogen "nackt" werden können. "Nackend" ist kein Mittelwort, sondern bloß das vorige "nacket", welches nur das euphonische "n" vor sich genommen hat, S. "N". Diejenigen, welche in der adverbischen Gestalt "nacket" sagen, müssen das "e" bey Verlängerung des Wortes heraus werfen, ein nackter Mensch für nacketer. "Völlig nacket" heißt in den gemeinen Mundarten "mutternacket", "fadennacket" oder "fasennacket", und "splinternacket" oder "splitternacket", S. diese Wörter.

Ich hatte in der ersten Auflage bey dem Worte "Bloß" gesagt, daß dieses der anständigern Sprechart gemäßer sey, "nackt" sich aber mehr für die niedrige und gesellschaftliche schicke. Stosch widersprach diesem Satze in seinen kritischen Anmerkungen, und suchte mit vielen Beispielen sonst angesehener Schriftsteller zu beweisen, daß man sich des Wortes "nacket" ganz wohl in der erhabenen Schreibart bedienen könne. Darin hat er Recht, daß man bloß nicht alle Mahl da gebrauchen kann, wo man "nackt" saget, und daß es sich von einem ganzen unbekleideten Körper in den wenigsten Fällen gebrauchen läßt. Ich gebe auch zu, daß es gute Schriftsteller genug gibt, welche dieses Wort im eigentlichsten Verstande in der feyerlichsten und anständigsten Schreibart gebrauchen haben. Allein ich glaube doch noch immer, daß ein feines Gefühl etwas Widriges bey dem "nacket" empfinden muß, zumahl da die Sache selbst, die es ausdruckt, unsere heutigen Sitten so sehr beleidiget. Ein kluger Schriftsteller wird daher, wenn er die seinen Empfindungen des Lesers zu schonen, und widrige niedrige Bilder zu vermeiden hat, wie in der erhabenen Schreibart der Fall ist, dieses Wort lieber zu vermeiden. Die Grazien unbekleidet mahlen, eine unbekleidete Venus, sagt doch im Grunde eben das, nur mit mehr Würde und nicht mit dem widrigen Nebenbegriffe, was die Grazien nacket mahlen und eine nackte Venus sagt.


Näckisch (W3) [Adelung]


Näckisch, S. Neckisch.


Nacktheit (W3) [Adelung]


Die Nacktheit, plur. car. der Zustand eines Dinges, da es nacket ist; im gemeinen Leben einiger Gegenden die Nackigkeit und im Oberdeutschen die Nackte.


Nadel (W3) [Adelung]


Die Nadel, plur. die -n, Diminut. das Nädelchen, ein zarter an einem Ende spitziger Körper. 1) In der eigentlichen weitern Bedeutung, wo verschiedene Körper dieser Art Nadeln genannt werden. Dergleichen sind die runden spitzigen Blätter der Fichten und Tannen, des Wachholders u. s. f. welche so wohl Nadeln als Tangeln genannt und den Blättern im engern Verstande entgegen gesetzt werden, ( S. Nadelholz.) Die Seenadel ist ein langes spitziges dünnes Schalthier, ( S. dieses Wort.) Besonders sind verschiedene ähnliche Werkzeuge unter dem nahmen der Nadeln bekannt. Darin gehören die Probir- oder Streichnadeln der Goldschmiede und Probirer, die Magnetnadeln, die Stricknadeln u. s. f. ( S. diese Wörter.) In noch engerer Bedeutung sind es Werkzeuge zum Stechen, wohin die Haarnadeln, die Packnadeln, die Spicknadeln, die Radirnadeln u. s. f. gehören. 2) Im engsten Verstande, kleine zarte Werkzeuge dieser Art, so wohl zum Nähen, als auch etwas damit anzustecken, wovon jene Nähnadeln, diese aber Stecknadeln heißen, beyde aber auch nur oft Nadeln schlechthin genannt werden. Etwas mit einer Nadel anstecken, mit einer Stecknadel. ( S. Stecknadel.) Sich mit der Nadel nähren, von der Nähnadel, ein Schneider, oder eine Nähterinn seyn. Etwas mit der heißen Nadel nähen, sehr eilfertig, so daß es bald wieder aufgehet.

Anm. Schon bey dem Ulphilas Nethls, im Oberdeutschen ehedem Naild, im Nieders. Natel, im Engl. Needle, im Angels. Naedl, im Dän. und Isländ. Naal, im Schwed. Nal, im Finnländ. Neula, im Esthländischen Nekla, im Fries. Nirla. Es stammet nicht, wie gemeiniglich behauptet wird, von nähen her, weil die Nähnadeln nur eine kleine Unterart der Nadeln ausmachen, sondern gehöret zu dem Geschlechte der Wörter Nessel, Nagel, Nase, Schnauze, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, stechen, u. s. f. welche insgesammt den Begriff der Spitze oder doch der Hervorragung haben. S. Nase und Nessel.


Nadelbereit (W3) [Adelung]


Nadelbereit, adj. et adv. welches nur bey den Tuchmachern üblich ist, wo ein Tuch nadelbereit genannt wird, wenn es völlig fertig ist, so daß der Schneider es nunmehr mit der Nadel bearbeiten kann.


Nadelbley (W3) [Adelung]


Das Nadelbley, des -es, plur. die -e, an den Strumpfwürkerstühlen, der zinnerne Fuß, worin sich die Nadeln befinden, welche die Maschen des Strumpfes bilden.


Nadelbüchse (W3) [Adelung]


Die Nadelbüchse, plur. die -n, Diminut. das Nadelbüchschen, Oberd. Nadelbüchslein, eine kleine Büchse des andern Geschlechtes, die Näh- und Stecknadeln darin zu verwahren.


Nadeldraht (W3) [Adelung]


Der Nadeldraht, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, Draht, woraus die Nadler die Näh- und Stecknadeln verfertigen.


Nadeldruse (W3) [Adelung]


Die Nadeldruse, plur. die -n, eine Druse, welche in Gestalt zarter Nadeln oder kleiner Spießchen krystallisirt ist; die Spießdruse.


Nadelfeder (W3) [Adelung]


Die Nadelfeder, plur. die -n, in einem Flintenschlosse, eine stählerne Feder, welche sich gegen die Nadel in dem Gewehrschlosse lehnet.


Nadelfeile (W3) [Adelung]


Die Nadelfeile, plur. die -n, bey den Goldschmieden, eine zarte spitzige Feile, die durchbrochenen Zierathen damit auszufeilen.


Nadelfisch (W3) [Adelung]


Der Nadelfisch, S. Hornfisch und Meernadel.


Nadelgeld (W3) [Adelung]


Das Nadelgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, eigentlich Geld, wofür man Nadeln kauft oder kaufen soll. So wird ein Trinkgeld, welches man weiblichen Personen gibt, zuweilen ein Nadelgeld, genannt. bey vornehmen Personen ist das Nadelgeld eine jährliche Summe, welche einer Dame zum Ankaufe der Nadeln und zu andern kleinen Bedürfnissen ausgesetzt wird, und in andern Fällen Spielgeld oder Taschengeld genannt wird.


Nadelhalter (W3) [Adelung]


Der Nadelhalter, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Wundärzten, ein Werkzeug, die Heftnadel damit zu halten.


Nadelholz (W3) [Adelung]


Das Nadelholz, des -es, plur. die -hölzer. 1) Holz, d. i. Bäume, welche statt der Blätter Nadeln oder Tangeln haben, und daher auch Tangelholz heißen, zum Unterschiede von dem Laubholze; wo der Plural nur von mehrern Arten üblich ist. Zum Nadelholze gehören die Fichte, Tanne, Föhre, der Lärchenbaum, die Elbe und der Wachholder. 2) Ein mit solchen Bäumen bewachsenes, daraus bestehendes Gehölz, welches, weil es in demselben finstrer ist als in den Laubhölzern, auch ein finsteres Holz, ein schwarzes Holz, und weil die meisten Arten des Nadelholzes auch Harz geben, Harzholz und Pechholz genannt wird.


Nadelkerbel (W3) [Adelung]


Der Nadelkerbel, des -s, plur. inus. eine Art des Kerbels mit einem sehr langen spitzigen Samen, welcher unter dem Getreide des mittägigen Europa wächset; Scandix Pecten L. Hechelkamm, Schnabelmöhren. Von andern wird das Frauenmäntelchen oder der Jungfernkamm, Aphanes arvensis L. Nadelkerbel genannt.


Nadelknopf (W3) [Adelung]


Der Nadelknopf, des -es, plur. die -knöpfe, der Knopf einer Stecknadel.


Nadelküssen (W3) [Adelung]


Das Nadelküssen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Nadelküßchen, ein Küssen, die Näh- und Stecknadeln darauf zu stecken, damit sie nicht verloren gehen.


Nadeln (W3) [Adelung]


Nadeln, verb. reg. act. welches nur bey den Schuhmachern für nähen üblich ist, doch nur von dem Annähen der Überstämme an das Oberleder.


Nadelöhr (W3) [Adelung]


Das Nadelöhr, des -es, plur. die -e, das Öhr, d. i. die kleine Öffnung, an dem einen Ende der Nähnadel; Nieders. Öge.


Nadelspitze (W3) [Adelung]


Die Nadelspitze, plur. die -n, die Spitze einer Näh- oder Stecknadel.


Nadelstreu (W3) [Adelung]


Die Nadelstreu, plur. inus. in der Landwirthschaft, die Nadeln oder Tangeln des Nadelholzes, so fern sie dem Vieh statt des Strohes untergestreuet, oder zur Streu gebraucht werden; zum Unterschiede von der Laubstreu.


Nadelwickler (W3) [Adelung]


Der Nadelwickler, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Nachtfalter, welcher die Nadeln oder Tangeln der Fichtenbäume zusammen wickelt oder spinnet; Phalaena Tordryx Picaeana L.


Nadir (W3) [Adelung]


Das Nadir, S. Fußpunct.


Nadler (W3) [Adelung]


Der Nadler, des -s, plur. ut nom. sing. ein Handwerker, welcher Steck- und Nähnadeln verfertiget oder verfertigen lässet, dessen Gattinn die Nadlerinn; zu Nürnberg Häftleinmacher, im Österreich. Spängler. In weiterer Bedeutung werden auch alle mit Verfertigung der Nadeln beschäftigte Arbeiter Nadler genannt.


Nagel (W3) [Adelung]


1. Der Nagel, des -s, plur. die Nägel, Diminut. das Nägelchen, Oberd. Nägellein oder Nägelein, die breite hornartige Bedeckung der äußersten Enden der Finger und Zähen an dem Körper des Menschen und einiger Thiere. 1. Eigentlich, wo die mehr breite und gerade Gestalt die Nägel von den krümmern und dickern Klauen unterscheidet. Lange Nägel haben. Die Nägel abschneiden, beschneiden. Etwas mit dem Nagel, mit den Nägeln ankratzen. 2. Figürlich. 1) Bey den neuern Schriftstellern des Pflanzenreiches wird der unterste Theil eines jeden Blumenblattes wegen einiger Ähnlichkeit der Nagel genannt; Unguis L. 2) Auch ein Fell im Auge, wenn es weiß von Farbe ist, und einem Nagel gleicht, ist unter diesem Nahmen bekannt, S. Fell und Nagelfell.

Anm. Schon bey dem Raban Maurus im 8ten Jahrhunderte Nagal, im Angels. Naegl, im Isländ. Nagl, im Nieders. und Schwed. Nagel, im Engl. Nail. Frisch glaubt, daß es durch Versetzung aus dem Lat. Unguis und Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, entstanden. Allein man hat eine weit nähere Ableitung. Die letzte Sylbe ist die Ableitungssylbe -el, welche ein Werkzeug, ein handelndes Subject bedeutet, und die erste gehöret ohne Zweifel zu dem Zeitworte nagen, so fern es überhaupt kratzen bedeutet. Der Nagel ist ein kratzendes Ding, ein Werkzeug zum Kratzen, und dazu scheint selbst die Natur bestimmt zu haben. Der Lat. und Griech. Nahme scheinen auf die Krümme zu sehen, welche die Nägel der Menschen im Stande der Natur bekommen, wenn sie nicht beschnitten werden, da es denn zu Anke, Angel, Haken u. s. f. gehören würde.


Nagel (W3) [Adelung]


2. Der Nagel, des -s, plur. die Nägel, Diminut. das Nägelchen, Oberd. Nägellein, oder Nägelein, ein gerades spitziges Werkzeug, zwey Körper oder Theile eines Körpers mit einander zu verbinden, oder auch nur ihn in einen Körper zu schlagen, etwas daran zu hängen u. s. f. Man hat hölzerne Nägel ohne Köpfe, welche in manchen Fällen Pflöcke heißen, man hat aber auch eiserne, welche letztern am häufigsten sind, und gemeiniglich mit einem Kopfe versehen werden. Es gibt ihrer sehr mancherley Arten, welche ihr Nahmen von den Körpern bekommen, zu deren Befestigung sie gebraucht werden; ( S. Bretnagel, Hufnagel, Schiefernagel, Bleynagel, Schloßnagel, Radnagel, Bandnagel u. s. f.) Etwas mit einem Nagel, mit Nägeln befestigen. Einen Nagel einschlagen, ausziehen. Etwas an den Nagel, oder an einen Nagel hängen. Wenn die Drescher die Flegel an den Nagel hängen, d. i. ausgedroschen haben, wird ihnen an manchen Orten ein Schmaus gegeben, welcher die Flegelhenke heißt. Figürlich und im gemeinen Leben heißt eine Sache an den Nagel hängen, sie verlassen, sich nicht weiter um sie bekümmern. Die Theologie an den Nagel hängen, diese Wissenschaft verlassen. Die Frömmigkeit an den Nagel hängen. Einen hohen Nagel haben, heißt im Nieders. stolz seyn, die Nase hoch tragen, und jemanden den Nagel niederklopfen, ihn demüthigen. Von einem Menschen, welcher einen gewissen Stolz hat, sagt man in Niedersachsen, er hat einen Nagel. Man leitet, aber mit weniger Wahrscheinlichkeit, diese Arten des Ausdruckes aus dem dreyßigjährigen Kriege her, da ein Schwedischer Oberster, Nahmens Ißler, in der Schlacht bey Leipzig mit einem krummen Nagel dergestalt soll seyn in den Kopf geschossen worden, daß ihn die Wundärzte nicht heraus ziehen können, sondern ihn eingeheilet; worauf er zwar gesund geblieben, sich aber hernach sehr stolz betragen, und sich auf seinen Nagel nicht wenig eingebildet habe. In weiterer Bedeutung werden oft auch verschiedene andere ähnliche Körper, wenn sie gleich nicht unmittelbar zur Befestigung dienen, Nägel genannt. Dergleichen ist der Nagel in einer Scheibe, Die Wirbel an den Saiten-Instrumenten heißen bey vielen Nägel, anderer zu geschweigen. das Diminut. Nägelchen, Nägelein, und zusammen gezogen Nelke, ist auch der gewöhnliche Nahme theils eines ausländischen Gewürzes, theils einer bekannten Art Blumen, S. solch es hernach besonders.

Anm. Im Tatian schon Nagel, im Schwed. und Niedersächs. gleichfalls Nagel, im Isländ. Nagle, im Angels. Naegl, im Engl. Nail, im Dän. Nägl, im Finnländ. Naula. Es kann so wohl den Begriff der Verbindung ausdrucken, da es denn von nähen, nahe, abstammen würde, als auch den Begriff des Nagens, oder endlich auch der Spitze, als ein Verwandter von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, stechen, Isländ. naella, Nabe, Schnabel u. s. f. Die Endsylbe -el bedeutet in allen Fällen ein Werkzeug. S. auch Nickel.


Nagelbein (W3) [Adelung]


Das Nagelbein, des -es, plur. die -e, in der Anatomie, zwey Beine an dem menschlichen Kopfe, welche den vordern und mittlern Theil der Orbitae einnehmen, die Thränengruben und den Thränengang zusammen setzen helfen, daher sie auch Thränenbeine heißen, und einem Nagel an den Finger ähnlich sind. S. 1. Nagel.


Nagelblüthe (W3) [Adelung]


Die Nagelblüthe, plur. die -n, im gemeinen Leben, weiße Flecken auf oder in den Nagel an den Fingern. welche man auch Blumen und Blümchen zu nennen, und alsdann der Nagel blühe zu sagen pflegt. S. 1 Nagel.


Nagelbohrer (W3) [Adelung]


Der Nagelbohrer, des -s, plur. ut nom. sing. ein kleiner Handbohrer. die Löcher zu den eisernen Nägeln damit vorzubohren; im gemeinen Leben Fritt, Nieders. Frittboor. S. 2 Nagel.


Nägelein (W3) [Adelung]


Das Nägelein, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben der Hochdeutschen das Nägelchen, das Diminutivum des Wortes Nagel, so wohl wenn es Unguis, als auch wenn es Clavus bedeutet, ( S. diese Wörter.) Hier kommt es nur um zweyer besonderen Bedeutungen willen in Betrachtung, in welchen das Wort Nagel nicht üblich ist. 2) Die getrocknete Blume eines Ostindischen Baumes, Caryophyllus L. welche einen scharfen aromatischen Geruch und Geschmack hat, und daher als ein Gewürz an die Speisen gethan wird, ist unter dem Nahmen Nägelein und noch häufiger Nelke, zum Unterschiede von den folgenden aber Gewürznägelein, Gewürznelke, Würznägelein, Würznelke bekannt. Vermuthlich hat sie diesen Nahmen entweder von der Ähnlichkeit in der Gestalt mit den folgenden Blumen, oder auch weil sie einem kleinen eisernen Nagel mit einem Kopfe nicht unähnlich ist. Nieders. Nägelken, ( S. Nelke.) 2) Eine andere Art oft in dem Geruche, alle Mahl aber in der Gestalt ähnlicher Blumen ist gleichfalls unter dem Nahmen Nägelein und im gemeinen Leben Nägelchen bekannt, ( S. Nelke), welcher Nahme im Hochdeutschen der übliche ist. Eigentlich sollte dieses Wort Nägellein geschrieben werden; allein in den Wörtern auf -el wird das eine l in mehrern Fällen weggelassen.


Nägeleinwurz (W3) [Adelung]


Die Nägeleinwurz, ( S. Benedictenkraut.) Die übrigen Zusammensetzungen. S. in Nelke.


Nageleisen (W3) [Adelung]


Das Nageleisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Nagelschmieden, ein viereckiges Eisen, welches ein stählernes Knöpfchen mit einem Loche hat, die Nägel darin zu schmieden.


Nagelfell (W3) [Adelung]


Das Nagelfell, des -es, plur. die -e, ein Fell im Auge, welches weißlich ist, in dem innern Augenwinkel entstehet, und sich bisweilen bis über den Stern des Auges wegziehet; Pterygion. Es gleichet einem Nagel am Finger, und wird im gemeinen Leben auch nur der Nagel schlechthin, bey dem Rindvieh aber der Hauk genannt. S. Fell.


Nagelfest (W3) [Adelung]


Nagelfest, adj. et adv. vermittelst eines Nagels befestiget, doch nur in der R. A. nieth- und nagelfest, d. i. so in einem Hause befestiget, daß es ohne die Integrität des Hauses zu verletzen, nicht kann weggenommen werden; im Gegensatze der beweglichen Dinge im eigentlichsten Verstande. In den Kaufbriefen über Häuser und Güter befindet sich gemeiniglich die Clausel, daß alles, was erd-, nieth- und nagelfest ist, dabey verbleiben soll, wohin denn auch eingemauerte und eingezimmerte Schränke, Brunneneimer, Seile und Ketten u. s. f. gerechnet werden.


Nagelflühe (W3) [Adelung]


* Die Nagelflühe, plur. die -n, ein nur in der Schweiz übliches Wort, wo es eine Art Steine bedeutet, welche aus Kieseln, Schiefer und andern Steinen zusammen gebacken ist, und zu den Waken gehöret. Eine ähnliche Art aus groben Sande oder Grand zusammen gebackene Steinart wird daselbst Sandflühe genannt. ( S. Flühe.) Nagel scheinet hier eine verbundene Masse zu bezeichnen und mit Nagel, Clavus, von einerley Stamme, vielleicht von nahe, nahen, herzukommen. S. auch Nickel.


Nagelgeschwür (W3) [Adelung]


Das Nagelgeschwür, des -es, plur. die -e, ein Geschwür an oder unter dem Nagel am Finger, welches unter dem Nahmen des Wurmes am bekanntesten ist, S. dieses Wort.


Nagelhagel (W3) [Adelung]


Der Nagelhagel, des -s, plur. inus. in der Geschützkunst, eine Art des Hagels, welche aus alten zerbrochenen Nägeln oder andern kleinen Stücken Eisens bestehet.


Nagelhammer (W3) [Adelung]


Der Nagelhammer, des -s, plur. die -hämmer, ein Hammer, d. i. Hammerwerk, wo das zubereitete Eisen zu Nägeln verarbeitet wird; vollständig das Nagelhammerwerk.


Nagelkopf (W3) [Adelung]


Der Nagelkopf, des -es, plur. die -köpfe, der Kopf eines eisernen Nagels; die Nagelkuppe, Nagelplatte.


Nagelkraut (W3) [Adelung]


Das Nagelkraut, des -es, plur. inus. 1) Eine Pflanze, welche auf den feuchten Europäischen Wiesen wächset; Illecebrum L. Der große Haufe hält es bey Nagelgeschwüren für sehr heilsam. 2) Auch eine Art des Habichtkrautes oder der Mäuseöhrchen, Hieracium Pilosella L. welches bitter und zusammen ziehend ist, führet den Nahmen des Nagelkrautes, weil es wider die Nied- oder Nothnägel an den Fingern von guter Wirkung seyn soll, oder auch weil es bey vernagelten Pferden so wohl von außen, als von innen gebraucht wird.


Nagelkuppe (W3) [Adelung]


Die Nagelkuppe, plur. die -n, S. Nagelkopf.


Nagelmahl (W3) [Adelung]


Das Nagelmahl, des -es, plur. die Nägelmahle, das Mahl, d. i. die Wunde oder Narbe von eingeschlagenen Nägeln; ein nur in der biblischen Schreibart, besonders von den Wunden dieser Art an den Händen und Füßen Christi übliches Wort. Daß ich lege meinen Finger in die Nägelmahl, Joh. 20, 25.


Nagelmuschel (W3) [Adelung]


Die Nagelmuschel, plur. die -n, eine cylindrische zweyschalige Muschel, welche an beyden Seiten offen ist, und vornehmlich versteinert angetroffen wird, da sie auch Solenit, Solenites, heißt.


Nageln (W3) [Adelung]


Nageln, ver. reg. act. 1) Vermittelst eines Nagels oder mehrerer Nägel befestigen. Das Bret an die Wand, ein Tuch auf den Tisch nageln. ( S. auch Annageln, Aufnageln, Vernageln). 2) Bey den Jägern als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, mit den Nägeln an den Füßen, oder mit den Klauen in den Boden eingreifen. Der Fuchs hat genagelt, wenn die Spur von seinen Klauen in dem weichen Boden zu sehen ist. In der ersten Bedeutung schon bey dem Ottfried und Notker nagelen.


Nagelplatte (W3) [Adelung]


Die Nagelplatte, plur. die -n, Diminut. das Nagelplättchen, S. Nagelkopf.


Nagelprobe (W3) [Adelung]


Die Nagelprobe, plur. die -n, eine nur im gemeinen Leben üblicher Ausdruck, die Probe eines völligen ausgetrunkenen Glases oder Bechers zu bezeichnen, welche darin bestehet, daß man es umgekehrt auf den Nagel setzet, und den letzten Tropfen davon ableckt. Auf diese Art zechen nennet man in Franken auf ein Näglein trinken. In Churfürst Christians II. Hoftrinkordnung heißt es: "Erst soll man trinken die herrschaftliche Gesundheit, darnach soll man bringen, den freudigen Bergmann mit dem Spruche, Glück auf! dann folgt die Nagelprobe mit dem Spruche: so hatten es auch die Alten im Brauch." Schon die Römer tranken auf diese Art. Ad unguem patratum et perfectum, sagt Horaz. In den neuern Zeiten hat man das Lateinische Wort Supernaculum gebildet, die Nagelprobe, und die Gewohnheit auf diese Art zu zechen, auszudrucken, welches auch bey den Engländern üblich ist; to drink Supernaculum. In einem Französischen Trinkliede heißt es gleichfalls: Ils (les Anciens) faisoient en les renversant Un Supernacle Allemand.


Nagelroche (W3) [Adelung]


Der Nagelroche, des -n, plur. die -n, eine Art Rochen, welche bey dem Linnee Raja clavata heißt.


Nagelschmid (W3) [Adelung]


Der Nagelschmid, des -es, plur. die -schmiede, ein Schmied, welcher vornehmlich eiserne Nägel aller Art verfertiget; im Oberd. der Nageler. Daher die Nagelschmiede, dessen Werkstätte.


Nagelschrote (W3) [Adelung]


Die Nagelschrote, plur. die -n, bey den Schmieden und Schlössern, ein scharfes Eisen auf dem Klotze, die Nägel darauf abzuschroten: die Abschrote.


Nagelschwamm (W3) [Adelung]


Der Nagelschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine Art Blätterschwammes, mit einem gewölbten gestrichelten gelben Hute, und weißen Blättern und Strunke, welcher in den Wäldern unter den abgefallenen Blättern wohnet, und einem eisernen Nagel nicht unähnlich siehet; Agaricus clavus L.


Nägelschwamm (W3) [Adelung]


Der Nägelschwamm, des -es, plur. die -schwämme, eine andere eßbare Art Blätterschwammes mit einem Strunke, einem schmutzig gelbe Hute und feuergelben Blättern, welcher gleichfalls in den Wälder wächset, und einen gewürzhaften Geruch, fast wie Gewürznägelein hat; Agaricus cinnamomus L.


Nagelwerk (W3) [Adelung]


Das Nagelwerk, des -es, plur. die -e, ein aus Latten zusammen genageltes Werk. Besonders werden die aus schmalen gehobelten Latte verfertigten Portale, Lufthäuschen u. s. f. in den Gärten Nagelwerk und Nagelwerke genannt.


Nagelzwang (W3) [Adelung]


Der Nagelzwang, des -es, plur. inus. die Beschwerde, welche von Nied- oder Nothnägeln verursacht wird. Den Nagelzwang haben, Niednägel.


Nagemaul (W3) [Adelung]


Das Nagemaul, des -es, plur. die -mäuler, in einigen Gegenden ein Nahme des Zanders. S. dieses Wort.


Nagen (W3) [Adelung]


Nagen, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, und den Laut nachahmet, welcher verursacht wird, wenn man mit den Zähnen von einem festen Körper nach und nach etwas herunter zu scharren sucht. 1. Eigentlich. Der Hund naget an dem Knochen. Die Maus benaget das Holz. Die Würmer nagen den Käse. An einem Knochen, an einem Beine nagen. ( S. auch Abnagen, benagen, Zernagen.) In weiterer Bedeutung wird es auch zuweilen, doch nur im gemeinen Leben, für kauen, und in noch weiterer für essen gebraucht. Am Hungertuche nagen, an den nothwendigsten Bedürfnissen anhaltenden Mangel leiden. Er hat nichts zu nagen noch zu beißen, in eben diesem Verstande, wofür man auch sagt, nichts zu beißen noch zu brechen haben. Wer nicht wagt, der nicht nagt, wer nichts wagt, gewinnt auch nichts., Ital. chi non risiga non rosega. 2. Figürlich. 1) Er wird daran zu nagen haben, im gemeinen Leben, er wird viele Mühe, Arbeit, Unlust davon haben, ohne viel auszurichten. 2) Einen anhaltenden Grad sehr merklicher, gleichsam verzehrender Unlust verursache. Der Tod naget sie, Ps. 49, 15. Ich quäle mich unaufhörlich mit den nagenden Vorwürfen, die unglücklich gemacht zu haben, Dusch. Ihr Mann, denn die Eifersucht nagte, Haged. Stets nagt ein scharfer Neid Sein blutend Herz, ebend. Der Eigennutz wird ihn nagen, da Julchen eine reiche Partie ist, Herm. Mein nagender Verdacht, Schleg. Das Nagende Gewissen, die anhaltende Unlust über begangene böse Handlungen. So auch das Nagen anstatt des ungewöhnlichen Nagung.

Anm. Im Schwed. naga, im Dän. nagge, nogge; mit voran gesetztem Gaumenlaute im Nieders. gnauen, knauen, Engl. to gnaw, Angels. gnaegen, Schwed. gnage, Wallis. cnoi, in Boxhorns Glossen kinuagan, im Dän. gnave, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und in der verkleinernden Form, Niedersächs. gnaggeln, gnaueln, gnabbeln, Hochdeutsch knaupeln, Engl. to knabble. Es ahmet allem Ansehen nach den Laut nach welchen die Zähne machen, wenn sie nach und nach etwas von einem harten Körper herunter scharre. In einigen Oberdeutschen Gegenden gehet es irregulär; ich nug, Hans Sachs, für nagte.


Nagethier (W3) [Adelung]


Das "Nagethier", des -es, plur. die -e, in der Naturgeschichte, ein Nahme derjenigen vierfüßigen Thiere, welche mit vier spitzigen Schneidezähnen versehen sind, und alles benagen; wohin die Eichhörner, Katzen, "Murmelthiere", Wiesel, Hermeline, Zobelthiere, Iltisse, Marder u. s. f. gehören. Sie werden von einigen auch Nager genannt.


Nähdraht (W3) [Adelung]


Der Nähdraht, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, an den Papierformen, Drahtfäden, womit das Gitter der Quere nach durchflochten und gleichsam durchnähet wird. Siehe Nagen.


Nahe (W3) [Adelung]


Nahe, näher, nächste, adj. et adv. durch keinen beträchtlichen Zwischenraum von einem andern Dinge getrennt, im Gegensatze des fern oder entfernt, wo es so wie dieses ein relativer Begriff ist. welcher durch Gewohnheit und durch die Umstände bestimmet wird. Ein Ding kann in einer Absicht nahe, in einer andern aber entfernt seyn. 1. Eigentlich, dem Orte oder Raume nach. Ein naher Ort. Das nächste Dorf. Mein nächster Nachbar. Er wurde an den nächsten Baum gehenket. O ja, du singst, schon hör ich dich, Vom nächsten Baume; Weiße. Ingleichen als ein Nebenwort; so wohl mit verschiedenen Nebenwörtern. Näher zur Stadt kommen. Einem nahe auf den Leib treten, ihm nahe auf den Hals kommen. Es stehet nahe an der Thür. Es liegt nahe bey dem Hause. Nahe bey einem wohnen, stehen, seyn. Nahe dabey seyn. Nahe herbey kommen. Sich nahe zu etwas machen, sich nahe zu jemanden setzen. Nahe um jemanden seyn. Nächst an dem Schlosse wohnen. Zunächst an den Wald gränzen, für nahe. ( S. Nächst.) Als auch mit der dritten Endung, doch nur mit einigen Zeitwörtern. Einem nahe seyn, stehen, liegen, kommen. Komm mir nicht zu nahe. Wir kamen der Stadt immer näher. Ein naher Weg, für ein kurzer, und der nächste Weg, für der kürzeste, ist eine Figur. Von nahen, für in der Nähe, ist Oberdeutsch; etwas von nahen befehlen. 2. Figürlich. 1) Von der Zeit. Sich auf den nahen Sommer freuen. Der Frühling ist nahe. Mit der nächsten Post, mit der ersten. Nächster Tage, nächsten Tages, nächstens, ( S. Nächst und Nächstens.) Nächst künftigen Sonntag. Nahe an vierzig Jahr alt, in der vertraulichen Sprechart, für beynahe. Er ist schon nahe an vierzig, Gell. Sie muß ja wohl nahe an sechzig Jahren seyn, ebend. Die nächst vergangene Nacht. Der nächst bevor stehende Feldzug. ( S. Nächst). Ingleichen mit Einschluß des vorigen Begriffes des Ortes. Dem Tode nahe seyn. Die Gefahr war mir sehr nahe. Ich war einer Ohnmacht nahe. 2) In verschiedenen andern Verhältnissen, mehrere oder auch alle dazwischen befindliche Dinge auszuschließen, im Gegensatze des entfernt; wo es oft nur als ein Nebenwort allein, oft nur als ein Beywort allein, oft aber auch nur in einer oder der anderen Staffel üblich ist. Ein naher Freund, ein naher Verwandter. Er ist nahe mit mir verwandt. Er ist mein nächster Freund. Jeder ist sich selbst der nächste. ( S. Nächste.) Die nähere (genauere) Vereinigung mit Gott. Der Römische König ist der nächste nach dem Kaiser, der Würde nach, er folgt unmittelbar nach ihm. Einem nahen Zutritt bey jemanden haben. Die Sache betrifft ihn sehr nahe, uns noch näher, dich aber am nächsten. In naher (genauer, enger) Verbindung mit jemanden stehen. Zunahe in die Freundschaft heirathen. Der Wahrheit nahe kommen. Der Sache schon näher kommen. Damit wir näher zur Sache kommen. Einem nahe kommen, ihm in eine Eigenschaft ähnlich seyn. Sich näher mit jemanden bekannt machen. Es soll mir lieb seyn, ihn näher (genauer) kennen zu lernen. Einen sehr nahen Umgang mit jemanden haben. Sich einem näher entdecken. Etwas näher bestimmen, genauer. Die nähere Offenbarung Gottes, im Gegensatze der allgemeinen oder entferntern. das enthält den nächsten (unmittelbarsten) Grund dieses Vorganges. Der nächste Endzweck, der unmittelbare. Der Mensch kommt mit der nächsten Anlage sich Sprache zu bilden, in die Welt, Herd. 3) Das geht mir nahe, das kränkt mich, schmerzt mich, im sittlichen Verstande. Sein Abzug geht mir etwas nah, Haged. Wie oft wird mir seyn Schicksal nahe gehen! Es geht mir recht nahe, daß ich ihnen so viele Ungelegenheit verursache, Gell. 4) Einem etwas nahe legen, nahe bringen, theils ihm solche Bewegungsgründe vorlegen, welchen er nachgeben muß, theils aber auch, ihm zum Zorne reitzen. Sie legen mir es außerordentlich nahe, reitzen mich außerordentlich. Ja, wenn es einem so nahe gelegt wird, wenn man so sehr gereitzt wird. Ich habe es ihm so nahe gelegt, daß es sich wird ergeben müssen, ihm solche triftige Bewegungsgründe vorgestellet. Im Oberdeutschen ist es in dieser und der vorigen Bedeutung auch als ein Beywort nicht selten. Nahe Reden, welche dem andern nahe gehen müssen, ihm zum Zorne reitzen. 5) Der nächste Preis, im Handel und Wandel, der genaueste. Ich kann es um keinen nähern Preis geben, um keinen niedrigern, genauern, wofür man auch sagt, ich kann es nicht nähern Kaufs, nicht näher geben. Du kannst hier nähern Kaufs die edle Freyheit kriegen, Canitz. Nach einer hier noch weitern Figur sagt man von jemanden der nachgibt, von seinen Forderungen, von seinem Widerstande, von seiner Hitze nachläßt, er gebe es schon näher. 6) Einer Person oder Sache zu nahe treten, sprechen, handeln, ihr Nachtheil, Schaden verursachen, sie beleidigen. Eines Ehre zu nahe treten, sie kränken, vermindern. Der schuldigen Achtung für sein Vaterland zu nahe treten, sie nicht beobachten. Es ist ihm zu nahe geschehen, es ist ihm zu viel geschehen. Eines Ehre zu nahe reden oder sprechen. 7) Bey nahe, fast, es fehlete nicht viel. Beynahe wäre er uns entwischet. Du hättest mich beynahe nicht mehr angetroffen. In dem Tatian und bey den folgenden Oberdeutschen Schriftstellern nur nah, nahen und nach. Ich bin nach hungers tot, der Burggrafen von Rietenburg. S. bey III.

Anm. Schon bey dem Ottfried und seinen Zeitgenossen nah, im Theuerdanke nahendt, im Nieders. nah, näger, nägst, bey den Ulphilas nehwa, im Angels. neh, neah, im Engl. nigh. Es ist mir neben, nau in genau, nach, noch und andern dieses Geschlechtes sehr genau verwandt. Der Form nach gehöret es zu den irregulären Beywörtern, indem es in der zweyten und dritten Staffel nicht nur das a in ä verwandelt, sondern in der dritten auch den stärkern Hauch ch annimmt. Daß dieser ehedem auch in der ersten Staffel nicht ungewöhnlich gewesen, erhellet aus dem Vorworte nach und dem Hauptworte Nachbar. Eben so abweichend ist es in seiner Bedeutung, indem es in einigen nur als ein Nebenwort allein, in andern nur als ein Beywort allein, und in noch andern nur in dieser und jener Staffel üblich ist. S. auch Nächst. Ein anderes nur in der Ableitungssylbe verschiedenes Wort ist das Angels. near, nearo, nearewe, im Dän. und Schwed. när, im Isländ. naer, im Engl. near, und narrow, welches andere für den Comparativ von nahe halten, das aber vielmehr ein eigenes Wort ist, welches seine eigene Comparation hat, und statt des Hauchlautes am Ende das r angenommen hat, so wie sich in nau, genau, wieder ein anderer Endlaut befindet. S. Nährlich, welches noch von diesem Worte abstammet, und Nähern, welches sich auch daher leiten lässet. Im Oberdeutschen wird nahe noch in verschiedenen Zusammensetzungen gebraucht, indem daselbst danahen für daher, ingleichen für hier, und deßnahen für deßhalb üblich sind.


Nähe (W3) [Adelung]


Die Nähe, plur. inus. das Abstractum des vorigen Wortes. 1) Die Eigenschaft eines Dinges, da es von dem andern durch keinen merklichen Zwischenraum getrennet ist, im Gegensatze der Weite; so wohl in der eigentlichen, als in verschiedenen figürlichen Bedeutungen des Wortes nahe. Die Nähe der Stadt an dem Hafen ist ihr sehr vortheilhaft. Wenn ich die Nähe betrachte. 2) Ein nicht merklich großer Zwischenraum. In die Nähe aber nicht in die Ferne sehen können. Er wohnt in der Nähe, nicht weit von uns. Je mehr ich seine Thorheiten in der Nähe sehe, desto mehr fange ich an, ihn zu hassen, Weiße. Etwas in der Nähe betrachten. Bey dem Ottfried Nahi, im Theuerdanke die Nehnt, im Nieders. Nägte, im Dän. Närhed.


Nahen (W3) [Adelung]


Nahen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gefunden wird. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn und der dritten Endung, nahe kommen. Therengilimo nahta, Ottfr. So will ich dem Tode genahen, Theuerd. Kap. 67. Dem Heere so ist naht, das Vortheil abzurennen, Opitz. Im Hochdeutschen ist es in dieser Gestalt ungebräuchlich, obgleich einige neuere Dichter es um des Sylbenmaßes willen, statt des folgenden Reciproci gebraucht haben. Der König nahe dem Schlusse seines Lebens, Schleg. Hier nahet schon die Schaar der unverletzten Helden, ebend. Doch gebraucht man es noch zuweilen in dieser Gestalt mit dem Nebenworte heran. Das Alter nahet unvermerkt heran. Als die Zeit heran nahete, daß u. s. f. 2) Als ein Reciprocum, in eben dieser Bedeutung; in welcher Gestalt es auch im Hochdeutschen üblich ist, aber doch mehr in der höhern und dichterischen Schreibart gebraucht wird, als in der gewöhnlichen und vertraulichern, in welcher sich nähern gebräuchlicher ist. Wer nahet sich der Thür? Sich einem nahen, ihm nahe kommen. Schon nahen wir uns dem Flusse. Der Tag nahet sich, Chr. 10, 25. Die Zeit nahet sich, daß u. s. f. Die Sache nahet sich zum Ende, oder nahet sich ihrem Ende. S. Nähern. Daher das Nahen statt des außer der Zusammensetzung ungewöhnlichen Wortes Nahung.

Anm. Bey dem Ottfried und Notker nahen, im Tatian nalihhen, im Dän. närme, im Schwed. na und nakas. Siehe Nähern.


Nähen (W3) [Adelung]


Nähen, verb. reg. act. welches ehedem überhaupt verbinden bedeutet haben mag, von welcher längst veralteten Bedeutung noch in Nähdraht ein Überbleibsel ist. Jetzt bedeutet es nur noch vermittelst der Nadel und eines Fadens zusammen fügen, und in weiterer Bedeutung, auch vermittelst der Nadel und eines Fadens hervor bringen, bearbeiten u. s. f. da es denn so wohl absolute und in Gestalt eines Neutrius gebraucht wird, den ganzen Tag nähen, sein Brot mit Nähen verdienen, nähen lernen; als auch mit der vierten Endung der Sache, welche durch Nähen hervor gebracht wird, allerley Figuren nähen, Hemden nähen, Handschuhe nähen, ingleichen derjenigen, welche auf solche Art bearbeitet wird, Leinwand nähen, zwey Stücke, zusammen nähen. Zuweilen bedeutet es auch so viel wie ausnähen. Manschetten nähen, genähte Halstücher. Daher das Nähen.

Anm. Im Latian nauen und neien, bey dem Stryker nauen, im Schwabensp. neigen, im Nieders. neijen, im Schwed. mit einem andern Ableitungslaute naesta, im Angels. nestan, im Bretagn. nezza, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , im Lat. nere. Es ist ein sehr altes Wort, welches mit Nagel, Netz, nectere, unserm knüpfen, Nestel, Nuth, und andern dieses Geschlechtes genau verwandt ist, und von nahe abzustammen scheinet, einem andern Dinge nahe bringen, d. i. mit demselben verbinden. (Siehe auch Naht.) In vielen Provinzen wird es in der ersten Sylbe mit einem scharfen e gesprochen, und daher auch nehen geschrieben. Im Hochdeutschen höret man das ä deutlich, und da die meisten Verwandten ein a haben, so schreibt man es richtiger mit einem ä. Ein Faden zum Nähen heißt in Baiern ein Nähling, und ungeschickt nähen wird in Nieders. prümen, prünen, prinen genannt. Im Böhm. ist Prym ein Saum, ( S. Rahm,) woraus es mit vorgesetztem Blaselaute gebildet ist.


Näher (W3) [Adelung]


* Der Näher, des -s, plur. ut nom. sing. noch mehr aber im Fämin. die Näherinn, eine Person, welche nähet, aus dem Nähen ein Geschäft macht; ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort, wofür Nähterinn eingeführet ist.


Näherkauf (W3) [Adelung]


Der Näherkauf, des -es, plur. inus. S. Näherrecht.


Nähern (W3) [Adelung]


Nähern, verb. reg. act. nahe bringen. Einem etwas nähern. Noch häufiger aber als ein Reciprocum sich nähern, d. i. nahe kommen. Als er sich mir näherte, im Oberd. als er sich meiner näherte. Die Zeit, der Winter, der Tod nähert sich. Die rühmliche Begierde, sich den Tugenden der Alten zu nähern. Sein Leben nähert sich nun seinem Ende. Alles nähert sich seiner Vollkommenheit. Sie näherten sich Paar bey Paar, Geßn. Daher die Näherung, wofür doch Annäherung üblicher ist.

Anm. Im Dän. närme. Es kann das Intensivum von nahen seyn, es kann auch von dem Comparativ näher abstammen, es kann aber auch von dem veralteten nahr, nahe, gebildet seyn, S. Nahe

Anm. und Nährlich.


Näherrecht (W3) [Adelung]


Das Näherrecht, des -es, plur. inus. das Recht, nach welchem jemand bey dem Verkaufe einer Sache ein näheres Recht auf dieselbe hat, als ein anderer, d. i. sie für eben den Preis, welchen ein anderer gebothen hat, mit dessen Ausschließung kaufen, und wenn sie schon verkauft worden, zurück nehmen kann; der Vorkauf, der Näherkauf, der Einstand, das Einstandsrecht, im Oberdeutschen auch die Nähergeltung, das Nähergeltungsrecht, der Kaufzug, der Abtrieb, das Abtriebsrecht, das Vorgeld, das Zugrecht, die Lösung, das Gespilde, S. diese Wörter; Lat Jus Retractus.


Nahesäulig (W3) [Adelung]


Nahesäulig, adj. et adv. welches nur in der Baukunst üblich ist, diejenige Säulenweite zu bezeichnen, wo die Säulen nur 6 1/2 Model von einander entfernet sind, und wofür man auch die Wörter feinsäulig und schönsäulig gebraucht; alles im Gegensatze des fernsäulig.


Nähkloben (W3) [Adelung]


Der Nähkloben, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Sattlern, ein Kloben, die Theile, welche zusammen genähet werden sollen, damit zusammen zu halten.


Nähküssen (W3) [Adelung]


Das Nähküssen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Nähküßchen, Oberd. Nähküßlein, ein kleines Küssen der Nähterinnen, dasjenige, woran sie nähen, mit einer Nadel darauf anzustecken.


Nahme (W3) [Adelung]


Der Nahme, des -ns, dem -n, plur. die -n, ein Wort oder Ausdruck, welcher diejenigen Markmahle eines Dinges enthält, woran dasselbe in allen Fällen erkannt wird, ein symbolisches Unterscheidungs- oder Erkenntnißzeichen eines Dinges. 1. Eigentlich. 1) In der weitesten Bedeutung, wo zuweilen ein jedes Wort, ein jeder Ausdruck, so fern er die Unterscheidungsmerkmahle eines Dinges andeutet, ein Nahme genannt wird. So nannte Wolf die Adjectiva oder Beywörter zufällige Nahmen, die Substantiva oder Hauptwörter aber wesentliche Nahmen, selbstständige Nahmen, welche bey andern Hauptnahmen heißen. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist der Nahme ein Hauptwort, welches die Art oder das Geschlecht eines Dinges bezeichnet. So sind die Wörter Pflanze, Holz, Mensch, Thier, Seele, Tugend, Geitz insgesammt Nahmen, und zum Unterschiede der folgenden Bedeutung allgemeine Nahmen, weil sie ganze Geschlechter oder Arten benennen, welche aus vielen Individuis bestehen, oder so fern sie Abstracta sind, an vielen Individuis angetroffen und als Individua betrachtet werden. Diese Gutherzigkeit verdienet den Nahmen der Tugend nicht. Diese Eigenschaft ist des Nahmens der Gutherzigkeit unwerth. Der Mensch, der seinen Schöpfer zu kennen vorgibt, und doch nichts gegen ihn fühlt, verdient den Nahmen des Menschen nicht, Gell. Da nennt man doch ein Verbrechen bey seinem rechten Nahmen, Weiße. Der Amtsnahme, ein Ausdruck, welcher jemandes Amt anzeiget, ein Ehrennahme, oder Titel, der dessen Rang in der bürgerlichen Gesellschaft bezeichnet. Die Sache muß doch einen Nahmen haben, figürlich, man muß sich doch einen deutlichen Begriff von derselben machen, sie doch unter dem wahren Gesichtspuncte vorstellen. 3) In der engsten Bedeutung ist der Nahme ein Wort oder Ausdruck, welcher ein einzelnes Ding, ein Individuum von allen andern Dingen unterscheidet. Deutschland, Dresden, der Harz, Gott, Caspar, Hofmann u. s. f. sind solche Nahmen, oder zum Unterschiede von der vorigen Bedeutung eigene Nahmen oder eigenthümliche Nahmen. Einem Kinde, einem Orte, einem Dinge einen Nahmen geben. Den Nahmen von etwas haben. Seinen Nahmen verändern. Ich kenne diesen Menschen nur dem Nahmen nach. Mich däucht dem Nahmen nach sollt ich sie doch wohl kennen, Cron. Jemanden mit Nahmen nennen. Ihn bey seinem Nahmen nennen, oder rufen. Wie lange wirst du ihn bey diesem Nahmen nennen? Weiße. Ein Mensch mit Nahmen Herrmann, oder Nahmens Herrmann. Wie ist sein Nahme? Wie heißt sein Nahme? Wie lautet sein Nahme? Wie heißt er? Fuhie, wie mir bey seinem Nahmen das Herz schlagt, Weiße; wenn er genannt wird. ( S. Geschlechtsnahme, Zunahme, Vornahme, Taufnahme, Beynahme.) Die Nahmen der zwölf Monathe, der Winde und so ferner. 2. Figürlich. 1) Ein Vorwand, ein Vorgeben; im Gegensatze der That oder der Realität. Jemanden unter dem Nahmen der Freundschaft betriegen, unter dem Scheine. Etliche sind mit dem Nahmen und nicht der That nach Freunde, Sir. 37, 1. ( S. Nahmenchrist.) 2) In jemands Nahmen, an dessen Statt. Sage es ihm in meinem Nahmen. Es ward ihm im Nahmen des Richters befohlen; in den Kanzelleyen, Nahmens des Richters. Ich bin gekommen in meines Vaters Nahmen, Joh. 5, 45, an dessen Statt, oder auch wohl auf dessen Befehl. 3) Auf jemandes Nahmen Waaren ausnehmen, borgen, Schulden machen, auf dessen Credit. Der Wein ist auf unsers Freundes Nahmen gehohlet worden, unter der Versicherung, dem Vorgeben nach, daß es für ihn sey. 4) In jemands Nahmen, im Vertrauen auf dessen Verheißung; doch nur in der Deutschen Bibel und biblischen Schreibart. Thut alles in dem Nahmen des Herren Jesu, Col. 3, 17. So ihr den Vaters etwas bittet werdet in meinem Nahmen, Joh 16, 26. 5) Im Nahmen Gottes des Vaters u. s. f. in der Taufformel, bedeutet in dessen Gemeinschaft und zum Bekenntniß derselben, welchen Sinn auch die biblische R. A. hat, auf eines Nahmen taufen. Im Nahmen Gottes wandeln Mich. 4, 5, in dessen Gemeinschaft. Welche Arten des Ausdruckes außer der biblischen Schreibart nicht üblich sind. 6) Die Nachrede. Ich mag den Nahmen nicht haben, daß er mir gedienet hat, mag es nicht von mir gesagt haben. In engerer Bedeutung, das Urtheil anderer von unserer bürgerlichen und sittlichen Beschaffenheit, welches denn durch Beywörter näher bestimmt wird. Einen großen Nahmen haben, hinterlassen. Sich einen unsterblichen Nahmen machen. Jemanden einen bösen Nahmen machen. Der ehrliche Nahme, das öffentliche Urtheil anderer von unserer gehörigen bürgerlichen Beschaffenheit, so wie der gute Nahme auch auf die weitere sittliche Beschaffenheit gehet. Seinen guten Nahmen, seinen ehrlichen Nahmen retten, vertheidigen. Jemandes ehrlichen Nahmen kränken, schwächen, ihn um seinen guten Nahmen bringen. 7) Ein Volk, eine Nation; doch nur in einigen wenigen Arten des Ausdruckes. Ein Feind des christlichen Nahmens, des Deutschen Nahmens seyn, eigentlich alles dessen, was Christ, oder ein Deutscher heißt. 8) Die Nachkommen, Personen, welche von jemanden abstammen, weil sie dessen Nahmen führen; doch nur in der Deutschen Bibel. Mein Schwager, wegert sich, seinem Bruder einen Nahmen zu erwecken, 5 Mos. 25, 7. Ihren Nahmen vertilgest du, Ps. 9, 6. Und so in andern Stellen mehr. 9) * Die Person. So werden die drey Personen in der Gottheit bey den ältern Schriftstellern des 12ten und der folgenden Jahrhunderte häufig die drey Nahmen genannt. Got durh die sinin Numen driu Walther von der Vogelweide. Der jünger fraget, was sollen wir gelauben; der Meister sprach, das in Gott drey namen sein, und das die drey Namen ein ware Gotheit ist, Lucidar. Bey eben diesen Schriftstellern bedeutet daher Mannsname so viel wie Mannsperson, und Frowenname Frauensperson. Die Manns-Namen sollen schweren, u. s. f. im Straßburg. Stadtrechte. In der Deutschen Bibel wird unter dem Nahmen Gottes oft Gott selbst verstanden. Außer dem ist es in dieser Bedeutung im Hochdeutschen ganz veraltet. Im Lateinischen wurde Nomen in diesem Verstande schon im 4ten Jahrhundert gebraucht.

Anm. Dieses überaus alte Wort lautet bey dem Ulphilas Namo, bey dem Kero und im Isidor Nemi, bey dem Willeram und seinen Zeitgenossen Namo, im Nieders. Name, im Angels. Noman, Nama, im Engl. Name, im Schwed. Namn, im Finnländ. Nimi, im Irländ. Nimb, im Wallach. wo es auch die Nachrede bedeutet, Neme, im Alban Nam, sogar im Pers. Nam, und im Malabar. Namam. Das Krainerische Imi hat das n weggelassen, so wie das Dänische Nave und Isländ. Nafn einen andern Endlaut haben, und das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - noch ein o vor dem n angenommen hat. Es stammet gewiß nicht von dem Lat. Nomen her, von welchem allenfalls das Ital. Nome und Franz. Nom entlehnet seyn können, sondern ist ein alter Seitenverwandter desselben, wie aus dessen ausgebreiteten Umfange wohl erweislich ist. Es stammet von dem im Hochdeutschen veralteten Zeitworte nahmen her, welches noch in dem Niederdeutschen nöhmen, und in den Oberdeutschen benahmen, beniehmen, benahmsen übrig ist, und ehedem nicht bloß nennen, sondern reden, sprechen, überhaupt bedeutet hat, so daß es allerdings als ein naher Verwandter von dem Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , sprechen, angesehen werden muß. Unser vernehmen, hören, scheinet gleichfalls zu diesem Geschlechte zu gehören. S. auch Nennen. Einige Mundarten pflegen diesem Worte in der ersten einfachen Endung gern noch ein müßiges n anzuhängen, der Nahmen, so wie sie auch der Glauben, Samen, Knaben u. s. f. für Glaube, Same, Knabe sagen. Man gibt dieses gemeiniglich der Obersächsischen Mundart Schuld; allein hier wird solches doch bey weiten nicht so häufig gehöret, als in andern Gegenden. Der Regel nach muß dieses Wort mit einem h geschrieben werden, weil die vier flüssigen Buchstaben l, m, n, r, dasselbe gern vor sich haben. Man hat es auch bis auf Gottscheds Zeit beständig so geschrieben. Dieser verbannete das h, theils weil er glaubte, daß dieses Wort unmittelbar von dem Lateinischen abstamme, welches ohne h geschrieben wird, theils um den Feinden des h doch in etwas nachzugehen. Beyde Bewegungsgründe waren unzulänglich, und der erste völlig falsch. Gesetzt aber auch Nahme stamme von dem Lat. Nomen her, so hat es doch seit unendlichen Zeiten das Bürgerrecht gewonnen, und sich in andern Umständen der Deutschen Sprache gemäß gebildet, so, daß es sich auch in der Schreibart nach derselben fügen muß. Wer daher Name schreiben will, weil es dem Lateinischen gemäßer ist, muß vielmehr Nome oder Nomen schreiben, welches ihm noch ähnlicher ist.


Nahmenbuch (W3) [Adelung]


Das Nahmenbuch, des -es, plur. die -bücher, eigentlich ein Buch, in welchem Nahmen, und in engerer Bedeutung eigenthümliche Nahmen verzeichnet sind; in welcher Bedeutung es aber wohl nicht leicht vorkommt. Einige haben ein Wörterbuch oder Lexicon ein Nahmenbuch nennen wollen, aber wenig Bey fall erhalten. Nach dem Frisch wird in Franken und andern Oberdeutschen Gegenden ein Buchstabierbüchlein für Kinder ein Nahmenbuch genannt.


Nahmenchrist (W3) [Adelung]


Der Nahmenchrist, des -en, plur. die -en, eine Person, welche nur dem Nahmen nach ein Christ ist, ohne es in der That zu seyn; ein Scheinchrist, in der harten Sprechart ein Maulchrist, zum Unterschiede von einem wahren Christen.


Nahmenlos (W3) [Adelung]


Nahmenlos, -er, -este, adj. et adv. keinen Nahmen habend, des Nahmens beraubt. 1) In der eigentlichen Bedeutung des Wortes Nahme, und ohne Comparation. Ein nahmenloser Schriftsteller, der sich nicht genannt hat; ein Anonymus. Ein nahmenloses Buch, dessen Verfasser sich nicht genannt hat. Im Nieders. nennet man kleine Kinder, welche noch keinen Nahmen haben, Namenliesken, welches aus nahmenlos verderbt ist. 2) Unaussprechlich, was sich wegen der Menge oder des hohen Grades der Intensität nicht nennen oder ausdrucken lässet; in der höhern Schreibart der Neuern. Diese nagende Angst, diese nahmenlose Pein vermag ich nicht zu ertragen. Wehe mir, wehe des nahmenlosen Jammers! Weiße. Wer zählet die nahmenlosen Feinde des Lebens? 3) So fern Nahme den Ruhm, guten Nahmen, bedeutet, ist nahmenlos in der edlen und anständigen Schreibart unberühmt. Nahmenlose Schriftsteller, dunkle, unberühmte. So auch die Nahmenlosigkeit.


Nahmenregister (W3) [Adelung]


Das Nahmenregister, des -s, plur. ut nom. sing. ein Register, d. i. Verzeichniß von Nahmen, besonders eigenthümlicher Nahmen.


Nahmenstag (W3) [Adelung]


Der Nahmenstag, des -es, plur. die -e, derjenige Tag, dessen Nahme im Kalender zugleich jemandes Taufnahme ist; das Nahmensfest, so fern er als ein festlicher Tag betrachtet wird. Seinen Nahmenstag feyern.


Nahmentlich (W3) [Adelung]


Nahmentlich, adj. et adv. mit Nahmen, mit ausdrücklicher Anzeige des Nahmens einer oder mehrerer Dinge. Eine nahmentliche Anzeige von etwas thun. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es auch für das folgende nähmlich üblich. Das t in der Mitte ist das t euphonicum, welches dem n so gerne nachschleicht, S. N und T.


Nahmhaft (W3) [Adelung]


Nahmhaft, -er, -este, adj. et adv. welches auf doppelte Art gebraucht wird. 1. Als ein Nebenwort allein, ohne Comparation, wo etwas nahmhaft machen, es nennen, dessen Nahmen anzeigen ist Den Thäter zu erfahren und nahmhaft zu machen suchen. Sich nahmhaft machen. ( S. Nahmkundig.) 2. Als ein Bey- und Nebenwort. 1) * Für ausdrücklich, bestimmt; eine im Hochdeutschen völlig unbekannte Bedeutung, welche zuweilen im Oberdeutschen vorkommt. Ein nahmhafter Befehl, ein gemessener, ausdrücklicher. 2) Beträchtlich, ansehnlich; am häufigsten im Oberdeutschen und in den Hochdeutschen Kanzelleyen. Eine nahmhafte Summe Geldes. Der Schade war nicht geringe, er war nahmhaft. Einen nahmhaften Vorrath von etwas liegen haben. Man hat nahmhafte Schulden für ihn bezahlt. Es kostet mich ein Nahmhaftes. Ingleichen berühmt, einen guten, ansehnlichen Nahmen habend; im mittlern Lat. nominativus, Franz. renomme. Dieweyl Ewer kunigl. Mayestat von dem teuerlichsten eltisten und nahmhaftigisten geschlecht der Christenhait iren vrsprung hat, Theuerd. in der Zuschr. Ich bin ein Bürger einer nahmhaftigen Stadt in Cilicien, Apostelg. 21, 39. Diese wurden nahmhaftige Fürsten in ihren Geschlechten, 1 Chron. 5, 38. In welchem Verstande es doch der edlern Schreibart gleichfalls fremd ist.

Anm. Bey dem Ottfried ist namahafto mit Nahmen, nahmentlich. Nahmhaftig für nahmhaft ist eine unnütze Oberdeutsche Verlängerung.


Nahmkundig (W3) [Adelung]


Nahmkundig, -er, -ste, adj. et adv. welches gleichfalls im Oberdeutschen und in den Hochdeutschen Kanzelleyen am üblichsten ist, dem Nahmen nach bekannt, deutlich bestimmt. Etwas nahmkundig machen, nahmhaft. Eine nahmkundige (bestimmte, ausdrücklich genannte) Summe Geldes. Eben daselbst wird es auch zuweilen für nahmhaft, so fern es für beträchtlich, ansehnlich, berühmt stehet, gebraucht, welche Bedeutung auch das Schwed. namnkunnig und das Angels. namcuth hat.


Nähmlich (W3) [Adelung]


Nähmlich, adj. et adv. Superl. nähmlichste, welches in dreyfacher Gestalt vorkommt. 1) * Als ein Bey- und Nebenwort, für nahmentlich, mit Nahmen, welches die erste eigentliche Bedeutung dieses Wortes ist, die aber, wenigstens im Hochdeutschen, gar nicht mehr vorkommt. Nämlich und besonder in der Acht begriffen, in Goldasts Reichssatz bey dem Frisch. 2) + Als ein Fürwort, für eben derselbe, entweder so fern Nahme ehedem für Person gebraucht wurde, oder auch für, der vorher genannte. Der nähmliche Freund, den wir gestern sahen, eben derselbe. Wo man auch wohl im Superlativ der nähmlichste sagt. In den gemeinen Sprecharten Ober- und Nieder-Deutschlandes ist diese Bedeutung überaus häufig, daher es auch manchen sonst guten Hochdeutschen Schriftstellern anklebt, welche sich aber dieses Wortes billig enthalten sollten, indem es in der reinen und anständigen Schreibart überaus widrig und unangenehm klingt, auch völlig überflüssig und unnöthig ist, da eben derselbe dessen Begriff völlig erschöpfet. Ausführlicher habe ich dieses in meinen Magazine, B. 2, St. 1, S. 143 zu beweisen gesucht. 3) Als ein Nebenwort allein da es auch in der anständigen Schreibart, sehr häufig gebraucht wird, die nahmentliche und nähere Bestimmung einer vorher nur allgemein bestimmten Sache zu begleiten. Niemand fähret gen Himmel, denn der von Himmel hernieder kommen ist, nämlich des Menschen Sohn, der im Himmel ist, Joh. 3, 13. Ich will dir das Land geben, nämlich das ganze Land Canaan, 1 Mos. 17, 8. Und weil wir solches wissen, nemlich die Zeit, daß die Stunde da ist, Röm. 13, 11. Es kamen ihrer drey, nähmlich Cajus, Titius und Mylius.

Anm. In der letzten Bedeutung im Oberd. namlich, namhlich, im Nieders. namtlik, benamen, im Dän. nemlich, im Schwed. nämligen, im Engl. namely, bey dem Krainerischen Wenden namrezh, woraus dessen Abstammung von Nahme wohl unläugbar wird, zumahl da nahmentlich, von welchem nähmlich nur die verkürzte Form ist, im Oberdeutschen. noch für das letztere gebraucht wird. Die Lat. nempe und nimirum scheinen auf ähnliche Art von nomen gebildet zu seyn, ob sie sich gleich ein wenig mehr von ihrer Quelle entfernet haben. Man schreibt dieses Wort bald nämlich, bald aber auch nehmlich und nemlich. Die erste Schreibart gründet sich auf die unrichtige Schreibart des Wortes Nahme, da man es für einen Abkömmling von den Lat. Nomen hält, und daher das h wegläßt; die zweyte auf die erweislich falsche Ableitung von nehmen, und die dritte auf eine eben so unrichtige von dem Lat. nempe. In vornehmlich, vernehmlich und annehmlich ist das e hingegen richtig, weil diese Wörter unläugbar von nehmen abstammen.


Nähnadel (W3) [Adelung]


Die Nähnadel, plur. die -n, eine mit einem Öhre versehene und zum Nähen dienliche Nadel, zum Unterschiede von einer Stecknadel.


Nähpult (W3) [Adelung]


Das Nähpult, des -es, plur. die -e, ein Pult des andern Geschlechtes, die Sachen, an welchen genähet wird, an dem auf demselben befindlichen Küssen zu befestigen, und in dem Pulte allerley zum Nähen dienliche Sachen zu bewahren. S. Pult.


Nährahm (W3) [Adelung]


Der Nährahm, des -es, plur. die -e, oder der Nährahmen, des -s, plur. ut nom. sing. ein Rahm aus vier glatt gehobelten Latten, ein Stück Zeuges, welches ausgenähet oder gesticket werden soll, darin auszuspannen.


Nähren (W3) [Adelung]


Nähren, verb. reg. welches in doppelter Gestalt gebraucht wird. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben. 1) Absolute, nahrhafte Theile enthalten, solche Theile enthalten, welche durch ihren Übergang in den thierischen Körper dessen Theilen Zusatz geben und die auf mancherley Art abgehenden Theile ersetzen. Mehlspeisen nähren gut. Der Kohl nähret schlecht. 2) Mit der vierten Endung des Nennwortes, solche Nahrung geben. Diese Speise hat mich gut genähret. In welcher Bedeutung es doch seltener vorkommt. 2. Als ein Activum. 1) In engerm Verstande, Speise geben, darreichen. (a) Eigentlich, in welcher jetzt veralteten Bedeutung neran bey dem Ottfried für speisen vorkommt. Man findet es nur noch zuweilen in weiterm Verstande, als gewöhnliche Speise geben und darreichen. Du nährtest dein Volk mit Engelspeise, Weish. 16, 20. Auch als ein Reciprocum. Sie nähren sich vom gottlosen Brot, Sprichw. 4, 17. (b) Figürlich, die innere Stärke befördern. Geduld durch Grundsätze genährt und durch Schicksale gehärtet. Wir müssen unsere Seele mit Grundsätzen der Tugend genährt haben. 2) In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung, die nöthigen Nahrungs- und Unterhaltungsmittel des thierischen Lebens gewähren, darreichen. (a) Eigentlich. Sehet die Vögel unter dem Himmel - und euer himmlischer Vater nähret sie doch, Matth. 6, 26. Er nährete ihn mit den Früchten des Feldes, 5 Mos. 32, 13. In häuslicher Stille von unserer Arbeit genährt, Geßn. Eine Schlange im Busen nähren. In dieser Bedeutung, wofür jetzt ernähren üblicher ist, kommt es noch zuweilen in der höhern Schreibart vor. Gewöhnlicher ist es in Gestalt eines Reciproci, sich nähren, sich die nöthigen Nahrungsmittel, sich den Unterhalt verschaffen; obgleich auch hier das zusammen gesetzte ernähren gebraucht wird. Sich kümmerlich, reichlich nähren. Die Sache, welche zum Erwerbungsmittel der Nahrung dienet, bekommt die Vorwörter von und mit. Sich mit Spinnen, mit Stehlen nähren. Sich vom Raube nähren. Ein einziger alter Eichbaum ist eine Welt für ganze Heere verschiedener Thiere, die sich von ihm nähren, Gell. Im Oberdeutschen gebraucht man es häufig mit der zweyten Endung. Sich Bettelns nähren, Opitz, vom Betteln. Der sich der wurtzlen neren thut, Hans Sachs; welche Wortfügung auch in der Deutschen Bibel nicht selten ist. Sich seines Schwertes nähren, 1 Mos. 27, 40. Sich seiner Hände Arbeit nähren, Ps. 128, 2. (b) Figürlich, den Grund der Fortdauer einer Sache enthalten. Der Traurige liebt alle die Bilder, die seine Leidenschaft nähren. In welcher Bedeutung ernähren nicht üblich ist.

Anm. In der heutigen Bedeutung schon bey dem Ottfried neran und gineren, im Nieders. nären, im Schwed. nära, im Dän. nähren, im Engl. to nurse und nourrish, im Norweg. nörrie, und sogar im Grönländ. nerrick. Es scheinet zu naschen und nießen in genießen zu gehören, und eigentlich essen und zu essen geben, bedeutet zu haben, zumahl da auch ehedem nesen dafür üblich war, wie sogleich erhellen wird. Das Lat. nutrire ist sichtbar damit verwandt, entweder vermittelst des schon gedachten nesen, nießen, weil s und t beständig in einander übergehen, oder auch so, daß das t in dem Deutschen nähren ausgestoßen, oder in dem Lat. nutrire eingeschaltet worden. Die Italiäner sagen mit einem weichen d nodrire, und die Franzosen stoßen auch dieses d nach Art der Niedersachsen ganz aus, nourrir. ( S. Naschen und Nahrung.) Für Nährung ist zuweilen das Nähren; oft aber auch Ernährung üblich. Einige Mundarten sprechen es mit einem scharfen e aus, daher man es auch oft nehren geschrieben findet. Ehedem wurde dieses Wort sehr häufig auch in weiterer Bedeutung theils für erretten, befreyen, theils aber auch für heilen, von einer Krankheit befreyen, gebraucht, da es denn auch nesan, genesan lautete, weil r und s sehr oft mit einander abwechseln. So kommt nerren schon im Isidor für salvare vor. In dieser Bedeutung ist es längst veraltet, außer daß genesen noch in der mittlern Gattung davon übrig ist, S. dasselbe.


Nahrhaft (W3) [Adelung]


Nahrhaft, -er, -este, adj. et adv. von dem alten Nahr für Nahrung, S. das letztere. 1) Nahrung gebend, im eigentlichsten Verstande, nährend, in der ersten Bedeutung des Neutrius nähren, d. i. viele solche Theile enthaltend, welche die auf mancherley Art abgehenden Theile der thierischen Körper wieder ersetzen. Nahrhafte Speisen. Die Milch ist sehr nahrhaft. In weiterer Bedeutung, für fett, gedüngt, natürliche Erde mit Mist nahrhaft gemacht, ist es nur in einigen Gegenden üblich. 2) In einigen Gegenden bedeutet es auch, begierig seine Nahrung zu suchen, sich zu nähren, ein nahrhafter Mensch; in welcher es aber im Hochdeutschen gleichfalls unbekannt ist.


Nahrhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Nahrhaftigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es nahrhaft ist, besonders einer Speise, in der ersten Bedeutung des vorigen Wortes.


Näh-Riemen (W3) [Adelung]


Der Näh-Riemen, (von nähen,) des -s, plur. ut nom. sing. bey den Sattlern, dünne lederne Riemen, damit zu nähen.


Näh-Ring (W3) [Adelung]


Der Näh-Ring, des -es, plur. die -e, ein Fingerring, im Nähen die Nähnadel damit fortzudrücken, dergleichen z. B. die Schneider und Schuster gebrauchen, und statt dessen sich die Nähterinnen des Fingerhutes bedienen.


Nährlich (W3) [Adelung]


* Nährlich, -er, -ste, adj. et adv. welches nur noch im gemeinen Leben einiger Gegenden üblich ist, wo es für genau, kaum, kümmerlich gebraucht wird. Sich nährlich behelfen, kümmerlich, sparsam. Ein nährlicher Mann, ein genauer, der alles zu Rathe hält. Nährliche Zeiten, kümmerliche. Es gehet nährlich zu, knapp, sparsam, genau. Es wird dazu nährlich zu- reichen, kaum. Nährlich haushalten, sparsam. Nährlich genug haben, kaum.

Anm. Es scheinet nicht von nähren und Nahrung herzukommen, sondern von nahe, genau, welches in vielen verwandten Sprachen statt des Hauches ein r hat, wie das Englische near. ( S. Nahe.) Von nähren ist im Nieders. närig sparsam, haushältig, und Närigkeit Sparsamkeit, gute Wirthschaft.


Nahrlos (W3) [Adelung]


Nahrlos, -er, -este, adj. et adv. von dem alten Nahr, ( S. Nahrung.) 1) Keine Nahrung gebend, gewährend, in der ersten Bedeutung dieses Wortes; im Gegensatze des nahrhaft. Nahrlose Speisen. Noch häufiger, 2) der Nahrung, d. i. der Gewährung des Unterhaltes und der Gelegenheit selbigen zu erwerben beraubt. Nahrlose Zeiten. Ein nahrloses Land.


Nahrlosigkeit (W3) [Adelung]


Die Nahrlosigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es nahrlos ist, besonders in der letzten Bedeutung des vorigen Wortes.


Nährstand (W3) [Adelung]


Der Nährstand, des -es, plur. inus. in der Moral, derjenige Stand unter den Menschen, welcher sich zunächst mit der Erwerbung seiner Nahrung, d. i. seines Unterhaltes, beschäftiget; zum Unterschiede von dem Lehrstande und Wehrstande. S. Stand.


Nahrung (W3) [Adelung]


Die Nahrung, plur. die -en. 1. Dasjenige, was nähret. 1) Eigentlich. Diejenigen Theile eines genießbaren Körpers, welche durch ihren Übergang in den thierischen Körper denselben erhalten und stärken, d. i. die auf mancherley Art abgehenden Theile ersetzen; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. Kohl gibt eine schlechte Nahrung. Milch gibt viele Nahrung. Die abgehenden Theile der thierischen Körper müssen durch neuen Zugang der Nahrung ersetzt werden. ( S. Nahrhaft und Nähren.) 2) In weiterer Bedeutung, derjenige genießbare Körper, welcher solche Theile enthält. (a) Eigentlich. Speise und Trank, so wohl von Menschen als Vieh; als ein Collectivum und ohne Plural. Ich will dir Kleider und deine Nahrung geben, Richt. 17, 10. Die Äcker bringen keine Nahrung, Habac. 4, 17. Wachteln zur Nahrung, Weish. 16, 2. In großer Dürre findet das Vieh keine Nahrung auf dem Felde. Der täglichen Nahrung mangeln, Jac. 2, 15. (b) Figürlich, was die Fortdauer des Feuers, und in noch weiterer Bedeutung eines andern Dinges befördert und vermehrt; ohne Plural, außer allenfalls von mehrern Arten. Dem Feuer frische Nahrung geben. Fett ist des Feuers Nahrung. Der Flamme die Nahrung entziehen. Nahrung für seine Witzbegierde finden. Menschenfreundliche Neigungen sind eine süße Nahrung edler Herzen, Gell. Immer neue Nahrung zum Vertrauen auf die Vorsehung einsammeln, ebend. Das Herz wird in der Wohlfahrt der andern die Nahrung seiner Freude finden, ebend. Fliehe alles, was deiner Flamme Nahrung gibt. Thörigte Wünsche, die aus einer abgöttischen Meinung von sich selbst ihre Nahrung ziehen. 3) In noch weiterm Verstande, der Unterhalt, d. i. alles was zur Erhaltung des natürlichen Lebens dienet; ohne Plural. Der zeitlichen Nahrung warten, Sir. 38, 38. Kein Kriegsmann flieht sich in die Händel der Nahrung, 2. Tim. 2, 4. Sorgen der Nahrung, Nahrungssorgen. Seine Nahrung in einem Lande suchen. Seiner Nahrung nachgehen. Jemanden seine Nahrung entziehen. 2. Der Inbegriff aller derjenigen Mittel, womit man sich die Nahrung der vorigen Bedeutung verschaffet, das Gewerbe; auch ohne Plural, außer allenfalls von mehrern Arten. Die Nahrung gehet schlecht. Was treibst du für Nahrung? Was ist eure Nahrung? 1 Mos. 46, 33. Auf die Nahrung erpicht seyn. Die Braunahrung, der Bierbrau als ein Gewerbe, als ein Mittel des Unterhaltes betrachtet. So auch die Schenknahrung u. s. f. Da denn in manchen Gegenden dieses Wort auch zuweilen im Con- creto gebraucht wird, z. B. zwey Schenknahrungen, drey Braunahrungen, d. i. so viele mit der Schenk- oder Braugerechtigkeit versehene Häuser. Auch in Absicht der äußern Umstände, der Gelegenheit und Mittel von außen, sich den nöthigen Unterhalt zu verschaffen; ohne Plural. Die Nahrung ist schlecht, geht nicht. Gute Nahrung, schlechte Nahrung haben. Es ist keine Nahrung unter den Leuten, es fehlt unter ihnen an Gelegenheit, sein Brot zu verdienen. Eine Stadt hat gute Nahrung, wenn mehrere Menschen leichtlich ihren Unterhalt in derselben finden.

Anm. Im Nieders. gleichfalls Narung, im Dänischen und Schwed. Näring, im Pohln. Nerzeia. Es scheinet von dem veralteten Nar, Nara, welches im Tatian und andern ältern Schriftstellern, für Speise, Nahrung, noch häufig vorkommt und der Ableitungssylbe -ing oder -ung zusammen gesetzet, und also nicht zunächst von nähren gebildet zu seyn; da es denn eigentlich ein nährendes Ding bedeuten würde.


Nahrungsgeld (W3) [Adelung]


Das Nahrungsgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, in einigen Ländern, eine Art von Abgabe, welche nicht von den Grundstücken, sondern von der Nahrung, d. i. dem Gewerbe gegeben, und daher auch Gewerbegeld, Gewerbesteuer, Nahrungssteuer genannt wird. S. Gewerbegeld.


Nahrungsmittel (W3) [Adelung]


Das Nahrungsmittel, des -s, plur. ut nom. sing. das Mittel der Nahrung, d. i. der Erhaltung des natürlichen Lebens; in welchem Verstande alle Arten der Speisen und der Getränke Nahrungsmittel genannt werden.


Nahrungssaft (W3) [Adelung]


Der Nahrungssaft, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -säfte, der aus den Speisen in dem Magen bereitete Saft, welcher eigentlich die Nahrung der thierischen Körper ausmacht, und wegen seiner Ähnlichkeit mit der Milch, auch der Milchsaft genannt wird; Chylus.


Nahrungssorge (W3) [Adelung]


Die Nahrungssorge, plur. die -n, Sorgen für die Nahrung, d. i. Erhaltung des natürlichen Lebens, Sorgen der Nahrung.


Nähschule (W3) [Adelung]


Die Nähschule, plur. die -n, eine Schule, worin Personen des andern Geschlechtes im Nähen unterrichtet werden.


Nähseide (W3) [Adelung]


Die Nähseide, plur. inus. gezwirnte Seide zum Nähen, zum Unterschiede von andern Arten.


Naht (W3) [Adelung]


Die Naht, plur. die Nähte, von dem Zeitworte nähen. 1. Die Art und Weise zu nähen, ohne Plural; in welcher Bedeutung es bey den Nähterinnen sehr häufig ist, besonders in den Zusammensetzungen Hausnaht, Mahlernaht, Bildernaht u. s. f. 2. Der Ort, wo zwey oder mehr Stücke zusammen genähet worden. 1) In der weitesten Bedeutung, so fern nähen ehedem verbinden, zusammen fügen überhaupt bedeutete, da dieses Wort in vielen Fällen des gemeinen Lebens vorkommt. So wird die Fuge zwischen zwey Planken an den Schiffen, so selbige in der Länge zusammen stoßen, die Naht genannt. Bey den Blecharbeitern ist die Naht der Ort, wo zwey Stücke Blech durch Niethe mit einander verbunden werden, ( S. Kreuznaht.) In der Anatomie ist die Naht eine Art der Zusammenfügung, wenn zwey Knochen mit ihren ausgezähnten Enden, wie die Zähne zweyer Sägen in einander greifen, oder auch, wenn nur die Ränder über einander gehen; jene wird die wahre, diese aber die falsche Naht genannt. ( S. Kranznaht, Pfeilnaht und Winkelnaht, welche drey Nähte sich an den Beinen des Kopfes befinden). Die Naht an dem Hodensacke ist die schmale Vertiefung in der Mitte, welche ihn gleichsam in zwey Theile theilet. Wegen der Ähnlichkeit werden auch an den haarigen Thieren solche Striche von Haaren, welche das Fell gleichsam in zwey Theile zu theilen scheinen, Nähte genannt. 2) In engerer Bedeutung, so fern nähen mit Nadel und Faden zusammen fügen bedeutet, ist die Naht derjenige Ort, wo zwey Stücke auf solche Art in die Länge zusammen gefüget worden. Eine Naht machen. Die Naht auftrennen. Die Naht gehet auf, reißt auf. Das Kleid reißt aus allen Nähten. Jemanden auf die Naht fühlen, ihn ausforschen, ingleichen, ihn auf die Probe stellen, wo die Figur dunkel ist, wenn sie nicht mit den in Niedersachsen üblichen R. A. auf die Naht (nähmlich der Geldtasche) greifen; aus der Naht klauben, die letzten Pfennige in der Tasche zusammen suchen, kein Geld mehr haben, zusammen hängt, so daß jemanden auf die Naht fühlen, eigentlich seinen Vermögenszustand auszuforschen suchen bedeuten würde.

Anm. Im Nieders. und Dän. Naad. Es stammet unmittelbar von nähen ab, welches im Mittelworte bey dem Ottfried ginat lautet, und wird daher richtiger Naht als Nath geschrieben. Vermittelst dieses Zeitwortes hänget es mit Nodus, Nieth und Nuth genau zusammen, welche in dem Begriffe der Verbindung insgesammt mit einander überein kommen.


Nähterey (W3) [Adelung]


Die Nähterey, plur. die -en, die Art und Weise zu nähen, die Naht. Die künstliche Nähterey. Das Nähen selbst, ohne Plural. Sich mit der Nähterey beschäftigen. Über der Nähterey sitzen. Ingleichen genähete oder ausgenähete Arbeit.


Nähterinn (W3) [Adelung]


Die Nähterinn, plur. die -en, eine Person weiblichen Geschlechtes, welche nähet, und in engerer Bedeutung, welche aus dem Nähen ihr vornehmstes Geschäft macht; in einigen Gegenden auch die Näherinn, welches der Analogie unzähliger anderer Wörter gemäßer ist, dagegen der Nähterinn von Naht, oder von einem veralteten Zeitworte naten für nähen ( S. Niethen) gebildet zu seyn scheinet. Nieders. Naierske.


Nachthaken (W3) [Adelung]


Der Nachthaken, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Kürschnern, eine Art kleiner Zange, die Enden der Felle an die Naht herbey zu ziehen, um sie ohne Runzeln an einander zu heften.


Nähzeug (W3) [Adelung]


Das Nähzeug, des -es, plur. die -e. 1) Alles was zum Nähen gehöret; als ein Collectivum und ohne Plural. 2) Ein Gesteck, oder Futteral mit den darin befindlichen und zum Nähen gehörigen Werkzeugen.


Naiv (W3) [Adelung]


Naiv, (zweysylbig,) -er, -este, aus dem Franz. naiv, und dieß vermuthlich aus dem mittlern Latein nativus, offenherzig. 1) Natürlich, der Natur des Gegenstandes angemessen; natürlich. Naive Gedichte, welche die Empfindungen der Natur des Gegenstandes gemäß ausdrucken. 2) Natürliche Gegenstände, ohne die durch den Wohlstand nothwendig gewordenen Umschweife ausdruckend; natürlich. In beyden Bedeutungen könnte man es entbehren, wenn nicht die Vieldeutigkeit des Wortes natürlich es zuweilen erforderte. 3) In der engsten in den schönen Künsten üblichen Bedeutung ist naiv und das Naive, das Unerwartete mit einer unschuldigen Offenherzigkeit verbunden. So auch die Naivheit, Franz. Naivete, so wohl als ein Abstractum und ohne Plural, als auch im Concreto von naiven Gedanken und Ausdrücken, mit demselben.


Name (W3) [Adelung]


Der Name, S. Nahme.


Nämlich (W3) [Adelung]


Nämlich, S. Nähmlich.


Napf (W3) [Adelung]


Der Napf, des -es, plur. die Näpfe, Diminut. das Näpfchen, Oberd. Näpflein, ein Wort, welches ehedem überhaupt ein jedes tiefes Gefäß bedeutet zu haben scheinet, und daher von verschiedenen Arten derselben gefunden wird. Und die Söhne Aaronis nahmen ein jeglicher seinen Napf, und thaten Feuer darein, 3 Mos. 10, 1. Und soll einen Napf voll Guth vom Altar nehmen, Kap. 16, 12; in welchen Stellen Michaelis das Wort Räuchfaß gebraucht. Die Lampen mit ihren Napfen, 4 Mos. 4, 9; Schälchen für die Lichtschnupfen, Michaelis. Die Messer, Becken, Löffel und Näpfe waren lauter Gold, 2 Chron. 4, 22. Jetzt ist es noch von verschiedenen Arten tiefen Gefäße üblich, welche man in manchen Fällen auch Schalen nennt, welchen Nahmen sie aber in manchen nicht bekommen können. Von ihrer Bestimmung bekommen sie allerley zusammen gesetzte Nahmen. Ein Milchnapf, der an manchen Orten auch ein Milchasch heißt, Käsenapf, die Käse darin zu bilden, ein Punschnapf, eine Punschschale, Suppennapf, tiefe Suppenschüssel, Suppenschale, Spülnapf, ein Spülkummet, ein Spucknapf, Hundenapf u. s. f. So auch im Diminutivo ein Suppennäpfchen, Vogelnäpfchen, den Vögeln darin zu essen oder zu trinken vorzusetzen, u. s. f. In das Näpfchen treten, im gemeinen Leben einiger Gegenden, z. B. im Meißen, einen Fehler begehen, und in engerer Bedeutung, sich aus Versehen Schaden thun. Bey jemanden ins Näpfchen treten, eben daselbst, sich ihm verhaßt machen. In einigen Salzwerken werden, dem Frisch zu Folge, auch die Salzpfannen Nappen genannt, ungeachtet sie verhältnißmäßig sehr flach sind.

Anm. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter Naff, im Schwabenspiegel Napfe. Bey dem Willeram und in den Monseeischen Glossen ist Napf ein Becher, welche Bedeutung auch das Schwed. Napp, das Angels. Nappe, Hnaeppe, das Isländ. und Nieders. Nap, das Altfranz. Hanap, das Bretagnische Anaf, das Ital. Nappo und andere mehr haben, welche aber auch zum Theile eine Schale und Schüssel bedeuten. Es gehöret zu dem Geschlechte der Wörter Nabe, Nabel, Navis, Napellus, und vielleicht auch zu offen, Ofen, Obba, u. s. f. weil doch das N in vielen Wörtern nur ein müßiger Vorschlag ist, S. N.


Napfkuchen (W3) [Adelung]


Der Napfkuchen, S. Aschkuchen.


Napfmorchel (W3) [Adelung]


Die Napfmorchel, S. Becherschwamm.


Naphtha (W3) [Adelung]


Die Naphtha, plur. car. ein Nahme, welchen man dem feinsten weißen Bergöhle gibt, welches auf allen Säften und Geistern schwimmet, und die Flamme sehr leicht an sich ziehet. Es stammet aus dem Arab. Naft her, indem man dieses Bergöhle dort zuerst kennen gelernet, ungeachtet es auch in einigen Gegenden Europens angetroffen wird.


Näppen (W3) [Adelung]


Näppen, Näpper, S. Noppen.


Narbe (W3) [Adelung]


1. * Die Narbe, plur. die -n, (nach der härtern Oberdeutschen Mundart die Narb, plur. die -en,) ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden übliches Wort, dasjenige Schließzeug an einer Thür zu bezeichnen, welches man in Regensburg eine Anlege, in andern Gegenden eine Klammer, und in Ober- und Niedersachsen eine Krampe nennet, d. i. dasjenige bewegliche Eisen, welches auf den Kloben passet, in welchen das Vorlegeschloß gehänget wird. In Steyermark heißt es nur die Arb, zur neuen Bestätigung des Satzes, daß das N zu Anfang vieler Wörter bloß zufällig ist, wie auch aus dem folgenden erhellet. Popowitsch leitet es von dem Altbrittischen Arf, Eisen, her, von welchem auch das Engl. Arrow, ein Pfeil, abstammen soll, welches sich aber auch zu werfen rechnen lässet.


Narbe (W3) [Adelung]


2. Die Narbe, plur. die -n, Diminut. das Närbchen, Oberd. Närblein, ein Wort, welches ehedem eine Vertiefung in die Länge bedeutet zu haben scheinet, jetzt aber nur noch am häufigsten von dem Überbleibsel einer zugeheilten Wunde gebraucht wird. Eine Narbe im Gesichte haben. Die Wunde hat eine Narbe zurück gelassen. Voller Narben seyn. Pockennarben oder Blatternarben. Ähnliche Vertiefungen auf der äußern Seite des zubereiteten Leders werden gleichfalls Narben genannt, daher die Leder- und Pergamentarbeiter auch die äußere Haut auf den Fellen, und zuweilen auch die ganze auswendige Seite einer Haut, auf welcher die Haare gesessen haben, die Narbe, und in einigen Gegenden den Närben nennen. Die Narbe wegnehmen, oder abnarben, die Oberhaut der Felle verletzen. In den Eyern der Eyer legenden Thiere ist die Narbe ein kleiner weißer Zirkel, in welchem sich das junge Thier entwickelt, so wie die Narbe an den Samen der Gewächse eine Vertiefung der Haut an der Stelle ist, wo der Same in seinem Gehäuse angewachsen war, Hilum L.

Anm. Im Sachsenspiegel Nare, im Niedersächs. Nare und Narve im Dän. Narv. Andere Sprachen haben dieses Wort nur ohne Anfangs N, wie das Schwed. Ärr, das Isländ. Aer, das Nord-Engl. Ar. das Esthländ. Ar, und das Finnländ. Aerpi, alle in der Bedeutung einer Narbe von einer Wunde. Da es in dieser Gestalt auch in einigen Gegenden Deutschlandes nicht selten seyn müsse, erhellet aus einen 1482 in Augsburg gedruckten Vokabelbuche, wo Cicatrix durch Arbe, Rense oder Mase gegeben wird. Es scheinet von ähren, arare, herzustammen, so fern solches Furchen in die Erde ziehen bedeutet. In der Grafschaft Rietberg nennet man die mit einem besondern Messer, welches das Siebt oder Heidesiebt genannt wird, abgeschnittene Heide, welche der Arbeiter, so wie er sie abschneidet, mit dem Rechen seitwärts schiebet, die Narbe, welches diese Ableitung bestätiget. Dieses Abschneiden selbst wird daselbst narben oder abnarben genannt. Übrigens ist dieses Wort der Hochdeutschen Mundart am geläufigsten, die Nieders. gebraucht dafür Schramme, Lidteken, Gliedzeichen, Liekteken, Fleischzeichen, und die gemeinen Oberdeutschen Mahlzeichen, Anmahl, Wundenmahl, Mase, bey dem Notker Wuntmale. S. auch Schmarre.


Narben (W3) [Adelung]


Narben, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es doch nur im gemeinen Leben einiger Gegenden vorkommt, eine Narbe geben, oder setzen. Die Wunde narbet sich, setzt eine Narbe. 2) Als ein Activum, wo es nur bey den Weißgärbern und Pergamentern üblich ist, und auch närben lautet. Ein Fell narben oder närben, die Haare oder Wolle von der äußern Seite abstoßen; entweder von den Narben, welche nachmahls auf dieser Seite sichtbar werden, oder auch so fern narben ehedem überhaupt schneiden, stoßen und schaden bedeutet hat, in welchem Verstande es noch in der Grafschaft Rietberg üblich ist, ( S. das vorige in der Anmerkung.) Im Nieders. narven. S. auch Abnarben.


Narbenseite (W3) [Adelung]


Die Narbenseite, plur. die -n, bey den Gärbern und Lederarbeitern, diejenige Seite einer Haut, auf welcher die Haare gesessen haben, und auf welcher nach der Zubereitung die Narben sichtbar sind; im Gegensatze der Fleisch- oder Aßseite. Sie wird zuweilen auch nur die Narbe schlechthin genannt.


Narbenstrich (W3) [Adelung]


Der Narbenstrich, des -es, plur. inus. bey den Weißgärbern, eine Art des Streichens der Felle, nachdem sie mit den Pumpkeulen gewalket worden, wo mit dem Streicheisen auf der Narbenseite nach der Länge gestrichen wird, um die Narbe nicht zu beschädigen. Einer Haut den Narbenstrich geben.


Narbig (W3) [Adelung]


Narbig, -er, -ste, adj. et adv. Narben habend. Ein narbiges Gesicht. Blatternarbig. Narbicht würde nur bedeuten, Narben ähnlich.


Narcisse (W3) [Adelung]


Die Narcisse, S. Narzisse.


Narde (W3) [Adelung]


Die Narde, plur. inus. eine Art des Bartgrases, dessen lange braunröthliche oder gelbbraune Wurzel den Cyperwurzeln gleicht, und einen angenehmen bittern Geschmack hat; Andropogon Nardus L. Es ist in Ostindien einheimisch. Weil es seinen Samen in einer Ähre trägt, so wird es gemeiniglich Spica Nardi, und im Deutschen Spike-Narde genannt. Die Narde, oder absolute Narden und das Nardenwasser kommen einige Mahl in der Deutschen Bibel vor, wie Hohel. 1, 12; Kap. 4, 13, 14; Marc. 14, 3; und Joh. 12, 3. Die Kretische Narde, ist eine Art Baldrianes, welche auf den höchsten Gebirgen Europens wächset, und gleichfalls eine gewürzhafte Wurzel hat, welche an Kräften die Baldrianwurzel noch übertrifft; Valeriana Celtica L. Unsere Haselwurz wird wegen ihres gewürzhaften Geruches von einigen wilde Narde genannt. S. Haselwurz. Anm. Der Nahme ist morgenländisch. Im Hebr. lautet er - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - woraus das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und Lat. Nardus entlehnet ist. Im Pers. lautet er Nardin. Einige gebrauchen das Wort im männlichen Geschlechte, der Narden.


Nardengras (W3) [Adelung]


Das Nardengras, des -es, plur. inus. eine Art des Grases, welches in den unfruchtbaren Gegenden Europens in großer Menge wächset, aber ein sehr schlechtes Heu gibt; Nardus L. Wegen seiner borstigen geraden Ähre heißt es im gemeinen Leben auch Borstengras und Pfriemengras, in der Schweiz aber Mätsch.


Nardenkraut (W3) [Adelung]


Das Nardenkraut, des -es, plur. inus. ein Nahme, welchen an einigen Orten der Schwarzkümmel, Nigella L. führet, der an andern auch Nardensamen genannt wird, weil der Same einen angenehmen Geruch, fast wie die Ostindische Narde hat.


Narr (W3) [Adelung]


Der Narr, des -en, plur. die -en, Fämin. die Närrinn, Diminut. das Närrchen, Oberd. Närrlein, ein Wort, welches im gemeinen Leben sehr häufig ist, alle Mahl aber, das Diminutivum etwa ausgenommen, einen harten und niedrigen Begriff hat. Es bedeutet, 1) Einen Menschen, welcher seltsame Possen macht, andere zu belustigen. Ein Narr seyn. sich zum Narren gebrauchen lassen. Einen Narren abgeben. Jemanden zum Narren dienen, eines Narr seyn, ihm zur ungereimten Belustigung dienen. Jemanden zum Narren haben, im gemeinen Leben, sich an seinen Schwachheiten auf eine ungebührliche Art belustigen. Jedes Narr seyn müssen. Daher Hofnarr, Schalksnarr u. s. f. In dieser Bedeutung lautet es auch im weiblichen Geschlechte Narr. In der vertraulichen Sprechart wird das Diminutivum Närrchen sehr häufig gebraucht, ein kleines, artiges, possierliches Ding zu bezeichnen, da es denn den harten und verächtlichen Nebenbegriff verlieret. Das gute Närrchen! Gell. von einer jungen Person. Ihr Herz ist ein gutes Närrchen, es läßt sich zu allem bereden, was ihrer Einbildung einfällt, Less. 2) Ein jeder Mensch, welcher der gesunden Vernunft auf eine grobe Art zuwider handelt, in der harten Sprechart, dagegen er in etwas gelinderm Verstande ein Thor genannt wird; im Gegensatze eines Klugen oder Weisen. Du bist ein Narr. Glauben sie, daß ich ein Narr bin? Jemanden zum Narren machen, ihn verleiten, ungereimte Dinge zu thun oder zu glauben. Jemanden zum Narren haben, ihm als einem Menschen begegnen, welcher der gesunden Vernunft zuwider zu handeln gewohnt ist. Einen Narren an etwas gefressen haben, in der niedrigen Sprechart, eine blinde unvernünftige Liebe auf etwas geworfen haben. Sich zum Narren studieren. Da man der gesunden Vernunft auf gar mancherley Art zuwider handeln kann, so gibt es auch mancherley Arten von Narren. Ein guter Narr, welcher die Gutherzigkeit oder Nachsicht über die Gränzen der gesunden Vernunft treibt. Ein Büchernarr, Putznarr, Kindernarr, Kleidernarr, Modenarr, Weibernarr u. s. f. welcher die Bücher, den Putz u. s. f. auf eine ungeordnete, vernunftwidrige Art liebt. In der Deutschen Bibel ist das Wort Narr sehr häufig, einen unbesonnenen unvernünftigen Menschen, ja oft einen jeden Gottlosen zu bezeichnen. Verschiedene Schriftsteller haben sich Mühe gegeben, den Unterschied zwischen einem Narren und Thoren zu bestimmen, welche bey den Wörter in diesem Verstande als gleichbedeutend angesehen werden können; aber keiner hat bemerkt, daß Narr hart und niedrig, Thor aber um einige Grade gelinder und anständiger ist. Narr setzt grobe Fehler wider die gesunde Vernunft voraus, Thor hat diesen Nebenbegriff nicht. Da das Geschlecht des Narren so zahlreich ist, und desto zahlreicher, je mehr jeder Mensch geneigt ist, nur sich mit Ausschließung anderer, Klugheit und Weisheit zuzuschreiben, so hat man auch von dieser Art Menschen eine Menge Sprichwörter, Maximen, und sprichwörtliche R. A. welche aber insgesammt nur in der Sprache des gemeinen Lebens einheimisch sind. Zur Probe dienen folgende. Narren muß man mit Kolben lausen, oder mit Keulen grüßen. Narren haben mehr Glück als Recht. Setze Narren nicht auf Eyer. So lange der Narr schweigt, hält man ihn für klug. Narren sind auch Leute. Hänge dem Narren nicht Schellen an, man kennt ihn so. Jedem Narren gefällt seine Weise, keine Kappe. Kinder und Narren reden die Wahrheit. Herren und Narren haben frey reden. Narren wirft man bald aus der Wiege. Ein Narr macht ihrer hundert. Die Narren wachsen ohne Begießen. Wenn die Narren kein Brot äßen, so würde das Korn wohlfeil seyn. Bey dem Trunke erkennt man den Narren. Ein Narr kann mehr fragen, als steben Weise antworten, u. s. f. Worunter sich aber einige auf die vorige erste, einige aber auch auf die folgende Bedeutung beziehen. Das Fämininum lautet in dieser Bedeutung bald der Narr, bald die Närrinn. In der vertraulichen Sprechart ist auch das Diminutivum Närrchen auf eine minder beleidigende Art üblich. 3) In engerer Bedeutung, ein Mensch, welcher des Gebrauches seiner Vernunft ganz unfähig ist; ein Wahnwitziger, Wahnsinniger, Alberner. Ein Narr werden. In dieser Bedeutung wird es, vermuthlich um die Zweydeutigkeit mit der vorigen Bedeutung zu vermeiden, wenig mehr gebraucht, obgleich Narrenhaus, Närrisch und noch einige andere noch in derselben üblich sind. Im weiblichen Geschlechte lautet es hier der Narr.

Anm. Im Nieders. Nare, im Dän. Nar, im Schwed. Narr. Die Abstammung ist dunkel und ungewiß, weil die meisten Wörter dieser Art Figuren enthalten, deren Veranlassung jetzt schwer anfzuspüren ist. Bey unsern ältern Oberdeutschen Schriftstellern kommt dieses Wort nicht vor; indessen ist es doch allem Ansehen nach sehr alt, denn im Angels. ist Narra, insania, und narriin, vecors. Ja Hesychius erkläret - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - durch - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Die Ableitungen, welche man von diesem Worte hat, sind größten Theils verunglückt. Einige lassen es von narrare abstammen, weil manche Narren sehr schwatzhaft sind, Wachter von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, da denn auch das Alban. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ein Narr, dahin gehören würde, Frisch auf eine überaus seltsame Art von dem Latein. Nare, nare detorta cavillari aliquem, Leibnitz von einem alten Nar, klein, da denn auch das Hebr. Naar, und Lappländ. und Finnländ. Nuori, ein Sohn, Jüngling, dahin gehören würden, anderer zu geschweigen. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - träge, unachtsam.


Narren (W3) [Adelung]


Narren, verb. reg. welches in doppelter Bedeutung gebraucht wird. 1) als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, auf eine große Art wider die gesunde Vernunft handeln, sich als ein Narr betragen; nur noch zuweilen im gemeinen Leben. Hast du genarret und zu hoch gefahren und Böses vorgehabt, Sprichw. 30, 32. Sey nicht allzu gottlos und narre nicht, daß du nicht sterbest zur Unzeit, Pred. 7, 18. Er narret zuweilen, handelt zuweilen närrisch. Denn das Gold der neuen Welt macht, daß alte Welt sehr narrt, Logau. Zuweilen auch spaßhaft handeln. Mit jemanden narren, mit ihm spaßen. In den niedrigen Sprecharten auch narriren und närrschen. S. auch Ausnarren und Vernarren. 2) Als ein Activum, mit der vierten Endung der Person. Jemanden narren, ihm so begegnen, so mit ihm umgehen, als wenn er des Gebrauchs seiner gesunden Vernunft beraubt wäre, besonders ihn aufziehen, mit vergeblicher Hoffnung aufhalten; auch nur in der niedrigen Sprechart. Es ist eine Schande - daß ein solch Weib sollte unbeschlafen von uns kommen, und einen Mann genarret haben, Judith. 12, 12. Er hat mich nun lange genug genarret, mit vergeblicher Hoffnung aufgezogen. Ingleichen, veriren, äffen, schrauben. Wenn ein großer Lehrer fehlt, soll man ihn nicht narren und eseln, Kaisersb. bey dem Frisch. Im Nieders. ist nirtnarren necken. Daher das Narren.


Narrenhaus (W3) [Adelung]


Das Narrenhaus, des -es, plur. die -häuser, ein Haus, in welchem Narren, d. i. wahnwitzige Personen, eingesperret und von der Gemeinschaft mit andern Menschen abgesondert werden; das Narren-Spital, das Tollhaus. An einigen Orten ist das Narrenhaus oder Narrenhäuschen ein auf einem Pflocke beweglicher Käfich an einem öffentlichen Orte, in welchen man geringe Verbrecher einzusperren und sie der öffentlichen Verspottung Preis zu geben pflegt; das Drillhäuschen.


Narrenkappe (W3) [Adelung]


Die Narrenkappe, plur. die -n, eine an ihren Zipfeln mit Schellen versehene Kappe, welche ehedem die Hof- und Schalksnarren zu tragen pflegten; die Schellenkappe. Sich um die Narrenkappe zanken, um den Vorzug in einer ungereimten Sache. Wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt der Blumen wird auch die Wolfswurz oder der blaue Sturmhut, Aconium Napellus L. in einigen Gegenden Narrenkappen genannt.


Narrenkolbe (W3) [Adelung]


Die Narrenkolbe, plur. die -n, oder der Narrenkolben, des -s, plur. ut nom. sing. ein Kolben, wie ihn ehedem die Schalksnarren zu tragen pflegten. Besonders wird der Rohr- oder Wasserkolben, Typha L. in einigen Gegenden Narrenkolben genannt, weil man ihn ehedem, wie Frisch will, den Hof- und Schalksnarren statt eines Gewehres in die Hände gegeben. ( S. Rohrkolben und Kolbe.) Auch ein kleines Stöckchen mit einer kleinen lächerlichen Figur an dem einen Ende in Gestalt einer Marionette, welche mit einer vielfarbigen Schellenkappe bedeckt ist, und mit welcher die Narrheit und Momus abgebildet zu werden pflegen, führet den Nahmen des Narrenkolbens, ohne Zweifel weil die Hof- und Schalksnarren ehedessen dergleichen zu tragen pflegten.


Narrenposse (W3) [Adelung]


Die Narrenposse, plur. die -n, Diminut. das Narrenpößchen, eigentlich die Posse eines Narren, ein Spaß, so wie freywillige Hof- und Schalksnarren denselben vorzubringen pflegen, eine Handlung, welche bloß zur ungeordneten Belustigung vorgenommen wird; in der niedrigen und harten Sprechart für das anständigere aber auch harte Narrentheidung und gelindere Spaß. Narrenpossen machen, treiben. In weiterer Bedeutung auch wohl eine unerhebliche, ungereimte Sache. S. Posse.


Narrenseil (W3) [Adelung]


Das Narrenseil, des -es, plur. inus. ein nur noch in einigen figürlichen R. A. übliches Wort. Am Narrenseile ziehen, mehrmahls närrische Handlungen begehen. Jemanden am Narrenseile führen, ihn äffen, mit vergeblicher Hoffnung aufziehen. Ohne Zweifel von einem veralteten Gebrauche der ehemaligen Hof- und Schalksnarren; oder auch von der Gewohnheit, wahnwitzige Personen an ein Seil zu legen.


Narrenspital (W3) [Adelung]


Das Narrenspital, des -es, plur. die -spitäler, S. Narrenhaus.


Narrentheidung (W3) [Adelung]


Die Narrentheidung, plur. die -en, Handlungen, welche bloß zur ungeordneten Belustigung vorgenommen werden. Narrentheidungen lasset von euch nicht gesaget werden, Epes. 5, 4. S. Theidung. Im gemeinen Leben auch Narretey.


Narrheit (W3) [Adelung]


Die Narrheit, plur. die -en. 1) Als ein Abstractum, und ohne Plural, die Fertigkeit, auf eine grobe Art wider die gesunde Vernunft zu handeln, besonders in der unrichtigen Bestimmung des Guten und Bösen; in der zweyten Bedeutung des Hauptwortes Narr. Seine Narrheit nicht verbergen können. In gelinde- rer Bedeutung ist dafür Thorheit üblich. 2) Eine darin gegründete Handlung, eine närrische Handlung, in der zweyten und dritten Bedeutung der Wörter Narr und Närrisch. Eine Narrheit begehen. Sich vieler Narrheiten schuldig machen. In Boxhorns Glossen Narraheit, im Nieders. Narrije.


Narriren (W3) [Adelung]


+ Narriren, S. Narren.


Närrisch (W3) [Adelung]


Närrisch, -er, -te, adj. et adv. 1) In der ersten Bedeutung des Hauptwortes Narr, einem solchen Narren ähnlich, in dessen Gemüthsart gegründet, possenhaft; in der harten und niedrigen Sprechart. Ein närrischer Mensch, ein Possenreißer. Närrische Handlungen begehen, possenhafte. In der weitern Bedeutung pflegt man in der niedrigen Sprechart wohl alles spaßhafte und lustige närrisch und mit einer Vergrößerung pudelnärrisch zu nennen. 2) Der gesunden Vernunft auf eine grobe Art zuwider, in der niedrigen Sprechart, wo es auch in noch weiterer Bedeutung sehr häufig für seltsam, ungewöhnlich überhaupt gebraucht wird. Ein närrischer Mensch. Eine närrische Kleidung. Es ging mir neulich närrisch, sonderbar. Das ist doch närrisch, sonderbar. 3) Des Gebrauchs der gesunden Vernunft beraubt; wahnwitzig, albern. Ein närrischer Mensch. Närrisch werden. Ich möchte mich närrisch lachen. Anm. Im Nieders. einiger Gegenden nursk, im Dän. narrisk. In der Deutschen Bibel kommt dafür Ein Mahl das veraltete närricht vor; ein närrichtes Volk, 5. Mos. 32, 21. Eben daselbst findet sich auch der Superlativ närrischte, Sprichw. 30, 2.


Närrschen (W3) [Adelung]


Närrschen, S. Narren.


Narwall (W3) [Adelung]


Der Narwall, des -es, plur. die -e, der nordische Nahme einer Art Wallfische, welche einen langen hervor ragenden Zahn an der linken Seite der obern Kinnlade hat, daher er auch das Einhorn oder das Seeeinhorn genannt wird; Monodon L. Die Schweden, welche vor dem w gern ein h gehen lassen, schreiben den Nahmen Narhvall. Von der letzten Sylbe, ( S. Wallfisch.) Die erste Sylbe, welche Frisch von nare, schwimmen, ableitet, gehöret unstreitig zu Nase, ein langes hervor ragendes Ding, welches auch in dem Lat. Nares das s in ein r verwandelt hat, eine über dieß sehr gewöhnliche Verwandlung.


Narzisse (W3) [Adelung]


Die Narzisse, plur. die -n, eine wohl riechende Blume und deren Pflanze, welche ein Zwiebelgewächs ist, und eine sechsblätterige, gemeiniglich weiße, oft aber auch gelbe Blume an einem geraden saftigen Stängel treibet; Narcissus L. An einigen Orten wird sie Zeitlosen, bey Hamburg Zittelrosen, weil sie um Ostern blühet, Osternlilie, Aprillenblume, im Norwegischen Pintzelilie, in und um Augsburg Glitzepfeule genannt. Im Nieders. heißt sie Tyrlösken, welcher Nahme vermuthlich mit Zeitlose überein kommt. Man hat ihrer verschiedene Arten, wohin auch die Joseph-Stäbe, die Crenelen, d. i. die mit ganz zugespitzten Blättern, die Rosen-Narzisse, Berg-Narzisse, Lilien-Narzissen, die Kugel-Narzissen oder Girandolen, die Tazetten, Jonquillen (Schonkiljen) und andere mehr gehören. Diese Blume, welche bey uns nur in den Gärten gezeuget wird, ist nebst ihrem Nahmen aus dem mittägigen Europa zu uns gekommen; Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Latein. Narcissus, und auch im Persischen Narguez, daher er morgenländischen Ursprunges zu seyn scheinet.


Nasal (W3) [Adelung]


Das Nasal, des -es, plur. die -e, in den Orgeln, ein Register, welches 1 1/2 Fuß Ton hat, nur zu andern Stimmen gezogen und auch die kleine Gemshorn-Quinte genannt wird. Aus dem Lat. nasalis, Nasale, weil es gleichsam nieselt, oder dem Singen durch die Nase ähnlich ist.


Naschen (W3) [Adelung]


Naschen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert. 1) Zum Vergnügen, aus Lüsternheit von etwas essen, zur Lust in kleinen Bissen essen, im Gegensatze des Essens zur Nahrung oder aus Hunger. von etwas naschen. Ich esse nicht, ich nasche nur. 2) In engerm Verstande, aus Lüsternheit von einer verbothenen Speise essen. So sagt man von den Katzen, von dem Gesinde u. s. f. daß sie naschen, das Naschen nicht lassen können u. s. f. Figürlich bedeutet es auch, das andere Geschlecht aus Lüsternheit liebkosen. Daher das Naschen. In den verwandten Sprachen kommt dieses Wort nicht vor. Es ahmet, wie schon Frisch vermuthet, den schmatzenden Laut nach, der bey manchen Leuten mit dem Essen schmackhafter Sachen verbunden ist, und ist mit nießen in genießen, nesen in genesen, und nähren verwandt, so fern sie insgesammt essen bedeutet haben. Ja wenn man das n als einen zufälligen Laut anstehet, so gehöret auch essen zu dieser Verwandtschaft, ( S. Naschmarkt.) Coler im Hausbuche gebraucht naschen ausdrücklich für schmatzen. In einigen Gegenden Englands ist daher nesh lecker, in andern nice. Im Finnländ. ist naskun schmatzen, im Lappländ. nyskom heimlich verschlingen, und mit vorgesetztem Zischlaute im Schwed. snaska schlingen, Dän. snatske. Die Niedersachsen gebrauchen für naschen slickern, sliren, Schwed. slicka, snötern, snopen, snuckern, da denn auch Snökerije, Snoperije, Slickerije, Näscherey, Slickerkost, Slickertüg und Snuckerbeten, Naschwerk, Snoper, Snopertaske, Slickertaske, Slickertan, ein Näscher, und snopern, snopsk, vernascht, ist.


Näscher (W3) [Adelung]


Der Näscher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Näscherinn, eine Person, welche naschet, in allen Bedeutung des Zeitwortes. In den niedrigen Sprecharten ein Naschmaul, Naschkatze, im Oberd. ein Näschel, Näschling.


Näscherey (W3) [Adelung]


Die Näscherey, plur. die -en. 1) Das Naschen, in einzelnen Fällen, die Handlung des Naschens; ohne Plural. Der Naschhunger, die Naschlust. - Wie seit Evens Näscherey Der Weiber Erbtheil Leiden sey, Haged. 2) Die ungeordnete Begierde zu naschen, die Fertigkeit aus Lüsternheit von allem zu essen; auch ohne Plural. 3) Wohlschmeckende Dinge, welche nur zur Stillung der Lüsternheit sind; Leckereyen, Naschwerk, dergleichen z. B. Confect ist. Kinder mit kleinen Näschereyen beschenken.


Naschhaft (W3) [Adelung]


Naschhaft, -er, -este, adj. et adv. oder naschhaftig, Neigung, und im engern Verstande, Fertigkeit zu naschen besitzend, in beyden Bedeutungen des Zeitwortes. Naschhaft seyn. Naschhaftes Gesinde. S. Naschig.


Naschhaftigkeit (W3) [Adelung]


Die Naschhaftigkeit, plur. inus. die Neigung, und in engerer Bedeutung die Fertigkeit zu naschen, besonders in der zweyten Bedeutung des Zeitwortes; die Näscherey.


Naschhirsch (W3) [Adelung]


Der Naschhirsch, des -es, plur. die -e, S. Naschwildbret.


Naschhunger (W3) [Adelung]


Der Naschhunger, des -s, plur. inus. der Hunger, d. i. die sinnliche Begierde nach Näschereyen nach schmackhaften Dingen, nicht so wohl zur Nahrung, als vielmehr zur Lüsternheit; die Naschlust.


Näschig (W3) [Adelung]


Näschig, -er, -ste, adj. et adv. welches auch für naschhaft, besonders in der zweyten Bedeutung des Zeitwortes naschen üblich ist, und wofür im Hochdeutschen genäschig noch gewöhnlicher ist; vernascht, Leckerhaft und näschig seyn. Andre mögen näschig geilen, da bey Grethen, dort bey Käthen, Logau.


Näschigkeit (W3) [Adelung]


Die Näschigkeit, plur. inus. die Naschhaftigkeit; die Genäschigkeit.


Näschlein (W3) [Adelung]


Das Näschlein, bey den Jägern, S. Nase 2.


Naschlust (W3) [Adelung]


Die Naschlust, plur. inus. ( S. Naschhunger.) Seine Naschlust büßen.


Naschmarkt (W3) [Adelung]


Der Naschmarkt, des -es, plur. die -märkte, an einigen Orten ein Marktplatz, auf welchem Geflügel, Wildbret, Obst und andere Näschereyen feil gehalten werden; zum Unterschiede von dem Brotmarkte, Fleischmarkte, Kornmarkte u. s. f. In Leipzig wird dieses Wort nur Aschmarkt ausgesprochen, weil das n in den gemeinen Sprecharten bald zugesetzt, bald weggelassen wird.


Naschmaul (W3) [Adelung]


Das Naschmaul, des -es, plur. die -mäuler, Diminut. das Naschmäulchen, im gemeinen Leben, ein naschhaftes Maul; ingleichen eine naschhafte Person, S. Näscher.


Naschwerk (W3) [Adelung]


Das Naschwerk, des -es, plur. inus. Arten von Speisen, welche nur zur Vergnügung des Geschmackes, zur Lüsternheit sind; Näschereyen.


Naschwildbret (W3) [Adelung]


Das Naschwildbret, des -es, plur. inus. Wildbret, welches an der Gränze in ein fremdes Gebieth überzugehen pflegt, und daselbst weggeschossen wird; Gränzwildbret. Der Naschhirsch, ein solcher geschossener Hirsch. Vermuthlich so fern man dieses Übertreten oder Überwechseln als eine verbothene Näscherey von Seiten des Wildes betrachtet.


Nase (W3) [Adelung]


Die Nase, plur. die -n, Diminut. das Näschen, Oberdeutsch Näslein. 1. Eigentlich, der hervor ragende Theil an dem Vordertheile des Kopfes der Menschen und vieler Thiere unmittelbar über dem Munde, welcher der Sitz und das Werkzeug des Geruches ist. Der höhere Theil der Nase der Länge nach wird der Rücken, und dessen scharfer Theil die Gräthe, das Ende derselben der Ball, die Kugel, die Kuppe oder Nasenkuppe, die Seitentheile aber die Flügel genannt, an und zwischen welchen sich die Nasenlöcher befinden. Der Obertheil der Nase, wo sie an die Stirne gränzet, heißt wegen seiner krausen Gestalt in Niedersachsen das Kröse. Eine große, lange, kurze, kleine Nase haben. Eine eingedrückte Nase, Nieders. Braknäse, von den Bracken, einer Art Hunde mit solchen Nasen. Eine krumme Nase oder Habichtsnase, welche in der Mitte auswärts gekrümmt ist. Eine aufgeworfene Nase. Eine stumpfe Nase oder Stumpfnase, Nieders. Stuuvnäse. Etwas vor die Nase oder an die Nase halten, um dessen Geruch zu empfinden. Durch die Nase reden oder singen, nieseln. Da die Nase ein so vorzüglicher Theil des Gesichtes ist, so hat dieselbe zu einer Menge figürlicher R. A. Anlaß gegeben, welche aber größten Theils in die niedrige Sprechart gehören. Jemanden bey der Nase herum führen, ihn äffen, ihm vorsetzlich vergebliche Hoffnung machen. Einem etwas auf die Nase binden oder heften, ihm eine Nase drehen, ansetzen, oder ihm eine wächserne Nase drehen, ihn einer Unwahrheit überreden, ihm etwas weiß machen. Der Einfalt Nasen drehn, den Schwachen hintergehn, Opitz. Ihr wollt mir, hör' ich wohl, ein kleines Näschen drehn, Wieland. Aus einer Schriftstelle, aus dem Rechte u. s. f. eine wächserne Nase machen, die man drehen kann, wie man will, eine Schriftstelle oder ein Recht nach Willkühr auslegen. Zupfe dich bey deiner Nase, nosce te ipsum. Der Nase nach gehen, gerade aus, gerade vor sich hin. Einem etwas vor der Nase wegnehmen, in seiner Gegenwart, indem er die Sache genießen oder gebrauchen wollte. Einem die Thür vor der Nase zumachen. Es fehlt ihm zwey Finger über der Nase, es fehlt ihm am Verstande. Es liegt dir vor der Nase, unmittelbar vor dir. Sich die Nase begießen, sich betrinken. Besonders so fern sie das Werkzeug des Geruches ist, da sie denn in der niedrigen Sprechart oft für den Sinn des Geruches, ja für das Erkenntnißvermögen überhaupt gesetzt wird. Eine gute, eine feine, eine dünne Nase haben, etwas bald riechen, und in weiterer Bedeutung, es bald merken, bald entdecken. Daher bey den Jägern auch die Nase für den Geruch selbst gesetzt wird. Ein Hund verlieret die Nase, wenn er den Geruch verlieret, und bekommt sie wieder, wenn er diesen wieder bekommt. Einem etwas unter die Nase reiben, es ihm vorwerfen, es ihm auf sehr merkliche, auf eine grobe Art zu verstehen geben. Die Nase in alles stecken, sich um alles bekümmern, eigentlich alles beriechen. Das sticht ihm in die Nase, reitzt seine Lüsternheit, Begierde. Laß die Nase davon, bekümmere dich darum nicht, menge dich nicht in die Sache. Es schnupfte ihm in die Nase, er ward darüber stutzig, betreten. Ingleichen, so fern sich verschiedene Leidenschaften und Gemüthsstellungen durch sie offenbaren. Die Nase rümpfen, zum Zeichen des verachtenden Hohnes. Die Nase aufwerfen, oder in die Höhe werfen, in eben diesem Verstande. Der edelmüthge Hohn, der auf der Nase saß, Sah jetzund hoch herab auf eines Läufers Spaß, Zachar. Die Nase hängen lassen, aus Beschämung, oder Kleinmuth. Mit einer langen Nase abziehen, mit Beschämung über den mißlungenen Versuch, eigentlich mit einer herab hangenden Nase. Daher denn vermuthlich auch die R. A. rühren, eine lange Nase bekommen, eine Nase bekommen, sich eine Nase hohlen, so wohl einen Verweis, als auch eine abschlägige Antwort, ingleichen, sich in seiner Hoffnung betrogen sehen. Im Nieders. ist näsen, asnäsen, einen Verweis geben. Jemanden eine Nase geben, einen Verweis. 2. Figürlich, wo im gemeinen Leben mehrere hervor ragende Dinge den Nahmen der Nase führen. Ein sehr alter Gebrauch ist es, Vorgebirge, Halbinseln, und andere sich tief in das Wasser hinein erstreckende Theile des festen Landes mit diesem Nahmen zu belegen. Das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - bedeutet nicht nur eine Insel, sondern auch eine Halbinsel. Das Schwed. Näs und Angels. Naesa wurde von den frühesten Zeiten an von einem Vorgebirge gebraucht, daher bey dem Curtius, Lucan und Silius Italicus die Scythischen Seeräuber Nasamones heißen, gleichsam Nasemänner, weil sie hinter den Vorgebirgen lauerten, um weßwillen sie auch noch jetzt Caper genannt werden, von Cap, Caput, Vorgebirge, S. Caper. Im Englischen endigen sich daher viele eigene Nahmen der Vorgebirge und an Vorgebirgen gelegenen Orte auf -ness. Auch im Deutschen ist diese Bedeutung nicht unbekannt. In der Schweiz werden die Landspitzen, welche sich in einen Landsee hinein erstrecken, so wohl Nasen, als Planken genannt, und in einigen Niederdeutschen Gegenden heißen die Berggipfel oder Kuppen gleichfalls Nasen. Der Schiffsschnabel heißt im Nieders. dessen Nase, und am Pfluge ist die Nase oder Pflugnase derjenige Theil, welcher das Streichbret mit der Griffsäule verbindet. An einem Tischlerhobel ist das vorn senkrecht gehende Holz, woran man die Hand legt, die Nase. Die Fenster werden von außen mit dreyeckigen Wassernasen versehen, welche das am Glase herunter laufende Wasser ableiten. Bey den Jägern ist das Näslein, verderbt Näßlein, Näßchlein, eine kleine dünne Erhöhung auf dem Boden in der Fährte eines Hirsches, welche entstehet, wenn der Hirsch auf weichem Boden mit enge geschlossenen Schalen gehet. Im Hüttenbaue ist die Nase die äußerste Spitze des Gebläses, und die zähe Unart, welche sich daselbst ansetzt, ( S. Nasenschlacken.) Die Nase an den Dach- und Hohlziegeln ist die einer Nase ähnliche Erhöhung, vermittelst deren sie auf die Latten gehängt werden. Im Oberdeutschen wird eine Art eßbarer Flußfische, welche in der Gestalt der Mayfischen oder Häseln gleicht, und größer als ein Häring ist, wegen des Gestalt einer Nase über sich gebogenen Obertheiles ihres Mantels. Nase und Näsling genannt. Es scheint eben der Fisch zu seyn, welcher in Pommern und der Mark Brandenburg Schnäpel genannt, und geräuchert verführet wird, S. dieses Wort.

Anm. In einigen gemeinen, besonders Oberdeutschen Mundarten ist es sehr gebräuchlich, diesem Worte, so wie andern weiblichen auf e, in der zweyten und den folgenden Endungen ein unnützes n anzuhängen, der Nasen, u. s. f. welche Form auch in der Deutschen Bibel sehr häufig ist. In der ersten eigentlichen Bedeutung im Deutschen schon von des Raban Maurus Zeiten an Nasa, im Nieders. Näse, im Angels. Nese, im Engl. Nose, im Schwed. Näsa und Nos, im Isländ. Nos, im Pohln. und Böhm. Nos, im Krainerischen Nus, und selbst in Neu-Guinea Nisson. Gewiß nicht von dem Latein. Nasus, weil man sonst voraus setzen müßte, daß alle diese Völkerschaften ihre Nasen nicht eher zu benennen gewußt, als bis sie solches von den Römern gelernet; sondern mit denselben aus einer gemeinschaftlichen Quelle, welche das noch nicht veraltete nasen, im Intensivo naschen, ist, welches nicht nur das Schmatzen mit dem Munde, sondern auch das starke Hauchen mit der Nase, das Schnuppern und Beschnuppern durch seinen Laut nachahmet. Im Schwed. ist nosa blasen und schnuppern, und wenn die Hunde die Fährte nur beschnuppern, ohne ernstlich zu suchen, so sagen auch die Deutschen Jäger, daß sie näseln oder nässeln. ( S. auch Naschen.) Mit verwandten Ableitungslauten, oder vielmehr, weil eben dieser Laut auch durch naben, nauben, schnauben ausgedruckt wird, heißt die Nase im Nieders. auch Nibbe, und im Schwed. Näf, so wie die Nasenlöcher im Latein. Nares, und im Nieders. Nüster, die Nase selbst aber im Span. Nariz, genannt werden; woraus zugleich die Verwandtschaft mit Schnabel, Schnauze, dem Hebräischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, die Seele, eigentlich, der Athem, so wie Geist, anima, und andere gleichfalls den Athem bedeuten, und in der figürlichen Bedeutung der Hervorragung, und der damit verbundenen Vertiefung, auch mit Nabe, Nabel, Nast, für Ast, Napf u. s. f. erhellet. Übrigens wird die Nase im Scherze auch der Riecher, Nieders. Rüser, im Oberd. der Schmecker, von schmecken, riechen, und im Nieders. auch die Snurre genannt.


Nasehorn (W3) [Adelung]


Das Nasehorn, des -es, plur. die -hörner, ein dreyhufiges vierfüßiges Thier, fast in der Größe eines Elephanten, welches kleine Augen und Ohren, eine runzelige und fast nackte Haut hat und in Afrika und Indien lebt; Rhinoceros L. nach welchem Griechischen Nahmen, den dieses Thier von seinem konischen etwas zurück gebogenen Horne auf der Nase hat, auch der Deutsche gebildet ist. Das geflügelte Nasehorn ist eine Art Hohlschnäbler mit einem zusammen gesetzten Schnabel, welcher auf den Griechisch. Inseln einheimisch ist; Nasutus Rhinoceros Klein. Auch eine Art Käfer, welche sich in Dänemark sehr häufig in den Rinden, Sägespänen und Mistbeeten aufhalten, und ein kleines Horn auf der scheinbaren Nase haben, werden Nasehörner oder Nasehornkäfer genannt; Scarabaeus Nasicornis L. Die gewöhnliche Schreibart Nashorn oder Naßhorn ist unrichtig, weil das s gelinde ist, dasselbe aber ohne e euphonicum hart lauten würde. Nasehorn ließe sich noch eher entschuldigen, da diese Form auch in den folgenden Zusammensetzungen üblich ist, wenn gleich nur eine einzige Nase verstanden wird. Sie rühret von der Oberdeutschen Abänderung die Nase, der Nasen u. s. f. her.


Näseln (W3) [Adelung]


Näseln, verb. reg. bey den Jägern, schnuppern, S. Nase Anm.


Nasenband (W3) [Adelung]


Das Nasenband, des -es, plur. die -bänder, ein jedes Band, welches um die Nase gelegt wird. An einem Pferdezaume ist es derjenige Theil, welcher über die Nase des Pferdes gehet.


Nasenbein (W3) [Adelung]


Das Nasenbein, des -es, plur. die -e, das erhabene Bein, welches den obern Theil der Nase bildet, und mit welchem sich die Nasenknorpel verbinden.


Nasenbluten (W3) [Adelung]


Das Nasenbluten, des -s, plur. inus. das Bluten aus der Nase.


Nasenflügel (W3) [Adelung]


Der Nasenflügel, des -s, plur. ut nom. sing. die äußern ausgebogenen untern Wände der Nase, welche die Nasenlöcher umgeben.


Nasengeschwür (W3) [Adelung]


Das Nasengeschwür, des -es, plur. die -e, ein Geschwür in der Nase, welches zuweilen die Nasenknorpel selbst anfrißt. Ozaena.


Nasengewächs (W3) [Adelung]


Das Nasengewächs, des -es, plur. die -e, ein fleischartiges Gewächs, welches sich im Grunde der Nase anhänget, und mit verschiedenen Ästen zuweilen nur ein Nasenloch ausfüllet, zuweilen aber auch in den Mund hänget; Nasen-Polyp, Polypus Nasi.


Nasenhauch (W3) [Adelung]


Der Nasenhauch, des -es, plur. die -e, der Hauch durch die Nase. Ingleichen die Gewohnheit, gewisse Buchstaben, z. B. die Gaumenbuchstaben, mit einem Hauche durch die Nase auszusprechen, welches nieseln genannt wird; Rhinesmus.


Nasenhaut (W3) [Adelung]


Die Nasenhaut, plur. die -häute, die Haut an oder in der Nase.


Nasenhorn (W3) [Adelung]


Das Nasenhorn, S. Nasehorn.


Nasenkeil (W3) [Adelung]


Der Nasenkeil, des -es, plur. die -e, bey den Sattlern, ein mit einer Nase, d. i. erhabenen Hervorragung, versehener Keil an dem Sattel. S. Nase 2.


Nasenknorpel (W3) [Adelung]


Der Nasenknorpel, des -s, plur. ut nom. sing. Knorpel, welche die Nasenlöcher einfassen und bilden helfen.


Nassenkuppe (W3) [Adelung]


Die Nassenkuppe, plur. die -n, S. Nase 1.


Nasenloch (W3) [Adelung]


Das Nasenloch, des -es, plur. die -löcher, die Öffnungen zu beyden Seiten der Nase, welche die riechbaren Theilchen zu den Geruchsnerven führen; Nieders. Nustern, Nüster, Engl. Nosirils, Schwed. Näsbore. Im Nieders. ist nusteren durch den Geruch zu entdecken suchen, schnuppern. S. Nase Anm.


Nasen-Polyp (W3) [Adelung]


Der Nasen-Polyp, des -en, plur. die -en, S. Nasengewächs.


Nasenquetsche (W3) [Adelung]


Die Nasenquetsche, plur. die -n, im gemeinen Leben einiger Gegenden, z. B. Meißens, ein schlechter Sarg, mit einem ebenen platten Deckel, weil er den Verstorbenen gleichsam die Nase quetschet.


Nasenring (W3) [Adelung]


Der Nasenring, des -es, plur. die -e, ein Ring, welcher einem Thiere in die Nase gelegt, oder durch die Nase gesteckt wird.


Nasenschiene (W3) [Adelung]


Die Nasenschiene, plur. die -n, eine eiserne Schiene an der Nase des Pfluges. S. Nase 2.


Nasenschlacken (W3) [Adelung]


Die Nasenschlacken, sing. inus. im Hüttenbaue, Schlacken, welche zur Bleyarbeit genommen, und zur Haltung der Nase quer an die Brandmauer gesetzt werden. S. Nase 2.


Nasenstüber (W3) [Adelung]


Der Nasenstüber, des -s, plur. ut nom. sing. ein Stüber oder Schneller mit dem an den Daumen gedruckten und los geschnellten Mittelfinger gegen die Nase; eine der verächtlichsten und niedrigsten Beleidigungsarten. Einem Nasenstüber geben. Auch der Nasenschneller, im gemeinen Leben ein Fips, im Oberdeutschen die Hirnschnelle, der Nasenschnalzer, Sternickel, Stirnickel, Lat. Talitrum, Franz. Croquignole, Nasarde.


Nasentuch (W3) [Adelung]


Das Nasentuch, des -es, plur. die -tücher, eine im Oberdeutschen übliche Benennung eines zur Reinigung der Nase bestimmten Tuches, eines Schnupftuches.


Nasenzäpflein (W3) [Adelung]


Das "Nasenzäpflein", des -s, plur. ut nom. sing. kleine Zäpfchen, welche aus niesen erweckenden Dingen und "Gummi Tragant" oder Terpenthin bereitet und im nöthigen Falle in die Nasenlöcher gesteckt werden.


Nashorn (W3) [Adelung]


Das Nashorn, S. Nasehorn.


Nasig (W3) [Adelung]


Nasig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in einigen Zusammensetzungen üblich ist, großnasig, krummnasig, breitnasig u. s. f. eine große, krumme, breite Nase habend. Im gemeinen Leben -näsig.


Näsling (W3) [Adelung]


Der Näsling, des -es, plur. die -e, ein Fisch, S. Nase 2.


Naß (W3) [Adelung]


Naß, -sser, -sseste, adj. et adv. 1. Flüssig, von flüssigen Körpern, Öhlen und dergleichen; in welcher Bedeutung es aber nur in einigen Fällen gebraucht wird. So ist im Handel und Wandel nasse Waare, welche aus flüssigen Körpern, als Wein, Bier, Öhl, Branntwein u. s. f. bestehet. Sein Geld an nasse Waare legen, im Scherze, es vertrinken. 2. In gewöhnlicherer Bedeutung ist naß von einem flüssigen Körper durchdrungen, oder auch nur auf der Oberfläche benetzet, da es einen höhern Grad, als feucht bezeichnet, und nur von dem Wasser und allen wasserartigen flüssigen Körpern mit Ausschließung des Öhles und ähnlicher fetten Körper gebraucht wird. 1) Eigentlich. Wenn es regnet, wird der Erdboden naß. Ein nasser Boden, ein nasses Erdreich, welches von vieler Feuchtigkeit durchdrungen ist. Naß machen, naß werden, naß seyn. Ihr Brief, noch naß von meinen Thränen, liegt aufgeschlagen von mir, Sonnenf. 2) In weiterer Bedeutung. Nasses Wetter, nasse Tage, da vieler Regen einfällt. Ein nasses Jahr, in welchem es mehr regnet, als in einem gewöhnlichen. Es wird nasse Ausgen setzen, es wird Thränen verursachen. Ach, sprach er mit noch nassem Blicke, Gell. 3) Figürlich. Ein nasser Bruder, im vertraulichen Scherze, ein Mensch, der den Trunk liebt. Die nasse Gesellschaft, die trunkene.

Anm. Im Nieders. mit der gewöhnlichen Vertauschung des Zischlautes, nat, natt, welches mit dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Feuchtigkeit, und dieß von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, fließen, genau verwandt ist. In mittlern Lat. ist Noa ein feuchter morastiger Ort, im Wallach. Notje ein flüssiger Körper, und schon im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, besprengen. Die Latein nare, natare u. s. f. gehören gleichfalls dahin, und wenn man das n für nichts rechnet, auch udus, ( S. N.) ingleichen Netzen.


Naß (W3) [Adelung]


Das Naß, des -sses, plur. doch allenfalls nur von mehrern Arten, die -sse, ein flüssiger Körper, ein Wort, welches einige einzuführen gesucht, da wir noch kein bequemes Wort haben, flüssige Körper überhaupt auszudrucken, indem Saft, Feuchtigkeit Nebenbegriffe haben, und Flüssigkeit eine Zweydeutigkeit mit der abstracten Bedeutung macht. Ein Naß welches nicht gefrieret. In dessen hat es in der dichterischen Schreibart noch den meisten Beyfall gefunden. Da (auf dem Rheine) kömmt das edle Naß auf Dordrecht abgefahren, Das Niederland erfreut, Opitz. Logau nennt den Regen ein gedeihlich Naß, und Zachariä singt: Drey Lasen waren stets von Wurzner Nasse voll, d. i. von Wurzener Biere.


Nässe (W3) [Adelung]


Die Nässe, plur. inus. das Abstractum des Beywortes naß, der Zustand, da ein Körper naß, d. i. vom Wasser durchdrungen, mit Wasser benetzt ist. Die Nässe schadet dem Leibe. Eine Sache in der Nässe liegen lassen. Ist das nicht eine Nässe! sagt man, wenn ein Körper sehr naß ist. Ingleichen in weiterer Bedeutung. Die Herbstnässe, nasse Witterung im Herbste. Die viele Nässe im Frühlinge war den Gewächsen schädlich, die nasse Witterung. Wie auch Feuchtigkeit selbst. Nässe von sich geben. Im Nieders. Nattigkeit. Im Diethmars. ist Nette der Urin. S. Naß.


Nassel (W3) [Adelung]


Die Nassel, S. Assel.


Nässeln (W3) [Adelung]


Nässeln, verb. reg. welches das Diminutivum von nässen und netzen ist, und im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart in doppelter Gestalt vorkommt. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, ein wenig naß seyn, ingleichen ein wenig Feuchtigkeit von sich geben. 2) Als ein Activum, ein wenig naß machen, ein wenig netzen; in welchem Verstande es doch am seltensten gebraucht wird.


Nässen (W3) [Adelung]


Nässen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, Nässe, Feuchtigkeit von sich geben. Die Wunde nässet, wenn sie Feuchtigkeit von sich gibt. Die Hände nässen ihm stets, wenn jemand starke Ausdünstungen und daher immer feuchte Hände hat. Bey den Jägern bedeutet nässen so wie feuchten, den Urin lassen, wo es aber nur von Thieren gebraucht wird. Das Activum davon ist netzen. Indessen ist es in durchnässen auch in thätiger Gestalt üblich, S. dasselbe. Im Nieders. ist naten nassen, naß seyn; der May nasset, hat nasses Wetter.


Naßhaufen (W3) [Adelung]


Der Naßhaufen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Brauern, der Haufe genetzter Gerste.


Näßlein (W3) [Adelung]


Das Näßlein, bey den Jägern, S. Nase 2.


Näßlich (W3) [Adelung]


Näßlich, adj. et adv. ein wenig naß, im gemeinen Leben.


Nast (W3) [Adelung]


Der Nast, des -es, plur. die -e, ein nur in den gemeinen Sprecharten für Ast in dem Holze übliches Wort, welches die Zufälligkeit des n zu Anfange sehr vieler Wörter beweiset,( S. N.) Mit vorgesetztem Gaumenlaute sagen die Niedersachsen auch Knast, alles in eben derselben Bedeutung.


Nath (W3) [Adelung]


Die Nath, Nätherinn, S. Naht.


Näther (W3) [Adelung]


Der Näther, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur im Wasserbaue übliches Wort, ein mit Pfählen und Ruthen geflochtener starker Zaun, womit man den Damm eines Teiches oder das Ufer eines Flusses wider das Auswachsen des Wassers verwahret; ein Strichzaun. Es gehöret ohne Zweifel zu nähen, Naht, so fern solches in der weitesten Bedeutung ehedem für verbinden, flechten, und Verbindung überhaupt gebraucht wurde.


Nation (W3) [Adelung]


Die Nation, plur. die -en, aus dem Lat. Natio, die eingebornen Einwohner eines Landes, so fern sie einen gemeinschaftlichen Ursprung haben, und eine gemeinschaftliche Sprache reden, sie mögen übrigens einen einzigen Staat ausmachen, oder in mehrere vertheilet seyn. Die Deutsche Nation, die Französische, die Spanische, die Italiänische, die Russische Nation. Auch besondere Zweige einer solchen Nation, d. i. einerley Mundart redende Einwohner einer Provinz, werden zuweilen Nationen genannt, in welchem Verstande es auf den alten Universitäten, wo die Glieder nach Nationen vertheilet sind, üblich ist. ( S. des Du Fresne Gloss. v. Natio.) Ehe dieses Wort aus dem Latein. entlehnet wurde, gebrauchte man Volk für Nation, in welchem Verstande es auch noch von alten Nationen üblich ist. Wegen der Vieldeutigkeit dieses Wortes aber hat man es in dieser Bedeutung großen Theils verlassen und Völkerschaft für Nation einzuführen gesucht, welches Wort auch bereits Beyfall gefunden.


Nativität (W3) [Adelung]


Die Nativität, plur. inus. aus dem Latein. nativitas, die Bestimmung der künftigen Schicksale eines Menschen aus dem Stande der Gestirne in seiner Geburtsstunde. Einem die Nativität stellen, diese Schicksale daraus berechnen. Daher der Nativitäts-Steller, welcher diese Asterkunst übt.


Natter (W3) [Adelung]


Die Natter, plur. die -n, in der weitesten Bedeutung eine Art Schlangen, welche Schilder unter dem Bauche und Schuppen unter dem Schwanze hat; Coluber L. In welchem Verstande alle Europäischen Schlangen Nattern sind, und in einigen Gegenden werden auch beyde Wörter wirklich für einander gebraucht. In engerer Bedeutung nennet man nur die kleine giftigste Schlangenart, welche auch Otter, Lat. Vipera, genannt wird, Natter. Anm. Schon bey dem Ottfried Natar, im Tatian Natru, im Isidor Nadra, bey dem Ulphilas Nade, im Angels. Nadra, Naedra, im mittlern Latein Natrix, im Ital. Natrice, im Franz. ehedem Noerresce, welche gemeiniglich von nare, natare, hergeleitet werden, als wenn nur die Wasserschlangen diesen Nahmen führeten. Allein da es bey den ältern Schriftstellern von einer Schlange überhaupt gebraucht wird, und in diesem Verstande noch jetzt üblich ist, so ist es vielmehr für ein und eben dasselbe Wort mit dem im gemeinen Leben üblichen Otter, in den gemeinen Sprecharten Atter, Engl. Adder, zu halten, welchem nur das zufällige N, wie in so vielen andern Wörtern, vorgesetzt worden. S. N. Ingleichen Otter und Viper.


Natterbiß (W3) [Adelung]


Der Natterbiß, des -sses, plur. die -sse, der Biß von einer Natter oder Viper, und in weiterer Bedeutung von einer jeden Schlange.


Natterhals (W3) [Adelung]


Der Natterhals, des -es, plur. die -hälse, der Nahme einer Art Spechte, welche den Hals wie eine Natter drehet, daher er auch Natterzwang, Natterwendel, Drehhals und Wendehals genannt wird, S. das letztere.


Natterkraut (W3) [Adelung]


Das Natterkraut, des -es, plur. inus. ein Nahme, welchen das Hauslaub oder die Hauswurz, Sedum L. an einigen Orten führet. An andern wird die wilde Ochsenzunge, Otternkopf oder Schlangenhaupt, Echium vulgare L. Natterkraut und Natterwurz genannt; beyde wegen ihrer heilenden Kraft in Natterbissen.


Nattermilch (W3) [Adelung]


Die Nattermilch, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme der gemeinen Scorzonera, Scorzonera humilis L. weil ihre Wurzel einen weißlichen Milchsaft enthält, die Pflanze selbst aber sehr viele Heilkräfte auch in Schlangenbissen besitzet; Schlangenmord, weil sie den Schlangen zuwider seyn soll.


Natterwendel (W3) [Adelung]


Der Natterwendel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Natterhals.


Natterwurz (W3) [Adelung]


Die Natterwurz, plur. inus. 1) Eine Art des Wegetrittes, mit einem einfachen Stamme, welche auf den Bergen Deutschlandes einheimisch ist, und eine zusammen ziehende heilende Kraft hat; Polygonum Bistorta L. Die Wurzel ist gekrümmt und hat einige Ähnlichkeit mit einer Natter oder Schlange. Krebswurzel, weil der große Haufe sie in Krebsschäden gebraucht. 2) S. Natterkraut.


Natterzunge (W3) [Adelung]


Die Natterzunge, oder im Diminut. das Natterzünglein, des -s, plur. inus. 1) Eine Art des Farnkrautes, welches auf den Europäischen Waldwiesen wächset, und nur ein einziges fettes Blatt treibt, woraus sich ein Stängel mit einer gelben Spitze in Gestalt einer Schlangenzunge erhebt, woran die Blüthen und Fruchtknöpfchen sitzen; Ophioglossum L. Schlangenzunge. 2) Eine Art Versteinerung, S. Schlangenzunge.


Natterzwang (W3) [Adelung]


Der Natterzwang, des -es, plur. die -zwänge, S. Natterhals.


Natur (W3) [Adelung]


Die Natur, plur. der doch nicht in allen Fällen üblich ist, die -en, ein schon seit langer Zeit aus dem Lateinischen Natura entlehntes sehr vieldeutiges Wort, dessen Gebrauch oft sehr schwankend und unbestimmt ist. Es bedeutet überhaupt die wirkende Kraft, die Veränderungskraft, so wohl in jedem einzelnen Körper, als auch in allen Körpern zusammen genommen als eine einzige Kraft betrachtet. 1. In einzelnen Körpern, was einem lebendigen Geschöpfe von seiner Geburt an, und in weiterer Bedeutung, einem jeden für ich bestehenden Dinge von seinem Entstehen an; zukommt, von nasci, geboren werden, so wie das gleichbedeutende Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . 1) In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, die Verbindung des Mannigfaltigen in einem Dinge, so fern sie den Grund aller Veränderungen desselben enthält, welche von dem Wesen eines Dinges noch verschieden ist, die wirkende Kraft jedes Körpers nach der Art seiner Zusammensetzung. Der Plural findet hier nur Statt so fern diese Kraft in mehrern Individuis betrachtet wird. Das Wasser ist seiner Natur nach naß, das Feuer warm, die Luft elastisch; oder, das Wasser ist von Natur naß u. s. f. Der Mond blieb seiner Natur nach kalt und unempfindlich. Wie viel Dinge gibt es nicht, deren Natur von aller forschenden Vernunft noch nicht hat ergründet werden können! Die von Natur nicht Götter sind, Gall. 4, 8. Eine Sache ist der Natur eines Körpers gemäß, wenn sie aus den Veränderungen erfolgen kann, deren er fähig ist. In noch engerer Bedeutung, die ganze Veränderungskraft eines lebendigen Dinges, oder der Grund seiner eigenen Veränderungen. Die Natur Gottes, dessen unendliche Kraft; nach dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Die göttliche Natur in Christo, die unendliche unumschränkte Veränderungskraft in demselben, die Gottheit, zum Unterschiede von der menschlichen Natur oder Menschheit, d. i. der endlichen eingeschränkten Veränderungskraft; in welcher Bedeutung auch der Plural eingeführet ist, die beyden Naturen in Christo. Die Natur des Menschen, die bey seinem Entstehen geschehene Verbindung des Mannigfaltigen in ihm, und die darin gegründete Veränderungskraft, so wohl, so fern sie bey allen Menschen in vielen Stücken von einer und eben derselben Art ist, als auch so fern sie in jedem einzelnen Menschen auf mancherley Art eingeschränkt ist. Kinder des Zorns von Natur, Ephes. 2, 3. Der Unterricht, wo Kinder Stunden lang auf einerley Sache merken sollen, streitet mit der Natur eines zarten Kindes Gell. Seine Natur überwinden. Die Naturen sind verschieden. Die Gewohnheit wird oft zur andern Natur. Seine Natur bringt es so mit sich. Meine ganze Natur (alle meine Veränderungskräfte) empörte sich in ein entsetzliches Grauen. Von Natur gutherzig seyn. Er kann sich von Natur nicht verstellen. Mich, sprach sie, lockte jene Flur, Und ich, zu lüstern von Natur, Flog hin, Gell. Da denn diese Verbindung des Mannigfaltigen und darin gegründete Veränderungskraft, durch die imaginative Vorstellung oft als eine eigene Kraft, ja als ein eigenes für sich bestehendes Wesen angesehen wird; in welchem Falle es denn nur in der einfachen Zahl allein üblich ist. Die Freundschaft, zu der wir von der Natur eingeladen werden, die so leicht Parteylichkeit des Herzens und wohl gar Selbstliebe wird, Gell. Wo die Natur nicht die beste Lehrmeisterinn ist, da arbeitet die Kunst umsonst, Weiße. Die Funken des Muthes, welche die verwandte Natur in mein junges Herz gelegt hatte, Dusch. Das große Interesse des Menschen liegt darin, daß er dieser Stimme der Natur, die ihn zum Schönen, zum Guten hinruft, gehorsam werde, Sulz. Das Glück ist nicht so liebreich gegen sie gewesen, als die Natur, Gell. Warum hat die Natur dir so viel Reitz gewährt! Gell. 1) Überaus häufig wird diese Veränderungskraft, besonders bey dem Menschen, unter allerley Einschränkungen gebraucht. (a) In Ansehung des menschlichen Körpers allein, ist es die ganze Verbindung der flüssigen und festen Theile in jedem Menschen, und die darin gegründete Bewegungskraft. Eine gute, starke, gesunde, schwache Natur haben. Es sind nicht alle Naturen einerley. Unsere beyden Naturen sind sehr verschieden. In Krankheiten muß die Natur das Beste thun. Der Arzt ist nur ein Diener der Natur, kommt der Natur des Kranken zu Hülfe. Die Natur hilft sich selber. (b) In der Theologie, wo die Natur der Offenbarung und zuweilen auch der Gnade entgegen gesetzet wird, ist jene die Fertigkeit des Gebrauches der bloßen natürlichen, d. i. dem Menschen bey seiner Entstehung mitgetheilten Kräfte; ohne Plural. Das Licht der Natur, die durch diese Kräfte erhaltene Erkenntniß, im Gegensatze der Offenbarung. Sieht man die Freundschaft bloß von der Seite der Natur an, so ist sie - weder Tugend noch Laster, Gell. In noch engerer Bedeutung wird in der Deutschen Bibel oft die ungeänderte Fortdauer der natürlichen Beschaffenheit des Menschen, nebst allen darin gegründeten eigenen Veränderungen, die Natur genannt, im Gegensatze der Gnade. Nach einer andern Figur heißt sie das Fleisch, im Gegensatze des Geistes, welcher letztere 2 Petr. 1, 4 auch die göttliche Natur heißt, die neue Errichtung der Veränderungskraft. (c) Oft ist die Natur, (gleichfalls ohne Plural,) so wohl im gemeinen Leben, als auch in den Wissenschaften und Künsten, die einem Dinge bey seinem Entstehen mitgetheilte Veränderungskraft, dessen erste ursprüngliche Beschaffenheit, mit Ausschließung aller von außen oder durch eigene freye Wahl herrührender Bestimmungen oder Veränderungen, wo sich wieder mehrere Unterabtheilungen anbringen ließen. So ist der Stand der Natur, derjenige Zustand, wo man sich die Menschen ohne alle bürgerliche Gesellschaft, folglich ohne alle von außen herrührende Einschränkungen oder Bestimmungen ihrer Veränderungskräfte denken. Im Stande der Natur leben. In einer andern Betrachtung wird die Natur den eingebildeten Bedürfnissen, erkünstelten Verschönerungen unsers natürlichen Zustandes entgegen gesetzet. Der Natur gemäß leben. Unsere künstliche Sprache hat die Sprache der Natur verderbt. Die Natur ist mit wenigem vergnügt. Der Natur getreu bleiben. Oft wird die Natur dem Unterrichte, und den durch Unterricht oder Übung erworbenen Fertigkeiten, oder der Kunst, entgegen gesetzt. Witz, welchen man von Natur und ohne Unterricht hat, heißt Mutterwitz. Das ist Kunst und nicht Natur. Ein Künstler zeigt in seinen Arbeiten lauter Natur, wenn er die angewandte Kunst auf eine geschickte Art zu verbergen weiß. Ein Mensch ist lauter Natur, wenn seine Handlungen keine gekünstelte oder von andern entlehnte Einschränkungen verrathen. Von einer geschminkten Person sagt man, sie sey nicht von Natur so. 3) Oft pflegt man auch in weiterm Verstande gewisse äußere Verhältnisse, in welche jeder Mensch von seinem ersten Entstehen an gesetzet wird, die Natur zu nennen. Der Plural ist hier nicht gewöhnlich. Die Bande der Natur, der Blutsfreundschaft. Man sagt viel von der Empfindung der Natur zwischen Geschwistern. Die erhabenste Liebe zu Gott, die über die süßeste Liebe der Natur gegen einen Sohn flegt, Gell. Die Stimme der Natur, die Überzeugung von der Bestimmung unsers Verhaltens durch den Zusammenhang der Dinge. Ja 1 Cor. 11, 14 kommt auch der bürgerliche Wohlstand unter dem Nahmen der Natur vor: Lehret euch auch nicht die Natur, daß einem Manne eine Unehre ist, so er lange Haare zeuget? 4) In noch weiterer Bedeutung ist die Natur die Art und Weise des Daseyns einer jeden auch nicht für sich bestehenden Sache, die Verbindung des Mannigfaltigen in derselben; ohne Plural. Die Natur der Sache erfordert es. Das bringt die Natur der Sache schon mit sich. Die Treue der ehelichen Liebe gründet sich auf das gegeseitige Versprechen, und auf die Natur der Liebe, Gell. 2. Alle wirkende Kräfte aller körperlichen Dinge zusammen genommen und als eine Einheit betrachtet, eigentlich die zeugende Kraft in allen Dingen; wo man sie denn zuweilen wiederum als eine eigene für sich bestehende Kraft, ja wohl gar als ein eigenes für sich bestehendes und von Gott noch unterschiedenes Wesen zu betrachten pflegt. Der Plural ist auch hier ungewöhnlich. 1) Eigentlich. Hier hat die Natur alles versammelt, was sie schönes hat, um deinen Aufenthalt angenehm zu machen. O wie schön bist du, Natur, in deiner kleinsten Verzierung so schön! Geßn. Der Lauf der Natur, der Erfolg der Begebenheiten in der Welt, nach den Veränderungskräften der darin befindlichen Dinge. "Die Schuld der Natur bezahlen", "sterben". Die Natur thut keinen Sprung, weil alle Veränderungen der Körper nach und nach geschehen. Die Natur wirkt nicht nach ihrem Gefallen, sondern nach unveränderlichen Gesetzen. Der Philosoph schleiche der Natur in ihrem verborgenen Gange nach. Die Geheimnisse der Natur. Wo man sie denn oft wiederum der Kunst entgegen zu setzen pflegt. 2) Figürlich, der ganze Umstand aller zufälligen Substanzen. Das ist in der ganzen Natur nicht anzutreffen. In weiterer Bedeutung rechnet man oft alles, was möglich ist, oder seyn kann, mit zur Natur, dagegen man in engerm Verstande nur den ganzen Umfang aller körperlichen Dinge, und in noch engerm die körperlichen Dinge auf unserm Erdboden die Natur nennt. Die drey Reiche der Natur, die Vertheilung aller körperlichen Dinge auf dem Erdboden in drey Classen. Die Geschichte der Natur oder die Naturgeschichte, die Beschreibung dieser Körper, ( S. Geschichte.) So allein und einzeln das Thier jedem feindlichen Sturme des Weltalls ausgesetzt scheinet, so ists nicht allein; es steht mit der ganzen Natur im Bunde, Herd. Ihm schmückt sich die ganze schöne Natur, Geßn. Was entzückt mehr, als die schöne Natur, wenn sie in harmonischer Unordnung ihre unendlich mannigfaltigen Schönheiten verschwendet? ebend. Überall bemerkt man Weisheit und Ordnung in der Einrichtung der Natur. In den bildenden Künsten verstehet man unter der Natur alle sichtbaren Gegenstände, welche der Künstler nachahmen kann. Die Natur nachahmen. Nach der Natur arbeiten. Der Natur schmeicheln, die Fehler an den sichtbaren Gegenstände in der Nachahmung verbergen. Der Plural thut hier eine üble Wirkung, weil in dieser und der vorigen Bedeutung alle wirkende Kräfte und die Körper, in welchen sie befindlich sind, als eine Einheit betrachtet werden. Ein zärtliches Gefühl ging sanft durch die Naturen, Dusch. Anm. Alle jetzt angeführte Bedeutungen ließen sich noch weiter eintheilen, wenn nicht dieser Artikel schon ohne dieß zu lang wäre. So sind auch um ihm nicht ein allzu tabellarisches Ansehen zu geben, verschiedene Bedeutungen neben einander geordnet worden, welche einander eigentlich untergeordnet werden müssen. Von Natur und von der Natur ist zweyerley. Dort bedeutet es die anfängliche Einrichtung eines Dinges, und hier wird die darin gegründete Veränderungskraft, als ein eigenes Wesen, oder doch als eine besondere Kraft angesehen. Die Weglassung des bestimmten Artikels ist, außer in dem ersten Falle mit von, nicht zu billigen. Die uns Natur mitleidig eingesenkt, Uz. Dieses Wort findet sich im Deutschen zuerst zu Ottfrieds Zeiten, der Natura in uns im theologischen Verstande gebraucht. Vor ihm suchte man den Begriff des Lateinischen Ausdruckes durch andere Wörter zu erschöpfen. Kero gebraucht Chnuat, welches sonst fremde Wort mit der ersten Sylbe in Natur verwandt zu seyn scheinet, und chnuatlihho ist bey ihm von Natur. Notker gebraucht die Wörter Burte, Anaburt und Anauuiste, und selbst Ottfried nennet die beyden Naturen in Christo noch Gimach. So fern die Alten in der zweyten Hauptbedeutungen unter der Natur auch die zeugende Kraft verstanden, wurde dieses Wort ehedem sehr häufig so wohl im mittlern Lateine, als auch im Deutschen von den Zeugungsgliedern gebraucht. Die weibliche Natur. Jetzt kommt nur noch das Beywort zuweilen in diesem Verstande vor, die natürlichen Theile. Im mittlern Lateine werden auch die zwey wesentlichen Theile des Menschen, Leib und Seele, Naturae hominis genannt; vielleicht aus Mißdeutung der beyden Naturen in Christo. Übrigens wird dieses Wort fast in allen obigen Bedeutungen mit vielen andern zusammen gesetzt, welche hier nicht alle angeführet werden können, weil sie willkührlich sind, und jeder deren neue machen kann. Die vornehmsten und gebräuchlichsten sind folgende.


Naturalien (W3) [Adelung]


Die Naturalien, (fünfsylbig,) sing. inus. aus dem mittlern Lat. Naturale. 1) Alle von der Natur selbst hervor gebrachte rohe Körper, so lange sie von der Kunst noch nicht zu sehr verändert worden. So nennet man das Getreide, die Wolle u. s. f. die Naturalien oder natürlichen Producte eines Landes. In der einfachen Zahl ist auch wohl das Lat. Naturale üblich. 2) In engerer Bedeutung sind die Naturalien oder natürlichen Körper, alle von der Natur selbst zusammen gesetzten Körper auf unserm Erdboden, so lange sie durch die Kunst noch nicht merklich verändert worden, welche Körper man gemeiniglich in drey Haupt-Classen oder so genannte Reiche zu vertheilen pflegt. ( S. Naturreich.) Daher das Naturalien-Cabinett, wo dergleichen Körper aufgestellet werden.


Naturalisiren (W3) [Adelung]


Naturalisiren, verb. reg. act. aus dem spätern Lat. naturalizare, unter die Zahl der eingebornen Bürger eines Landes oder einer Stadt aufnehmen, und mit allen diesen zuständigen Vorrechten und Freyheiten begaben.


Naturalist (W3) [Adelung]


Der Naturalist, des -en, plur. die -en, aus dem spätern Lat. Naturalista, eine Person, welche die natürliche Übung der Pflichten gegen Gott für hinlänglich zu seiner Gemeinschaft mit demselben hält. Dessen Lehrbegriff oder Meinungen, der Naturalismus.


Naturbegebenheit (W3) [Adelung]


Die Naturbegebenheit, plur. die -en, in weiterer Bedeutung, eine jede Veränderung, welche in der Natur, d. i. in der Welt, vorgehet, und in den allgemeinen Veränderungsgesetzen der Dinge gegründet ist. In engerer Bedeutung sind es solche Veränderungen, welche die Körper betreffen.


Naturell (W3) [Adelung]


Das Naturell, des -es, plur. die -e, aus dem Französ. Naturel, die natürliche, d. i. erste und ursprüngliche Einrichtung der Vorstellungs- und Begehrungskräfte eines Menschen. Ein gutes Naturell haben, seinem Gemüthe, ingleichen seinen Vorstellungskräften noch gut geartet seyn. Man hat eine gewisse Verläugnung seiner selbst in der Freundschaft zum Wunder der Tugend erhoben, die doch oft nur ein glücklicher Eigensinn des Naturells war, Gell.


Naturforscher (W3) [Adelung]


Der Naturforscher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Naturforscherinn, eine Person, welche die Veränderungen in der Natur, d. i. in der Körperwelt, nach ihren Gesetzen und ihrer Entstehungsart zu erforschen sucht. ( S. Naturkenner.) Daher die Naturforschung, die Bemühung, die Veränderungen, welche in den Körpern vorgehen, und die Gesetze, nach welchen sie erfolgen, zu erforschen.


Naturgabe (W3) [Adelung]


Die Naturgabe, plur. die -n, Gaben, d. i. vorzügliche Eigenschaften, welche jemand von der Natur, d. i. bey und mit seinem Entstehen, empfangen hat; zum Unterschiede von den Fertigkeiten, d. i. den durch Unterricht und Übung erlangten Eigenschaften.


Naturgeschichte (W3) [Adelung]


Die Naturgeschichte, plur. doch nur von mehrern Lehrbüchern dieser Art, die -n, die Geschichte, d. i. das Verzeichniß und die Beschreibung der natürlichen oder zu den drey Naturreichen gehörigen Körper; Historia naturalis, die Natur-Historie. S. Geschichte.


Naturgesetz (W3) [Adelung]


Das Naturgesetz, des -es, plur. die -e. 1) In der Naturlehre, die Gesetze, d. i. Regeln, nach welchen sich die Veränderungen in der Natur, d. i. in der Körperwelt, zutragen; die Bewegungsgesetze. In weiterer Bedeutung werden auch wohl die Vorstellungsgesetze in der Geisterwelt mit unter den Naturgesetzen begriffen. 2) In der Moral sind die Naturgesetze Regeln, Vorschriften für unsere freyen Handlungen, welche aus natürlich bekannten Wahrheiten hergeleitet werden, welche wir durch den richtigen Gebrauch der Vernunft lernen. Der ganze Umfang dieser Gesetze wird auch collective das Naturgesetz oder das Gesetz der Natur genannt; da denn der Plural ungewöhnlich ist.


Naturkenner (W3) [Adelung]


Der Naturkenner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Naturkennerinn, eine Person, welche die Veränderungen in der Natur, d. i. in der Körperwelt nach ihrem Daseyn, nach ihrer Entstehungsart, und nach den Gesetzen nach welchen sie erfolgen, kennet, ihrer kundig ist, d. i. klare und deutliche Vostellungen davon hat; der Naturkundige. Bey dem Notker Naturo sago. Daher die Naturkenntniß, plur. inus. die Kenntniß der Natur, d. i. der Inbegriff der klaren und deutlichen Vorstellungen von den allgemeinen Veränderungskräften der Körper, welche auch die Naturkunde genannt wird. S. Kenntniß.


Naturkraft (W3) [Adelung]


Die Naturkraft, plur. die -kräfte. 1) Eine jede in der Verbindung des Mannigfaltigen eines Körpers gegründete Veränderungskraft. ( S. Natur 1.) 2) So fern die Natur den Inbegriff aller Veränderungskräfte der Körper bezeichnet, werden auch einzelne Äußerungen dieser Kraft Naturkräfte genannt.


Naturkunde (W3) [Adelung]


Die Naturkunde, plur. inus. S. Naturkenner und Kunde.


Naturkundige (W3) [Adelung]


Der oder die Naturkundige, des oder der -n, plur. die -n, S. Naturkenner und Kundig.


Naturlehre (W3) [Adelung]


Die Naturlehre, plur. doch nur von mehrern Lehrbüchern dieser Art, die -n, die Lehre, d. i. der Inbegriff aller die Veränderungskräfte der Körper betreffenden Wahrheiten, die Lehre von den Ursachen der Veränderungen in der Körperwelt; Physica. Ingleichen ein Buch, worin diese Lehre vorgetragen wird. Wird diese Lehre auf eine wissenschaftliche Art behandelt, so heißt sie die Naturwissenschaft.


Natürlich (W3) [Adelung]


Natürlich, -er, -ste, welche Comparation doch nur in einigen Fällen üblich ist, adj. et adv. der Natur gemäß, in der Natur gegründet. 1. So fern die Natur die Veränderungskraft oder die Verbindung des Mannigfaltigen eines einzelnen Dinges ist. 1) Überhaupt in dieser Veränderungskraft, in dieser Verbindung des Mannigfaltigen gegründet. (a) Einiger Maßen in derselben gegründet, derselben gemäß, in welcher Bedeutung auch die Comparation Statt findet; im Gegensatze des unnatürlich. In diesem Verstande ist die Tugend, das Christenthum, die Frömmigkeit dem Menschen natürlich. Kohlen, Spinnen u. s. f. sind keine natürlichen Speisen des Menschen. Das ist kein natürlicher Hunger. (b) Noch häufiger, ganz darin gegründet, seinen zureichenden Grund darin habend, von dem ersten Entstehen an in einem Dinge gegründet; im Gegensatze des übernatürlich und zuweilen auch unnatürlich. Das natürliche Leben, im Gegensatze des geistlichen. Der natürliche Tod, welcher aus erschöpften Bewegungskräften entstehet, im Gegensatze eines unnatürlichen oder gewaltsamen. Mit seinem geschwinden Tode ist es wohl nicht natürlich zugegangen. Eines natürlichen Todes sterben, natürliche Weise sterben, aus einem innern zur Auflösung der wesentlichen Theile hinreichenden Grunde. In einem andern theologischen Verstande ist der natürliche, leibliche oder zeitliche Tod, der in der gegenwärtigen Verfassung unserer Veränderungskräfte gegründet ist, im Gegensatze des geistlichen und ewigen Todes. Uns alle treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, dem Ziele unsrer Wünsche. Natürliche Strafen, welche aus den Wirkungen des Versprechens bestehen, und ganz in demselben gegründet sind; im Gegensatze der willkührlichen. Wir haben einen natürlichen Hang, an dem Guten und Übel andrer Theil zu nehmen. Deine natürliche cholerische Heftigkeit. Natürliche Ursachen. Der natürliche Trieb, ( S. Naturtrieb.) Ohne die Herrschaft des Verstandes arten die natürlichen Triebe in verderbliche Leidenschaften aus. Das natürliche Geschicke eines Menschen. Der Gebrauch des Nebenwortes natürlich für von Natur, wie Weish. 13, 1, alle Menschen sind natürlich eitel, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Oft wird auch dasjenige natürlich genannt, was bey allen oder doch den meisten Individuis einer Art angetroffen wird. Die Sünde ist dem Menschen natürlich. Der Stolz ist ein natürliches Laster des Menschen. Der Eigensinn ist den Kindern natürlich. So auch, was bey einem und eben demselben Individuo gemeiniglich angetroffen wird. Die Grobheit ist ihm sehr natürlich, weil er sie schon mehrmahls bewiesen hat. Das ist ihm nicht natürlich, weil man es noch nie an oder von ihm gesehen hat. Wie ich merke, so mag ihm diese Tugend sehr natürlich seyn. (c) Im engsten Verstande ist nur dasjenige natürlich, was so sehr in der Veränderungskraft, in der anfänglichen Einrichtung eines Dinges gegründet ist, daß auch keine freye Wahl dabey Statt findet; im Gegensatze des willkührlich. So werden die Verdauung der Speisen, der Umlauf des Geblütes, die Fortschaffung unnützer Theile aus dem Körper u. s. f. natürliche Handlungen genannt. 2) In verschiedenen Einschränkungen, wo dieses Wort mehr Unterabtheilungen leidet, als dessen Hauptwort, weil die Art und Weise, wie eine Sache in der Natur eines Dinges gegründet ist, verschiedene Stufen leidet. (a) In Ansehung des Körpers allein, was in dessen Bewegungskraft zum Theil, oder auch ganz, oder endlich auch mit Ausschließung aller Willkührlichkeit gegründet ist, in welchem letztern Falle es zu der nächst vorher gegangenen Bedeutung gehöret. (b) In der Theologie, wo natürlich dem übernatürlich und zuweilen auch dem geoffenbart entgegen gesetzt wird; ohne Comparation. Die natürliche Theologie, die Erkenntniß Gottes, so fern selbige allein durch rechtmäßigen Gebrauch der Vernunft, aus eigenen dem Menschen bey seinem Entstehen mitgetheilten Kräften, erlangt wird. Der natürliche Mensch, 1 Cor. 2, 14, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, so wie er ohne alle übernatürliche Veränderung betrachtet wird. Natürliche Pflichten, welche durch das Naturgesetz bestimmt werden. Die natürliche Frömmigkeit, welche sich auf natürliche Erkenntniß gründet. (c) Der ersten anfänglichen Beschaffenheit einer Sache gemäß, in derselben gegründet, mit Ausschließung aller nachmahls erfolgten oder von außen herrührenden Veränderungen, wo es wieder mancherley Unterarten gibt. Im Gegensatz des Unterrichtes, der Erziehung, der bürgerlichen Einrichtung und Ordnung, ist natürlich der ersten unausgebildeten Beschaffenheit gemäß. Der natürliche Mensch, oder Naturmensch, so wie er ohne alle gesittete Erziehung, ohne alle bürgerliche Gesellschaft betrachtet wird. Die natürliche Freyheit, welche ein Geschöpf in dem Stande der Natur genießt. Das Tanzen ist dem Hunde nicht natürlich. Wo es denn zuweilen auch als ein gelinderer Ausdruck für grob gebraucht wird. Das kommt sehr natürlich heraus. Dahin scheint vermuthlich auch die Bedeutung des Wortes natürlich zu gehören, wenn es in der anständigen und glimpflichen Sprechart für unehelich gebraucht wird. Ein natürlicher Sohn, eine natürlicher Tochter, ein natürliches Kind, welche bloß aus einem natürlichen Bedürfnisse, bloß nach dem Stande der Natur, ohne Beobachtung der bürgerlichen Ordnung gezeuget worden. Im mittlern Lat. Filius naturalis, Franz. Fils naturel, welche aber zuweilen auch von einem rechtmäßigen Sohne gebraucht werden. Im Gegensatze der Kunst, oder der durch willkührliche Mittel vorgenommmenen Veränderungen, des Gekünstelten. Natürlicher Wein, natürliches Wasser. Der Wein war nicht natürlich, sondern gekünstelt. Natürliches Haar, eigenes Haar, im Gegensatze des falschen. Einer Sache ihren natürlichen Geruch lassen. Diese Farbe ist der Blume nicht natürlich. Eine natürliche Gesichtsfarbe. Der natürliche Tag, der vom Aufgange der Sonne bis zu ihrem Untergange dauert, zum Unterschiede des bürgerlichen, der in 24 Stunden eingetheilet wird. Eine natürliche Cavallerie, im Tarok-Spiele, welche aus vier Bildern in Einer Farbe bestehet, im Gegensatze der durch den Skiis gemachten. In weiterer Bedeutung ist auch etwas natürlich, wenn es gleich durch die Kunst verändert ist, doch aber der wahren natürlichen Beschaffenheit sehr ähnlich ist, wo es aber zu einer der folgenden Bedeutungen gehöret. Im Gegensatze des Gesuchten, des Mühsamen. Das folgt ganz natürlich daraus. Natürliche Gedanken, welche jedem Menschen von gesunder Vernunft von selbst einfallen, und aus der Sache selbst zu entstehen scheinen. Oft ist natürlich auch minder künstlich, minder gesucht, im Gegensatze des mehr Künstlichen, mehr Gesuchten. Eine natürliche Tonleiter in der Musik, deren Töne durch keine Versetzungszeichen verändert werden; im Gegensatze der versetzten. Im Gegensatze des Zwanges oder des Gezwungenen, für ungezwungen. Das folgt ganz natürlich. Ein Gram, der eigensinnig ist, verbreitet sich nicht so natürlich über fremde Gegenstände Hermes. Daher wird es im Nieders. auch häufig für gelinde, sanft, gebraucht. Es regnet so natürlich, so sanft. 3) In der weitern Bedeutung des Wortes Natur ist natürlich in Ansehung des Ursprunges, mit einer Sache zugleich entstehend, in dem gleichzeitigen Ursprunge gegründet. Die natürliche Gesellschaft, die Gesellschaft zwischen Ältern und Kindern, weil sie mit dem Entstehen eines jeden einzelnen Menschen zugleich entstehet. In diesem Verstande heißt in der Theologie das Ebenbild Gottes dem Mensch natürlich, weil es mit der Natur, mit der Verbindung des Mannigfaltigen in dem Menschen zugleich entstand. Natürliche Zeichen, wo eine Sache beständig neben der andern ist oder beständig auf dieselbe folgt. So ist der Rauch ein natürliches Zeichen des Feuers. Wo es denn zuweilen auch für rechtmäßig gebraucht wird. Der natürliche Oberherr, welchem man gleichsam von seinem Entstehen an unterworfen ist. 4) In noch weiterer Bedeutung, der Beschaffenheit einer Sache, der Verbindung des Mannigfaltigen in ihr gemäß, in derselben gegründet. War es nicht natürlich, daß dieser Argwohn meine ganze Freude verderben mußte? Ists nicht natürlich auf die Gewißheit einer künftigen Einrichtung der Welt zu schließen, da in der gegenwärtigen fast alles nur Anlage ist? Da er die Hoffnung zu gefallen aufgab, so war es ganz natürlich, daß er auch die Bemühung darum aufgab. Die natürliche Schreibart. 2. So fern Natur die wirkende Kraft aller Körper als eine Einheit betrachtet ist, ist natürlich, 1) Eigentlich, dieser wirkenden Kraft gemäß, in derselben entweder zum Theile oder ganz gegründet aus derselben erklärbar, verständlich; im Gegensatze des unnatürlich, übernatürlich und widernatürlich. Das gehet ganz natürlich zu. Die natürliche Zauberey. daß die Sonne auf- und untergehet, ist sehr natürlich. Das ist natürlicher Weise gar nicht möglich. 2) Zur Natur, d. i. zur Körperwelt gehörig, einzelnen Theilen derselben gemäß oder ähnlich. Natürliche Körper, welche zu einem der Naturreiche gehören, so lange sie durch die Kunst noch nicht merklich verändert worden; Naturalien. Wo es denn in weiterer Bedeutung auch für einen wirklichen oder doch leicht möglichen Gegenstand, gebraucht wird. Das Bild stehet natürlich so aus, wie er selbst. Er stellet sich natürlich so, als wenn er betrübt wäre. Jemanden sehr natürlich nachahmen. Daher denn in den schönen Künsten natürlich auch der Natur, d. i. den wirklich vorhandenen oder doch möglichen Körpern ähnlich und gemäß bedeutet. Anm. So ist dieses Wort ähnlich oder gemäß bedeutet, leidet es auch die Comparation, weil die Sache selbst hier mehrerer Grade fähig ist.


Natürlichkeit (W3) [Adelung]


Die Natürlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es natürlich ist. Die Natürlichkeit unserer Triebe. Die Natürlichkeit der Schreibart.


Naturlicht (W3) [Adelung]


Das Naturlicht, des -es, plur. inus. eine figürliche Benennung der durch natürliche Kräfte möglichen Erkenntniß, ingleichen der Vernunft, so fern sie diese Erkenntniß gewähret.


Naturmensch (W3) [Adelung]


Der Naturmensch, des -en, plur. die -en, ein im Stande der Natur lebender Mensch, ohne alle bürgerliche Verfassung oder Einschränkungen von außen.


Naturpflicht (W3) [Adelung]


Die Naturpflicht, plur. die -en, eine jede Veränderung, zu welcher ein Ding vermöge der Verbindung des Mannigfaltigen in demselben gezwungen wird. Die geschlagene Saite thut ihre Naturpflicht, sie klingt, Herd. In engerer Bedeutung sind Naturpflichten, diejenigen Pflichten, zu welchen der Mensch durch das Naturgesetz verbunden ist.


Naturrecht (W3) [Adelung]


Das Naturrecht, des -es, plur. die -e, Rechte, welche einem jeden Dinge vermöge der Einrichtung seiner Natur zukommen. In engerer und gewöhnlicher Bedeutung, Rechte, welche einem jeden Menschen vermöge seiner allgemeinen Beschaffenheit, auch außer der bürgerlichen Gesellschaft und ohne Rücksicht auf dieselbe zukommen. Ingleichen der Inbegriff dieser Rechte, ohne Plural; das Recht der Natur, Jus Naturae, im Gegensatze des durch willkürliche Einrichtung entstandenen oder bürgerlichen Rechtes.


Naturreich (W3) [Adelung]


Das Naturreich, des -es, plur. die -e. 1) Die ganze sichtbare Körperwelt, als ein mit einander genau verbundenes Ganze betrachtet; ohne Plural. In der Theologie, wo es dem Gnadenreiche, welches sich nur auf die Menschen und besonders auf die Gläubigen erstreckt, entgegen stehet, wird es auch das Reich der Macht genannt. 2) In engerer Bedeutung pflegt man alle auf und unter der Erde befindlichen bekannten Körper in drey Haupt-Classen oder so genannte Naturreiche zu theilen, welche das Thierreich, das Pflanzenreich und Mineralreich sind.


Naturspiel (W3) [Adelung]


Das Naturspiel, des -es, plur. die -e, ein Nahme, welchen man in der Naturgeschichte solchen natürlichen Körpern gibt, welche einige zufällige Ähnlichkeit mit andern Körpern haben, weil die Natur bey deren Bildung gleichsam spielete. Dergleichen sind die Linsensteine u. s. f. Steine, welche zufälliger Weise Linsen ähnlich sehen. In dem Steinreiche werden solche Naturspiele auch Steinspiele genannt.


Naturtrieb (W3) [Adelung]


Der Naturtrieb, des -es, plur. die -e, ein jeder Trieb, welcher in der Natur, d. i. in der Veränderungskraft allein, gegründet ist. Der eifrigste Enthusiasmus in der Freundschaft, der sich nur auf gleichseitige Neigung des Temperaments gründet, ist an und für sich keine Tugend, er ist ein bloßer Naturtrieb. In engerer Bedeutung ist ein Naturtrieb, Lat. Instinct, ein solcher Trieb dieser Art, der so sehr in der Veränderungskraft gegründet ist, daß auch keine freye Wahl dabey Statt findet. Den Naturtrieb durch das eheliche Band fesseln. Wenn ein solcher Trieb bey den Thieren auf gewisse dem Anscheine nach künstliche Verrichtungen eingeschränkt ist, so wird er auch der Kunsttrieb genannt.


Naturvolk (W3) [Adelung]


Das Naturvolk, des -es, plur. die -völker, ein im Stande der Natur, ohne merkliche bürgerliche Verfassung lebendes Volk, dergleichen Völker und Menschen gemeiniglich Wilde genannt werden.


Naturwissenschaft (W3) [Adelung]


Die Naturwissenschaft, plur. doch nur von mehrern Lehrbüchern dieser Art, die -en, die wissenschaftliche Kenntniß der Natur, d. i. der Veränderungskräfte aller körperlichen Dinge, die Naturkenntniß als eine Wissenschaft betrachtet, so wohl objective, als subjective; Scientia naturalis. Physica, die Physik, welche in andern Rücksichten auch die Naturlehre, die Naturkunde oder Naturkenntniß genannt wird. S. Kenntniß und Wissenschaft.


Nebel (W3) [Adelung]


Der Nebel, des -s, plur. ut nom. sing. eine Menge wässeriger, durch die Kälte verdickter Dünste in der untern Luft, welche dieselbe undurchsichtig machen, und in der Ferne eine Wolke heißen. Es entstehet ein Nebel. Im Frühlinge pflegen zuweilen ungesunde stinkende Nebel zu fallen, zu entstehen. Der Nebel fällt, wenn sich die Dünste auf die Erdfläche legen. Die Sonne zertheilt den Nebel. Der Nebel steigt in die Höhe, wenn er sich in die obere Luft begibt und daselbst zur Wolke wird; aber, es steigt ein Nebel auf, d. i. es entstehet ein Nebel. Bey Nacht und Nebel ausziehen, im gemeinen Leben, heimlich, in aller Stille. Jemanden eine Nebel vor den Augen machen, wofür man auch sagt, ihm einen blauen Dunst vormachen. Eine gefürchtete Zeit mit pestilenzialischem Fittig Wallet auf Nebeln die Seuche daher, Zachar. Anm. Bey dem Ottfried mit einer neuen Ableitungssylbe Nebulniss, bey dem Notker Nebul, im Lat. Nebula und schon im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches auch figürlich Eitelkeit bedeutet. Im Griech. ist - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - die Wolke, und im Böhm. Nebe der Himmel, welcher letztere aber zu einem Stamme gehöret. Die letzte Sylbe -el ist die Ableitungssylbe; es kommt also bey der Aufsuchung des Stammes nur auf Neb an, welches mit Nacht verwandt zu seyn, und grau, trübe, schwärzlich, zu bedeuten scheinet. ( S. Nebelkrähe.) Die Niederdeutschen und ihre Sprachverwandten haben dieses Wort nicht, sondern gebrauchen dafür theils Mist, Engl. und Holl. Mist, theils auch Daak, Dän. Daage, Schwed. Tökn, S. Thau.


Nebelbank (W3) [Adelung]


Die Nebelbank, plur. die -bänke, in der Seefahrt, ein in der Ferne auf der Oberfläche der See, oder auch an den Küsten sich zeigender Nebel, welcher die Gestalt einer Insel, oder einer Küste hat, und die Seefahrer oft hintergehet. S. Bank.


Nebelbogen (W3) [Adelung]


Der Nebelbogen, des -s, plur. ut nom. sing. eine Art des Regenbogens, welcher sich in einem Nebel bildet, und sich von einem Regenbogen nur darin unterscheidet, daß er weiß und ohne alle Farben ist. Bildet er sich in dem Thaue, so wird er auch ein Thaubogen genannt.


Nebelgrau (W3) [Adelung]


Nebelgrau, adj. et adv. der grauen Farbe des Nebels gleich oder ähnlich.


Nebelicht (W3) [Adelung]


Nebelicht, -er, -este, adj. et adv. einem Nebel ähnlich. Ein nebelichter Stern, in der Astronomie, welcher einem kleinen Wölkchen, oder hellen Flecken gleicht. Einen einzigen neblichten Stern verwandelt das Fernglas in einen Himmel voll Sonnen, Kästn.


Nebelig (W3) [Adelung]


Nebelig, -er, -ste, adj. et adv. Nebel enthaltend, aus Nebel bestehend. Nebeliges Wetter. Es ist heute sehr nebelig. Nieders. mistig, daakig, dakerig.


Nebelkappe (W3) [Adelung]


Die Nebelkappe, plur. die -n, in den Ritter-Romanen der mittlern Zeit, eine bezauberte Kappe, vermittelst deren man sich in einen Nebel verwandeln und unsichtbar machen konnte; das Helmkäpplein, bey andern die Tarnkappe. Die Dichtung, daß man sich durch zauberische Mittel in einen Nebel verwandeln, und sich dadurch den Augen anderer entziehen könne, ist alt, und kommt schon im Homer vor.


Nebelkrähe (W3) [Adelung]


Die Nebelkrähe, plur. die -n, in einigen Gegenden ein Nahme der aschgrauen Krähe mit schwarzem Kopfe, Flügeln und Schwanze; Cornix cinerea L. et Klein. Sie halten sich gemeiniglich nur im Winter bey uns auf, begeben sich aber im Sommer in andere Gegenden. S. Nebel Anm.


Nebeln (W3) [Adelung]


Nebeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches aber nur unpersönlich gebraucht wird. Es nebelt, es fällt ein Nebel, es ist nebelig. In benebeln ist es auch persönlich und thätig üblich.


Neben (W3) [Adelung]


Neben, eine Partikel, welche überhaupt eine Nähe ausdruckt, und auf eine doppelte Art gebraucht wird. I. Als ein Vorwort, wo sie so wohl die dritte als vierte Endung des Nennwortes erfordert. 1. Die dritte Endung, wenn ein Zustand der Ruhe nahe bey einem andern Dinge bezeichnet werden soll. 1) Eigentlich. Er saß neben mir. Er wohnet gleich neben uns an. Sie standen neben einander. Neben der Wahrheit vorbey spazieren, wo zwar die Handlung selbst eine Bewegung ist, welche aber in Rücksicht auf die Wahrheit im Stande der Ruhe gedacht wird; so wie man auch sagt, neben dem Walde hin gehen; würdig, neben ihr zu wandeln. Neben ihm soll sich lagern der Stamm Isaschar, 4 Mos. 2, 5. Sieben Säulen eine neben der andern, 1 Macc. 13, 28. Seinen Kopf mit den Federn soll man neben dem Altar werfen, 5 Mos. 1, 16; wo aber die vierte Endung stehen sollte, so wie Nehem. 3, 2, 4, 5 irrig die vierte Endung statt der dritten stehet. Neben mir, in meiner Gegenwart, 1 Sam. 21, 15. Habe ich der Unsinnigen zu wenig, daß ihr diesen herbrächtet, daß er neben mir rasete? ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. 2) Figürlich, für außer, einen Zusatz zu oder außer einem schon vorhandenen Dinge zu bezeichnen, mit dessen Beybehaltung; wo es doch in den meisten Fällen im Hochdeutschen ungewöhnlich zu werden anfängt. Du sollst keine andere Götter haben neben mir, 2 Mos. 20, 3. Du sollst deines Weibes Schwester nicht nehmen neben ihr, 3 Mos. 18, 18. Die da Zertrennung und Ärgerniß anrichten neben der Lehre, die ihr gelernt habt, Röm. 16, 17. Am häufigsten kommt diese Bedeu- tung noch in den folgenden Zusammensetzungen vor, wo es ein Ding bedeutet, welches sich nahe bey und außer einem andern von eben derselben Art befindet, und zuweilen noch den Nebenbegriff des nach d. i. der geringern, unwichtigern Beschaffenheit, bey sich führet, da es denn demjenigen Dinge entgegen gesetzet wird, welches in seiner Zusammensetzung das Wort Haupt - hat. Siehe auch Nebst. 2. Die vierte Endung, eine Bewegung nahe bey oder zu einem Dinge zu bezeichnen. Daß er ihn setze neben die Fürsten, neben die Fürsten seines Volkes; Ps. 113, 7, 8. Er soll die Asche neben den Altar schütten, 3. Mos. 4, 10. Als er müde war und sich neben eine Wand legte, Tob. 2, 10. Jesus stellete ein Kind neben sich, Luc. 9, 47. Begrabe sie neben mich, Tob. 4, 5. Sie traten neben die Kühe, 1. Mos. 41, 3. II. Als ein Umstandswort, wo es doch nur in Gesellschaft einiger andern Partikeln gebraucht wird. Neben her gehen, reiten, fahren; im gemeinen Leben beyher, wo es auch mit dem her zusammen gezogen wird, nebenher. Ingleichen figürlich, auf eine entferntere, zufällige Art, quasi aliud agendo, als ein Nebensache, in welchem Verstande auch neben bey üblich ist. Ich will es neben her oder neben bey machen. Nebenher diene ich den Armen, so viel meine Umstände erlauben.

Anm. Im Oberdeutschen mit dem überflüßigen d, nebend, im Nieders. neffen, neven, teffens. Es scheinet aus nahe bey zusammen gezogen zu seyn, dessen Bedeutung es wenigstens hat; so wie prope aus pro und pe, bey, pone und pene aus po, pe, bey, und ne, nahe, beynahe, entstanden zu seyn scheinen. Siehe auch Nebst.


Nebenabschied (W3) [Adelung]


Der Nebenabschied, des -es, plur. die -e, auf den Reichs- und Landtagen, ein Abschied, welcher neben, d. i. nach und außer dem Hauptabschiede verfasset wird, und sich gemeiniglich auf einzelne oder seltene Fälle beziehet.


Nebenabsicht (W3) [Adelung]


Die Nebenabsicht, plur. die -en, eine Absicht, welche man neben und außer der Hauptabsicht bey einer Sache hat.


Neben-Allee (W3) [Adelung]


Die Neben-Allee, plur. die -n, im Gegensatze der Hauptallee, S. dieses Wort.


Nebenaltar (W3) [Adelung]


Der Nebenaltar, des -es, plur. die -äre, im Gegensatze des Hauptaltares, S. dieses Wort.


Nebenarbeit (W3) [Adelung]


Die Nebenarbeit, plur. die -en, eine Arbeit, welche man neben und außer der Hauptarbeit verrichtet oder zu verrichten hat. Überhäufte Nebenarbeit haben. Etwas als eine Nebenarbeit behandeln.


Neben-Artikel (W3) [Adelung]


Der Neben-Artikel, des -s, plur. ut nom. sing. ein Artikel, welcher neben und außer dem Haupt-Artikel verfasset wird, ( S. dieses Wort.) In der Theologie sind die Neben-Artikel Glaubenslehren, welche nicht zum unentbehrlichen Grunde der geoffenbarten Heilsordnung gehören; im Gegensatze der Haupt-Artikel oder Grundwahrheiten.


Nebenbegriff (W3) [Adelung]


Der Nebenbegriff, des -es, plur. die -e, ein Begriff, welcher einem Worte noch außer dem Hauptbegriffe anklebet, der seinen Grund in dem Hauptbegriffe hat; wenn z. B. das Wort nach außer der Folge der Zeit und des Ortes auch den darin gegründeten Begriff der geringern Beschaffenheit hat.


Nebenbericht (W3) [Adelung]


Der Nebenbericht, des -es, plur. die -e, siehe Hauptbericht.


Nebenbeweis (W3) [Adelung]


Der Nebenbeweis, des -es, plur. die -e, siehe Hauptbeweis.


Nebenblatt (W3) [Adelung]


Das Nebenblatt, des -es, plur. die -blätter, in der Botanik, Blätter an den Pflanzen, welche von den gewöhnlichen oder Hauptblättern so wohl in der Gestalt als Farbe unterschieden sind; Bractea L. Zum Unterschiede so wohl von diesen gewöhnlichen Blättern, Foliis L. als auch von den Blättchen, Foliolis L. und Afterblättern, Stipulis L.


Nebenbrief (W3) [Adelung]


Der Nebenbrief, des -es, plur. die -e, oder das Neben-Document, des -es, plur. die -e, S. Hauptbrief.


Nebenbruder (W3) [Adelung]


Der Nebenbruder, des -s, plur. die -brüder, in der weitern Bedeutung des Wortes Bruder, ein Nebenmensch, ein jeder Mensch außer uns; ohne den Begriff der geringern Beschaffenheit. Mein Stolz entfernte alle meine Nebenbrüder von mir. Dusch. Der Mitbruder.


Nebenbuhler (W3) [Adelung]


Der Nebenbuhler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nebenbuhlerinnn, von Buhler, ein Liebhaber, eine Person, welche sich neben und außer einer andern um die Liebe einer und eben derselben Person bewirbt; der Mitbuhler. Cajus ist Titii Nebenbuhler, und Titius Caji, wenn sich beyde um ein und eben dasselbe Frauenzimmer bewerben.


Nebenbürge (W3) [Adelung]


Der Nebenbürge, des -n, plur. die -n, derjenige, welcher sich neben und außer dem Hauptbürger für etwas verbürget hat, und auch der Nachbürge und Afterbürge genannt wird.


Nebenchrist (W3) [Adelung]


Der Nebenchrist, des -en, plur. die -en, ein jeder Christ außer uns, ohne den Nebenbegriff der geringern Beschaffenheit; der Mitchrist. Es wird von beyden Geschlechtern gebraucht. Im Schwabenspiegel Ebencrist.


Nebending (W3) [Adelung]


Das Nebending, des -es, plur. die -e, ein Ding, so fern es einem Hauptdinge, d. i. dem wichtigern oder vornehmern, nachgesetzet ist. Sich bey Nebendingen verweilen. Siehe Nebensache.


Nebenfabel (W3) [Adelung]


Die Nebenfabel, plur. die -n, eine der Hauptfabel nach- und untergeordnete Erdichtung in einem Gedichte, welche auch die Zwischenfabel genannt wird.


Nebenfach (W3) [Adelung]


Das Nebenfach, des -es, plur. die -fächer, ein Fach, welches sich neben einem andern befindet, so wohl eigentlich, dem Orte nach, als auch figürlich, der Würde nach; in welchem letztern Falle es dem Hauptsache gesetzet ist.


Nebenfarbe (W3) [Adelung]


Die Nebenfarbe, plur. die -n, eine der Hauptfarbe nach- und untergeordnete Farbe, S. Hauptfarbe.


Nebenfigur (W3) [Adelung]


Die Nebenfigur, plur. die -en, eine der Hauptfigur nach- und untergeordnete Figur, welche in den bildenden Künsten zuweilen auch ein Beywerk genannt wird.


Neben-Flanke (W3) [Adelung]


Die Neben-Flanke, plur. die -n, S. Nebenstreiche.


Nebenflügel (W3) [Adelung]


Der Nebenflügel, des -s, plur. ut nom. sing. S. Hauptflügel.


Nebenfrage (W3) [Adelung]


Die Nebenfrage, plur. die -n, eine der Hauptfrage nach- und untergeordnete, in derselben gegründete Frage.


Nebengang (W3) [Adelung]


Der Nebengang, des -es, plur. die -gänge, ein Gang, welcher sich neben einem andern befindet, so wohl eigentlich, in Absicht des Ortes, als auch figürlich, in Absicht der Größe oder Wichtigkeit, in welchem letztern Falle er dem Hauptgange entgegen gesetzet wird.


Nebengasse (W3) [Adelung]


Die Nebengasse, plur. die -n, Diminut. das Nebengäßchen, S. Hauptgasse.


Nebengebäude (W3) [Adelung]


Das Nebengebäude, des -s, plur. ut nom. sing. ein von dem Hauptgebäude abhängiges Gebäude, besonders, wenn es sich zugleich neben demselben befindet.


Nebengegend (W3) [Adelung]


Die Nebengegend, plur. die -en, S. Hauptgegend und Nebenstrich.


Nebengeleit (W3) [Adelung]


Das Nebengeleit, des -es, plur. die -e, S. Hauptgeleit.


Nebengeschöpf (W3) [Adelung]


Das Nebengeschöpf, des -es, plur. die -e, ein jedes Geschöpf, welches sich neben und außer einem andern befindet, ohne den Nebenbegriff der geringern Würde; ein Mitgeschöpf.


Nebengestell (W3) [Adelung]


Das Nebengestell, des -es, plur. die -e, S. Hauptgestell.


Nebenglied (W3) [Adelung]


Das Nebenglied, des -es, plur. die -er, siehe Hauptglied.


Nebengraben (W3) [Adelung]


Der Nebengraben, des -s, plur. die -gräben, S. Hauptgraben.


Nebenhalm (W3) [Adelung]


Der Nebenhalm, des -es, plur. die -e, der Halm, welcher sich außer dem Haupthalme an dem Getreide, besonders an dem Rocken, befindet, und auf dem Lande in Meißen auch die Maypflanze genannt wird. Die ganze Menge der Nebenhalme führet daselbst auch den Nahmen des Unterrockens.


Nebenhandlung (W3) [Adelung]


Die Nebenhandlung, plur. die -en, eine der Haupthandlung nachgeordnete, von derselben abhängigen Handlung.


Nebenhaus (W3) [Adelung]


Das Nebenhaus, des -es, plur. die -häuser, ein von dem Hauptgebäude abhängiges und neben demselben befindliches Haus; das Nebengebäude.


Nebenher (W3) [Adelung]


Nebenher, adv. S. Neben II.


Nebenkirche (W3) [Adelung]


Die Nebenkirche, plur. die -n, eine der Hauptkirche nach- und untergeordnete, von derselben abhängige Kirche, welche am häufigsten ein Filial, eine Tochterkirche genannt wird, im Oberd. die Nebenpfarre, Nachpfarre, Tochterpfarre, Beykirche. Auch im eigentlichsten Verstande, eine dem Orte nach neben einer andern stehende Kirche, wenn sie gleich nicht abhängig von ihr ist.


Nebenknoten (W3) [Adelung]


Der Nebenknoten, des -s, plur. ut nom. sing. S. Hauptknoten.


Nebenlade (W3) [Adelung]


Die Nebenlade, plur. die -n, S. Hauptlade.


Nebenlehen (W3) [Adelung]


Das Nebenlehen, des -s, plur. ut nom. sing. S. Hauptlehen.


Nebenlinie (W3) [Adelung]


Die Nebenlinie, plur. die -n, eine von der Hauptlinie abhängige, derselben nach- und untergeordnete Linie; besonders in der Genealogie.


Nebenmann (W3) [Adelung]


Der Nebenmann, des -es, plur. die -männer. 1) Ein Mann, d. i. eine Person, welche sich neben einer andern ihr zur Seite, eigentlich und dem Orte nach, befindet. So ist bey den Soldaten derjenige, der im Gliede neben dem andern stehet, dessen Nebenmann; zum Unterschiede von dem Vorname und Hintermanne. 2) Eine Person männlichen Geschlechtes, mit welcher eine verheirathete weibliche neben und außer ihrem rechtmäßigen Manne einen verbothenen Umgang unterhält. Selbst Venus, als auf Erden Sie Herrchen lieb gewann, Erwählte bey den Herden Sich ihrem Nebenmann, Weiße. S. Nebenweib.


Nebenmensch (W3) [Adelung]


Der Nebenmensch, des -en, plur. die -en, ein jeder Mensch, welcher sich neben, d. i. außer einem andern, befindet; der Mitmensch, Nieders. Evenminsk. Seinen Nebenmenschen zum Nutzen leben, seinem Nächsten, andern Menschen. Im gemeinen Leben wird auch zuweilen eine niedrige weibliche Person, welche der Magd oder der Köchinn in der Arbeit an die Hand gehet, das Nebenmensch oder Beymensch genannt.


Nebenmond (W3) [Adelung]


Der Nebenmond, des -es, plur. die -e, das von den Lichtstrahlen reflectirte Bild des Mondes in der mit Dünsten angefüllten Luft, Paraselene. S. Nebensonne.


Nebenniere (W3) [Adelung]


Die Nebenniere, plur. die -n, in der Anatomie, drüsige Theile in Gestalt der Nieren, welche sich neben diesen befinden, gemeiniglich hohl sind, und alsdann eine schwarze Feuchtigkeit enthalten; Renes succenturiati, Capsulae atrabilariae.


Nebenpfarre (W3) [Adelung]


Die Nebenpfarre, plur. die -n, S. Nebenkirche.


Nebenpfeiler (W3) [Adelung]


Der Nebenpfeiler, des -s, plur. ut nom. sing. ein sich neben, oder zur Seite eines andern Pfeilers befindlicher Pfeiler. Ingleichen ein dem Hauptpfeiler nach- und untergeordneter Pfeiler.


Neben-Planet (W3) [Adelung]


Der Neben-Planet, des -en, plur. die -en, S. Hauptplanet.


Nebenpunct (W3) [Adelung]


Der Nebenpunct, des -es, plur. die -e, S. Hauptpunct.


Neben-Receß (W3) [Adelung]


Der Neben-Receß, des -sses, plur. die -sse, ein von dem Haupt-Recesse abhängiger, demselben nach- und untergeordneter Receß. S. Receß.


Nebenrechnung (W3) [Adelung]


Die Nebenrechnung, plur. die -en, eine Rechnung, welche von einer größern, wichtigern abhängige, derselben nach- oder untergeordnet ist; im Gegensatze der Hauptrechnung.


Nebenrolle (W3) [Adelung]


Die Nebenrolle, plur. die -n, eine der Hauptrolle nach- oder untergeordnete Rolle. So machen die Schauspieler außer ihren Hauptrollen noch kleinere Nebenrollen.


Nebensache (W3) [Adelung]


Die Nebensache, plur. die -n, eine jede Sache, so fern sie in der Hauptsache gegründet, von ihr abhängig, ihr nach- und untergeordnet ist. Das ist nur einen Nebensache. Sich mit Nebensachen abgeben, bey Nebensachen aufhalten.


Nebensatz (W3) [Adelung]


Der Nebensatz, des -es, plur. die -sätze, ein jeder dem Hauptsatze nach- und untergeordneter Satz, eins aus dem Hauptsatze gemachte Abtheilung oder Zergliederung.


Nebenschmack (W3) [Adelung]


Der Nebenschmack, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein Geschmack, welchen eine Sache noch außer ihrem eigentlichen oder merklichsten Geschmacke hat, und der von dem Nachgeschmacke noch unterschieden ist; im gemeinen Leben der Beyschmack, Beygeschmack.


Nebenschoß,Nebenschößling (W3) [Adelung]


Der Nebenschoß, oder Nebenschößling, des -es, plur. die -e, bey den Gärtnern, Schosse oder Schößling, welche außer und neben den Hauptschossen, d. i. nicht auf dem Schnitte des vorigen Jahres heraus treiben, und auch Wasserschosse und Wasserreiser genannt werden.


Nebenschreiben (W3) [Adelung]


Das Nebenschreiben, des -s, plur. ut nom. sing. ein Schreiben, d. i. ein Brief, welches dem Hauptschreiben nach- und untergeordnet ist, und auch ein Beyschreiben genannt wird.


Nebenschuldner (W3) [Adelung]


Der Nebenschuldner, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nebenschuldnerinn, S. Hauptschuldner.


Nebenseite (W3) [Adelung]


Die Nebenseite, plur. die -n, eine der Hauptseite nach- oder untergeordnete, von derselben abhängige Seite.


Nebensonne (W3) [Adelung]


Die Nebensonne, plur. die -n, der Wiederschein der Sonne, oder das durch die Refraction der Lichtstrahlen in der mit Dünsten angefüllten Luft hervor gebrachte Bild der Sonne; Parelium, auch die Beysonne, im Oberd. die Wahnsonne, in dem 1482 gedruckten Buche der Natur Zusonne, im Schwed. Vädersol, Wiedersonne.


Nebenstrahl (W3) [Adelung]


Der Nebenstrahl, des -es, plur. die -en, S. Hauptstrahl.


Nebenstraße (W3) [Adelung]


Die Nebenstraße, plur. die -n, eine der Hauptstraße nach- und untergeordnete Straße.


Nebenstreiche (W3) [Adelung]


Die Nebenstreiche, plur. die -n, in der Kriegsbaukunst, eine der Hauptstreiche oder Haupt-Flanke nach- und untergeordnete Streiche, dasjenige Stück von der Cortine, welches die beyden Defensions-Linien abschneidet; die Neben-Flanke, Französ. Second-Flanc.


Nebenstrich (W3) [Adelung]


Der Nebenstrich, des -es, plur. die -e, Striche, welche von dem Hauptstriche abhängig, ihm nach- und untergeordnet sind. So werden die zwischen den Hauptstrichen auf dem Compasse befindlichen Striche, welche die Nebengegenden bezeichnen, und diese Nebengegenden selbst, Nebenstriche genannt.


Nebenstube (W3) [Adelung]


Die Nebenstube, plur. die -n, Diminut. das Nebenstübchen, eine Stube, welche sich dem Orte nach neben einer andern, ihr zur Seite befindet. Ingleichen eine der Hauptstube nach- und untergeordnete, von ihr abhängige, gemeiniglich kleinere Stube. So ist auf dem Reichstage zu Regensburg, die fürstliche Neben- stube, dasjenige Zimmer, in welchem sich die fürstlichen Gesandten insgeheim ohne die Secretarien versammeln, zum Unterschiede von der ordentlichen fürstlichen Rathsstube. In beyden Fällen in der anständigen Sprechart das Nebenzimmer.


Nebenstück (W3) [Adelung]


Das Nebenstück, des -es, plur. die -e. 1) Ein dem Hauptstücke nach- und untergeordnetes, von demselben abhängiges Stück. 2) Ein Stück gleicher Art, es neben einem andern zu stellen; für das Franz. Pendant.


Nebenstunde (W3) [Adelung]


Die Nebenstunde, noch häufiger im Plural, die -n, diejenige Zeit, in welcher man von seinen ordentlichen Amts- oder Berufsgeschäften befreyet ist, denselben ohne deren Nachtheil abbrechen kann; Horae subcisivae. Etwas in den Nebenkunden verrichten. Seine Nebenstunden gut anwenden.


Nebenthür (W3) [Adelung]


Die Nebenthür, plur. die -en, eine neben einer andern befindliche Thür. Ingleichen eine der Hauptthür nach- und untergeordnete kleinere Thür.


Nebenuhr (W3) [Adelung]


Die Nebenuhr, plur. die -en, in der Gnomonik eine der Hauptuhr nach- und untergeordnete Uhr, dergleichen die inclinirenden, declinirenden, reclinirenden und deinclinirenden Sonnenuhren sind.


Nebenumstand (W3) [Adelung]


Der Nebenumstand, des -es, plur. die -stände, ein in dem Hauptumstande gegründeter, von demselben abhängiger, ihm nach und untergeordneter Umstand.


Nebenursache (W3) [Adelung]


Die Nebenursache, plur. die -n, S. Hauptursache.


Nebenwahrheit (W3) [Adelung]


Die Nebenwahrheit, plur. die -en, eine Wahrheit, welche in einer höhern oder wichtigern gegründet ist, aus derselben hergeleitet wird, ihr nach und untergeordnet ist; im Gegensatze dieser höhern Haupt- oder Grundwahrheit.


Nebenweg (W3) [Adelung]


Der Nebenweg, des -es, plur. die -e, ein Weg, welcher neben einem andern gehet. Ingleichen ein dem Hauptwege nach- oder untergeordneter Weg. Zuweilen auch figürlich für Abweg.


Nebenweib (W3) [Adelung]


Das Nebenweib, des -es, plur. die -er, eine weibliche Person, mit welcher eine verheirathete männliche außer und neben der rechtmäßigen Gattinn einen verbothenen Umgang unterhält; ehedem das Kebsweib; mit ausländischen Ausdrücken die Concubine, Maitresse, im verächtlichen Verstande die Beyschläferinn.


Nebenwerk (W3) [Adelung]


Das Nebenwerk, des -es, plur. die -e, ein dem Hauptwerke nach- und untergeordnetes, von demselben abhängiges Werk.


Nebenwind (W3) [Adelung]


Der Nebenwind, des -es, plur. die -e, ein Wind, welcher aus einer Nebengegend wehet. S. Hauptwind.


Nebenwinkel (W3) [Adelung]


Der Nebenwinkel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Geometrie, Winkel, welche sich neben einander befinden, d. i. einen gemeinschaftlichen Schenkel und eine gemeinschaftliche Spitze haben.


Nebenwort (W3) [Adelung]


Das Nebenwort, des -es, plur. die -wörter. 1) Überhaupt, ein Wort, welches dem Hauptworte, d. i. dem vornehmsten wichtigsten Worte, nach -und untergeordnet ist; in welcher Bedeutung es doch nur selten gebraucht wird. Am häufigsten, in der Sprachkunst, 2) das Adverbium zu bezeichnen, d. i. eine solche Partikel, welche dem Zeitworte beygesellet wird, und dasselbe bestimmt, z. B. er reitet schnell, wofür andere die Benennungen Beywort, Zuwort u. s. f. versucht haben.


Nebenzimmer (W3) [Adelung]


Das Nebenzimmer, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Nebenzimmerchen, S. Nebenstube.


Nebenzoll (W3) [Adelung]


Der Nebenzoll, des -es, plur. die -zölle, S. Hauptzoll.


Nebenzweck (W3) [Adelung]


Der Nebenzweck, des -es, plur. die -e, ein dem Hauptzwecke nach- und untergeordneter, von demselben abhängiger, in demselben gegründeter Zweck.


Neber (W3) [Adelung]


Der Neber, S. Näber.


Nebst (W3) [Adelung]


Nebst, ein Vorwort, welches die dritte Endung erfordert, und nur in der figürlichen Bedeutung des Vorwortes neben gebraucht wird, anzudeuten, daß ein Ding neben; d. i. mit dem andern zugleich, ist oder geschiehet, ohne doch den Nebenbegriff der geringern Beschaffenheit zu haben; für mit. Man gebraucht es gemeiniglich da, wo mit eine Zweydeutigkeit veranlassen könnte, wenn weiter nichts als eine Coexistenz der Sache oder Handlung angedeutet werden soll. Sie war nebst ihrem Geschwister im Garten. Der Nachtanker wird nebst dem Hauptanker zur Nachtzeit ausgeworfen. Meine Angehörigen empfehlen sich ihnen nebst mir. Aber in der eigentlichen Bedeutung des Vorwortes neben, von dem Orte gebraucht, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. Vor ihm liegt der Tod, nebst ihm liegt das Leben, Withof.

Anm. Im Nieders. neffens, nevens, im gemeinen Leben der Hochdeutschen nebenst, nebest, benebenst. ( S. Neben,) von welchem Vorworte es unmittelbar abstammet.


Necken (W3) [Adelung]


Necken, verb. reg. act. durch kleine Beleidigungen, durch kleine Possen bloß zu seinem Vergnügen, zum Unwillen, zum Zorne reißen. In Cuba war ein Papagey, Den neckt ein jeder um die Wette, Haged. Wer andre necken kann, muß wieder Scherz verstehn, Gell. Ihr lebhafter Witz verleitet sie oft, ihre Geschwister zu necken, und ihnen kleine Ränke abzulaufen, Weiße. Was sich liebt, das neckt sich gern, Gell. Daher das Necken.

Anm. Im Oberdeutschen auch zecken, im Nieders. tergen, terren, Angels. tyrian, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, bey den Hochdeutschen redenden Niedersachsen zärgen. Unser necken leiten die meisten von Nacken her, und schreiben es daher näcken, ungeachtet sich hier kein wahrscheinliches Verbindungsmittel zwischen beyden Bedeutungen angeben lässet. Bey dem Ulphilas ist hnaigan verspotten. Es scheinet vielmehr das Diminutivum von nagen zu seyn, und eigentlich kleine Bisse mit dem Munde oder Schnabel versetzen zu bedeuten, so wie zecken und zärgen ähnliche verkleinernde Formen sind. S. auch Hohnecken.


Neckerey (W3) [Adelung]


Die Neckerey, plur. die -en, das wiederhohlte Necken; ohne Plural. Ingleichen kleine Beleidigungen, welche darauf abzielen, den andern zu reitzen. Es sind unter den Truppen allerley Neckereyen vorgefallen.


Neckisch (W3) [Adelung]


Neckisch, -er, -te, adj. et adv. welches nur im gemeinen Leben für spaßhaft, possierlich üblich ist. Ein neckischer Mensch. Ein neckischer Streich. Das ist doch neckisch. Ein Bube, den nichts fröhlich machte, Als was er für recht neckisch hielt, Haged. Es hat mit dem vorigen nur eine zufällige Ähnlichkeit im Klange gemein, und gehöret zu dem Worte Schnake und dem Nieders. schnakisch, welches durch vorgesetzten Zischlaut daraus entstanden.


Neckstein (W3) [Adelung]


Der Neckstein, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, eine bräunliche Bergart, welche zinnartig zu seyn scheinet, es aber nicht ist. Sie ist von dem Wolfram und Schirl noch unterschieden, und soll den Nahmen daher haben, weil sie die Bergleute oft necket, d. i. sie verführet, daß sie selbige zu ihrem Nachtheil für Zwitter halten.


Neffe (W3) [Adelung]


1. Der Neffe, des -n, plur. die -e, ein vorzüglich im Oberdeutschen übliches Wort, einen Enkel, d. i. des Sohnes oder der Tochter Sohn, ingleichen des Bruders oder der Schwester Sohn zu bezeichnen. Daß du mir, noch meinen Kindern, noch meinen Neffen keine Untreue erzeigen wollest. 1. Mos. 21, 23. Israel Abdon hatte vierzig Söhne und dreyßig Neffen, Richt. 12, 14. Er wird keine Kinder haben, und keine Neffen unter seinem Volk, Hiob 18, 19; wo Michaelis das Wort Enkel, in der ersten Stelle aber das Wort Nachkommen hat. Die geistlichen Churfürsten bekommen heut zu Tage von dem Kaiser den Titel Neffe, dagegen die weltlichen Oheim heißen. Ehedem wurden beyde Ausdrücke ohne Unterschied von geist- und weltlichen Churfürsten gebraucht.

Anm. Schon im 9ten Jahrhundert in der Fränkischen Mundart Neuu, bey dem Stryker Neve, im Nieders.. Neve, im Holländ. Neef, Neve, im Angels. Nefa, im Engl. Nephew, im Franz. Neveu, im Alban. Nip, und sogar im Lappländ. Naep; alle in der heutigen Deutschen Bedeutung, dagegen in Ungarn der Schwager Nap genannt wird. Die Übereinstimmung mit dem Latein Nepos, ein Enkel, ist unläugbar, woraus aber noch keine Abstammung, wohl aber ein gemeinschaftlicher Ursprung von einem ältern Stamme folget, welcher vielleicht unser nahe ist. Beym Hornegk heißt ein jeder Blutsfreund Nef, Neve, New. In den alten Englischen Gesetzen ist Nief, Naif Neif, ein Leibeigener, welches aber aus dem mittlern Latein. Nativus, welches in eben dieser Bedeutung vorkommt, zusammen gezogen zu seyn scheinet. In der Hollsteinischen Landgerichtsordnung sind Neffninger gewisse Feld- oder Ackerrichter, wo Frisch die erste Sylbe für eine Zusammenziehung von Nachbar hält. Übrigens lautet das weibliche Geschlecht von diesem Worte Nichte, und im Oberd. auch Niftel, S. das erstere.


Neffe (W3) [Adelung]


2. Die Neffe, plur. die -n, ein Nahme, welchen in einigen Gegenden, z. B. in Meißen, die Blattläufe haben, ( S. dieses Wort.) Es scheinet mit der aus dem Griech entlehnten Lat. Benennung Aphis verwandt zu seyn, weil das N vor den Wörtern bald zugesetzt, bald weggelassen wird, S. N; es kann aber auch von nagen, Schnabel u. s. f. abstammen, weil dieses Insect den Früchten vielen Schaden thut, und daher im gemeinen Leben auch mit unter die Milben gerechnet wird, welche ihren Rahmen von mahlen, kauen, zermalmen, haben.


Neger (W3) [Adelung]


Der Neger, des -s, plur. die -n, Fämin, die Negerinn, aus dem Franz. Negre, und dieß von dem Latein. niger, eine Benennung, welche man heut zu Tage den Einwohnern des südlichen Afrika wegen ihrer völlig schwarzen Gesichtsfarbe zu geben pflegt, und die daher auch wohl die Schwarzen genannt werden. S. 2 Mohr.


Nehen (W3) [Adelung]


Nehen, S. Nähen.


Nehmen (W3) [Adelung]


Nehmen, verb. irreg. ich nehme, du nimmst, er nimmt, Conj. ich nehme; Imperf. ich nahm, Conj. ich nähme; Mittelw. genommen; Imperat. nimm. Es ist auf gedoppelte Art üblich. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, in einen Zustand versetzet werden; in welcher Bedeutung es eine Figur des folgenden Activi ist, aber nur in einigen wenigen Fällen gebraucht wird. Überhand nehmen, sich ausbreiten, das Übergewicht bekommen. Schaden nehmen, einen Schaden, Nachtheil erleiden; besonders in engerer Bedeutung von einer körperlichen Beschädigung oder Verletzung, in welchem Falle man von Personen auch sagt, zu Schaden kommen. Das Kind fiel die Treppe hinunter, nahm aber keinen Schaden, wurde nicht beschädiget. Einen Anfang nehmen, angefangen werden; ein Ende nehmen, aufhören. Wenn wird meine Qual ein Ende nehmen? Die Sache hat eine gute, glückliche, schlechte, unglückliche Wendung genommen; bekommen. Hierher gehöret auch die unpersönliche oder doch nur in der dritten Person übliche R. A. es nimmt mich Wunder, es wundert mich, die Sache nimmt mich Wunder, wundert mich, welche Frisch als eine Nachahmung des Zeitwortes capere im Latein. ansiehet; quae te dementia cepit, capit me admiratio. Dem sey wie ihm wolle, so ist sie schon alt. Iuh ne tharf is ne nehein Wunder nehmen, in dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter. Des nam die Haiden Wunde, Stryker. Des nam vil dickch wunder vil manigen chomenden gast, Horn. Es nimpt mich wunder, daß u. s. f. Theuerd. Kap. 33. So nimmt michs nicht Wunder, Gell. Das sollte mich sehr Wunder nehmen. Was mich dabey sehr Wunder nahm. Dieses hat viele Wunder genommen. Das darf dich nicht Wunder nehmen. Auf eben die Art sagt man dafür auch, es hat mich Wunder, und im Theuerdanke kommt nehmen in diesem Verstande auch persönlich vor: die schifleut darab wunder nahmen, Kap. 72; auf welche Art es aber im Hochdeutschen veraltet ist. II. Als ein Activum, wo es in einem sehr weiten Umfange von Bedeutungen üblich ist, und eine Sache sich oder einem Theile seines Körpers nahe bringen bedeutet. 1. Eigentlich, wo es sich weiter erstreckt als fassen, indem dieses eine Hand, oder anderes zangenartiges Glied voraus setzet, womit eine Sache gefasset wird, nehmen aber von allen Gliedern und Theilen des Leibes gebraucht werden kann. Man nimmt etwas in die Hand, mit der Hand; man nimmt aber auch etwas auf den Kopf, auf den Rücken, auf die Achsel u. s. f. wenn gleich keine Hand dabey gebraucht wird. Das Glas von dem Tische, das Geld aus der Tasche nehmen. Jemanden etwas aus der Hand nehmen. Ein Ding in den Mund nehmen. Jemanden bey der Hand nehmen, ihn freundschaftlich und sanft an die Hand fassen; dagegen jemanden bey dem Kopfe nehmen mehr Ungestüm voraus setzt, und auch figürlich für in Verhaft nehmen gebraucht wird. Eine Person in den Arm, ein Kind auf den Arm nehmen. Kein Blatt vor den Mund (im gemeinen Leben vor das Maul) nehmen, freymüthig reden und urtheilen Ich nehme sie beym Worte, ich halte mich an ihr Wort. Sich viel heraus nehmen, figürlich sich viele Freyheit anmaßen. Eine Last auf den Rücken nehmen. Eine Sache auf sich nehmen, sich anheischig machen, sie auszuführen, sie zu verantworten. Das nehme ich auf mich. Das will ich schon über mich nehmen, es zu verantworten. Wohin denn eine große Menge ähnlicher Arten der Ausdrücke gehöret, wo nehmen eine Art des nahe bringens und oft auch des zu eigen machens bedeutet, und wo die ganze R. A. bald eigentlich, bald aber auch figürlich genommen werden muß. Speise und Trank zu sich nehmen, genießen. Ich habe heute noch nichts zu mir genommen, noch nichts genossen. Arzeney nehmen oder einnehmen. Etwas in Empfang nehmen. Etwas zu sich nehmen, es zu sich stecken. Nehmen sie das Geld zu sich. Vergiß das Obst, das du zu dir genommen, Gell. Jemanden in die Mitte nehmen. Das Werk vor die Hand nehmen. Etwas in die Arbeit nehmen; in der niedrigen Sprechart, es in die Mache nehmen. Einem das Wort aus dem Munde nehmen, eben das sagen, was der andere sagen wollte. Jemanden zu sich in den Wagen nehmen, ihn in seinem Wagen sitzen lassen. Jemanden zu sich in das Haus nehmen, ihn in demselben wohnen, sich aufhalten lassen, in weitesten Verstande, ohne Bestimmung der Zeitdauer oder der Art und Weise. So auch, jemanden zu sich an den Tisch nehmen. Jemanden in seinen Schutz nehmen. Sich Zeit zu etwas nehmen. Sich Bedenkzeit nehmen. Man muß die Gelegenheit nehmen, (nutzen, gebrauchen,) wenn sie da ist. Eine Weise, eine Gewohnheit an sich nehmen. Ein Gut in Pacht nehmen. Sich die Freyheit nehmen. Etwas in Besitz nehmen. Die Post nehmen, mit Extrapost reisen. Wie viel nimmt er des Tages für eine Arbeit? wie viel läßt er sich dafür bezahlen? Einen Eid von jemanden nehmen, ihn solchen ablegen lassen. Seinen Sitz oben annehmen, die Oberstelle nehmen. Seinen Befehl, einen Entschluß zurück nehmen. Frische Pferde nehmen, sich geben lassen. Ein Gut in Leben nehmen. Ich wollte nicht viel nehmen und sie stören, Gell. nicht viel Geld. Nimm dir wieder einen Sprachmeister, Gell. In engerer Bedeutung, ist Geld nehmen, sich bestechen lassen, dagegen man in weiterer von einer Geldsorte, welche nicht gäng und gebe ist, sagt, dieß Geld wird hier nicht genommen. Man siehet hieraus, daß nehmen ein sehr unbestimmtes Wort ist, welches nur überhaupt ein nahe bringen bezeichnet, die Art und Weise aber völlig unentschieden lässet, welche denn entweder durch Beysätze bestimmt wird, oder auch durch den Gebrauch fest gesetzet worden. Zu der letztern Art gehören noch folgende Fälle. 1. Eine Frau nehmen, einen Mann nehmen, sie oder ihn heirathen; in welcher Bedeutung auch nehmen im gemeinen Leben allein gebraucht wird. Sie will ihn nicht nehmen, hat keine Neigung, ihn zu heirathen. Wenn sie dir gefällt, so nimm sie. Zu Ehe nehmen. 2. Mit dem Nebenbegriffe der Gewalt, auf eine gewaltthätige Art sich nahe bringen, und in weiterer Bedeutung, sich eigen machen. Er läßt sich nichts nehmen. Die Feinde haben ihm alles genommen. Jemanden ein Amt, ihm das Leben nehmen. Der Dieb nimmt, was er findet. Jemanden das Seine nehmen. Jemanden gefangen nehmen. Das nimmt der Sache nichts, schadet ihr nichts. O sage, wie es immer kam, Daß man dir deine Freyheit nahm! Gell. 2. Figürlich, wo es in sehr vielen Fällen gebraucht wird, allerley tätige Veränderungen zu bezeichnen. 1) Überhaupt. Die Flucht nehmen, ergreifen, fliehen. Seine Zuflucht zu jemanden nehmen. Urlaub nehmen, Abschied nehmen, gute Nacht nehmen. Und nahmen höflich gute Nacht, Gell. Sein Nachtlager an einem Orte nehmen. Ein Herz nehmen, im Oberdeutschen, für fassen. Das Maß zu etwas nehmen. Sich die Mühe nehmen. Ich nehme mir die Mühe nicht. Theil, Antheil an etwas nehmen. Ich nehme an eurem Glücke den aufrichtigen Antheil, Weiße. Den Weg wohin nehmen, sich dahin wenden. Einen großen Umweg nehmen. Nicht Umgang nehmen können, nicht umhin können. Ein Exempel, ein Beispiel an etwas nehmen, es sich zu einem Beyspiele dienen lassen. Eine Abschrift von etwas nehmen, verfertigen, oder verfertigen lassen. Die Polhöhe, die Sonnenhöhe, die Höhe eines Sternes nehmen, messen. Mit etwas für lieb nehmen, es sich gefallen lassen. ( S. Lieb.) Sich in Acht nehmen, sich hüthen. Etwas in Acht nehmen, es gewahr werden, bemerken. Eine Sache in Acht nehmen, sie vor Schaden, Verlust, Verletzung sorgfältig bewahren. Seine Absicht auf etwas nehmen. Anstand nehmen. Sie nehmen die Sache sehr genau. Mit dir wird es so genau nicht genommen. Cajus nahm hier das Wort, setzte hier die Rede, das Gespräch fort. Und so in vielen andern Fällen mehr, welche aus dem Gebrauche erlernet werden müssen. 2) Besonders. (a) Sich betragen; eine nur in einigen Provinzen übliche Bedeutung, welche im Hochdeutschen unbekannt ist. Wer weiß, wie albern sie sich dabey genommen hat, Less. Ich hätte mich noch wohl anders dabey nehmen können. ebend. (b) Oft wird es auch von Empfindungen, ingleichen von verschiedenen Wirkungen des Gemüthes und der Seele gebraucht. aa) Etwas zu Ohren nehmen, eine biblische, im Hochdeutschen veraltete R. A. für hören. Höret ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren, den der Herr redet, Es 1, 2. ( S. Vernehmen,) welches noch in diesem Verstande üblich ist. bb) Etwas zu Herzen nehmen, davon mit Einfluß auf den Willen gerühret werden. Jemandes klägliche Umstände zu Herzen nehmen. cc) Auslegen, ausdeuten. Etwas übel nehmen, es übel auslegen, mit Empfindungen des Unrechtes. Nehmen sie mir es nicht übel. Ein Wort in einem andern Verstande nehmen. Ja, wenn wir es so nehmen, so auslegen. Wie mans nehmen will. dd) Dafür halten. Er nimmt seine Gelassenheit für Feigheit. Nimm für den Dichtertrieb nicht Leichtigkeit zu reimen, Kästner. aa) Betrachten; doch nur in einigen Fällen. Ich mag es nehmen wie ich will. Die Sache ist im Ganzen genommen nützlich. Er würde es vielleicht auf einen viel ernsthaftern Fuß nehmen, Schleg. bb) Daraus kann ich mir nichts nehmen, ich finde darin nichts, welches ich nutzen, auf mich anwenden könnte. Was soll ich mir aus alle dem nehmen?

Anm. Bey dem Kero neman, im Tatian und bey dem Ottfried niman, im Nieders. nemen, im Angels. und bey dem Ulphilas niman, im Isländ. nima, im Schwed. nama, im Lettischen nemu. Das Latein emere, welches sich bloß durch den Mangel des zufälligen N unterscheidet, ( S. N,) bedeutete ehedem auch nehmen, wie im Deutschen nehmen mehrmahls für kaufen gebraucht wird. Daß auch im Griech. ein Zeitwort - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - für nehmen üblich gewesen seyn müsse, erhellet aus dem zusammen gesetzten - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; ein Erbnehmer, d. i. Erbe, schon bey dem Ulphilas Arbinumja. Wachter leitet es vom Isländ. nefi, die Hand, und neawen, zusammen ziehen, Frisch aber von dem Latein emere her. Allein, es scheinet mit mehrerm Rechte zu nahe zu gehören, da es sich doch in allen seinen Bedeutungen durch nahe bringen und nahen erklären lässet, zumahl da Wachters neawen auch davon abstammet. Nehmen stehet vermittelst der intensiven Endung men für nahemen, zusammen gezogen nehmen. Unser Hochdeutsches Zeitwort ist aus zwey verschiedenen Mundarten zusammen gesetzt. Im Oberdeutschen sagt man für ich nehme noch ich nimm, und in Schlesien im Imperativo nihm für nimm.


Nehmendung (W3) [Adelung]


Die Nehmendung, plur. die -en, oder der Nehmfall, des -es, plur. die -fälle, Ausdrücke, mit welchen einige Deutsche Sprachlehrer den Ablativ der Lateiner zu übersetzen versucht haben, welchen Gottsched mit mehrerm Glücke die sechste Endung nannte.


Nehmlich (W3) [Adelung]


Nehmlich, S. Nähmlich.


Nehrung (W3) [Adelung]


Die Nehrung, S. die Niedere.


Neid (W3) [Adelung]


Der Neid, des -es, plur. car. das anhaltende Mißvergnügen über die Wohlfahrt und die Vorzüge anderer, und in engerer Bedeutung, die Fertigkeit, anderer Wohlfahrt und Vorzüge auf eine anhaltende Art ungern zu sehen; die Mißgunst, von welcher der Neid allenfalls ein höherer und länger anhaltender Grad ist. Der Neid bestehet in nichts, als in der Unzufriedenheit der göttlichen Austheilung, Gell. Neid gegen jemanden empfinden, tragen. Die biblische R. A. im Neide wandeln, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Etwas aus Neid thun. Vor Neid bersten wollen, im gemeinen Leben. Der Neid verzehret ihn. Das erweckt, verursacht nur Neid.

Anm. Schon bey dem Ottfried in der heutigen Bedeutung Nid, bey dem Ulphilas Neiths, im Nieders. Nied, im Angels. Nyth, im Schwed. Nid. Ehedem erstreckte sich die Bedeutung dieses Wortes viel weiter als jetzt. Es bedeutete nicht nur heftiges Verlangen, Begierde überhaupt, in welchem Verstande sich bey dem Notker Niet, und bey dem Stryker neitlich für begierig, findet. Er schlug auf ihn mit grossem neyd, mit großer Begier, Hitze, Theuerd. Kap. 106. Sondern auch besondere Arten heftiger Gemüthsbewegungen. Hwars mans Niding, hieß bey den ältern Schweden jedermanns Absehen. Der Geitz heißt im Dän. und Schwed. noch jetzt Nid, und Niding ein Geitzhals. Der Eifer wird im Schwed. Nit, und im Angels. Nyth genannt, und Willeram gebraucht Nith für Eifersucht. Bey dem Ottfried ist Nid Haß, Odium, welches Lateinische Wort selbst damit verwandt zu seyn scheinet, weil das N zu Anfange der Wörter oft sehr zufällig ist, ( S. N.) Ja es wurde, so wie das Beywort neidisch, ehedem von einem jeden hohen Grade der innern Stärke gebraucht, daher noch jetzt neidisch essen in Niedersachsen begierig essen, und eine neidische Kälte, eine heftige Kälte ist. Er merkt, daß ihm der Ritter so neydig was, Theuerd. Kap. 106, so hitzig auf ihn eindrang. Welcher weite Umfang, von dem unsere heutige Bedeutung nur ein kleiner Überrest ist, bey Aufsuchung des Stammes nothwendig mit in Betrachtung kommen muß.


Neidbau (W3) [Adelung]


Der Neidbau, des -es, plur. inus. in den Rechten und im gemeinen Leben, ein Bau, welcher mehr aus Neid gegen den andern, d. i. aus Verlangen ihm zu schaden, als um des Nutzens willen unternommen wird.


Neiden (W3) [Adelung]


Neiden, verb. reg. act. welches die vierte Endung der Person erfordert; jemanden neiden, über dessen Vorzüge und Wohlstand ein anhaltendes Mißvergnügen empfinden. Die Philister neideten Isaac, 1 Mos. 26, 14. Ich will dich darum, oder deßwegen nicht neiden. Der jetzt uns neiden kann, Opitz. Wenn ihn Fürsten neiden, Haged. Im Hochdeutschen ist es, etwa die dichterische Schreibart ausgenommen, größten Theils veraltet, indem das verstärkte dafür üblicher ist. So auch das Neiden. Diu nide ein ander darum niht, heißt es schon bey der Winsbeckinn, und Ich nide niman der si hat, Reinmar der Alte.


Neider (W3) [Adelung]


Der Neider, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. welches doch seltener vorkommt, die Neiderinn, eine Person, welche eine andere neidet oder beneidet, d. i. ein anhaltendes Mißvergnügen über ihren Wohlstand und über ihre Vorzüge empfindet. Viele Neider haben. Besser Neider als Mitleider, im gemeinen Leben. Bey dem Ottfried Nithigo.


Neidhammel (W3) [Adelung]


Der Neidhammel, des -s, plur. die -hämmel, ein neidischer Mensch, ohne Unterschied des Geschlechtes; doch nur im gemeinen Leben und den niedrigen Sprecharten, in welchen das Wort Hammel in mehrern zusammen gesetzten verächtlichen Ausdrücken gebraucht wird, z. B. Streithammel, Zankhammel, eine streitsüchtige, zanksüchtige Person.


Neidhart (W3) [Adelung]


Der Neidhart, des -es, plur. die -e, ein nur noch in einigen Gegenden übliches Wort, eine neidische Person zu bezeichnen. Es ist kein Lauren über des Neidharts Lauren, Sir. 25, 19. S. -Hard.


Neidisch (W3) [Adelung]


Neidisch, -er, -te, adj. et adv. Neid empfindend, und darin gegründet, und in engerer Bedeutung, Fertigkeit besitzend, andere wegen ihres Wohlstandes und wegen ihrer Vorzüge zu beneiden. Ein neidischer Mensch. Neidisch seyn. Jemandes Glück mit neidischen Augen ansehen. Iß nicht Brot bey einem Neidischen, Sprichw. 2, 6; in weiterer Bedeutung, der es dir nicht gönnet. Bey dem Ottfried, nidig, bey dem Notker nidik noch jetzt im Oberdeutschen neidig, im Nieders. niedsk. S. Neid Anm.


Neidnagel (W3) [Adelung]


Der Neidnagel, S. Niednagel.


Neige (W3) [Adelung]


Die Neige, plur. die -n, von dem folgenden Zeitworte neigen. 1) Der Zustand, da ein Ding geneiget wird, oder da sich eine Sache zu ihrem Ende oder ihrem Verfalle neiget; ohne Plural, und als eine Figur von einem bald leeren und geneigten, d. i. hinten aufgehobenen Fasse. Der Wein, das Bier, das Faß gehet auf die Neige, das Faß ist bald leer, es muß bald geneiget werden. Von der Neige trinken, von einem bald leeren, geneigten Fasse, Nieders. von der Helle, von hellen, lüften, vorn neigen. Daher figürlich, doch nur im gemeinen Leben, die Neige der Verfall, die Abnahme ist. Das Leben ist wie der Wein, wenn er auf die Neige kommt, so wird er sauer, Opitz. Auf der Neige ist nicht gut sparen, wenn wenig mehr da ist. Sein Vermögen ist auf die Neige, ist bald alle. Es gehet mit ihm auf die Neige, er nimmt ab, so wohl an Kräften und Gesundheit als auch am Vermögen. Die Zeit hat abgenommen, Da noch was Gutes war, wir sind zur Neige kommen, Opitz. O die Welt kommt auf die Neige, Haged. - Denn ihre Schönheit geht allmählich auf die Neige, Less. Nürnberg ist mit seinem ehemaligen großen Rufe auf der Neige. 2) Ein flüssiger Körper von einem geneigten Fasse. Von der Neige trinken. In weiterer Bedeutung ein jeder Überrest von einem flüssigen Körper. Hier ist noch eine Neige Bier. Die Neige austrinken, den Überrest in einem Trinkgeschirre. Und figürlich, ein Überrest von einer jeden Sache; doch alles nur in den gemeinen Sprecharten, wo auch die Verkleinerungen Neigelchen und Neigelein vorkommen. Eine Neige Äpfel, Zeug u. s. f.


Neigen (W3) [Adelung]


Neigen, verb. reg. act. nach einem niedrigern Gegenstande bewegen oder wenden, näher nach der Oberfläche der Erde zu beugen oder richten. 1. Eigentlich. 1) Überhaupt. Wenn nun eine Dirne kommt, zu der ich spreche: neige deinen Krug und laß mich trinken, 1 Mos. 24, 14. Ein Faß neigen, es hinten höher stellen, damit es vorn tiefer komme; es lüften, Nieders. es hellen, ( S. Neige.) Der Bau hat sich ein wenig geneiget, im Oberdeutschen, wofür man im Hochdeutschen das Wort senken gebraucht. Eine Fläche neiget sich, wenn sie sich dem Mittelpuncte der Erde nähert, wenn sie abhängig ist. Die Bäume neigeten ihre Wipfel. Das Haupt neigen. Den Leib neigen, oder sich mit dem Leibe neigen, im gemeinen Leben sich bücken. Die biblische R. A. sein Ohr zu etwas oder zu einer Person neigen, mit Einfluß auf den Willen hören, ist ein Hebraismus. 2) In engerer Bedeutung ist sich neigen, sich aus Höflichkeit oder Ehrfurcht mit dem Leibe beugen, oder zur Erde senken; wo es in der anständigern Sprechart von bey den Geschlechtern gebraucht wird, dagegen sich im gemeinen Leben das männliche bückt, das weibliche aber verneigt oder einen Knicks macht. Sich vor jemanden neigen. Sich bis zur Erde neigen. Sie neigte sich freymüthiger als sonst. Bey dem Ottfried schon ginigen, der es aber ohne Vorwort mit der dritten Endung der Person gebraucht, geneig er imo filu fram; in Oberschwaben gneigen. 2. Figürlich. 1) * Sich zu jemanden neigen, dessen Bestes gern sehen und zu befördern suchen; eine veraltete Bedeutung, welche noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Neige dich zu meinen Bitten, Canitz. ( S. Geneigt und Neigung.) 2) Sich zu seinem Ende, zu seinem Verfalle neigen, sich demselben nähern. Wird sich der Krieg nicht bald zum Ende neigen? Meine Jahre neigen sich dem Alter. Die Welt neiget sich zum Ende. Es neiget sich mit ihm zum Verfalle. Dahin auch die absolute R. A. gehöret, der Tag neiget sich, nähmlich zu seinem Ende, welche R. A. in der Deutschen Bibel mehrmahls vorkommt. Und gleichwohl neigt sich schon der kurze Tag, Weiße. Nach einer noch weitern Figur gebrauchte man neigen ehedem überhaupt für vermindern. Die liebe wellen meinen kummer neigen, Graf Kraft von Toggenburg. Sit diu Sunne ir liehten Schin Gegen der kelte hat geneiget, Heinrich von Veldig: ( S. die Neige.) 3) Sich zu einer Sache neigen, dieselbe beschließen, und seine Kraft anwenden, diesen Entschluß zu vollziehen; welche R. A. in der philosophischen und dichterischen Schreibart noch am öftesten vorkommt. Das Herz zu etwas neigen, in der Deutschen Bibel. Jemandes Willen neigen, einen Ent- schluß und Bemühung zu dessen Ausführung in ihm hervor bringen, dessen Willen lenken. Der Wille ist das Vermögen sich nach und durch Vorstellungen zu neigen. S. Geneigt. So auch das Neigen.

Anm. Schon bey dem Kero kehneigen, bey dem Ulphilas hneiwan, bey dem Ottfried neigan, im Schwed. niga. im Angels. hnigan, im Isländ. hneiga, im Dän. neye, im Krainerischen nagmen, wohin auch das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und die Latein. nuo, nuco, nico, gehören, obgleich solche nur in eingeschränkterer Bedeutung von dem Neigen des Hauptes oder Nicken vorkommen. Neigen scheinet das Intensivum von nahen zu seyn, wenigstens ist es mit demselben sehr genau verwandt. Das Frequentativum davon ist nicken. S. auch Knicken, Genick, Nacken, Knie u. s. f. welche insgesammt damit verwandt sind.


Neigung (W3) [Adelung]


Die Neigung, plur. die -en. 1) Die Handlung des Neigens; das Neigen. 2) Der Zustand, da eine Fläche sich nach und nach dem Mittelpuncte der Erde nähert; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. Die Neigung des Bodens mit der Wasserwage erforschen, dessen Abhang, Fall. Die Neigung der Magnetnadel, ihre Inclination, ihre Abweichung von der Horizontal Linie. 3) In engerer Bedeutung, das Neigen des Körpers aus Höflichkeit; die Verbeugung, im gemeinen Leben die Verneigung, die Neige, bey dem weiblichen Geschlechte der Knicks, bey dem männlichen der Bückling. Eine Neigung machen, sich neigen. 4) Die Bestimmung des Willens zu etwas aus Erkenntniß, so wie Trieb die Bestimmung der Kraft ist. Neigung zu etwas haben, empfinden. Ich habe keine Neigung dazu. Die menschenfreundlichen Neigungen sind eine süße Nahrung edler Herzen, Gell. Es kann keine gute Neigung in einem Herzen wohnen, wo die unmäßige Begierde nach Reichthum herrscht, ebend. In engerer Bedeutung sind in der Moral die Neigungen Fertigkeiten der Begierden Einer Art, zum Unterschiede von den einzelnen Bestimmungen des Willens, oder den Begierden, da denn die Neigungen von den Leidenschaften nur in der geringern Stärke unterschieden sind. Wie kommen mit einer allgemeinen Fähigkeit zu unzähligen Neigungen und Leidenschaften auf die Welt. ohne etwas anders mitzubringen, als die Kraft, die das Wesen der Seele ausmacht, Sulz. 5) In engerer Bedeutung ist die Neigung, ohne Plural, die Fertigkeit, jemandes Bestes gern zu sehen, deren stärkerer Grad die Geneigtheit ist. S. auch Abneigung und Zuneigung.


Nein (W3) [Adelung]


Nein, ein verneinendes Nebenwort, welches eigentlich alsdann gebraucht wird, wenn man eine vorher gegangene Frage oder Bitte mit Einem Worte verneinen will. Sind sie schon da? Antw. nein. Auch wenn die Ursache mit beygefüget, oder die Sache, nach welcher man fragt verneinender Weise wiederhohlet wird. Nein, sie sind noch nicht da. Nein, denn sie können noch nicht da seyn. Nein, ich kann es nicht thun. Nein zu etwas sagen. Auf etwas nein, oder mit nein antworten. Etwas mit nein beantworten. Da es denn zuweilen auch als ein Hauptwort gebraucht wird. Umsonst sind alle Fragen, Er wiederhohlt sein mystisch Nein, Gell. Oft dienet es auch ohne vorher gegangene Frage oder Bitte, eine Abneigung, Verwunderung, einen Widerwillen anzukündigen. Nein, das ist unmöglich. Nein, das geschiehet nicht. Siehe Verneinen.

Anm. Schon bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern nein, in der gemeinen Sprechart der Obersachsen näh, bey den Niedersachsen und Schlesiern nec, in der Oberpfalz naa, in der Schweiz nua, im Engl. no, im Dän. nej, im Schwed. nej, bey dem Ulphilas ne, nih, no, im Angels. na, ne, nie, im Griech. in der Zusammensetzung - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - im Latein. non, im Pohln. ni, nie, im Krainerischen na, im Pers. nen. Frisch glaubt, daß es aus der alten Verneinung ne und ein zusammen gesetzet sey. Man könnte vielmehr das n bloß zufällig halten, weil im Schwed. ej und icke, im Isländ. ecke, und im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gleichfalls nein bedeuten. S. N. ingleichen Nicht.


Neiß (W3) [Adelung]


Der Neiß, S. 2. Gneiß.


Nektar (W3) [Adelung]


Der Nektar, des -s, plur. inus. nach der Götterlehre der Griechen und Römer, derjenige Trank, welcher den Göttern zum gewöhnlichen Getränke dienete; der Göttertrank. Dort werde sie (die Schale) bey jedem Freudenmahle Voll Nectar, der die Götter tränkt, Und voll Unsterblichkeit geschenkt, Raml.


Nelke (W3) [Adelung]


Die Nelke, plur. die -n, ein aus Nägellein oder Nägelchen zusammen gezogenes und statt desselben in der anständigen Sprechart übliches Wort, es mag nun das Gewürz oder die Blumen dieses Nahmens und ihre Pflanzen bezeichnen. Die Gewürznelken, zum Unterschiede von den Gartennelken, welche letztern in einigen Gegenden, z. B. in Franken, Grasblumen genannt werden. Gestoßene Nelken, d. i. Gewürznelken. Nelken pflanzen. Gartennelken. Diejenige Blume, welche bey uns unter dem Nahmen der Nelke so hoch geschätzet wird, ist eine Art des Dianthus L. von welchem es mehrere Arten gibt, wohin die Bartnelke, die Carthäuser-Nelke, die Gartennelke, die Donnernelke, die Federnelke, die Sandnelke, die Jungfernelke u. s. f. gehören, Die stolze Nelke, Dianthus superbus L. hat büschelförmig zusammen gesetzte Blumen. Die wilde Nelke, Dianthus Armeria L. mit gehäuften bündelweise zusammen gesetzten Blumen, wächset in den unfruchtbaren Gegenden Europens wild. Figürlich werden auch andere Arten Blumen wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt Nelken genannt, wohin besonders einige Arten der Lichtrose, Lychnis L. gehören, besonders die Lychnis dioica, welche gleichfalls wilde Nelke genannt wird. Die Tunisblume führet bey einigen den Nahmen der Türkischen Nelke, ungeachtet sie nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Nelken hat. ( S. auch Bachnelke, Mauernelke, Kornnelke u. s. f.) Das kleine Büschelchen Haare an der Ruthe des Fuchses zunächst an dessen Rücken heißt bey den Jägern die Nelke, vermuthlich wegen seines angenehmen balsamisches Geruches. Im Nieders. so wohl von dem Gewürze, als der Blume Nägelken, Dän. Nellike, Schwed. Neglika. S. Nägelein.


Nelkenbraun (W3) [Adelung]


Nelkenbraun, adj. et adv. den Gewürznelken an brauner Farbe gleich oder ähnlich, deren dunkelbraune Farbe ein wenig, obgleich auf eine kann merkliche Art in das Carminrothe spielet.


Nelken-Flor (W3) [Adelung]


Der Nelken-Flor, des -es, plur. doch nur in der zweyten Bedeutung, die -e, der Flor, d. i. der Zustand, da die Gartennelke blühen. Ingleichen die Zeit, wenn sie blühen, und mehrere blühende Nelken selbst. Einen schönen Nelkenflor haben, viele blühende Nelken. S. Flor.


Nelkenkraut (W3) [Adelung]


Das Nelkenkraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme der Märzwurzel oder Benedict-Wurz, besonders der einen Art, Geumurbanum L. deren Wurzel gegen den Frühling wie Gewürznelken riecht.


Nelkenlaus (W3) [Adelung]


Die Nelkenlaus plur. die -läuse, ein grünes Ungeziefer, welches sich oben an dem Stängel der Nelken nahe bey dem Kelche aufhält, und die Pflanze aussanget; Aphis Caryophylli, bey einigen die Mauke.


Nelkenmaß (W3) [Adelung]


Das Nelkenmaß, des -es, plur. die -e, bey den Liebhabern der Gartennelken, ein Maß, welches aus mehrern Zirkeln bestehet, die Größe der Gartennelken damit zu messen.


Nelkenmyrte (W3) [Adelung]


Die Nelkenmyrte, plur. die -n, eine prächtige Art Myrten mit drey Mahl gespaltenen vielblumigen Blumenstielen, und umgekehrt eyförmigen Blättern, welche in Zeylon einheimisch ist; Myrtus caryophillata L.


Nelkenstock (W3) [Adelung]


Der Nelkenstock, des -es, plur. die -stöcke, eine einzelne Pflanze der Gartennelken, sie mag nun in der Blüthe seyn oder nicht, S. Stock.


Nelken-Viole (W3) [Adelung]


Die Nelken-Viole, plur. die -n, ein Nahme, welcher in einigenden Gegenden den Levkojen gegeben wird.


Nelkenzimmt (W3) [Adelung]


Der Nelkenzimmt, des -es, plur. inus. eine Art Zimmtes, welche den Gewürznelken an Geruch und Geschmack nahe kommt.


-nen (W3) [Adelung]


-nen, eine Ableitungssylbe, vermittelst deren neue Zeitwörter aus andern Zeitwörtern gebildet werden, welche vornehmlich eine doppelte Bedeutung haben. 1. Eine factitive, thätige Zeitwörter aus Neutris zu bilden. Dergleichen sind öffnen, von dem veralteten offen, offen stehen, gähnen, von dem noch im Isländ. üblichen gia, Latein hiare, erwähnen, von dem alten wahen, sich erinnern, gleichsam erinnern machen, entfernen, von fahren, ob es gleich auch von fern abstammen kann, und alsdann hierher nicht gehöret, warnen, wahren, d. i. sehen machen, das Oberdeutsche flehnen, heimlich, wegschaffen, von fliehen, das veraltete festnen, von festen, lehnen, liegen machen, zeichnen, nennen, ordnen, dehnen, seifenen im Bergbaue, vielleicht auch fröhnen und andere mehr. 2. In andern Fällen werden bloß Intensiva daraus, einen verstärkten innern Grad der Handlung zu bezeichnen, und in den meisten Fällen ist das erste ursprüngliche Zeitwort verloren gegangen und nur das Intensivum in dessen Bedeutung üblich geblieben. Dergleichen sind mahnen, von dem veralteten mähen, bewegen, obgleich auch dieses eine factitive Erklärung leidet, wohnen, von bauen, manere, das veraltete bibenen von beben, wähnen, meinen, lernen, weinen, greinen, flennen, läugnen, meinen, waffnen, welches aber auch zum vorigen Falle gehören kann, zürnen, höhnen, belehnen von beleihen, sehnen von sehen, stöhnen, rechnen, staunen, dienen, regnen, segnen und andere mehr. Besonders in solchen Fällen, wo das ursprüngliche Zeitwort schon ein n vor der Endung hat, wie in kennen, können, brennen, rennen, spannen, trennen, gewinnen, u. s. f. welche insgesammt solche Intensiva zu seyn scheinen, wenn nicht einige derselben auf die vorige Bedeutung zurück geführet werden können. 3. Verschiedene Wortforscher legen den Zeitwörtern auf nen auch eine inchoative Bedeutung bey. Allein im Deutschen hat sich dieselbe bisher noch nicht wollen finden lassen. Denn das einzige lehnen, anfangen zu liegen, in welchem Verstande es besonders im Oberdeutschen üblich ist, kann auch bloß intensiv oder factitiv seyn. In einigen verwandten Sprachen ist diese inchoative Bedeutung erweislich, und da kommen die mit derselben versehenen Zeitwörter mit den Lateinischen Zeitwörtern auf -sco überein. Im Schwed. ist z. B. surna, acesco, tröttna, lucesco, lysna, duresco, härdna, obdormisco, somna, expergisco u. s. f.

Anm. 1. Hierher gehören diejenigen Zeitwörter nicht, welche vermittelst der Endung -en von Nennwörtern und Partikeln gebildet worden, welche sich auf ein n endigen; wie z. B. bahnen von Bahn, bannen von Bann, begegnen von gegen, ermannen und entmannen von Mann, erkühnen von kühn, fernen, in der Ferne schön scheinen, von fern, grünen von grün, harnen von Harn, körnen von Horn, körnen und kernen von Korn und Kern, kapaunen von Kapaun, krönen von Krone, schienen von Schiene, trocknen von trocken, zäunen von Zaun, eignen von eigen, zwirnen von Zwirn u. s. f. Von einigen ist es indessen noch zweifelhaft, ob nicht das Nennwort vielmehr von dem Zeitworte abstammet, welches denn in diesem Falle zu einer der vorigen Bedeutungen gehören würde.

Anm. 2. Diese Endung ist sehr alt, und findet sich nicht allein schon bey dem Ulphilas, Kero und andern, so wie in allen mit der Deutschen verwandten Sprachen, sondern schon im Lat. wo das veraltete stinare in destinare u. s. f. auf solche Art von stare gebildet ist, wie monere, venire, minuere, minari u. s. f. von ähnlichen obgleich längst veralteten Zeitwörtern abstammen: noch mehr im Griechischen, wo - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, lehnen, clinare, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, gähnen, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und tausend andere Zeitwörter auf ähnliche Art gebildet sind. Ihre glaubt, daß diese Endsylbe von dem Schwed. na, na, nehmen, abstamme; allein dieser Begriff möchte sich ohne großen sichtbaren Zwang wohl nur auf sehr wenige der angeführten Zeitwörter anwenden lassen.


Nennbar (W3) [Adelung]


Nennbar, adj. et adv. was genannt werden kann. Daher die Nennbarkeit, plur. inus. Beydes im Gegensatze des unnennbar und der Unnennbarkeit.


Nennen (W3) [Adelung]


Nennen, verb. irreg. act. ich nenne, du nennest oder nennst; Imperf. ich nannte, Conj. nennete, Mittelw. genannt. 1. Ein Ding bey seinem Nahmen rufen oder erwähnen, dasselbe vermittelst des Ausdruckes bezeichnen, welchen es als einen Nahmen führet, der ihm zukommt, der dessen Unterscheidungsmerkmahle enthält; da denn so wohl das Ding, als auch der Nahme in die vierte Endung gesetzet werden. Ihr sollt euch nicht Rabbi, nicht Meister nennen, Matth. 23, 8. Der wird ein Sohn des Höchsten genennet (genannt) werden, Luc 1, 32. Cajus und Titius nennen sich Vetter. Wir nennen alle Dinge schön, die der Einbildungskraft oder dem Verstande gefallen. Das nenn' ich doch gehen, das verdient doch den Nahmen des Gehens. Ich kann ihn nicht nennen, weiß seinen Nahmen nicht. Wie nennt er sich? wie heißt er? Er nennt sich Bav, er heißt Bav, sein Nahme ist Bav. Als er die Mutter nennen hörete. Das Hauptwort Nahme leidet auch das Vorwort bey. Jemanden bey seinem rechten Nahmen nennen. Jemanden bey Nahmen nennen. Das ist mein Nahme bey dem man mich nennen soll, 2 Mos. 3, 15. Wie lange wirst du ihn bey diesem Nahmen nennen? Weiße. Zuweilen auch das Vorwort mit. Da stunden auf die Männer, die jetzt mit Nahmen genennet (genannt) sind, 2, Chron. 28, 15, die jetzt genannten Männer. Er zählet die Sternen (Sterne) und nennet sie alle mit Nahmen, Ps. 147, 4. Die Person, zu deren Nachricht eine Person oder Sache genannt wird, stehet, in der dritten Endung. Nenne mir doch einmahl das Ding, sage mir dessen Nahmen. Nenne mir einen, der keine Fehler hätte. Zuweilen hat es den Nebenbegriff der allgemeinen Achtung bey sich. Wer ist wohl jetzt des Volks Verlangen? Wen, dacht er, nennt man jetzt als mich? Gell. Das Mittelwort genannt wird auch vor Beynahmen gebraucht Dionysius genannt der Tyrann; ob man gleich in der edlern Schreibart lieber einen andern Ausdruck gebraucht, Dionysius mit dem Beynahmen des Tyrannen, oder der Tyrann. So genannt deutet an, theils, daß man diese Benennung und die Sache, welche sie ausdruckt, nicht so schlechthin anerkenne, theils aber auch, daß der Nahme zwar üblich, aber doch an sich unrichtig und undeutlich sey. Man merket sehr deutlich, daß die so genannten Großen oft noch bey ihrem Leben wieder kleiner werden. Obgenannt, oft genannt, mehr genannt, vorgenannt u. s. f. für oben genannt, vorhin genannt, oder mehrmahls genannt, gehören in die Sprache der Kanzelleyen. 2. Einem Dinge einen Nahmen geben, ertheilen, mit zwey Accusativen, so wohl der Person, als des Nahmens. Gott nennete (nannte) das Licht Tag, und die Finsterniß Nacht, 1 Mos. 1, 5. Es kann so wohl von Ertheilung eines eigenthümlichen Nahmens gebraucht werden, als auch von Ausdrücken, welche nur die Art oder Gattung bezeichnen, dagegen das niedrigere heißen nur allein von dem erstern üblich ist. Das Kind wurde nach seinem Vater genannt, bekam den Nahmen, welchen dessen Vater führet. Der biblische Ausdruck, mit einem Nahmen nennen, einen Nahmen beylegen, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Du sollst mit einem neuen Nahmen genennet werden, Es. 62, 2; Kap. 65, 15. 3. * Bestimmen, ein im Hochdeutschen ungewöhnlicher Gebrauch, welcher noch im Oberdeutschen vorkommt. Ein Genanntes ist daselbst der genau bestimmte Gehalt, die bestimmten und bekannten Einkünfte, die man auch wohl das Fixum zu nennen pflegt. In Nürnberg sind die Genannten die Glieder des äußern oder weitern Rathes, aus welchen die Glieder des innern oder engern Rathes erwählet werden, vermuthlich, weil sie von der Bürgerschaft, oder denen die das Wahlrecht haben, dazu ernannt werden. In eben dieser jetzt ungewöhnlichen Bedeutung kommt es 1 Mos. 41, 45 vor: Pharao nennete Joseph den heimlichen Rath, d. i. er ernannte ihn zum geheimen Rathe. Daher die Nennung, am häufigsten in der ersten Bedeutung.

Anm. Dieses Zeitwort ist vermittelst der Endung -nen von dem größten Theils veralteten Zeitworte nahmen, welches noch in dem Oberdeutschen beniemen und in dem Niederdeutschen nömen, nennen, übrig ist, gebildet, daher es auch noch im Tatian nemnen, bey dem Kero, vermuthlich um des Wohllautes willen, nemmen, aber schon in dem Isidor nennen lautet. Im Schwed. lautet es gleichfalls nämna, dagegen im Englischen noch das einfachere to name üblich ist. Mit einer andern Ableitungssylbe hat man noch in den gemeinen Mundarten, benahmsen, d. i. nennen, bestimmen. In einigen Gegenden wird es regulär abgewandelt, ich nennete, genennet. Im Hochdeutschen ist die irreguläre Abwandelung die üblichste, obgleich auch viele sonst gute Schriftsteller jene vorziehen.


Nennendung (W3) [Adelung]


Die Nennendung, plur. die -en, bey den ältern Deutschen Sprachlehrern, die erste Endung der Nennwörter, als eine buchstäbliche Übersetzung des Lat. Nominativus, wofür andere das Wort Nennfall versucht haben. Beyde sind durch den bessern Ausdruck erste Endung verdränget worden. S. das folgende.


Nenner (W3) [Adelung]


Der Nenner, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Die erste Endung der Nennwörter, bey einigen neuern Sprachlehrern. 2) In der Rechenkunst ist der Nenner diejenige Zahl eines Bruches, welche die Eintheilung des Ganzen bezeichnet oder benennet, Denominator; zum Unterschiede von dem Zähler oder Numerator, welcher die Zahl der Theile des Ganzen anzeiget, welche der Bruch enthält.


Nennfall (W3) [Adelung]


Der Nennfall, des -es, plur. die -fälle, S. Nennendung.


Nennwort (W3) [Adelung]


Das Nennwort, des -es, plur. die -wörter, in der Sprachkunst, ein abänderlicher Redetheil, welcher den Nahmen eines Dinges oder einer seiner Eigenschaften ausdruckt, wohin denn so wohl die Hauptwörter als auch die Beywörter gehören. Latein. Nomen, bey den ältern Sprachlehrern gleichfalls der Nahme, schon bey dem Ruodepert im 8ten Jahrh. Namo.


-ner (W3) [Adelung]


-ner, eine Ableitungssylbe, vermittelst welcher Hauptwörter männlichen Geschlechtes von andern Wörtern gebildet werden. 1) Von Zeitwörtern, eine Person männlichen Geschlechtes zu bezeichnen, welche die Handlung des Zeitwortes verrichtet; von welcher Art doch die wenigsten sind. Klempener, von klampen, klämpen, und vielleicht noch andere mehr. 2) Von Nennwör- tern, besonders von Hauptwörtern, eine Person männlichen Geschlechtes anzudeuten, deren vornehmster Gegenstand das Hauptwort ist, wo aber die Art und Weise ihrer Verbindung oder Beschäftigung mit demselben bloß durch die Gewohnheit und den Gebrauch bestimmt wird. Der Beständner, der etwas in Bestand oder Pacht hat, der Pachter; der Bündner, in der Schweiz, der Theilhaber an einem Bunde, der Mitverbundene, Bundesgenoß; der Büttner, welcher Butten verfertiget; der Clausener, der in einer Clause lebt; der Falkner, der mit Falken umzugehen weiß; der Glöckner, der die Glocken zu läuten hat; der Kellner, der die Aufsicht über den Keller hat; der Kistner, der Kisten verfertiget; der Mauthner, Zöllner, der Einnehmer der Mauth oder des Zolles; der Meßner, der das Meßgeräth in seiner Verwahrung hat; der Kirchner, in ähnlichem Verstande; Pförtner, der die Aufsicht über die Pforte hat; Pfründner, der eine Pfründe im Besitze hat; Schuldner, im Gegensatze des Gläubigers; Söldner, der um Gold dienet; Wöchner, der Wochenweise arbeitet u. s. f. Diejenigen Wörter gehören nicht hierher, wo das Hauptwort schon ein n hat, an welches die Ableitungssylbe -er angehänget worden, wie Gärtner von Garten. Gegener von gegen, Hafener von Hafen u. s. f. Manche der oben angeführten Wörter können freylich wohl dem Plural auf -en gebildet seyn, da denn auch nur die Sylbe -er angehänget worden; allein in den meisten ist doch die Sylbe -ner unläugbar. Sie kommt mit der Sylbe -er sehr genau überein, und es kann seyn, daß sie auch vermittelst des euphonischen vorgesetzten n aus derselben gebildet worden.


Nerfling (W3) [Adelung]


Der Nerfling, eine Art Fische, S. Nörfling.


Nerve (W3) [Adelung]


Der Nerve, des -n, plur. die -n, ein Wort, welches an den Körpern der Menschen und Thiere in einem zwiefachen Verstande gebraucht wird. 1) Die festen und starken Bandarten, welcher zur Verbindung anderer Theile, besonders aber der Beine dienen, und auch Spannadern, Flächsen, Flachsadern, Bänder, am häufigsten aber Sehnen genannt werden, führen im gemeinen Leben häufig den Nahmen der Nerven. Im Lat. heißen sie Vincula oder Ligamenta. In diesem Verstande wird die auch von außen sichtbare Sehne dieser Art, welche hinten an dem Beine eines Pferdes an dem Röhrbeine hinunter läuft, und eigentlich aus zwey Sehnen und einem Bande bestehet, der Nerve genannt. 2) Noch häufiger werden gewisse zarte röhrartige von außen unsichtbare Fasern, welche sich aus dem Gehirne und Rückenmarke über alle Theile des Leibes erstrecken, und der Sitz so wohl der Empfindung als der Bewegung sind, Nerven genannt; Lat. Nervi. In welcher Bedeutung das Wort auch häufig im weiblichen Geschlechte gebraucht wird, die Nerve. Dieß Gefühl, das mir so neu in jeder Nerve hebt. Sie werden von einigen auch, obgleich sehr unschicklich, Spannadern genannt.

Anm. Im Engl. Nerve, im Pohln. Nerwa. Es ist wohl aus dem Nervus entlehnet, welches wiederum von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - abstammet.


Nerven (W3) [Adelung]


Nerven, verb. reg. act. 1) Mit Nerven versehen, wovon doch nur der Gegensatz entnerven im figürlichen Verstande, für entkräften, schwächen, üblich ist. 2) Ein Pferd nervet sich, wenn es im Gehen mit dem Eisen der Hinterfüße den Nerven der Vorderfüße beschädiget, S. Nerve 1.


Nervenbein (W3) [Adelung]


Das Nervenbein, des -es, plur. die -e, S. Gedankenbein.


Nervenfieber (W3) [Adelung]


Das Nervenfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein schleichendes verzehrendes Fieber, welches gemeiniglich mit Mattigkeit und Schwäche, mit anhaltender Verstopfung des Leibes, Aufstoßen und andern Kennzeichen der Blähungen in dem Magen und den Gedärmen man verbunden ist, und von einem kränklichen Zustande der Nerven des Magens und der Gedärme, oft auch des ganzen Körpers, seinen Ursprung hat. Es ist eine Art der Nervenkrankheit. S. Nerve 2.


Nervengras (W3) [Adelung]


Das Nervengras, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden ein Nahme des Sandrohres oder so genannten Helmes, welches an dem sandigen Meerufer Europens wächset, und den Flugsand abhält und stehend macht; Arundo arenaria L.


Nervenkrankheit (W3) [Adelung]


Die Nervenkrankheit, plur. die -en, eine jede Krankheit, welche aus einer mangelhaften Beschaffenheit der Nerven in der zweyten Bedeutung dieses Wortes gegründet ist.


Nervensaft (W3) [Adelung]


Der Nervensaft, des -es, plur. inus. ein sehr feiner geistiger flüssiger Körper, welcher von einigen in den Röhren der Empfindungsnerven angenommen und für den Sitz der Empfindung und des Lebens gehalten wird; Fluidum nerveum, der Gehirnsaft, der Nervengeist, die Lebensgeister. Nach andern dienet diese Flüssigkeit bloß die Nerven anzufeuchten.


Nervensalbe (W3) [Adelung]


Die Nervensalbe, plur. doch nur von mehrern Arten, die -n, eine aus Fett, Öhlen und die Nerven stärkenden Kräutern zubereitete Salbe, die Nerven durch Einschmieren damit zu stärken; Unguentum nervinum. S. Nerve 2.


Nerven-System (W3) [Adelung]


Das Nerven-System, des -es, plur. die -e, der ganze Umfang der Empfindungs- und Bewegungsnerven in einem Körper, in ihrer gegenseitigen Verbindung betrachtet.


Nervenwarze (W3) [Adelung]


Die Nervenwarze, plur. die -n, Diminut. das Nervenwärzchen, Oberd. Nervenwärzlein, kleine Warzen an dem Ende der Nerven auf der Zunge und in der Nase, welche der eigentliche Sitz des Geschmackes und des Geruches sind; Papillae nerveae.


Nervenwurm (W3) [Adelung]


Der Nervenwurm, des -es, plur. die -würmer, ein Wurm, welcher einem zarten Nerven oder Faden Zwirne gleicht, mit dem Wasser in den menschlichen Körper kommt, alsdann alle Theile durchkriecht und sich oft durch die äußere Haut frißt; Gordius aquaticus L. S. Fadenwurm.


Nervig (W3) [Adelung]


Nervig, -er, -ste, adj. et adv. viele und starke Nerven habend, in beyden Bedeutungen des Hauptwortes. Figürlich, kräftig, stark. Die nervige Schreibart, wo starke Gedanken gleichsam zusammen gedränget werden. Nervicht würde nur Nerven ähnlich bedeuten.


Nespel (W3) [Adelung]


Die Nespel, plur. die -n, S. Mispel.


Nessel (W3) [Adelung]


Die Nessel, plur. die -n. 1. Eigentlich, eine Pflanze, welche sägeartig gezähnte und mit subtilen Stacheln versehene Blätter hat, welche, wenn man sie berühret, ein empfindliches Stechen verursachen, welches man ein Brennen nennet; Urtica L. Daher sie auch Brennnessel, und im gemeinen Leben einiger Gegenden Eiternessel ( S. dieses Wort) genannt wird, um sie von den folgenden mit keinen Stacheln versehenen und also auch nicht brennenden Arten zu unterscheiden. Es gibt verschiedene Gattungen derselben. Die Pillennessel, oder Römische Nessel, Urtica pilulifera, ist im mittägigen Europa einheimisch und brennet heftig. Unsere gewöhnliche Brennnessel, im gemeinen Leben Eiternessel und Netternessel, wohnt in den Gartenländern und auf Rainen; Urtica urens und dioica, von welcher es wiederum eine größere und eine kleinere Art gibt. Die hanfartige Nessel, welche in Sibirien angetroffen wird, wird oft sechs Ellen hoch, Urtica cannabina; einiger ausländischer Arten zu geschweigen. Sprichw. Was eine Nessel werden will, brennet bald. Es brenne fruo das zeiner nesselen werden sol Winsbeck. Nesseln brennen Feinde und Freunde. Kluge Hühner legen auch wohl in die Nesseln, weise Leute können auch fehlen. 2. Figürlich führet wegen einer Ähnlichkeit der Gestalt und der Blätter noch eine doppelte Art von Pflanzen den Nahmen der Nessel, welche aber, weil sie nicht brennen, taube oder todte Nesseln genannt werden. 1) Das Lamium L. besonders das Lamium album, purpureum und amplexi caule, welche auf unsern Gartenländern wachsen, und eßbar sind. 2) Das Katzengesicht, Galeopsis L. welches auch Hanfnessel genannt wird, im gemeinen Leben aber, so wie die vorige am häufigsten unter dem Nahmen der tauben oder todten Nessel bekannt ist. Nieders. Dannettel, Wallis. Danadl, welches vermuthlich aus taube Nessel zusammen gezogen ist.

Anm. Im Nieders. Nettel, im Angels. Netl, Nytle, im Engl. Nettle, im Holländ. Netel, im Schwed. Näsla und Nättla, in Dän. und Norweg. Nälde, Nelde. Der Nahme dieser Pflanze rühret von ihrer stechenden Eigenschaft her, und ist ein naher Verwandter von Nadel, und dem riech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, ist steche, ( S. Nadel und Natter,) von welchem Worte auch der im gemeinen Leben einiger Gegenden, z. B. in Thüringen, für Brennnessel übliche Nahmen Netternessel herstammet. Auf ähnliche Art heißt sie von urere, brennen, im Lat. Urtica.


Nesselbaum (W3) [Adelung]


Der Nesselbaum, des -es, plur. die -bäume, ein in den warmen Ländern einheimischer Baum, welcher auch Zirgelbaum, Bohnenbaum und Lotus-Baum genannt wird, und von welchem es mehrere Arten gibt; Celtis L.


Nesselbrand (W3) [Adelung]


Der Nesselbrand, des -es, plur. inus. die Beschädigung der Haut von den zarten Stacheln der Brennnessel und die Empfindung dieser Verletzung.


Nesselfieber (W3) [Adelung]


Das Nesselfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. eine Art des Scharlachfiebers, wo mit einem gelinden Fieber kleine Erhöhungen auf der Haut zum Vorschein kommen, welche einem Nesselbrande gleichen und einen brennenden Schmerz verursachen, aber in einigen Tagen wieder vergehen; die Nesselkrankheit, Nesselsucht, und, wenn ein Friesel damit verbunden ist, das Nesselfriesel.


Nesselfink (W3) [Adelung]


Der Nesselfink, S. Braunkehlchen.


Nesselgarn (W3) [Adelung]


Das Nesselgarn, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein zartes, aus den Fäden in den viereckten Stängeln der großen Brennnessel gesponnenes Garn. Figürlich, wird auch wohl ein sehr zartes, glattes und gleiches baumwollenes Garn Nesselgarn genannt. S. Nesseltuch.


Nesselkönig (W3) [Adelung]


Der Nesselkönig, des -es, plur. die -e, ein Nahme, welchen an einigen Orten der Zaunkönig führet, weil er sich gern auf den Zäunen, dem gewöhnlichen Aufenthalte der Nesseln finden lässet; besonders derjenigen Art, welche auf Meisenkönig, Schneekönig oder Winterkönig genannt wird; Motacilla Trochlodytes L.


Nesselkrankheit (W3) [Adelung]


Die Nesselkrankheit, plur. doch nur von mehrern Arten, die -en, S. Nesselfieber.


Nesselstaude (W3) [Adelung]


Die Nesselstaude, plur. die -n, ein Italiänisches Staudengewächs, dessen sägeartig gezähnte Blätter den Blättern der Nessel gleichen; Prasium L.


Nesselsucht (W3) [Adelung]


Die Nesselsucht, plur. inus. ( S. Nesselfieber.) Andere unterscheiden die Nesselsucht noch von dem Nesselfieber, und da ist die erste eine chronische Krankheit ohne Fieber, vielleicht eine bloße Hautkrankheit.


Nesseltuch (W3) [Adelung]


Das Nesseltuch, des -es, doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -tücher, eigentlich ein zartes aus Nesselgarne, d. i. aus den in den Stängeln der großen Brennnessel befindlichen Fäden, verfertigtes Gewebe. Derjenige klare Zeug, welcher jetzt unter dem Nahmen des Nesseltuches bekannt ist, führet diesen Nahmen nur figürlich, indem er aus weißer Baumwolle, vielleicht nach Art des ehedem üblichen eigentlichen Nesseltuches, verfertiget wird.


Nesseltuchen (W3) [Adelung]


Nesseltuchen, adj. et adv. aus Nesseltuch bereitet. Eine nesseltuchene Schürze.


Nest (W3) [Adelung]


Das Nest, des -es, plur. die -er, Diminut. das Nestchen, Oberd. Nestlein. 1. Eigentlich, eine Haufe mehrerer mit einander verbundener bey und neben einander befindlicher Dinge; eine nur noch in einigen Fällen übliche Bedeutung. So pflegten die Bergleute, welche uns überhaupt noch die erste und eigentliche Bedeutung so vieler Wörter erhalten haben, einen Haufen in der Erde bey einander befindlichen Erzes ein Nest zu nennen. Ein Erz bricht nesterweise, wenn es sich in solchen Haufen, deren Länge der Breite ungefähr gleich ist, befindet. Die Stockwerke sind eine Art solcher Nester. ( S. Niere,) welches Wort nur von kleinen Häuschen Erzes gebraucht wird. Das Nest auf einem Frauenzimmerkopfe entstehet, wenn die geflochtenen Haare oben auf dem Kopfe um die Nest- oder Nestelnadel geschlagen werden, welche Art noch unter geringern Personen, besonders auf dem Lande, üblich ist; die Nestel, das Haarnest, Zopfnest. Im gemeinen Leben wird es, doch gemeiniglich nur im Scherze, von mehrern bey einander befindlichen Dingen gebraucht, wo es aber auch zur folgenden Bedeutung gehören kann. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist das Nest ein von Reisern, Stroh, Moos und andern weichen oder biegsam Dingen bereitetes tiefes Behältniß, welches sich die Vögel und einige Arten von Insecten und vierfüßigen Thieren zu ihrem Aufenthalte verfertigen, besonders aber ihre Jungen darin auszubrüten oder zu werfen. 1) Eigentlich. Das Vogelnest, Katzennest, Wespennest u. s. f. Die Vögel bauen sich Nester. Sprichw. Man kann es an dem Neste sehen, was für ein Vogel darin wohnet. Zu Neste tragen, sagt man von den Vögeln, wenn sie die Materialien zu ihrem Neste zusammen tragen. Das Nest ausnehmen, die darin befindlichen Jungen oder Eyer heraus nehmen. Das Nest eines Raubvogels wird ein Horst genannt. 2) Figürlich. (a) Die in einem solchen Neste befindlichen Eyer oder Jungen. Ein Nest Vögel, Mäuse u. s. f. Das Raupennest, die in einem gemeinschaftlichen Gespinste bey einander befindlichen Raupen. (b) Ein Haus, eine Wohnung. Ein Mann, der kein Nest hat, Sir. 36, 28. Man gebraucht es nur noch im verächtlichen Verstande, von einem schlechten elenden Haufe, oder einem solchen Aufenthalte; besonders in den Zusammensetzungen Hurennest, Diebsnest, Raubnest u. s. f. In eben diesem verächtlichen Verstande pflegt man auch wohl ein festes Schloß, einen kleinen aber festen Ort, ein festes Nest zu nennen. (c) Das Bett, doch nur im vertraulichen Scherze, Zu Neste gehen, zu Bette. Er will nicht aus dem Neste, nicht aus dem Bette.

Anm. Schon bey dem Notker Nest, im Engl. Angels. und Nieders. gleichfalls Nest, im Schwed. Näste, im Wallis. Nith, im Irländ. Nead, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Lat. Nidus. Die Slavonischen Mundarten setzen noch den Hauch- und Gaumenlaut voran, wie das Pohln. Gniazdo, das Böhm. Hnizdo, und das Krainerische Gnesdu. Es stammet ohne Zweifel von nähen, so fern es überhaupt verbinden bedeutete, her, zumahl da im Angels. nestan, im Schwed. nästa, und im Bretagnischen nezza gleichfalls nähen bedeutet. ( S. Nestel, Netz und Nisten.) Die Niederdeutschen lassen in diesem Worte ein scharfes geschlossenes e hören, wie das erste e in siehen, die Hoch- und Oberdeutschen aber ein gedehntes offenes.


Nestel (W3) [Adelung]


Die Nestel, plur. die -n, ein im Hochdeutschen veraltetes Wort, welches nur noch im Oberdeutschen üblich ist. 1) Das Haarnest, oder die um eine große Nadel gewundenen geflochtenen Haare auf den weiblichen Köpfen, ( S. Nest 1) 2) Schmale lederne Riemen, oder auch runde Schnüre, etwas damit zuzuschnüren oder an den Kleidungsstücken an- und zuzubinden. Die Schnürnestel, zum Zuschnüren, Schuhnestel, die Schuhe damit zuzubinden, die Hosennestel, die Beinkleider damit zuzubinden. Jemanden die Nestel oder eine Nestel, ein Nestlein knüpfen, ein ehemahliger Aberglaube, da man durch Knüpfung eines Riemens jemanden zum ehelichen Beyschlafe untüchtig machen zu können glaubte.

Anm. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter schon Nestel, im mittlern Lateine Nastala und Nastula, im Schwed. Nast und Nestla, welches aber auch ein Häkchen an den Kleidungsstücken bedeutet, im Angels. Nostle; gleichfalls von nähen, so fern es ehedem verbinden überhaupt bedeutete, und dem noch im Schwed. vorhandenen nästa, nähen. Im Ital. ist Nastro ein Band, eine Cocarde, und im Oberd. wird ein Faden zum Nähen noch jetzt Netze genannt. S. das vorige, ingleichen Netz.


Nestelbeschlag (W3) [Adelung]


Der Nestelbeschlag, des -es, plur. die -schläge, auch nur im Oberd. das Stückchen zusammen gerolltes dünnes Blech, womit ein Nestel, d. i. Riemen oder Schnur, am Ende beschlagen ist, um dasselbe steif zu machen; der Nestelstift.


Nestelnadel (W3) [Adelung]


Die Nestelnadel, plur. die -n. 1) Im Oberdeutschen, eine Schnürnedel, ( S. dieses Wort.) 2) Auf dem Lande einiger Gegenden, die starke metallene Nadel auf den weiblichen Köpfen, um welche die geflochtenen Haare zu einem Neste gewunden werden; die Nestnadel, die Haarnadel.


Nestelwurm (W3) [Adelung]


Der Nestelwurm, des -es, plur. die -würmer, in einigen, besonders Oberdeutschen Gegenden, der Nahme des Bandwurmes, Taenia L. wegen seiner Ähnlichkeit mit einer Nestel oder einem Bande.


Nesterweise (W3) [Adelung]


Nesterweise, adv. S. Nest 1.


Nestey (W3) [Adelung]


Das Nestey, des -es, plur. die -er, im gemeinen Leben, dasjenige Ey, welches man bey Ausnehmung der Eyer des zahmen Federviehes im Neste liegen lässet, damit dasselbe im Eyerlegen nicht ermüden möge.


Nestkammer (W3) [Adelung]


Die Nestkammer, plur. die -n, diejenige Höhle oder Kammer unter der Erde, welche dem Hamster zu seinem Aufenthalte dienet, zum Unterschiede von seinem Vorrathskammern.


Nestfeder (W3) [Adelung]


Die Nestfeder, plur. die -n, die ersten haarartigen Federn, welche die jungen Vögel in dem Reste vor ihren ordentlichen Federn bekommen.


Nestküchen (W3) [Adelung]


Das Nestküchen, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Nestküchlein, das letzte und gemeiniglich schwächste Küchlein, welches aus einem Neste voll Eyer ausgebrütet wird; Nieders. Nestquak, vermuthlich von Queck, lebendiges Vieh. Figürlich, doch nur im gemeinen Leben, das jüngste Kind unter mehrern, welches gemeiniglich von den Ältern verzärtelt wird.


Nestler (W3) [Adelung]


Der Nestler, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nestlerinn, eine besonders in einigen Oberdeutschen Gegenden übliche Benennung eines Handwerkers, welcher allerley Nestel, d. i. Schnüre, mit ihrem Beschläge verfertiget. S. Senkler.


Nestling (W3) [Adelung]


Der Nestling, des -es, plur. die -e, bey den Jägern, ein junger Raubvogel, so lange er noch nicht fliegen kann, sondern sich im Neste aufhält. Auch ein Raubvogel, welcher im Neste gefangen und zahm gemacht worden; im mittlern Lat. Nidarius, Nidasius, Franz. Niais.


Nestraupe (W3) [Adelung]


Die Nestraupe, plur. die -n, eine im gemeinen Leben übliche Benennung derjenigen Arten Raupen, welche sich an den Bäumen in ganzen Nestern beysammen befinden; zum Unterschiede von den Stammraupen und Ringelraupen.


Nesttaube (W3) [Adelung]


Die Nesttaube, plur. die -n, junge Tauben, welche noch nicht ausgeflogen, sondern aus den Neste genommen sind.


Nett (W3) [Adelung]


Nett, -er, -este, adj. et adv. ein besonders in der vertraulichen Sprechart übliches Wort, welches alles das in sich begreift, was man sonst rein, glänzend und zierlich nennet. Ein küpfernes Gefäß ist sehr nett gescheuert, wenn es rein und glänzend ist. Ein nettes, zierliches, Kleid. Sich immer nett halten, reinlich und zierlich. Eine nette Jungfer, ein netter junger Mensch, beydes vornehmlich in Ansehung der Kleidung. Das steht ihm nett. Nett tanzen, zierlich. Eine nette Schreibart, eine zierliche

Anm. Im Nieders. gleichfalls nett und nette, im Schwed. nätt, im Engl. neat, im Ital. netto, im Franz. net, im mittlern Lat. nectus. Es ist mit dem Lat. nitidus verwandt, ohne eben davon abzustammen, und bedeutet daher eigentlich glänzend. ( S. auch Niedlich.) Im Nieders. wird es auch für genau, accurat, gebraucht. Das macht nett zehen Thaler. Wofür bey den Hochdeutschen Kaufleuten das Ital. netto üblich ist, welches auch für rein, nach Abzug aller Unkosten, ingleichen nach Abzug des Gewichtes der Einballage, gebraucht wird.


Nettigkeit (W3) [Adelung]


Die Nettigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es nett ist. Ital. Nettezza, Nitidezza.


Netz (W3) [Adelung]


Das Netz, des -es, plur. die -e, Diminut. das Netzchen, Oberd. Netzlein. 1. Eigentlich, ein aus gezwirnten Fäden mit gemeiniglich weiten Maschen verfertigtes Gestrick. 1) Überhaupt, wo es mehrere Arten von Netzen zu allerley Arten des Gebrauches gibt. Das Netz über einen Ball. Bey den Perrückenmachern ist das Netz das kleine runde Gewebe, welches den Grund der Perrücke ausmacht. Ein Netz stricken. 2) In engerer Bedeutung, ein solches Gestrick, so fern es zum Fange der Fische, Vögel und einiger vierfüßigen Thiere gebraucht wird, wo sich so wohl die Jäger als auch die Fischer der Netze bedienen, welche bey beyden auch Garne genannt werden, ( S. Garn,) und in einzelnen Fällen viele eigene und besondere Nahmen bekommen. Ein Jägernetz oder Jagdnetz, Fischernetz, Vogelnetz, Lerchennetz u. s. f. Ein Netz stellen. Das Netz auswerfen, Fische darin zu fangen. Einen Wald mit Netzen umstellen. Das Wild in das Netz treiben. Ingleichen in einigen figürlichen R. A. Jemanden in das Netz locken. Im Netze seyn. Jemanden das Netz über den Kopf werfen, ihn mit List fangen, welche einige von den Retiariis bey den Römern ableiten, welche sich mit einem bloßen Netze gegen bewaffnete Fechter zu vertheidigen wußten. 2 Figürlich, wegen einiger Ähnlichkeit in der Gestalt. 1) In der Geometrie, Perspective und Zeichenkunst bestehet das Netz aus mehrern in Form eines Gitters oder Netzes über einander gezogenen Linien, welche sich nach rechten Winkeln durchschneiden, und den Grund einer Zeichnung abgeben. Einen Riß durch ein Netz copliren. Ital. Craticola, wegen der Ähnlichkeit mit einem Gitter. 2) Bey den thierischen Körpern ist das Netz ein häutiger, von verschiedenen Adern in Gestalt eines Netzes durchkreuzter Theil, welcher sich nahe über die Gedärme ausbreitet, und oben an andere Theile geheftet ist; Omentum, die Netzhaut, im Oberd. Schlem. Von einigen wird auch die Darmhaut, Peritonaeum, so wie von andern das Zwerchfell, Diaphragma, wegen gleicher Ähnlichkeit das Netz und die Netzhaut genannt. Die Netzhaut des Auges, Retina, ist von ähnlicher Art.

Anm. In der engern eigentlichen Bedeutung schon bey dem Ottfried Nez und Notker Nezz, bey dem Ulphilas Nati, im Nieders. Nett, im Angels. Net, Nyst, im Engl. Nett, im Dän. Net und Näkke, im Schwed. Nat, im Isländ. Net, im Lat. Nassa; ohne Zweifel von nähen, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Schwed. nästa, so fern es ehedem überhaupt verbinden, und folglich auch flechten, stricken, bedeutet hat, wovon im Oberd. noch Nätz, im mittlern Lateine Netus, ein Faden zum Nähen ist. Ihre lässet es mit Wachtern von dem Gothischen nutan, fangen, abstammen, welches aber vielmehr von Netz herzustammen scheinet. ( S. das folgende.) Die zum Fangen üblichen Netze sind doch immer nur eine kleinen Unterart. Das mittlere Lat. Natta, eine grobe Decke, ist vermuthlich aus eben dieser Quelle, eigentlich eine geflochtene Decke.


Netzbaum (W3) [Adelung]


Der Netzbaum, des -es, plur. die -bäume, bey den Maurern, diejenigen Bäume eines Gerüstes, welche in der Maurer befestiget werden; vermuthlich auch von Netz, ehedem eine jede Ver- bindung oder verbundenes Werk, weil diese Bäume das Gerüst mit dem Gebäude verbinden, und ihm dadurch Festigkeit geben.


Netzbruch (W3) [Adelung]


Der Netzbruch, des -es, plur. die -brüche, derjenige Bruch an den thierischen Körpern, wenn das Netz, omentum, in die Leisten oder den Hodensack tritt, Epiplocele. Tritt dasselbe in der Gegend des Nabels auf, so wird ein solcher Bruch ein Netznabelbruch, Epiploomphalon, genannt.


Netzen (W3) [Adelung]


Netzen, verb. reg. act. welches von dem Worte naß abstammet, naß machen, als das Activum von dem Neutro nässen oder nassen. Die Finger netzen. Den Flachs im Spinnen netzen. Das Mehl zum Kneten, das Getreide zum Mahlen, das Papier zum Drucken netzen, wofür auch feuchten üblich ist. Ich netze mit meinen Thränen mein Lager, Ps. 6, 7. Und fing an seine Füße zu netzen mit Thränen, Luc. 7, 38. S. auch Benetzen. Daher die Netzung.

Anm. Bey dem Ottfried nezen, bey dem Notker nezzen, im Nieders. naten, wo es auch intransitive für nassen, nässen, gebraucht wird, im Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . ( S. Naß.) Netzen setzt eigentlich mehr Feuchtigkeit voraus als feuchten, in dessen wird der Unterschied so genau nicht genommen.


Netzförmig (W3) [Adelung]


Netzförmig, adj. et adv. die Form, d. i. Gestalt, eines Netzes habend.


Netzhaut (W3) [Adelung]


Die Netzhaut, plur. die -häute, eine netzförmige Haut, siehe Netz 2. 2).


Netzjagen (W3) [Adelung]


Das Netzjagen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Jägern, eine Art des Jagens, da das Wild in die angestellten Netze getrieben, und daselbst entweder gefangen oder erlegt wird.


Netzkammer (W3) [Adelung]


Die Netzkammer, plur. die -n, von dem Zeitworte netzen, bey den Brauhäusern, ein Gemach, worin das Malz, ehe es auf die Mühle kommt, genetzet, d. i. angefeuchtet wird.


Netzmelone (W3) [Adelung]


Die Netzmelone, plur. die -n, bey den Gärtnern, eine Art großer langer Melonen, welche eine dünne, von außen netzförmige, inwendig grüne Schale, ein dunkles orangengelbes Fleisch, und einen kleinen gelben Samen haben; Franz. les Melons brodes oder mareches.


Netzschwamm (W3) [Adelung]


Der Netzschwamm, des -es, plur. die -schwämme, ein mit Wasser angefüllter Schwamm der Spinnerinnen, den Faden im Spinnen damit zu benetzen.


Netzständer (W3) [Adelung]


Der Netzständer, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Papiermachern, ein Faß oder Ständer mit kaltem Alaunwasser, worin das Papier alaunet wird; vermuthlich auch von dem Zeitworte netzen.


Netzstricker (W3) [Adelung]


Der Netzstricker, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Netzstrickerinn, eine Person, welche Netze strickt.


Netzwurst (W3) [Adelung]


Die Netzwurst, plur. die -würste, Würste aus gehacktem Kalbfleische, welches in lange Streifen von dem Kalbsnetze gewickelt wird; mit einem Französischen Ausdrucke Fricandellen.


Neubacken (W3) [Adelung]


Neubacken, adj. et adv. im gemeinen Leben für neu gebacken, oder frisch gebacken, im Gegensatze des altbacken oder alt gebacken. Neubackenes Brot, neu gebackenes, frisches. Ingleichen figürlich im verächtlichen Verstande. Ein neubackener oder neu gebackener Edelmann, welcher erst vor kurzen zu dieser Würde erhoben worden. Dän. nybaget.


Neubegierde (W3) [Adelung]


Die Neubegierde, zuweilen, obgleich seltener, auch die Neubegier, plur. inus. die Begierde, der merkliche Grad des Verlangens, etwas Neues, d. i. Unbekanntes zu erfahren. 1. In weiterer Bedeutung, ohne Bestimmung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit dieses Verlangens, das Französische Curiosität auszudrucken. Ich frage bloß aus Neubegierde. Befriedigen sie meine Neubegierde. Indessen ist doch nicht zu läugnen, daß diesem Worte allemahl ein härterer Nebenbegriff anklebet, als das ausländische Curiosität hat, welcher von dem Nebenbegriffe des Wortes neu herrühret, ( S. den zweyten Fall der folgenden Bedeutung) Daher man in diesem unschuldigen Verstande auch lieber Wißbegierde und wißbegierig gebraucht. 2. In engerer Bedeutung. 1) Das Verlangen, eine nützliche unbekannte Wahrheit zu wissen; welches doch am häufigsten die Wißbegierde, die edle Wißbegierde genannt wird. 2) Am häufigsten, die Neigung, unbekannte Dinge bloß um ihrer Neuigkeit willen, bloß um des sinnlichen Vergnügens an Veränderungen willen, zu wissen, da sie denn mit der Neugier oder Neugierde einerley ist, obgleich diese eigentlich einen stärkern Grad des Verlangens ausdruckt, als Neubegierde. S. Neugier.


Neubegierig (W3) [Adelung]


Neubegierig, -er, -ste, adj. et adv. Neubegierde habend und darin gegründet, so wie dieses Hauptwort.


Neubekehrte (W3) [Adelung]


Der Neubekehrte, des -n, plur. die -n, Fämin. die Neubekehrte, eine Person, welche erst vor kurzen bekehret worden, und in weiterer Bedeutung, welche sich erst vor kurzen zu einer bessern Religion gewandt hat; eine Proselyt, bey einigen auch ein Neugläubiger.


Neubruch (W3) [Adelung]


Der Neubruch, des -es, plur. die -brüche, ein altes Wort, ein neu ausgebrochenes Holz, d. i. ein vor kurzen, oder doch später als eine andere Gegend, ausgerottetes und zu Feld oder Wiesen gemachtes Gehölz; das Neuland, Neugereut, Neureut, Rodeland, Reutfeld, Rode, der Stockraum, das Geräumte, Noval-Acker, von dem mittlern Lat. Novale "Neubruch und Neugereuth werden genennet diejenige Grunndt, allda zuvor weder Furch, Strang noch Geäffter gesehen, auch nie war angebauet worden. Die Aufbrüch aber eine Grunndt, welche vorhero zwar angebauet gewesen, aber kurz oder lang hernach in einem und andern Bau verkehret worden" Leopoldi Satz und Ordnung im Erzherz. Österreich. Daher der Neubruchszehent, oder Noval-Zehent, der von solchen Neubrüchen entrichtet wird.


Neue (W3) [Adelung]


1. Das Neue, ein Neues, S. das folgende.


Neue (W3) [Adelung]


2. Die Neue, plur. inus. oder ein Neues, plur. inus. ein nur bey den Jägern übliches Wort, welches theils den Thau und neblige Witterung, besonders des Morgens, theils aber und am häufigsten auch den Schnee bedeutet. Ein gemachtes Neues, ein frisch gefallener Schnee, dagegen ein aufgehender oder aufthauenden Schnee eine Halbneue genannt wird. Es scheinet, daß dieses Wort von neu, novus, gänzlich verschieden ist, und noch das Stammwort des Wortes Schnee aufbehalten hat, welches vermittelst des Zischlautes daraus gebildet worden; zumahl da andere Sprachen diesen Zischlaut auch nicht haben, wie das Lat. Nix, das alte Franz. Noif, Nois, das neuere Franz. Neige, das Lotharingische Nadge, Noge. Im mittlern Lat. ist Nibata, bey dem Petronius Niuata, ein jedes aus der Luft fallendes Wasser. Es müßte denn seyn, daß beyde Wörter in der Bedeutung des Hellen, Glänzenden, mit einander überein kämen. Im mittlern Lat. ist nibulatus (eigentlich nivulatus) glänzend. S. Schnee.


Neuen (W3) [Adelung]


Neuen, verb. reg. act. welches, so wie das Intensivum oder Frequentativum neuern, nur in den Zusammensetzungen erneuen, erneuern, verneuen, verneuern üblich ist, für wieder neu machen. Doch gebraucht man das Zeitwort neuen in der Bienenzucht, wo die Bienen neuen, wenn sie anfangen an dem Werke zu arbeiten.


Neuerlich (W3) [Adelung]


Neuerlich, adj. et adv. neulich, vor kurzen ingleichen neu, so wohl als ein Bey- als auch als ein Nebenwort; doch nur am häufigsten im Oberdeutschen. Ich habe ihn erst neuerlich gesehen, erst neulich. Seine neuerlich angenommenen Lehren. Als ein Beywort, in neuerlichen Zeiten, ist es im Hochdeutschen noch seltener. Nieders. nuur, im Hannöv. nuus; nuur Dages, vor wenig Tagen, nuur Abends, neulich des Abends. S. Nur.


Neuerung (W3) [Adelung]


Die Neuerung, plur. die -en, die Veränderung in dem bisherigen Herkommen, eine neue Gewohnheit, ein neuer Gebrauch, doch am häufigsten in engerer Bedeutung, eine vorher nicht da gewesene Sache zu bezeichnen, welche jemand, bloß weil sie etwas Neues ist, einführen will. So nennt man neue Auflagen, neue Anstalten, neue Verordnungen im gehässigen Verstande Neuerungen. Allerley Neuerungen aufbringen. Neuerungen in der Lehre, in der Rechtschreibung u. s. f. Neuerungen anfangen. Daher die Neuerungsbegierde, die Neuerungssucht, d. i. ungeordnete Begierde nach Neuerungen, d. i. nach neuen Gewohnheiten, Lehren, Gebräuchen u. s. f. bloß um ihrer Neuigkeit willen. Es scheinet nicht, daß dieses Wort den nachtheiligen Nebenbegriff von je her bey sich gehabt hat, denn Frisch hat es irgendwo auch von der Erneuerung einer Obligation gefunden. Das mittlere Lat. Novitas und Franz. Nouveaute sind mit eben diesem Nebenbegriff üblich.


Neufänger (W3) [Adelung]


Der Neufänger, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, so wohl derjenige, welcher einen Gang zuerst gefunden und aufgenommen hat, als auch derjenige, welcher die letzten Maßen gemuthet hat; wo es nach einer verderbten Aussprache für Neufinder zu stehen scheinet.


Neufürstlich (W3) [Adelung]


Neufürstlich, adj. et adv. den neuen Fürsten gehörig, in ihrer Würde gegründet, S. Altfürstlich.


Neugänger (W3) [Adelung]


Der Neugänger, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, derjenige, welcher einen neuen Gang entblößet und ergangen hat.


Neugebacken (W3) [Adelung]


Neugebacken, S. Neubacken.


Neugeboren (W3) [Adelung]


Neugeboren, besser neu geboren, adj. et adv. erst vor kurzen geboren. Ein neu geborenes Kind. Der neugeborene König der Juden, Matth. 2, 1. Ich bin wie neu geboren, empfinde neue Kräfte, neuen Muth, neue Munterkeit. Bey dem Ottfried niuui boranaz.


Neugereut (W3) [Adelung]


Das Neugereut, des -es, plur. die -e, S. Neubruch und Reuten.


Neugier,Neugierde (W3) [Adelung]


Die Neugier, oder Neugierde, plur. die Gier oder Begierde etwas Neues, d. i. eine neue uns bisher unbekannte Sache zu erfahren, wo es von einigen, obgleich, nicht mit dem besten Erfolge, für Neubegierde und Wißbegierde in weiterer Bedeutung gebraucht wird. Am häufigsten ist es im engern und nachtheiligen Verstande üblich, und da ist es die merkliche Begierde, eine uns unbekannte Sache bloß um ihrer Neuigkeit, oder aus sinnlichem Vergnügen an Veränderungen zu wissen. Die Neugier plagt ihn. Jemandes Neugier stillen, befriedigen. Aus bloßer Neugierde nach etwas fragen. Gier und Begierde sind zwar sonst den Graden nach verschieden; allein in Neugier oder Neugierde und Neubegier oder Neubegierde wird dieser Unterschied, der über dieß in der Partikel be keinen Grund hat, weil sonst Neubegierde einen stärkern Grad bezeichnen müßte, nur selten beobachtet. In Boxhorns Glossen heißt die Neugier Forskili, von forschen, im Nieders. aber Niilikheid.


Neugierig (W3) [Adelung]


Neugierig, -er, -ste, adj. et adv. Neugier habend, besitzend, und in derselben gegründet, besonders in der engern Bedeutung des Hauptwortes. Im Nieders. niisgirig, nijpligtern, in Boxhorns Glossen forskalmer, Schwed. nyfika, von fika, forschen.


Neugierigkeit (W3) [Adelung]


Die Neugierigkeit, plur. inus. die Fertigkeit sich neuer Nachrichten und Erkenntnisse bloß um ihrer Neuigkeit willen, oder bloß aus sinnlichen Vergnügen an Veränderungen zu befleißigen, wofür doch auch Neugier und Neugierde üblich sind.


Neuglaubig (W3) [Adelung]


Neuglaubig, adj. et adv. S. Neubekehrt.


Neuheit (W3) [Adelung]


Die Neuheit, plur. die -en, welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, der Zustand, die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es neu ist. 1) In Absicht seines Daseyns; in welchem Verstande es doch nur selten vorkommt. Noch häufiger 2) in Absicht unserer Empfindung oder Erkenntniß mit dem Nebenbegriff des Ungewohnten. Die Neuheit der Sache. Gegenstände, die wegen ihrer Neuheit etwas Auffallendes an sich haben. Diese Empfindungen hatten für mich den Reitz der Neuheit. 2. Als ein Concretum, eine neue bisher noch nicht erfahrene oder erkannte Sache; wofür doch Neuigkeit üblicher ist. Die Neuheiten lieben, neue Nachrichten, neue Veränderungen, wo es zuweilen im gelindern Verstande für Neuerung gebraucht wird, weil es den unangenehmen Nebenbegriff nicht hat. Es ist erst in den neuern Zeiten eingeführet worden, um einen anständigern Ausdruck so wohl für Neuigkeit, als auch für Neuerung zu haben.


Neuigkeit (W3) [Adelung]


Die Neuigkeit, plur. die -en, welches gleichfalls auf doppelte Art gebraucht wird. 1. Als ein Abstractum und ohne Plural, die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es neu ist. 1) In Absicht auf dessen Daseyn; in welchen Verstande es doch nur in den gemeinen Sprecharten zuweilen vorkommt. 2) In Absicht auf unsere Empfindung oder Erkenntniß. Die Neuigkeit einer Nachricht, einer Empfindung, eines Gedankens u. s. f. wofür jetzt in der anständigen Sprechart Neuheit üblicher ist. 2. Als ein Concretum, eine neue Veränderung; als ein glimpflicher Ausdruck für das härtere Neuerung. Noch häufiger aber in Absicht der Erkenntniß ohne doch die Neuheit des Daseyns auszuschließen. Nach Neuigkeiten begierig seyn, nach Nachrichten von neuen Begebenheiten. Eine wichtige Neuigkeit erzählen. Haben sie keine Neuigkeiten? nichts Neues?


Neujahr (W3) [Adelung]


Das Neujahr, des -es, plur. car. ein aus das neue Jahr zusammen gezogenes Wort, welches ohne Artikel gebraucht wird, den Anfang eines neuen Jahres zu bezeichnen. Es wird bald Neujahr seyn. Wir kommen auf Neujahr. Wenn Neujahr vorbey ist. Nach Neujahr. Noch häufiger ist es in den Zusammensetzungen der Neujahrstag, das Neujahrsfest, das Neujahrsgeschenk, die Neujahrsmesse u. s. f. Der große Neujahrstag ist ein Nahme, welchen auch wohl das Fest der Erscheinung Christi oder der heil. drey Könige bekommt.


Neuland (W3) [Adelung]


Das Neuland, des -es, plur. die -länder, S. Neubruch.


Neulich (W3) [Adelung]


Neulich, adj. et adv. vor kurzen, ingleichen was vor kurzen gewesen ist, oder geschehen ist, doch alle Mahl nur in Absicht auf den Redenden. Er ist erst neulich wieder gekommen. Ich habe ihn erst neulich gesehen. Neulich, als ich mir es am wenigsten vermuthete, fand ich es. Als ein Beywort kommt es in der anständigen Schreibart seltener vor, ob es gleich in dieser Gestalt im gemeinen Leben nicht selten ist. Euer neuliches Schreiben. Die neuliche Begebenheit.

Anm. Bey dem Ottfried niuenes, nuuuiu, im Schwabensp. niuueclich, im Nieders. nijlik, welches aber auch neugierig, lüstern, ingleichen ungewöhnlich, seltsam bedeutet, im Holländ. nieuwelick, im Dän. nylig, im Lat. nuper, welches seiner ersten Sylbe nach damit verwandt ist.


Neuling (W3) [Adelung]


Der Neuling, des -es, plur. die -e. 1) Eine Person, welche in einer Sache noch neu, d. i. unerfahren ist, weil sie sich noch nicht lange mit derselben beschäftiget hat, wo es von beyden Geschlechtern, so wie alle Wörter auf -ling, gebraucht wird. Ein Bischof soll nicht seyn ein Neuling, 1. Timoth. 3, 6. d. i. ein Neubekehrter, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Denn er ist kein Neuling in Kenntniß der Schönheit, Weiße. 2) Eine Person, welche Neuerungen liebt und zu machen sucht; in welchem Verstande man es doch um der Zweydeutigkeit mit der vorigen Bedeutung willen vermeiden sollte.


Neumodisch (W3) [Adelung]


Neumodisch, -er, -te, adj. et adv. im gemeinen Leben, der neuen Mode gemäß, in derselben gegründet, wofür auch wohl nur das einfache modisch üblich ist. Neumodische Kleider.


Neumond (W3) [Adelung]


Der Neumond, des -es, plur. die -e, derjenige Zustand des Mondes, da er neu ist, d. i. wenn er zu der Sonne kommt, und daher die dunkle Seite gegen uns gerichtet hat, und die Zeit, wenn solches geschiehet. Wir haben Neumond. Von einem Neumond bis zum andern. Ich bin feind euren Neumonden, Es. 1, 13, den alsdann vorgenommenen gottesdienstlichen Verrichtungen. Im gemeinen Leben auch nur das Neue, das neue Licht, Schwed. Ny, Dän. Nyet, Lat. Novilunium, Noxillunis, Interlunium. Der neue Mond oder Neumond wird dem alten Monde oder Vollmonde entgegen gesetzet, weil der Mond, wenn er neu gewesen ist, zuzunehmen anfängt.


Neun (W3) [Adelung]


Neun, eine Grundzahl, welche sich zwischen acht und zehen in der Mitte befindet, und jederzeit unverändert bleibt, wenn sie das Hauptwort bey sich hat. Die neun Musen. Neun Tage. Stehet sie aber absolute, so hat sie in der zweyten Endung, welche doch selten vorkommt, neuner, und in der dritten neunen. Eine Zahl von neunen. Einer aus neunen. Wenn neun die zahl der Stunde nach der Uhr ist, so pflegt man es auch wohl unverändert zu lassen. Ich kann vor neun nicht kommen, oder vor neunen.

Anm. Dieses Zahlwort findet sich so wie die meisten übrigen in allen Europäischen und vielen auswärtigen Sprachen wieder. In den Salischen Gesetzen lautet es nuenet, bey dem Kero niun, im Nieders. negen, bey den Friesen niughen, im Angels. nigon, nigen, im Engl. nine, im Dän. ni, im Schwed. nio, im Isländ. niu, bey dem Ulphilas niun, im Wallis. naw, im alt. Preuß. newyni, im Pers. nu, im Lat. novem, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - .


Neunauge (W3) [Adelung]


Die Neunauge, plur. die -n, die mittlere Art Lampreten der Größe nach, welche sich in den Flüssen Nieder-Deutschlandes aufhält, und wenn sie eingemacht ist, in Obersachsen und Oberdeutschland den Nahmen der Bricke bekommt; Petromyzon fluviatilis L. Dieser Fisch hat den Nahmen von seinen sieben Luftlöchern an der Seite, welche den Augen gleichen, und mit seinem wahren Augen ihrer neun machen. Im Nieders. gleichfalls Negenoge, im Dän. Negenöye, im Schwed. Nejnögon, im Pohln. Ninog, im Böhm. Neynoky. In der Schweiz gibt es eine Art eßbarer Flußfische, welche gleichfalls Neunauge genannt wird, und vielleicht auch eine Art Lampreten ist. Eigentlich und der Analogie nach sollte dieses Wort ungewissen Geschlechtes seyn, weil Auge dieses Geschlecht hat, das Neunauge; allein der Gebrauch hat hier ein anderes beliebt.


Neunbatzner (W3) [Adelung]


Der Neunbatzner, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Oberdeutschen Gegenden, eine Münze von neun Batzen.


Neune (W3) [Adelung]


Die Neune, plur. die -n, die Zahlfigur, welche die Zahl neun bezeichnet; der Neuner. Eine Römische Neune. Alle Neunen hinaus werfen. Auf eben diese Art sagt man die Achte, die Viere, die Fünfe u. s. f.


Neuner (W3) [Adelung]


Der Neuner, des -s, plur. ut nom. sing. eine Zahl von neunen, eine Zahl von neun Einheiten als ein Ganzes betrachtet, oder ein aus neun Einheiten bestehendes Ganzes. Daher sind die Neuner in Hessen eine Art Landmünze, welche neun Pfennige gilt, und auch Weißpfennige und leichte Groschen genannt werden. Auch die Neune, d. i. die Zahlfigur neun, wird in der Rechenkunst oft ein Neuner genannt, ( S. Neunerprobe.) Ingleichen eines von einem aus neun Einheiten bestehenden ganzen. So sind zu Frankfurt am Main die bürgerlichen Neuner ein Collegium von neun Personen, welche die Rechnungen des Rathes durchsehen, und verschiedenes bey der Stadt-Ökonomie zu besorgen haben.


Neunerley (W3) [Adelung]


Neunerley, adj. indecl. et adv. von neun verschiedenen Arten und Beschaffenheiten. Neunerley Samen. Im gemeinen Leben wird eine gewisse Arzeney, deren vornehmster Bestandtheil Opium ist und die Kinder schlafen macht, Requies Nicolai, neunerley Lust genannt. In andern Gegenden heißt sie allerley Lust, ingleichen Kinderruhe. Sie ist von dem Kinderpulver und Ruhepulver, welches zu eben derselben Absicht dienet, noch verschieden.


Neunerprobe (W3) [Adelung]


Die Neunerprobe, plur. die -n, in der Rechenkunst, eine Probe einer berechneten Post, nach welcher man in den summirten Zahlen und in der Summe gleich viele Neuner wegwirft, und was übrig bleibt, mit einander vergleicht.


Neunfach (W3) [Adelung]


Neunfach, adj. et adv. welches ein vermehrendes Zahlwort ist, neun Mahl genommen. Der Zeug liegt neunfach. Er soll es neunfach ersetzen. Neunfältig kommt im Hochdeutschen wenig mehr vor.


Neunheil (W3) [Adelung]


Das Neunheil, des -es, plur. inus. ein Nahme, welchen im gemeinen Leben einiger Gegenden der Bärlappen führet, S. dieses Wort.


Neunhundert (W3) [Adelung]


Neunhundert, richtiger getheilet neun hundert, adj. et adv. welches eine Grundzahl ist, hundert neun Mahl genommen. Neunhundert Jahre. Bey dem Ottfried niunhunt. S. Hundert.


Neunhundertste (W3) [Adelung]


Neunhundertste, adj. welches die Ordnungszahl der vorigen ist.


Neunjährig (W3) [Adelung]


Neunjährig, adj. et adv. neun Jahre alt, neun Jahre dauernd. Ein neunjähriges Pferd. S. Jährig.


Neunmahl (W3) [Adelung]


Neunmahl, richtiger getheilet neun Mahl, ( S. Mahl.) adv. zu neun verschiedenen Mahlen. Ich habe es schon neun Mahl gesagt. Neun Mahl zehn ist neunzig.


Neunmahlig (W3) [Adelung]


Neunmahlig, adj. was zu neun Mahlen geschiehet. Ein neunmahliges Verboth.


Neunmörder (W3) [Adelung]


Der Neunmörder, des -s, plur. ut nom. sing. S. Neuntödter.


Neunstrahl (W3) [Adelung]


Der Neunstrahl, des -es, plur. die -e, in der Naturgeschichte, eine Art mit neun Strahlen versehener aufgeritzter Seesterne; Euneactis.


Neuntägig (W3) [Adelung]


Neuntägig, adj. et adv. was neun Tage dauert oder gedauert hat. Eine neuntägige Krankheit.


Neunte (W3) [Adelung]


Neunte, adj. welches die Ordnungszahl von neun ist. Der neunte Tag. Es ist heute das neunte Jahr. Ich sage es schon zum neunten Mahle. Bey dem Kero niunto, bey dem Ottfried nona, Nieders. negende, Angels. nigothe.


Neuntel (W3) [Adelung]


Das Neuntel, des -s, plur. ut nom. sing. der neunte Theil eines Ganzen, für Neuntheil. Ein Neuntel eines Zentners.


Neunthalb (W3) [Adelung]


Neunthalb, adj. indecl. acht und ein halbes. Neunthalb Wochen. Neunthalb Thaler, S. Halb.


Neuntheilig (W3) [Adelung]


Neuntheilig, adj. et adv. aus neun Theilen bestehend.


Neuntödter (W3) [Adelung]


Der Neuntödter, des -s, plur. ut nom. sing. Eine im gemeinen Leben übliche Benennung eines kleinen Raubvogels, welchen Klein zu den Falken rechnet, von welchen er alsdann die kleinste Art ist; Lanius L. Falco minimus Klein. Er hat einen fast geraden Schnabel mit nackter Wurzel, ist weiß, braun, und schwarz gescheckt von Farbe, und stößt nur auf kleine und junge Vögel und Insecten. Er wird auch Neunmörder, (Niedersächs. Negenmörder) Dornreich, Dornkreul, Dorndreher ( S. dieses Wort,) Bergälster, Kruckälster, Würger, Würgengel, im Hannöv. Rabraker u. s. f. genannt. Es gibt verschiedene Arten dieses Vogels, wohin man im gemeinen Leben auch den Meisenkönig oder Mönch rechnet. Die meisten der jetzt angeführten Nahmen hat dieser Vogel wegen seiner Raub- und Blutgierde erhalten. In einigen Gegenden werden auch die Hornissen Neunmörder genannt, weil man glaubt, daß ihrer neun ein Pferd tödten können.


Neunzehen (W3) [Adelung]


Neunzehen, zusammen gezogen neunzehn, eine unabänderliche Hauptzahl für neun und zehen. Neunzehn Groschen, Tage, Jahre. Es waren ihrer neunzehen. Im Dän. nitten, im Schwed. nitton.


Neunzehente (W3) [Adelung]


Der Neunzehente, zusammen gezogen neunzehnte, adj. die Ordnungszahl der vorigen. Es gehet in das neunzehente Jahr. Wir haben heute den neunzehnten, d. i. Monathstag.


Neunzig (W3) [Adelung]


Neunzig, adj. indecl. et adv. welches eine Hauptzahl ist, neun zehen Mahl, oder zehen neun Mahl genommen. Neunzig Jahre. Einer von den neunzigen. Bey dem Kero niunzogo, im Nieders. negentig, Angels. hundnigontig, Schwed. nittio, Pers. nauad.


Neunziger (W3) [Adelung]


Der Neunziger, des -s, plur. ut nom. sing. 1) Ein aus neunzig Einheiten bestehendes Ganzes. So ist im Picketspiele ein Neunziger oder Repick, wenn jemand aus der Hand, d. i. ohne auszuspielen, neunzig zählet, zum Unterschiede von einem Sechziger oder Pick. Eben so pflegt man auch eine männliche Person, welche neunzig Jahre alt ist, einen Neunziger und eine solche weibliche Person eine Neunzigerinn zu nennen. So auch ein Achtundneunziger, Sechsundneunziger u. s. f. 2) Was 1690 gebauet oder verfertiget ist. Ein Neunziger, ein Achtundneunziger, ein Wein von 1690, von 1698.


Neunzigste (W3) [Adelung]


Neunzigste, adj. Die Ordnungszahl der vorigen. Der neunzigste Theil. Bey dem Kero niunzegostin.


Neupfänner (W3) [Adelung]


Der Neupfänner, des -s, plur. ut nom. sing. in den Salzkorhen, ein Salzstück, welches in einer Pfanne gesotten worden, und daher unreiner ist, als anderes Salz.


Neureuth (W3) [Adelung]


Das Neureuth, des -es, plur. die -e, S. Neubruch.


Neustadt (W3) [Adelung]


Die Neustadt, plur. die -städte, S. Altstadt.


Neutestamentlich (W3) [Adelung]


Neutestamentlich, adj. et adv. was das neue Testament betrifft, in demselben gegründet ist; im Gegensatze des alttestamentlich. Das neutestamentliche Priesterthum.


Neutral (W3) [Adelung]


Neutral, -er, -ste, adj. Et adv. Aus dem spätern Lat. neutralis, keiner Partey zugethan; unparteyisch. Neutral seyn. Neutrale Mächte, im Kriege, welche keine von den kriegführenden Mächten mit Rath oder That unterstützen; in welchem Falle sich das Wort unparteyisch nicht gebrauchen läßt, weil es mehr sagt, als man durch neutral ausdrucken will. Daher die Neutralität, plur. inus. Die genaueste Neutralität beobachten.


Nicht (W3) [Adelung]


1. Der Nicht, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten, die -e, ein nur in dem Hüttenbaue übliches Wort, ein ganz weißes, feines und mehliges Product zu bezeichnen, welches bey dem Schmelzen des Zinkes in Gestalt weißer Flocken in die Höhe steigt, und auch Zinkblumen, Almey, Augennicht, weil er gut für die Augen seyn soll, Weißnicht, Hüttennicht, Galmeyflug. Galmeyblumen genannt wird. Der graue Nicht, Graunicht oder Pompholyx ist ein ähnliches Product, welches hellgrau, nicht so fest und leichter ist. Die Tutia ist gleichfalls grau, aber schwer und dicht. Beyde steigen bey dem Schmelzen des Zinkes und Galmeyes in die Höhe, dagegen die dem weißen Nichte sehr ähnliche Zinkasche von dem Verbrennen zurück bleibt.

Anm. Der Griechische Nahme ist Onochytis, aus welchem, dem Frisch zu Folge, der Deutsche vermittelst einer Verkürzung gebildet seyn soll. Wenn man dieses Product im Lat. Nihilum nennet, so ist es ohne Zweifel aus Mißdeutung des Deutschen Nahmens geschehen.


Nicht (W3) [Adelung]


2. Nicht, ein Hauptwort, welches mit der folgenden Verneinung Eines Ursprunges ist, aber nur noch in Gestalt eines Nebenwortes ohne Artikel und mit den Vorwörtern zu und mit gebraucht wird. Zu nicht oder zu nichte wird nur mit dem Zeitworte machen gebraucht. Etwas zu nichte machen, so wohl es unkräftig, ungültig, als auch unbrauchbar machen, verderben; doch beydes, besonders aber das letzte, nur in der vertraulichen Sprechart und im gemeinen Leben. Jemandes Anschläge, Entwürfe zu nichte machen, sie vernichten, rückgängig, unkräftig machen. Etwas zu nichte machen, es verderben, unbrauchbar machen. Mit nichten wird als eine starke Verneinung für keines Weges gebraucht. Mit nichten, sondern er soll Johannes heißen, Luc. 1, 60. Du Bethlehem - bist mit nichten die kleineste unter den Fürsten Juda, Matth. 2, 6.

Anm. Nicht hat in diesen Fällen seine ursprüngliche Gestalt eines Hauptwortes, indem es aus der alten Verneinung ni und Wicht, ein Ding, ein Etwas, zusammen gesetzet ist, noch einiger Maßen erhalten. Im Theuerdanke, wo die Verneinung mit nichten oft vorkommt, lautet sie bald mit nicht, bald mit nichte, bald auch nur nichten ohne Vorwort. Tewrdannk der gedacht im nichten args, Kap. 43. Noch lies er mit nichten darvan, Kap. 63. So seyt ir mit nicht ein tuglicher man, Kap. 74. S. Vernichten und Nichtig.


Nicht (W3) [Adelung]


3. Nicht, das verneinende Nebenwort, welches gebraucht wird, wenn man im Zusammenhange der Rede, oder mit ganzen Sätzen etwas verneinet, dagegen nein eine einsylbige Verneinung auf eine vorher gegangene Frage oder Bitte ist. 1. Eigentlich, wo es auf die jetzt gedachte Art im Zusammenhange der Rede verneinet. Als ein Nebenwort stehet es zunächst bey Zeitwörtern, eine thätige aber leidende Handlung zu verneinen. Ich sehe nicht. Wir konnten nicht stehen. Aber es verneinet auch Sachen, Eigenschaften und Umstände, und kann daher auch Nennwörter, Fürwörtern, Nebenwörtern und Vorwörtern zugesellet werden. Nicht Männer, sondern Weiber. Nicht Ein Mann. Nicht lang, nicht kurz, nicht breit, nicht groß, nicht so sehr, nicht so viel, nicht von hinten, nicht aus der Mitte, nicht lange hernach. Gar nicht, ganz und gar nicht, durchaus nicht, schlechterdings nicht, im geringsten oder im mindesten nicht, nicht im geringsten, nicht im mindesten, sind verstärkte Verneinungen. Er ist gar nicht einfältig. Ich will durchaus nicht. In der einfachen erzählenden und wünschenden Ordnung der Wörter stehet nicht so wie anderes Nebenwort hinter dem Zeitworte, und in einer zusammen gesetzten Zeit, oder wenn ein Zeitwort das andere regieret, zwischen beyden Zeitwörtern. Ich glaubte es nicht. Man läugnete es nicht. Ich zweifele nicht daran. Ich wollte ihn nicht erzürnen. Sie sind noch nicht da. Es kann nicht seyn. Er sollte uns trennen, nicht verbinden. Der Himmel wolle es nicht! In der befehlenden und bittenden Construction stehet die Verneinung hinter dem Imperativ, und wenn derselbe einen Casum regieret, auch hinter diesem. Lache nicht. Thun sie es nicht. Glaube deinem Freunde nicht. In der fragenden und verbindenden Wortfügung nimmt es die Stelle ein, welche einem jeden andern Nebenworte gebühret. Kommt er nicht? Warum gehst du nicht hinein? Wenn es jetzt nicht geschiehet, so geschiehet es nie. Wenn ein Zeitwort das andere regieret, so entstehet oft eine Zweydeutigkeit, indem die Verneinung so wohl auf das erste, als auf das andere Zeitwort gezogen werden kann. Erlaube ihm nicht zu spielen, kann bedeuten: erlaube ihm, nicht zu spielen, und, erlaube ihm nicht, zu spielen. Durch das Unterscheidungszeichen kann man zwar vorbeugen, es ist aber doch besser, man drucke sich anders aus. Da das nicht bloß Handlungen, sondern auch Zustände, Eigenschaften und Umstände verneinet, und es sich oft zuträgt, daß außer der Verneinung noch andere Nebenwörter da sind, so kommt viel darauf an, daß das nicht gerade zu demjenigen Redetheile gesetzt werde, welchen man verneinen will, weil sonst der Verstand verändert wird. Ich sehe ihn oft nicht, und ich sehe ihn nicht oft, sind sehr verschieden. Aus Ruhmsucht ward ihm nicht des Würgens Arbeit sauer, Karschinn. Die Verfasserinn hätte sagen sollen, ward ihm - nicht sauer. Wenn jemand viel nicht ißt, wenn jemand viel nicht weiß, Dusch, ist ganz etwas andres, als nicht viel ißt und nicht viel weiß. Aichinger führet noch folgendes Beyspiel an, welches einen vierfachen Sinn leidet, je nachdem die Verneinung gestellet wird: Ich kann es nicht gar wohl thun, vix mihilicet id facere; ich kann es gar nicht wohl thun, admodum difficile mihi est factu; ich kann es gar wohl nicht thun, proclive mihi est, id non facere; und, ich kann es wohl gar nicht thun, utique mihi licet, id non facere. So auch, ich möchte es nicht gar gern haben, und andere R. A. mehr. Dagegen in manchen Fällen die Stelle gleichgültig ist. Er ist so einfältig nicht, und, er ist nicht so einfältig. Mehr nicht und nicht mehr. Die Inversion weiset dieser Verneinung oft eine andere Stelle an, als ihr ordentlicher Weise zukommt. Hier trinkt nicht mächtig Unrecht des Schwachen Blut und Schweiß, Dusch, für, hier trinkt mächtig Unrecht nicht u. s. f. Auch nicht die Armuth selbst sollte mich abhalten, redlich zu handeln, ebend. Nicht der Reichthum ist es, was ich bedauere, für, der Reichthum ist es nicht u. s. f. Nicht das Gold, sondern die Tugend adelt. Nicht Wünsche halten auf, nähmlich die Jahre, Zachar. Nicht jede Handlung der Seele ist unmittelbar eine Folge der Besinnung, Herd. Nur mit einem Imperativ thut diese Inversion eine widrige Wirkung. Nicht frage zwar zu sehr, was der und jener thut, Opitz. Im Oberdeutschen pflegt man es, wenn zwey Zeitwörter zusammen gehören, um des Nachdruckes willen, gern unmittelbar vor dem letzten zu setzen. Die fürgedauerte Hoffnung ist in die Erfüllung nicht gegangen. Wenn in zwey oder mehr auf einander folgenden Sätzen das nicht wiederhohlet werden sollte, so kann man das zweyte und die folgenden Mahle auch noch setzen. Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen, für, und nicht versäumen. Es hat nicht geregnet noch geschneyet. In welchen Fällen doch statt des ersten nicht richtiger weder gesetzt wird. S. Noch. Oft beziehet sich die Verneinung auf ein vorher gegangenes oder ausgelassenes Wort. Bald sieht mans, bald aber auch nicht. Er komme nun, oder nicht. Gehe hin, wo nicht, (wo du nicht gehest,) so werde ich gehen. Nicht doch, bleiben sie hier! Nicht so meine Kinder! Nicht so böse, mein lieber Peter, Weiße. Ich gab es, nicht als wenn es meine Schuldigkeit gewesen wäre, sondern u. s. f. Er that es, nicht zwar aus Edelmuth, sondern aus Eigennutz. Nicht wahr (für, ists nicht wahr?) sie haben es gehöret? Nach dem Zeitworte fürchten, nach dem Muster der Lateiner, noch ein nicht einzuschieben, ist nicht nur wider die Analogie der Deutschen Sprache, sondern kann auch in manchen Fällen einen unangenehmen Doppelsinn machen, ( S. Fürchten 2. 2). Nach dem Nebenworte mehr kann es zuweilen durch den Nachdruck entschuldiget werden, wenn der Nachsatz einige Länge hat. Alte Leute sagen oft mit einem Worte mehr, als die Jugend in einem Jahre nicht fassen kann, Gell. Bey einem kurzen Nachsatze würde es widrig klingen. Das ist mehr, als ich nicht verlange; besser, als ich verlange. In den gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, ist es sehr gewöhnlich, die Verneinung um des Nachdruckes willen zu verdoppeln, nach dem Muster des Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und Franz. ne pas; nichts nicht, keiner nicht, niemand nicht, für das einfache nichts, keiner und niemand. In der anständigen Schreibart klingt solches überaus widrig; indessen höret und lieset man es doch oft. Schon Ottfried und Notker gebrauchen nieht ne, und bey dem Opitz ist diese doppelte Verneinung sehr häufig. Habt ihr nichts eignes nicht? Opitz. Kein Ort gefiel mir besser nicht, ebend. Es ist in ihm kein Geist nicht mehr, ebend. Selbst Gellert sagt an einem Orte: Keine andere Gefälligkeit habe ich ihm nicht erzeigt, für eine. S. Kein. Dahin gehören aber zwey Fälle nicht, wo die doppelte Verneinung nicht nur völlig untadelhaft ist, sondern auch nach dem Vorgange der Lateiner bejahet. 1) Wenn die Verneinung in den Partikeln un - miß - ab - u. s. f. steckt. Ich sehe ihn nicht ungern. Es ist mir nicht mißlungen. Sie ist nicht abgeneigt. Welche Ausdrücke zwar wirklich bejahen, aber doch schwächer und geringer, als wenn man sagte, ich sehe ihn gern, es ist mir gelungen, sie ist ihm geneigt. 2) Wenn die Verneinungen in zwey Sätzen oder Commatibus auf einander folgen. Es ist niemand, der ihm nicht alles Gutes wünschte, d. i. jedermann wünscht ihm alles Gutes. Mir wird nichts in der Welt zu schwer seyn, das ich nicht wagen wollte, Gell. Nur das als läßt sich auf diese Art nicht ohne Mißklang ersetzen. Er wird sich ohne dieß nicht zur Ehe entschließen, bis er nicht eine hinlängliche Versorgung hat, Gell. Bessere er wird sich nicht eher - als bis er eine u. s. f. Sehr oft aber behalten zwey solche verneinende Sätze ihre eigentliche verneinende Bedeutung. Ich hätte es nicht gewußt, wenn man mir es nicht gesagt hätte. Ich hätte nichts davon gewußt u. s. f. Es hätte niemand etwas davon gewußt, wenn er es nicht selbst gesagt hätte. Oft wird dieses Wort in Verbindung mit andern Partikeln gebraucht, ohne eben seine eigentliche verneinende Bedeutung merklich zu verändern. Es ist nicht anders, es verhält sich so. Es kann nun einmahl nicht anders seyn, nicht geändert werden. Nicht anders als, gerade so. Er that nicht anders, als ob er noch Recht hätte. Ersparen sie mir ein Bekenntniß, welches mir nicht anders als schwer ankommen wird, nothwendig schwer ankommen wird. Wo nicht, wenn nicht, daß nicht, damit nicht, machen Arten von Verbindungswörtern. Thue es, wo nicht, so werde ich böse, d. i. wo oder wenn du es nicht thust. Welche denn auch getrennet werden können. Wenn er nicht kommen sollte. Daß (besser damit) es uns künftig an nichts fehle. Besonders das nicht allein - sondern auch, oder nicht nur - sondern auch. Nicht allein er, sondern auch wir. Wo gleichfalls oft eine Trennung Statt findet, besonders wenn das allein auf ein Nenn- oder Fürwort gehet, nicht er allein, sondern auch wir; und statt des sondern auch auch zuweilen andere Partikeln gebraucht werden können. Star ist nicht allein blödsinnig, er ist auch noch boshaft. 2. In manchen Arten von Fragen scheinet das nicht eine bejahende Bedeutung zu haben, oder vielmehr bloß zur Einkleidung der Frage zu dienen. Ists nicht wahr? Warum nicht gar? Eine ironische Art der Frage. Besonders, wenn eine Verwunderung, oder ein Ausruf in eine Frage eingekleidet ist. Wie ruhig würde ich jetzt nicht einschlafen, wenn u. s. f. Wie schlau ein alter Kaufmann nicht ist! Less. Welche unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern! Gell. Wie reitzend wird die Freundschaft nicht, wenn sie sich zugleich auf Natur und Tugend gründet! Ebend. Ach, was für ein vortrefflicher Mann er nicht ist! Ach, wie matt bin ich nicht! Wie gut werden sie nicht mit ihm auskommen! Gell. Wie spielt die schöne Blase nicht So bunt am goldnen Sonnenlicht! Weiße. Wo sich das nicht zuweilen durch doch ersetzen lässet, zuweilen aber auch völlig wegbleiben kann, und in der anständigen Schreibart oft wegbleiben muß. Ach, wie matt bin ich! Anm. Diese Verneinung lautet bey dem Ulphilas nithan, bey dem Notker nieht, bey dem Willeram nieth, in der Schweiz nüt, in den gemeinen Mundarten Ober- und Nieder-Deutschlandes nit, oder nich, im Nieders. nig, nich, im Angels. nice, nocht, in Boxhorns Glossen niga, im Engl. not, bey den Krainerischen Wenden nekar. Sie scheinet von der alten noch im gemeinen Leben für nein üblichen Verneinung ne, und icht, oder wicht, Wicht, etwas, zusammen gesetzet zu seyn. Das einfache ni kommt für nicht noch beständig im Isidor, bey dem Kero und bey dem Ottfried vor. Kero gebraucht statt desselben noch eine andere Zusammensetzung nalles, wo die letzte Hälfte unser all zu seyn scheinet. Nalles einin, ist bey ihm nicht allein. In Zusammensetzungen ist diese Verneinung nur in einigen Fällen üblich. 1) Im gemeinen Leben, wo man es hinten an Imperative anzuhängen pflegt, Personen zu bezeichnen, welche das gewöhnlicher Weise nicht sind, was das Zeitwort besaget. Er ist ein Taugenicht, oder Taugenichts, er taugt nichts, ein Willnicht, der niemahls will, ein Gebenicht, der nicht gern gibt u. s. f. wo man denn wohl gar ganze R. A. auf diese Art zusammen ziehet; ein Thunichtgut. 2) In der wissenschaftlichen Schreibart, wo man dieses Wort den Infinitiven vorzusetzen pflegt, wenn sie als Hauptwörter stehen und den Gegensatz des Zeitwortes, oder vielmehr nur die Unterlassung der in dem Zeitworte liegenden Handlung bezeichnen sollen, weil solche Infinitive nicht mit un - zusammen gesetzet werden können. Das Wollen und Nichtwollen. Im Falle der Nichtzahlung. Das Nichtthun, Nichtwissen u. s. f. S. einige dieser Wörter im folgenden an ihrem Orte.


Nichtachtung (W3) [Adelung]


Die Nichtachtung, plur. inus. Die Unterlassung der Achtung, der Mangel der Achtung, welcher von der Verachtung noch unterschieden ist.


Nichte (W3) [Adelung]


Die Nichte, plur. die -n, Diminut. das Nichtchen, Oberd. Nichtlein, Nichtel, ein Wort, welches das Fämininum von Neffe ist, des Bruders aber der Schwester Tochter, ingleichen des Sohnes oder der Tochter Tochter zu bezeichnen. Es ist im Hochdeutschen in der anständigen Schreib- und Sprechart am üblichsten, im Oberdeutschen aber auch im gemeinen Leben gangbar. Es stehet für Nifte, im Diminut. Niftel, welches Wort noch nicht ganz veraltet ist, oder ist auch mit Neffe und Nifte unmittelbar aus nahe gebildet, und kommt mit dem Angels. Nift und Lat. Neptis genau überein. ( S. Niftelgerade und Neffe.) Mit Auslassung des Hauchlautes ist im Schwed. Nid, bey dem Ulphilas Nithja, ein Verwandter überhaupt, im Finnländ. nuode, verwandt, und im Wallisischen Nith, eine Nichte, alle von nahe.


Nichtig (W3) [Adelung]


Nichtig, -er, -ste, adj. et adv. Welches von dem veralteten Hauptworte Nicht ( S. 2. Nicht) abstammet und nur noch in einigen Fällen üblich ist. 1) Keine Kraft, keine Gültigkeit habend. Ein nichtiges Versprechen, ein ungültiges. Eine nichtige Entschuldigung. Das sind nichtige Ausflüchte. Etwas null und nichtig machen, völlig unkräftig. Dein Vorsatz mußte nichtig seyn, Opitz Ps. 118, 6. 2) Keinen Werth, keine Realität habend, eitel. Nichtige Anschläge. Ein nichtiges Geschwätz. Ein Holz muß ja ein nichtiger Gottesdienst seyn, Jerem. 10, 8. Unsere Väter haben falsche und nichtige Götter gehabt, Kav. 16, 19. Noch gaffeten unsere Augen auf die nichtige Hülfe, Klagel. 4, 17. Ich aber will in nichtigen Versuchen Nicht solcher Männer theure Leben wagen, Schleg. 3) Keine Dauer habend, vergänglich. Der nichtige Leib, Phil. 3, 21. Ach wie nichtig, ach wie flüchtig u. s. f.


Nichtigkeit (W3) [Adelung]


Die Nichtigkeit, plur. inus. Der Zustand, die Eigenschaft eines Dinges da es nichtig ist, in allen Bedeutungen dieses Wortes. Die Nichtigkeit eines Vertrages, eines Versprechens, dessen Ungültigkeit, Nullität. Die Nichtigkeit der guten Werke, des menschlichen Lebens u. s. f. Wenn, es wie zuweilen geschiehet; als ein Concretum von nichtigen Dingen gebraucht wird, so leidet es auch den Plural.


Nichts (W3) [Adelung]


Nichts, adv. welches nur allein von Sachen üblich ist, und dem etwas entgegen gesetzet wird, ein Ding zu bezeichnen, welches nicht vorhanden ist. 1. Im schärfsten, engsten philosophischen Verstande, wo nur dasjenige nichts ist, was nicht nur nicht vorhanden ist, sondern auch nicht vorhanden seyn kann, nicht möglich ist; Nihilum negativum. In diesem Verstande sagt man, nichts könne nicht etwas werden, oder aus nichts könne etwas werden. Wo es denn auch in Gestalt eines Hauptwortes vorkommt, das Nichts, ein Nichts. 2. In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung ist nichts nur dasjenige, was nicht vorhanden ist, nicht existiret, aber doch existiren oder wirklich werden kann, folglich möglich ist; Nihilum privativum. Besser etwas als nichts. Ich habe nichts. Er hatte nichts gesehen, nichts gehöret. Ich weiß nichts davon. Durchaus nichts, ganz und gar nichts, schlechterdings nichts. Es wird nichts aus der Sache, sie kommt nicht zu Stande. Mein Leben ist wie nichts vor dir, Ps. 39, 6. Wenn es weiter nichts ist. Nichts sollte dich mehr rühren als dieses. Es ist nichts an der Sache, sie ist ungegründet; ingleichen, sie hat keinen Werth. Er ist nichts besser, um nichts besser. Gott schuf die Welt aus nichts, er brachte Dinge hervor, welche vorher nicht da waren. Aus nichts wird nichts, wo seine wirkende Ursache vorhanden ist, da kann auch keine Wirkung erfolgen, ingleichen, ein nicht vorhandenes Ding kann nicht den Grund wirklicher Dinge enthalten. Mit nichts anfangen, bey seinem Anfange nichts haben. Er wußte sich mit nichts, als mit seiner guten Absicht zu entschuldigen. Ich weiß von nichts. Zu nichts werden, nicht bloß aufhören zu seyn, sondern auch allen Theilen nach aufhören zu seyn, vernichtet werden. Wo es zuweilen auch Beywörtern, wenn sie als Hauptwörter stehen, zugesellet werden kann. Es ist nichts Gutes an ihm. Ich mag mit nichts Ungerechten zu thun haben. Noch häufiger wird es als ein unabänderliches Hauptwort gebraucht, ein nicht vorhandenes Ding zu bezeichnen. Das Nichts, ein Nichts. Ingleichen den Stand des nicht Daseyns. Falle ich nach dem Tode wieder in mein erstes Nichts zurück? Ferner das Mögliche, im Gegensatze des Wirklichen, besonders bey den neuen Dichtern. Befruchtet mit der Kraft des wesenreichen Wortes Gebiert das alte Nichts, Hall. Ein Schöpfer, der allmächtig das Nichts gebären hieß, Dusch. Nichts desto weniger, oder nichts desto minder werden häufig als entgegen setzende Verbindungs-Formeln gebraucht. Im gemeinen Leben ist es sehr gewöhnlich, diesem Adverbio zur Verstärkung der Verneinung das nicht nach schleichen zu lassen, welches sich auch wohl gute Schriftsteller mancher Gegenden zu Schulden kommen lassen. Nichts nicht, für nichts. Habt ihr nichts eignes nicht? Opitz. Um nichts nicht zu gewinnen, Lebenst. Wenn der nichts nicht fühlt, ebend. ( S. 3 Nichts.) In der reinen Schreibart ist dieses eben so fehlerhaft, als wenn man einem vorher gegangenen verneinenden Worte noch zur Verstärkung das nichts nachschickt. Wird denn nimmermehr nichts aus dir? Raben. 3. Figürlich, wo es nach einer sehr gewöhnlichen Vergrößerung haufig für wenig, sehr wenig gebraucht wird. So sagt man von einem Menschen im gemeinen Leben, er habe nichts, er könne nichts, er tauge nichts, wenn er wenig Vermögen hat, wenig kann, oder wenig taugt. Da es denn nach einer noch weitern Figur auch für unerheblich, unwichtig, unvermögend gebraucht wird. Wie gar nichts sind alle Menschen! Ps. 39, 12. Alle Menschen sind doch ja nichts, Ps. 62, 10. Der Heiden Götter sind lauter nichts, Jerem. 10, 3, haben kein Leben, kein göttliches Wesen. Das heißt nichts gesagt, nichts das zur Sache dienet. So auch in Gestalt eines Hauptwortes. Je mehr wir die Unzulänglichkeit oder das Nichts unsrer Kräfte einsehen u. s. f. Gell. Ingleichen, obgleich seltener, von einer unbedeutenden, unerheblichen Person. So viele Nichts sind durch den gütigen Einfluß des Goldes zu Etwas geworden. Anm. Im Isidor neouuihd nist, bey dem Willeram nieuuetes, im Schwabenspiegel und noch jetzt in einigen Oberdeutschen Gegenden nihtzit, nützit, bey den Schwäbischen Dichtern nuitzit, nuite, in den gemeinen Hoch- und Oberdeutschen Mundarten nischt, im Nieders. niks, im Angels. nowhit, nowit, im Böhm. Und Pohln. nic, bey den Krainerischen Wenden nas und nezh, im Dän. und Schwed. intet. Es scheinet aus nicht was oder nicht es zusammen gesetzet zu seyn. Kero und Ottfried gebrauchen noch nicht dafür oder vollständiger nach ihrer Aussprache und Schreibart neouueht, niauuiht. Manche Sprachlehrer rechnen es zu den Pronominibus, von welchen es doch nicht das mindeste an sich hat.


Nichtseyn (W3) [Adelung]


Das Nichtseyn, des -s, plur. car. In der wissenschaftlichen Schreibart, der Mangel des Daseyns oder des Seyns, im Gegensatze des Seyns oder Daseyns.


Nichtsnützig (W3) [Adelung]


+ Nichtsnützig, -er, -ste, adj. et adv. welches nur in der gemeinen Sprechart üblich und aus der R. A. zu nichts nütze zusammen gezogen ist. Ein nichtsnütziger Mensch, der zu nichts zu gebrauchen ist, nichts taugt. So auch die Nichtsnützigkeit.


Nichtswürdig (W3) [Adelung]


Nichtswürdig, -er, -ste, adj. et adv. keine Würde, keinen Werth habend, auch in der anständigen Schreibart. Eine nichtswürdige Sache. Nichtswürdiges Geld. Nichtswürdige Dinge. Ingleichen keinen moralischen Werth habend. Ein nichtswürdiger Mensch, ein im hohen Grade lasterhafter Mensch. Sein Vermögen an Nichtswürdige verwenden.


Nichtswürdigkeit (W3) [Adelung]


Die Nichtswürdigkeit, plur. die -en, die Eigenschaft einer Person oder Sache, da sie nichtswürdig ist; ohne Plural. Ingleichen eine nichtswürdige Sache; mit demselben.


Nichtwollen (W3) [Adelung]


Das Nichtwollen, des -s, plur. car. in der wissenschaftlichen Schreibart, der Mangel des Wollens, die Abwesenheit des Willens; im Gegensatze des Wollens.


Nick (W3) [Adelung]


Das Nick, S. Genick.


Nickawitz (W3) [Adelung]


Der Nickawitz, S. Nikawitz.


Nickel (W3) [Adelung]


1. Nickel, Genit. Nickels, der nur in den niedrigen Sprecharten einiger Gegenden übliche verkürzte männliche Taufnahme Nikolaus, welcher gemeiniglich von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, der Sieg, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Volk, abgeleitet wird. Der Nickel, der Nikolaus. Andere Mundarten verkürzen diesen Nahmen vorn, da denn Klaus, Claus oder Klas daraus wird.


Nickel (W3) [Adelung]


2. Der Nickel, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, ut nom. sing. ein nur im Berg- und Hüttenbaue übliches Wort, eine arsenikalische Erzart zu bezeichnen, welche von einigen für ein eigenes Halbmetall gehalten wird; bey den neuern Lat. Nicolum, Niccolum. Sie ist dem Kobalte sehr ähnlich, außer, daß bey diesem die Auflösung in mineralischen Säuren röthlich, bey dem Nickel aber grün ist, welche Farbe der Nickel auch in der Verkalkung annimmt, dagegen der Kobalt im Flusse blau wird. ( S. der Kupfernickel.) Die Abstammung ist ungewiß. Es kann seyn, daß es aus Arsenik mit Weglassung der ersten Sylben verkürzet und verderbt worden, so wie aus Nikolaus auf ähnliche Art Klaus wird. Es kann aber auch seyn, daß es Masse überhaupt, und eine vermischte Masse ins besondere bedeutet da es denn von nahe, Nagel, Knocke, und andern dieses Geschlechtes, welche eine Verbindung andeuten, abstammen würde. Im Schwed. ist daher Nyckel ein Nagel, und Nek, Finnländ. Niculi, eine Garbe. S. auch Nagelflühe.


Nickel (W3) [Adelung]


3. * Der Nickel, des -s, plur. ut nom. sing. ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, z. B. in der Schweiz, übliches Wort, wo es, dem Frisch zu Folge, einen Hohlkreisel bedeutet. In diesem Verstande kommt es ohne Zweifel von nicken, neigen, her, so fern es ehedem auch stoßen bedeutete. Im Schwed. ist daher Nick ein Stoß, und im Finnländ. nyhja ich stoße. Mathesius nennt einen Nasenstüber einen Sternickel, gleichsam Stirn- nickel. Die Endsylbe ist hier, so wie in den folgenden, die Ableitungssylbe -el, welche so wohl ein Werkzeug, als auch ein Subject bedeutet.


Nickel (W3) [Adelung]


4. Der Nickel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. Das Nickelchen, Oberd. Nickelein, ein gleichfalls nur in den gemeinen Sprecharten einiger Gegenden, z. B. Frankens und Niedersachsens, übliches Wort, ein kleines Pferd, ein Pferd von geringer Größe, zu bezeichnen, Nieders. Nickel, Engl. Nag, Holländ. Negge, im mittlern Lat. Naccus, in den Baierischen Gesetzen Gnacco, Angargnacco, ein schlechtes Ackerpferd, Karrengaul; alle in der Bedeutung eines kleinen Pferdes. Wachter, Frisch und andere lassen es in dieser Bedeutung von dem Angels. hnaeigen, Engl. to neigh, wiehern, abstammen. Alsdann würde es eigentlich ein allgemeines Nennwort eines jeden Pferdes seyn, weil doch die kleinen Pferde wohl nicht mehr wiehern als die großen, und da das N zu Anfange der Wörter oft sehr zufällig ist, so könnte auch das Lat. Equus dahin gerechnet werden. Allein, man findet Spuren genug, daß nak ehedem klein, und Nickel ein kleines Ding überhaupt bedeutet hat, da es denn ein Abkömmling von neigen, nicken ist. In der Rothwälschen Diebessprache ist Grunickel und Strohnickel ein Schwein, Hornickel ein Ochs u. s. f. wo es aber wieder zu einem andern Stamme zu gehören scheinet. So auch Pumpernickel.


Nickel (W3) [Adelung]


5. + Der Nickel, des -s, plur. ut nom. sing. in den niedrigen Sprecharten, ein liederliches, nichtswürdiges Weibesbild im verächtlichen Verstande zu bezeichnen, so wohl in Absicht der Unreinlichkeit des Leibes, als auch der Sitten. Es ist ein Nickel. Ein Commiß-Nickel, eine niederträchtige Soldatenhure, ein Schandnickel, ein schändlicher Nickel, Saunickel, Schweinnickel u. s. f. welche insgesammt in die niedrigen Sprecharten gehören. Die Abstammung ist ungewiß. Frisch lässet es eine Figur des vorigen Wortes seyn, welches sich in so fern vertheidigen ließe, so fern klein, niedrig, figürlich auch für nichtswürdig gebraucht wird. Joh. Ge. von Eckhard leitete es von Nichte, Neptis, ab, und glaubte, weil die Geistlichen in den mittlern Zeiten ihre Beyschläferinnen für ihre Nichten ausgegeben, so hätte man nachmahls eine jede verächtliche Weibesperson eine Nichte, und verderbt einen Nickel genannt. Allein wider diese Ableitung streitet unter andern Gründen auch die hohe Verachtung, welche diesem Worte anklebet, zu welcher in Nichte kein Grund vorhanden ist. Schon im mittlern Lat. ist bey dem Papias und Isidors Glossen Enica eine Ehebrecherinn, welches Wort Du Fresne und seine Nachfolger nicht zu erklären wissen, ungeachtet es allem Ansehen nach hierher gehöret.


Nickelkönig (W3) [Adelung]


Der Nickelkönig, des -es, plur. die -e, im Hüttenbaue, ein König, oder eine metallische Masse, welche man erhält, wenn man den Säuren aufgelöseten Kupfernickel abdunsten lässet, und die metallischen Theile wieder herstellet. S. 2. Nickel.


Nickelocher (W3) [Adelung]


Der Nickelocher, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. eben daselbst, Nickel oder Kupfernickel in Gestalt eines Ochers, oder grünen Kalkes; Ochra Nicoli.


Nickel-Vitriol (W3) [Adelung]


Der Nickel-Vitriol, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, ein schöner grüner Vitriol, welcher sich aus dem verwitterten Kupfernickel laugen lässet.


Nicken (W3) [Adelung]


Nicken, verb. Neutr. Welches das Hülfswort haben erfordert, und das Frequentativum oder Intensivum von neigen ist. Es wird nur noch in engerer Bedeutung von dem mehrmahligen Neigen mit dem Haupte und den Augen gebraucht. Mit den Augen nicken, durch Niederschlagung der Augenlieder einem andern ein Zeichen geben. Jemanden Beyfall zunicken, ihm auf solche Art seinen Beyfall zu erkennen geben. Wenn man sitzend schläft, so pflegt man mit dem Kopfe zu nicken, welche Art des Nickens im Oberdeutschen naffezen, nafzen, nätzen, netzen genannt wird, Angels. nappian. Daher einnicken auf solche Art einschlummern. Mit dem Kopfe nicken, durch Niederbeugung des Kopfes ein Zeichen geben. Einem nicken, ihm zunicken, im Baierischen knaupen, mit nafzen von einem ähnlichen gemeinschaftlichen Stamme, bey dem Altensteig nutten, gnutten, nutare. Daher das Nicken.

Anm. Im Nieders. Nicken, nickkoppen, im Hannöv. snicken, im Dän. nikke, im Schwed. nicka, alle von neigen, so wie das Latein, nictare, und nutare von nuere, Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - herstammen. Schon Kero gebraucht kehneicken für neigen, so wie unser knicken besonders von dem Neigen der Knie im Gehen gebraucht wird. Das Hauptwort der Nick, ein Wink mit dem Kopfe oder Augen, ist noch hin und wieder im gemeinen Leben üblich.


Nickert (W3) [Adelung]


Der Nickert, S. Nir.


Nickfang (W3) [Adelung]


Der Nickfang, S. Genickfang.


Nicolaus (W3) [Adelung]


Nicolaus, S. Nikolaus.


Nie (W3) [Adelung]


Nie, ein verneinendes Nebenwort der Zeit, zu keiner Zeit, niemahls, im Gegensatze des je; so wohl von einer vergangenen als künftigen Zeit. Ich habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen, Ps. 37, 25. Es ist mir nie in den Sinn kommen, Jer. 32, 35. Es wird eine solche Trübsal seyn, als nie gewesen ist, Matth. 24, 21. Es soll nie wieder geschehen. Besser spät als nie. Nie sey die Kränklichkeit des Kindes eine Ursache zur Nachsicht gegen seine bösen Neigungen, Gell. So schon kann nie Die Flur im Lenze prangen, Weiße. Das mehr denn nie für mehr als jemahls ist eine Blume aus den Oberdeutschen Kanzelleyen. Ein so heilsamer und mehr denn nie unentbehrlicher Endzweck. Der Zeit (jetzt) mehr denn nie vorwaltende Umstände. Die Verdoppelung der Verneinung ist auch hier ein Fehler. Habt ihr auch je einen Mangel gehabt? Sie sprachen: nie keinen, Luc. 22, 35, für nie einen. Es hat nie kein Mensch also geredet, Joh. 7, 46, und in andern Stellen mehr. S. auch 3 Nicht, Nichts und Kein.,

Anm. Es ist allem Ansehen nach aus der alten Verneinung ni und je oder ie zusammen gesetzet, so wie nein aus ni und ein, und nicht aus ni und icht. In dem Lat. nunquam ist eine ähnliche Zusammensetzung. S. auch Niemahls, Niemand, Nimmer und Nirgend.


Niedel (W3) [Adelung]


* Der Niedel, des -s, plur. inus. ein nur in einigen Oberdeutschen Gegenden, besonders in der Schweiz übliches Wort, die Sahne, den Milchrahm, zu bezeichnen. Daher das Niedelbrot daselbst ein in heißen Niedel oder Milchrahm geschnittenes oder gekrumtes Brot ist, eine Suppe von gekochtem Milchrahme und eingebrocktem Brote. Frisch lässet es von dem Lat. Nidor und Nitor abstammen; allein es gehöret mit mehrerm Rechte entweder zu niedlich, oder unmittelbar zu nießen, ehedem nieten, genießen, Nudel u. s. f. S. diese Wörter.


Nieden (W3) [Adelung]


Nieden, ein Nebenwort des Ortes, für unten, welches für sich allein im Hochdeutschen völlig veraltet ist. Nach nieden zu, nach unten zu, im Nieders. Da nyden, Theuerd. dort unten. So legt er niden auf der erd, ebend. Es läutert sich nieden die Erde, Herd. Man gebraucht es nur noch zuweilen in der höhern poetischen Schreibart in Verbindung mit dem hier; hier nieden, hie nieden, hier unten, und figürlich, auf unsrer Erde, im Gegensatze des dort oben oder des Himmels, wo es denn auch wohl zusammen gezogen wird, hiernieden, hienieden. Siehe wie vergänglich alle Übel hiernieden sind. Die, die sich ihrer Laster freun, Trifft die kein Schmerz hienieden? Gell. Lied.

Anm. Schon bey dem Ottfried hiar nidana, obano io nidana, in den alten Gedichte auf den heil. Anno hinidine, im Nieders. nedden, benedden, im. Dän. neden, im Schwed. nedan, im Angels. neothan. Es ist aus nied, dem Stamme des folgenden nieder, und der adverbischen Endung -en, zusammen gesetzt, welche auch in oben, unten, vornen, hinten, gegen u. s. f. befindlich ist. S. das folgende.


Nieder (W3) [Adelung]


Nieder, -er, -ste, adj. et adv. dem Mittelpuncte der Erde näher als ein anderes Ding, im Gegensatze des oder und hoch. Es wird auf doppelte Art gebraucht. I. Als ein Beywort. 1. Eigentlich, wo im Hochdeutschen niedrig statt dessen üblicher ist; doch kommt es noch im Oberdeutschen, und zuweilen auch in der höhern Schreibart der Hochdeutschen vor. Eine niedere Bank, eine niedrige. Ein niedres Haus, ein niedres Land. Ein Hügel ist niedrer als ein Berg. Sich der Armuth rechtschaffener Verwandten, und der niedern Stufe schämen, auf der sie stehen, ist nicht bloß Stolz, es ist zugleich Grausamkeit, Gell. Ich wohne sicher in meiner niedern Hütte, Geßn. Eben so haben wir es noch in den Zusammensetzungen Niederland, Nieder-Deutschland, Nieder-Sachsen, Nieder-Ungarn, alle im Gegensatze der höher gelegenen Theile dieser Länder, welche alsdann das Ober- vor sich nehmen. S. auch Niederbort, Niederholder, Niederholz u. s. f. wo die erste Hälfte dieses Beywort ist. Die Endsylbe -er hat viele Sprachlehrer verführet, dieses Wort für einen Comparativ zu halten, welchem die erste und dritte Staffel fehlet, dagegen andere es für die erste Staffel halten, und ihn die zweyte und dritte absprechen. Beyde irren. Daß es kein Comparativ ist, erhellet unter andern aus dem Superlativ, niederste, der alsdann kein r haben könnte, so wie man von größer nicht größerste, sondern größeste, größte sagt. Wir haben mehrere Beywörter auf - er, wie bitter, tapfer, sauer, sauber, finster, lauter u. s. f. ferner, äußere, inner, hinter, vorder, ober u. s. f. welche letztern gleichfalls irrig für Comparative gehalten worden, vermuthlich, weil sie als Nebenwörter nicht üblich sind, indem sie, so wie nieder, eigene Nebenwörter auf -en haben. Daß aber nieder wirklich die zweyte und dritte Staffel habe, erhellet nicht nur aus der Natur der Sache, sondern auch aus dem Ober- und Niederdeutschen, wo beyde häufig genug vorkommen, und der Superlativ ist auch in der höhern Schreibart der Hochdeutschen nicht selten. 2. Figürlich, der Würde nach, geringe, im Gegensatze des hoch, wo es auch im Hochdeutschen üblicher ist. 1) Die niedere Jagd, wohin das geringe oder unedle Wildbret gerechnet wird, im Gegensatze der hohen Jagd. Die niedere Gerichtbarkeit, die niedern Gerichte oder Niedergerichte, Untergerichte, im Gegensatze der hohen Gerichtbarkeit. Die niedern Schulen, die hohe und niedere Geistlichkeit, die hohen und niedern Staatsbedienten, Kriegsbefehlshaber u. s. f. In welchen Fällen man das Wort niedrig wohl nicht leicht gebraucht. In Sachsen sind verschiedene Vasallen auf niedere Metalle, als Zinn, Eisen u. s. f. beliehen. Ingleichen als ein Hauptwort, ein Niederer, die Niedern, dem Stande, der äußern Würde nach geringe Personen. Der Nidern nimt si keine war, sie achtet der Niedern nicht, die Winsbeckinn. Auf sich den Haß der Niedern laden, Gell. 2) Im moralischen Verstande, in Ansehung der sittlichen Würde, wo es in der höhern Schreibart, noch mehr als niedrig, ein glimpflicher Ausdruck für das härtere niederträchtig ist, seiner Vorzüge mit Vorsatz uneingedenk und darin gegründet. Niedere Verleumder. Ein niederer Eigennutz. Der niedere Stolz. Der Feige sucht sich nur durch niedre Flucht zu retten, Weiße. Als ein Nebenwort wird dieses ganze Beywort nicht gebraucht, weil im Hochdeutschen statt dessen niedrig, im Oberdeutschen aber in manchen Fällen auch nieden üblich ist. Ehedem kannte man es gar wohl, Vuas iro kraft zi nidiri, war ihre Kraft zu schwach, Ottfried. II. Als ein Nebenwort, oder vielmehr als ein Vorwort, welches ehedem die vierte, bey den ältern Schriftstellern auch wohl die dritte Endung erforderte, aber jetzt außer der Zusammensetzung mit Zeitwörtern und den davon abstammenden Nennwörtern völlig veraltet ist. Ein Überbleibsel davon ist noch in der R. A. übrig, die Stube, den Garten u. s. f. auf und nieder laufen, wo es doch wohl nicht zunächst zu dem Zeitworte gehöret. Danieder und hernieder sind gleichfalls Überreste dieses ehemahligen Vorwortes. Nider imo, unter ihm, in den Monseeischen Glossen. Als ein Vorwort wird es daher auch mit den Zeitwörtern, welchen es beygefüget wird, zusammen gezogen, ob es gleich übrigens zu den trennbaren Partikeln gehöret. Es kann mit allen Zeitwörtern zusammen gesetzet werden, welche eine Bewegung oder eigentliche Handlung bezeichnen, und bedeutet alsdann, daß diese Bewegung nach unten zu, nach der Oberfläche der Erde zu gerichtet ist. Die Zusammensetzungen dieser Art, gehören mit zu den ältesten in der Deutschen Sprache, indem sie schon im Kero vorkommen. Die Niederdeutschen pflegen diejenigen Zeitwörter, welche die Hochdeutschen mit diesem Worte bilden, gern mit daal zu machen; daalfallen, niederfallen, daalflaan, niederschlagen. S. Thal.

Anm. Beydem Ottfried nidar, bey dem Notker nider, im Nieders. nedder, zusammen gezogen neer, Comparat. nedderer, Superl. nedderste, im Angels. neothor, im Engl. nether, im Schwed. neder, im Isländ. nedar. Es stammet vermittelst der Ableitungssylbe -er von dem im Hochdeutschen völlig veralteten Bey- und Vorworte nied her, welches noch in der Schweiz gangbar ist, wo es unten und unter bedeutet. Ob sich und nied sich ist in der Schweiz über sich und unter sich, vorwärts und hinterwärts. Der Thurm soll nid sich so tief, als hoch seyn. Bluntschli, d. i. unten in der Erde. Dieses einfache nied, welches ohne Zweifel zu neigen und nahen gehöret, ist auch noch in andern Sprachen vorhanden, wie in dem Dän. ned, in dem Schwed. ned, in dem Angels. neoth, und in dem Engl. beneath. Das hohe Alter dieser Partikel erhellet aus dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welche bey den letzten dem zusammen gezogenen Niedersächs. neer nahe kommen. S. auch die Niedere und Niedrig.


Niederbeugen (W3) [Adelung]


Niederbeugen, verb. reg. act. nach der Oberfläche der Erde zu beugen, im Oberdeutschen und der anständigen Sprechart der Hochdeutschen, wofür bey den letztern in dem gemeinen Sprachgebrauche niederbiegen üblich ist. S. Niederbücken.


Niederbort (W3) [Adelung]


Der Niederbort, des -es, plur. die -e, in der Schifffahrt, eigentlich ein niederer oder niedriger Bort eines Schiffes. Figürlich und im gewöhnlichsten Verstande, ein Schiff mit einem niedern Borte; im Gegensatze eines Hochbortes. Ein jedes Schiff, welches nur allein Ruder hat; oder doch nebst den Segeln auch Ruder gebraucht, ist ein Niederbort, wohin folglich auch alle Galeeren, Brigantinen u. s. f. gehören.


Niederbrechen (W3) [Adelung]


Niederbrechen, verb. irreg. act. ( S. Brechen,) bis auf die Oberfläche der Erde, oder doch beynahe bis auf dieselbe, abbrechen. Ein Haus niederbrechen, es abbrechen, im Niedersächs. daalbreken.


Niederbrennen (W3) [Adelung]


Niederbrennen, verb. irreg. ( S. Brennen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, verbrennen und dadurch der horizontalen Fläche gleich werden. Das Haus ist ganz niedergebrannt, bis auf den Grund abgebrannt. Das Holz im Ofen ist noch nicht niedergebrannt. 2) Als ein Activum, wo es billig regelmäßig abgewandelt werden sollte, durch ein solches Verbrennen zerstören. Die Feinde haben die Stadt, das Dorf niedergebrannt, oder niedergebrennet.


Niederbringen (W3) [Adelung]


Niederbringen, verb. irreg. act. ( S. Bringen,) auf die horizontale Fläche, auf die Oberfläche der Erde bringen, durch angewandte Kraft zur Erde bringen. Daher die Niederbringung.


Niederbücken (W3) [Adelung]


Niederbücken, verb. reg. reciproc. sich niederbücken, sich zur Erde, oder bis auf die Erde bücken, in der edlern Schreibart sich niederbeugen. Israel bückte sich nieder auf die Erde, 1. Mos. 18, 2. Daher das Niederbücken.


Niederdeutsch (W3) [Adelung]


Niederdeutsch, adj. et adv. in dem niedriger gelegenen Theile Deutschlandes einheimisch, darin gegründet; im Gegensatze des Oberdeutsch. Ein Niederdeutscher, ein Einwohner dieses Theiles von Deutschland, im Gegensatze eines Oberdeutschen. Die Niederdeutsche Sprache oder Mundart, welche in diesem Theile von Deutschland gesprochen wird, und wohin nicht nur die Niedersächsische, sondern auch die Holländische, Friesische, Hollsteinische u. a. Mundarten gehören. S. Hochdeutsch.


Niederdeutschland,Nieder-Deutschland (W3) [Adelung]


Niederdeutschland, oder Nieder-Deutschland, Gen. Niederdeutschlandes, plur. car. der nördliche und niedriger gelegene Theil von Deutschland, welcher in weiterer Bedeutung auch die vereinigten Niederländischen Provinzen, in engerer nur Westphalen und ganz Sachsen, in der engsten aber nur Westphalen, Niedersachsen, und den an der Ostsee gelegenen Theil von Obersachsen in sich begreift. S. Oberdeutschland, welches demselben entgegen gesetzet ist.


Niederdrücken (W3) [Adelung]


Niederdrücken, im Oberdeutschen und der höhern Schreibart der Hochdeutschen niederdrucken, verb. reg. act. nach der Oberfläche der Erde zu, nach der horizontalen Fläche zu drücken, durch Drücken niedriger zu machen suchen. 1. Eigentlich. Jemanden, welcher sich aufzustehen bemühet, niederdrücken. 2. Figürlich. 1) Für unterdrücken oder unterdrucken. Oft drückt ein schlechter Anzug alle Verdienste nieder. In der Deutschen Bibel kommt es in diesem Verstande mehrmahls vor, wie Ps. 10, 10; Ps. 57, 7; Ps. 107, 39; Ps. 119, 78. 2) Für niederschlagen, in dessen figürlichen Verstande, muthlos machen. Ein von Kummer niedergedrückter Mensch. So auch die Niederdrückung und Niederdruckung.


Niedere (W3) [Adelung]


Die Niedere, plur. die -n, das Hauptwort von dem Beyworte nieder, eine niedrig gelegene Gegend zu bezeichnen, im Gegensatze des Gebirges, so wie das Thal dem Berge, die Tiefe aber der Höhe entgegen gesetzet ist. Indessen ist das Wort Niedere doch im Hochdeutschen nur wenig gangbar; üblicher ist es im Oberdeutschen. In einigen Gegenden, selbst Meißens, hat man auch das Hauptwort Niederung, wo es nicht bloß dem Gebirge entgegen gesetzet wird, sondern auch die niedriger gelegenen Gegenden an den Flüssen, ingleichen niedriger gelegene Theile des Feldes bedeutet, im Gegensatze der höhern; im Nieders. die Sinke, Senke. Mit der den Niederdeutschen so gewöhnlichen Ausstoßung des d wird aus der Niederung die Nehrung, welches Wort in Preußen von niedrigen an der See gelegenen Gegenden gebraucht wird.


Niederfahren (W3) [Adelung]


Niederfahren, verb. irreg. ( S. Fahren,) welches in einer doppelten Gestalt gebraucht wird. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, aus der Höhe senkrecht niederwärts fahren. Christus ist niederfahren zur Hölle. Ich sahe einen Engel niederfahren vom Himmel, Offenb. 18, 1. In welchem Verstande auch das Hauptwort die Niederfahrt gefunden wird. Die Niederfahrt Christi zur Hölle, die Höllenfahrt. 2) Als ein Activum, durch Fahren niederdrucken, zu Boden werfen, der Erd- fläche gleich machen. Alles Getreide niederfahren. Ein Kind niederfahren, umfahren.


Niederfallen (W3) [Adelung]


Niederfallen, verb. irreg. neutr. ( S. Fallen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, zu Boden fallen, auf die Erde fallen, besonders von lebendigen Geschöpfen. Unter der Last niederfallen, zu Boden. Ingleichen sich aus Ehrfurcht auf die Erde werfen, oft auch für niederknien, bey dem Ottfried nidarfialen. Da seine Brüder kamen, fielen sie vor ihm nieder auf ihr Antlitz zur Erde, 1 Mos. 42, 6. Lasset uns anbeten und knien und niederfallen vor dem Herrn, Ps. 96, 6. Auf die Knie vor einem niederfallen. Bey den Jägern fällt das Feldgeflügel nieder, wenn es sich setzet, nachdem es aufgetrieben worden. Daher das Niederfallen. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist niederfällig für sachfällig üblich; niederfällig werden, den Prozeß verlieren.


Niederfliegen (W3) [Adelung]


Niederfliegen, verb. irreg. neutr. ( S. Fliegen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, niederwärts fliegen, von oben nach der Tiefe, und in die Tiefe fliegen.


Niederfolge (W3) [Adelung]


Die Niederfolge, plur. inus. in einigen Gegenden, die Verbindlichkeit der Unterthanen und Vasallen, dem Lebens- und Grundherren in niedern, d. i. geringen Fällen, zu folgen, im Gegensatze der hohen Folge oder Heeresfolge; da denn zur Niederfolge die Verbindlichkeit, Verbrecher zu verfolgen und aufzusuchen, die Jagdfolge, Lehensfolge, Hoffolge u. s. f. gehören.


Niedergang (W3) [Adelung]


Der Niedergang, des -es, plur. inus. die Handlung des Niedergehens, doch nur noch in engerer Bedeutung im Oberdeutschen, und zuweilen auch bey den Hochdeutschen Dichtern, der Untergang der Sonne, und die Gegend, wo die Sonne untergehet, d. i. Abend. Jenseit dem Jordan gegen der Sonnen Niedergang, 5 Mos. 11, 30. Die Sonne weiß ihren Niedergang, Ps. 104, 19. Vom Aufgang der Sonnen bis zum Niedergang, Ps. 50, 1. Den Auf- und Niedergang und aller Weltkreis ehrer, Opitz. Aber auf einmahl verjagt die triumphirende Sonne Schatten und Schauder und Schlaf zum Niedergange zurück, Zachar. Bey dem Notker Sunnen Sedelgang, bey dem Kero nur Sedelkang schlechthin. S. Untergang.


Niedergehen (W3) [Adelung]


Niedergehen, verb. irreg. neutr. ( S. Gehen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, sich aus der Höhe nach der Oberfläche der Erde zu bewegen. Ein Haus gehet nieder, wenn es nach uns nach nieder sinket. Die Sonne gehet nieder, wenn sie untergehet, welches letztere in dem gemeinen Sprachgebrauche üblicher ist.


Niedergericht (W3) [Adelung]


Das Niedergericht, des -es, plur. die -e. 1) Bey den Jägern, ein niedriges Gericht oder Vogelschneide, im Gegensatze des Hochgerichtes. ( S. Gericht.) 2) Die Gerichtbarkeit über niedere Rechtsfälle, und ein Gericht, welchem solche Sachen anvertrauet werden; in welchem Falle es auch nur im Plural allein die Niedergerichte lautet, und alsdann dem Hochgerichte oder den Hochgerichten entgegen gesetzet wird. Besser würde man es in dieser Bedeutung getheilt schreiben, das niedere Gericht, oder die niedere Gerichtbarkeit, im Gegensatze der hohen oder höhern. S. Untergericht.


Niedergeschlagen,Niedergeschlagenheit (W3) [Adelung]


Niedergeschlagen, und die Niedergeschlagenheit, S. in Niederschlagen.


Niederhalten (W3) [Adelung]


Niederhalten, verb. irreg. act. ( S. Halten,) nach unten zu, nach der Tiefe zu halten, niederwärts halten. Die Augen niederhalten, besser niederschlagen.


Niederhangen (W3) [Adelung]


Niederhangen, verb. irreg. neutr. ( S. Hangen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, niederwärts, nach unten zu hangen. Die niederhangenden Zweige des Baumes. Die Flügel nieder- hangen lassen. Im gemeinen Leben der Hochdeutschen niederhängen, welches billig das Activum bleiben sollte.


Niederhauchen (W3) [Adelung]


Niederhauchen, S. Niederhocken.


Niederhauen (W3) [Adelung]


Niederhauen, verb. irreg. act. ( S. Hauen,) zu Boden hauen, durch Hauen zu Boden fallen machen. Bäume niederhauen. Jemanden niederhauen, ihn mit dem Säbel so hauen, daß er zu Boden fällt. So hauen die Soldaten im Kriege ihre Feinde nieder.


Niederhocken (W3) [Adelung]


Niederhocken, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, sich auf die Fersen niederlassen; im Oberdeutschen niederhauchen, Nieders. daalhurken, daalhucken, im gemeinen Leben Obersachsens auch niederkauern. Das Pferd that einen Niederhauch, stolperte, Theuerd. Kap. 33. S. Hocken.


Niederhohlunder (W3) [Adelung]


Der Niederhohlunder, im gemeinen Leben Niederholder, des -s, plur. inus. Eine Art niedrigen Hohlunders, welche unter dem Nahmen des Attiches am bekanntesten ist, S. dieses Wort.


Niederjagd (W3) [Adelung]


Die Niederjagd, plur. inus. besser die niedere Jagd, das Recht, das niedere oder kleine Weidwerk jagen zu dürfen, im Gegensatze der hohen Jagd. S. Jagd.


Niederkippen (W3) [Adelung]


Niederkippen, verb. reg. welches so wohl als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, gebraucht wird, kippend niedersinken, als auch als ein Activum, auf solche Art niedersinken machen. S. Kippen.


Niederklappen (W3) [Adelung]


Niederklappen, verb. reg. act. die Klappe niederlassen. Einen Tisch niederklappen.


Niederkleid (W3) [Adelung]


Das Niederkleid, des -es, plur. die -er, ein im Hochdeutschen seltenes Wort, wofür Unterkleid üblicher ist. Und sollt ihren leinene Niederkleider machen, 2 Mos. 28, 42: Kap. 39, 28; Ezech. 44, 18; wo Beinkleider verstanden werden, welchen in der anständigern Sprechart gleichfalls Unterkleider heißen.


Niederknien (W3) [Adelung]


Niederknien, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, auf die Erde knien, sich kniend niederlassen. Daher das Niederknien.


Niederkohlen (W3) [Adelung]


Niederkohlen, verb. reg. act. neutr. Welches im letztern Falle das Hülfswort seyn bekommt, aber nur bey den Köhlern üblich ist, zu Kohlen niederbrennen. Einen Meiler niederkohlen.


Niederkommen (W3) [Adelung]


Niederkommen, verb. irreg. neutr. ( S. Kommen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, aber nur in engerer eingeschränkter Bedeutung üblich ist, für entbunden werden; im gemeinen Leben, in das Kindbett kommen, in die Wochen kommen, in einigen Gegenden einkommen. Mit einem Sohne, mit einer Tochter niederkommen. Die Frau ist noch nicht niedergekommen, wird bald niederkommen. Im Isidor ist nidherquheman in mehr eigentlichem Verstande vom Himmel kommen, in welchem man in der höhern Schreibart auch wohl sagt hernieder kommen.


Niederkunft (W3) [Adelung]


Die Niederkunft, plur. inus. der Zustand, da eine Person andern Geschlechtes entbunden wird, und die Zeit, wenn solches geschiehet. Ihre Niederkunft ist nahe, nahet heran. Die Niederkunft erwarten. Vor ihrer Niederkunft, nach derselben. Eine schwere Niederkunft haben. Bey einer Niederkunft zugegen seyn. S. das vorige.


Niederlage (W3) [Adelung]


Die Niederlage, plur. die -n, von dem Zeitworte niederlegen. 1) Die Handlung, da ein Ding niedergeleget wird. Besonders figürlich bey Kriegsheeren, der Zustand, da ein Kriegsheer geschlagen wird. Eine beträchtliche, ansehnliche, gänzliche, völlige Niederlage leiden. Die Niederlage läugnen. Nach der Niederlage nahm der Überrest des Feindes die Flucht. Im Nieders. wird Underlage auch von dem Unterliegen einzelner Personen in einem Gefechte oder in einer Schlägerey gebraucht, Unterlage leiden, den Kürzern ziehen; in welchem Verstande im Hochdeutschen weder Niederlage noch Unterlage üblich ist. ( S. Niederliegen.) So fern die Niederlage zu verschiedenen Zeiten oder Mahlen Statt findet, kann auch der Plural gebraucht werden. Zwey Niederlagen leiden. 2) Der Zustand da man danieder liegt, d. i. bettlägerig ist. Nach einer kurzen Niederlage sterben. 3) Der Ort, wo Waaren oder andere Sachen in Menge niedergeleget, d. i. auf eine Zeit lang verwahret werden. So haben die Kaufleute außer ihren gewöhnlichen Gewölbern und Läden noch besondere Niederlagen, welche, wenn sie aus ganzen Häusern bestehen, oft Magazine, Vorrathshäuser und in Niedersachsen Speicher genannt werden. In der Schifffahrt werden auch zuweilen diejenigen Plätze, welche zum Ein- und Ausladen gewisser Waaren allein und ausschließungsweise bestimmt sind, Niederlagen genannt. Solche Niederlagen sind für die Spanischen nach Westindien segelnden Schiffe Calav in Amerika und Cadix in Spanien; Span. Embarcados. Auch Stapelstädte, wo gewisse Waaren niedergelegt werden müssen, heißen zuweilen Niederlagen oder Niederlagsstädte. 4) Das Recht, die Befugniß, etwas an einem Orte niederzulegen, ingleichen die Verbindlichkeit, etwas an einem Orte niederlegen zu müssen; ohne Plural. So werden so wohl das Stapelrecht, als auch das Krahnrecht, Jus Geranii, sehr häufig die Niederlage genannt, und oft ist es streitig, ob unter diesem Worte das Stapelrecht oder nur das Krahnrecht verstanden werden müsse, ( S. diese Wörter.) In Wien ist die Niederlage das Befugniß eines ausländischen Kaufmannes, im Großen handeln zu dürfen, daher solche ausländische Kaufleute, oder Kaufleute im engern Verstande daselbst Niederläger und Niederlagsverwandte heißen, S. Kaufmann.


Niederläger (W3) [Adelung]


Der Niederläger, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. Die Niederlägerinn, S. das vorige, ingleichen Kaufmann.


Niederland (W3) [Adelung]


Das Niederland, des -es, plur. die -länder, und -lande, ein niedrig gelegenes Land, im Gegensatze des Oberlandes. Das Niederland Hadst; 2 Sam. 24, 6. Am üblichsten ist es im Plural und als ein eigenthümlicher Nahme, das ehemahlige Belgium zu bezeichnen. Die Niederlande, die siebzehn um den Ausfluß des Rheines gelegenen Niederdeutschen Provinzen. Die Österreichischen Niederlande, diejenigen Provinzen, welche davon dem Hause Österreich gehören, zum Unterschiede von den Französischen Niederlanden. Beyde werden auch die katholischen Niederlande genannt, im Gegensatze der vereinigten Niederlande, oder der sieben vereinigten Provinzen. In dieser engern Bedeutung, in welcher der Singular nicht üblich ist, lautet der Plural Niederlande, in der erstern weitern aber auch Niederländer.


Niederländer (W3) [Adelung]


Der Niederländer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Niederländerinn, der Einwohner eines Niederlandes, im Gegensatze des Oberländers. In engerer Bedeutung, ein Einwohner der Niederlande, welchen man auch wohl, obgleich nicht ganz richtig einen Holländer zu nennen pflegt, indem Holland nur Einen Theil der Niederlande ausmacht.


Niederländisch (W3) [Adelung]


Niederländisch, adj. et adv. zu einem Niederlande gehörig, aus demselben herkommend, darin gegründet, im Gegensatze des Oberländisch. Ingleichen zu den Niederlanden gehörig, daher kommend, daher gebürtig, in denselben gegründet. Niederländischer Käse. Die Niederländische Sprache.


Niederlassen (W3) [Adelung]


Niederlassen, verb. reg. act. ( S. Lassen,) niedergehen, oder niedersinken machen, von oben herab lassen. Den Vorhang niederlassen. Die Klappe eines Tisches niederlassen. Jemanden an einem Seile von einem Thurme niederlassen. Die Segel niederlassen. Ingleichen als ein Reciprocum. Sich niederlassen. Sich von einem Thurme niederlassen, vermittelst eines Seiles. Die Vögel lassen sich nieder, wenn sie nach und aus der Luft nach der Erdfläche zu kommen. In engerer Bedeutung ist sich niederlassen ein anständiger Ausdruck für das gemeinere sich setzen. Figürlich bedeutet sich an einem Orte niederlassen, seinen Aufenthalt, seine Wohnung daselbst nehmen. Sich häuslich an einem Orte niederlassen. So auch die Niederlassung, welches auch zuweilen für Colonie gebraucht wird. Schon bey dem Ottfried nitharlazan.


Niederlegen (W3) [Adelung]


Niederlegen, verb. reg. act. niederwärts legen, aus der Höhe nach unten zu legen, auf den Boden, zu Boden legen. 1) Eigentlich. Eine Last niederlegen, welche man trägt, sie auf die Erde legen. Einen Stuhl niederlegen, auf die Erde. Sich niederlegen, auf die Erde. 2) In engerer Bedeutung legt man ein Kind nieder, wenn man es in das Bett legt. So auch das Reciprocum, sich niederlegen, sich zu Bette legen, sich schlafen legen. 3) Figürlich. Ein Amt niederlegen, im gemeinen Leben abdanken. Die Regierung, die Krone, eine Würde, eine Ehrenstelle niederlegen, sich derselben freywillig begeben. Geld oder eine andere Sache bey jemanden niederlegen, es ihm in Verwahrung geben, im Oberdeutschen hinterlegen; daher man zuweilen auch eine solche in Verwahrung gegebene oder genommene Sache, ein Depot, eine Niederlage, und im Oberdeutschen eine Hinterlage zu nennen pflegt. Luther nennt sie eine Beylage. Waaren an einem Orte niederlegen, sie bis zu weiterm Gebrauche daselbst verwahren, ( S. Niederlage 3.) Einem die Straße niederlegen, ihm die Bereisung derselben verwehren, ihm das Handwerk niederlegen, ihm die Ausübung desselben verbiethen, ihm das Handwerk legen, sind nur in einigen Gegenden üblich. So auch die Niederlegung.


Niederliegen (W3) [Adelung]


Niederliegen, verb. irreg. neutr. ( S. Liegen,) welches das Hülfswort haben erfordert, zu Boden, auf der Erde liegen, ingleichen niederwärts liegen. Wie Halmen von des Himmels Schloßen niederlagen, Raml. Ehedem gebrauchte man es auch für unterliegen, in einem Gefechte den kürzern ziehen. Alspald ich sach, Das die reindt mit aller macht Niederlagen in dieser schlacht, Kap. 93. Er gedacht mit fleys auf new weg Dadurch der Held zulegt niederleg, ebend. Von welcher jetzt veralteten Bedeutung noch das Hauptwort Niederlage in seiner ersten Bedeutung üblich ist.


Niedermachen (W3) [Adelung]


Niedermachen, verb. reg. act. machen, daß etwas niederwärts gerichtet werde. So sagt man im gemeinen Leben, den Vorhang niedermachen, für niederlassen, die Krämpe am Hute, die Klappe eines Tisches u. s. f. niedermachen, niederlassen. Ingleichen figürlich, jemanden niedermachen, ihn niederhauen, oder niederstechen; doch nur von Menschen und mit dem Nebenbegriffe der Geschwindigkeit. Der Kaiser befahl die Gefangenen niederzumachen. Von Straßenräubern niedergemacht werden. So auch das Niedermachen.


Niedermetzeln (W3) [Adelung]


Niedermetzeln, verb. reg. act. mit mehrern ungeschickten Hieben oder Stichen zu Boden legen, von lebendigen Geschöpfen. Das gefangene Wild, gefangene Soldaten niedermetzeln lassen. Daher die Niedermetzelung.


Niederreißen (W3) [Adelung]


Niederreißen, verb. irreg. act. ( S. Reißen,) niederwärts reißen, ingleichen zu Boden reißen. Von einem wilden Thiere niedergerissen werden. Ein Haus niederreißen, es durch Einreißung dem Boden gleich machen. Daher die Niederreißung und das Niederreißen.


Niederreiten (W3) [Adelung]


Niederreiten, verb. irreg. act. ( S. Reiten,) im Reiten zu Boden treten. Das Getreide auf dem Acker niederreiten. Ein Bäumchen niederreiten. Ein Kind niederreiten. Daher das Niederreiten. Als ein Neutrum, mit dem Hülfswort haben, den Weg auf und nieder reiten, wird es besser getheilt geschrieben.


Niederrennen (W3) [Adelung]


Niederrennen, verb. reg. et irreg. act. ( S. Rennen,) zu Boden rennen. Jemanden niederrennen. Von einem Pferde niedergerennet oder niedergerannt werden. Daher das Niederrennen.


Niedersäbeln (W3) [Adelung]


Niedersäbeln, verb. reg. act. Mit einem Säbel niederhauen, und in weiterer Bedeutung, für niederhauen überhaupt. Jemanden niedersäbeln lassen. Daher die Niedersäbelung. Siehe Säbeln.


Niedersaufen (W3) [Adelung]


+ Niedersaufen, verb. irreg. act. ( S. Saufen,) welches nur in der niedrigen Sprechart für niedertrinken üblich ist. Jemanden niedersaufen, ihm so lange zutrinken, bis er zu Boden fällt. Daher das Niedersaufen.


Niederschießen (W3) [Adelung]


Niederschießen, verb. irreg. ( S. Schießen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, sich plötzlich und sehr schnell niederwärts bewegen. Unvermuthet schoß der Balken nieder. 2) Als ein Activum, mit einem Schusse oder mit mehrern Schüssen plötzlich zu Boden legen. Jemanden niederschießen. Ein Thier niederschießen. Die Gefangenen niederschießen lassen. Einen Thurm niederschießen, mit Kanonen. So auch das Niederschießen.


Niederschlag (W3) [Adelung]


Der Niederschlag, des -es, plur. die -schläge, das Hauptwort des folgenden Zeitwortes, welches nur in einigen Bedeutungen desselben üblich ist. 1) Von der weitern thätigen Bedeutung ist der Niederschlag in der Chymie, ein aus dem Auflösungsmittel durch Zusetzung eines andern Körpers wieder geschiedener Körper, ein in einer Flüssigkeit aufgelöseter fester Körper, wenn derselbe durch Hinzuthuung eines dritten wieder daraus geschieden wird; das Präcipitat. ( S. das folgende.) 2) Ein Schlag, welcher niederwärts geschiehet. So ist in der Musik der Niederschlag der niederwärts gerichtete Schlag der Hand dessen, der den Tact fähret, zum Unterschiede von dem Aufschlage. Mit Griechischen Kunstwörtern heißt dieser Arsis, der Niederschlag aber Thesis.


Niederschlagen (W3) [Adelung]


Niederschlagen, verb. irreg. ( S. Schlagen,) welches in doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, wo es wiederum auf zwiefache Art gebraucht wird. 1) Mit dem Hülfsworte haben, niederwärts schlagen, so fern dieses Zeitwort bloß ein Neutrum ist, in welchem Verstande es in der Musik dem aufschlagen entgegen gesetzt wird. ( S. Niederschlag 2.) 2) Mit dem Hülfsworte seyn, plötzlich und mit Heftigkeit niederfallen; doch nur im gemeinen Leben. Er stolperte und schlug nieder, so lang er war. II. Als ein Activum, niederwärts schlagen, durch einen oder mehrere Schläge nach unten hin bewegen, ingleichen zu Boden schlagen. 1. Eigentlich. Den Rand an einem Gefäße niederschlagen. Eine in die Höhe stehende Spitze niederschlagen. Der Hagel hat alle Feldfrüchte niedergeschlagen. Er hub seine Hand auf wider sie, daß er sie niederschlüge in der Wüsten, Ps. 106, 26. Wenn im Streite -- Der ehrne Donner von der Bergen, ihm zur Seite, Die Feldherrn niederschlug, Raml. 2. In weiterer Bedeutung, durch verschiedene gemeiniglich gewaltsame Mittel niederwärts treiben oder richten. Die Augen niederschlagen, sie nach der Erde zu richten, sie auf den Boden heften. Mit niedergeschlagenen Augen da stehen. Bey den Jägern schlägt der Bär das Gesträuch, das Getreide nieder, wenn er es niederdrückt. Im Forstwesen wird ein Gehölz, ein Forst niedergeschlagen, wenn man die Bäume darin fällen lässet. Einen Tisch, eine Klappe, eine Krämpe niederschlagen, sie niederklappen, niederbiegen, im Gegensatze des Aufschlagens. In der Chymie wird ein in einer Flüssigkeit aufgelöseter Körper niederschlagen, oder aus demselben niederschlagen, wenn man einen andern hinzu thut, welcher das Auflösungsmittel stärker anziehet, daher es den ersten fahren lässet, der sich denn in Gestalt eines feinen Pulvers auf den Boden setzet, und der Niederschlag genannt wird; sonst auch fallen und mit einem Lat. Kunstworte präcipitiren, das Präcipitat. Das Silber wird aus dem Salpetergeiste mit Kupfer, das Kupfer mit Eisen, das Eisen mit Zink, der Zink mit alkalischen Erden, und diese mit alkalischen Salzen niedergeschlagen. Die Hitze, die Säure im menschlichen Körper niederschlagen, solche durch alkalische Arzeneyen mildern oder dämpfen. Ein niederschlagendes Pulver, welches die Wallung im Geblüte vermindert. 3. Figürlich. 1) Jemandes Hoffnung niederschlagen, ihm solche vereiteln, benehmen. Eines Beweise niederschlagen, sie mit einem merklichen Übergewichte ungültig machen, oder auch für ungültig erklären. Eine Forderung, eine Schuld, einen Prozeß niederschlagen, sie durch einen Machtspruch aufheben, vernichten. 2) Jemanden niederschlagen, ihm einen von außen sichtbaren Grad der Traurigkeit verursachen; im Gegensatze des Aufmuntern. Das schlägt mich zu sehr nieder. Eines Gemüth niederschlagen. Viele Übel erhalten ihr niederschlagendes Übergewicht von der Gewalt der Einbildung, Gell. Daher das Mittelwort niederschlagen sehr häufig als ein Bey- und Nebenwort so wohl für traurig, als auch für muthlos, und in dieser Empfindung gegründet, gebraucht wird. Sehr niedergeschlagen seyn. Das machte ihn nur noch niedergeschlagener. Sein niedergeschlagenes Wesen. Niedergeschlagene Muthlosigkeit. In Stade ist dafür sluk üblich, welches damit verwandt zu seyn scheinet. Daher die Niedergeschlagenheit, plur. inus. Der Zustand, da man niedergeschlagen ist. Eigentlich druckt wohl niedergeschlagen diejenige Wirkung der Traurigkeit im Äußern aus, wenn man nicht mit Bewußtseyn an die Ursache derselben denkt. Überhaupt scheinet es eine von dem Niederschlagen der Augen entlehnte Figur zu seyn. So auch die Niederschlagung. Das Zeitwort lautet schon bey dem Notker niderslahen.


Niederschlucken (W3) [Adelung]


Niederschlucken, verb. reg. act. hinunter schlucken; im gemeinen Leben hinterschlucken. Etwas niederschlucken.


Niederschreiben (W3) [Adelung]


Niederschreiben, verb. irreg. act. ( S. Schreiben,) mit Sorgfalt aufschreiben, oder zu Papiere bringen. So wird die Aussage des Inquisiten in den Gerichten niedergeschrieben. Es stammet allem Ansehen nach zunächst aus dem Oberdeutschen her, verdienet aber den Spott nicht, welchen Gottsched darüber ausschüttete, weil es zugleich mehr Feyerlichkeit und Sorgfalt andeutet als aufschreiben.


Niedersenken (W3) [Adelung]


Niedersenken, verb. reg. act. niederwärts senken, in die Tiefe senken. Eine Leiche niedersenken, in das Grab; wofür doch einsenken üblicher ist. Daher die Niedersenkung.


Niedersetzen (W3) [Adelung]


Niedersetzen, verb. reg. act. welches nur in einigen engern Bedeutungen üblich ist. Etwas niedersetzen, etwas, welches man in der Hand, oder auf dem Arm trägt, von sich niederwärts setzen, von Dingen, welche gesetzt werden können. Ein Kind niedersetzen, ein Kind, welches man auf dem Arme trägt, von demselben setzen. Einen Sack mit Getreide niedersetzen. Ingleichen, als ein Reciprocum, sich niedersetzen, sich auf einen Stuhl u. s. f. setzen, sich setzen, in der anständigern Sprechart sich niederlassen. Figürlich setzet der Landesherr ein Collegium, eine Commission u. s. f. nieder, wenn er die dazu nöthigen Personen ernennet, und ihnen die nöthige Gewalt und Vorschrift ertheilet. So auch die Niedersetzung.


Niedersinken (W3) [Adelung]


Niedersinken, verb. irreg. neutr. ( S. Sinken,) welches das Hülfswort seyn erfordert, niederwärts sinken. Die Hände nie- dersinken lassen. Im Wasser niedersinken, untersinken. Daher das Niedersinken. Bey dem Stryker nidersigen, für versinken.


Niedersitzen (W3) [Adelung]


Niedersitzen, verb. irreg. ( S. Sitzen,) welches in doppelter Gestalt vorkommt. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, wo es doch nur im Oberdeutschen für sich niedersetzen üblich ist. Er saß nieder. Ein Stein der traff den jeger, das er vor Amacht darnider saß, Theuerd. Kap. 37. Zuweilen sagt man auch noch im Hochdeutschen, jemanden niedersitzen heißen, ihm sagen, daß er sich setzen soll. 2) Als ein Activum, durch Sitzen niederdrucken. Daher das Niedersitzen.


Niederstämmig (W3) [Adelung]


Niederstämmig, adj. et adv. einen niedrigen Stamm habend, im Gegensatze des hochstämmig. Niederstämmige Obstbäume.


Niederstechen (W3) [Adelung]


Niederstechen, verb. irreg. act. ( S. Stechen,) mit einem Sticht zu Boden stürzen, wofür auch niederstoßen üblich ist. Jemanden in der Wuth niederstechen. Daher das Niederstechen.


Niedersteigen (W3) [Adelung]


Niedersteigen, verb. irreg. neutr. ( S. Steigen,) welches das Hülfswort seyn erfordert, niederwärts steigen, hinab steigen. In den Keller niedersteigen, wofür doch hinunter steigen üblicher ist. Die Treppe niedersteigen. Die niedersteigende Linie, in den Geschlechtsregistern, die Nachkommen in gerader Linie; im Gegensatze der aufsteigenden Linie. Daher das Niedersteigen. Schon bey dem Kero nidarstigan.


Niederstoßen (W3) [Adelung]


Niederstoßen, verb. irreg. act. ( S. Stoßen,) niederwärts nach unten zu stoßen, ingleichen zu Boden stoßen. Jemanden niederstoßen, ihn so stoßen, daß er zu Boden fällt. In engerer Bedeutung wird niederstoßen auch für niederstechen gebraucht. Jemanden niederstoßen, ihm einen Stich beybringen, von welchem er todt zur Erde fällt. Daher das Niederstoßen und die Niederstoßung.


Niederstürzen (W3) [Adelung]


Niederstürzen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt üblich ist. 1) Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, zu Boden stürzen, auf die Erde stürzen. Der Baum, das Haus, das Pferd stürzte nieder. 2) Als ein Activum, auf solche Art niederstürzen machen. Jemanden niederstürzen. Daher die Niederstürzung.


Niederthun (W3) [Adelung]


Niederthun, verb. irreg. act. ( S. Thun,) welches nur als ein Reciprocum bey den Jägern und im gemeinen Leben üblich ist, wo sich ein Thier niederthut, wenn es sich niederlegt.


Niederträchtig (W3) [Adelung]


Niederträchtig, -er, -ste, adj. et adv. welches von niedrig und tragen abstammet. Es bedeutet, 1. * Eigentlich, niedrig von Statur, von Größe, eigentlich sich niedrig tragend; eine in der anständigen Schreibart der Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber in den gemeinen Sprecharten, so wie im Oberdeutschen noch sehr üblich ist. So werden kleine niedrige Schafe auch in Meißen niederträchtige Schafe genannt, im Gegensatze der hochbeinigen. Ein niederträchtiger Felsen, d. i. ein niedriger, Bluntschli, ein Schweizer. Zwey niederträchtige Stühle, Stumpf, auch ein Schweizer. 2. Figürlich. 1) * Demüthig, d. i. Fertigkeit besitzend, andrer Vorzüge mehr als die seinigen zu schätzen, und darin gegründet; eine im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Bedeutung, in welcher es noch im Oberdeutschen häufig ist, wo oft die Niederträchtigkeit der Heiligen als eine vorzügliche Tugend gerühmet wird. Der Gegensatz ist das gleichfalls Oberdeutsche hochtragend, stolz, hochmüthig. 2) Sehr merklichen Mangel an vernünftiger Ehrliebe besitzend, und darin gegründet, tiefe Geringschätzung eigener Würde durch seine Handlungen verrathend; ingleichen, in dieser Denkungsart gegründet. Ein niederträchtiger Mensch. Ein niederträchtiges Gemüth. Niederträchtig seyn, handeln. Ein niederträchtiges Betragen. Man kann seinen geringen Werth fühlen, weil man zu träge ist, sich Verdienste zu erwerben, dieses ist Niederträchtigkeit und nicht Demuth, Gell. Da dieses Wort in der jetzt gedachten Bedeutung, in welcher es im Hochdeutschen nur allein gangbar ist, einen sehr harten und beleidigenden Begriff gibt, so ist in der glimpflichern Schreibart dafür oft niedrig üblich. Bey den Schwäbischen Dichtern findet sich noch eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. So singt z. B. der von Gliers: Sit ich so nidertrehtig bin Das ich ir minne enberen muos; wo es unglücklich, unterdruckt, zu bedeuten scheinet.


Niederträchtigkeit (W3) [Adelung]


Die Niederträchtigkeit, plur. die -en. 1) Der Zustand, da eine Person oder Sache niederträchtig ist; ohne Plural. Im Hochdeutschen ist es gleichfalls nur noch allein in der zweyten figürlichen Bedeutung üblich, dagegen die beyden ersten im Oberdeutschen noch häufig vorkommen. 2) Eine niederträchtige Handlung; gleichfalls nur in der zweyten figürlichen Bedeutung. Allerley Niederträchtigkeit begehen.


Niedertreten (W3) [Adelung]


Niedertreten, verb. irreg. act. ( S. Treten,) niederwärts treten. Die Maulwurfshügel im Garten niedertreten. Die Schuhe niedertreten, die Quartiere an denselben. Ingleichen zu Boden treten. Das Gras, das Getreide niedertreten. Ich trat dein zitterndes Alter in den Staub der Dürftigkeit und Verachtung nieder, von Brawe. Daher das Niedertreten und die Niedertretung.


Niedertrinken (W3) [Adelung]


Niedertrinken, verb. irreg. act. ( S. Trinken,) zu Boden trinken. Jemanden niedertrinken, ihm so lange zutrinken, bis er zu Boden fällt; in der niedrigen Sprechart niedersaufen. Ingleichen figürlich, im Trinken überwinden. Daher das Niedertrinken.


Niederung (W3) [Adelung]


Die Niederung, plur. die -en, S. die Niedere.


Niederwand (W3) [Adelung]


* Das Niederwand, des -es, plur. die -wande, oder -wänder, ein im Hochdeutschen ungewöhnliches Wort, die Unterkleider oder Beinkleider zu bezeichnen. Die leinen Niederwand an seinen Leib, 3 Mos. 6, 10; Kap. 16, 4; leinene Beinkleider, Michael. S. Niederkleid und Gewand.


Niederwärts (W3) [Adelung]


Niederwärts, ein Nebenwort des Ortes, nach der Niedere zu; im Gegensatze des aufwärts, so wie unterwärts dem oberwärts entgegen gesetzet ist. Niederwärts gehen, fallen, sich bewegen. In der Schweiz niedsich.


Niederwerfen (W3) [Adelung]


Niederwerfen, verb. irreg. act. ( S. Werfen,) zu Boden werfen. Jemanden niederwerfen. In den Oberdeutschen Gerichten bedeutet es auch figürlich, in Verhaft nehmen. Einen Verbrecher gefänglich niederwerfen. Daher die Niederwerfung.


Niederziehen (W3) [Adelung]


Niederziehen, verb. irreg. act. ( S. Ziehen,) niederwärts ziehen. Den Zweig an einem Baume niederziehen. Jemanden niederziehen, ihn, da erstand oder saß, auf die Erde ziehen. Daher das Niederziehen.


Niedlich (W3) [Adelung]


Niedlich, -er, -ste, adj. et adv. 1) Den Sinnen, besonders aber dem Gesichte angenehm, da es dasjenige in sich begreift, was man sonst artig, zierlich, geputzt, vornehmlich aber nett nennet, eigentlich, demjenigen, was nett ist, ähnlich und gleich. Niedlich gekleidet gehen, reinlich und zierlich; nett. Das siehet niedlich aus. Ein niedlicher Hut, Weiße. Ein niedliches Haus, ein niedlicher Garten. Kleine niedliche Sachen. Ein niedliches Mädchen, von angenehmer Gestalt. Da Kleinheit mit Zierlichkeit verbunden dem Auge vorzüglich angenehm ist, so hat das Wort niedlich auch in den meisten Fällen den Nebenbegriff der Kleinheit bey sich. ( S. Fein,) welches auf ähnliche Art gebraucht wird. 2) In engerer Bedeutung wird es auch von Speisen gebraucht, für schmackhaft, delicat, lecker. Ein niedliches Gericht. Die vorhin das niedlichste aßen, Klagel. 4, 5. Ich aß keine niedliche Speise, Dan. 10, 3. Von Getränken wird es seltener, doch aber zuweilen gebraucht.

Anm. Bey dem Willeram mit einer andern Ableitungssylbe nietsam, für angenehm, im Nieders. nike, welches aus dem ältern niedlik zusammen gezogen ist. Frischens Ableitung von dem Oberdeutschen Niedel, Milchrahm, ist seltsam und ohne alle Analogie, zumahl da man nähere und bessere Quellen hat. Schon Wachter hat es von dem bey dem Ottfried, Notker, Willeram und andern ältern Schriftstellern so häufig vorkommenden Niete, Niut, Belustigung, Annehmlichkeit, Verlangen, nioton und sih nieten, sich belustigen, angenehme Empfindungen haben, und niet, angenehm, abgeleitet, von welchem letztern, welches wiederum mit nett verwandt ist, unser niedlich vermittelst der Ableitungssylbe "-lich" gebildet worden. ( S. Neid, welches in seiner ältern allgemeinen Bedeutung gleichfalls hierher gehöret, Genießen, ehedem nießen und nieten.) Die Niedersachsen haben noch ein anderes Wort für unser niedlich in der ersten Bedeutung, welches nider, niser, niper lautet, klein und zierlich bedeutet, und mit Knabe, und Nau in Genau verwandt zu seyn scheinet.


Niedlichkeit (W3) [Adelung]


Die Niedlichkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, nach welcher es niedlich ist; am häufigsten in der ersten Bedeutung des Beywortes.


Niednagel (W3) [Adelung]


Der Niednagel, S. Nietnagel.


Niedrig (W3) [Adelung]


Niedrig, -er, -ste, adj. et adv. welches einen eben so relativen Begriff enthält als nieder, und der Gegensatz von beyden hoch, der Horizontalfläche und dem Mittelpuncte der Erde näher als ein anderes Ding, oder näher als die gewöhnlichsten Dinge eben derselben Art. 1. Eigentlich, wo es alle Mahl dem hoch entgegen gesetzet ist. Die Wolken gehen niedrig, wenn sie der Erdfläche näher sind als gewöhnlich. Eine niedrige Wolke. Ein niedrig gelegenes Land, welches dem Horizonte oder dem Mittelpuncte der Erde näher ist, als ein hohes, oder hoch gelegenes. Ein niedriges Ufer. Im Bette mit dem Kopfe niedrig liegen. Niedrig sitzen, stehen u. s. f. Ein niedriges Wasser, wenn dessen Oberfläche niedriger ist als gewöhnlich. Die Flüsse sind niedrig, wenn sie wenig Wasser haben. So auch von der senkrechten Länge lebloser Dinge. Ein niedriger Berg. Ein Haus niedriger machen. Ein niedriger Stuhl, Tisch u. s. f. Niedriges Gesträuch. Niedrige Absätze an den Schuhen. Daß ich den hohen Baum geniedriget, und den niedrigen Baum erhöhet habe, Ezech. 17, 24. Bey den Jägern gehet der Hirsch niedrig, wenn er sein Geweihe abgeworfen hat, im Gegensatze des hoch Gehens. 2. Figürlich, wo es von verschiedenen Eigenschaften der Dinge gebraucht wird, in welchen sie von den meisten ihrer Art übertroffen werden. 1) Von den Tönen und der Stimme. Ein niedriger Ton, derjenige, welchen eine stärkere, längere oder minder gespannte Saite hervor bringt, und welcher auch tief genannt wird, im Gegensatze des höhern. Ein Instrument geht zu niedrig, klingt zu niedrig. Niedrig singen. Eine niedrige Stimme, welche niedriger ist, als die gewöhnliche Menschenstimme. 2) Von dem Preise, wo es mit geringe gleichbedeutend ist, und gleichfalls dem hoch entgegen gesetzet wird. Ein niedriger Preis, welcher geringer oder niedriger ist, als gewöhnlich, oder als der Werth der Sache es zu erfordern scheinet. Einen niedrigen Preis auf etwas setzen. Etwas für einen niedrigen Preis verkaufen. Niedrig spielen, um einen niedrigen Preis. 3) Der Würde nach, geringer an Würde, als andere Dinge seiner Art. (a) Überhaupt; wo doch nieder üblicher ist, besonders in der anständigern Sprechart. Die niedrigen Schulen, das niedrige Wildbret, die niedrige Jagd, die niedrige Gerichtbarkeit, die niedrige Geistlichkeit u. s. f. in welchen Fällen man allemahl lieber das Wort nieder gebraucht, im Gegensatze des hoch und höher. (b) Besonders. aa) Im bürgerlichen Verstande, der bürgerlichen Würde, der Achtung, der bürgerlichen Gesellschaft nach, geringe, dem Stande nach, den äußern Vorzügen nach unter andern befindlich, so wohl überhaupt in Vergleichung mit dem was höher ist. Eine niedrigere Bedienung erhalten. Als auch absolute, den großen Haufen der geringen Personen ohne bürgerliche Würde in einem Staate zu bezeichnen; wie geringe. Ein niedriger Stand. Von niedriger Geburt, von niedrigem Herkommen, von niedriger Herkunft seyn. Von den niedrigsten Ältern entsprossen. Sich aus dem niedrigsten Elende auf die höchste Spitze der menschlichen Glückseligkeit schwingen. Auch die niedrigste Hütte hat ihren Stolz, Gell. Welches Leben, auch das niedrigste und dunkelste, hat nicht seine Geheimnisse und Wunder? ebend. Das stolze Verdienst verschließt sich den Zutritt zu den Großen und verachtet den Zutritt zu den Niedrigen, ebend. Nach einer noch weitern Figur, diesem Stande an Mangel der anständigen Würde und des Vorzuges ähnlich, gleich, in dessen gewöhnlichen Denkungsart gegründet, in der harten Sprechart pöbelhaft; im Gegensatze des erhabenen, zuweilen auch des hoch. Die niedrige Schreibart. Ein niedriges Wort, ein niedriger Scherz, sich niedrig ausdrucken, niedrig schreiben, die niedrige Sprechart; alles im Gegensatze des edel, anständig und erhaben. Ingleichen dem Gemüthe, der Denkungsart nach, und darin gegründet. Ich bin bloß deßwegen betreten, weil sie mich für so niedrig halten, daß ich meiner Schwester ihr Glück nicht gönnen sollte, Gell. Eine niedrige Seele, ein niedriges Gemüth. Niedriger Eigennutz, niedriger Geitz, niedrige Selbstliebe, die niedrigste Bosheit. Er verachtete die niedrigen Wege zum Glück und blieb daher in der Dunkelheit. In welcher ganzen Bedeutung in der edlern Schreibart auch wohl das Wort nieder gebraucht wird, weil es den Begriff ein wenig mehr mildert. bb) Im moralischen Verstande, sittlicher Vorzüge im hohen Grade beraubt, und sich dieses Mangels mit Empfindung bewußt, ingleichen in dieser Gemüthsart gegründet; in welcher Bedeutung es in der theologischen Schreibart am üblichsten ist. Gott erhöhet die Niedrigen, Dan. 4, 14. Ich will niedrig seyn in meinen Augen, 2 Sam. 6, 22. Er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen, Luc. 1, 18. In seiner Niedrigkeit ist sein Gericht erhaben, Apostelg. 8, 33. Ingleichen, geneigt, sich nach seinen Mängeln zu beurtheilen, und in dieser Gemüthsart gegründet; in welcher, im Hochdeutschen veralteten Bedeutung es so wie Niedrigkeit in der Deutschen Bibel für demüthig vorkommt. Es ist besser niedrigen Gemüths seyn, mit den Elenden, denn Raub austheilen mit den Hoffärtigen, Sprichw. 16, 19. 4) Oft wird es in der anständigen Schreib- und Sprechart auch als ein glimpflicher Ausdruck für das weit härtere niederträchtig gebraucht, S. dasselbe. Ein niedriges Bezeigen, ein niedriges Gemüth.

Anm. Im Nieders. neddrig, im Schwed. nedrig. Es ist vermittelst der Endsylbe -ig von dem im Hochdeutschen minder üblichen nieder gebildet, und hat dasselbe aus seinen meisten Bedeutungen verdrängt. Von nied, dem Stammworte von nieden und nieder, ist vermittelst eben dieser Sylbe nidig bey dem Ottfried niedrig. S. Nieder.


Niedrigen (W3) [Adelung]


* Niedrigen, verb. reg. act. niedrig machen, welches im Hochdeutschen veraltet ist, aber in der Deutschen Bibel so wohl im eigentlichen, als figürlichen Verstande vorkommt. Gott will alle hohe Berge niedrigen, Bar. 5.7. Mit deinen Augen niedri- gest du die Hohen, 2 Sam. 22, 28. So auch Es. 2, 10, 12; Kap. 25, 11. Im Hochdeutschen ist dafür im figürlichen Verstande erniedrigen üblich, S. dasselbe.


Niedrigkeit (W3) [Adelung]


Die Niedrigkeit, plur. inus. das Abstractum des vorigen Beywortes, die Eigenschaft eines Dinges, da es niedrig ist, in allen den Fällen, in welchen das Beywort gebraucht wird. Die Niedrigkeit einer Gegend, der Stimme, des Preises. Sich der Niedrigkeit seines Standes schämen. Die Niedrigkeit der Schreibart. Sich aus Bewußtseyn seiner Niedrigkeit vor Gott demüthigen. Ich lebe nur in stiller Niedrigkeit, Haged.


Niedrigung (W3) [Adelung]


* Die Niedrigung, plur. die -en, im gemeinen Leben einiger Gegenden, z. B. Meißens, eine niedrige Gegend, eine niedrige Stelle auf der Erdfläche, wofür in andern Niederung, Niedere und Nehrung üblicher ist. S. Niedere.


Niefel (W3) [Adelung]


Die Niefel, in einigen Gegenden für Feifel, S. dieses Wort.


Niemahls (W3) [Adelung]


Niemahls, ein Nebenwort der Zeit, zu keiner Zeit, so wohl von einer vergangenen als zukünftigen Zeit; nie, welches in der edlern Schreibart lieber gebraucht wird. Ich habe ihn noch niemahls gesehen. Das habe ich noch niemahls gehöret. Das soll niemahls wieder geschehen. Er wird wohl niemahls wiederkommen. Da es denn zuweilen auch figürlich für eine verstärke Verneinung gebraucht wird. Ein schlechterdings einfacher Gegenstand kann niemahls schön seyn, Sulz. Niemahls nicht, für das einfache niemahls, ist eben so fehlerhaft als nichts nicht, kein - nicht, niemand nicht und andere doppelte Verneinungen dieser Art. Anm. Es ist aus nie und Mahl zusammen gesetzet. In den gemeinen Sprecharten lautet es oft niemahl und niemahlen. Allein bey dem Worte Mahl ist bereits gezeiget worden, daß das s hier analogisch richtiger ist. Kero gebraucht statt dieses Nebenwortes neonaldre, nonaldre, und Willeram nieuuanne, welches sich dem Latein. nunquam nähert. Im Nieders. ist dafür newerle, unwerle, unwarf, unwerfe, und im gemeinen Leben der Hochdeutschen auch mein Tage nicht, und all mein Tage nicht üblich. S. auch Nimmer.


Niemand (W3) [Adelung]


Niemand, Genit. niemands, Dat. und Accus. niemand und niemanden, ein persönliches Fürwort, welches nur im Singular üblich ist, und eine Ausschließung einer jeden Person bezeichnet, kein Mann, d. i. kein Mensch; im Gegensatze des jemand. Niemand hat Gott je gesehen. Es kam niemand. Nun will es niemand gethan haben. Das ist niemands Sache. Das weiß niemand, das kann niemand. Es stehet in niemands Macht, wie er wandele, Jerem. 10, 23. Im Scherze wird es wohl auch als ein Hauptwort gebraucht. Der leidige Niemand. Außer diesem letzten Falle leidet es keinen Artikel vor sich. Wenn die Personen näher bestimmt werden, welche man vermittelst dieses Fürwortes ausschließet, so müssen sie die Vorwörter von, unter, in, aus u. s. f. vor sich haben. Hast du niemand von unsern Leuten gesehen? Niemand unter ihnen. Niemand in der Stadt, aus der Stadt, auf dem Lande. Im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart ist es sehr gewöhnlich, diesem Worte ein Beywort ungewissen Geschlechtes in Gestalt eines Hauptwortes nachfolgen zu lassen. Es war niemand Fremdes da, kein Fremder. Das wird niemand Rechtschaffenes thun, keine rechtschaffene Person. Er geht mit niemand Rechtschaffenen um. Niemand anders als er, anders nieman, Reinmar der Alte. Niemand Vornehmes. Der Fehler der gemeinen Sprecharten, diesem Fürworte, so wie den verneinenden Nebenwörtern, noch eine Verneinung beyzufügen, niemand nicht, ist schon bey dem Worte nicht bemerket worden.

Anm. Dieses alte Fürwort lautet bey dem Ulphilas nimanna, bey dem Ottfried niaman, im Tatian nioman, bey den Schwä- bischen Dichtern nieman, nimmen, im Niedersächs. nüms, nemmes, (wie jüms, jemand,) im Angelsächs. nanman, im Latein. nemo, und im mittlern Lateine nullimannus. Es ist, wie jemand und jedermann, von der alten Verneinung ni und Mann, oder auch von dieser Verneinung und jemand zusammen gesetzt; daher es auch nur allein von Person gebraucht wird, indem Mann ehedem eine jede Person ohne Unterschied des Geschlechtes bedeutete. Das d, welches dem n so gern nachschleicht, scheinet erst in den spätern Zeiten Eingang gefunden zu haben. In dem Theuerdanke kommt so wohl nieman, als niemandt und in der ersten Endung auch niemandts vor. In der Declination dieses Wortes sind die Sprachlehrer eben so uneinig, als bey jemand. Den Genit. niemands bestreitet keiner von ihnen, außer daß einer oder der andere niemandes für analogischer hält. Was die dritte und vierte Endung betrifft, so sind schon die alten Schriftsteller darin nicht einig, indem man sie eben so oft ungeändert niemann, als im Dat. niemanne, und im Accus. niemannin, oder auch im Dat. und Accus. niemannin findet. Das geschach niemanne me, ich neide niemen, den gib ich nieman, bey den Schwäbischen Dichtern. Niemannin im Accus. in dem alten Gedichte auf den heil. Anno. Trage niemanne nit noch langen has, Winsbeck. Ein Sach, davon er nymandts sagt, Theuerd. Luther gebraucht niemand. Er that niemand unrecht, Es. 53, 9. Vergeltet niemand Böses mit Bösem, Röm. 12, 17. Lasset euch niemand Gewissen machen, Col. 2, 16. Da man das Gute an niemanden, als an sich schätzet, Gell. Gottsched machte diese Form mit dem -en in der dritten und vierten Endung zur Regel. Höchstens kann man sie als gleichgültig dulden, weil sie das hohe Alterthum für sich hat, zumahl da sie in Ermangelung des Artikels zur bestimmten Bezeichnung des Casus dienet. Analogisch ist sie freylich nicht, indem sie weder mit Mann noch auch mit jedermann überein kommt, S. auch Jemand.


Niere (W3) [Adelung]


Die Niere, plur. die -n, Diminut. das Nierchen, Oberd. Nierlein. 1) Überhaupt, ein runder oder doch rundlicher Körper. In diesem Verstande ist es in dem gemeinen Sprachgebrauche veraltet, und nur noch im Bergbau üblich, wo Erze und Mineralien, wenn sie in runder oder rundlicher Gestalt gefunden werden, unter dem Nahmen der Nieren bekannt sind. Von dieser Art sind z. B. die Kiesnieren, oder rundliche Stücken Schwefelkies. In einem etwas andern Verstande werden auch kleine mit Erztheilchen angeschwängerte Klüfte, Nieren genannt, zum Unterschiede von den größern Nestern. Ein Erz bricht nierenweise, wenn es in solchen einzelnen Klüften angetroffen wird, oder auch, wenn es zwar gangweise bricht, aber sich doch nur in einzelnen kleinen Stellen ergiebig zeiget; nierig. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung sind die Nieren in den thierischen Körpern länglich runde, fleischige, röthliche, aus Adern und Drüsen bestehende Theile, welche zu beyden Seiten unter der Leber und Milz liegen, und zur Absonderung des Harnes von dem Blute dienen; Ren. Es sind ihrer in jedem Körper gemeiniglich zwey, welche auch wohl collective im Singular die Niere genannt werden. Figürlich wird an den Pferden die Stelle des Rückgrathes von dem Ende des Sattels bis zur Gruppe, die Nieren genannt, weil sich diese unter derselben befinden. Die biblische Figur, nach welcher die Nieren für das ganze Begehrungsvermögen, für das Herz, gesetzet werden, ist ein Hebraismus, welcher im Deutschen völlig ungewöhnlich ist.

Anm. Im 15ten Jahrhunderte Nyer, im Dän. Nyre, im Schwed. Njure, im Isländ. Nyra, im Pohln. Nerka. Er hat das völlige Ansehen eines sehr alten Wortes, ob es gleich bey den alten Schriftstellern nicht vorkommt. Kero nennt die Nieren Lenti, Raban Maurus im 8ten Jahrhunderte Lendibraton, Lenden- braten, Notker Lancha, eine alte Übersetzung der Sprüche Salom. aus dem Anfange des 15ten Jahrhundertes Lewte, welches letztere, wenn es nicht ein Lese- oder Druckfehler für Lente ist, zu Kloß, Nieders. Kloot, gehören kann, so wie Niere mit Knorre Eines Geschlechtes ist. Beyde bedeuten eine rundliche verbundene Masse. Frisch glaubte, daß es durch eine Versetzung aus dem Lat. Ren entstanden sey.


Nierenbeschwerung (W3) [Adelung]


Die Nierenbeschwerung, plur. die -en, eine schmerzhafte Empfindung in der Gegend der Nieren, welche sich oft bis in die Harngänge erstreckt, und von einem Steine, Griese oder einer schleimigen Materie herrühret; Nephritis, das Nierenweh, die Nierenkrankheit.


Nierenbraten (W3) [Adelung]


Der Nierenbraten, des -s, plur. ut nom. sing. dasjenige Stück von dem Rückgrathe eines Thieres, wo die Nieren gesessen haben, wenn er als ein Braten zugerichtet wird. Bey einem ausgeschlachteten Kalbe ist es das Stück des Hinterviertels zwischen den langen Rippen und der Keule, mit der daran befindlichen Niere.


Nierenfett (W3) [Adelung]


Das Nierenfett, des -es, plur. inus. das Fett, mit welchem die Nieren in den thierischen Körpern gemeiniglich umgeben sind.


Nierenfieber (W3) [Adelung]


Das Nierenfieber, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein hitziges Entzündungsfieber, mit welchem die Entzündung der Nieren gemeiniglich verbunden ist; Febris Nephritidis.


Nierenförmig (W3) [Adelung]


Nierenförmig, er, -ste, adj. et adv. die Gestalt oder Form der Nieren habend, d. i. aus verschiedenen kugelartigen Erhöhungen bestehend, wie z. B. die Kalbsnieren.


Nierengries (W3) [Adelung]


Der Nierengries, des -es, plur. inus. Gries, d. i. grober Sand, welcher sich zuweilen in den Nieren erzeuget; zum Unterschiede von dem Blasengriese.


Nierenkrankheit (W3) [Adelung]


Die Nierenkrankheit, plur. die -en, S. Nierenbeschwerung.


Nierenschmalz (W3) [Adelung]


Das Nierenschmalz, S. Nierenstolle.


Nierenschnitte (W3) [Adelung]


Die "Nierenschnitte", plur. die -n, in den Küchen, "Semmelschnitten", welche mit gehackten Nieren, Eyern u. s. f. bestrichen und aus heißem Schmalze gebacken werden; mit einem ausländischen Worte "Poffesen".


Nierenstein (W3) [Adelung]


Der Nierenstein, des -es, plur. die -e. 1) Ein Stein, welcher sich zuweilen in den Nieren erzeuget, zum Unterschiede von dem Blasensteine; Calculus renum. 2) In der Mineralogie, ein thonartiger Stein von grüner Farbe, welcher zu dem Specksteine gehöret und dem Serpentinsteine sehr nahe kommt, nur daß er härter ist. Er ist fettig anzufühlen, und von verschiedener Durchsichtigkeit; Lapis Nephriticus, Lendenstein, Franz. Siadre, Ital. Osiada del Fianco, Span. Igiada.


Nierenstolle (W3) [Adelung]


Die Nierenstolle, plur. die -n, in den Küchen, zerlassenes Nierentalg, welches man in Gestalt einer Stolle erkalten lassen, und es nachmahls wieder an den Speisen gebraucht, Nierenschmalz. S. Stolle.


Nierenstück (W3) [Adelung]


Das Nierenstück, des -es, plur. die -e, Diminut. das Nierenstückchen, ein Stück Kalbfleisch mit der Niere, oder mit einem Theile der Niere.


Nierentalg (W3) [Adelung]


Das Nierentalg, des -es, plur. inus. dasjenige Talg, welches die Nieren bey dem Rindvieh umgibt.


Nierenweh (W3) [Adelung]


Das Nierenweh, des -es, plur. inus. S. Nierenbeschwerung.


Nierenweise (W3) [Adelung]


Nierenweise, adv. S. Niere 1.


Nierig (W3) [Adelung]


Nierig, adj. et adv. S. ebendas.


Niesekraut (W3) [Adelung]


Das Niesekraut, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme des Bertrams, Achillea Ptarmica L. weil es niesen macht.


Nieseln (W3) [Adelung]


Nieseln, verb. reg. act. et neutr. welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, durch die Nase reden; im gemeinen Leben nüßeln, nüffeln, schnüffeln, bey dem Pictorius nüdern. In engerer Bedeutung, die Hauch- und Gaumenlaute mit einem durch die Nase getönten n begleiten, wie z. B. den Franzosen eigenthümlich ist. Die nieselnde Aussprache. ( S. Nasenhauch.) Es stammet von Nase ab.


Niesemittel (W3) [Adelung]


Das Niesemittel, des -s, plur. ut nom. sing. ein jedes Arzeneymittel, welches das Niesen verursacht.


Niesen (W3) [Adelung]


Niesen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und die heftige mit einem erschütternden Geräusche verbundene Ausstoßung der Luft, besonders aus der Nase, bezeichnet, welche von einer convulsivischen Zusammenziehung aller zum Athemhohlen dienlicher Muskeln, auf Veranlassung der Geruchsnerven herrühret. Schnupftabak macht niesen. Daher das Niesen.

Anm. In den Monseeischen Glossen niusan, wo auch Niosunga das Niesen ist, im heutigen Oberd. niesten, im Engl. mit vorgesetztem Zischlaute to sneeze, im Dän. nyse, im Schwed. nysa, njusa, im Angels. niesan, im Isländ. mit der gewöhnlichen Vertauschung des r und s, nera, womit auch das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - überein kommt. Es ist ohne Zweifel eine Nachahmung des mit dem Niesen verbundenen Lautes, so wie schnäutzen einen andern verwandten Laut ausdruckt. Ein Nieser, Oberd. Niester, ein einmahliges Niesen, ist nur im gemeinen Leben üblich. Die letzte Hälfte des Lat. sternutare scheint vermöge der so häufigen Vertauschung des s und t gleichfalls hierher zu gehören. Die Niedersachsen sagen statt dieses Zeitwortes prusten, prußen, und auch im Hochdeutschen sagt man von den Pferden, daß sie brausen, wenn sie niesen. In Franken ist auch pfnischen üblich.


Niesepulver (W3) [Adelung]


Das Niesepulver, des -s, plur. doch nur von mehrern Arten, ut nom. sing. ein Niesemittel in Gestalt eines Pulvers.


Niesewurz (W3) [Adelung]


Die Niesewurz, plur. inus. eine Pflanze, welche in dem südlichen Europa einheimisch ist, deren zaserige Wurzel wegen ihres scharfen flüchtigen Salzes das Niesen verursacht; Helleborus L. Christwurz, Öhlröschen. Die weiße Niesewurz, zum Unterschiede von jener schwarzen, gehöret zu einem andern Geschlechte, wohnet auf den Bergen Österreichs, Italiens und Rußlandes, und hat eine längliche Wurzel, welche gleichfalls Niesen erreget. Die wilde Niesewurz, Serapias L. hat diesen Nahmen wohl nur wegen einiger Ähnlichkeit in der äußern Gestalt; bey den ältern Kräuterkundigen heißt sie Helleborine.


Nießbrauch (W3) [Adelung]


Der Nießbrauch, des -es, plur. inus. Der Gebrauch des Genießes einer Sache, d. i. ihres Ertrages oder Nutzens; Osusfructus, die Nutznießung, der Genuß, bey Oberdeutschen Schriftstellern auch der Genießbrauch, die Nießbarkeit, die Nießung, die Abnutzung, die Fruchtnießung. Den Nießbrauch von etwas haben, den Ertrag davon genießen, im Oberd. auch bey Nutz und Gewähr sitzen; im Gegensatze des Eigenthumes. Im Oberd. hat man auch das Bey- und Nebenwort nießbarlich, der Nießbarkeit, d. i. dem Nießbrauche gemäß, in demselben gegründet. Ein Gut nießbarlich besitzen, den Nießbrauch desselben haben. Bey dem Kero ist Nutziuuachar derjenige, welcher den Nießbrauch hat, Usufructuarius. Das Zeitwort nießbrauchen und Hauptwort Nießbraucher kommen selten vor, ob sie gleich eingeführet zu werden verdienten.


Nießen (W3) [Adelung]


* Nießen, verb. irreg. neutr. ( S. Genießen,) welches im Hochdeutschen völlig veraltet ist, und eigentlich essen bedeutet zu haben scheinet. S. Genießen, welches dafür üblich ist, und Nutzen, welches mit zu dessen Verwandtschaft gehöret, so wie vermuthlich auch niedlich und Nudel.


Niet (W3) [Adelung]


Das Niet, des -es, plur. die -e, Diminut. das Nietchen, Oberd. Nietlein, ein Wort, welches ehedem einen jeden Nagel, Pflock oder dergleichen ähnliches Werkzeug, wodurch etwas befestiget wird, bedeutet zu haben scheinet. In diesem Verstande kommt es noch in der R. A. vor, niet- und nagelfest, d. i. mit Nieten und Nägeln in und an einem Hause befestiget, ( S. Nagelfest.) Außer diesem Falle gebraucht man es nur noch von einem stumpfen metallenen Nagel, welcher zwey Theile mit einander verbindet, und an einem oder beyden Enden mit der Finne des Hammers in die Breite ausgedehnet wird, damit er halte; ein Nietnagel. Z. B. das Niet in einer Schere, welches die beyden Blätter oder Klingen derselben verbindet. Etwas mit einem Niete befestigen. In einigen Gegenden werden, dem Frisch zu Folge, auch die abgezwickten Spitzen der Hufnägel Niete oder Nietlein genannt.

Anm. Nieders. Need, Neednagel, Böhm. Neytek. Gottsched und Heinze legen diesem Worte das weibliche Geschlecht bey, die Niete. Ich habe es nie in demselben weder gelesen noch gehöret, sondern beständig in dem umgewissen. S. 2 Nieten.


Niete (W3) [Adelung]


Die Niete, plur. die -n, ein Loszettel, welcher ohne Gewinn heraus kommt. Eine Niete ziehen, nichts gewinnen. Nieders. Niete, Schwed. Niet. Es stammet ohne Zweifel aus Holland und dem Holländischen niet, nichts, her.


Nieteisen (W3) [Adelung]


Das Nieteisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Hufschmieden, ein Eisen, die Hufnägel damit umzunieten.


Nieten (W3) [Adelung]


1. * Nieten, verb. reg. recipr. welches nur im Oberdeutschen üblich ist, sich bestreben, sich bemühen, sich sauer werden lassen. Sich über etwas nieten. Er hat sich viel genietet, er hat sichs sauer werden lassen. Sich zernieten. Mehrere Beyspiele führet Frisch an. Es hat eine sichtbare Übereinkunft mit dem Lat. niti, ohne eben von demselben abzustammen, indem es mit Noth, kneten, und vielleicht auch mit niedlich eines Geschlechtes ist. Das Nieders. niten, mit den Hörnern oder mit dem Kopfe stoßen, und nietsk, netelsk, stößig, gehöret gleichfalls dahin. In dem Bremisch-Niedersächsischen wird es irrig von dem Engl. Neat, ein Rind, Angels. Nyten, ( S. Noß,) abgeleitet.


Nieten (W3) [Adelung]


2. Nieten, verb. reg. Act. 1) Vermittelst eines Nietes befestigen. Zwey Stücke zusammen nieten. (Siehe auch Vernieten.) 2) Einen eingeschlagenen oder zur Verbindung eingesteckten Nagel an dem Ende breit hämmern, ihm gleichsam einen Kopf hämmern; vernieten. 3) Die hervor stehende Spitze eines eingeschlagenen Nagels umbiegen und niederschlagen, besonders in dem zusammen gesetzten umnieten.

Anm. In einem alten Vocabulario von 1482 wird nyeten durch wiederbiegen erkläret. Im Nieders. lautet dieses Zeitwort needen, neen, nien. Frisch lässet es von nähen, Naht, abstammen, da es denn verbinden überhaupt bedeuten würde. Allein es kann auch zu Nadel, Nessel, (Nieders. Nettel,) und andern dieses Geschlechtes gehören, und zunächst den Begriff der Spitze ausdrucken.


Niethammer (W3) [Adelung]


Der Niethammer, des -s, plur. die -hämmer, bey verschiedenen Handwerkern, ein Hammer, welchen man auf das eine Ende des Nietes hält, wenn man das andere Ende breit hämmert; bey den Schlössern aber der Bankhammer, weil er zum Vernieten auf der Bank gebraucht wird.


Nietnagel (W3) [Adelung]


1. Der Nietnagel, des -s, plur. die -nägel, ein Nagel, welcher am Ende eine Vernietung bekommt, breit gehämmert wird.


Nietnagel (W3) [Adelung]


2. Der Nietnagel, des -s, plur. die -nägel. 1) Ein Stückchen von dem Nagel eines Fingers, welches sich von dem übrigen Theile absondert, unten aber mit der Wurzel in dem Fleische festsitzet, und Schmerzen verursacht. 2) Ein Stückchen aufgesprungene Haut an dem Nagel am Finger, welches oft weiter reißet und alsdann empfindliche Schmerzen verursacht; in einigen Gegenden das Nagelstroh, die Nagelwurzel, der Neidhaken, im Nieders. Hungertitten, Hungerzitzen, Dän. Nägleröd. Die schmerzhafte Empfindung von beyden Arten von Nietnägeln wird auch der Nagelzwang, Schwed. Nageltraug genannt.

Anm. In den gemeinen Sprecharten lautet dieses Wort bald Neidnagel, bald Neider, bald Niednagel. Gemeiniglich siehet man es als eine Figur der vorigen Nietnägel an. Allein die Niedersächsische Mundart, in welcher dieses Wort Nothnagel lautet, beweiset, daß es mit 1 Nieten, zu Noth gehöret, und einen Nagel bedeutet, der Schmerzen verursacht, daher ein Nietnagel im Engl. auch Angnail, Angstnagel, genannt wird. So fern nieten, sich heftig bemühen, stoßen, und figürlich Schmerzen verursachen, auch mit Neid, heftige Leidenschaft, verwandt ist, lassen sich auch die Schreib- und Sprecharten Niednagel oder Neidnagel vertheidigen, wenn man nur dabey nicht an den Neid in der heutigen Bedeutung denkt, wie der große Haufe zu thun pflegt.


Nietpfaffe (W3) [Adelung]


Der Nietpfaffe, des -n, plur. die -n, bey den Schlössern, ein Pfaffe, d. i. eine Art Meißel, welchen man auf die Niete, zu welcher man mit dem Hammer nicht kommen kann, setzet, und mit dem Hammer darauf schlägt. S. Pfaffe.


Nifel (W3) [Adelung]


Die Nifel, S. Feifel.


Niffeln (W3) [Adelung]


* Niffeln, verb. reg. act. welches nur in den gemeinen Sprecharten für reiben üblich ist, wofür man auch wohl riffeln zu sagen pflegt. Das Holz hat sich stark abgeniffelt, abgeriffelt, oder abgerieben.


Niftelgerade (W3) [Adelung]


Die Niftelgerade, plur. die -n, diejenige Gerade, d. i. dasjenige Geräth, welches die nächste Niftel, d. i. Nichte, oder Blutsfreundinn mütterlicher Linie, von ihrer verstorbenen Muhme, Base oder Niftel erbt, welches, weil es die Hälfte der gewöhnlichen Gerade ausmacht, auch die halbe Gerade genannt wird. Von Niftel, welches ehedem auch für Nichte üblich war, S. das letztere.


Nikawitz (W3) [Adelung]


* Der Nikawitz, des -es, plur. die -e, ein im Österreichischen üblicher Nahme des Bergfinken, welcher in Niedersachsen Quäker genannt wird. ( S. Bergfink.) Das Wort scheinet Slavonischen oder Ungarischen Ursprunges zu seyn, wenn es nicht eine Nachahmung seines Geschreyes ist.


Nikolaus (W3) [Adelung]


Nikolaus, ein aus dem Griechischen entlehnter männlicher Taufnahme, von - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, der Sieg, und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, das Volk, welcher im gemeinen Leben in Nickel, und mit Wegwerfung der ersten Sylbe in Klaus, Claus und Klas verkürzet wird.


Nilpferd (W3) [Adelung]


Das Nilpferd, des -es, plur. die -e, ein vierhufiges vierfüßiges Thier, welches der Gestalt nach einem Schweine gleicht, so groß wie ein Bär ist, und im Wasser lebt; Hippopotamus. Es hält sich in einigen Flüssen in Asien und Afrika, besonders aber in dem Nile auf, und gleicht übrigens weder einem Pferde noch einem Ochsen, ungeachtet es auch Flußpferd und Flußochse genannt wird.


Nimmer (W3) [Adelung]


Nimmer, ein Umstandswort der Zeit, welches eine doppelte Bedeutung hat, und allem Ansehen nach auch zwiefachen Ursprunges ist. 1. Zu keiner Zeit, niemahls, so wohl von einer künftigen, als von einer vergangenen Zeit, im Gegensatze des immer, aus welchem und der alten Verneinung ni, es auch zusammen gesetzet ist; bey dem Ottfried niamer, bey welchem jamer für immer vorkommt. Die Wolkensäule wich nimmer von dem Volke des Tages, 2 Mos. 13, 22. Das Feuer soll nimmer verlöschen, 3 Mos. 6, 12. Der Gottlosen Bauch hat nimmer genug, Sprichw. 13, 25. Das Auge siehet sich nimmer satt, Pred. 2, 8. Hochmuth thut nimmer gut, Sir. 3, 30. Faule Leute werden nimmer reich. Das werde ich nimmer vergessen. Mein Urtheil das mir fällt, Das kostet nimmer Geld, Weil solches unbehellt, Mein Richter mir bestellt, Logau. Der mit bestälter Äsche, nimmer müde, Den rasenden Encelados Zurücke warf, Raml. Im Hochdeutschen ist doch dafür niemahls, nie, und in manchen Fällen das verstärkte nimmermehr üblicher. Das nicht ist hier eben so überflüßig und fehlerhaft, als bey andern verneinenden Wörtern. Wer nimmer nichts versucht, der weiß nicht was er kann, Logau. Im gemeinen Leben macht man mit diesem Worte allerley Zusammensetzungen. Ein Nimmersatt, Nimmergenug, welcher niemahls satt wird, niemahls genug hat, Nimmerfroh, der niemahls froh wird, Nimmernüchtern, der niemahls nüchtern ist, auf Sanct Nimmerstag, niemahls u. s. f. 2. * Für nicht mehr, nicht wieder, die Wiederhohlung oder Fortdauer zu verneinen, im Gegensatze des wieder und noch; da es denn aus nie und mehr zusammen gesetzet ist. Es ist noch um ein kleines, so ist der Gottlose nimmer, Ps. 37, 10. Wenn nimmer Holz da ist, verleschet das Feuer, Sprichw. 26, 20. Wenn der Wind darüber gehet, so ist sie nimmer da, Ps. 103, 16. Ich will ihrer Sünde nimmer gedenken, Jer. 31, 34; wo bessere Ausgaben nicht mehr haben. Er kommt nimmer. Ich konnte die Schmerzen nimmer ausstehen. Nimmer thun ist die beste Buße, nicht mehr thun. In dieser Bedeutung ist es nur in den gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, üblich. Die anständige Schreibart kennet sie nicht. Anm. Bey dem Ottfried niamer, bey den Schwäbischen Dichtern niemer, im Nieders. nümmer, im Engl. never.


Nimmermehr (W3) [Adelung]


Nimmermehr, adv. temp. schlechterdings zu keiner Zeit, in der ersten Bedeutung des vorigen Nebenwortes, und nur von einer künftigen Zeit. Der Gerechte wird nimmermehr umgestoßen, Sprichw. 10, 30. Liebe höret nimmermehr auf, 1 Cor. 13, 8. Bedenke das Ende, so wirst du nimmermehr übels thun, Sir. 7, 40. Das soll nimmermehr wieder geschehen. Nun, und nimmermehr, eine Verstärkung des nimmermehr. Nein, nun und nimmermehr soll das geschehen. Nimmermehr wird das geschehen. So kommen wir nimmermehr zu Stande. Zuweilen wird es auch figürlich als eine starke Verneinung gebraucht. Das will ich nimmermehr hoffen. Sie werden doch ihre Braut nimmermehr bey einem fremden Menschen alleine lassen? Weiße. Das hätte ich nimmermehr gedacht. Bey dem Stryker nimmermere.


Nippen (W3) [Adelung]


Nippen, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur in den gemeinen Sprecharten üblich ist, im Trinken kleine, behende Züge thun, wenig auf Ein Mahl trinken.


Nirgend (W3) [Adelung]


Nirgend, Nirgends, ein Nebenwort des Ortes, an keinem Orte, im Gegensatze des irgend oder irgends. Hab ich doch nirgend keine Hülfe, Hiob 6, 13. Ein Gott desgleichen nirgend ist, Es. 46, 9. Ein Prophet gilt nirgend weniger als in seinem Vaterlande, Matth. 13, 7. Ich weiß nirgends hin. Ich sehe es nirgends. Im Grabe ist Trost für mich, sonst nirgends, Weiße. Nirgends wo, im gemeinen Leben, für nirgends.

Anm. Im Nieders. nergen, nargens. In dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter kommt dafür nieware vor, von war, wo, so wie in den gemeinen Oberdeutschen Mundarten statt nirgends auch nienen, nienent, und nindert, im Gegensatze des indert üblich. Nirgends mit dem s am Ende ist im Hochdeutschen üblicher als nirgend, so wie irgend häufiger ist, als irgends. Im Böhmischen lautet dieses Nebenwort nikdez.


Nische (W3) [Adelung]


Die Nische, plur. die -n, Diminut. das Nischen, Oberd. Nischlein, ein aus dem Franz. Niche entlehntes Wort, eine Aushöhlung in der Wand eines Gebäudes zu bezeichnen, ein Bild, oder eine Bildsäule darein zu stellen; die Blende, Bilderblende. In den gemeinen Sprecharten auch Nische. Ital. Nicchio.


Nischel (W3) [Adelung]


* Der Nischel, des -s, plur. ut nom. sing. nur in den gemeinen Sprecharten, besonders Obersachsens, den Kopf im verächtlichen Verstande oder im Scherze zu bezeichnen. Verflucht, die Haare fahren mir alle auf dem Nischel empor, Weiße. Es scheinet zu Nuß, Niere, und allen Wörtern dieses Geschlechtes zu gehören, welche etwas Rundes, Erhabenes bedeuten. In einigen Gegenden wird der Mossperling Holznischel und Muschelnischel genannt, wo es aber zu einem andern Stamme gehören muß.


-niß (W3) [Adelung]


-niß, eine Ableitungssylbe, welche Hauptwörter aus Bey- und Zeitwörtern bildet, welche theils die Handlung selbst oder einen Zustand, theils aber auch eine Sache, welche etwas thut, oder auch welche gethan wird, einen Ort u. s. f. bedeuten. Die Wörter, aus welchen vermittelst dieser Endung Hauptwörter gebildet werden können, sind 1) Beywörter, von welcher Art Finsterniß, Wildniß, Geheimniß, und die veralteten Schwerniß und Wärniß sind. 2) Zeitwörter, deren Anzahl größer ist. Die Bildung kann hier so wohl von dem Infinitive geschehen, da denn die erhaltenen Hauptwörter zuweilen die Stelle der Verbalium auf -ung vertreten, wie Empfängniß, Fäulniß, Verdammniß, Erlaubniß, Fahrniß, Kümmerniß, Besorgniß, Begegniß, Beschwerniß, Ärgerniß, Hinderniß, Säumniß u. s. f. Da denn, wenn die beybehaltene Stammsylbe des Zeitwortes sich schon auf ein n endiget, das t euphonicum eingeschaltet wird, wie Kenntniß, Erkenntniß, Bekenntniß. Als auch von dem Mittelworte der vergangenen Zeit, da denn, wenn sich dasselbe auf ein t oder en endiget, diese weggeworfen werden; auf welche Art Betrübniß, Bündniß, Geständniß, Begängniß u. s. f. aus betrübt, gebunden, gestanden, begangen gebildet sind. Nur der Wohllaut behält zuweilen das t bey, wie in Bewandtniß, Vermächtniß, Gedächtniß und vielleicht noch einigen andern. Gemeiniglich werden auch die Selbstlauter a, o und u, in ä, ö und ü verwandelt. Nur Erlaubniß, Fahrniß, Bewandtniß, Verdammniß, Besorgniß, Befugniß und Erforderniß behalten ihre Selbstlauter. Was die Bedeutung dieser Wörter betrifft, so hängt selbige von denjenigen Wörtern ab, von welchen sie gebildet worden. 1) Sind es Beywörter, so bezeichnen sie so wohl das Abstractum, als auch das mit der Eigenschaft des Beywortes begabte Ding. 2) Die von Infinitiven gemachten Hauptwörter, bedeuten theils die Handlung, den Zustand, wie Begräbniß, Gefängniß, Verlöbniß u. s. f. bekommen aber auch verschiedene figürliche Bedeutungen, und vertreten im ersten Falle die Zeitwörter auf -ung; theils aber auch ein Ding, welches die Handlung des Zeitwortes verrichtet, welches aber keine Person seyn darf, wie Bedrängniß, Fahrniß, was fähret oder sich bewegt, welches aber auch von dem Mittelworte gemacht seyn kann, etwas welches beweget wird, Begegniß, was uns begegnet, Beschwerniß, Ärgerniß, Hinderniß, Versäumniß, Bedürfniß, was man bedarf, Behältniß, was etwas aufbehält u. s. f. 3) Diejenigen, welche von dem Mittelworte der vergangenen Zeit herkommen, bezeichnen theils, so wie die von Beywörtern, ein Abstractum, oder den Zustand, theils auch etwas das gethan wird; wie Bündniß, Geständniß, Vermächtniß, Gedächtniß, Verständniß, Bildniß u. s. f. In manchen Wörtern kommen mehrere dieser Bedeutungen zusammen, und alsdann scheinet auch das Wort so wohl von dem Infinitive, als auch von dem Mittelworte zugleich gebildet zu seyn. Mit dem Geschlechte dieses Wortes haben sich die Sprachlehrer viel zu schaffen gemacht. In dem 2ten Bande der Schriften der Anhältischen Deutschen Gesellschaft wird S. 432 auf sieben Blättern davon gehandelt; Heynatz widmet demselben in seinem zehnten Briefe gleichfalls sieben Blätter, und Stosch handelt im dritten Theile seiner Bestimmung gleichbedeutender Wörter S. 418 auch davon. Daß die Wörter auf -niß so wohl im weiblichen als ungewissen Geschlechte üblich sind, gestehet ein jeder ein. Die meisten wollen mit Gottscheden das weibliche Geschlecht gebrauchen, wenn ein Wort das Abstractum oder die Handlung bedeutet, und das ungewisse, wenn es im Concreto gebraucht wird. Ich weiß nicht, warum sich bloß die Wörter auf -niß diesem Gesetze unterwerfen sollen, da wir so viele tausend andere haben, welche so wohl im Abstracto als Concreto gebraucht werden, ohne jemahls ihr Geschlecht zu ändern. Das sicherste ist also wohl, man halte sich an den Gebrauch, und lasse einem Worte dasjenige Geschlecht, welches demselben am häufigsten gegeben wird. Freylich ist der Gebrauch hier sehr schwankend und ungewiß. Im Oberdeutschen sind die meisten Wörter auf niß weiblichen Geschlechtes, obgleich auch viele daselbst im ungewissen üblich sind, denen wir im Hochdeutschen das weibliche beylegen. Die Hinderniß, die Bildniß, die Bündniß, die Gefängniß, das Wildniß, das Finsterniß, das Fäulniß u. s. f. sind lauter Oberdeutsche Formen, und man gebraucht sie, ohne auf die Bedeutung zu sehen, das Wort mag ein Abstractum oder ein Concretum bezeichnen. Hingegen lieben die Niedersachsen in diesen Wörtern das ungewisse Geschlecht, ohne doch das weibliche ganz auszuschließen. Im Hochdeutschen sind folgende am häufigsten weiblichen Geschlechtes: die Betrübniß, die Bedrängniß, die Bewandtniß, die Besorgniß, die Beschwerniß, die Begegniß, welche beyden letztern doch nur selten vorkommen, die Empfängniß, die Erkenntniß, die Erlaubniß, die Fahrniß, die Finsterniß, die Fäulniß, die Kenntniß, die Kümmerniß, die Verdammniß, die Wildniß, und vielleicht noch einige andere nicht so übliche. Das ungewisse hingegen bekommen: das Ärgerniß, das Bedürfniß, das Befugniß, das Begräbniß, das Bekenntniß, das Bundniß, das Bildniß, das Behältniß, das Einverständniß, das Erforderniß, das Geheimniß, das Geständniß, das Gedächtniß, das Gefängniß, das Gleichniß, das Hinderniß, das Leichenbegängniß, das Mißverständniß, das Versäumniß, das Verlöbniß, das Verhältniß, das Vermächtniß, das Verzeichniß; das Verhängniß, das Zeugniß, und vielleicht noch einige andere. Wollte man diese nach der Regel formen, daß sie weiblich seyn sollten, wenn sie den Zustand oder die Handlung bedeuten, aber ungewiß, wenn sie ein Concretum bezeichnen, so müßte man den ganzen Sprachgebrauch umschaffen, ohne eben etwas gethan zu haben, welches die Mühe belohnete. Einige der jetzt angeführten Wörter sind im Hochdeutschen zweifelhaft, und bekommen in einerley Bedeutung von einigen das weibliche, von andern aber das ungewisse Geschlecht, je nachdem jeder der Ober- oder Niederdeutschen Mundart günstiger ist. Einige andere sind in verschiedenen Bedeutungen wirklich in beyden Geschlechtern üblich, und diese muß man denn freylich so lassen wie sie sind. Vermuthlich rühret solches daher, daß es in der einen Bedeutung von den Oberdeutschen, in der andern aber von den Niederdeutschen entlehnet worden. Die Oberdeutsche Mundart liebt diese Ableitungssylbe vorzüglich, daher sind in derselben eine Menge solcher Hauptwörter gangbar, welche die übrigen Mundarten, und folglich auch die Hochdeutsche nicht kennen. Viele derselben sind von Heynatz, und im 2ten Bande der Schriften der Anhältischen Gesellschaft, an den angeführten Orten aufgezählet worden. Sie könnten aber gar leicht vielfach vermehret werden, wenn es die Mühe belohnete. Es scheinet sogar, daß man im Oberdeutschen täglich neue Wörter vermittelst dieser Sylbe bilde, wenn man sie bedarf. Im Hochdeutschen ist diese Freyheit nicht so uneingeschränkt, und es machte viel Schreibens, als Abt das Wort Empfindniß von dem Zustande des Empfindens gebrauchen wollte. Diese Sylbe ist sehr alt, und lautet bey dem Ulphilas -nassus, bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern -nisse, nisso, nissa, welche Endsylben a, e, o zugleich Beweise des weiblichen Geschlechtes sind, bey den heutigen Oberdeutschen -nuß und im Plural -nüsse, im Angels. -nisse, -nysse, -nesse, im Engl. -ness. Die Alten machten gern Abstracta damit. So ist im Isidor Miltnisso die Milde, und Hartnissa die Härte. Im Nieders. wo es doch seltener vorkommt lautet es -nis und -nisse, Drövnis, Betrübniß, Venknisse, Gefängniß, Gefangenschaft, Düsternis, Finsterniß, Erfniß, Erbe, Eigenthum. Um die Abstammung dieser Sylbe, welche doch gewiß kein leerer Schall ist, hat sich noch niemand bekümmert. So fern die concrete Bedeutung, wie sehr wahrscheinlich ist, die erste und älteste ist, scheinet es mit Noß, Nuß, so fern es noch in manchen Gegenden ein Ding überhaupt bedeutet, verwandt, oder vielmehr ein und eben dasselbe Wort zu seyn, S. Noß.


Nisse (W3) [Adelung]


Die Nisse, sing. inus. 1) Die Eyer der Läuse, besonders in den Haaren. Nisse haben. Die Nisse abkämmen. 2) Auch die Eyer der Bienen werden von einigen Nisse genannt, dagegen sie bey andern, welche die Bienen für ein lebendig gebärendes Insect halten, Maden heißen.

Anm. Bey ältern Oberdeutschen Schriftstellern Nizze, im Nieders. Nete, im Engl. Nits, im Wallis. Nett, im Angels. mit dem vorgesetzten Hauche Hnitu, im Dän. Gnid, im Schwed. Gnet, im Böhm. Hnida, im Pohln. Gnida, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Es bedeutet ohne Zweifel einen kleinen runden Körper, so wie Nuß einen solchen größern, ( S. das letzte.) Auf ähnliche Art heißen sie im Lat. Lentes, indem Linschen, Lieschen, auch im Deutschen von einem sehr kleinen Stückchen gebraucht werden. Der Singular wird selten gebraucht; sollte er nöthig seyn, so müßte das Wort in demselben die Niß heißen.


Nisten (W3) [Adelung]


Nisten, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, sein Nest bauen oder bereiten, am häufigsten in Beziehung und mit Meldung des Ortes. Die Vögel nisten auf den Cedern, Ps. 104, 17. Daß des Sommers die Vögel darin nisten, Es. 18, 6. Thut wie die Tauben, so da nisten in den hohlen Löchern, Jerem. 48, 28. Die Eulen nisten auf den Kirchthürmen und in altem Gemäuer, die Schwalben an den Wänden, die Rohrdommel im Rohre. Von solchen Thieren, welche keine Nester haben, ist es im eigentlichsten Verstande nicht gebräuchlich, ob es gleich Es. 34, 15 heißt: der Igel wird auch daselbst nisten, und auch Opitz sagt, wo grimme Leoparden nisten. Von Raubvögeln gebrauchen die Jäger das Wort horsten. Ingleichen figürlich, sich an einem Orte fest setzen, seinen dauerhaften Aufenthalt daselbst nehmen, im Scherze und verächtlichen Verstande. Laß Keine Lust zu bösen Lüsten, In dem innern Menschen nisten, Gryph. Wofür doch im Hochdeutschen sich einnisten üblicher ist. Daher das Nisten.

Anm. Bey dem Willeram und Notker nisten und nesten, im Nieders. nesten, im Angels. nistian, im Engl. to nestle, im Franz. nicher, im Schwed. nästla, im Lat. nidisicare. S. Nest.


Nivelliren (W3) [Adelung]


Nivelliren, S. Abwägen.


Nix (W3) [Adelung]


Der Nix, des -es, plur. die -e, ein erdichtetes Wassergespenst, von unförmlicher Gestalt, mit welchem man noch im gemeinen Leben die Kinder zu schrecken pflegt. Man sagt, daß er in den Teichen, Flüssen und Seen wohne, und die Schwimmenden, oder auch diejenigen, welche dem Wasser zu nahe kommen, bey den Füßen unter das Wasser ziehe und sie tödte. Die Kinder der Nixen heißen Kielkröpfe, weil es in ihren Kröpfen stets kielet oder kluchzet.

Anm. Dieses Wassergespenst heißt im Schwed. Necken, im Dän. Nicken, im Isländ. Nikur, auch im Deutschen bey einigen Nickert, im Engl. Nick, im mittlern Latein. Nocca, Neccus; Wachter leitete dieses Wort von dem Dän. nocken, ersticken, ab, im mittlern Lat. necare und negare, wovon der Henker im Nieders. Nicker, und der Teufel im Engl. Nick, genannt wird. Allein es scheinet vielmehr ein Überrest der alten nordischen Mythologie zu seyn, nach welcher Necken bey den ältern Schweden der Gott des Meeres war, welcher bey den Griechen und Römern Neptun hieß; welches Wort mit der ersten Sylbe in Nektar, und wenn man das N, wie aus so vielen andern Wörtern erweislich ist, als einen zufälligen Buchstaben ansiehet, auch mit dem alten Aach, aqua, Wasser, verwandt ist. Im Dän. bedeutet Nisse einen jeden Kobold oder Poltergeist, und bey den heidnischen Schweden wurden die Genii Nissar genannt.


Nixblume (W3) [Adelung]


Die Nixblume, plur. die -n, im gemeinen Leben einiger Gegenden, ein Nahme des Froschbisses, Hydrocharis L. welcher in den lehmigen Wassergräben Europens wächset.


Nobel (W3) [Adelung]


Der Nobel, des -s, plur. ut nom. sing. eine ehemahlige Englische Goldmünze, welche auch in andern Ländern nachgeschlagen wurde, und deren es von verschiedenem Gehalte gab. ( S. Heinrichs-Nobel, Rosen-Nobel und Schiffs-Nobel.) Der Nahme ist aus dem mittlern Lat. Nobile, Nobulus, Noblus, welchen Nahmen diese Münze erhielt, als sie 1344 zum ersten Mahle in England geschlagen wurde.


Noberge (W3) [Adelung]


Die Noberge, sing. inus. ein nur in den Eislebischen Bergwerken übliches Wort, wo das Dach der Schiefer, d. i. diejenige Erd- oder Steinart, welche zunächst oben auf den Schiefern liegt, die Noberge genannt wird. Die erste Sylbe scheint hier von nabe abzustammen, weil die Noberge doch die nächste Bergart vor den Schiefern sind.


Nobiskrug (W3) [Adelung]


Der Nobiskrug, S. Obiskrug.


Noch (W3) [Adelung]


Noch, eine Partikel, welche im Deutschen von einem großen Umfange ist, und bey einem gehörigen Gebrauche viel zu dem Nachdrucke und zu der Ründe der Rede beyträgt. Sie kommt in einer dreyfachen Hauptbedeutung vor, und stammet in denselben allem Ansehen nach auch aus einer dreyfachen Quelle her. 1. Als ein Bindewort oder Nebenwort, eine Verneinung zu bezeichnen, doch nur alsdann, wenn mehrere Dinge in einzelnen Sätzen oder Gliedern verneinet werden. Noch sielt uf ere noch uf tugent, der Burggraf von Riedenburg. Noch hende noch die fueze, eben derselbe. Noch nid noch has der nie gelag, ebend. Verhundert, daß noch Recht noch Satzung reden kann, Opitz. Hier will noch Ceres weichen, Noch Bacchus, ebend. Du sollst dich selber nicht noch loben noch verachten, ebend. In dieser Gestalt ist es im Hochdeutschen veraltet, und wir gebrauchen es nur zur Fortsetzung einer aus mehrern Gliedern bestehenden Verneinung, da denn das erste Glied weder bekommt, alle folgende aber mit noch verneinet werden. Er hat weder Geld noch Credit. Er ist weder krank noch gesund. Verrio ist weder zur Freundschaft fähig, noch fähig, Freundschaft in andern zu erregen. Wenn mehrere Sätze auf einander folgen, welche aus solchen sich auf einander beziehenden Verneinungen bestehen, so wird das weder - noch so oft wiederhohlet, als der Sinn der Rede es erfordert. Weder Freude noch Leid, weder Glück noch Stern, weder Ruhm noch Ehre. Im Oberdeutschen wird für weder - noch, das weder zwey Mahl gebraucht, S. dieses Wort. Indessen folgt dieses noch im Hochdeutschen nicht bloß auf weder, sondern es setzt eine jede vorher gegangene Verneinung fort, wenn selbige aus einzelnen Gliedern bestehet; ein Gebrauch, welchen Gottsched tadelte, der aber das Ansehen aller Zeiten und Schriftsteller und selbst das Lat. neque für sich hat. Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen. Kein Mensch noch Thier. Ich habe es niemahls gesehen, noch etwas davon gehöret. Nichts Neues noch Erhebliches. Ein herrlicher Tod, nicht auf dem Rosenbette der weichlichen Muße, nicht gleichgültig dem Vaterlande, noch unberühmt bey den künftigen Enkeln. Es lautet in dieser verneinenden Bedeutung schon im Isidor und bey dem Kero noh, und kommt so wohl in dem Klange, als in dem Gebrauche sehr mit dem Lat. nec und neque überein. Da es eigentlich auch nicht, und nicht bedeutet, so ist sehr wahrscheinlich, daß es hier aus der alten Verneinung ni, und oh, auch, zusammen gesetzet worden, so wie bey den ältesten Deutschen Schriftstellern joh, von ja, und och, auch, als ein Gegensatz von noch vorkommt. Die Lateinischen nec und neque sind auf ähnliche Art aus ne und ac, und ne und que zusammen gesetzet. 2. Als ein Nebenwort der Zeit oder Bindewort, die Fortdauer einer gegenwärtigen Handlung zu bezeichnen, für bis jetzt, obgleich mit einem Nebenbegriffe, welcher sich besser empfinden, als durch Worte ausdrucken lässet; im Gegensatze des nicht mehr. Der Begriff des Gegenwärtigen beziehet sich alle Mahl auf die redende Person, oder auch auf die gemeldete Handlung. Er lebt noch. Ich weiß es noch. Bist du noch böse? Ist er noch da? Er ist noch immer krank. Es ist noch früh, im Gegensatze des, es ist nicht mehr früh. Als er noch schlief. Die Witterung war noch günstig, als er ausreisete. Kann es noch bewerkstelliget werden? Wohl ihm, wenn es noch ändern kann, wenn es jetzt zur Änderung nicht zu spät ist. Als noch das Vaterland deine Hände bewaffnete, Dusch. Warum er unsrer Welt vor tausend andern rief, Als alles in der Nacht der Möglichkeit noch schlief, Gieseke; besser: als noch alles u. s. f. Weißt du noch, wie schwer sein stolzes Herz mir den Sieg machte? Dusch. So oft ich ihn noch gefraget habe, hat er es alle Mahl geläugnet. Die so genannten Großen, werden oft noch bey ihrem Leben sehr klein. Sie nahmen auch doch noch mit? Wo es in der gewöhnlichen erzählenden Wortfügung nach einer nachdrücklichen Inversion auch voran gesetzet werden kann. Noch ist er nicht da, für er ist noch nicht da. Noch niemahls habe ich so etwas gesehen. Noch ist es Zeit. Noch zur Zeit nicht, gegenwärtig noch nicht. Aber ach! noch irr ich immer hin, wohin der Gram mich bannt. Umkränzt mit Rosen eure Scheitel, Noch stehen euch die Rosen gut, Haged. Es kann, ob es gleich ein Nebenwort ist, nicht allein Zeitwörtern, sondern auch andern Redetheilen zugesellet werden, wo die vorige Bedeutung im Ganzen bleibt, ob sie gleich in einzelnen Fällen zuweilen manche Nebenbedeutungen an sich nimmt. Mit noch blutigen Händen. Besonders in Verbindung mit Nebenwörtern. Noch heute soll es geschehen. Ich habe ihn noch gestern gesehen, erst gestern. Da es noch kaum Tag war, vix dum. Der frühe Hahn hat kaum noch den Morgen gegrüßt, Geßn. Kaum hatte noch des Schneiders Hand Dem Affen ein erflickt Gewand Von bunten Flecken umgehangen. Gell. In dem Schooße des Stückes ist noch selten ein Mann erzogen worden, Dusch. Zuweilen bedeutet es sehr bestimmt bis jetzt. Der niederträchtigste Mensch, den ich noch gesehen habe. Oft aber druckt es auch eine von jetzt an noch künftige Zeit aus, wo es auch zu der folgenden steigenden Bedeutung gehören kann. Er wird noch kommen. Er kommt noch. Er wird schon noch kommen. Es findet sich wohl noch jemand, der es thut. Was wirds noch werden? Wie lange sollte deine Blüthe und deine Schönheit diese Blumen wohl noch überleben? Dusch. Wo es denn oft in der vertraulichen Sprechart zugleich andeutet, daß eine Sache noch nicht geschehen ist. Er soll noch wieder kommen. Ich soll es noch wieder haben. In Gesellschaft mit den verneinenden Wörtern nicht, nichts, nie, niemahls u. s. f. hat es die einfache Bedeutung des bis jetzt. Er ist noch nicht da, im Gegensatze des schon. Es ist noch nicht Zeit. Das habe ich noch nie gesehen. Das ist noch niemahls geschehen. Sagst du mir es noch nicht, wo er ist? Noch ist die Sonne nicht hinter dem Berge hervor, Geßn. Auch in dieser ganzen Bedeutung lautet es schon bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern noh, im Nieders. nog, nah. Von dem vorigen ist es ganz verschieden, vielleicht auch von dem folgenden. Es scheinet in der Bedeutung der gegenwärtigen Zeit mit nahe, nun, und neu verwandt zu seyn, zumahl da Kero in dieser Bedeutung nunoh für noch gebraucht. Die Lateiner drucken es durch adhuc, etiam nunc, etiamnum, etiam dum u. s. f. aus. Im Oberdeutschen und zuweilen auch im Hochdeutschen wird dafür auch das verstärkte annoch gebraucht. S. dasselbe. 3. Als ein Nebenwort, welches eine steigernde, vermehrende Bedeutung hat. Eine Zahl oder Menge zu steigern. Er sagte noch, u. s. f. Dazu kommt noch, es kommt noch dazu, noch kommt dazu, welche Inversionen doch nicht in allen Fällen angehen. Außer dem habe ich noch dieses. Es sind ihrer noch mehr. Ich habe dir noch viel zu sagen. Ich habe dir noch etwas zu sagen. Ich will sehen, ob ich nur noch einige Tage Aufschub erhalten kann. Einige Tage sollten nur unsere Glückseligkeit verschieben. Noch ist hier eine Bittschrift einer Emilie Bruneschi, Less. Eines müssen sie mir noch versprechen. Ich habe noch für ein größer Geschenk gesorgt, Gell. Für ein noch größeres Geschenk, würde den Comparativ steigern. Und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand warten sollte, Gell. Ich muß dich noch etwas fragen, ebend. Besonders mit Zahlwörtern. Sage mir es noch Ein Mahl. Thue es nur noch ein Paar Mahl. Wenn du noch Ein Mahl wieder kommst. Ich sage es noch Ein Mahl. Noch zwey Mahl so viel. Noch Ein Mahl so lange. Ich bin des Todes, wenn das noch Eine Stunde währet. Ingleichen mit Comparativen. Noch größer, noch länger, noch weiter. Das wird meinen Schmerz noch vergrößern, noch größer machen. Das macht ihn mir nur noch lieber. Sie ist noch tugendhafter als Doris. Im gemeinen Leben pflegt man das einfache noch zuweilen für noch Ein Mahl so zu setzen, welches aber die gute Schreibart gern vermeidet. Vorhin sang sie noch so artig, noch Ein Mahl so artig. Es muß noch so viel seyn, noch Ein Mahl so viel. Sehr oft steigert es auch die Intension, besonders anderer Nebenwörter. Das ist noch weit gefehlt. Es ist noch lange nicht Tag. Kommen sie noch so spät? Mancher der sich für noch so weise hält, ist dennoch ein Thor. Kaum hört man noch ein Vögelchen im Gebüsche zwitschern, Weiße. Machen sie mir noch so viele Vorwürfe, Gell. Wenn er mich auch noch so sehr bitten sollte. Was ist der beste Mensch, der auf der Bahn des Lebens noch so vorsichtig wandelt? Gell. Wenn es mir auch noch so sauer werden sollte, ebend. Und wenn es auch noch so sehr mit meinen Wünschen stritte, ebend. Sie habe ihrem Bräutigam noch so viel zu danken, so bin ich ihnen doch eben so viel schuldig, ebend. Ich mag ihm noch so sehr zureden, er thut doch was er will. Ich konnte kaum den Thurm und also noch viel weniger die Kirche sehen. Oft bedeutet es, dessen ungeachtet, nach allem was vorher geschehen, oder im vorigen gesagt worden. Du kannst noch lachen? Du unterstehest dich noch, mich darum zu bitten? Dieß könnt ihr noch von mir begehren? Gell. Du unterstehest dich noch, ihn zu vertreten und zu entschuldigen? ebend. Und er konnte noch die Wahrheit für Schmeicheley halten. Ich hatte es deutlich gesehen, und er wollte es noch läugnen. Welche derbe grobe Speise! Und ihr zankt euch noch um sie? Michäl. Es kommt in dieser Bedeutung dem davon gebildeten weit bestimmtern dennoch nahe, und wurde ehedem gemeiniglich dafür gebraucht. Schon im 8ten Jahrhunderte kommt das noh für dennoch vor, und Ottfried und seine Nachfolger gebrauchen es beständig so, dagegen bey den Schwäbischen Dichtern ie noh dafür gefunden wird. Noch ließ er mit nichte darvan, Theuerd. Kap. 63. Wiewohl mein arbeit ist verlorn Bißher gewesen an dem Held gehewr, Noch so wil ich mein abentheuer Versuchen u. s. f. Kap. 57. Wo man auch häufig noch dannoht für dennoch findet. Siehe Dennoch. Oft dienet noch bloß zur Intension der ganzen Rede, und bekommt alsdann allerley kleine Nebenbedeutungen, welche sich schwerlich mit andern Ausdrücken erschöpfen lassen. Er befahl es mir noch auf seinem Todbette. Wenn er mir es noch gesagt hätte, so sollte es mich nicht verdrießen. Das ginge schon noch an. Das läßt sich noch essen. Auch sein Vergehen ist noch ein Verdienst, Gell. Auch selbst der Zorn läßt ihr noch schön, ebend. Sie sollen auch nach meinem Tode noch glücklich seyn.

Anm. Auch in dieser Bedeutung bey den ältesten Schriftstellern noh, im Nieders. nog und noch. In einigen Fällen der 3ten Bedeutung kann es wohl eine Figur der zweyten seyn; allein in den meisten ist es doch wohl ein eigenes Wort, welches entweder zu nug in genug gehöret, oder auch von auch, vermittelst des n als eines müßigen Vorschlages, welcher sich vor so vielen andern Wörtern findet, gebildet worden, zumahl da man es im Lat. in den meisten Fällen durch etiam, etiam si u. s. f. ausdrucken muß.


Nochmahls (W3) [Adelung]


Nochmahls, ein Nebenwort, für noch Ein Mahl. Er kam nochmahls zu mir. Ich sage es dir nochmahls. Von dem unentbehrlichen s am Ende, S. 6 Mahl.


Nochmahlig (W3) [Adelung]


Nochmahlig, adj. von dem vorigen Nebenworte, was nochmahls ist oder geschiehet. Auf sein nochmahliges Bitten, auf sein wiederhohltes.


Nock (W3) [Adelung]


Das Nock, des -es, plur. die -e, ein nur in der Seefahrt übliches Wort, das äußerste Ende der Nahen zu bezeichnen. Es stammet ohne Zweifel aus dem Holländischen her.


Nocke (W3) [Adelung]


Die Nocke, plur. die -n, ein nur im gemeinen Leben einiger Gegenden, besonders Oberdeutschland, übliches Wort, eine Art in Milch gekochter großer Klöße bezeichnen. Ital. Gnocco, S. Knocke, welches vermittelst des vorgesetzten Gaumenlautes daraus gebildet ist.


None (W3) [Adelung]


Die None, plur. die -n, aus dem Latein. nona. 1) In den Klöstern ist es die neunte Stunde des Tages, d. i. um drey Uhr Nachmittags. 2) In der Musik ist die None, die um eine Octave erhöhete Secunde.


Nonne (W3) [Adelung]


1. Die Nonne, plur. die -n, nur in einigen Gegenden, ein verschnittenes Mutterschwein, welches man im Osnabrückischen auch wohl eine Begine zu nennen pflegt. Gemeiniglich hält man es hier für eine Figur von Nonne, monialis, obgleich die Anspielung sehr hart und ungewöhnlich ist. Allein, so wie 2 Mönch in der Bedeutung eines verschnittenen Thieres oder Menschen männlichen Geschlechtes, nicht von Mönch, monachus, sondern von mähen, schneiden, abstammet, so leidet und erfordert auch Nonne eine ähnliche Ableitung, von neiden, jetzt mit dem Zischlaute schneiden, schneiden, stechen. In der Lotharingischen Mundart ist von eben diesem Stamme le Nonnatte, eine Stecknadel. Siehe auch das folgende.


Nonne (W3) [Adelung]


2. Die Nonne, plur. die -n, Diminut. das Nönnchen, Oberd. Nönnlein, bey verschiedenen Handwerkern ein Nahme eines hohlen Raumes, oder vertieften Gefäßes, so wie: Mönch einen hervor ragenden Theil bedeutet. Im Hüttenbaue wird der Ring, worin die Kapellen mit dem Mönche oder Stämpel geschlagen werden, die Nonne genannt. Bey den Büchsenmachern ist die Nonne ein Werkzeug in Gestalt eines Ringes oder einer Hülse, welche auf den Zapfen der Nuß gesteckt wird, um den Hahn und die Studel damit zu vereinigen. Unter den Hohlziegeln werden diejenigen Nonnen genannt, welche ihre vertiefte Seite auswärts kehren, zum Unterschiede von den Mönchen, welche die erhabene Seite auswärts haben. Bey den Fleischern ist die Nonne ein breiter Ring oder Trichter, welcher in den Wurstbügel gesteckt wird, die Würste durch denselben zu füllen. Im Safflorbaue werden die gepflegten glatten Safflorstöcke Nonnen, die ausgearteten stacheligen aber Mönche genannt. Im Nieders. ist die Nüncke, oder das Nüneken, ein Fläschchen mit einem Zapfen in Gestalt einer Brustwarze, woraus man die Säuglinge saugen lässet; wo es aber auch unmittelbar von dem noch im Nieders. üblichen ninnen, nünnken, ninnken, saugen, abstammen kann, wofür in den gemeinen Hochdeutschen Sprecharten mit andern Endlauten nutschen, nudeln und nollen üblich sind. In Isidors Glossen kommt Nonnula von einem Vogelnetze vor.

Anm. Es ist in dieser Bedeutung mit dem vorigen verwandt, und hat eine zahlreiche Menge von Geschlechtsverwandten, obgleich mit andern Endlauten, dergleichen Napf, Nachen, Nuß, und so ferner sind.


Nonne (W3) [Adelung]


3. Die Nonne, plur. die -n, Diminut. das Nönnchen, Oberd. Nönnlein. eine gottesdienstliche Person weiblichen Geschlechtes, welche sich in Gemeinschaft mit andern mit andern dem ehelosen Stande widmet. 1) Eigentlich, wo überhaupt alle solche in Gemeinschaft lebende Personen weiblichen Geschlechtes, welche über dieß noch das Gelübde der Armuth und des Gehorsames auf sich haben, Nonnen genannt werden. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung sind es nur die zum eigentlichen Gottesdienste gewidmeten Personen dieser Art, welche in der anständigern Sprechart auch wohl Klosterfrauen, Ordensfrauen, Chorfrauen, genannt werden, zum Unterschiede von den Schwestern oder Klosterschwestern, welche die niedrigen häuslichen Geschäfte in den Klöstern verrichten. 2) Figürlich, wird wegen einer Ähnlichkeit in der Gestalt, eine Art weißlicher Taucher mit einem schwarzen Kopfe in einigen Gegen- den die Nonne oder schwarze Nonne genannt. Bey den neuern Schriftstellern des Insecten-Reiches führet auch eine Art Nachtfalter, Phalaena Bombyx monacha L. den Nahmen der Nonne.

Anm. Im Nieders. und Dän. Nunne. Das Wort ist in diesem Verstande alt, indem es schon bey dem Hieronymus vorkommt. Der Ursprung desselben ist indessen so ausgemacht noch nicht. Einige halten es für ein Ägyptisches Wort, andere leiten es von dem Griechischen - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ab. Allein da es ehedem ein Ehrenwort war, welches jüngere Personen ältern aus Achtung gaben, und auch von männlichen Personen gebraucht wurde, so reicht diese Ableitung nicht hin. Nonnones, Nonnanes heißen im mittlern Lat. die alten Armen, welche bey den Kirchen verpfleget wurden. Nonnos, sagt Papias, vocamus majores ob reverentiam, nam intelligitur paterna reverentia. Und in der Regel des heil. Benedicts heißt es: Juniores autem Priores suos Nonnos vocent, quod intelligitur paterna reverentia. Mehrere Beyspiele hat Du Fresne gesammelt. So wie man die bejahrten Mönche aus Achtung Patres, Väter, nannte, so nannte man sie auch Nonnos, und die Klosterfrauen Nonnas, beyde aber zusammen genommen, Nonnones und Nonnanes. Ja dieses Wort wurde so wie Pater den eigenthümlichen Nahmen oft vorgesetzet; Nonnus Fredericus Monachus, bey dem Cäsarius. Von den Mönchen ist es mit der Zeit veraltet, von den Klosterfrauen aber ist es geblieben. So fern nun der Begriff des Alters in diesem Worte der herrschende ist, so fern kommt es auch mit dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Vaterbunde, - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, Mutterschwester, ja mit unserm Ahn selbst überein, denn das N ist, wie mit so vielen Wörtern bewiesen werden kann, oft ein sehr zufälliger Vorschlag. Im Ital. ist Nonno der Großvater, und Nonna die Großmutter.


Nonnenbrot (W3) [Adelung]


Das Nonnenbrot, des -es, plur. inus. eine Art Confectes, welche in den Nonnenklöstern sehr häufig verfertiget, und aus einem Marzipan-Teige in einer Tortenpfanne gebacken wird.


Nonnenfleisch (W3) [Adelung]


Das Nonnenfleisch, des -es, plur. inus. nur im gemeinen Leben und figürlich, die einer Nonne anständige Verläugnung der Welt und Sinnlichkeit. Es ist ihr kein Nonnenfleisch gewachsen, sagt man von einer Person, welche an der eingeschränkten Lebensart der Nonnenklöster keinen Geschmack findet.


Nonnenglas (W3) [Adelung]


Das Nonnenglas, des -es, plur. die -gläser, ein Nahme der gewöhnlichen Arzeneygläser.


Nonnenkloster (W3) [Adelung]


Das Nonnenkloster, des -s, plur. die -klöster, ein für Nonnen gestiftetes, von Nonnen bewohntes Kloster, ein weibliches Kloster; in der anständigen Sprechart das Frauenkloster.


Nonnenkraut (W3) [Adelung]


Das Nonnenkraut, des -es, plur. inus. S. Erdrauch.


Nonnenleben (W3) [Adelung]


Das Nonnenleben, des -s, plur. inus. der Stand, die Lebensart der Nonnen; das Klosterleben.


Nonnenmeise (W3) [Adelung]


Die Nonnenmeise, plur. die -n, in einigen Gegenden, ein Nahme der Mönchsmeise, ohne Zweifel wegen einiger Ähnlichkeit mit der Kleidung der Nonnen; Franz. Nonnette. Siehe Aschmeise.


Nonnenteig (W3) [Adelung]


Der Nonnenteig, des -es, plur. inus. in den Küchen, eine Art des Teiges oder Breyes, woraus allerley in Butter gebackene Speisen bereitet werden. Er wird aus Mehl, Milch, Wein, Eyern und Salz bereitet.


Nonnenzelle (W3) [Adelung]


Die Nonnenzelle, plur. die -n, die Zelle für eine Nonne, in einem Nonnenkloster.


Noppeisen (W3) [Adelung]


Das Noppeisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Webern, eine kleine Zange, die Knoten des Gewirkes damit abzunoppen, d. i. abzuzwicken.


Noppen (W3) [Adelung]


Noppen, verb. reg. act. welches nur noch in einigen Fällen des gemeinen Lebens üblich ist, wo es so viel wie kneipen, zwicken, zupfen bedeutet. Die Tuchmacher noppen die gewebten Tücher, wenn sie die Knoten oder Knöpfe mit dem Noppeisen abzwicken, welches von einer besondern Person geschiehet, welche der Nopper, im Fämin. die Nopperinn genannt wird. In Niedersachsen werden die Knötchen von Wolle an gewissen Zeugen Nobben genannt, und alsdann ist noppen, solche Knötchen an den Zeugen verfertigen. Das Fettnoppen ist bey den Tuchmachern eine andere ähnliche Arbeit, da das gewebte Tuch gegen das Tageslicht beschauet wird, um die Öhlflecke in demselben zu entdecken, wo es auch zu dem Nieders. nipp, genau, nipp sehen, genau, scharf sehen, gehören kann. Es ist mit kneipen, Schnabel und andern dieses Geschlechtes genau verwandt. Im Nieders. ist nobben mit den Zähnen schaben, und im Holländ. nypen, und im Schwed. nappa, rupfen. S. auch Fellnäpper.


Nord-Caper,Nordkaper (W3) [Adelung]


Der "Nord-Caper", oder "Nordkaper", des -s, plur. ut nom. sing. eine Art Wallfische, welche zuweilen zwanzig Fuß lang wird, und wenigstens halb so dick, als er lang ist; "Delphinus Orca L." der "Butzkopf", wegen seines dicken unförmlichen Kopfes. "Nordkaper" heißt er, weil er sich am häufigsten in der Gegend des "Nord-Cap" in Norwegen sehen lässet.


Norden (W3) [Adelung]


Norden, ein Hauptwort, welches nur mit einigen Vorwörtern und ohne Artikel gebraucht wird, die mitternächtige Himmelsgegend, Nord, zu bezeichnen. Der Wind kommt aus Norden. Sich gegen Norden wenden. Das Haus liegt gegen Norden. Als ein abänderliches Hauptwort mit dem Artikel, wie es einige gewagt haben, der Norden, klingt es doch allemahl sehr ungewohnt, wenn es sich gleich zuweilen in der dichterischen Schreibart dulden lässet.


Norderbreite (W3) [Adelung]


Die Norderbreite, plur. die -n, in der Geographie und Astronomie, die Breite nach Norden; im Gegensatze der Süderbreite. S. Breite und Polhöhe.


Nordgürtel (W3) [Adelung]


Der Nordgürtel, des -s, plur. ut nom. sing. in der Seefahrt, gewisse Taue an den Enden oder Winkeln der Segel, vermittelst derer dieselben gegen die Nahen zu aufgezogen werden.


Nordisch (W3) [Adelung]


Nordisch, adj. et adv. welches zuweilen für das bessere nördlich gebraucht wird. Die nordischen Reiche, die nördlichen. Nordische Sprachen, nördliche.


Nördlich (W3) [Adelung]


Nördlich, -er, -ste, adj. et adv. gegen Norden gelegen, daher kommend, in dieser Himmelsgegend gegründet; mitternächtig. Die nördlichsten Länder. Nach der Analogie von südlich und östlich ist nördlich richtiger als nordlich.


Nordlicht (W3) [Adelung]


Das Nordlicht, des -es, plur. die -er, ein heller Schein, welcher oft zur Nachtzeit bey heiterm Wetter über dem nördlichen Horizonte in der höchsten Luft gesehen wird; Aurora borealis, der Nordschein, im Nieders. Nordblüse, von Blas, Blüse, Feuerflamme, im Schwed. Norrsken.


Nordost (W3) [Adelung]


Der Nordost, des -es, plur. inus. 1) Ein Wind, welcher aus der Gegend zwischen Norden und Osten herkommt; der Nordostwind. 2) Die Gegend zwischen Norden und Osten, doch ohne Artikel und nur mit einigen Vorwörtern, wofür auch das mehr adverbische Nordosten üblich ist. Der Wind kommt aus Nordost, oder aus Nordosten. Bey dem Rabau Maurus Nortostroni.


Nordpol (W3) [Adelung]


Der Nordpol, des -es, plur. inus. weil nur ein einziger vorhanden ist, in der Geographie, der äußerste Punct der Erdachse oder Weltachse gegen Norden oder Mitternacht, im Gegensatze des Südpols; Polus arcticus.


Nordschein (W3) [Adelung]


Der Nordschein, des -es, plur. die -e, S. Nordlicht.


Nordseite (W3) [Adelung]


Die Nordseite, plur. die -n, die gegen Norden oder Mitternacht gelegene Seite eines Dinges. Bey dem Notker Nordsita.


Nordwasser (W3) [Adelung]


Das Nordwasser, des -s, plur. inus. in der Schifffahrt, derjenige Strom des Weltmeeres, nach welchem dasselbe von dem Nordpole gegen Mittag gezogen wird; zum Unterschiede von dem Südwasser, einem Gegenstrome, welcher das Meer gegen Norden ziehet. Vielleicht sind beyde nur Eine Wirkung des an den Küsten gebrochenen Weltmeeres.


Nordwest,Nordwesten (W3) [Adelung]


Nordwest, oder Nordwesten, die Himmelsgegend zwischen Norden und Westen, ohne Artikel, und nur mit einigen Vorwörtern. Der Wind kommt aus Nordwest. Gegen Nordwesten segeln. Bey dem Raban Maurus Norduuestron. Daher der Nordwestwind, des -es, plur. die -e, der Wind, welcher aus dieser Gegend kommt.


Nordwind (W3) [Adelung]


Der Nordwind, des -es, plur. die -e, der Wind, welcher aus Norden oder Mitternacht kommt; in der dichterischen Schreibart der Nord; bey dem Willeram Nortuuint. In Golii Onomast. bey dem Frisch heißt er Schindenhängst, bey dem Pictorius und andern Oberdeutschen der Beißwind, Bißwind, Ital. Bisajo, Sbisajo, Bisa, Franz. Veut de Bise, von dem noch Nieders. und Holländ. biesen, brausen, daher in Lipsii Glossen ein jeder Sturmwind Bisa heißt, bey den Griechen und Römern aus einer ähnlichen Ursache Boreas, bey den Krainerischen Wenden Burja.


Nörfling (W3) [Adelung]


Der Nörfling, des -es, plur. die -e, in Obersachsen und Oberdeutschland, eine Art eßbarer Flußfische, welche den Äschen nahe kommt, und sich dem Wasser mit einer schönen feuer- rothen Farbe zeiget. Es wird an einigen Orten ohne das zufällige Anfangs N Orse genannt, S. dieses Wort.


Nörgeln (W3) [Adelung]


Nörgeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur im gemeinen Leben üblich ist, seinen Unwillen durch mürrische Wörter an den Tag legen, welches man an andern Orten brämmeln, in Niedersachsen aber gnägeln, öckern, und wranten nennt. Es ist das Diminut. von gnurren, knurren und brummen, eine gelindere Art des Zankens und Reifens, und so wie jene eine Nachahmung des Lautes.


Noß (W3) [Adelung]


Das Noß, des -es, plur. die Nößer, im gemeinen Leben einiger Gegenden, z. B. in Meißen, ein Stück zahmes vierfüßiges Vieh, besonders aber der Pferde, des Schaf- und Rindviehes. Fünf Rindsnößer, Schafnößer, Pferdenößer, Zugnößer, Zugvieh. Ein Gut, wovon nach dem Absterben des Besitzers die besten Nößer, welche in Pferden und Rindvieh bestehen, in das Amt geliefert werden müssen. Das beste Noß fällt dem Amte anheim. Der Schäfer muß die gefallenen Nößer selbst abziehen.

Anm. Es ist ein altes weit ausgebreitetes Wort, welches aber außer Meißen in Deutschland vielleicht wenig mehr bekannt ist, Im Schwed. ist Nöt, ehedem Naut, im Angels. Nyten, Niten, im Isländ. Naut, im Englischen Neat, im Schottländ. Noute, im Finnländ. Naute, ein Ochse, und im Dän. bedeutet Nod und Noth ein jedes Stück Vieh. Frisch leitet es von Genoß ab, und erkläret es durch pecora ejusdem stabuli, Ihre aber von Nutzen, wegen der Nutzbarkeit des zahmen Viehes. Da das N zu Anfange so vieler Wörter sehr zufällig ist, so könnte man glauben, das Noß und Ochse, Nieders. Oß, ein und eben dasselbe Wort sey. Da man das zahme Vieh auch gern Häupter zu benennen pflegt, und das Diminut. Nischel noch in einigen Gegenden Kopf bedeutet, so könnte man es auch hiervon ableiten. Allein, da Nuß (mit einem gedehnten u) in den gemeinen Sprecharten, besonders Oberdeutschlandes, sehr üblich ist, ein jedes Ding so wohl im Scherze, als verächtlichem Verstande zu bezeichnen, wo es nicht, so wie Nöt, ein dummer Mensch, im Schwedischen, eine Figur von der Bedeutung des Viehes, zu seyn scheinet; so muß dieses Wort wohl eigentlich einen weiten Umfang haben, und aus einer andern Quelle hergeleitet werden. Du bist ein leichtfertiger Nuß, ein närrisches Nüßchen, sagt man im Oberdeutschen im Scherze zu einem Kinde, wo es gewiß nicht zu Nuß, Nux, gehöret. S. -Niß,

Anm. und das folgende.


Nößel (W3) [Adelung]


Das Nößel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Nößelchen, Oberd. Nößelein, ein Wort, welches, so wie fast alle ähnliche Benennungen, so wohl von einer Vertiefung, als auch von einer Erhöhung gebraucht wird. 1) Von einer Vertiefung, einem hohlen Gefäße, ist es nur noch in einigen Gegenden so wohl Ober- als Niedersachsens als ein bestimmtes Maß flüssiger und trockner Dinge üblich, welches die Hälfte eines Maßes, einer Kanne oder eines Quartes beträgt, so fern diese drey Wörter gleichbedeutend sind, denn in einigen Gegenden hat man große Kannen, welche zwey Maß halten. Im Oberdeutschen pflegt man ein Nößel, ein Seidel, ein Seidlein, oder einen Schoppen zu nennen. Ein Nößel Bier, Wein, Getreide u. s. f. In Thüringen werden auch die Hufengüter in halbe Hufen, Viertelhufen und Nößel getheilet, wo vielleicht ein Nößel Aussaat zu verstehen ist. Indessen gibt es mehrere Fälle, wo das Nößel figürlich ein gewisser kleinerer Theil eines größern ist. So wird in den Salzkothen zu Halle ein Stuhl, d. i. eine Hauptabtheilung eines Salzbrunnens, in 20 Quart, und ein Quart in zwey Nößel getheilet, da denn jedes Nößel 8 1/2 Pfanne hält; wo es ein weit größeres Maß bedeutet. In Meißen hingegen, besonders zu Leipzig, ist das Nößel auch ein Holzmaß, welches der sechzehente Theil einer Klafter ist. 2) Von einer Erhöhung, oder einem erhöheten Stücke; in welchem Verstande es vielleicht nur in den Salzkothen üblich ist, wo die aus Salzschlamm gemachten Stücke, welche unter die Pfanne und an den Seiten gelegt werden, damit sie fest stehe, Nößel genannt werden.

Anm. Dieses Wort lautet in den meisten Niedersächsischen Gegenden ohne N nur Ößel; ein neuer Beweis, wie zufällig dieser Buchstab am Anfange vieler Wörter ist. Frisch leitet es daher von Achter ab, weil das Nößel gemeiniglich der achte Theil eines Ganzen ist. Allein, da die Verwandlung zu ungewöhnlich ist, so siehet man es, wie so viele andere, richtiger als ein allgemeines Nennwort, welches so wohl eine ausgehöhlte, vertiefte, als auch eine erhabene Fläche bedeutet, und mit Nuß, Nase, Nießen für aushöhlen, Nischel, in der weitesten Bedeutung einer Masse, eines Dinges, vielleicht auch dem vorigen Noß und der Endung -Niß, und wenn man das N in keine Betrachtung ziehet, auch mit Öhse, essen und so vielen andern dieses Geschlechtes verwandt ist. In der Lausitz werden die Stangen, woran die Zuber getragen werden, Nosselstangen genannt; ohne Zweifel von Nossel, Nößel, ein Zuber, Gefäß. Die Endung -el kann so wohl ein Zeichen des Diminutivi, als auch die Ableitungssylbe seyn, ein Werkzeug oder Ding zu bezeichnen; Nößel, ein vertieftes oder erhabenes Ding.


Nosselfink (W3) [Adelung]


Der Nosselfink, des -en, plur. die -n, eine Art Brustwenzel, oder nach andern eine Art Grasmücken von braunfahler Farbe, mit weißlich gesäumten Federn, von welchem man glaubt, daß er häufig in die Gärten komme, wenn eine Pest bevor stehet, daher er auch Todtenvogel und Pestilenzvogel genannt wird; Sylvia pestilentialis Frisch. Sylvia Grisola Aldrov.


Nosselstange (W3) [Adelung]


Die Nosselstange, plur. die -n, S. Nößel Anm.


Nostoch (W3) [Adelung]


Das Nostoch, des -es, plur. inus. eine sonderbare Pflanze, welche zu dem Geschlechte der Gallerten gehöret, und welche ganz aus einem einzigen Blatte ohne Wurzeln bestehet, und sich nur noch einem Regen wie ein Schwamm voll Wasser ziehet und alsdann einer Gallerte ähnlich siehet. Nach ein Paar Stunden Sonnenschein oder nach einem starken Winde zerfällt sie wieder in ein trocknes schwarzbraunes Blatt, welches kaum noch sichtbar ist. Tremella Nostoc L. Man findet es nach dem Regen auf den Wiesen und in den Gartengängen. Der Nahme ist ausländisch. Paracelsus nennet dieses Gewächs Carefolium, andere im Deutschen Himmelsblume, Himmelsblatt, Erdblume.


Note (W3) [Adelung]


Die Note, plur. die -n, Diminut. das Nötchen, Oberdeutsch Nötlein, aus dem Lat. Nota, ein Zeichen. 1) Eine Anmerkung, im gemeinen Leben. Noten zu einem Buche machen, Anmerkungen. 2) Ein kurzer Aufsatz, eine kurze nur aus wenig Zeilen bestehende und ohne alle Förmlichkeiten aufgesetzte Schrift. So wird eine kurze Rechnung im gemeinen Leben zuweilen eine Note genannt. Bey den Wechselbanken ist die Banknote, ein Schein, welchen jemand über sein in die Bank gelegtes Geld erhält, und welche von einer Bankactie noch verschieden ist. Ein Aufsatz eines Notarii, ein Notariat-Instrument, wurde ehedem auch nur eine Note ganannt. ( S. Du Fresne Gloss. v. Nota.) 3) In der Musik werden in weiterer Bedeutung alle Zeichen, deren man sich daselbst im Schreiben bedienet, in engerer und gewöhnlicherer aber nur allein die eigentlichen Tonzeichen, Noten genannt. Hornegk nennet sie im Diminut. Notel. Nach Noten singen oder spielen.


Notel (W3) [Adelung]


Die Notel, plur. die -n, aus dem mittlern Lat. Notula, dem Diminut. von Nota, ein kurzer gemeiniglich ohne alle Förmlichkeiten gemachter Aufsatz, in welchem Verstande es noch hin und wieder im gemeinen Leben vorkommt. Noch öfter werden die Clauseln eines Vertrages, oder einer andern verbindlichen Schrift Noteln genannt.


Notenpapier (W3) [Adelung]


Das Notenpapier, des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, starkes geleimtes Papier, Noten darauf zu schreiben.


Notenplan (W3) [Adelung]


Der Notenplan, des -es, plur. die -e, in der Musik, die fünf Linien, welche das Steigen und Fallen der Noten vorstellen, und auch das Linien-System, die Musikleiter genannt werden. S. Note. 3.


Notenschreiber (W3) [Adelung]


Der Notenschreiber, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher musikalische Noten schreibet, und in engerer Bedeutung, welcher ein Geschäft daraus macht, Noten abzuschreiben, und welcher auch wohl der Notist genannt wird.


Notenstein (W3) [Adelung]


Der Notenstein, des -es, plur. die -e, eine Art Steine, welche zu den Naturspielen gehören, und deren Adern und Flecken einiger Maßen den musikalischen Noten ähnlich sind; Lapis musicalis. Gemeiniglich sind es Sandsteine, welche auf diese Art gezeichnet sind.


Noth (W3) [Adelung]


* Noth, ein Nebenwort, nöthig, nothwendig, so wohl bedürfend, als auch zu einer Sache erforderlich. Kaufe was uns noth ist, aufs Fest, Joh. 13, 29. Was jeglichem noth war, das gab er, Apostelg. 4, 35. Wenn uns Hülfe noch seyn wird, Ebr. 4, 16. Geduld ist euch noth, Ebr. 10, 36. Was mehr noth seyn wird. Est. 7, 20. Hier aber ist es noth den Unterschied zu machen, Opitz. Daß uns Gott Dieß alles geben wird, was zu dem Leben noth, ebend. Ingleichen mit dem Zeitworte haben, ich hatte es nicht noth, nicht nöthig. Du hast gelehrter Freund des Zettels zwar nicht noth, Günth. Im Hochdeutschen ist dieses Nebenwort veraltet, außer daß man in der höflichen Sprechart des gemeinen Lebens zuweilen mir ist noth sagt, wenn jemand von der Natur zur Erleichterung des Leibes aufgefordert wird; es ist ihm noth, nähmlich zu Stuhle zu gehen.

Anm. Dieses Nebenwort ist alt. Nu ist es not, heißt es schon bey dem Ottfried, und an einem andern Orte ni uuas imo es nihein not, er hatte es nicht nöthig. Das so im zu der sachen not was, Theuerd. Kap. 67.


Noth (W3) [Adelung]


Die Noth, plur. inus. einige aber größten Theils veraltete Fälle ausgenommen, wo es in der ersten Endung die Nöthe heißen müßte.


Mühe (W3) [Adelung]


1. Mühe, Anstrengung der Kräfte so wohl des Leibes als des Gemüthes, am häufigsten in der vertraulichen Sprechart, und auch hier nur mit den Zeitwörtern haben, machen, verursachen. Du wirst Noth haben, in die Stadt zu kommen, es wird dir viele Mühe kosten. Hat man nicht Noth, ehe man dich aus dem Bette bringt? Weiße. Seine Noth mit jemanden haben. Das macht mir viele Noth, hat mir viele Noth verursacht. Thuruh not ist bey dem Ottfried mit Fleiß.


Derjenige (W3) [Adelung]


2. Derjenige Zustand, da eine Sache mit Mühe, d. i. genau, kaum, zu einer Absicht hinreicht und dienlich ist; doch nur in den R. A. zur Noth, und mit genauer Noth. Der Zeug reicht zu einem Kleide zur Noth, zur höchsten Noth hin. Er konnte es so zur Noth. Er hat zur Noth zu eben, zu Befriedigung seiner Nothdurft, zur höchsten Noth, zur Befriedigung der äußersten Nothdurft. Mit genauer Noth davon kommen. Mit genauer Noth habe ich ihn gefunden. Die Wachtel, weiche der Gefahr Des Garns mit Noth entgangen war, Gell. d. i. mit genauer Noth. 3. Der Zustand, da man eines Dinges bedarf; nur noch in einigen Fällen. Ich brauche es zur höchsten Noth. Ich habe es aus Noth gethan, weil ich dessen bedurfte. Über Noth essen, trinken, mehr als man zur Nothdurft bedarf, ist nur im Oberdeutschen üblich. S. auch Nöthig und Vonnöthen. 4. In engerer Bedeutung, der Zustand, da man in der Wahl der zur Erreichung einer Absicht gehörigen Mittel eingeschränkt ist. Ich habe es nur aus Noth genommen; weil ich nichts bessers haben konnte. Ich habe es aus Noth gethan. Wenns die Noth erfordert; im gemeinen Leben, wenn Noth an Mann geht. Aus der Noth eine Tugend machen. Jemanden aus der Noth helfen. Einem seine Noth klagen. Ich brauche es zur höchsten Noth. 5. Besonders, äußerer und physischer Zwang; doch am häufigsten in der R. A. aus Noth. Etwas aus Noth thun, weil man dazu von außen gezwungen ist. Wenn es Röm. 13, 5. heißt: so seyd nun aus Noth unterthan, so stehet es daselbst in der veralteten Bedeutung der sittlichen Nothwendigkeit, weil es nöthig und nützlich ist, ( S. die folgende Bedeutung.) Im gemeinen Leben sagt man noch, es thut mir Noth, wenn man den Naturtrieb zur Erleichterung des Leibes empfindet. Ehedem bedeutet es nicht nur Nothzucht, sondern auch ein Hinderniß. 6. Sittliche Nothwendigkeit, gegründete Ursache; nur in einigen bereits eingeführten Fällen. Wenns die Noth erfordert. Im Falle der Noth. Es thut Noth, wird nur in der vertraulichen Sprechart und im Conjunctiv gebraucht. Es thäte Noth, ich ginge selbst hin, es wäre wohl nöthig, beynahe nöthig. Auch im ironischen Verstande. Es thäte wirklich Noth, Du ließest es geschehen, und würdest niemahls roth, Kost. Zur Noth, wenn es nöthig ist, wenn gegründete Ursache dazu vorhanden ist. Ich kann zur Noth auch ein. Liedchen davon singen. Ohne Noth, ohne gegründete Ursache. etwas ohne Noth thun. Ich halte mich nicht gern ohne Noth auf. Wie können sie sich doch ohne Noth traurig machen? Gell. Schon Ottfried gebraucht es häufig für Ursache überhaupt. Bi thera noti, ist bey ihm aus dieser Ursache, und binoti daher. Im Hochdeutschen ist es jetzt nur noch in einigen Fällen üblich. Ehedem war echte Noth auch eine gegründete Entschuldigung, Ehehaften. 7. Derjenige Zustand, da man der Mahl der zur Wohlfahrt gehörigen unentbehrlichsten Mittel beraubt ist, die Gegenwart eines Übels, welches unsern Zustand in einem hohen Grade verschlimmert, und zuweilen auch dieses Übel selbst, wohin denn Gefahr des Lebens und der Wohlfahrt, langwierige und gefährliche Krankheiten und Schmerzen, Armuth und Mangel an Nothdurft, Verachtung und Schmach, Kummer und Verdruß gehören. Viele Noth haben. Noth und Elend, Jammer und Noth. In der äußersten Noth seyn. Jemanden in seiner Noth beystehen. In Noth kommen, gerathen. Jemanden aus der Noth reißen. Einem seine Noth klagen. Noth hat kein Geboth, oder Noth bricht Eisen. Noth lehret bethen. Er weiß nicht, was Noth ist. Die Noth zwingt mich, dringt mich dazu. Ein Freund in der Noth. Leibesnoth, Seelennoth, Hungersnoth, Sterbensnoth. Ehedem war in dieser Bedeutung der Plural sehr üblich, der auch in der biblischen Schreibart, und außer dem in der Dichtkunst noch zuweilen gebraucht, am sichersten aber in der reinen und anständigern Schreibart vermieden wird. Die wollten durch das Schwert sich rächen ihrer Nöthen, Opitz. Ihr Zuflucht meiner Nöthen, ebend. Der Stifter dieser Nöthen, ebend. Am häufigsten mit Vorwörtern. In Nöthen seyn. Ich bin gutes Muths in Nöthen, 2 Cor. 12, 10. Jemanden in seinen Nöthen beystehen. Bringt den Gesalbten nicht in Nöthen, (eigentlich in Nöthe.) Opitz. Ptochus lag in tausend Nöthen, Logau. Welcher Plural denn schon alt ist. In then notin, Ottfried. In nötin, ebend. 8. In engerer Bedeutung, von besondern Arten dieses Zustandes und eines solchen Übels. 1) Die Gegenwart eines Übels, welches das Leben und die Wohlfahrt eines Dinges bedrohet, Anwesenheit einer Leibes- und Lebensgefahr. In Noth seyn. Sich in Noth befinden. Noth leiden. Ein Schiff leidet Noth, wenn es in Gefahr ist, zu scheitern oder unterzugehen. Die Frömmigkeit leidet Noth. Es ist Noth vorhanden. Es ist die höchste Noth. Noth lehrt bethen. Es hat keine Noth mit uns, Jer. 7, 10, keine Gefahr. Mir dir hats keine Noth, du bist außer aller Gefahr. Der Plural ist auch hier veraltet. Da das sahen die Männer Israel, daß sie in Nöthen waren, 1 Sam. 13, 6. 2) Krankheit und Schmerzen. Kindesnoth. In Kindesnöthen seyn oder liegen, in den Geburtsschmerzen. Die schwere Noth, eine niedrige Benennung der Epilepsie. 3) Armuth und Mangel der Nothdurft, so wohl überhaupt, als auch in einigen Fällen, Mangel der Hülfsmittel in dringenden Bedürfnissen. In Noth seyn oder stecken. Jemanden aus seiner Noth heraus reißen. Noth lehrt Künste. Keine Noth leiden, sich an Essen und Trinken nichts abgehen lassen. Es stößt jemanden eine Noth zu, wenn er zu einer nothwendigen Ausgabe Geld bedarf. 4) Gram, Kummer, Verdruß. Jemanden, viele Noth machen. Viele Noth mit jemanden haben. Wer keine Noth hat, macht sich welche. Sie wissen nicht, was Herrschaften für eine Noth mit dem Gesinde haben, Gell. Du wirst keine Noth bey ihm haben, wenn du sie dir nicht selber machst, ebend. Da denn im gemeinen Leben fast ein jeder unangenehmer Vorfall und dessen Empfindung eine Noth genannt wird.

Anm. Bey dem Ottfried und seinen Nachfolgern Not, Noti, bey dem Ulphilas Nauth, im Angels. Nead, Neod, Nyd, im Nieders. Nood, im Isländ. Neid, im Schwed. Nöd. In der ersten Bedeutung der Mühe gehöret es ohne Zweifel zu dem noch im Oberdeutschen üblichen Zeitworte nieten, sich bemühen, bestreben, ( S. dasselbe;) welches ein Abkömmling eines sehr fruchtbaren Stammwortes ist, welches nahen lautet, und eigentlich bewegen bedeutet, und wovon unser nahen, näher kommen, nähen, nare, nere, neigen und viele andere abstammen. In der folgenden Bedeutung tritt, wie schon Wachter eingesehen hat, die Verwandtschaft mit nau, genau ein, welches Wort selbst von nahen, bewegen, abstammen kann, und dessen Begriff in allen folgenden Bedeutungen des Wortes Noth hervorsticht, indem sie alle besondere Arten der Einschränkung bezeichnen, so wie das Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, welches gleichfalls eigentlich eine Enge bedeutet.


Nothanker (W3) [Adelung]


Der Nothanker, des -s, plur. ut nom. sing. auf den Schiffen, ein großer Anker, welchen man im Schiffsraume aufbewahret, um sich seiner nur in den dringendsten Nothfällen zu bedienen; der Raumanker, bey einigen auch der Hauptanker, welches doch am häufigsten der Nahme des gewöhnlichen großen Ankers ist.


Notharbeit (W3) [Adelung]


Die Notharbeit, plur. die -en, eine Arbeit, welche aus Noth, d. i. zur Abwendung einer Gefahr des Lebens oder der Wohlfahrt, unternommen wird; S. Nothwerk und Noth 7.


Nothauswurf (W3) [Adelung]


Der Nothauswurf, des -es, plur. die -würfe, der Auswurf der Waaren und Sachen aus dem Schiffe in besorglicher Lebensgefahr, zur Erleichterung des Schiffes. Ingleichen das Recht, in solcher Gefahr Waaren und Sachen in das Meer zu werfen; ohne Plural. Der Nothwurf.


Nothbau (W3) [Adelung]


Der Nothbau, des -es, plur. die -e, ein Bau, welcher zur Vermeidung einer unvermeidlichen Gefahr vorgenommen wird. In engerer Bedeutung, ein solcher Bau, welcher auf kurze Zeit aus Noth und zur Noth unternommen wird, in der Absicht, ihn nach vorüber gegangenen Gefahr mit Bequemlichkeit vorzunehmen. Auf ähnliche Art nennen die Jäger eine Höhle, welche der Fuchs zuweilen auf freyem Felde aus Noth und auf kurze Zeit macht, einen Nothbau, der Fluchtbau, wenn er ihn auf der Flucht macht.


Nothbrüchig (W3) [Adelung]


Nothbrüchig, adj. et adv. welches nur im Bergbaue üblich ist. Eine Stufe nothbrüchig machen, sie zersetzen, d. i. zerschlagen, um zu sehen, wie sie inwendig beschaffen ist.


Nothbrunnen (W3) [Adelung]


Der Nothbrunnen, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, z. B. zu Hannover, bedeckte unbewegliche Wasserbehältnisse, in welcher das Wasser bey einer Feuersnoth durch Schöpfräder oder Wasserkünste geleitet wird.


Nothdamm (W3) [Adelung]


Der Nothdamm, des -es, plur. die -dämme, ein Damm, welcher auf kurze Zeit so lange verfertiget wird, bis der Hauptdamm zu Stande gebracht worden.


Nothdeich (W3) [Adelung]


Der Nothdeich, des -es, plur. die -e, in den Niedersächsischen Marschländern, ein Deich, welcher das eindringende Wasser so lange aufhält, bis der Hauptdeich wieder ausgebessert worden.


Nothdienst (W3) [Adelung]


Der Nothdienst, des -es, plur. die -e, ein Dienst, welcher einem andern in einem dringenden Nothfalle geleistet wird. Besonders ein Frohndienst dieser Art, welcher zu den außerordentlichen Diensten gehöret.


Nothdringen (W3) [Adelung]


Nothdringen, verb. irreg. act. ( S. Dringen,) welches nur in den Oberdeutschen Kanzelleyen für zwingen üblich ist. Ich bin dazu genothdrungen worden. Auch durch unwiderstehliche sittliche Bewegungsgründe zwingen. Sich zu etwas genothdrungen sehen. Wo denn auch das Mittelwort nothdringend und das Beywort nothdringlich vorkommen.


Nothdurft (W3) [Adelung]


Die Nothdurft, plur. inus. ein Wort, welches in einem doppelten Hauptverstande gebraucht wird. 1. Als ein Abstractum. 1) Der Zustand, da etwas mit Mühe, d. i. kaum und genau, zu einer Absicht hinreicht, wie Noth 2; doch nur in den Ausdrücken zur Nothdurft und nach Nothdurft, welche im gemeinen Leben und in den Kanzelleyen vorkommen. Es reicht zur Nothdurft hin, zur Noth. Nach Nothdurft zu leben haben. Daß sie einen Tag länger nach Nothdurft haben möchten, Judith 7, 12. Ingleichen, so viel als nöthig ist, auch nur in den Hoch- und Oberdeutschen Kanzelleyen. Meine frau die wil die sach nach nottdurft ratschlagen, Theuerd. Daß Kläger dasjenige, so ihm zu erweisen aufgeleget war, und er sich angemaßet, zur Nothdurft erwiesen, auch in den Obersächsischen Gerichten. Im Oberdeutschen sagt man auch, seine Nothdurft essen, trinken, schlafen u. s. f. so viel als man bedarf. 2) Der Zustand, da man eines Dinges bedarf, ingleichen, der Zustand, da ein Ding nöthig und nothwendig ist, wie Noth 3 und 6; gleichfalls nur im Oberdeutschen und in den Obersächsischen Kanzelleyen. Wir haben der Nothdurft zu seyn ermessen, erachtet u. s. f. haben für nöthig gehalten. Ob nicht dasjenige einer vorgängigen Nothdurft seyn u. s. f. vorher nothwendig sey. 3) * In engerer Bedeutung, der Zustand, da man die zur Wohlfahrt unentbehrlichsten Mittel bedarf, Mangel an denselben leidet, besonders zur Erhaltung des natürlichen Lebens; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Nehmet euch der heiligen Nothdurft an, Röm. 12, 13. Nothdurft leiden, im Oberdeutschen, Mangel an den unentbehrlichsten Erhaltungsmitteln, Nothleiden. In Noth- durft stecken, eben daselbst, wo man es denn auch wohl für Noth 7, im Plural gebraucht, in diesen Nothdurften, in diesen Nöthen. Auch in der Bedeutung der Blöße, des Zustandes, da man an den unentbehrlichsten Kleidungsstücken Mangel leidet, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich. Kleider damit er seine Nothdurft decken kann, Sir. 29, 28. 2. Als ein Concretum: wo es doch nur collective und ohne Plural gebraucht wird. 1) In der weitesten Bedeutung, alles was nöthig, zu einer Sache erforderlich ist; eine im Oberdeutschen und den Hochdeutschen Kanzelleyen noch sehr gangbare Bedeutung, welche aber in der zierlichen Schreibart veraltet ist. Die Schreibenothdurft, Schreibe-Materialien, Feder, Tinte und Papier; der Schreibebedarf. Seine Nothdurft reden, was man für nöthig, für nothwendig hält. Die Gläubiger sind zur Pflegung der Güte und Beobachtung sonstiger Nothdurft vorgeladen, in den Gerichten. Daß ihr eures Orts die Nothdurft dabey beobachten möget, in den Kanzelleyen, für, was nöthig ist. Wir haben bereits die Nothdurft in Schriften an ihn gelangen lassen, ebend. Nehmet die Nothdurft für euer Haus und ziehet hin, 1 Mos. 42, 33. 2) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, dasjenige, was zur Erhaltung des natürlichen Lebens unentbehrlich nothwendig ist, und so viel als unentbehrlich dazu erfordert wird. Seine Nothdurft haben. Einem die Nothdurft verschaffen. Zur Leibes Nahrung und Nothdurft. Zur Nothdurft und nicht zur Lust. Auch der unentbehrlichsten Nothdurft beraubet zu seyn. Sich etwas an der Nothdurft abbrechen. 3) Seine Nothdurft verrichten, in der anständigen Sprechart, dem Dringen der Natur zur Erleichterung des Leibes ein Genüge thun.

Anm. In allen diesen Bedeutungen schon bey dem Kero Notduroft, bey dem Ottfried Notthurf, im Gegensatze des bey ihm gleichfalls befindlichen Vnthurft, was nicht nöthig ist, im Schwabenspiegel in der letzten Bedeutung Noturft, im Angels. Neaththarf, im Schwed. Nötthorft, im Isländ. Naudthurft. Es ist aus Noth und Durft zusammen gesetzet, welches letztere ehedem auch nur allein für Nothdurft gebraucht wurde, so wie dieses bey den ältern Schriftstellern in allen Bedeutungen des einfachern Noth vorkommt. Noth scheinet in dieser Zusammensetzung das veraltete Bey- und Nebenwort noti zu seyn, welches bey dem Ottfried noch so häufig ist, und unter andern auch sehr bedeutete, so daß die Bedeutung des Durft dadurch nur erhöhet wird. Ehedem war nothdurft auch als ein Bey- und Nebenwort für nothwendig üblich. Do kumpt die pestilentz, so ist notturft den luft zu rechtfertigen und ihm sin bosheit zu benemmen, die Luft zu reinigen, im Liber Pestilenz von 1500.


Nothdürftig (W3) [Adelung]


Nothdürftig, -er, -ste, adj. et adv. Nothdurft habend, in derselben gegründet. 1. In der ersten abstracten Bedeutung des Hauptwortes, kaum, mit Mühe zu etwas hinreichend; ohne Comparation, und am häufigsten als ein Nebenwort. Es reicht so nothdürftig zu. Er ist nothdürftig gelehrt, geschickt. Er verstehet es nothdürftig. In engerer Bedeutung, zur unentbehrlichsten Erhaltung des natürlichen Lebens genau hinreichend. Ein nothdürftiges Auskommen haben. Nothdürftig auskommen. Er kann nothdürftig davon leben. 2. Eines Dinges bedürftig. 1) * Überhaupt; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche noch im Oberdeutschen gangbar ist, für bedürftig, wo es denn auch die zweyte Endung des Nennwortes erfordert. Eines Dinges nothdürftig seyn, es bedürfen, gebrauchen. Die unsrer Hülfe nothdürftig wären, im Oberdeutschen. So wil ich dieweil einkaufen, was ich dann yetz nothdürftig bin, Theuerd. Kap. 52. 3) In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, der unentbehrlichsten Erhaltungsmittel des natürlichen Lebens bedürftig, Mangel daran leidend; wofür doch, um der Zweydeutigkeit mit der vorigen Bedeutung willen, auch das einfacher dürftig gangbar ist. Ein nothdürftiger Mensch. Nothdürftig leben.


Nothdürftigkeit (W3) [Adelung]


Die Nothdürftigkeit, plur. inus. der Zustand, die Eigenschaft, da eine Person oder Sache nothdürftig ist, in denjenigen Fällen, worin das Beywort noch im Hochdeutschen üblich ist.


Notheimer (W3) [Adelung]


Der Notheimer, des -s, plur. ut nom. sing. in einigen Gegenden, ein Eimer, dessen man sich nur in Feuersnoth bedienet; ein Feuereimer, Nieders. Noodammer.


Notherbe (W3) [Adelung]


Die Notherbe, des -n, plur. die -n, in den Rechten, Erben, welche man ohne dringende Noth nicht übergehen darf, welchen man sein Vermögen zu hinterlassen gewisser Maßen gezwungen ist, d. i. Ältern und Kinder, im Gegensatze fremder Erben. Von Noth 5, Zwang.


Notherbschaft (W3) [Adelung]


Die Notherbschaft, plur. die -en, derjenige Theil der Erbschaft, welchen, man den Seinigen zu hinterlassen gezwungen ist; daher in einigen Gegenden, z. B. zu Nürnberg, in Hamburg, und in dem Culmischen Rechte, der Pflichttheil unter dem Nahmen der Notherbschaft bekannt ist. In einigen Gegenden heißt sie die Nothgebührniß.


Nothfall (W3) [Adelung]


Der Nothfall, des -es, plur. die -fälle, ein jeder Fall, da man durch äußere oder innere Bewegungsgründe zu etwas gedrungen wird, in den fünf letzten Bedeutungen des Hauptwortes Noth. Im Nothfalle will ich mich seiner bedienen, wenn ich ihn gebrauche, seiner benöthiget bin, wenn die Noth es erfordert. Dringende Nothfälle, welche keinen Aufschub verstatten. Im Nothfalle ist es schon gut, wenn man nichts bessers hat.


Nothfeuer (W3) [Adelung]


Das Nothfeuer, des -s, plur. ut nom. sing. im gemeinen Leben, ein abergläubiges Feuer, welches von dem großen Haufen bey ansteckenden Seuchen oder dem so genannten wilden Feuer, unter freyem Himmel, vermittelst eines Haarseiles aus einem trockenen Zaunpfahle durch Reiben hervor gelocket, und mit brennbaren Mitteln unterhalten wird, worauf das Vieh drey Mahl mit Gewalt durch dasselbe getrieben wird, um es auf diese Art vor der Krankheit zu verwahren. Es ist von dem Johannis-Feuer noch unterschieden, welches nur eine Art desselben ist, und jetzt an den meisten Orten von den Obrigkeiten abgeschaffet worden. Das Wort ist so alt, als der Aberglaube selbst, der schon unter Carln dem Großen unter dem Nahmen des Nodfyrs, Niedfeors, als eines sacrilegi ignis, gedacht wird. Es hat den Nahmen von Noth 1 und 5, so fern ehedem heftige Bemühung, Zwang bedeutete, indem es theils aus dem Holze erzwungen, theils auch das Vieh mit Gewalt dadurch getrieben wird.


Nothfrist (W3) [Adelung]


Die Nothfrist, plur. die -en, in den Rechten einiger Gegenden, ein peremtorischer Termin, welchen man nicht ohne die höchste Noth versäumen darf, zu dessen Abwartung man gezwungen ist.


Nothgedinge (W3) [Adelung]


Das Nothgedinge, des -s, plur. ut nom. sing. im Bergbaue, ein Gedinge, welches auf Gewinn und Verlust gemacht wird, vielleicht, weil es nur aus Noth geschiehet.


Nothgeld (W3) [Adelung]


Das Nothgeld, des -es, plur. doch nur von mehrern Summen, die -er, in den Gerichten einiger Gegenden, z. B. in Bremen, dasjenige Geld, welches zur Abtragung der Criminal-Kosten entrichtet wird. S. das folgende.


Nothgericht (W3) [Adelung]


Das Nothgericht, des -es, plur. die -e, ein noch in einigen, besonders Niedersächsischen Gegenden, übliches Wort, ein Criminal-Gericht zu bezeichnen. Im Hochdeutschen kommt es noch in dem zusammen gesetzten Ausdrucke vor, ein hoch-nothpeinliches Halsgericht hegen, oder halten.


Nothgeschrey (W3) [Adelung]


Das Nothgeschrey, des -es, plur. inus. ein größten Theils veraltetes Wort, ein Geschrey bey und über angethane äußere Gewalt, besonders bey angethaner Nothzucht zu bezeichnen. Von Noth 5.


Nothhaft (W3) [Adelung]


* Nothhaft, -er, -este, adj. et adv. welches im Hochdeutschen unter die veralteten Wörter gehöret. Ehedem bedeutete es, 1) Noth leidend, sich in Noth befindend. Ich nothafte bin, Notker, der auch das Hauptwort Nothaft für Wiederwärtigkeit, Noth, gebraucht. Im Tatian ist nothaft gebunden, gefangen. 2) In einer dringenden Noth gegründet, und folglich rechtmäßig; in welchem Verstande noch in den Gerichten einiger Gegenden eine nothhafte Entschuldigung eine rechtmäßige Entschuldigung ist, wo auch die Nothhaft, und im Plural die Nothhaften, solche Nothfälle sind, welche eine rechtmäßige Entschuldigung gewähren, Ehehaften, S. dieses Wort.


Nothhelfer (W3) [Adelung]


Der Nothhelfer, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nothhelferinn. 1) Eine Person, welche und aus einer Noth hilft, von einer dringenden Noth befreyet. Du bist ein Trost Israel und ihr Nothhelfer, Jerem. 14, 8. Er ist der Erlöser und Nothhelfer, Dan. 6, 27. In der Römischen Kirche sind die vierzehen Nothelfer vierzehen Heilige, welche in allen Arten der Noth vorzüglich angerufen werden. In der anständigen Schreibart ist es in dieser Bedeutung veraltet, vermuthlich um der Zweydeutigkeit mit der folgenden willen. 2) Eine Person oder Sache, deren Hülfe man sich nur aus Noth bedienet, weil man keine bessere hat; Nieders. Hanuke in der Noth.


Nothhemd (W3) [Adelung]


Das Nothhemd, des -es, plur. die -en, ein ehedem sehr übliches abergläubiges Hemd, welches nicht nur fest machen, sondern auch in Kindesnöthen liegenden Weibern die Geburt erleichtern sollte.


Nothhülfe (W3) [Adelung]


Die Nothhülfe, plur. inus. die Hülfe in der Noth, in dringenden Nothfällen. Ingleichen eine Hülfe, deren man sich nur aus Noth bedienet, weil man keine bessere hat.


Nöthig (W3) [Adelung]


Nöthig, -er, -ste, adj. et adv. Noth habend, in derselben gegründet; doch nur in einigen Fällen des Hauptwortes. 1. Subjective, in Ansehung der Person. 1) In der weitesten Bedeutung, in der dritten und sechsten Bedeutung des Hauptworts, doch nur als ein Nebenwort, und mit dem Zeitworte haben. Etwas nöthig haben, es nicht haben, da man es doch gebrauchen, es zur Erreichung einer Absicht, zur Hervorbringung einer Veränderung anwenden könnte, ohne den Grad dieses Bedürfnisses zu bestimmen. Geld nöthig haben, es bedürfen. Ich habe Hülfe nöthig. Man hat ihn nicht mehr nöthig. Ihr Herz scheint keinen großen Antrieb mehr nöthig zu haben, Gell. Etwas sehr nöthig, hoch nöthig, höchst nöthig haben. Er hat es nöthig. im Oberdeutschen mit der zweyten Endung. Einer Sache nöthig haben. 2) In engerer Bedeutung. (a) * In Noth befindlich, in der siebenten Bedeutung des Hauptwortes; eine im Hochdeutschen ungewöhnliche Bedeutung. Im Bergbaue ist eine wassersnöthige Zeche, welche Noth von Wasser leidet, zu viel Wasser hat. (b) * Arm, dürftig; in welchem Verstande es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet ist. 2. Objective, in Ansehung der Sache. 1) Zur Erreichung einer Absicht, zur Hervorbringung einer Veränderung erforderlich und dienlich, in der dritten und sechsten Bedeutung des Hauptwortes Noth, und im Gegensatze des unnöthig. Jemanden mit den nöthigen Hülfsmitteln versehen. Die nöthige Kleidung, welche nicht bloß zur Nothdurft, sondern auch zur Bequemlichkeit und zum Wohlstande erfordert wird. Eine nöthige Sache. Etwas für nöthig halten, befinden. wenn du es für nöthig befindest, Gell. Es ist nöthig, es ist nicht nöthig. Seine Miene sagt mehr als nöthig ist, den Verdacht gegen ihre Tugend zu bestärken, Gell. Wozu ist das nöthig? Ich werde bey diesem Gespräche wohl nicht nöthig seyn. Es ist nicht nöthig, daß du hingehest. Das nöthigste von etwas wissen. Sehr nöthig, hoch nöthig, höchst nöthig, drucken auch hier die höhern Grade aus. Das Nöthige wird auch zuweilen in der anständigen Schreibart für Nothdurft gebraucht. Soll ich dich an dem Nöthigen Mangel leiden sehen? Dusch. 2) * Zur Erreichung einer Absicht unentbehrlich, den Umständen nach unvermeidlich; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, wo es für nothwendig bey den Oberdeutschen Schriftstellern mehrmahls vorkommt. Die Sache muß nöthig seyn, Opitz, für nothwendig. Ich muß nöthig schreiben, nothwendig. Daher Opitz auch Nöthigkeit für Nothwendigkeit gebraucht.


Nöthigen (W3) [Adelung]


Nöthigen, verb. reg. act. 1) * Durch äußere Gewalt, wider Willen, zu etwas bewegen, zwingen, von Noth 5; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher so wohl nöthigen, als das veraltete einfachere nöthen bey den Oberdeutschen Schriftstellern sehr häufig ist. So dich jemand nöthiget eine Meile, so gehe mit ihm zwo, Matth. 5, 41. Ohne deinen Willen wollte ich nichts thun, auf daß dein Gutes nicht wäre genöthiget, sondern freywillig, Philem. 14. Die ärgste Noth ist die, die gar zu lange nöthet, Logau. Ehedem war eine Jungfrau nöthigen oder nöthen so viel als sie nothzüchtigen. Zuweilen pflegt man die R. A. genöthiget werden, genöthiget seyn, sich genöthiget sehen, auch im Hochdeutschen im glimpflichsten Verstande zu gebrauchen, wenn man wider Willen zu etwas gezwungen worden. 2) Durch dringende Umstände, durch Vorlegung triftiger Gründe zu etwas bewegen, so daß der freye Wille dabey nicht im eigentlichen Verstande gezwungen wird. Ich ward genöthiget, mich auf den Kaiser zu berufen, Apostelg. 28, 29. Das Wetter nöthigte mich zu Hause zu bleiben. Was nöthiget dich dazu? Besonders in den R. A. sich genöthiget sehen, genöthiget seyn, genöthiget werden, wofür man im Oberdeutschen sagt, sich gemüßiget oder bemüßiget sehen, bemüßiget werden. 3) In der engsten Bedeutung, aus Höflichkeit, durch Gründe der Höflichkeit zu etwas bewegen. Jemanden zum Essen, zum Trinken nöthigen. man nöthigte mich lange so lange, bis ich voran gehen, die Oberstelle nehmen mußte. Das Nöthigen bey Tische ist nicht mehr Mode. Schon Ottfried gebraucht in diesem Verstande noten. So auch die Nöthigung, besonders in der zweyten Bedeutung.

Anm. Im Schwed. nödga, bey dem Ulphilas nauthjan, im Angels. neadigan. Es ist das Intensivum oder Frequentativum des schon gedachten im Hochdeutschen aber veralteten nöthen, welches mit dem Oberdeutschen nieten genau zusammen hänget, und ehedem für unser heutiges nöthigen gangbar war; Dän. node, Schwed. nöda, Isländ. neida. In zunöthigen, zudringen, hat es noch die mehr eigentliche Bewegung des Bestrebens, Drängens, ( S. Nieten,) so wie es benöthiget zunächst von nöthig abstammet.


Nöthigkeit (W3) [Adelung]


Die Nöthigkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es nöthig ist, in der zweyten objectiven Bedeutung des Beywortes.


Nothjahr (W3) [Adelung]


Das Nothjahr, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, ein theures Jahr, da Noth, d. i. Mangel an Getreide und Lebensmitteln ist.


Nothklage (W3) [Adelung]


Die Nothklage, plur. die -n, noch in den Gerichten einiger Gegenden, die Klage über angethane Noth, d. i. offenbare Gewalt, besonders die Klage über erlittene Nothzucht.


Nothknecht (W3) [Adelung]


Der Nothknecht, des -es, plur. die -e, ein Knecht, dessen man sich nur aus Noth, auf kurze Zeit, und in Ermangelung eines ordentlichen Knechtes bedienet. Im gemeinen Leben auch in weiterer Bedeutung, eine Person, deren Hülfe man sich, in Ermangelung der ordentlichen und bessern, auf kurze Zeit bedienet; der Nothhelfer. Jemandes Nothknecht seyn.


Nothkönig (W3) [Adelung]


* Der Nothkönig, des -es, plur. die -e, ein ungebräuchliches Wort, welches einige für einen Zwischenkönig, Interrex aufbringen wollen, welches aber wegen des dem Worte Noth in solchen Fällen anklebenden Nebenbegriffes des Geringern, Schlechtern, unschicklich ist.


Nothleidend (W3) [Adelung]


Nothleidend, das Mittelwort der R. A. Noth leiden, welches so wohl als ein Beywort, als auch ein Hauptwort üblich ist, ein gegenwärtiges die Wohlfahrt in einem hohen Grade verminderndes Übel leidend, oder empfindend, und in engerm Verstande, Mangel an den unentbehrlichsten Erhaltungsmitteln des zeitlichen Lebens leidend. Einem Nothleidenden helfen. Die Thränen eines nothleidenden Unterthanen rühren ihn nicht. So gehe denn keiner zur Ruhe des Grabens, er habe denn erquickenden Schatten über den Nothleidenden gestreut, Geßn.


Nothlüge (W3) [Adelung]


Die Nothlüge, plur. die -n, eine Lüge, zu welcher man durch die Noth, d. i. zur Vermeidung eines Übels, oder auch zur Erfüllung seiner Pflicht, bewogen wird. Eine Nothlüge sagen.


Nothnagel (W3) [Adelung]


Der Nothnagel, ( S. Niethnagel.) In einem andern Verstande höret man im gemeinen Leben oft, man müsse Nothnagel seyn, wenn man andern in Ermangelung eines bessern aus einer Verlegenheit helfen muß.


Nothpeinlich (W3) [Adelung]


Nothpeinlich, S. Hochnothpeinlich.


Nothpfennig (W3) [Adelung]


Der Nothpfennig, des -es, plur. inus. Geld, welches man auf einen dringenden Nothfall aufsparet, zum Unterschiede von einem Ehrenpfennige und Zehrpfennige; Nieders. Noodgrooten, Nothgroschen. Sich einen Nothpfennig ersparen.


Nothrecht (W3) [Adelung]


Das Nothrecht, des -es, plur. inus. in einigen Gegenden. 1) Das Recht in Nothklagen, d. i. in Klagen über angethane Gewalt, besonders über Nothzucht. Das Nothrecht ergehen lassen, in solchen Fällen Recht sprechen. 2) Ein Recht zu dessen Ausübung jemand gezwungen wird, oder gezwungen werden kann. So ist es an einigen Orten ein Nothrecht, daß, wenn jemand zu einer obrigkeitlichen Stelle erwählet wird, er dieselbe schlechterdings annehmen muß. 3) Das Befugniß, etwas in einem Nothfalle unter dem Schutze der Gesetze zu thun; wohin z. B. die Nothwehr gehöret. 4) In Breslau ist das Nothrecht eine Art des außerordentlichen Rechtes, nach welchem in dringenden Nothfällen verfahren wird; z. B. wenn ein fressendes Pfand vorhanden ist.


Nothreif (W3) [Adelung]


Nothreif, adj. et adv. welches in der Landwirthschaft von dem Getreide, Früchten und Obste gebraucht wird, wenn es von übermäßiger Hitze vor der Zeit, ehe es noch völlig ausgewachsen ist, zur Reife gezwungen wird.


Nothreif (W3) [Adelung]


Der Nothreif, des -es, plur. die -e, bey den Böttchern, ein Reif, welcher nur im Nothfall und auf kurze Zeit um ein Gefäß geleget wird, bis dasselbe mit ordentlichen Reifen versehen werden kann.


Nothsache (W3) [Adelung]


Die Nothsache, plur. die -n. 1) Eine nöthige und nothwendige Sache. Das ist keine Nothsache, ist so gar nothwendig nicht. 2) Eine Sache, welche durch einen dringenden Nothfall veranlasset wird; aber auch eine rechtmäßige Entschuldigung vor Gericht in manchen Gegenden Nothsache genannt wird.


Nothschlange (W3) [Adelung]


Die Nothschlange, plur. die -n, eine Art eines groben Geschützes, ( S. Feldschlange.) Entweder von Noth, Zwang, oder auch weil man sich dessen wegen seiner Größe nur im Falle der Noth bedienete. Es wurde ehedem auch der Nothdrache genannt.


Nothschnitt (W3) [Adelung]


Der Nothschnitt, des -es, plur. die -e, im Bergbaue, ein Schnitt, d. i. eine Grube, welche man aus Noth und nicht nach den Regeln des Bergbaues macht. In engerer Bedeutung heißt daselbst Nothschnitte thun, das Erz wegnehmen, wo man es findet, um so bald als möglich auf die Kosten zu kommen.


Nothschuß (W3) [Adelung]


Der Nothschuß, des -es, plur. die -schüsse, ein Schuß, wodurch man eine vorhandene dringende Noth verkündet. Beson- ders thut ein Schiff Nothschüsse aus Kanonen, wenn es sich in dringender Gefahr befindet, um dadurch andere zur Hülfe herbey zu rufen.


Nothstall (W3) [Adelung]


Der Nothstall, des -es, plur. die -ställe, ein Stall, d. i. ein starkes Gerüst mit einem Dache, unbändige Pferde, welche sich nicht gern beschlagen, Arzeneyen eingießen u. s. f. lassen, darin zu zwingen, stille zu stehen, und geduldig auszuhalten, von 5 Noth, physischer Zwang; im mittlern Lat. Angarium. So fern Stall ehedem einen Gesellen, Gehülfen bedeutete, kommt Nothstall in den mittlern Zeiten mehrmahls von einem Nothhelfer, Vasallen, vor, von welcher längst veralteten Bedeutung Schilters Glossarium nachgesehen werden kann.


Nothstand (W3) [Adelung]


Der Nothstand, des -es, plur. inus. ein bedrängter Zustand, die Noth als ein Zustand betrachtet. Der bejammernswürdige Nothstand dieses verwüsteten Landes. Ingleichen der Zustand, da man aus Noth zu einer sonst unbefugten Handlung gezwungen wird.


Nothstein (W3) [Adelung]


Der Nothstein, des -es, plur. die -e, S. Kragstein.


Nothstern (W3) [Adelung]


Der Nothstern, des -es, plur. die -e, eine ehemahlige Benennung eines Kometen, weil er Jammer und Noth verkündigen sollte.


Nothtaufe (W3) [Adelung]


Die Nothtaufe, plur. die -n, die Taufe, welche einem Kinde im Falle der Noth, d. i. in einer augenscheinlichen Lebensgefahr, ohne die sonst üblichen äußern Feyerlichkeiten ertheilet wird, besonders so fern sie von weltlichen Personen verrichtet wird; im Oberd. die Sachtaufe, Jähtaufe, und, so fern sie auch von Weibern verrichtet werden kann, die Frauentaufe.


Noththür (W3) [Adelung]


Die Noththür, plur. die -en, eine Thür, deren man sich nur in dringenden Nothfällen bedienet. So hat man zuweilen Noththüren aus einem Hause in das andere, sich ihrer in Feuersnoth zu bedienen.


Nothweg (W3) [Adelung]


Der Nothweg, des -es, plur. die -e, ein Weg, dessen man sich nur aus Noth, ingleichen im Falle der Noth, anstatt des ordentlichen Weges bedienet.


Nothwehr (W3) [Adelung]


Die Nothwehr, plur. inus. die Gegenwehr, welche man im Falle der Noth, d. i. zu Abwendung einer dringenden Gefahr thut oder leistet. In engerem Verstande ist es die Gegenwehr zur Abwendung einer solchen unvermeidlichen Leib- und Lebensgefahr; im Schwabenspiegel Notauuer.


Nothweiser (W3) [Adelung]


Der Nothweiser, des -s, plur. ut nom. sing. in der Bienenzucht, ein Weiser, welchen die Bienen nach Verlust ihres ordentlichen Weisers sich selbst im Stocke zu machen wissen.


Nothwendigkeit (W3) [Adelung]


Die Nothwendigkeit, plur. die -en. 1) Die Eigenschaft eines Dinges, da es nothwendig ist, in allen Bedeutungen des vorigen Wortes, und ohne Plural. Die Nothwendigkeit Gottes, nach welcher er unmöglich nicht da seyn, oder unmöglich anders beschaffen seyn kann, als er ist. Die moralische Nothwendigkeit, die Gegenwart hinlänglicher Bewegungsgründe. Setze mich nicht in die Nothwendigkeit, auf meine eigene Sicherheit zu denken. 2) Nothwendige Dinge, d. i. solche Dinge, ohne welche eine Absicht nicht erreicht, eine Veränderung nicht hervor gebracht werden kann, und in engerm Verstande, Dinge, welche zur Erhaltung des natürlichen Lebens nothwendig sind.


Nothwerk (W3) [Adelung]


Das Nothwerk, des -es, plur. die -e, ein Werk, eine Verrichtung, welche zur Erhaltung unsrer und andrer Wohlfahrt unentbehrlich ist.


Nothwurf (W3) [Adelung]


Der Nothwurf, des -es, plur. die -würfe, S. Nothauswurf.


Nothzucht (W3) [Adelung]


Die Nothzucht, plur. inus. von Noth und ziehen. 1) * Eine jede Gewalt, welche man einem andern anthut und zufüget, auch der Zwang wider dessen Willen; eine veraltete Bedeutung, welche ehedem sehr häufig war, wo nothziehen und nothzogen auch zwingen war. Gott wird uns keine Gewalt anlegen, benöthigen, nothziehen, heißt es in den Deutschen Sprichwörtern bey dem Frisch. Im Niedersächsischen ist nothtagen, nothziehen, noch im figürlichem Verstande für nöthigen, durch höfliches Bitten, üblich. 2) In der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung, die mit angewandter Gewalt ohne Willen der andern Person mit ihr begangene Unzucht, gewaltthätiger Beyschlaf; ehedem die Noth, die Nothnunft, von nehmen, der Nothzug, die Nothzoge, die Nothzögung, der Nothzwang, im Nieders. Verkräfting, Wiefnood. Nothzucht begehen.


Nothzüchtigen (W3) [Adelung]


Nothzüchtigen, verb. reg. act. welches auch nur noch in der engern Bedeutung üblich ist, mit Gewalt zum Beyschlafe zwingen. Eine Person nothzüchtigen. Ehedem nothzogen, nothzögen, notzeren, im Schwabensp. notzogen, im Nieders. verkräftigen. Daher die Nothzüchtigung, die Nothzucht. Ehedem bedeutete es überhaupt, Gewalt anthun. Si notegoton mih, Notker. Das Hauptwort der Nothzüchtiger, ehedem der Nothzüchter, Nothzoger, kommt noch zuweilen in den Gerichten vor.


Noval-Acker (W3) [Adelung]


Der Noval-Acker, Noval-Zehnte, S. Neubruch.


November (W3) [Adelung]


Der November, des -s, plur. ut nom. sing. der eilfte Monath im Jahre, nach dem Lat. November, weil er bey den Römern, welche das Jahr mit dem Märze anfingen, der neunte war. Carl der Große nannte ihn den Windmonath, weil sich in demselben gemeiniglich starke Winde einzustellen pflegen, oder nach dem Raban Maurus Heriuistmanoth, da bey uns jetzt der September der Herbstmonath ist. Er wird im Deutschen auch der Wintermonath genannt, weil sich dieser, der Witterung nach, gemeiniglich in demselben einzustellen pflegt. Im Holländ. heißt er Schlachtmaend, und auch wohl bey einigen Deutschen Schlachtmonath, weil man das zur Haushaltung nöthige zahme Vieh in demselben einzuschlachten pflegt, daher er auch den alten Cimbern Blotmonat genannt wurde.


Nu (W3) [Adelung]


Nu, die Partikel nun im gemeinen Leben, S. Nun.


Nücke (W3) [Adelung]


Die Nücke, plur. die -n, S. Mucke.


Nudelbret (W3) [Adelung]


Das Nudelbret, des -es, plur. die -er, in den Küchen, ein Bret, auf welchem der zu Nudeln bestimmte Teig mit dem Nudelholze gewalzet und zu einer breiten dünnen Masse ausgedehnet wird.


Nudelholz (W3) [Adelung]


Das Nudelholz, des -es, plur. die -hölzer, eine kleine um eine Welle bewegliche Walze, womit der Nudelteig auf dem Nudelbrete zu einer dünnen Masse ausgedehnet wird; im gemeinen Leben der Nudelwalzer, von walzen, hin und her wälzen.


Nudelmacher (W3) [Adelung]


Der Nudelmacher, des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Nudelmacherinn, Personen, welche ihr vornehmstes Geschäft daraus machen, Nudeln auf den Kauf zu verfertigen.


Nudelmehl (W3) [Adelung]


Das Nudelmehl, des -es, plur. inus. sehr feines Weitzenmehl, so wie es zu den Nudeln gebraucht wird.


Nudelteig (W3) [Adelung]


Der Nudelteig, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein Teig aus Nudelmehl und Eyern, woraus die Nudeln verfertiget werden.


Nüffeln (W3) [Adelung]


Nüffeln, verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, durch die Nase reden, in andern Gegenden mit dem Zischlaute schnüffeln. Beyde sind nur in den gemeinen Sprecharten üblich, indem in der anständigern dafür nieseln gebraucht wird.


Nug (W3) [Adelung]


Nug, Nüge, S. Genug und Genüge.


Null (W3) [Adelung]


Null, ein Nebenwort, welches nur in der Redensart null und nichtig üblich ist, ungültig, als nicht da seyend, als nicht geschehen. Etwas null und nichtig machen, für null und nichtig erklären. Da es denn in den Gerichten und Kanzelleyen auch wohl, doch ohne Verlängerung am Ende, als ein Beywort gebraucht wird. Ein null- und nichtiges Verfahren, als wenn das Beywort nullig hieße, welches doch nicht gangbar ist. Es kommt mit dem Lat. nullus überein, aus welchem es auch entlehnet seyn kann. Daher die Nullität, plur. die -en, in den Rechten, ein nichtiges und an sich ungültiges Verfahren; die Nullitäts-Klage, die darüber angestellte Klage.


Null (W3) [Adelung]


Die Null, plur. die -en, oder die Nulle, plur. die -n, eine Zahlfigur in Gestalt eines kleinen Zirkels oder Lat. o, welche für allein nichts gilt, sondern die Abwesenheit einer Zahl bezeichnet. Aus dem Lat. nulla.


Nummer (W3) [Adelung]


Die Nummer, plur. die -n, aus dem Lat. Numerus, eine Zahl und Zahlfigur, in welchem Verstande es noch im gemeinen Leben üblich ist. Besonders eine Zahl, so fern sie ein Zeichen eines aus mehrern mit Zahlen bezeichneten Dinges ist, und dieses Ding selbst, doch auch nur im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart, eine gute Nummer bey einer Person, an einer Sache haben, sich gut an und bey derselben stehen, an und bey derselben gewinnen. Ihr Vater ist ein Förster, und du weißt, die haben eine gute Nummer, Weiße, eine einträgliche Stelle. Ich bin so eigennützig nicht, sonst hätte ich bey ihr gewiß eine gute Nummer gehabt, ebend.


Nummereisen (W3) [Adelung]


Das Nummereisen, des -s, plur. ut nom. sing. im Hüttenbaue, ein Eisen, womit die Nummer in das ausgeschmelzte Bley geschlagen wird.


Nummeriren (W3) [Adelung]


Nummeriren, verb. reg. act. aus dem Lat. numerare, zählen. 1) Für zählen; wo es doch nur in engerer Bedeutung in der Rechenkunst üblich ist, wo nummeriren eine geschriebene Zahl gehörig aussprechen, oder eine ausgesprochene Zahl durch die gehörigen Zeichen ausdrucken bedeutet. 2) Mit der gehörigen Nummer bezeichnen. Die Häuser, Waaren, Mannschaften u. s. f. nummeriren.


Nun (W3) [Adelung]


Nun, im gemeinen Leben Nu, eine Partikel, welche besonders in den figürlichen Bedeutungen im Deutschen von einem sehr vielfachen Gebrauche ist, und zur Ründe, Annehmlichkeit und Vollständigkeit der Rede überaus viel beyträgt. Sie wird so wohl eigentlich als ein Nebenwort der Zeit, als auch figürlich in Gestalt eines Bindewortes gebraucht. 1. Eigentlich, als ein Nebenwort der Zeit, den gegenwärtigen Augenblick, die gegenwärtige Zeit zu bezeichnen. Ach, wollt ihr nun schlafen und ruhen? Marc. 14, 41. Herr, nun lässest du deinen Diener in Friede fahren, Luc. 2, 29. Nun ist es Zeit zu gehen. Siehest du es nun? Hörest du es nun erst? Nun ists nicht mehr Zeit. Nun kommt er endlich einmahl. Aber was sagst du nun dazu? Man hat seit langer Zeit daran gearbeitet, nun ist die Sache endlich zu Stande gekommen. Ingleichen mit dem Vorworte von, von nun an, von dem gegenwärtigen Augenblicke, von der gegenwärtigen Zeit an. Im Oberdeutschen verbindet man es auch mit bis, bis nun zu, bis jetzt, welches aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Nun und nimmermehr stehet sehr häufig mit einem Nachdrucke für niemahls. Nein, nun und nimmermehr soll das geschehen, Gell. Aber das Oberdeutsche nun und ewig für ewig, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Doch wird der große Zorn nicht nun und ewig währen, Opitz. - Und euch dahin gesetzet, Da nun und ewiglich kein Auge wird gesetzet, ebend. Oft beziehet sich das nun zugleich auf eine vorher gemeldete oder nachfolgende Sache, ohne doch die Bedeutung des gegenwärtigen Augenblickes oder doch der gegenwärtigen Zeit auszuschließen; ein Gebrauch, welcher das Band dieser eigentlichen Bedeutung der Zeit mit den folgenden figürlichen ausmacht. Ich will nun gerne sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, 1 Mos. 46, 30. Wenn er nicht die Wahrheit sagt, wem soll man nun glauben? Er hat sie zur Frau verlangt, da sie arm war, nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit heirathen, Gell. Wo auch das da wegbleiben kann, wobey sich zugleich das nun der folgenden Gestalt eines Bindewortes nähert: nun sie reich ist, soll sie u. s. f. Ich habe immer geliebt, nun aber, da ich sehe, daß er meine Liebe mißbraucht, hat sie ein Ende; oder, nun ich aber sehe, daß u. s. f. Oft gehöret das nun und die ganze Bestimmung der gegenwärtigen Zeit wesentlich zu der Rede, sondern scheinet vornehmlich um des Nachdruckes willen da zu stehen. Wenn der Landmann in den frohen Saaten der reichen Ernte dankbar entgegen stehet und nun schreckliches Ungewitter seine ganze Hoffnung danieder schlägt, Sonnenf. In dieser ganzen Bedeutung der gegenwärtigen Zeit kommt nun mit jetzt überein, welches letzterer man in der höhern Schreibart in diesem Verstande dem nun gern vorziehet. Allein, jetzt erstrecket sich weiter, und kann auch von einer den Augenblick vergangenen Zeit gebraucht werden, wo nun ungewöhnlich ist. Erst jetzt ist er weggegangen, nicht erst nun. So wie es auch die näher bestimmenden gleich und eben nicht vor sich leidet. Nu und Nun werden zuweilen auch als Hauptwörter gebraucht, doch selten in der anständigen Sprechart. In einem Nu, in einem Augenblicke, wo Nun ungewöhnlich ist. Du sollst in einem Nu befreyet von Beschwerden, Ja gar ein großer König werden, Willam. S. die Anm. Das Nun oder Niemahls eines Christen. 2. Figürlich, größten Theils in Gestalt eines Bindewortes, welches sich aber in gar vielfacher Gestalt zeiget. 1) Eine Folge, eine Wirkung, und zuweilen auch eine Schlußfolge zu begleiten. So beschneidet nun eures Herzens Vorhaut, 5 Mos. 10, 16. Bin ich nun Vater, wo ist meine Ehre? Mal. 1, 6. So halten wir es nun, daß der Mensch gerecht werde u. s. f. Röm. 3, 28. Hast du nicht hören wollen, nun so magst du fühlen. 2) Ingleichen die wirkende Ursache. Was habe ich nunmehr zu hoffen, nun ich einen solchen Nebenbuhler habe? für nun da. ( S. die erste eigentliche Bedeutung.) Nun du nicht kommen willst, so sollst du es auch nicht haben, für nun weil. Welche Ellipsen doch behutsam zu gebrauchen sind, damit sie nicht zu hart werden. 3) Sehr häufig wird es der erzählenden Art als eine bloße Verbindungs-Partikel der Glieder einer Erzählung gebraucht. Da sie nun nahe bey Jerusalem kamen, Matth. 21, 1. Nun war aber damahls ein Gebrauch u. s. f. Nun waren sie damahls nicht zugegen. Hier bemerke ich nun ganz deutlich, oder nun bemerke ich hier ganz deutlich. Für diesen Gewinst nun kaufe ich mir ein Haus. Glauben sie nun, daß sie ihnen an der Gemüthsart nicht gleicht, so lassen sie sie fahren. Wo doch der allzu häufige Gebrauch dieser Partikel vermieden werden, muß. 4) Eben so häufig dienen sie etwas einzuräumen, oder zuzugeben, besonders wenn es im Nachsatze compensiret wird. Nun ist zwar gewiß, aber u. s. f. Je nun, du bist freylich nicht die schönste, aber du wirst auch versorgt werden, Gell. Fliegen kann der Strauß nun wohl nicht, aber ich glaube, er muß gut laufen können, Less. Rathsherr möchte ich nun freylich gern werden, Raben. Nun sind freylich diese Töne sehr einfach, aber u. s. f. Er mag nun kommen, oder nicht. Sie mögen mich nun noch so sehr hassen, so werde ich mich doch nie beklagen, Gell. Das möcht ich nun nicht gern. 5) Ingleichen einen möglichen Fall zu begleiten. Wenn er nun nicht da ist? Wenn er sich nun nicht bessert? Wenn er nun die Nacht sterben sollte? Wenn ich nun auch so gedacht hätte? Wenn ich nun hundert Thaler gewönne, so wollte ich die Hälfte den Armen geben. Und wenn ich es nun wäre, was wolltest du da thun? 6) Ferner eine Versicherung, eine Bejahung anzukündigen, in der vertraulichen Sprechart. Nun, wie ich dir gesagt habe. Nun ja! eine Bejahung, welche oft einen Unwillen verräth. Eben dieser entschlossene Unwillen blickt auch in einigen der folgenden R. A. hervor. Ich kann ihn nun nicht leiden. Ich will es nun haben. Es ist nun einmahl so. 7) Oft dienet es auch in andern Fällen dem Unwillen oder dem Verweise zur Begleitung. Wer wird denn nun alle Worte auf die Goldwage legen? Was nun das für Dinge sind? Da hast du mir nun die ganze Sache verderbt. Nu, warte du, ich will dich schon wieder kriegen, Weiße. Nun, man sollte denken, du wüßtest es nicht. Nun, was das wieder für eine beleidigende Antwort ist. Nun, was soll denn das heißen? Was hätt' ich aber nun die ganze Zeit vom Lachen? Kost. Was wird es denn nun seyn? 8) Ingleichen eine vertrauliche Frage anzufangen, wo es ale Mahl voran stehet. Nun, was fehlet ihnen? Nun, wie befinden sie sich? Nun, wie stehen unsre Sachen? Nun, wie gefällt ihnen mein Gärtchen? Nun, Friedrich, was willst du? Und zuweilen auch allein stehet, die Fortsetzung der Rede von dem andern heraus zu locken. Aber, liebste Themire! - - Them. Nun? Nerine ging vorhin in den Garten. - - Nun? - - und da verlor sie es. 9) Ferner, eine Verwunderung zu begleiten, wo es gleichfalls die Rede anfängt. Nun, das muß ich bekennen! Nun, da ist mir ein rechter Stein vom Herzen! Nun, die muß recht beherzt gewesen seyn! Nun, so will ich doch gern sehen, was daraus werden wird! Nu, ist doch alles ganz leer! 10) Wie auch einen vertraulichen Beyfall. Nun, das ist ja recht gut, daß du das gethan hast. Nun, wenn das ist. 11) Eine Aufmunterung, einen beherzten Entschluß. Nun, so sey es denn. Nun, so will ich denn kommen. Nun, so will ich es wagen. Nun, so erkläre dich deutlicher. Nun, so gib mir die Hand darauf. Nun, so sey es! 12) Ingleichen eine Besänftigung, wo es gemeiniglich verdoppelt wird. Nun, nun, wir wollen sehen. Nun, nun, wenn er dich auch Ein Mahl du hieße, Gell. Nun, nun, ich muß wissen, was an dir ist, ebend. Nu, nu, es wird schon wieder vergehen. Nun, nun, wenn das ist.

Anm. Aus diesen und andern dergleichen Fällen mehr, welche hier um der Kürze willen übergangen werden, erhellet, daß diese Partikel im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart ein sansftes Verbindungewörtchen ist, welches fast in allen Fällen gebraucht werden kann, wo keine mehr hervorstechende Partikel nöthig ist, die es oft bloß mildern, so wie es die meisten sanftern und gelindern Gemüthsbewegungen zu begleiten pflegt. Dieses Wörtchen lautet im gemeinen Leben nur nu, schon im Isidor, bey dem Kero, Willeram u. s. f. gleichfalls nu, im Nieders. Dän. Schwed. Holländ. und Isländ. auch nu, bey dem Ulphilas nu und nuna, im Persischen nuh, im Russischen nu, im Böhm. nyni, nyncko, im Lat. nunc, im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, und, wenn es das Bindewort ist, ohne das Anfangs - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, im Finnländ. mit einem andern Endlaute nyt. Ob es gleich viele Wahrscheinlichkeit hat, daß es mit nahe und neu verwandt ist, so scheinet es doch fast noch glaublicher, daß das Hauptwort Nu, ein Augenblick, noch die erste eigentliche Bedeutung aufbehalten hat, da es denn mit dem Lat. nuere, Nutus, mit unserm nicken, neigen und nähen oder nahen, so fern es anfänglich überhaupt sich bewegen bedeutet hat, Eines Geschlechtes seyn würde. Es kann seyn, daß das Bindewort nun wenigstens in einigen Bedeutungen ein von dem Nebenworte nun ganz verschiedenes Wort ist; zumahl da dieses im Nieders. nu und im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, jenes aber im Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und im Nieders. no lautet. Indessen lässet es sich nur muthmaßen, denn Beweise sind davon noch nicht geführet.


Nunmehr (W3) [Adelung]


Nunmehr, ein Nebenwort der Zeit, welches in der feyerlichen Schreib- und Sprechart für nun gebraucht wird, wenn es das bloße Nebenwort der Zeit, und wenn dessen Kürze dem ernsten Gange und der Ründe der Rede nicht angemessen ist. Nunmehr sehe ich es wohl ein. Was habe ich nunmehr davon? Die Vernunft hat nunmehr mein Herz gesiegt, Gell. Man hat lange daran gearbeitet, nunmehr ist die Sache endlich zu Stande gekommen. Oft stehet es auch, das Nebenwort von dem Bindeworte zu unterscheiden, oder wenn die Zusammenkunft beyder einen Mißklang machen würde. Da nun viel Zeit vergangen war, und nunmehr gefährlich war zu schiffen, u. s. f. Apostelg. 27, 9. Mehr scheinet hier bloß zur Verlängerung des Wortes da zu seyn. Bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern findet sich dieses Nebenwort nicht.


Nunmehrig (W3) [Adelung]


Nunmehrig, das Beywort des vorigen Nebenwortes, was nunmehr ist oder geschiehet. Die nunmehrige Veranlassung. In der anständigern Schreibart bedienet man sich dafür doch lieber des gleichbedeutenden jetzig. Als ein Nebenwort kann es so wie dasig, hiesig, nachmahlig, vorig, und andere von Partikeln gemachte Beywörter nicht gebraucht werden.


Nur (W3) [Adelung]


1. Nur, ein Nebenwort der Zeit, welches nur in der vetraulichen Sprechart üblich ist, und vor sehr kurzer Zeit, vor einem Augenblicke bedeutet. Er ist nur hinaus gegangen, vor einem Augenblicke, eben jetzt. Ich hatte nur angefangen, als Cajus kam. Wir haben nur gegessen. Da dieses Nebenwort im Nieders. nuur, im Hannöverischen aber nuns lautet, dagegen die Niedersachsen das folgende Bindewort nicht kennen, so ist sehr glaublich, daß es von demselben völlig verschieden sey, und zu neu und neuerlich gehöre, aus welchem letztern es mit Wegwerfung des Endlautes zusammen gezogen zu seyn scheinet. Das Hannöverische nuns stammet hingegen von nun ab.


Nur (W3) [Adelung]


2. Nur, ein Bindewort, welches im Deutschen, so wie alle Partikeln dieser Art, von einem vielfachen Gebrauche ist. Es bedeutet, 1. Eigentlich, eine Ausschließung aller andern Dinge, außer dem gemeldeten, und zwar 1) Eine bloße Ausschließung, ohne allen Nebenbegriff, welche wiederum von mehrerer Art ist. (a) Die Ausschließung betrifft entweder eine größere Menge oder Zahl, da es denn für nicht mehr als, nicht länger als, nicht öfter als, u. s. f. stehet. Er hatte nur einen einzigen Freund. Gib mir nur ein wenig davon. Ich habe nur noch zwey Gulden übrig. Es kostet nur zehn Thaler. Gevatter, nur Ein Wort, mit dem Tone auf dem Ein, dagegen wenn nur, wie in der folgenden Bedeutung, alles andere außer einem kurzen Gespräche anschließt, der Ton entweder auf dem nur oder auch auf Wort lieget. Es sind nur zwey Zimmer ledig. Es ist unwichtig, wenn in einigen Sprachlehren behauptet wird, nur werde oft zu dem Zahlworte ein gesetzet, um es von dem Artikel zu unterscheiden. Das Zahlwort ein nimmt diese Partikel nicht mehr und nicht weniger an, als ein jedes anderes Zahlwort, nähmlich nur dann, wenn eine größere Zahl ausdrücklich ausgeschlossen wird. Warte nur bis morgen. Nur dieß Mahl thue es, oder thue es nur dieß Mahl. (b) Oder eine jede andere Sache, als die gemeldete, für nichts als, allein. Sage ihm nur dieß, weiter nichts als dieß. Er hatte nur ein Hemd an, weiter nichts als ein Hemd, mit dem Tone auf dem nur; dagegen der Ton auf ein das Zahlwort bezeichnen, und der ganze Ausdruck so viel sagen würde, daß er nicht mehr Hemden als Eines angehabt habe. Nur der Zins macht jährlich hundert Thaler, der Zins allein; der bloße Zins. Ich will nur essen, will weiter nichts thun als essen. Nein, ich verlange nichts, du sollst mir nur verzeihen, Gell. Wenn ich entschlief, so traten nur ängstliche Träume an die Stelle banger Gedanken. Lassen sie mich nur sehen. Wohin das so gebräuchliche nicht nur - sondern auch gehöret, wofür man auch nicht allein - sondern auch sagt. Ich habe es nicht nur gehöret, sondern auch gesehen. (c) Besonders, eine jede andere Absicht, einen jeden andern Bewegungsgrund ausschließen. Er thut es nur aus Furcht, aus bloßer Furcht. Er verschenkte gern alles, nur um die Welt froh zu sehen. Nur um dich zu beruhigen, habe ich diesen Entschluß gefaßt. Ich will alle meine Ansprüche fahren lassen, nur damit ich sie nicht unglücklich mache. (b) Ingleichen eine jede andere Person, für niemand als. Nur ich bin in aller Absicht daran Schuld. So ein Mann nur konnte mein Schwiegersohn werden, oder nur so ein Mann u. s. f. Nur ein Freund schont die Eigenliebe nicht. Nur der ist unglücklich, der sich unter den Streichen der Zufälle beugt. Nur ich bin da gewesen. 2) Eine solche Ausschließung mit allerley Nebenbegriffen. (a) Mit dem Nebenbegriffe der geringen Anzahl, der Kleinheit, und nach einer noch weitern Figur des geringen Werthes. Es sind ihrer nur zehen. Er ist nur zwanzig Jahre alt. Es ist nur fünf Ellen lang. Es ist nur ein geringer Mensch. Es ist nur schlecht. Ich will es ja nur sehen. Es ist ja nur eine Kleinigkeit. Aber Opitzens nur nicht für nicht Ein Mahl, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Und wie ein Schaf den Mund im Scheren nur nicht rührt. (b) Eine Einschränkung oder Verminderung des vorher gegangenen. Ich legte mich schlafen, aber nur auf das Bett. Ich ließ es ihn merken, jedoch nur von weitem. Die meisten Menschen sind lasterhaft, nur einige mehr, andere weniger. (c) Oft auch eine Intension, eine Verstärkung. Das macht ihn nur stolz, das hat keine weitere Wirkung, als daß er dadurch stolz wird. Die Hindernisse, welche uns trennen, haben mein Verlangen nur gestärkt. Durch Bitten stärken wir nur ihren Eigensinn, Gell. Ich bin verdrießlich und werde es nur mehr, je mehr ich rede, ebend. Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn für unschuldig hält, ebend. Will abwärts mit der Herde treiben, Und treibt nur mehr ans Ufer hin, ebend. So bald sich nur das geringste regt. Besonders vor den Wörtern gar zu. Das ist nur gar zu schlecht. Seine Gütigkeit ist nur gar zu groß.

Anm. Der Standort des nur hängt in dieser ganzen Bedeutung von demjenigen Worte ab, auf welches sich die Ausschließung zunächst beziehet, indem es demselben so nahe stehen muß, als die übrige Construction es verstattet. Er weiß es nur besser, ist daher unrichtig; es sollte heißen; nur er weiß es besser, oder er nur; denn es ist in den meisten Fällen gleichgültig, ob es vor oder nach dem Nennworte stehet, außer daß bey der Stellung vor demselben der Nachdruck gewinnet. Einige Tage sollten nur noch unsere Glückseligkeit verschieben; besser, nur noch einige Tage, besser einige Tage nur noch. Nur den Dichtern kann man es übersehen, wenn sie diese Partikel um des Reimes und Sylbenmaßes willen zuweilen aus ihrer gehörigen Stelle reißen. Wenn ich die Bitte dir gewähre, Gewähr' ich dir dein Unglück nur, Gell. besser, gewähr' ich dir nur dein Unglück. 2. Figürlich, wo es als ein Bindewort eine vielfache Verrichtung hat. 1) Eine Ausnahme anzukündigen, für außer. Sie sind alle ganz, nur daß einige ein wenig gelitten haben, oder nur einige haben ein wenig gelitten; wo es ja die vorige ausschließende Bedeutung zurück tritt. 2) Eine Bedingung. Ich will es gern thun, nur heute nicht. Wie sie befehlen, nur daß ich mich nicht zu lange in der Luft aufhalten darf, Gell. Ich freue mich, sie bey mir zu sehen, nur bitte ich vorlieb zu nehmen. ich will ihn aufnehmen, nur daß er fleißig sey, oder nur muß er auch fleißig seyn. Da hast du bare funfzig Thaler, Nur unterlasse den Gesang, Haged. 3) Eine Zulassung zu begleiten. Thue es nur. Du kannst nur hingehen. Besonders, wenn sie mit Gleichgültigkeit, ingleichen mit Unwillen und einer darin gegründeten Bedrohung verknüpft ist; wie immer und immerhin. Er kann nur kommen. Laß ihn nur kommen. Probire es nur. Verstellt euch nur, ich merk es schon, Gell. Nur fein höhnisch! Nur mit einer frommen alten Frau noch gespottet, ebend. Nur geweint, so machen es alle die, die kein gut Gewissen haben. 4) Ingleichen eine Ermahnung. Thue es nur auch. Wandelt nur würdiglich dem Evangelio, Phil. 1, 27. mache nur nicht, daß ich Ernst gebrauche. Laß mich nur nicht wieder kommen. Ingleichen eine Aufmunterung, ein Antreiben, wo es die Rede anfängt. Nur fort! Nur heraus damit! Nur nicht zu lange nachgesonnen! Nur nicht zu weitläuftig, guter Thomas, Weiße. 5) Einen mit besorgendem Zweifel verbundenen Wunsch. Wenn er nur käme! Wenn ich nur ein wenig davon hätte! Ach, wenn er doch nur gleich da wäre! Ingleichen eine Besorglichkeit überhaupt zu begleiten. Wenn er nur auch zu Hause ist. Wenn ichs nur haben kann. Wenn ich ihm nur nicht zu ungelehrt bin. 6) Oft dienet es auch den Gegenstand der Rede mit Nachdruck auszudehnen, dessen Allgemeinheit nachdrücklich zu bestimmen, alle Ausnahmen auszuschließen. Wer nur kommt, der wird aufgenommen, ein jeder welcher kommt. Wer es nur verlangt, der bekommt es, ein jeder ohne Unterschied. So viel er nur aufbringen kann. Wozu er nur Lust bekam, das wurde ihm gegeben. Wo ich ihn nur antreffe, an einem jeden Orte, wo ich ihn antreffe. Des Beste, was du nu haben kannst. 7) Zu Einem der vorigen Fälle, vielleicht auch zu mehr als Einem derselben, gehören noch folgende Arten des Gebrauches. Ich will es ihnen nur gestehen, daß sich die Sache so verhält. Ich will es nur sagen, denn was hilft das Läugnen. Nehmen sie es nur nicht übel. Höre nur, du bist verständiger, als deine Schwester, Gell. Sehen sie nur, ist das nicht ein artiges Kind? Ich muß nur geben. Ich weiß nicht, wo sie bleibt, ich muß sie nur suchen. Und tausend andere mehr, denn wer kann alle Bedeutungen der Partikel einer lebendigen Sprache mit allen ihren Schattirungen und Nebenbegriffen aufzählen und mit andern gleichbedeutenden Ausdrücken erschöpfen? Der Wortforscher muß zufrieden seyn, wenn er nur die vornehmsten und abstechendsten, von welchen die übrigen nur abgeändert sind, auffinden und nur einiger Maßen deutlich machen kann.

Anm. Diese den Hoch- und Oberdeutschen vorzüglich eigene Partikel lautet in dem alten Gedichte auf den heil. Anno newere, bey dem Hornegk newer, newe, newer, newan, im Theuerdanke newr; aus welchen alten Formen zugleich erhellet, daß es ein zusammen gesetztes Wort ist, welches in den spätern Zeiten in nur zusammen gezogen worden. Daß die erste Sylbe in dem alten newar die Verneinung ne, ni, nicht, sey, ist wohl nicht zu läugnen; war, we, wan, sind indessen nicht so deutlich. In der Pfalz ist für nur nummen, numme, nummer üblich, welches mit dem Ital. noma, nur, überein kommt, und den Frisch verleitet hat, so wohl dieses als unser nur von nehmen abzuleiten, und es durch ausgenommen zu erklären. Allein in diesem Pfälzischen nummen scheint das man, me, zu stecken, welches die Niedersachsen, Schweden und Holländer für nur gebrauchen, und welches mit dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, nur, zu - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, min, und minder gehöret. Übrigens gebraucht Ottfried für nur wan, welches auch die letzte Sylbe in Hornegks newan ist, ingleichen ekord, bey dem Notker echert, bey dem Willeram okkert, dagegen bey andern alten Schriftstellern auch ot für nur gefunden wird. in einigen Oberdeutschen Gegenden lautet unser nur auch nurt und nurten.


Nuß (W3) [Adelung]


Die Nuß, plur. die Nüsse, Diminut. das Nüßchen, Oberd. Nüßlein, ein Wort, welches nach seinem weitesten Umfange, so wohl von einer rundlichen Vertiefung, als auch, von einer runden Erhöhung, von einem runden, oder rundlichen Körper gebraucht wird, doch in beyden Bedeutungen nur noch in einigen Fällen üblich ist. 1. Eine Vertiefung. An einer Armbrust wird eine rundliche Kerbe oder Rinne, worin die Sehne ruhet, und aus welcher sie heraus geschnellet wird, die Nuß genannt. Eben diesen Nahmen führet auch die rundliche Kerbe unten an dem Pfeile, mit welcher er auf der Sehne lieget, ingleichen die Rinne an den Enden des Bogens, worin die Sehne befestiget ist; im mittlern Lat. Nux, Franz. Noix. Von welchen Bedeutungen Frisch die ehemahligen figürlichen R. A. herleitet: aus der Nuß seyn, vor Leidenschaft außer sich, seiner nicht mehr mächtig seyn, und jemand wieder in die Nuß bringen, ihn besänftigen, wieder zu sich selbst bringen. Ja im Oberdeutschen wurde ehedem ein jeder Canal, eine jede Rinne, eine jede um des Zusammenhanges, um der Verbindung mit einem andern Theile willen gemachte Vertiefung eine Nusche oder Nuschel genannt, wovon Frisch bey diesem Worte mehrere Beyspiele angeführet hat. ( S. Nuth,) mit welchem es verwandt ist. In den Monseeischen Glossen ist Nuosci eine Röhre. Im mittlern Lat. kommt Nusca häufig von einer Schnalle vor, wo es unmittelbar von nähen, verbinden, abzustammen scheinet. Bey den Jägern wird das weibliche Geburtsglied der Hündinnen und vierfüßigen Thiere so wohl die Nuß, als die Schnalle genannt, und im mittlern Lateine ist Nux eine Art eines Gefäßes. 2. Eine runde Erhöhung, ein fester runder oder rundlicher Körper. 1) Im weitesten Verstande nur noch in einigen Fällen. So werden verhärtete Stückchen Thon in den Sandsteinen Nüsse genannt, welche Nahmen auch runde verhärtete Massen in weichern Erdarten führen, ( S. Mergelnuß.) An verschiedenen Werkzeugen, z. B. an einem Meßtische, an einem Astrolabio u. s. f. ist die Nuß eine hohle Kugel, in deren Höhlung eine mit einem Zapfen versehene kleinere Kugel beweglich ist, um dadurch ein nach allen Seiten bewegliches Gewerbe oder Gewinde zu machen, wo es aber vielmehr zur vorigen Bedeutung der Verbindung gehöret. (S. Nußband.) In den Feuergewehren heißt das rundliche Eisen, auf welchem die Federn ruhen, die Nuß. Auch das im gemeinen Leben übliche Nischel, so fern es den Kopf bedeutet, gehöret hierher. ( S. auch Pfeffernuß.) 2) In engerer Bedeutung ist in dem Pflanzenreiche die Nuß eine gemeiniglich runde Frucht, welche in einer harten Schale eingeschlossen ist, wo es doch auf den Gebrauch ankommt, welche Früchte diesen Nahmen bekommen oder nicht. ( S. Wassernuß, Pimpernuß, Muskatnuß, Zirbelnuß, Erdnuß u. s. f.) Die Früchte der Buchen und Eichenbäume werden oft Buchnüsse und Eichnüsse, so wie die Mandeln Mandelnüsse und die Samenbehältnisse der Linden Zernüßchen genannt. 3) Im engsten Verstande führet besonders eine gedoppelte Art von solchen Früchten den Nahmen der Nüsse. Die Haselnuß, welche oft auch nur die Nuß genannt wird. Nüsse pflücken, knacken u. s. f. In die Nüsse gehen, in den Wald gehen, Nüsse zu pflücken. Figürlich ist in die Nüsse gehen, verloren gehen, in die Krätze gehen; wo es noch dahin stehet, ob das Wort hier nicht zu einem andern Stamme gehöret. Das ist eine harte Nuß, sagt man von einer schweren, mühsamen oder auch sehr unangenehmen Sache. ( S. Haselnuß.) Die Wälsche Nuß, oder im gemeinen Leben, zusammen gezogen die Wallnuß, ist die Frucht des Wälschen Nußbaumes, welcher in Persien einheimisch ist, von da er über Griechenland nach Italien oder Wälschland, und von da zu uns gekommen ist, daher er auch den Nahmen hat; Juglans L. Anm. In der zweyten und dritten Bedeutung bey dem Willeram Nutz, im Lat. Nux, im Ital. Noce, im Franz. Noix, im Lotharingischen im Plural Nueches, im Span. Nuez. Andere Sprachen und Mundarten haben statt des Zischlautes das verwandte t, wie das Nieders. Nut, das Dän. Nood, das Schwed. Nott, das Isländ. Hnitt, das Angels. Hnutt, das Engl. Nut. Es gehöret in Ansehung der Erhöhung, der rundlichen festen Masse, zu Nudel, Knote, Knospe, Knödel, Nast, Knast u. s. f. und in Ansehung der Vertiefung zu Nachen, nähen, naht u. s. f. Im Oberd. lautet der Plural die Nussen.


Nußband (W3) [Adelung]


Das Nußband, des -es, plur. die -bänder, bey den Schlössern, ein Thürband, dessen beyde Theile vermittelst einer Nuß an einander gefüget sind, d. i. welches in der Mitte zwey Gewinde und zwey heraus stehende walzenförmige Stücke hat; dergleichen Bänder z. B. an den Klapptischen befindlich sind. S. Nuß 2, 1.


Nußbaum (W3) [Adelung]


Der Nußbaum, des -es, plur. die -bäume, ein Baum, dessen Frucht unter dem Nahmen der Nuß bekannt ist, ein Baum, welcher Nüsse trägt. Besonders wird der Wälsche Nußbaum oft nur der Nußbaum schlechthin genannt.


Nußbäumen (W3) [Adelung]


Nußbäumen, adj. et adv. von dem Nußbaume herkommend. Nußbäumenes Holz. Nußbäumene Commoden, Tische u. s. f. aus nußbäumen Holz verfertiget, oder doch damit belegt.


Nußbeißer (W3) [Adelung]


Der Nußbeißer, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe Nußkrähe.


Nußbrecher (W3) [Adelung]


Der Nußbrecher, des -s, plur. ut nom. sing. Siehe eben daselbst.


Nußeisen (W3) [Adelung]


Das Nußeisen, des -s, plur. ut nom. sing. bey den Büchsenmachern, ein Werkzeug, die Zapfen an der Nuß eines Gewehrschlosses damit zu schneiden. S. Nuß. 2. 1).


Nußfarbe (W3) [Adelung]


Die Nußfarbe, plur. inus. eine braune Farbe, welche derjenigen Farbe gleich ist, welche die fleischige Hülle der Wälschen Nüsse gewähret.


Nußfarben,Nußfarbig (W3) [Adelung]


Nußfarben, oder Nußfarbig, adj. et adv. diese Farbe habend. Ein nußfarbenes Tuch.


Nußgarten (W3) [Adelung]


Der Nußgarten, des -s, plur. die -gärten, ein Garten, worin vornehmlich Nüsse gezeuget werden, es mögen nun Wälsche Nüsse oder Haselnüsse seyn.


Nußgras (W3) [Adelung]


Das Nußgras, des -es, plur. inus. eine Art Grases, welches in Spanien einheimisch ist, und seinen Samen in einer kleinen zweyfächerigen Nuß träget; Lygeum L.


Nußhacker,Nußhäher (W3) [Adelung]


Der Nußhacker, oder Nußhäher, des -s, plur. ut nom. sing. S. Nußkrähe.


Nußkern (W3) [Adelung]


Der Nußkern, des -es, plur. die -e, der inwendige eßbare Kern einer Nuß, besonders der Haselnuß und Wälschen Nuß.


Nußknacker (W3) [Adelung]


Der Nußknacker, des -s, plur. ut nom. sing. ein Werkzeug, die Haselnüsse damit aufzudrücken, oder aufzuknacken.


Nußkrähe (W3) [Adelung]


Die Nußkrähe, plur. die -n, eine Art Häher oder Bergkrähen, welche theils bunt, mit dunkelbraunen und weißen Flecken, wie ein Stahr theils kleiner ist, und eine kurze Zunge hat. Beyde essen Nüsse, die sie sehr geschickt aufzubrechen oder doch zu durchstoßen wissen, ingleichen Eicheln und alle ähnliche Früchte; Pica nucifraga Klein. Corvus Cariocactes L. Nußbeißer, Nußbicker, (Nieders. Nötebicker) Nußbrecher, Nußhäher, Tannenkrähe, Tannenhäher, weil sie in Ermangelung der Nüsse auch den Samen der Tannzapfen speiset, Nußhacker, in einigen Gegenden, z. B. in der Lausitz, Harrusch, Herrehusch, Markolph, ( S. dieses Wort,) Eichenhäher, Eichelhabicht, Bergkrähe und so ferner.


Nußöhl (W3) [Adelung]


Das Nußöhl, des -es, plur. doch nur von mehrern Arten oder Quantitäten, die -e, das aus den Nüssen, besonders aus den Haselnüssen und Wälschen Nüssen, gepreßte Öhl.


Nußpfirsich (W3) [Adelung]


Die Nußpfirsich, im gemeinen Leben Nußpfirsche, plur. die -n, eine Art Pfirsichen oder Pfirschen, welche von außen glatt sind, und deren Kern wie ein Nußkern schmeckt.


Nußring (W3) [Adelung]


Der Nußring, des -es, plur. die -e, bey den Büchsenmachern, ein starker Ring, welcher auf den Zapfen der Nuß an dem Gewehrschlosse gestecket wird, wenn der Hahn die Studel aufgepresset werden sollen. S. Nuß 2. 1).


Nußschale (W3) [Adelung]


Die Nußschale, plur. die -n, die Schale einer Nuß, so wohl die äußere weiche, mit welcher sie am Baume umgeben ist, als auch, und zwar am häufigsten, die harte Schale, welche den Kern umgibt.


Nußstaude (W3) [Adelung]


Die Nußstaude, plur. die -n, eine Staude, deren Frucht eine Nuß ist. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung, die Haselstaude, welche die Haselnüsse trägt.


Nuth (W3) [Adelung]


Die Nuth, plur. die -en, bey den Holzarbeitern, eine viereckte Rinne, welche bey den Tischlern vermittelst eines besondern Hobels, welcher daher der Nuthhobel, verderbt der Nothhobel, heißt, in das Holz gemacht wird, einen andern Theil hinein zu schieben, und beyde auf diese Art zu verbinden. Dergleichen Nuthen befinden sich in den Fensterrahmen, das Glas hinein zu setzen, die Glasnuth, ingleichen in solchen Behältnissen, welche mit einem Schieber versehen sind u. s. f. Die Fensterrahmen mit Nuthen ausfahren, solche Nuthen darein verfertigen. Es gehöret zu Nuß, Nieders. Nut, so fern es eine Rinne, einen Canal bedeutet, ( S. Nuß 1,) oder auch, so fern eine solche Rinne zur Verbindung dienet, zu Naht, nähen.


Nuthhobel (W3) [Adelung]


Der Nuthhobel, des -s, plur. ut nom. sing. S. das vorige.


Nutz (W3) [Adelung]


Der Nutz, des -es, plur. inus. S. der Nutzen.


Nütz (W3) [Adelung]


Nütz, -er, -este, adj. et adv. brauchbar, und in weiterer Bedeutung nutzbar, nützlich. Und sind uns doch sehr nütze Leute gewesen, 1 Saut. 25, 15, sehr nützliche. Der Krämer nutzer Schwur und ihr genießlich Lügen, Logau. Den nützen Freund nur immer plagen, ebend. Durch nütze Dieberey, Opitz, einträgliche. Im Hochdeutschen gebraucht man es nur noch als ein Nebenwort in der vertraulichen Sprechart, mit der Verneinung nichts und dem Zeitworte seyn, da man denn demselben so wie mehrern Nebenwörtern wohl noch ein e euphonicum anzuhängen pflegt. Da ist zu nichts nütze, zu nichts zu gebrauchen. Bey diesen frostigen Leuten sind wir nichts nütze, Gell. Luthers kein nütz oder kein nutze für nichts nütze, welches mehrmahls in der Deutschen Bibel vorkommt, ist im Hochdeutschen eben so sehr veraltet, als der bejahende Gebrauch, es ist nütze, oder es ist mir nütze. S. auch Nichtsnützig, welches aus diesem nichts nütze gebildet ist.

Anm. Dieses alte Bey- und Nebenwort, von welchem im Hochdeutschen nur noch ein kleiner Überrest gangbar ist, lautet schon bey dem Ottfried nuzzi, im Nieders. nutte, im Angels. nytte, im Holländ. nut. In unnütz ist es noch völlig gangbar. Die Oberdeutsche Mundart ziehet auch hier das breitere u dem rundern ü vor, daher auch im Hochdeutschen dieses Wort zuweilen nutz, nichts nutz, nichtsnutzig lautet.


Nutzanwendung (W3) [Adelung]


Die Nutzanwendung, plur. die -en, die Anwendung einer Sache zu seinem Nutzen; doch nur in engerer Bedeutung, die Anwendung der Wahrheiten der Religion zum sittlichen Nutzen, zur Verbesserung des sittlichen Zustandes. In diesem Verstande ist die Nutzanwendung gemeiniglich ein Theil der Predigten.


Nutzbar (W3) [Adelung]


Nutzbar, -er, -ste, adj. et adv. was Nutzen bringt, oder Nutzen bringen kann; nützlich. Nutzbare Gelehrsamkeit. Ein nutzbarer Mann. Besonders in engerer Bedeutung des Wortes Nutzen, was durch seinen Gebrauch Gewinn verschaffet. Ein nutzbares Landgut. Einen Acker nutzbar machen. Die Capitalia sind bey uns nutzbarer, als in Holland, sie tragen bey uns mehr Zinsen. Das Schaf ist ein nutzbares Thier. In den übrigen Bedeutungen ist doch wohl nützlich üblicher. Von dem alten Zeitworte bären, tragen, S. 1 Bar.


Nutzbarkeit (W3) [Adelung]


Die Nutzbarkeit, plur. inus. die Eigenschaft eines Dinges, da es nutzbar ist, so wie dieses Nebenwort. Die Nutzbarkeit eines Landgutes, eines Capitales. Aber für Nutzen, wie es Opitz gebraucht, ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich: Der seiner Nutzbarkeit will selber lieber schaden, seinem Nutzen.


Nutzeiche (W3) [Adelung]


Die Nutzeiche, plur. die -n, eine Eiche, welche zu Bau- und Nutzholz tauglich ist, zum Unterschiede von den Brenneichen.


Nutzen,Nützen (W3) [Adelung]


Nutzen, oder Nützen, verb. reg. welches in doppelter Gestalt nützlich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfswort haben. 1) Brauchbar seyn, als ein Mittel zur Erreichung der bestimmten Absicht, oder einer Absicht überhaupt, gebraucht werden können. In diesem Verstande sagt man im gemeinen Leben sehr häufig verneinender Weise, ein Ding, eine Sache nutze oder nütze nichts, wenn sie zu der bestimmten Absicht nicht gebraucht werden kann, nicht tauglich ist. Bejahender Weise, daß Ding, die Sache nutzet, ist es eben so wenig mehr üblich, als das Nebenwort nütz oder nütze. 2) Nutzen bringen, den Zustand eines Dinges oder einer Person bey gehörigem Gebrauche vollkommner machen, mit der dritten Endung der Person. Was nutzet ihm ein Kluger? Hiob 22, 2. Was nutzet es, daß wir seine Gebothe halten? Mal. 3, 14. Das kann dir viel nützen. Das kann mir wenig oder nichts nützen. Was nützt die Feindschaft mir und dir? Willam. Sey stets der Wahrheit hold, sie nutzt vor tausend Sachen, Haged. II. Als ein Activum; in welcher Gestalt nutzen üblicher ist als nützen. 1) * Genießen, als ein Nahrungsmittel oder als eine Arzeney zu sich nehmen; eine veraltete Bedeutung, welche indessen doch die erste und eigentlichste ist, auch im Oberdeutschen noch hin und wieder vorkommt. Arzeney nutzen, d. i. einnehmen, Garten der Gesundh. um 1490. Gebrauchen, als ein Mittel zur Erreichung einer Absicht anwenden. Ich kann die Sache gut nutzen. Daß weiß ich nicht zu nutzen. Einen Menschen gut nutzen. Verräther hasset man, und nutzet Verrath, Haged. Eine Erfahrung, eine Gelegenheit nutzen. In noch engerer Bedeutung zuweilen als ein Mittel zur Verbesserung seines Zustan- des anwenden. Eine Demüthigung, die treu genutzt wird, ist die letzte ihrer Art. 3) Im engsten Verstande, als ein Mittel zur Erlangung zeitlichen Vermögens, zur Erlangung des Gewinnes, anwenden. Dieses Landgut kann jährlich auf tausend Thaler genutzt werden. Der Acker ist auf zehn Thaler zu nutzen. Sein Geld nutzen, es zu Vermehrung seines zeitlichen Vermögens anwenden. Ein Haus auf hundert Thaler nutzen. Das Hauptwort die Nützung ist nicht üblich, wohl aber die Nutzung, S. solches hernach besonders. Anm. Dieses alte Zeitwort lautet, besonders in der thätigen Form, bey dem Ulphilas niutan und ganiutan, der es auch für nehmen gebraucht, bey dem Ottfried ginuzzen, bey welchem es für genießen vorkommt, im Nieders. nutten, benutten, im Angels. notian, nyttian, im Schwed. njuta. Es scheint das Intensivum oder Frequentativum von nießen, genießen, Nieders. neten, zu seyn; wenigstens ist es mit demselben sehr genau verwandt, indem es bey den ältern Schriftstellern für genießen, gebrauchen überhaupt vorkommt. Das Lat. uti unterscheidet sich bloß durch den Mangel des zufälligen Anfangs N. Es hat ursprünglich essen bedeutet, und im Neutro eßbar seyn, in welchem Verstande noch genießen zuweilen vorkommt. Im Oberdeutschen lautet auch das Neutrum beständig nutzen. Der Analogie nach von tränken und trinken, senken und sinken, hängen und hangen u. s. f. sollte das Neutrum nutzen, das Activum aber nützen lauten. Allem im Hochdeutschen werden beyde ohne Unterschied gebraucht, obgleich in der thätigen Form das breitere nutzen üblicher ist.


Nutzen (W3) [Adelung]


Der Nutzen, des -s, plur. der doch nur selten vorkommt, ut nom. sing. In einigen Fällen auch der Nutz, des -es, plur. inus. das Hauptwort des vorigen Zeitwortes. 1. Der Gebrauch einer Sache oder eines Dinges, die Anwendung desselben, als eines Mittels zur Erreichung einer Absicht; ohne Plural. Ich weiß keinen Nutzen davon zu machen, keinen Gebrauch, weiß es nicht anzuwenden. Zu was Nutzen? zu was für einem Gebrauche? Vermuthlich gehöret hierher auch die R. A. sich etwas zu Nutze machen, in welcher das kürzere Nutz am üblichsten ist, es gebrauchen, und in engerer Bedeutung, zur Verbesserung seines Zustandes gebrauchen und anwenden. Sich eine Gelegenheit, eine Erfahrung, eine Warnung zu Nutze machen, sie anwenden, gebrauchen. Im Oberd. auch mit der zweyten Endung, sich einer Gelegenheit zu Nutze machen. 2. Diejenige Eigenschaft eines Dinges, da es genutzt, d. i. als ein Mittel zur Erreichung einer Absicht, und in engerer Bedeutung, als ein Mittel zur Verbesserung unsers Zustandes gebraucht werden kann; auch ohne Plural. Die Sache hat einen großen Nutzen, hat einen vielfachen Nutzen. Die Sache ist nicht ohne Nutzen. 3. Das Gute selbst, welches ein Ding durch seinen Gebrauch gewähret, es bestehe nun überhaupt bloß in der Erreichung der Absicht, oder in der Verbesserung unsers Zustandes in der Beförderung der Vollkommenheit; in welchem Verstande der Plural zuweilen gebraucht wird. 1) Überhaupt, da eine jede Erreichung einer Absicht in Rücksicht auf das Mittel, und in noch weiterm Verstande eine jede Verbesserung des Zustandes, sie sey von welcher Art sie wolle, ein Nutzen genannt wird. Nutzen bringen, geben, schaffen, haben. Zum Nutzen dienen oder gereichen. Auf seinen Nutzen sehen. Nutzen mit etwas schaffen. Nutzen von einem Buche, aus einem Buche haben, wenn man seine Erkenntniß daraus erweitert. Das ist der ganze Nutzen, den ich davon habe. Jemandes Nutzen suchen, befördern. Den gemeinen Nutzen befördern, die gemeine Wohlfahrt, das gemeine Beste, ( S. Gemeinnützig.) Es ist dein Nutzen. Nichts ist in der Welt ohne Nutzen. Alles hat seinen Nutzen. Eine Arze- ney hat keinen Nutzen, wenn sie nicht gebraucht wird. Nutzen aus einer Lehre, aus einer Wahrheit ziehen, sie zu Erweiterung seiner Erkenntniß oder zur Verbesserung seines sittlichen Zustandes anwenden. Zuweilen unterscheidet man den Nutzen noch von demjenigen Guten, welches man bey der Hervorbringung eines Dinges zur Absicht hatte, und alsdann ist der Nutzen das zufällige Gute, was ein Ding außer seiner Bestimmung noch gewähret. 2) In engerer Bedeutung. (a) Die Vermehrung des zeitlichen Vermögens; ohne Plural. Es ist kein Nutzen dabey. Auf seinen Nutzen sehen. Etwas in seinen Nutzen verwenden, es zu seinem Nutzen anwenden. Sich Nutzen mit etwas schaffen. Ohne Nutzen kann man nicht arbeiten. Ein jeder steht auf seinen Nutzen. Etwas mit Nutzen verkaufen, mit Gewinn. (b) Zuweilen ist der Nutzen dem Eigenthume entgegen gesetzet, und da bedeutet es so wie Nutzung den Vortheil, welchen man von dem Gebrauche einer fremden Sache hat, und das Recht, eine fremde Sache zu seinem Nutzen zu gebrauchen. Nur den Nutzen von etwas haben oder genießen. ( S. Nutzung.) (c) Der Ertrag. Der Nutzen des Landgutes beträgt tausend Thaler, dessen Ertrag bey gehöriger Bearbeitung.

Anm. Schon bey dem Ottfried Nuzz, im Nieders. Nude, Nutt, im Angels. Not, Note, im Dän. Nytte. Ursprünglich bat es allem Ansehen nach Speise, Nahrung bedeutet, so wie Not in der alten Friesischen Mundart von den Feldfrüchten vorkommt. Das kürzere Nutz, welches außer der R. A. sich etwas zu Nutze machen im Hochdeutschen veraltet ist, kommt noch mehrmahls in der Deutschen Bibel vor. Saat zum Nutz dem Menschen, Ps. 104, 14. So wie es auch noch in Eigennutz üblich ist.


Nutzholz (W3) [Adelung]


Das Nutzholz, des -es, plur. inus. Holz, welches zu einem bessern Gebrauche, als zum Verbrennen genutzet werden kann, welches zum Verarbeiten tauglich ist, zum Unterschiede von dem Brennholze. In noch engerm Verstande pflegt man in der Landwirthschaft dasjenige Holz, welches zu Verfertigung allerley zur Landwirthschaft gehöriger Geräthschaften dienlich ist, Nutzholz zu nennen; Geschirrholz, Schirrholz, Werkholz.


Nutzig,Nützig (W3) [Adelung]


Nutzig, oder Nützig, adj. et adv. Nutzen habend oder bringend; doch nur in den Zusammensetzungen nichtsnützig, gemeinnützig und eigennützig, S. diese Wörter.


Nützlich (W3) [Adelung]


Nützlich, -er, -ste, adj. et adv. Nutzen habend und bringend, doch nur in dem ersten Falle der dritten Bedeutung, durch seinen Gebrauch oder Genuß jemandes Absicht befördernd, und in engerm Verstande, den Zustand anderer Dinge verbessernd; im Gegensatze des schädlich. Einem nützlich seyn, dessen Absichten, und in engerer Bedeutung, dessen Vollkommenheit befördern. Diese Arzeney ist nicht nutzlich, sondern schädlich. Ein nützliches Buch. Ein nützliches Mittel. Eine sehr nützliche Lehre. Das wird dir sehr nützlich seyn. Seine Zeit sehr nützlich anwenden, zu Beförderung seiner oder anderer Vollkommenheit. Sein Fähigkeiten sehr nützlich gebrauchen. Zuweilen auch in engerer Bedeutung, für einträglich, das zeitliche Vermögen vermehrend. Ein nützliches Gewerbe. Sein Geld nützlich anwenden.

Anm. Vermöge der Zusammensetzung von Nutz und lich bedeutet es eigentlich dem Nutzen gleich oder ähnlich; allein es ist nun schon eingeführet, daß man es für das minder üblichen nutzbar und veraltete nütz oder nutz gebraucht.


Nutzlos (W3) [Adelung]


Nutzlos, -er, -este, adj. et adv. keinen Nutzen habend, in der edlern Schreibart, für das gemeinere unnütz. Ein nützlose Mühe, Herd.


Nutznießung (W3) [Adelung]


Die Nutznießung, plur. inus. in den Rechten, der Genuß des Nutzens, d. i. des Ertrages einer Sache, mit Ausschließung des Eigenthumes, der Gebrauch einer fremden Sache zu seinem Nutzen, und das Recht dieses Gebrauches, S. Nießbrauch und das folgende.


Nutzung (W3) [Adelung]


Die Nutzung, plur. die -en. 1) Der Gebrauch, als das Verbale des Activi nutzen, d. i. die Anwendung einer Sache als eines Mittels zur Erreichung einer Absicht, und in engerer Bedeutung zur Beförderung seiner Vollkommenheit; ohne Plural. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist die Nutzung so wie Nutznießung der Gebrauch einer fremden Sache zu Erwerbung oder Vermehrung zeitlichen Vermögens, unbeschadet ihrer Substanz, und das Recht dieses Gebrauches. Die Nutzung von etwas haben. 2) Der Ertrag selbst, der Beytrag eines Dinges zu Erwerbung zeitlichen Vermögens aus dem Genuß einer Sache. Die Nutzungen des Gutes, oder von dem Gute, betragen jährlich tausend Thaler. Beständige und gewisse Nutzungen, Einkünfte. In der Bienenzucht pfleget man alles dasjenige, was die Bienen in ihre Körbe eintragen, die Nutzung zu nennen.


Nutzungsanschlag (W3) [Adelung]


Der Nutzungsanschlag, des -es, plur. die -schläge, in der Landwirthschaft, der Anschlag einer Sache, besonders eines Landgutes, nach seiner Nutzung, d. i. nach seinem Ertrage; zum Unterschiede von einem Grundanschlage.


Nymphe (W3) [Adelung]


Die Nymphe, plur. die -n, aus dem Griech. und Latein. Nympha. 1. In der Götterlehre der Griechen und Römer, gewisse weibliche untere Gottheiten, welche als Bewohnerinnen der Flüsse, Meere, Berge, Haine, Quellen u. s. f. angegeben wurden, und das Vergnügen bezeichneten, welches diese Theile der Natur dem Menschen gewähren. Die Wasser-Nymphen, Berg-Nymphen, Wald-Nymphen u. s. f. In engerer Bedeutung verstehet man unter Nymphen schlechthin oft nur die Wasser-Nymphen. Wegen der vielen Liebeshändel, welche die ältern Dichter von diesen Schutzgöttinnen der Naturgegenden erzählen, pflegt man auch wohl zuweilen eine allzu freye weibliche Person eine Nymphe zu nennen. 2. Figürlich. 1) In dem Insecten-Reiche ist die Nymphe, noch häufiger aber die Puppe, ein Insect in dem zweyten Grade seines Zustandes, worin es gemeiniglich mit einer Haut umgeben, oft aber auch bloß ist. Aus der Raupe oder Larve wird die Nymphe oder Puppe, und aus dieser das vollkommene Insect. ( S. Puppe.) Daher der Nymphenstand, dieser Zustand eines Insectes; der Puppenstand. Der Nahme Nymphe war in diesem Verstande schon den Alten bekannt. Vielleicht stammet er von dem Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image -, eine Braut, her, weil das Insect in diesem Zustande gleichsam eine Braut ihres vollkommenern Zustandes ist. 2) Der Nahme eines großen Insects, Libellula Grandis L. S. Heupferd und Jungfer.


O

P

Q

R

S

T

U

V

W

X

Y

Z