Etymologie, Etimología, Étymologie, Etimologia, Etymology, (griech.) etymología, (lat.) etymologia, (esper.) etimologio
DE Deutschland, Alemania, Allemagne, Germania, Germany, (esper.) Germanujo
Pejoration, Peyoración, Péjoration, Pegggioramento, Pejoration, (esper.) pejorativoj

A

B

C

D

E

F

G

Gift (W3)

Im Deutschen denkt man bei dt. "Gift" sofort an etwas, das dem Menschen zum Nachteil gereicht. In der "Mitgift" kann man allerdings auch genau das Gegenteil erkennen. Und das engl. "gift" bedeutet auch "Geschenk". Daran erkennt man denn also, dass es eigtlich ganz allgemein "Geben", "Gabe" bedeutet.

Und im Deutschen wurde aus der ärztlichen Medikamentengabe das deutsche "Gift".

"Gift" war bereits als althd. , mhdt. "gift" die Bezeichnung für dt. "Gabe", "Belohnung", "Geschenk", "Brautpreis" (letzteres findet man noch in dt. "Mitgift". Zu Grunde liegt das Verb dt. "geben", engl. "give".

Die Bedeutung: "Tod bringender Stoff", "tödliche Gabe" wurde bereits dem althdt. "Gift", in euphemistischem Gebrauch - also beschönigend-verhüllend - mitgegeben.

Das zunächst feminine "die Gift" wurde im 15. Jh. zu "der Gift" und im 16. Jh. zu "das Gift". Bei Goethe findet man noch "die Gift" für "Gabe", "Geschenk".

Bei Adelung findet man:


1. Die "Gift", plur. die -e, eine jede Sache, welche man einen andern gibt, eine Gabe, und in engerer Bedeutung, ein Geschenk. Mit Geschenken, Giften und Gaben etwas ausrichten, Apherd. beym Frisch. Da hilfet ganz kein Kauf noch Gift noch Gaben, Opitz. Dieses sind die Gift und Gaben, Die uns über allen Neid Heben sollen jederzeit, ebend. Im Hochdeutschen ist es wenigstens in der edlen und anständigen Schreibart veraltet. Nur das Wort "Mitgift" hat es noch erhalten. Eben so veraltet sind die Wörter "Gifter", der "Schenkende", "begiften", "begaben", "beschenken" u. a. m. Es kommt von "geben" her, wie "Trift" von "treiben", das Nieders. "Löfde", "Verlöfde" von "loben"; "verloben" u. s. f. und wurde ehedem auch von der Handlung des Gebens gebraucht. Bey dem Ottfried "Gift".

2. Das "Gift", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein jedes Ding, welches, wenn es in den Körper eines lebendigen Geschöpfes gebracht wird, den Tod derselben verursacht. 1. Eigentlich. Ein geschwindes Gift, welches geschwinde wirket, im Gegensatze eines langsamen. Arsenik ist das unumschränkteste Gift des ganzen Thierreiches. Jemanden Gift beybringen; im gemeinen Leben, ihm Gift geben. Jemanden mit Gift vergeben. Die besten Arzneymittel können zuweilen zu einem wahren Gifte werden. Gift mischen, Gift bereiten, um es andern herzubringen, S. Giftmischer. Der Weisheit Honig liegt oft nahe bey den Giften, Dusch. Das Gift welches verschiedene Arten von Thieren bey sich führen sollen, ist bey den meisten nichts als ihr Speichel, der, wenn das Thier in einen hohen Grad erzürnt wird, auch von sonst unschädlichen Thieren tödlich wird. In engerer Bedeutung führet der Arsenik und Hüttenrauch, Hüttenbaue, als auch im gemeinen Leben nur schlechthin den Nahmen des Giftes. S. einige der folgenden Zusammensetzungen. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Eine jede Sache, welch nicht nur dem Körper, sondern auch dem ganzen Zustande des Menschen sehr schädlich ist, sehr nachtheilige Veränderungen in demselben hervor bringet. Der Wein ist Kin- dern ein Gift. Ein Verstand, der der Tugend des Herzens nicht aufhilft, ist kein Gut, er ist vielmehr ein Gift der Seele, Gell. 2) Bosheit, hoher Grad der mit Zorn verbundenen Begierde andern zu schaden, im gemeinen Leben. es steigt ihm der Gift auf. Gift und Galle ausspeyen. Wo es nur im männlichen Geschlechte üblich ist.

Anm. Bey dem Stryker "Gifte", im Schwabensp. "Vergift", im Nieders. Schwed. Dän. Angels. gleichfalls "Gift", im Angels. auch "Gife", "Geof", im Böhm Ged. Es stammen gleichfalls von "geben" her, wie das vorige, und bedeutet eine solche tödtende Sache, welche jemanden von einem andern gegeben, d. i. beygebracht wird, in welcher Bedeutung auch noch "vergeben" üblich ist, S. dasselbe. Notker braucht dafür noch "Eitter". Dieses Wort kommt, selbst im Hochdeutschen, in allen dreyen Geschlechtern vor. Im männlichen brauchen es Canitz, und Günther. Such Dusch singt: In jeder bösen Handlung liegt "ein verborgener Gift". Das weibliche hat Stryker, "die Gifte". Die Zunge ist voll tödtlicher Gift, Jac. 3, 8. "Die süße Gift" der schnöden Eitelkeit, Opitz. Dieses letztere Geschlecht ist in der Analogie des vorigen Wertes nach das richtigste; indessen ist doch im Hochdeutschen das ungewisse das gewöhnlichste.

Das "Gegengift", des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, diejenige Arzeney, welche dem Gifte entgegen gesetzt wird, dessen Wirkung zu zerstören; Antidotum. Ingleichen figürlich. Der Stolz ist oft das Gegengift des Geitzes. S. "Gift".

Die "Giftarzeney", plur. inus. außer von mehrern Arten, die -en, eine Arzeney wider das Gift; ein Giftmittel, Alexipharmacum.

Die "Giftäsche", plur. die -en, S. Firnißbaum.

Der "Giftbaum", des -es, plur. die -bäume. 1) S. Firnißbaum. 2) eine andere Art des Sumachs oder Färberbaumes mit dreyfachen mit Haaren besetzten gestielten Blättern, der in Virginien und Canada wächset und gleichfalls giftig ist; Rhus Toxicodendrum L. 3) Eine Art der Balsampflanze mit gefiederten Blättern, und flachen gestielten Blättchen, welche in Carolina wächset, und deren Stamme ein schwarzer giftiger Saft tröpfelt; Amyris toxifera L.

Der "Giftbissen", des -s, plur. ut nom. sing. eigentlich, ein vergifteter Bissen. Bey den Jägern auch figürlich der Köder, welcher an den Abzug einer Falle oder eines Eisens gebunden wird, ein Thier damit anzulocken.

Die "Giftblase", plur. die -n, eine Blase, so fern solche ein Behältniß des Giftes verschiedener Thiere seyn soll. Bey den Bienen wird dasjenige Säckchen im Leibe, worin sie ihren Stachel haben, die Giftblase, von andern aber auch die Gallenblase genannt.

Die "Giftbohne", plur. die -n, die Frucht eines Ostindischen Strauches, und dieser Strauch selbst, welcher zu den Pflanzen mit zehen verwachsenen Staubfäden in zwey Parteyen gehöret, überaus schöne scharlachrothe Bohnen oder Erbsen in Hülfen träget, die aber schädlich im Genusse sind; Abius precatorius L. weil die Bohnen auch zu Rosenkränzen gebraucht werden.

Das "Gifterz", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, ein jedes Erz, dessen vornehmster Bestandtheil Gift, d. Arsenik ist. Schwarzer Gifterz, ist ein gegrabener schwarzer Arsenik, welcher auch Fliegenstein und Spiegelkobalt genannt wird.

Der "Giftessig", des -es, plur. inus. außer von verschiedenen Arten, die -e, ein mit Gegengiften zubereiteter Weinessig, den giftigen Einflüssen zur Pestzeit zu widerstehen; Pestessig, Acetum ex. alexipharmacis.

Der "Giftfang", des -es, plur. die -fänge, im Hüttenbaue, ein Rauchfang über den Röstofen, der mit dem Rauche aufstei- genden Arsenik aufzufangen, der alsdann Hüttenrauch, oder Giftmehl genannt wird.

Der "Giftheil", des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche zu dem Geschlechte des Eisenhütleins gehöret, auf den Alpen und Pyrenäen wächset, und von vielen für das Gegengift der Wolfswurz gehalten wird; Aconitum Anthora L. Bey einigen führet auch der Zittwer diesen Nahmen.

Die "Gifthütte", plur. die -n, im Hüttenbaue, dasjenige Gebäude, in welchem das Giftmehl von neuem sublimiret und in festen Arsenik verwandelt wird.

"Giftig", -er, -ste, adj. et adv. 1) Gift enthaltend. Giftige Kräuter, giftige Thiere, eine giftige Luft. Der Schirling ist giftig. 2) Figürlich, im hohen Grade zornig, mit Begierde zu schaden, im gemeinen Leben. Giftig werden. Ein giftiger Mensch. Ingleichen boshaft. Giftige Worte, Pf. 64, 4 - Giftig reden, Pf. 109, 3. Ein giftiger Mund, Sprichw. 26, 23. Ein giftige Zunge haben.

Der "Giftkies", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im Bergbaue, eine Benennung des Mißpickels oder des weißen Kieses, der ein mit Arsenik vererztes Eisen ist.

Der "Giftmagnet", des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, eine Benennung eines kleinen schwarzen Steinchens in Gestalt einer Linse, welches in Ostindien in einer Art Schlangen gefunden wird, und das Gift an sich ziehen soll.

Das "Giftmehl", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e. 1) Im Hüttenbaue, derjenige Arsenik, welcher sich bey dem "Rösten" der Erze in Gestalt eines grauen Mehles in den Giftfängen ansetzet, und daher auch Hüttenrauch genannt wird. 2) Eine arsenikalische Erde, welche bald von weißer, bald von gelber, blauer und schwärzlicher Farbe ist, und auch Schwabengift genannt wird, führet zuweilen gleichfalls den Nahmen des Giftmehles.

Der "Giftmischer", des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Giftmischerinn, plur. die -en, im gemeinen Leben, eine Person, welche Menschen oder Thiere aus Bosheit durch beygebrachtes Gift umbringet. Daher die Giftmischerey, oder Giftmischung, die Handlung selbst. Von der Redensart Gift mischen, d. i. zubereiten.

Das "Giftmittel", des -s, plur. ut nom. sing. Arzneymittel wider das Gift; Giftarzeneyen.

Die "Giftnuß", plur. die -nüsse, S. Cocos.

Der "Giftroche", des -n, plur. die -n, eine Art Rochen, dessen langer vorn gezähnter Stachel auf dem Schwanze Menschen und Thieren tödtlich ist; Raja Pastinaca L. Von andern wird er Meerpfau genannt.

Der "Giftstein", des -es, plur. die, im gemeinen Leben, 1) ein jeder Giftkies. 2) Alle Steinarten, welche dem Gifte widerstehen sollen, wohin man auch den Bezoar rechnet. 3) Im Hüttenbaue, der arsenikalische Ofenbruch, der sich in Gestalt eines Steines von arsenikalischen Erzen unten im Ofen anleget.

Die "Giftwurzel", plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme der Schwalbenwurzel, Asclepias Vincetoxicum L. deren Wurzel wegen ihrer schweißtreibenden Kraft wider alle Arten des Giftes gerühmet wird.


(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERG.pdf

gemeingefährliche Vergiftung | Gift


(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERR.pdf

Rauschgift


(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERV.pdf

vergiften | Vergiftung


(E?)(L?) http://www.zeit.de/2014/32/airbag-gas-explosion-stimmts

Produziert ein explodierender Airbag giftige Gase?


(E?)(L?) http://www.zeit.de/2013/44/stimmts-hunde-avocado

Müssen Hunde sterben, wenn sie Avocados fressen?


(E?)(L?) http://www.zeit.de/2007/34/Stimmts-Bohnen

Nicht die Bohne - Sind rohe Bohnen giftig?


(E?)(L?) http://www.zeit.de/2007/18/Stimmts-Leichen

Leichengift - Müssen Tote nach Naturkatastrophen umgehend begraben werden, weil sonst Seuchen drohen?


(E3)(L1) http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/

abgift | abgiften | amtgift | amtsgift | angift | aufgift | aufgiftig | ausgift | ausgiftbrief | bedegift | begift | begiften | begiftigen | begiftiger | begiftigung | begiftung | bodelgift | brautgift | brautlaufgift | deichgift | deichgiftung | dottengift | ehegift | ehrvergifter | eingift | erbgift | erbgifter | fletgift | fletgiftig | fontgift | gantgift | gift | giftbar | giftbeibringung | giftbrief | giftbuch | giftel | giften | gifter | gifterin | giftersche | giftgeber | gifthaendler | gifthalter | gifthandel | giftherr | giftig | giftigen | giftiger | giftiglich | giftmann | giftmischer | giftmischerei | giftmischung | giftmord | giftner | giftochse | giftrecht | giftschaf | giftschneide | giftschwein | gifttraeger | giftung | giftverdacht | giftweise | giftzeichen | gnadengift | gottesgift | gottgift | handgift | handgiften | handgiftentag | handgiftpfennig | handgiftung | herrengift | hielichgift | hielichsgift | hielichszugift | hielichzugift | hingift | horninggift | horningsgift | kammerabgift | kirchengift | kirchgift | landgifter | landgifterei | lehngift | leibgift | leibgiftung | leibsgift | marigifte | mitgift | morgengift | morgengiften | nachgift | ordinarabgift | pfettegift | pillegift


(E?)(L?) http://de.wikipedia.org/wiki/Pejoration

Sonstiges:

"Gift", ursprünglich synonym zu "Gabe", "Geschenk" (vergl. "Mitgift" oder niederländisch bzw. englisch "gift") wurde schon im Althochdeutschen (etwa bei Notker) euphemistisch für "tödliche Gabe" verwendet. Bis ins 18. Jahrhundert existierten beide Bedeutungen parallel, wobei sich das Genus für die Bedeutung "schädlicher Stoff" im 15. und 16. Jahrhundert über Maskulinum zu Neutrum wandelte. Ausgangspunkt der Pejoration war hier die euphemistische Verwendung des Begriffes. Er nimmt schließlich die Bedeutung dessen an, was er eigentlich verhüllen sollte. Eine gleichartige Entwicklung des Giftbegriffes zeigt auch die Etymologie von französisch "poison" (zugleich auch Ursprung von englisch "poison"), das von lat. "potio": "Trunk", "Getränk", abgeleitet ist.
...


(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=Gift
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.

Dt. "Gift" taucht in der Literatur um das Jahr 1720 auf.

(E?)(L?) https://corpora.uni-leipzig.de/


Erstellt: 2015-03

H

I

J

K

L

M

N

O

P

Pejoration (W3)

Dt. "Pejoration", frz. "Péjoration", engl. "Pejoration" (1650-1660), geht über mlat. "pejoration", "pejoratio" = dt. "Verschlechterung", spätlat. "pejorat" (lat. "pejorare" = dt. "verschlechtern", lat. "pejor" = dt. "schlechter", "schlimmer".

"Pejoration" gehört (wie etwa auch dt. "Pessimismus") zur großen Wortfamilie von ide. "*ped-" = dt. "Fuß" (vgl. frz. "pied" = dt. "Fuß", "Bein", engl. "pedestrian" = dt. "Fußgänger"). Somit liegt eine ursprüngliche Bedeutung "fußartig", "am Boden liegend", "zuunterst" = "am schlechtesten" vor.

(E?)(L1) http://www.christianlehmann.eu/ling/wandel/index.html

4.3. Melioration und Pejoration


(E?)(L?) http://www.dwd.de/bvbw/appmanager/bvbw/dwdwwwDesktop?_nfpb=true&_pageLabel=dwdwww_menu2_wetterlexikon&_nfls=false

Klimapejoration

Bezeichnet die durch den Einfluss des Menschen verursachte ständige Minderung der Luftqualität in Ballungs- und Industrieräumen. Durch geeignete Maßnahmen zur Luftreinhaltung kann die Klimapejoration vermieden oder abgemildert werden.


(E?)(L?) http://neusprech.org/fundamentalisten-linksliberale/

Fundamentalisten, linksliberale

19. Juni 2011 von Martin Haase

Klingt übel und soll es auch, ist es doch eine bewusste Schmähung, die auf dem Niveau der Bild mit Vorurteilen spielt. Glauben Sie nicht? Nun, woran denken Sie beim Begriff Fundamentalisten? Richtig, an al-Qaida. Bei Linken?
...
Friedrich bedient sich damit also einer negativen Konnotation, in der Sprachwissenschaft auch als "Pejoration" bezeichnet. Man könnte auch sagen, er betreibt Propaganda.


(E?)(L?) http://neusprech.org/killerspiele/

Killerspiele

29. Juni 2010 von Kai Biermann

Sprachlich sind Killerspiele eine "Pejoration", der Versuch also, eine möglichst abwertende Bezeichnung zu finden. Das englische "First Person Shooter" ist neutraler, auch das im Deutschen gebräuchliche und daran angelehnte "Ego Shooter" vermeidet eine Wertung.
...


(E?)(L?) http://linguistik.uni-regensburg.de:8080/lido/Lido

Definition: "Pejoration" is a semantic change by which the evaluative meaning of a lexical items deteriorates.

Examples:




(E?)(L?) http://de.wikipedia.org/wiki/Pejoration

Eine "Pejoration" (lat. "peior": "schlimmer") ist in der Linguistik der Bedeutungswandel eines Wortes hin zu einem schlechteren Beiklang.

Inhaltsverzeichnis Grundlagen

Pejoration muss sich nicht auf die Begrifflichkeit selbst beziehen. Ein klassisches deutschsprachiges Beispiel hierfür ist die Bezeichnung "Weib" für "Frau", das nie die eigentliche Bedeutung verändert hat, sondern nur die wertende Konnotation, während "Dirne" für "Mädchen" den Begriff selbst wandelte ("Mädchen" - "Prostituierte"). Ein Wort, das sich in seiner "Pejoration" so verfestigt hat, dass es nurmehr abwertend oder gar als Schimpfwort gilt, wird selbst zum "Pejorativum".

Die Verwendung eines sprachlichen Ausdrucks in pejorativem, herabsetzendem Gebrauch als rhetorisches Stilmittel wird mit "Dysphemismus" bezeichnet.

Die Hypothese der "Euphemismus"-Tretmühle besagt, dass Wörter in gewissen Themenfeldern sich zwangsläufig zum Pejorativen hin „abnutzen“. Dass Pejoration und das Gegenteil, die "Melioration", im Laufe der Zeit aber ein Wort hin- und herschieben können, zeigt etwa die Entwicklung der Bedeutung des Begriffs "geil". Dieses ursprünglich positiv besetzte Wort in der Bedeutung "fett", "fetthaltig" im Sinne von "nahrhaft", "üppig" ("Geiltrieb") erlangte zuerst pejorativ gebraucht die Bedeutung "wollüstig", "lüstern" und schließlich die Bedeutung "Wohlgefallen", "Anklang findend" in der derzeitigen Jugendsprache.

Beispiele

Soziale Rollen:

"Pfaffe" (zu "Pfarrer") war im Mittelhochdeutschen eine wertfreie Bezeichnung für "Priester".

"Regime", früher allgemein eine Bezeichnung für eine "Regierung" oder eine "Regierungsform", ist heute im Sprachgebrauch der Ausdruck für eine nicht durch die Bevölkerung legitimierte "Regierungskaste"; entstand aus dem nachrevolutionären Ausdruck "Ancien Regime".

"Weib", früher allgemein gebräuchlich für "Frau" im allgemeinen Sinne (vergl. "weiblich" bzw. "feminin", beide auf "Geschlecht", aber auch "Fraulichkeit" bezogen), ist heute ein abwertendes Wort; in einigen bayerisch-österr. Dialekten wird "Weiberleit" aber noch wertfrei parallel zu "Månerleit" verwendet. Allerdings ist wieder ein Bedeutungswandel zum Positiven zu beobachten, vor allem für die Bezeichnung besonders „weiblicher“ Frauen, dann mit Zusätzen wie Klasse-, Rasse-, Super- etc. Die Bezeichnung "Frau" aber rückt nach. Ursprünglich Bezeichnung des Adelsstands parallel zu "Herr", wurde sie zum Allgemeinbegriff, dessen Position die von "Dame" (lat. "domina": "Hausherrin") einnimmt.

"Dirne" ist ein altes Wort für "Mädchen" (oberd. "Dirndl": auch die Bezeichnung für ein "Trachtenkleid", ebenso im Niederdeutschen als "Deern"); später dann für "Magd", also eine bäuerliche Hilfskraft ("Magd" wie "Mädchen" aus "Maid": "Jungfrau", vergl. engl. "maiden"). Im 19. Jahrhundert wandelte sich der Begriff in seiner Bedeutung hin zu "Hure".

"Gemein": Früher wurde der Begriff im Sinne von "gewöhnlich" verwandt, wie man heute noch in Begriffen wie "Gemeines Volk", "Allgemeinheit" sehen kann. Heute wird das Wort synonym für "niederträchtig" oder "böswillig" verwendet.

"Ethnophaulismen" ("Pejorative Ethnonyme") und andere Volksgruppenbezeichnungen:

"Mohammedaner", ursprünglich wertfreie Bezeichnung für die "Anhänger der Lehre Mohammeds". Seit der Verdrängung durch das Wort "Moslem" hat diese jedoch einen zumeist abwertenden bzw. ablehnenden Charakter angenommen. Das ältere "Muselmann" zu "Moslem" ist ebenfalls pejorativ.

"Neger", als Germanismus zu lat. "niger": "schwarz", seit dem 18. Jahrhundert, wurde bis in die 1970er Jahre in der Gelehrten- und Alltagssprache unbefangen benutzt. Durch die Verwendung des äußerst beleidigenden Wortes "nigger" im Englischen wie auch durch das Abkommen von Rassentheorien in der Ethnologie wird das Wort heute als politisch unkorrekt oder diskriminierend empfunden.

"Sekte", früher allgemein für eine religiöse Minderheit; im Endbericht der Enquête-Kommission Sogenannte Sekten und Psychogruppen wird empfohlen, diesen Begriff im Umgang mit neureligiösen Bewegungen nicht mehr zu verwenden, da er historisch zu sehr belastet ist.

Wirtschaftlich-soziale Begriffe:

"Billig", früher mit der Bedeutung von "gerecht" eher positiv besetzt (vergl. "billigen": "gutheißen"), also beispielsweise für einen "Preis, der als gerecht empfunden wurde" und nicht eines Handels bedarf, in der Rechtssprache noch heute in diesem Sinne gebraucht (vgl. "Billigkeit"). Mit der Industrialisierung wurden dann häufig minderwertige und kurzlebige Artikel zu "billigen" ("gerechten") Preisen angeboten und auch so beworben, wodurch "billig" eine negative Wertung bekam - und später durch "preiswert" ersetzt wurde.

"Moneten" (lat. "moneta": "Münzgeld") fungiert im Deutschen heute umgangssprachlich als Bezeichnung für "Geld im Sinne eines Zieles krimineller Handlungen".

Bezüge zur Körperlichkeit:

"Kot", ursprünglich schlicht Synonym zu "Lehm", "Schmutz" (vergl. "Kotflügel"), heute mit der Bedeutung "Fäkalie".

"Visage", aus dem Französischen übernommen, dort völlig neutral für "Gesicht" (ursprüngliche Verwendung erhalten bei "Visagist"), in der deutschen Umgangssprache heutzutage abwertend gebraucht.




(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=Pejoration
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.

Dt. "Pejoration" taucht in der Literatur um das Jahr 1900 auf.

(E?)(L?) https://corpora.uni-leipzig.de/


Erstellt: 2014-10

Q

R

S

schummeln (W3)

Die Herkunft von dt. "schummeln" (18. Jh.), "beschummeln" (18. Jh.) = dt. "betrügen" (dt. "schummelnd" = engl. "diddling") ist letztlich ungeklärt. Immerhin gibt es zwei Versuche dem Werdegang auf die Spur zu kommen. Der eher umgangssprachliche Ausdruck dt. "schummeln" könnte demnach auf ein ndl. "schommelen" = dt. "sich hastig bewegen", "schlenkern", schaukeln" oder auf die Abkürzung "SWM" für "Speyer, Worms, Mainz". In beiden Fällen erfuhr das neutrale "schummeln" bzw. "Schummler" eine Bedeutungsverschlechterung.

Bei Bezug auf das Verb ndl. "schommelen" stellt man den Bezug zum "schnellen Bewegen", und der Geschicklichkeit der Taschenspieler und damit des möglichen Betrugs her.

Im "Kluge" wird auf einen unbekannten jiddischen Ursprung verwiesen, wobei "schummeln" mit "handeln" oder auch "scheuern", "schrubben" in Verbindung gebracht wird.

In Bezug auf die drei Städte "Speyer, Worms, Mainz" waren die "Schummler" einst die jüdischen Händler aus den genannten Städten, die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Handeln verdienten.

Diese Herleitung hat mir auch ein älterer Bekannter mitgeteilt: Speyer, Worms und Mainz waren einst Städte mit einem hohen Anteil jiddischer Mitbürger. Die Abkürzung für das Städte-Triumphirat "SWM" muss sich in früheren Schreibweisen wie "SUM" dargestellt haben. Und da man den jüdischen Mitbürgern eine besondere Bauernschläue beim Handeln zusprach, soll sich daraus der Begriff "schummeln" mit der Bedeutung "einen übermäßigen Vorteil aus einer Sache ziehen", "betrügen" herleiten.

Am 22.07.2005 erhielt ich folgenden Hinweis von Herrn Markus Bullacher:

Ich hatte 1967-1969 das große Glück, in Unterprima und Oberprima am altsprachlichen Rabanus-Maurus Gymnasium in Mainz bei dem äußerst gebildeten Studienrat & Pastor Petermann auch das Wahlfach Hebräisch belegen zu können. Aus diesen Zeiten weiß ich noch folgendes: "Sch-U-M meln" ist ein Akronym aus "SCH-peyer", "U-orms" und "M-annheim" (... aber nicht "Mainz"!).

Zu Speyer und Mannheim muss ich wohl nichts sagen; aber das "U" von "Worms" kommt von der vokalfreien Schreibweise des Hebräischen: Der Buchstabe "Waf" kann ein "W" oder ein "U" sein, analog finden wir im Englischen ja noch das "Double-U"; auch phonetisch macht es kaum einen Unterschied bezüglich der Verständigung, ob ich z.B. "Wasser" oder "Uasser" sage!

Lit.:

Althaus, Hans P. 1963. Zur Etymologie von schummeln, beschummeln.

Bei Adelung findet man:


Beschummeln, S. Betriegen, in der Anm.

"Schummeln", verb. reg. neutr. mit dem Hülfsworte haben, welches nur im Niederdeutschen üblich ist, wo es "nachlässig hin und her laufen" bedeutet. Eine "Schummel" ist daselbst eine solche nachlässige Person, welche viele unnöthige Bewegungen macht. Im Dithmarsischen hingegen ist "schummeln" "rütteln", "scheuern". Allem Ansehen nach ist der Begriff der schnellen Bewegung in diesem Worte der herrschende, daher auch das im gemeinen Leben der Hochdeutschen nicht unbekannte "beschummeln" eigentlich durch Geschwindigkeit oder List betriegen bedeutet, so wie beschuppen. Im Schwed. ist "skumpa", und im Ital. "ciompare", "hüpfen", "springen".


(E?)(L?) http://conjd.cactus2000.de/index.php?begin=a&end=zzzzz

beschummeln | schummeln [intr, hat]


(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERB.pdf

beschummeln


(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERS.pdf

schummeln


(E?)(L?) http://www.owid.de/pls/db/p4_suche_elex.Stichw_alpha?v_Buchst=S

schummeln


(E3)(L1) https://www.redensarten-index.de/register/b.php

jemanden beschummeln | schummeln


(E3)(L1) http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/

beschummeln


(E2)(L1) http://www.kruenitz1.uni-trier.de/cgi-bin/callKruenitz.tcl

Schummeln


(E?)(L?) http://www.wienerzeitung.at/meinungen/glossen/741173_Wer-hat-da-geschummelt.html

17.03.2015
Seldlaczek am Mittwoch
Wer hat da geschummelt?
...
Er weist darauf hin, dass die drei Rheinstädte "Speyer", "Worms" und "Mainz" im Mittelalter große jüdische Gemeinden aufwiesen, die miteinander kooperierten. Sie wurden als "SCHUM-Städte" bezeichnet - nach den Anfangsbuchstaben ihrer mittelalterlichen, auf das Latein zurückgehenden hebräischen Namen: Schin (Sch) für Schpira, Waw (U) für Warmaisa und Mem (M) für Magenza.

Hier übten die Juden wie anderswo auch bevorzugt den Beruf des Händlers aus. Gewiss zogen sie auch in der Gegend umher, um ihre Waren abzusetzen. "Man kann annehmen, dass sie dann nicht als Speyerer, Wormser oder Mainzer bezeichnet wurden, sondern dass man sie nach der Kollektivbezeichnung ihrer drei Städe als ,"Schumser" oder "Schummler" bezeichnete", schreibt Althaus, "aber noch ohne den erst später hinzukommenden abwertenden Ton, sondern einzig und allein, um ihre Eigenart zu betonen."

Althaus zeigt dann anhand von Beispielen aus den Mundarten, wie sich die Bedeutung nach und nach verschlechterte. Es tauchten stark abwertende Untertöne auf: übervorteilen, beim Spiel betrügen etc.

Damit wäre alles klar, gäbe es nicht im Norden Deutschlands, ja sogar in Dänemark und Schweden ein ähnlich klingendes Wort mit anderen Bedeutungen: "schaukeln", "rütteln" und "stoßen". Es wird auf eine indogermanische Wurzel zurückgeführt, die so viel wie "krümmen" oder "biegen" bedeutet hat.

Die Vermutung geht dahin, dass das Wort ursprünglich auf die schnellen Bewegungen der Taschenspieler abzielte. Zwei Ableitungen, zwei Theorien. Sie haben die Wahl!


(E?)(L?) http://woerterbuchnetz.de/DWB/

BESCHUMMELN


(E?)(L?) http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Vernetzung&lemid=GS19144#XGS19144

schummeln, verb. , in volksthümlicher rede und in mundarten weit verbreitet, in verschiedener bedeutung, denen die vorstellung einer unordentlichen, schlotterigen oder hastigen bewegung (transitiv und reflexiv) zu grunde zu liegen scheint. es findet sich in allen deutschen mundarten, auch holl. als schommelen; die litteraturbelege reichen nicht über das 16. jahrh. zurück. eine sichere etymologie ist noch nicht gefunden, vgl. Weigand 2, 650. Franck 855.
...


(E?)(L?) http://www.woerterbuchnetz.de/Wander

Beschummeln: Sich beschummeln lassen. Uebers Ohr hauen, betrügen lassen. (Grimm, I, 1598; Schmeller, III, 363.)


(E1)(L1) http://www.wortwarte.de/

Short-Message-Schummeln


(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=schummeln
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.

Dt. "schummeln" taucht in der Literatur um das Jahr 1870 auf.

(E?)(L?) https://corpora.uni-leipzig.de/


Erstellt: 2015-03

T

U

V

W

Willkür
willkürlich
Willküren (W3)

Das Substantiv "Willkür" (mhdt. "willekür", "wilkür") setzt sich zusammen aus "Wille" und "Kür". Wörtlich bedeutet es dt. "Willentliche Wahl", "Entschluss", "Beschluss des Willens", "freie Wahl", "Entschließung".

Seit der 2. Hälfte des 18. Jh. hat "Willkür" fast ausschließlich die pejorative Bedeutung "Handeln nach eigenem Gutdünken ohne Rücksicht auf andere", (wie in "Willkürherrschaft"). Bereits im Mittelhochdeutschen war diese abwertende Bedeutung enthalten.

Der Wortteil dt. "Kür", mhdt. "kür", "küre", ahdt. "kuri", aengl. "cyre", aisl. "kør", steckt auch in "Kurfürst" (Fürst mit dem Recht der Königswahl) (mhdt. "kurvürste", "kürvürste"), "kurfürstlich", "Kurfürstentum", "Kurfürstendamm", "Kurpfalz", "Kurwürde", "Walküre", "Kürübung" (= "wahlfreie Übung"), "Kurpfalz". Das Verb dt. "küren" = dt. "wählen" (17. Jh.) ist verwandt mit dt. "kiesen" = dt. "prüfen", "wählen", das heute nur noch in der Vergangenheitsform "erkoren" verwendet wird ("kiesen", "kor", "gekoren").

(E?)(L?) https://www.aphorismen.de/suche?text=Willk%C3%BCr




(E?)(L?) https://www.duden.de/synonyme/willkuerlich

Synonyme zu "willkürlich"

"beliebig", "nach Belieben/Gutdünken", "unsystematisch", "wahllos", ""zufällig" BILDUNGSSPRACHLICH: "ad libitum", "arbiträr" POLITIKJARGON: "postfaktisch" "absichtlich", "auf eigene Faust/Verantwortung", "aus eigener Kraft", "bewusst", "eigenmächtig", "eigenständig", "gewollt", "intentional", "nach eigenem Ermessen", "selbstständig", "vorsätzlich"


(E?)(L?) https://www.dwds.de/wb/etymwb/Willk%C3%BCr

"Willkür" f. ‘Verhalten und Handeln nach eigenem Gutdünken, Eigenmächtigkeit’, mhd. "willekür", "wilkür", (md.) "wilkur", "willekur", "-kor" ‘freie Willenswahl, freier Wille, freiwillige Entschließung, Neigung, Zu-, Übereinstimmung, Gutdünken’ ist zusammengesetzt aus dem unter "Wille" behandelten Wort und mhd. "kür", "küre", md. "kur", "kure", "kor", "kore" (s. "Kür").

Die seit dem 18. Jh. herrschende, auf die Mißachtung der Interessen anderer zielende Bedeutung (s. oben) bahnt sich bereits im mhd. Gebrauch in solchen Fällen an, wo die ‘freie Entschließung’ der einen Seite von der anderen als Beschränkung oder Zwang angesehen wird, vgl. mhd. nach siner vinde willekur.

Dazu "willkürlich" Adj. ‘nach eigenem Gutdünken vorgehend, eigenmächtig’ (18. Jh.), zuvor ‘freiwillig, nach freier Entscheidung handelnd’ (16. Jh.); vgl. mhd. willekuric.


(E?)(L?) https://www.dwds.de/wb/willk%C3%BCrlich

willkürlich: ...


(E?)(L?) https://www.dwds.de/sitemap/B




(E?)(L?) https://www.dwds.de/sitemap/G




(E?)(L?) https://www.dwds.de/sitemap/U




(E?)(L?) https://www.dwds.de/sitemap/W




(E?)(L?) https://drw.hadw-bw.de/drw-cgi/zeige?index=lemmata&term=Stadtbuchwillk%FCr

"Stadtbuchwillkür", f.: in ein Stadtbuch eingetragene Stadtwillkür

wenn der rath zwischen kriegischen partheyen ... erkenntniß thut oder spricht, so soll er nach der stadt-buch-willkühr und gewohnheit ... urtheilen

1510 Heinemann,StatRErfurt 122


(E?)(L?) http://lwp.ids-mannheim.de/art/meta/5699

"Willkür"

Lehnwörterbucheinträge zu diesem Herkunftswort

Polnisch (de Vincenz/Hentschel 2010) "wilkierz"

Herkunftswort "wilkur" "Rechtsstatut, das aufgrund freier Entschließung..."


(E?)(L?) http://www.koeblergerhard.de/der/DERG.pdf

"gewillkürt", F., "durch (Partei-)Willen bewirkt" (z.B. "gewillkürte Erbfolge"), 15. Jh. (Lüt. lat. "voluntarius", Adj., "freiwillig"?), zu mhd. "willekürn", V., "freiwillig wählen", "belieben", "beschließen", "durch freie Zustimmung bestätigen", s. "Wille", "Kür"

"gewillkürte Erbfolge", F., "durch Parteiwillen bewirkte Erbfolge", 19. Jh.?, s. "Erbfolge", "gewillkürt"


(E?)(L?) http://www.koeblergerhard.de/der/DERW.pdf

"Willkür", F., "Willkür", "Belieben", mhd. "willekür", "wilkür", F., "freie Willenswahl", "freier Wille", "Gutdünken", "Statut", s. "Wille", "Kür"

"willkürlich", Adj., "freiwillig" (16. Jh.), "nach Gutdünken vorgehend", "eigenmächtig" (18. Jh.), s. "Willkür", "lich"

"Willkürverbot", N., "Verbot ohne angemessenen Grund Gleiches ungleich und Ungleiches gleich zu behandeln", s. "Willkür", "Verbot", vgl. Weiske 1839ff.


(E?)(L?) http://www.koeblergerhard.de/duwhinw.htm




(E?)(L?) https://www.mittelalter-lexikon.de/wiki/Willk%C3%BCren

"Willküren" (mhd. "willekure" [nicht vor dem 12. Jh. belegt] = "freiwillige Entschließung", "freier Wille", "freie Wahl", "Satzung". Mhd. auch "einunge"; lat. "statutum", "constitutum", "voluntas"). Das stadtherrliche Privilegienrecht (s. "Handfesten") wurde durch autonome Satzungen ("Willküren") der Städte abgelöst. In deren Bereich fiel alles, was das städtische Wohnen, Zusammenleben und Wirtschaften betraf. Sie wurden i.a. durch Schwur bekräftigt und verpflichteten dazu, sich den darin festgelegten Rechtsregeln zu unterwerfen (sie zu "verwillkürn") und sich im Übertretungsfalle der vorgesehenen Strafe zu unterwerfen. "Willküren" wurden vom Rat gesetzt und konnten von diesem den Gegebenheiten entsprechend geändert oder abgeschafft werden. Maßgeblich war dabei ausschließlich das Interesse der Stadt bzw. der Bürgergenossenschaft.


(E?)(L?) https://www.textlog.de/5434.html

Rudolf Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1904)

"Willkür" ("arbitrium") ist: "Willkürlich" ("voluntarium"): "willentlich", "freiwillig", "eigenwillig".

ALBERTUS MAGNUS bestimmt: »Voluntarium est, cuius principium in ipso consciente singularia sive circumstantias, in quibus est actus« (Sum. th. I, 79,

1). Nach THOMAS ist »voluntarium«, was »secundum inclinationem voluntatis« ist, auch »illud cuius domini sumus« (Sum. th. I, 82, 1 c. II. I, 6, 2 c. 6, 3 a).

MICRAELIUS bestimmt: »Voluntarium est, quod fit sponte a volente. Estque vel elicitive voluntarium, quod est in potestate volentis. vel subiektive voluntarium, quod est in voluntate, tanquam in subiecto« (Lex. philos. p. 1113).

CHR. WOLF erklärt: »Insoweit... die Seele den Grund ihrer Handlungen in sich hat, insoweit eignet man ihr eine Willkür zu und nennet daher willkürliches Tun und Lassen, wovon der Grund in der Seele zu finden« (Vern. Ged. I, § 518).

Nach G. F. MEIER ist "Willkür" das »Vermögen, nach Belieben zu begehren und zu verabscheuen« (Met. III, 370).

Nach FEDER ist die "Willkür der Seele" das »Vermögen, nach Wohlgefallen und Gutbefinden ihre Kräfte zu gebrauchen« (Log. u. Met. S. 2S).

Nach PLATNER ist sie »das Vermögen zu wählen« (Philos. Aphor. II, § 520).

Unter »freier Willkür« versteht KANT den nur durch Vernunft motivierten Willen (Krit. d. rein. Vern. S. 608).

Nach KRUG heißt der Wille "Willkür", »wiefern er zwischen entgegengesetzten Bestimmungen wählen (küren) kann« (Handb. d. Psychol. I, 63).

Nach SCHELLING ist "Willkür" »die mit Bewußtsein freie Tätigkeit« (Syst. d. tr. Ideal. S. 485).

BIUNDE bestimmt: »Willkür ist die Wahl des Willens. sie ist ein mit Bewußtsein begleitetes Bestimmen eines Etwas als des Zweckes, wobei indessen auch die Möglichkeit ungehindert erscheint, einem andern Zweck zu folgen« (Empir. Psychol. II, 317).

Nach HILLEBRAND ist "Willkür" arbiträrer Wille (Philos. d. Geist. I, 307).

J. E. ERDMANN definiert: »Der Wille, indem er sich auf die verschiedenen Determinationen bezieht, um der einen oder der andern das Übergewicht zu geben, ist wählender (kürender) Wille, Willkür« (Gr. d. Psychol. § 157. vgl. / K. ROSENKRANZ, Syst. d. Wissensch. § 671. / G. BIEDERMANN, Philos. als Begriffswissensch. I, 264 ff.. / CHALYBAEUS, Wissenschaftslehre, S. 241 ff.).

LOTZE bestimmt: »Willkürlich ist eine Handlung dann, wenn der innere Anfangszustand, von dem eine Bewegung als Folge entstehen würde, nicht bloß statthat, sondern von dem Willen gebilligt oder adoptiert oder gewähren gelassen wird« (Grdz. d. Psychol. S. 57).

WINDELBAND versteht unter "Willkür" (die von ihm nicht angenommene) »Zufälligkeit in der Welt des innern Geschehens« (Die Lehre vom Zufall, S. 7).

Nach E. v. HARTMANN bezieht sich das Wort »Willkür« »auf die verstandesmäßige Abwägung der unmittelbaren und mittelbaren Folgen verschiedener Entschließungen, nach deren Beendigung die motivatorische jeder Seite der Disjunction durch den Charakter, d h. die Summe der Triebe, ohne weitere Reflexionen bestimmt wird« (Mod. Psychol. S. 197).

Nach HAGEMANN ist "Willkür" der freie Wille (Psychol.3, S. 122).

WUNDT versteht unter "Willkür" die zusammengesetzte Willenshandlung (s. Wille).

Nach TÖNNIES ist "Willkür" »das Denken, sofern darin der Wille enthalten ist« (Gem. u. Gesellsch. S. 100. s. Soziologie). - Vgl. "Liberum arbitrium", "Wille", "Willensfreiheit".


(E?)(L?) https://www.textlog.de/eisler/kant-lexikon/willkuer

Rudolf Eisler - Kant-Lexikon

Eine "Willkür" ist „sinnlich“, sofern sie „pathologisch (durch Bewegursachen der Sinnlichkeit) affiziert“ ist; sie heißt „tierisch“ ("arbitrium brutum"), wenn sie „pathologisch nezessitiert“ werden kann. „Die menschliche Willkür ist zwar ein arbitrium sensitivum, aber nicht brutum. sondern liberum, weil Sinnlichkeit ihre Handlung nicht notwendig macht, sondern dem Menschen ein Vermögen beiwohnt, sich unabhängig von der Nötigung durch sinnliche Antriebe von selbst zu bestimmen.“ Diese Unabhängigkeit ist Freiheit (s. d.) im praktischen Sinne, KrV tr. Dial. 2. B. 2. H. 9. Abs. IX (I 470—Rc 604). Die „Freiheit der Willkür“ hat das Eigene, „daß sie durch keine Triebfeder zu einer Handlung bestimmt werden kann, als nur sofern der Mensch sie in seine Maxime aufgenommen hat (es sich zur allgemeinen Regel gemacht hat, nach der er sich verhalten will); so allein kann eine Triebfeder, welche sie auch sei, mit der absoluten Spontaneität der Willkür (der Freiheit) zusammen bestehen“, Rel. 1. St. Anmerk. (IV 22 f.); vgl. Anthr. 1. T. § 8 (IV 34). „Das Begehrungsvermögen nach Begriffen, sofern der Bestimmungsgrund desselben zur Handlung in ihm selbst, nicht in dem Objekte angetroffen wird, heißt ein Vermögen, nach Belieben zu tun oder zu lassen. Sofern es mit dem Bewußtsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung des Objekts verbunden ist, heißt es Willkür; ist es aber damit nicht verbunden, so heißt der Aktus derselben (der Begehrung) ein Wunsch.“ „Die Willkür, die durch reine Vernunft bestimmt werden kann, heißt die freie Willkür. Die, welche nur durch Neigung (sinnlichen Antrieb, Stimulus) bestimmbar ist, würde tierische Willkür (arbitrium brutum) sein. Die menschliche Willkür ist dagegen eine solche, welche durch Antriebe zwar affiziert, aber nicht bestimmt wird, und ist also für sich (ohne erworbene Fertigkeit der Vernunft) nicht rein; kann aber doch zu Handlungen aus reinem Willen bestimmt werden“, MS Einl. I (III 13 f.). Vgl. "Autonomie", "Wille", "Freiheit".


(E?)(L?) https://www.textlog.de/kirchner/woerterbuch/willkuer

"Willkür" ("liberum arbitrium") heißt die niedrigste Stufe der Freiheit, nämlich die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Möglichkeiten beliebig und ohne sittliche Gründe zu wählen. Daß der Mensch dabei ganz indeterminiert sei, ist nur ein Schein, welcher aus dem Zugleichsein mehrerer Bestimmungsgründe in unserm Innern entspringt. Wer die Freiheit des Willens und des Wesens der Willkür in der Indeterminiertheit sieht, verwechselt das Unvermögen des Beobachters, das Resultat der Überlegung vorherzubestimmen, mit einem jede Vorherbestimmung ausschließenden Vermögen im Wählenden. Wählen aber heißt das einem besser Scheinende vorziehen; da dies nur auf Grund einer Überlegung geschehen kann, setzt die Wahl gerade die Motivation durch äußere Gründe oder die innere Entscheidung voraus; wer aber unter willkürlich handeln grundlos handeln versteht, der hat kein Recht, noch von sittlichem, freiem Tun überhaupt zu sprechen. Vgl. "Indeterminismus", "Äquilibrismus".


(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=G14563

"GEWILLKÜRT", participiales adjectiv, vgl.: "willekürn", "willekurn" (mhd. wb. 1, 829b. Lexer 3, 891). das verbum ist zunächst mitteldeutsch belegt: jener willekurte swaz ime dirre vor sprach. passional 133, 8;
...
ebenso 135, 28 u. a. vgl. auch "gewillecoren" Verwijs-Verdam 2, 1909; "ghewilcoeren", "gewillecoren". Oudemans 2, 665 ff. die isolierung des particips geht von der engsten fassung des rechtsbegriffes aus, und hier ist man versucht, dem präfix eigene bedeutung zuzumessen, da das verbum auf die einigung zwischen widerstrebenden willensrichtungen zielt (vgl. die infinitivformen mit ge). vgl.: alszo das reich noch stundt ane konigk unde ane keiszer ... qwam (die herzogin v. Brabant) abir in Doringen unde muthe ires rechten umbe die lant zu bleiben bei den "korfursten", sint dem male das si keinen konig noch richter, uf den sie mit irem ohmen dem marggraven "gewillekort" hette, gehabin mochte, unde dißer tedingk wart gehalden von on beiden in der prediger kirchen zu Isenache (Dresdener handschr. gewille). Joh. Rothe düring. chron. (494) Liliencron s. 412. hieraus entwickelt sich attributiver gebrauch, der sich in zwei richtungen gliedert, je nachdem die person eines richters, über den man sich einigt, in den vordergrund gezogen wird, oder eine entscheidung, die man zusammen trifft. 1

1) "gewillekeurt" richter. Kilian 147a; disputatio juridica de arbitris necessariis, cumprimis austregis conventionalibus ac testamentariis, germanica, "gewillkührten" stamm- und erb-austrags-richtern. disput. unter W. A. Schoepff. Tübingen 1724; die wahre freiheit leidet nicht, sich durch andre, als seine eigne "gewillkührte" mitgenossen in vorkommenden fällen verurtheilen und taxiren zu lassen. Justus Möser Osnabrückische gesch. (3, 118) (1768) 247; die vertretung der zivilrechtlichen gesellschaft nach auszen regelt sich nach den allgemeinen vorschriften: der oder die gesellschafter, denen die vertretungsbefugnis beigelegt ist ... sind "gewillkürte" stellvertreter. C. Predari die grundbuchordn. v. 24. 3. 1897 s. 324. 2

2) und wir haben aus fürstlichen gnaden ihre bitte zur ehre der stadt Liegnitz und des schneidergewerkes berücksichtigt und den schneidern aus besonderer gnade das zu einem "gewillekürten" rechte gegeben, dass in unserm weichbilde zu Liegnitz, sowohl in den dörfern als auch andern gütern oder vorwerken nirgends ein schneider sein oder wohnen solle, der ums lohn arbeite oder schneidere, es sei denn, dass er von der stadt Liegnitz eine meile entfernt sei. Liegnitzer urk. von 1349 (abschrift von 1659) bei Schirrmacher 119 (nr. 163); "gewillkürtes recht" s.austräge. Westenrieder 206; so kamen ... die streitenden parteien gar oft darinn überein, dasz sie ... die entscheidung ihrer streitigkeiten ... auf eine sogenannte "gewüllkürte", oder rechtliche entscheidung, nämlich auf beiderseits gewählte sühn- und schiedsrichter ankommen lassen. ebenda 31; die objective bestimmung einer sache für die wirthschaftlichen zwecke einer anderen ist maszgebend. "gewillkürte" pertinenzen sind dem reichsrecht unbekannt. Predari grundbuchordn. s. 20.


(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=H07084

"HERRSCHERWILLKÜR", f.: Nero rief stolz aus: er sei der einzige von allen herrschern, der begriffen habe, wie weit man die "herrscherwillkür" treiben könne. Schlosser weltgesch. 4, 225.


(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=T15225

"TYRANNENWILLKÜR", f., "launische willkür eines despoten":

der freyheitsbaum erstickt der liebe blüten; sie traue nimmer der "tyrannenwillkühr" ihr leben an

Platen dramat. nachl. 6 Petzet;

der ausbruch der revolution lockte den unsteten mann (Friedrich v. d. Trenck), der sich auch als ein opfer der "tyrannenwillkür" fühlte, nach Paris Klaiber d. dt. selbstbiogr. (1921) 51. —


(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=U13055

"UNWILLKÜR", f., rückbildung aus dem adj. "unwillkürlich": wem diese wohltat (belehrung durch Schopenhauer) zu theil ward, weisz dann, dasz jenes misbräuchliche "unwillkür" in wahrheit "der wille" heiszen soll R. Wagner 3, 4; unwillkür und bewusztsein (als gs.) 4, 75; Ödipus und Jokaste hatten ... nach der natürlichen unwillkür ... gehandelt 4, 57; Elsa, das weib ..., diese nothwendigste wesenäuszerung der reinsten sinnlichen unwillkür 4, 302; hier (in-Italien) ist überall natur (und meist vornehme, ächthumane), unwillkür, deszhalb anmuth H. v. Bülow briefe u. schr. 5. 331; von der unwillkür und von der bestimmtheit der tonsprache Westermanns monatshefte 294, 785a. —

"UNWILLKÜRLICH", adj. adv., gs. zu "willkürlich" A 3. nl. onwillekeurig (vgl. "willkürig"); dän. "uvilkaarlig"; schwed. "ovilkorlig". Heynatz tadelt im antibarb. 2, 541 das fehlen dieses gebräuchlichen wortes bei Adelung. wohl nur entgleisung ist "unwillkürlich" statt "willkürlich" (B) bei Zimmermann einsamkeit 4, 106. a) in der sprache der wissenschaft: unwillkürliche bewegungen Campe; Krünitz 200, 278; es zeigt sich, dasz dieses (gesetz) von jeder bewegung des leibes gilt, nicht blosz von der auf motive, sondern auch von der auf blosze reize erfolgenden "unwillkürlichen" Schopenhauer 1, 151
...


(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=V06037

"verwaltungswillkür" Ruge "briefwillkür". u. tagebuchblätter 2, 374; hwb. d. staatswiss.2 6, 232; —


(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=V06427

"VERWILLKÜREN", v. , wort der älteren rechtssprache, vom 14.-16. jh. gewöhnlich, jüngere belege nur vereinzelt (s. u. 2; 5): Lexer 3, 308; Graf-Dietherr 236; Kehrein grammatik 2, 241; Fischer schwäb. wb. 2, 1415; Bauer-Collitz 139; Dähnert 529b; Stürenburg 317a. 1

1) nur mhd. "etwas verwillküren", preisgeben, darauf verzichten: alle die werlt sal wissen, daz nieman sinen lib verwilkurn mag mit gerichte oder ane gerichte, also daz man in tode. ... wer den lib verwillekurt, den sal man antwurten zu des keisers vinsternisse, sint gesc. stet: wer den lib verwillekurt hat zu dem tode, der hat verzigen gotes kaiserrecht 36 E.; mit disen teidingen verwillekür wir andereu unser reht niht, daz ist halsgerihte und vorstereht, di wir auf den g?ten haben (1335) monumenta Zollerana 3, 23. 2

2) ...
...


(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB&lemid=W21666

"WILLKÜR", f. I

I. herkunft und form. I@1

1) zu "wille" m. und "kür" f. (daher: "des allgewaltigen willens kür" Göthe 15, 299 Weim.); jüngere bildung, nicht vor dem 12. jh., ähnlich wie mhd. "willeklage" "freiwillige klage" und mnd. "willemôt" m. "freier wille" Schiller-Lübben; ferner vgl. mhd. "wunschleben", "wunschwint". — mhd. "wille-" ("willen-", "wil-") "kür" ("-kur", "-kure", "-kor", "-kore") f.; mnd. "willekor" m.; afries. "wilkere" m., f.; ndl. "willekeur" f.; schwed. "vilkor" bedingung, umstände, lebensverhältnisse; dän. norw. "vilkaar" mit ähnlicher bedeutungsentwicklung wie im schwed. (neunorw. "vilkor" altentheil Falk-Torp). — den lebenden hd. und md. mundarten fremd; dagegen ndd. "wilköre" f. Dähnert; "wallkör" Schmidt-Petersen. I@2

2) der ton liegt von jeher auf der ersten silbe; die kürzung des ersten bestandtheils "wille-" zu "wil-" ist schon im spätmhd. die regel, auszer im md., vgl. "willekore" Wigand Gerstenberg chron. 150; "willekor" Michelsen rechtsdenkm. aus Thüringen 196. — ungefähr gleichzeitig hat sich für den zweiten bestandtheil die dehnung des noch im mhd. kurzen Stammvocals durchgesetzt. — länger, bis ins 16. jh., hält sich wenigstens theilweise die endung, /Bd. 30, Sp. 205/ so noch "wilkore" Luther, "wilköre" Luther, C. Spangenberg; "wilküre" Schwarzenberg; "wilküre" Widmann (belege unten). I@3

3) die lautverhältnisse für den zweiten bestandtheil liegen ähnlich wie bei dem stammwort ahd. "churi", mhd. "kür", vgl. oben th. 5, 2783 f.; das ältere md. bevorzugt "o" und "ö" ("o" bei Alberus, Luther; "ö" bei Luther, C. Spangenberg), das oberdt. "u" und "ü" ("u" bei S. Franck, Boltz, Murner, Fischart, Stumpf; altbair. "wilchûr" Schmeller 2, 891; "ü" bei B. v. Chiemsee, Nas, H. Sachs, aber auch bei Luther, Mathesius). "ü" ist völlig durchgedrungen im 17. jh., so bei Rollenhagen, Zinkgref, Zesen, Ziegler, Lohenstein, Birken, Schottel, Grimmelshausen; nur vereinzelt findet sich noch "u" bei Weckherlin, Zinkgref, Dentzler (1716) 353b, Iselin schr. 1, 69. 75; "ö" hält sich in der ndd. volkssprache. I@4

4) das geschlecht ist wie bei "kür" in der alten sprache auch männlich, namentlich ndd. (s. oben) und md., so bei Luther 2. Cor. 9, 7; werke 8, 157; 7, 669 Weim.; Chr. Wolff vern. gedanken v. d. gesell. leben 619; Ramler einleit. 4, 46; Abbt 1, 310; aber auch M. J. Schmidt gesch. d. Deutschen 3, 71; nach Adelung auch manchmal n., was aber nicht zu belegen ist; nach Braun (1793) nur f. — die plural bildung ist ursprünglich stark, so noch "willkür" pl. Comenius janua 198; "willküre" Hippel lebensl. 3II, 179; aber dann wie bei "kür" f. auch schwach, namentlich in der alten rechtssprache, s. unten II A 2, in der allein der plural noch anwendbar ist. I@5

5) ableitungen: "willküren" v., "willkürig", "willkürlich" adj. II

II. bedeutung und gebrauch.

die grundbedeutung ist 'freie wahl oder entschlieszung'; in den glossarien gerne für "arbitrium" Diefenbach gloss. 44c; alte vorläufer und gleichbedeutend sind "willige (oder frîe, eigen) kür", oben th. 5, 2786; in der alten sprache deckt es sich noch vielfach mit dem stammwort "kür" f. in den bedeutungen 'verfügung, absicht, schiedsgerichtsentscheidung u. a.', s. o. a. a. o.; in der neueren sprache hat es sich fühlbar nach der schlechten seite verschoben und damit die alten verwendungen fast ganz eingebüszt, die von ausdrücken wie belieben, ermessen, gutdünken, selbstbestimmung, wahl u. a. übernommen wurden. II@A

A. ältere verwendungen, ohne tadelnden sinn. II@A@1

1) das handeln nach gutdünken und freiem ermessen oder die fähigkeit zu solchem handeln; "wilkor" potestas, delectus, propositum cordis Alberus 204b; "freie wahl", "freier wille" Rädlein 1, 1062b:
...
a) gleichbedeutend und gerne in verbindung mit freiheit, freie wahl u. ä.:
...
als gegensatz zu noth, zwang:
...
b) in der wissenschaftlichen sprache gegenübergestellt einerseits dem (mehr oder minder bewuszten und vernünftigen) willen:
...
c) dasz das wort ursprünglich nicht blosz keinen tadelnden sinn hat, sondern sogar lobend gebraucht werden kann, zeigen folgende belege:
...
d) meist von menschen, aber auch von der natur, von thieren u. ä.:
...
vom geistigen und künstlerischen schaffen und dessen erzeugnissen, im sinne von freiheit im gegensatz zu 'gebundenheit, vorschrift, strengem ernst':
...
von gott im sinne von 'allmacht':
...
e) in adjectivischen verbindungen wie mit eigenlicher willekür trojan. krieg v. 2414;
...
f) in verbalen verbindungen, wie die willkür (freie wahl) haben Güntzel 877, Adelung, Spreng Äneis 108 a; die w. behalten Clemen reform.-flugschr. 4, 236; einem die w. heimsetzen, vorbehalten Schmeller 2, 891; einem die w. lassen:
...
da er sich selbst in eure willkür giebt Arnim 18, 242; mit nichtpersönlichem subject:
...
g) mit einer näheren bestimmung der sache, über die eine freie wahl besteht, II@A@1@g@a

a) in form eines abhängigen fragesatzes: es soll in ihrem wilkore stehen, was got sei odder nit sei Luther 10I, 1, 240 Weim.; II@A@1@g@b

ß) als infinitiv mit zu: ein igliche stat ... ihm frei wilkör liesz, ehelich zu werden odder nit 6, 440; hat ihnen ... die freie wilköre, ihres gefallens testament zu machen, genomen C. Spangenberg mansfeld. chron. 73a; Lohenstein Arminius 2, 272b; II@A@1@g@g

?) als substantiv mit über: da ein gutwilliger vater ihr ganz die willkür über ihre hand vergönnte Meiszner Alcibiades 1, 7. II@A@1@h

h) in präpositionalen verbindungen; schon mhd. mit, nâch willekür Lexer 3, 891:
...
i) vereinzelt im plural: der mensch ist an eine regel gebunden, das heiszt: seine willküre hängen vom gesetz ab Hippel lebensl. 3II, 179; vgl. auch wan in des königs freien wilkür und mächten stünde, den krieg anzufangen oder unterwegen zu lassen Chemnitz schwed. krieg 1, 21. II@A@2

2) aus der grundbedeutung entwickeln sich sonderverwendungen, die sich theilweise von jener völlig loslösen; II@A@2@a

a) 'freie verfügung', ähnlich wie beim grundwort kür f., s. oben th. 5, 2786: ich verschreibe ihnen ... tausend dukaten zu ihrer willkür Stephanie lustsp. 32; das vermögen deiner mutter wollte ich ihrer willkür nicht verweigern Iffland theatr. werke 1, 166. II@A@2@b

b) 'neigung' (schon mhd. Lexer), 'absicht' (vgl. 1DWb kür a. o. o., sowie die paarung ohne w. und absicht, oben 1 a); 'überlegung': von der klugen willkür Weichmann, s. oben 1 c; 'freier entschlusz', s. den beleg aus Hoffmannswaldau u. and. Dt. ged., oben 1 c; 'wunsch, hoffnung, erwartung':
...
c) 'zustimmung';
...
d) namentlich eine 'gegenseitige abmachung':
...
ferner ein durch gegenseitige übereinstimmung entstandener 'vertrag', ähnlich wie gemeine kür im gegensatz zu eigen kür, oben th. 5, 2786; vor allen dingen die nach loslösung der städte von der landesherrlichen gewalt durch rath und gemeinde neu festgesetzten "stadtrechte", auch "küren", "buerkören", "einungen", "skraarecht", "statuta", "plebiscita", "coniuratio" u. s. w. genannt Stobbe gesch. d. dt. rechtsquellen 1, 490 ff; mhd. die "willekor" und gesetze Lexer; mnd. Schiller-Lübben; prerogatia Diefenbach gloss.; ferner 'satzungen von corporationen und zünften'; allerhand 'sonderrechte', z. b. schiffahrt betreffend; meist im plural und namentlich ndd.:
...
II@B

B. neuer gebrauch, meist mit tadelndem sinn; vgl. auch unten die entwicklung von "willkürig" und "willkürlich". II@B@1

1) 'das gesetzlos-individuelle, principienlose, unmethodische wollen und handeln' (Eisler philos. wb. 3, 1839, woselbst noch weitere definitionen des begriffs); zu der grundvorstellung 'der freien wahl oder selbstbestimmung' treten demnach weitere vorstellungen wie 'eigenmächtigkeit':
...
a) den ausgangspunct zu der neueren verwendung konnten fälle bilden, wo der zusammenhang, vor allem die mit dem wort verbundenen ergänzungen, den verschlimmernden sinn mit sich brachten; so schon mhd.:
...
b) in der zweiten hälfte des 18 jhs. ist die umwandlung vollzogen, sodasz das wort auch abgesehen von dem zusammenhang oder der umgebung meist einen üblen beigeschmack hat:
...
c) die näheren bestimmungen entsprechen der veränderten bedeutung: II@B@1@c@a

a) jede art von souveräner willkür Strausz Schubarts leben 1, xvii; ungebundene willkür Treitschke (s. oben, sp. 210); die vollkommenste willkür briefe von u. an Herwegh 29; bare willkür Peschel völkerk. 516; der despotischen willkür Schiller 4, 44; mit stolzer willkür 14, 29; in frecher willkür Droysen Alex. d. Gr. 9; mit völlig schamloser willkür Savigny röm. recht 1, 25; die schnödeste willkür Börne schr. 6, 59; die böse willkür Keller 6, 353; aus boshafter willkür Ritter erdk. 2, 1029; mit der grausamsten willkür Arndt schr. f. u. an s. l. Dt. 1, 235; von gedankenloser willkür erzeugt E. Th. A. Hoffmann werke 4, 46; die lüsterne willkür Herder 26, 236; aber auch den gipfel der willkür erreichen Dahlmann gesch. v. Dänem. 1, 19; II@B@1@c@b

ß) der willkür preisgegeben sein Wieland Agathon (1766/67) 2, 89; der willkür bloszstellen Müllner dram. werke 8, 103; der willkür der bischöflichen officialen überlassen Ranke werke 8, 135; der willkür thor und thür öffnen J. Grimm kl. schr. 3, 170; die willkür entfesseln Justi Winckelmann 1, 102; seine willkür beschränken Göthe 21, 109 Weim.; jede willkür des bürgers bändigen Treitschke aufs. 1, 125; der willkür eine schranke ziehen Ranke werke 14, 121; von der willkür abhängen 30, 30. II@B@2

2) der aus solchem handeln hervorgehende verworrene und unbefriedigende zustand:
...
C. auch für den neueren sprachgebrauch sind aber noch fälle der verwendung ohne tadelnden sinn möglich, namentlich in einem zusammenhang, der jeden gedanken an eine unberechtigte willkür ausschlieszt, so vor allem mit beziehung auf gott, die natur, die thiere, dann vielfach vom künstlerischen schaffen und in der wissenschaftlichen sprache, ferner meist in den verbindungen nach willkür, in eines willkür stehen, liegen (belege oben A 1).

in manchen anderen fällen ist es schwer zu entscheiden, ob das wort im neutralen oder im schlimmen sinn gemeint ist:
...




(E?)(L?) https://woerterbuchnetz.de/?sigle=GWB&lemid=E00506




(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=Willkür
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.

Dt. "Willkür" taucht in der Literatur um das Jahr 1650 / 1770 auf.

(E?)(L?) http://corpora.informatik.uni-leipzig.de/


Erstellt: 2023-12

X

Y

Z

Zimtzicke (W3)

Wie konnte aus dem aromatischen "Zimt" etwas Negatives werden? Und was hat die "Zicke" ("Ziege") mit "Zimt" zu tun? Zimt war einst ein teures Gewürz. "Zimt" bzw. "Zimmet" wurde sogar umgangssprachlich als Synonym für "Geld" benutzt. Aber das förderte auch die Phantasie einiger Zeitgenossen, die Zimt fälschten bzw. streckten (mit anderen Pulvern mischten) und so wurde "Zimt" auch zum Synonym für "Fälschung", "Unsinn", "ungereimtes Zeug". Die "Zicke" ("Ziege") konnte recht "zickig" werden und diese Eigenschaft sagte man auch einigen Frauen nach. Zusammengenommen ergab dies die "Zimtzicke", "Zimtziege", also eine Frau die sich besonders "Zickig" benimmt, die vielleicht nur nach finanziellen Gelegenheiten sucht und / oder durch eine aufgesetzte (verfälschte) Schönheit glänzt.

Bei der Kombination von "Zimt" und "Zicke", "Ziege" dürfte wohl auch der Stabreim eine Rolle gespielt haben.

Ergänzend findet man dt. "Zicken" = dt. "Dummheiten", "Streiche"; dt. "Zicken machen" = dt. "Dummheiten machen".

Im selben Zeitraum kamen auch die Ausdrücke "Zimt machen", "Zimtig sein" auf, die einfach "Umstände machen", "Schwierigkeiten machen" bedeuteten. "Zimtzicke" ist also auch ein "weisser Schimmel" etwa "schwierige Schwierigkeiten Machende".

(E?)(L?) http://www.dw.de/zimtzicke-und-co/a-14965785

31.05.2011
Alltagsdeutsch
Zimtzicke und Co.

Sie stehen meist in der Schmuddelecke einer Sprache: die Schimpfwörter. Schimpfwort ist jedoch nicht gleich Schimpfwort. Es gibt sehr beleidigende, ordinäre, aber auch humorvolle.
...


(E?)(L?) http://www.fragenohneantwort.de/fragen/179/zimtzicke/


(E?)(L?) http://etymologie.tantalosz.de/

"Zimtzicke"

In der Zigeunersprache bedeutete "Zimt" einst "Geld". Der Ausdruck wandelte umgangssprachlich ins Negative und bekam die Bedeutung von "Schwierigkeiten". "Zicke" bezieht sich auf das undurchschaubare Verhalten der Ziege, sodaß sich die Bedeutung des Schimpfwortes verdoppelt.


(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=Zimtzicke
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.

Dt. "Zimtzicke" taucht in der Literatur um das Jahr 1960 auf.

Erstellt: 2014-11

Zimtziege (W3)

Wie konnte aus dem aromatischen "Zimt" etwas Negatives werden? Und was hat die "Zicke" ("Ziege") mit "Zimt" zu tun? Zimt war einst ein teures Gewürz. "Zimt" bzw. "Zimmet" wurde sogar umgangssprachlich als Synonym für "Geld" benutzt. Aber das förderte auch die Phantasie einiger Zeitgenossen, die Zimt fälschten bzw. streckten (mit anderen Pulvern mischten) und so wurde "Zimt" auch zum Synonym für "Fälschung", "Unsinn", "ungereimtes Zeug". Die "Zicke" ("Ziege") konnte recht "zickig" werden und diese Eigenschaft sagte man auch einigen Frauen nach. Zusammengenommen ergab dies die "Zimtzicke", "Zimtziege", also eine Frau die sich besonders "Zickig" benimmt, die vielleicht nur nach finanziellen Gelegenheiten sucht und / oder durch eine aufgesetzte (verfälschte) Schönheit glänzt.

Bei der Kombination von "Zimt" und "Zicke", "Ziege" dürfte wohl auch der Stabreim eine Rolle gespielt haben.

(E?)(L?) http://www.redensarten-index.de/

eine alte Zimtziege


(E?)(L?) http://wortschaetze.uni-graz.at/de/wortschaetze/nahrung/belegdatenbank/z/zimtziege/

Zimtziege


(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=Zimtziege
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.

Dt. "Zimtziege" taucht in der Literatur nicht signifikant auf.

(E?)(L?) https://corpora.uni-leipzig.de/


Erstellt: 2014-11

Bücher zur Kategorie:

Etymologie, Etimología, Étymologie, Etimologia, Etymology, (griech.) etymología, (lat.) etymologia, (esper.) etimologio
DE Deutschland, Alemania, Allemagne, Germania, Germany, (esper.) Germanujo
Pejoration, Peyoración, Péjoration, Pegggioramento, Pejoration, (esper.) pejorativoj

A

B

C

D

E

F

G

H

Heine, Matthias - KW
Kaputte Wörter?
Vom Umgang mit heikler Sprache

(E?)(L?) https://shop.duden.de/products/kaputte-worter-vom-umgang-mit-heikler-sprache

Matthias Heine behandelt unterhaltsam und wissenschaftlich fundiert über 80 Wörter, die heute als diskriminierend, problematisch und gestrig bezeichnet werden oder im Verdacht stehen, es zu sein. Die Wörter reichen von "behindert" über "Eskimo", "Flüchtling" bis "Weißrussland" und sogar "Milch" und "bester Freund".

All diese Wörter sind auf die eine oder andere Art kaputt. Manche funktionieren gar nicht mehr, andere kann man mit Vorsicht noch verwenden. Heine erklärt die Geschichte der Wörter und der Diskussionen um sie, warum sie so heikel sind und wie und wann man sie vermeiden sollte. So leistet das Buch einen wichtigen Beitrag zu der aufgeheizten Debatte um den Sprachgebrauch. Wer es gelesen hat, kann eine fundiertere Meinung entwickeln und erhält Sicherheit bei der eigenen Ausdrucksweise.

Matthias Heine, 1961 geboren, arbeitet als Journalist in Berlin. Seit 2010 ist er Kulturredakteur der »Welt«. Zuletzt erschien von ihm "Verbrannte Wörter. Wo wir noch so reden wie die Nazis und wo nicht" (2019) und "Krass. 500 Jahre deutsche Jugendsprache" (2021).

ISBN: 978-3-411-75690-2, Erscheinungsdatum: 12.09.2022, 1. Auflage, Seiten: 304, Format: 12.5 x 20.5 cm


Erstellt: 2022-09

Heine, Matthias - VW
Verbrannte Wörter
Wo wir noch reden wie die Nazis - und wo nicht

(E?)(L?) https://www.buecher.de/shop/deutsche-sprachwissenschaft-allgemein/verbrannte-woerter/heine-matthias/products_products/detail/prod_id/54570300/

"Asozial", "Bombenwetter", "entartet" oder "Volk" - nicht wenige deutsche Begriffe sind im öffentlichen Sprachgebrauch verpönt, weil sie mit der ideologisch und propagandistisch aufgeladenen Rhetorik der Nationalsozialisten in Verbindung gebracht werden. Trotzdem tauchen sie gelegentlich in unserer Alltagssprache auf. Spätestens aber seit in der aufgeheizten politischen Debatte verstärkt sprachliche Grenzen ausgereizt und Tabus gebrochen werden, stellt sich wieder die Frage, welche Wörter man benutzen darf, ohne an die NS-Ideologie anzuknüpfen.

Der Journalist, Historiker und Linguist Matthias Heine setzt sich deshalb mit der Sprache der Nazis auseinander und geht dazu konkret auf etwa 80 Begriffe näher ein. Manche, etwa "Eintopf", dürften dabei überraschen. Umgekehrt zeigt sich, dass nicht alles in die Nazi-Schublade gehört, was wir dort hineingepackt hätten. Informativ und anschaulich bietet Heines Buch wertvolle Orientierung auf einem heiklen Terrain.


Erstellt: 2021-02

I

J

K

Kramer, Ulrike - Nhnbs
Neger heißt nicht (bloß) 'schwarz'
Wie das Wortfeld 'Neger' seine Bedeutung veränderte

(E?)(L?) https://www.hugendubel.info/detail/ISBN-9783706905046/Kramer-Ulrike/Neger-hei%C3%9Ft-nicht-blo%C3%9F-schwarz

Gebunden, 144 Seiten, Deutsch, Praesens Verlag, erschienen am 18.06.2008

Wie kommt es, daß ein Wort wie "Neger" noch in den 80er Jahren (weitgehend) wertfrei verwendet werden konnte, während es heute, 25 Jahre später, als abwertend angesehen wird? Wie ist es möglich, daß dasselbe Wort auch heute noch mit dem Argument verteidigt wird, es bedeute doch lediglich schwarz, wenn ihm zur gleichen Zeit der Status eines Schimpfwortes zugeordnet wird? Wieso sollte man Ausdrücke wie "Mohrenwäsche" besser vermeiden? Und was sagen unsere Wörterbücher zu all dem? Dieses Buch versucht, diesen Fragen auf den Grund zu gehen. Anhand von kulturgeschichtlichen Ansätzen wie (rassistischer) Diskriminierung und dem Konzept der political correctness sowie auf Basis sprachwissenschaftlicher Modelle wird aufgezeigt, wie sich die Bedeutung des Wortfeldes Neger verändert hat, warum dies passiert ist und auf welchen Zeitraum sich dieser Bedeutungswandel genauer eingrenzen läßt.


Erstellt: 2021-12

L

M

N

O

P

Q

R

S

T

Technau, Björn
Beleidigungswörter
Die Semantik und Pragmatik pejorativer Personenbezeichnungen

(E?)(L?) https://www.degruyter.com/view/product/495661

Dass sich in der Forschung bislang kein Konsens darüber abzeichnet, wie die Semantik und Pragmatik pejorativer Personenbezeichnungen am besten gefasst werden kann, hat damit zu tun, dass Beleidigungswörter mehrere Bedeutungsarten miteinander kombinieren, die ihre jeweils eigenen Herausforderungen an die Semantik/Pragmatik-Unterscheidung stellen.

Das Buch entwickelt auf Grundlage empirischer Daten ein semantisches Analysemodell für verschiedene Arten von Beleidigungswörtern und beleuchtet mithilfe konversationsanalytisch aufbereiteter Gesprächsdaten deren unterschiedlichen Verwendungsweisen ("Appropriation", "Banter", "Comedy", "Hate Speech"). Das Multikomponentenmodell ist damit stark an der Realität der Sprachgemeinschaft orientiert und zeichnet sich u.a. durch die Einführung einer skalaren Bedeutungskomponente (Beleidigungsgrad) aus sowie durch eine Abtrennung der pejorativen von der expressiven Bedeutung.

Neben dem bislang umfangreichsten Überblick über die einschlägige Forschung bietet das Buch neue Impulse für die (angewandte) Sprachwissenschaft und viele interdisziplinäre Anknüpfungspunkte. Dies scheint insbesondere relevant im Kontext aktueller Debatten um Hasskommentare im Internet sowie angesichts der Probleme, die sich in unserer Gesellschaft in Form von Mobbing, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit stellen.

Reihe: Linguistik - Impulse & Tendenzen 74
DE GRUYTER MOUTON
Ca. V, 370 Seiten
Sprache: Deutsch
Werktyp: Monographie
Schlagwort(e): Beleidigung; Pejoration; Semantik; Pragmatik
Zielgruppe: Linguistik, Sprachphilosophie, Rechtswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Pädagogik


Erstellt: 2018-02

U

V

W

X

Y

Z