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Gift (W3)
Im Deutschen denkt man bei dt. "Gift" sofort an etwas, das dem Menschen zum Nachteil gereicht. In der "Mitgift" kann man allerdings auch genau das Gegenteil erkennen. Und das engl. "gift" bedeutet auch "Geschenk". Daran erkennt man denn also, dass es eigtlich ganz allgemein "Geben", "Gabe" bedeutet.
Und im Deutschen wurde aus der ärztlichen Medikamentengabe das deutsche "Gift".
"Gift" war bereits als althd. , mhdt. "gift" die Bezeichnung für dt. "Gabe", "Belohnung", "Geschenk", "Brautpreis" (letzteres findet man noch in dt. "Mitgift". Zu Grunde liegt das Verb dt. "geben", engl. "give".
Die Bedeutung: "Tod bringender Stoff", "tödliche Gabe" wurde bereits dem althdt. "Gift", in euphemistischem Gebrauch - also beschönigend-verhüllend - mitgegeben.
Das zunächst feminine "die Gift" wurde im 15. Jh. zu "der Gift" und im 16. Jh. zu "das Gift". Bei Goethe findet man noch "die Gift" für "Gabe", "Geschenk".
Bei Adelung findet man:
1. Die "Gift", plur. die -e, eine jede Sache, welche man einen andern gibt, eine Gabe, und in engerer Bedeutung, ein Geschenk. Mit Geschenken, Giften und Gaben etwas ausrichten, Apherd. beym Frisch. Da hilfet ganz kein Kauf noch Gift noch Gaben, Opitz. Dieses sind die Gift und Gaben, Die uns über allen Neid Heben sollen jederzeit, ebend. Im Hochdeutschen ist es wenigstens in der edlen und anständigen Schreibart veraltet. Nur das Wort "Mitgift" hat es noch erhalten. Eben so veraltet sind die Wörter "Gifter", der "Schenkende", "begiften", "begaben", "beschenken" u. a. m. Es kommt von "geben" her, wie "Trift" von "treiben", das Nieders. "Löfde", "Verlöfde" von "loben"; "verloben" u. s. f. und wurde ehedem auch von der Handlung des Gebens gebraucht. Bey dem Ottfried "Gift".
2. Das "Gift", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, ein jedes Ding, welches, wenn es in den Körper eines lebendigen Geschöpfes gebracht wird, den Tod derselben verursacht. 1. Eigentlich. Ein geschwindes Gift, welches geschwinde wirket, im Gegensatze eines langsamen. Arsenik ist das unumschränkteste Gift des ganzen Thierreiches. Jemanden Gift beybringen; im gemeinen Leben, ihm Gift geben. Jemanden mit Gift vergeben. Die besten Arzneymittel können zuweilen zu einem wahren Gifte werden. Gift mischen, Gift bereiten, um es andern herzubringen, S. Giftmischer. Der Weisheit Honig liegt oft nahe bey den Giften, Dusch. Das Gift welches verschiedene Arten von Thieren bey sich führen sollen, ist bey den meisten nichts als ihr Speichel, der, wenn das Thier in einen hohen Grad erzürnt wird, auch von sonst unschädlichen Thieren tödlich wird. In engerer Bedeutung führet der Arsenik und Hüttenrauch, Hüttenbaue, als auch im gemeinen Leben nur schlechthin den Nahmen des Giftes. S. einige der folgenden Zusammensetzungen. 2. In weiterer und figürlicher Bedeutung. 1) Eine jede Sache, welch nicht nur dem Körper, sondern auch dem ganzen Zustande des Menschen sehr schädlich ist, sehr nachtheilige Veränderungen in demselben hervor bringet. Der Wein ist Kin- dern ein Gift. Ein Verstand, der der Tugend des Herzens nicht aufhilft, ist kein Gut, er ist vielmehr ein Gift der Seele, Gell. 2) Bosheit, hoher Grad der mit Zorn verbundenen Begierde andern zu schaden, im gemeinen Leben. es steigt ihm der Gift auf. Gift und Galle ausspeyen. Wo es nur im männlichen Geschlechte üblich ist.
Anm. Bey dem Stryker "Gifte", im Schwabensp. "Vergift", im Nieders. Schwed. Dän. Angels. gleichfalls "Gift", im Angels. auch "Gife", "Geof", im Böhm Ged. Es stammen gleichfalls von "geben" her, wie das vorige, und bedeutet eine solche tödtende Sache, welche jemanden von einem andern gegeben, d. i. beygebracht wird, in welcher Bedeutung auch noch "vergeben" üblich ist, S. dasselbe. Notker braucht dafür noch "Eitter". Dieses Wort kommt, selbst im Hochdeutschen, in allen dreyen Geschlechtern vor. Im männlichen brauchen es Canitz, und Günther. Such Dusch singt: In jeder bösen Handlung liegt "ein verborgener Gift". Das weibliche hat Stryker, "die Gifte". Die Zunge ist voll tödtlicher Gift, Jac. 3, 8. "Die süße Gift" der schnöden Eitelkeit, Opitz. Dieses letztere Geschlecht ist in der Analogie des vorigen Wertes nach das richtigste; indessen ist doch im Hochdeutschen das ungewisse das gewöhnlichste.
Das "Gegengift", des -es, plur. von mehrern Arten, die -e, diejenige Arzeney, welche dem Gifte entgegen gesetzt wird, dessen Wirkung zu zerstören; Antidotum. Ingleichen figürlich. Der Stolz ist oft das Gegengift des Geitzes. S. "Gift".
Die "Giftarzeney", plur. inus. außer von mehrern Arten, die -en, eine Arzeney wider das Gift; ein Giftmittel, Alexipharmacum.
Die "Giftäsche", plur. die -en, S. Firnißbaum.
Der "Giftbaum", des -es, plur. die -bäume. 1) S. Firnißbaum. 2) eine andere Art des Sumachs oder Färberbaumes mit dreyfachen mit Haaren besetzten gestielten Blättern, der in Virginien und Canada wächset und gleichfalls giftig ist; Rhus Toxicodendrum L. 3) Eine Art der Balsampflanze mit gefiederten Blättern, und flachen gestielten Blättchen, welche in Carolina wächset, und deren Stamme ein schwarzer giftiger Saft tröpfelt; Amyris toxifera L.
Der "Giftbissen", des -s, plur. ut nom. sing. eigentlich, ein vergifteter Bissen. Bey den Jägern auch figürlich der Köder, welcher an den Abzug einer Falle oder eines Eisens gebunden wird, ein Thier damit anzulocken.
Die "Giftblase", plur. die -n, eine Blase, so fern solche ein Behältniß des Giftes verschiedener Thiere seyn soll. Bey den Bienen wird dasjenige Säckchen im Leibe, worin sie ihren Stachel haben, die Giftblase, von andern aber auch die Gallenblase genannt.
Die "Giftbohne", plur. die -n, die Frucht eines Ostindischen Strauches, und dieser Strauch selbst, welcher zu den Pflanzen mit zehen verwachsenen Staubfäden in zwey Parteyen gehöret, überaus schöne scharlachrothe Bohnen oder Erbsen in Hülfen träget, die aber schädlich im Genusse sind; Abius precatorius L. weil die Bohnen auch zu Rosenkränzen gebraucht werden.
Das "Gifterz", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -e, im Bergbaue, ein jedes Erz, dessen vornehmster Bestandtheil Gift, d. Arsenik ist. Schwarzer Gifterz, ist ein gegrabener schwarzer Arsenik, welcher auch Fliegenstein und Spiegelkobalt genannt wird.
Der "Giftessig", des -es, plur. inus. außer von verschiedenen Arten, die -e, ein mit Gegengiften zubereiteter Weinessig, den giftigen Einflüssen zur Pestzeit zu widerstehen; Pestessig, Acetum ex. alexipharmacis.
Der "Giftfang", des -es, plur. die -fänge, im Hüttenbaue, ein Rauchfang über den Röstofen, der mit dem Rauche aufstei- genden Arsenik aufzufangen, der alsdann Hüttenrauch, oder Giftmehl genannt wird.
Der "Giftheil", des -es, plur. inus. eine Pflanze, welche zu dem Geschlechte des Eisenhütleins gehöret, auf den Alpen und Pyrenäen wächset, und von vielen für das Gegengift der Wolfswurz gehalten wird; Aconitum Anthora L. Bey einigen führet auch der Zittwer diesen Nahmen.
Die "Gifthütte", plur. die -n, im Hüttenbaue, dasjenige Gebäude, in welchem das Giftmehl von neuem sublimiret und in festen Arsenik verwandelt wird.
"Giftig", -er, -ste, adj. et adv. 1) Gift enthaltend. Giftige Kräuter, giftige Thiere, eine giftige Luft. Der Schirling ist giftig. 2) Figürlich, im hohen Grade zornig, mit Begierde zu schaden, im gemeinen Leben. Giftig werden. Ein giftiger Mensch. Ingleichen boshaft. Giftige Worte, Pf. 64, 4 - Giftig reden, Pf. 109, 3. Ein giftiger Mund, Sprichw. 26, 23. Ein giftige Zunge haben.
Der "Giftkies", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e, im Bergbaue, eine Benennung des Mißpickels oder des weißen Kieses, der ein mit Arsenik vererztes Eisen ist.
Der "Giftmagnet", des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, eine Benennung eines kleinen schwarzen Steinchens in Gestalt einer Linse, welches in Ostindien in einer Art Schlangen gefunden wird, und das Gift an sich ziehen soll.
Das "Giftmehl", des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten und Quantitäten, die -e. 1) Im Hüttenbaue, derjenige Arsenik, welcher sich bey dem "Rösten" der Erze in Gestalt eines grauen Mehles in den Giftfängen ansetzet, und daher auch Hüttenrauch genannt wird. 2) Eine arsenikalische Erde, welche bald von weißer, bald von gelber, blauer und schwärzlicher Farbe ist, und auch Schwabengift genannt wird, führet zuweilen gleichfalls den Nahmen des Giftmehles.
Der "Giftmischer", des -s, plur. ut nom. sing. Fämin. die Giftmischerinn, plur. die -en, im gemeinen Leben, eine Person, welche Menschen oder Thiere aus Bosheit durch beygebrachtes Gift umbringet. Daher die Giftmischerey, oder Giftmischung, die Handlung selbst. Von der Redensart Gift mischen, d. i. zubereiten.
Das "Giftmittel", des -s, plur. ut nom. sing. Arzneymittel wider das Gift; Giftarzeneyen.
Die "Giftnuß", plur. die -nüsse, S. Cocos.
Der "Giftroche", des -n, plur. die -n, eine Art Rochen, dessen langer vorn gezähnter Stachel auf dem Schwanze Menschen und Thieren tödtlich ist; Raja Pastinaca L. Von andern wird er Meerpfau genannt.
Der "Giftstein", des -es, plur. die, im gemeinen Leben, 1) ein jeder Giftkies. 2) Alle Steinarten, welche dem Gifte widerstehen sollen, wohin man auch den Bezoar rechnet. 3) Im Hüttenbaue, der arsenikalische Ofenbruch, der sich in Gestalt eines Steines von arsenikalischen Erzen unten im Ofen anleget.
Die "Giftwurzel", plur. inus. in einigen Gegenden, ein Nahme der Schwalbenwurzel, Asclepias Vincetoxicum L. deren Wurzel wegen ihrer schweißtreibenden Kraft wider alle Arten des Giftes gerühmet wird.
(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERG.pdf
gemeingefährliche Vergiftung | Gift
(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERR.pdf
Rauschgift
(E1)(L1) http://www.koeblergerhard.de/der/DERV.pdf
vergiften | Vergiftung
(E?)(L?) http://www.zeit.de/2014/32/airbag-gas-explosion-stimmts
Produziert ein explodierender Airbag giftige Gase?
(E?)(L?) http://www.zeit.de/2013/44/stimmts-hunde-avocado
Müssen Hunde sterben, wenn sie Avocados fressen?
(E?)(L?) http://www.zeit.de/2007/34/Stimmts-Bohnen
Nicht die Bohne - Sind rohe Bohnen giftig?
(E?)(L?) http://www.zeit.de/2007/18/Stimmts-Leichen
Leichengift - Müssen Tote nach Naturkatastrophen umgehend begraben werden, weil sonst Seuchen drohen?
(E3)(L1) http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw/
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(E?)(L?) http://de.wikipedia.org/wiki/Pejoration
Sonstiges:
"Gift", ursprünglich synonym zu "Gabe", "Geschenk" (vergl. "Mitgift" oder niederländisch bzw. englisch "gift") wurde schon im Althochdeutschen (etwa bei Notker) euphemistisch für "tödliche Gabe" verwendet. Bis ins 18. Jahrhundert existierten beide Bedeutungen parallel, wobei sich das Genus für die Bedeutung "schädlicher Stoff" im 15. und 16. Jahrhundert über Maskulinum zu Neutrum wandelte. Ausgangspunkt der Pejoration war hier die euphemistische Verwendung des Begriffes. Er nimmt schließlich die Bedeutung dessen an, was er eigentlich verhüllen sollte. Eine gleichartige Entwicklung des Giftbegriffes zeigt auch die Etymologie von französisch "poison" (zugleich auch Ursprung von englisch "poison"), das von lat. "potio": "Trunk", "Getränk", abgeleitet ist.
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(E1)(L1) http://books.google.com/ngrams/graph?corpus=8&content=Gift
Abfrage im Google-Corpus mit 15Mio. eingescannter Bücher von 1500 bis heute.
Dt. "Gift" taucht in der Literatur um das Jahr 1720 auf.
(E?)(L?) https://corpora.uni-leipzig.de/
Erstellt: 2015-03